Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Auf der Ehrentribüne haben der Präsident der ungarischen Nationalversammlung, Dr. János Áder, und
seine Delegation Platz genommen.
({0})
Ich begrüße Sie, Herr Präsident, und die Sie begleitenden Vertreter der ungarischen Nationalversammlung
auch von diesem Platz aus noch einmal ganz herzlich im
Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen
Bundestages, nachdem Sie schon gestern etliche Abgeordnete kennengelernt haben. Herr Präsident, es ist uns
eine große Freude, Sie und Ihre Begleitung zu einem offiziellen Besuch zu Gast zu haben.
Der Deutsche Bundestag mißt den traditionell freundschaftlichen, ja herzlichen Beziehungen unserer Länder
und unserer Parlamente insbesondere bei der Gestaltung
der gemeinsamen europäischen Zukunft große Bedeutung bei. Wir verfolgen mit Interesse die Entwicklung in
Ihrem Land und freuen uns, daß Ungarn nicht nur große
Fortschritte auf dem Weg zur EU-Beitrittsfähigkeit
macht, sondern schon in diesem Monat unser Partner im
Nordatlantischen Bündnis sein wird.
Ihr Land hat wesentlichen Anteil an der Überwindung
der trennenden Grenzen in Europa und an der Öffnung
der Grenzen und ermöglichte damit die deutsche Einheit. Dieser Beitrag wird uns dauerhaft unvergeßlich
bleiben.
({1})
Deswegen, Herr Präsident, ist Ihr Besuch gerade im Jahr
1999, zehn Jahre nach der friedlichen Revolution, von
besonderem Gewicht. Für diese Geste bedanken wir uns
ganz herzlich. Seien Sie uns willkommen!
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst möchte
ich zwei amtliche Mitteilungen verlesen: Zwei vom
Deutschen Bundestag bereits gewählte stellvertretende
Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Beirat der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post sollen
getauscht werden. Die Kollegin Renate Blank soll persönliche Stellvertreterin des Kollegen Dr. Martin Mayer
({3}) und der Kollege Dr. Michael Meister
persönlicher Stellvertreter des Kollegen Ulrich Adam
werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Aus dem Stiftungsrat der „Stiftung zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur“ scheidet die Kollegin Simone Probst
als stellvertretendes Mitglied aus. Die Fraktion Bündnis
90/Die Grünen schlägt als Nachfolger den Kollegen
Christian Ströbele vor. Sind Sie damit einverstanden?
- Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist der Kollege
Christian Ströbele als stellvertretendes Mitglied in den
Stiftungsrat gewählt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die Ihnen in einer Zusatzpunktliste
vorliegenden Punkte zu erweitern:
ZP2 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 - Drucksachen
14/23, 14/442, 14/443, 14/466 ZP3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({4})
a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Änderung des DNA-Identitätsfeststellungs-
gesetzes - Drucksache 14/445 -
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marlies Pretzlaff,
Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert Blüm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
5 Jahre nach Kairo: Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz der Vereinten Nationenen zu Weltbevölkerung und
Entwicklung 1994 - Drucksache 14/446 ZP4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der PDS: Haltung der Bundesregierung zu dem am 11. Februar 1999
veröffentlichten Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen
zur Verletzung des internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte durch die Bundesrepublik Deutschland
Weiterhin ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 4 - Debatte anläßlich des Internationalen Frauentages - unmittelbar nach der Beratung des Steuerentlastungsgesetzes und noch während der Kernzeit aufzurufen.
Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Handlungsfähigkeit der Nordatlantischen Allianz soll abgesetzt werden.
Außerdem weise ich auf eine nachträgliche Ausschußüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste hin:
Der in der 21. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll nachträglich dem Ausschuß für
Angelegenheiten der neuen Länder zur Mitberatung überwiesen werden.
Antrag der Abgeordneten Hans Martin Bury, Ernst Schwanhold, Klaus Barthel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD sowie der Abgeordneten Werner Schulz ({5}),
Margareta Wolf ({6}) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderung der Luftfahrttechnologie
- Drucksache 14/395 überwiesen:
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie ({7})
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
Haushaltsausschuß
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002
- Drucksache 14/23 ({8})
a) Dritte Beschlußempfehlung und dritter Bericht des Finanzausschusses ({9})
- Drucksachen 14/442, 14/443 Berichterstattung:
Abgeordnete Detlef von Larcher
Klaus Wolfgang Müller ({10})
Heidemarie Ehlert
b) Bericht des Haushaltsausschusses ({11})gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 14/466 Berichterstattung:
Abgeordnete Peter Jacoby
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Es liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der
CDU/CSU, F.D.P. und PDS vor. Ich weise darauf hin,
daß wir nach der Aussprache zahlreiche namentliche
Abstimmungen durchführen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine.
({12})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Gestern hat der Deutsche Bundestag den Einstieg in die
ökologische Steuer- und Abgabenreform beschlossen.
Der Kollege Ernst Ulrich von Weizsäcker hat diesen
Einstieg als historisch bezeichnet.
({0})
Ich möchte heute noch einmal feststellen, daß dieser
historische Einstieg dem Willen vieler Menschen in
Deutschland entspricht. Viele Menschen teilen unsere
Auffassung: Die Arbeit muß entlastet werden, der Umweltverbrauch muß stärker belastet werden. Den ersten
Schritt haben wir getan. Wir werden diese wichtige Reform fortsetzen.
({1})
Heute verabschieden wir einen Gesetzentwurf, der
vor allen Dingen die Leitidee beinhaltet, mehr Steuergerechtigkeit in Deutschland herzustellen und Arbeitnehmer und Familien zu entlasten. Wenn wir uns die
Steuerpolitik der letzten Jahre vergegenwärtigen, dann
dürfen wir nicht übersehen, daß insbesondere im Zuge
der Entscheidung, den Aufbau Ost über die Sozialversicherungsbeiträge zu finanzieren, Arbeitnehmer und Familien in diesem Lande überproportional belastet worden sind. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß in den
letzten Jahren die Unternehmen - es ist notwendig, das
heute einmal zu sagen - in der Summe um 50 Milliarden
DM entlastet worden sind, mit dem Versprechen, daß
dadurch die Arbeitslosigkeit abgebaut werde. Auf der
anderen Seite haben alle wissenschaftlichen Institute
ermittelt, daß insbesondere die Arbeitnehmer und die
Familien überproportional belastet waren.
Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt festgestellt,
daß die Familien in Deutschland in den letzten Jahren zu
wenig gefördert worden sind, daß den Familien pro Jahr
- das muß man immer wieder sagen - durch die Regierung Kohl 20 Milliarden DM vorenthalten wurden. Dieses Gesetz korrigiert diesen Irrweg der deutschen Steuerpolitik in den letzten Jahren.
({2})
Wenn nach Verabschiedung dieses Gesetzes eine
durchschnittliche Arbeitnehmerfamilie um 2 500 DM
entlastet wird, dann mag das für den einen oder anderen,
der in solchen Zahlen nicht mehr denken kann, zwar
wenig bedeuten. Wenn man sich aber vergegenwärtigt,
daß eine Verkäuferin in diesem Lande manchmal gerade
2 000 DM netto in der Tasche hat, dann erkennt man,
daß die steuerliche Entlastung für Arbeitnehmer und für
Familien um 2 500 DM sehr viel bedeutet; deshalb wird
diese Steuerreform von der großen Mehrheit des Volkes
begrüßt und von uns beschlossen.
({3})
Sie haben die Unternehmen in den letzten Jahren um
50 Milliarden DM - so die Berechnungen verschiedener
Präsident Wolfgang Thierse
Finanzverwaltungen der Länder - entlastet, weil Sie der
Auffassung waren, daß dadurch mehr Arbeitsplätze entstehen würden und die Arbeitslosigkeit abgebaut würde.
Das mag in guter Absicht geschehen sein. Aber Sie
müssen heute einfach bereit sein, Zahlen zur Kenntnis
zu nehmen. Die Zahlen sagen Ihnen, daß Sie in diesem
Land überproportional in eine Richtung umverteilt und
das gewünschte Ziel, den Abbau der Arbeitslosigkeit,
nicht erreicht haben. Deshalb muß die Steuerpolitik korrigiert werden.
({4})
Wir haben zunächst das Vorläufergesetz verabschiedet, das den Eingangssteuersatz von 25,9 Prozent auf
23,9 Prozent gesenkt hat. Wir haben den Grundfreibetrag auf 13 000 DM und das Kindergeld für Erst- und
Zweitkinder auf 250 DM im Monat erhöht. Die heutige
Beschlußfassung wird dazu führen, daß der Grundfreibetrag in zwei Schritten, zum 1. Januar 2000 und zum 1.
Januar 2002, auf 14 000 DM erhöht wird. Der Eingangssteuersatz wird ebenfalls in zwei Schritten auf 19,9 Prozent abgesenkt. Die Senkung des Spitzensteuersatzes erfolgt in zwei Schritten auf 48,5 Prozent. Parallel dazu
wird der Höchststeuersatz für gewerbliche Einkünfte
zunächst auf 43 Prozent abgesenkt. Der Körperschaftsteuersatz wird ebenfalls zunächst auf 40 Prozent
zurückgeführt.
Um diese Sätze finanzieren zu können, mußten wir
einen großen Teil der Steuersubventionen verändern und
teilweise ganz streichen. Wir waren uns darüber im klaren, daß eine solch schwierige Aufgabe auf erhebliche
Widerstände stoßen würde und daß die jeweils Betroffenen massiv gegen die Streichung von Subventionen
protestieren würden.
Aber, meine Damen und Herren, ich will Ihnen einmal aus einem Brief vorlesen, der mich als Privatmann
kürzlich erreicht hat. Die Berliner Bank AG schreibt
mir: Wir bieten Ihnen einen Fonds an; und in diesem
Fonds wird Ihnen eine Verlustzuweisung von insgesamt
225 Prozent bezogen auf die Bareinlage eingeräumt. Das ist das Ergebnis der Steuerpolitik der letzten Jahre,
die Sie zu verantworten haben, die unter keinem Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen ist und die deshalb geändert werden muß.
({5})
Natürlich sind alle diejenigen, die in großem Umfang
von solchen Steuersparmodellen Gebrauch gemacht
haben, jetzt enttäuscht darüber, daß diese Möglichkeiten,
zu Lasten der Allgemeinheit Vermögen aufzubauen,
jetzt nicht mehr bestehen oder deutlich reduziert werden.
Das verstehe ich völlig. Wir haben immer wieder gesagt:
Wer legal Steuersparmodelle in Anspruch nimmt, dem
kann man im Grunde genommen keinen Vorwurf machen. Es waren politische Entscheidungen, die diese
Möglichkeiten eingeräumt haben. In den letzten Jahren
war aber im Volk als Grundtenor zu hören, wenn man
ihn denn hören wollte, daß die Menschen glaubten, es
gehe nicht mehr gerecht in diesem Lande zu. Dieses
Steueränderungsgesetz stellt mehr Steuergerechtigkeit
her; das war in Deutschland auf Grund der Entwicklungen der letzten Jahre dringend notwendig.
({6})
Arbeitnehmer und Familien werden um über 20 Milliarden DM entlastet. Das ist ein notwendiger Schritt.
Ich erinnere noch einmal alle diejenigen, die das Maß
verloren haben, daran, daß die Unternehmen in den
letzten Jahren um 50 Milliarden DM entlastet worden
sind. Wer angesichts dieser Zahlen etwa von leichtfertiger Nachfragestützung oder von Ideologie spricht, der
ist selbst geblendet. Wer es für richtig hält, Unternehmen um 50 Milliarden DM zu entlasten, aber dann von
Ideologie oder von einem Irrweg spricht, wenn man die
Arbeitnehmer und Familien um über 20 Milliarden DM
entlastet, der hat jedes Maß und jeden Sinn für Steuergerechtigkeit in diesem Lande verloren.
({7})
In diesem Gesetz haben wir eine Entlastung des Mittelstandes in Angriff genommen.
({8})
- Sie nennen sich immer Mittelstandspartei, sind auch
ganz stolz darauf und schreiben sich selbst die Fähigkeit
zu, Mittelstand und Handwerk unterstützen zu können.
Aber Sie haben es vielleicht gar nicht gemerkt, daß die
Steuerpolitik der letzten Jahre überproportional den
Großunternehmen zugute gekommen ist. Aber die
Handwerker und Mittelständler im Lande haben es gemerkt und beschweren sich immer wieder über diese
Entwicklung.
({9})
Insofern ist Ihr Lachen durchaus ein Beleg für den Irrweg Ihrer Steuerpolitik. Der Mittelstand wird nach den
Berechnungen der Institute - auf die berufe ich mich,
weil Sie mir sonst Parteilichkeit unterstellen könnten deutlich um über 3 Milliarden DM entlastet.
({10})
Im Grunde genommen haben wir die Ausgangssituation noch verbessert, indem wir teilweise Korrekturen
auch an Tatbeständen vorgenommen haben, die in Ihrem
Steueränderungsgesetz, das ja ebenfalls dem Deutschen
Bundestag zur Beschlußfassung vorgelegen hat, den
Mittelstand benachteiligt hätten. Ich nenne als Beispiel
nur einmal den Verlustvortrag und -rücktrag. Schauen
Sie in Ihr eigenes Gesetz, statt zu versuchen, die Menschen an dieser Stelle zu täuschen. Wir haben deutlicheBundesminister Oskar Lafontaine
re Verbesserungen für den Mittelstand beschlossen, als
Sie es in Ihrem Gesetz vorgesehen hatten.
({11})
Nehmen Sie die Frage der Freibeträge bei Veräußerungsgewinnen: Wir haben auf Grund der Diskussionen
mit den Verbänden der Wirtschaft die Freibeträge bestehenlassen, weil wir uns davon überzeugen ließen, daß
diese Steuersubvention gerade beim Betriebsübergang
nach wie vor wirtschaftlich begründbar ist. Die Veräußerungsgewinne werden insoweit wie bisher steuerlich
begünstigt behandelt. Auch hier kommen wir auf Grund
der Diskussionen den Verbänden der Wirtschaft entgegen.
Nehmen Sie die Ansparabschreibung: Ich weiß vielleicht wissen Sie es auch noch - aus den vielen Verhandlungen der letzten Jahre, daß wir sie zunächst gegen
Ihren Widerstand durchgesetzt haben. Die Ansparabschreibung sollte nach den vielen Katalogen, die zur
Kürzung der Steuersubventionen vorgelegen haben, gestrichen werden. Wir sind auch hier den mittelständischen Betrieben und den Kleinbetrieben entgegengekommen. Die Ansparabschreibung bleibt erhalten.
Nehmen Sie die Teilwertabschreibung: Hier haben
wir die Kritik aus der Wirtschaft aufgenommen. Die
Teilwertabschreibung - ich stelle das noch einmal klar war in Ihrer Vorlage nicht vorgesehen. Ich habe das
einmal fälschlicherweise anders gesagt, weil ich es anders in Erinnerung hatte. Wir haben die Kritik aufgenommen und die Teilwertabschreibung deutlich zugunsten des Mittelstandes korrigiert, weil die Argumente,
insbesondere aus den Buchverlagen, aus der Textilindustrie und aus dem Einzelhandel, schlicht und einfach
überzeugend waren. Deshalb wurde die Teilwertabschreibung im Gesetzesverfahren korrigiert.
({12})
Wir haben eine Reihe von Tatbeständen, die einzelne
Berufsgruppen betroffen haben, zugunsten dieser Berufsgruppen als Steuersubvention erhalten. Das ist systematisch nicht in Ordnung. Wir haben aber geglaubt,
etwa bei selbständigen Lehrern, bei Beiträgen für Privatschulen, beim Kantinenessen usw., den Gruppen Rechnung tragen zu sollen, die uns angeschrieben und gesagt
haben, daß der Abbau dieser Subventionen sie über Gebühr belasten würde.
Aber da wir hier schon über die Steueränderungsgesetze reden, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, daß diese Steueränderungsgesetze auch schlimme
Fehlentwicklungen in bezug auf die Arbeitnehmerschaft
korrigieren, weil Sie ein ganz anderes Gesetz beschließen wollten. Sie wollten die Nacht- und Schichtarbeit
besteuern. Wir haben vor den Wahlen versprochen, daß
das nicht in Frage kommt, weil die Busfahrer, die Facharbeiter und die Krankenschwestern nicht die Verlierer
der Steuerreform werden sollten. Wir sind stolz darauf,
daß unser Reformgesetz dieses Versprechen einlöst.
({13})
Sie wollten den Arbeitnehmerpauschbetrag halbieren.
Damit wollten Sie die Arbeitnehmerschaft in großem
Umfang steuerlich stärker belasten. Wir haben es angesichts der Tatsache, daß die Steuern in den letzten Jahren die Arbeitnehmerschaft überproportional belastet
haben, nicht für vertretbar gehalten, diese Steuersubvention abzubauen.
Sie wollten die Kilometerpauschale deutlich reduzieren, obwohl Sie doch wissen, daß gerade in einem
Zeitalter, in dem jeder Flexibilität und Mobilität fordert,
auch die Anfahrtswege der Arbeitnehmerschaft mit dem
privaten Pkw, insbesondere in ländllichen Gebieten,
durchaus steuerlich begünstigt werden sollten. Wir erhalten die Kilometerpauschale, weil wir keine unzumutbaren Belastungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen, die einen langen Anfahrtsweg zu ihrer
Arbeitsstelle haben.
({14})
- Sie haben gestern hier den Vorschlag gemacht, wir
sollten sie in eine Entfernungspauschale umwandeln.
Mir ist nur aufgefallen, daß Sie vergessen haben, eine
Zahl zu nennen.
({15})
- 70 Pfennig; das ist gut. Dann sagen Sie noch dazu,
wieviel das insgesamt kostet und wie das finanziert werden soll. Das ist typisch F.D.P. Wer heute bei einem
strukturellen Defizit von 30 Milliarden DM im Bundeshaushalt noch weitere Geschenke fordert und nicht sagt,
wie sie finanziert werden sollen, ist unglaubwürdig und
kann in einer solchen Debatte im Grunde genommen
nicht ernst genommen werden.
({16})
Herr Kollege Lafontaine, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Solms?
Selbstverständlich, Herr Kollege Solms. Vielleicht sagen
Sie mir ja, wie das Ganze finanziert werden soll.
Herr Kollege
Lafontaine, wenn Ihnen unser Gesetzentwurf vorgelegt
worden wäre, hätten Sie ihm entnehmen können - deswegen frage ich Sie, ob Sie das jetzt zur Kenntnis nehmen wollen -, daß unser Vorschlag dadurch aufkommensneutral ist, daß es bei der 70-Pfennig-Regelung
bleibt, auch für andere Verkehrsmittel als Automobile,
daß die Kilometerpauschale allerdings erst bei einer Entfernung von über 10 Kilometern gewährt wird.
Das ist keine Antwort, Herr Kollege Solms.
Dadurch wird es
aufkommensneutral.
Das ist schlicht und einfach falsch. Schauen Sie sich das
noch einmal an. Wenn Sie sagen, daß Sie 70 Pfennig
wollen, dann ist das nicht aufkommensneutral, sondern
schlicht und einfach falsch.
({0})
Wir können das ja klären. Wir haben diese Modelle nach
allen Richtungen diskutiert. Wenn Sie eine Entfernungspauschale in dieser Form vorschlagen und den Eindruck
erwecken, daß sie für einen großen Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Städten usw. nicht in
Frage kommt, dann müssen Sie das auch dazusagen und
deutlich machen, wieviel Prozent der Arbeitnehmer Sie
ausschließen. Das ist dann eine andere Debatte.
Ich habe Ihrem Antrag entnommen, daß Sie eine Entfernungspauschale einführen wollen. Das ist durchaus
richtig. Wenn Sie aber jetzt sagen, daß Sie einen Teil der
Arbeitnehmerschaft wieder herausnehmen, dann ist das
nicht die Entfernungspauschale, über die wir immer gesprochen haben. Wir sind aber gerne bereit, mit Ihnen
weiter darüber zu debattieren.
({1})
Nachdem ich etwas zu den Arbeitnehmern und ihren
Familien gesagt habe, möchte ich noch betonen, daß die
Entlastung von 2 500 DM natürlich nicht das Ende sein
kann. Denn das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgetragen, die Familien noch besserzustellen, als es durch
die 2 500 DM jetzt vorgesehen ist. Das wirft natürlich
die Frage auf, wie dieser Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes angesichts der Haushaltsentwicklung erfüllt werden kann. Wir müssen darauf hinweisen, daß
davon nicht nur der Bund, sondern auch die Länder betroffen sind.
Deshalb brauchen wir an dieser Stelle eine sachliche
und ehrliche Debatte. Wir werden sorgfältig zu prüfen
haben, zu welchem Mittel wir greifen werden, um diesen Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes zu erfüllen.
Ich halte - soviel möchte ich dazu sagen - Ansätze für
richtig, die davon ausgehen, daß alle Leistungen für die
Familien auf eine brauchbare und sinnvolle Weise zusammengeführt werden sollen.
Aber eines bleibt: Wir sind durch das Verfassungsgericht in einem nicht erwarteten Umfang bestätigt worden. Wir haben gegen viele Widerstände gesagt: Die
Familien werden in diesem Lande viel zu schlecht gestellt. Wir haben in dem vorliegenden Gesetzentwurf mit
einer Entlastung der Familien in Höhe von 2 500 DM
einen ersten Schritt zur Verbesserung der Situation der
Familien getan. Das Verfassungsgericht sagt: Das ist
nicht ausreichend. Wir halten es für richtig, die Familien
in diesem Lande weiter zu stärken.
({2})
Denn es ist unbestreitbar, daß die Familien in den letzten
Jahren die Verlierer der Gesetzgebung waren, die Sie zu
verantworten haben, obwohl Sie sich in vielen programmatischen Aussagen immer wieder dazu bekannt
haben, die Familien zu fördern.
Ich habe vorhin davon gesprochen, daß die Wirtschaft
in den letzten Jahren um 50 Milliarden DM entlastet
worden ist. Ich ergänze dazu, daß nach Berechnungen
des Bundesarbeitsministeriums beispielsweise als Folge
der Streichung der Lohnfortzahlung und der Streichung
des Kündigungsschutzes im Rahmen der Tarifverträge
weitere Entlastungen in Höhe von 15 Milliarden DM für
die Unternehmen eingetreten sind. Sie selbst haben immer wieder davon gesprochen.
Wenn man dies alles saldiert, dann weiß man, in welchem Umfang in den letzten Jahren Steuerentlastungen
zugunsten der Unternehmen durchgeführt worden sind.
Ich will im Hinblick auf die bestehende Debatte feststellen: Wer die aktuelle Belastung der großen Unternehmen und Körperschaften, die auch nach Ihrem Gesetzentwurf belastet worden wären, wie in den Unterlagen nachzulesen ist, kritisiert und verschweigt, in welch
großem Umfang sie in den letzten Jahren entlastet worden sind, der leistet keinen sachlich akzeptablen Beitrag
zur Steuerdebatte. Denn eines muß ich ganz klar sagen:
Es kann nicht sein, daß wir zulassen, daß nur noch die
Arbeitnehmer - weil sie keine Gewinnverlagerung,
Kontenverlagerung oder Wohnsitzverlagerung vornehmen können - die Steuerzahler in unserem Staate sind
und sich alle anderen der Steuerzahlung entziehen. Das
ist eine Entwicklung, die wir auf keinen Fall akzeptieren.
({3})
Deshalb ist es völlig richtig, wenn die größeren Unternehmen sagen, daß sie durch unseren Gesetzentwurf
stärker belastet werden. Dies ist vertretbar, weil wir eine
ganze Reihe von Faktoren heranziehen können, um diesen Sachverhalt zu begründen. Zunächst hatte ich darauf
hingewiesen, daß die Steuerquote in Deutschland im
Vergleich zu den übrigen Staaten Europas am niedrigsten ist. Außerdem hatte ich Sie darauf aufmerksam gemacht, daß die Steuerquote in Deutschland nicht nur im
Vergleich zu den übrigen Staaten Europas am niedrigsten ist, sondern daß sie im Verlauf der letzten Jahre
auch einen Tiefstand erreicht hat. Ebenfalls hatte ich
deutlich gemacht, daß die ständigen Steuerentlastungsgesetze der letzten Jahre mit ihrer einseitigen Schlagseite zu einer ungerechten Verteilung in unserem Lande
geführt haben.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Wir können die Steuerstrukturen verbessern, und
wir können mehr Steuergerechtigkeit herstellen. Wer
aber die Bevölkerung nach wie vor in die Irre führt und
behauptet, größere Steuerentlastungen seien vertretbar,
der täuscht sie und ist in dieser Debatte im Grunde genommen nicht ernst zu nehmen.
({4})
Im übrigen weise ich darauf hin, daß die deutschen
Körperschaften nach Berechnungen des Eurostat unter
effektiven Aspekten die niedrigste Besteuerung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft aufweisen. Das
heißt, der Ansatz, die Steuersätze zu verringern und dafür Steuersubventionen zu streichen, war richtig. Auch
die Wirtschaftsverbände haben diesen Ansatz immer
wieder in die Debatte eingebracht. Dies ist auch ein Ansatz für mehr Steuergerechtigkeit.
Aber eines geht nicht - dies richtet sich an die Kritiker aus den Wirtschaftsverbänden -, nämlich daß man
auf der einen Seite amerikanische Steuersätze fordert
und auf der anderen Seite geradezu alles unternimmt,
um an den deutschen Abschreibungsbedingungen festzuhalten. Das ist unmöglich. Ich bitte daher um Fairneß
und Sachlichkeit in dieser Debatte.
({5})
In diesen Kontext gehört auch die ständig nachzulesende Drohung von Unternehmenszentralen oder Wirtschaftsverbänden: Wenn der Staat die Steuergesetzgebung nicht nach den Maßgaben macht, die von uns für
richtig gehalten werden, dann wandern wir ab oder müssen Arbeitsplätze abbauen. Ich will dieses Argument
einmal aufgreifen: Wenn nachgewiesen werden könnte,
daß die effektive Steuerbelastung etwa der großen Unternehmen in Deutschland deutlich höher wäre als in
anderen Ländern, dann könnte man noch Verständnis für
eine solche Argumentation haben. Solange man sich
aber nur auf die nominalen Steuersätze bezieht und verschweigt, daß sich in diesem Lande Unternehmen damit
gebrüstet haben, in den nächsten Jahren überhaupt keine
Steuern zu zahlen, wenn man verschweigt, daß einzelne
große Unternehmen in den letzten Jahren bei der legalen
Steuerminderung so fleißig waren, daß sie im Verhältnis
zum Umsatz und zum Ertrag ganz wenig Steuern gezahlt
haben, dann hat man den Sinn dieser Debatte nicht verstanden.
Ich will eines sagen: Hier geht es um das Verständnis
unseres Staates, auch um die Fragen, wie der einzelne zu
unserem Staat eingestellt ist und welches Verständnis
unsere Gesellschaft zusammenhält. Der folgende Ausspruch des amerikanischen Präsidenten Kennedy wurde
oft zitiert: Frag nicht immer nur, was der Staat für dich
tun kann! Frag auch einmal, was du für den Staat tun
kannst! - Wir haben hier in den letzten Jahren eine Atmosphäre aufkommen lassen - unter Ihrer Mitwirkung,
meine Damen und Herren -, in der der Eindruck entstanden ist, Steuern zu zahlen sei im Grunde eine unsittliche Handlung, und jeder, der Steuerflucht begehe oder
Steuervermeidung anstrebe, sei der ideale Staatsbürger.
So weit ist es doch in diesem Lande gekommen.
({6})
Diese Schieflage der Debatte muß beseitigt werden.
Wir müssen in diesem Lande wieder dafür werben, daß
dieser Staat auch Einrichtungen zu finanzieren hat - wir
brauchen Kindergärten und Schulen, Straßen und Schienenverkehrswege, moderne Forschung und moderne
Universitäten - und daß er deshalb Steuerzahlerinnen
und Steuerzahler braucht, die steuerehrlich sind. Es kann
aber nicht sein, daß damit nur die Arbeitnehmer gemeint
sind. Nein, alle in diesem Staate sind gemeint, wenn es
darum geht, steuerehrlich zu sein und in diesem Staat
einen Beitrag zu leisten.
({7})
Da hilft es auch nicht, wenn man auf andere Staaten
verweist und dabei wichtige Tatbestände unterschlägt.
Ich habe hier schon einmal gesagt, wie sich unsere Steuerquote im gesamteuropäischen Kontext einordnet, und
Ihnen die Steuer- und Abgabenquoten aller Staaten der
Europäischen Gemeinschaft vorgetragen. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir, obwohl wir den Aufbau Ost
zu finanzieren haben, im Vergleich zu diesen Staaten
auch bei der Steuer- und Abgabenquote die Schlußposition einnehmen.
Ich sage es noch einmal: Wer glaubt, mit Blick auf
bestimmte Interessengruppen - sie haben sich ja zu
Wort gemeldet - immer weiter in dieselbe Richtung gehen zu können, mit dem Ergebnis, daß die Steuereinnahmen des Staates und damit auch die Steuerquote
immer weiter sinken und sich die Belastung zu Lasten
der Arbeitnehmer verschiebt, der ist auf dem völlig falschen Weg.
Meine Damen und Herren, wir brauchen auch die
notwendige Infrastruktur, um die Zukunft zu gewinnen.
Wir können doch nicht die deutsche Bevölkerung in
dem Glauben lassen, daß wir als ein Industriestaat in der
Mitte Europas trotz des Aufbaus Ost auf Dauer mit einer
deutlich niedrigeren Steuer- und Abgabenquote leben
können als die Nachbarstaaten. Diese Melodie haben Sie
in den letzten Jahren gesungen und sind deshalb immer
unglaubwürdiger geworden.
({8})
Wenn noch irgend jemand von Ihnen die Petersberger Beschlüsse vertreten will - es könnte ja sein, daß
einer Ihrer Redner dies nachher zu tun beabsichtigt -,
dann verweise ich darauf, daß die Umsetzung dieser
Petersberger Beschlüsse unter Einschluß der Mehrwertsteuererhöhung, die Sie vorgesehen haben nach Berechnungen von NRW einen Nettoausfall von etwa 50 Milliarden DM bedeutet hätten, und da gab es das Karlsruher
Urteil zum Steuerrecht noch nicht. Ich erwähne dies hier
nur, um deutlich zu machen, in welchem Ausmaß Sie in
den letzten Jahren die Wählerinnen und Wähler in der
Steuerpolitik in die Irre geführt haben.
Ich habe vorhin von Steuergerechtigkeit gesprochen.
Es geht nicht nur darum, daß wir in unserem Lande
Steuergerechtigkeit herstellen. Es geht auch darum, in
der Steuerpolitik wieder Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit
zu haben; diese ist nämlich in den letzten Jahren völlig
verlorengegangen.
({9})
Ich höre dann immer wieder, daß viele Sachverständige - so heißt es; das sind dann die Vertreter der Interessenverbände - ({10})
- Auch Professoren sind Lobbyisten, verehrter Herr
Kollege.
({11})
Sie dürfen nicht meinen, daß Professoren neutrale Wesen seien, die keine Interessen verträten. Auch Professoren, die bei Beratungen herangezogen werden, vertreten
schlicht und einfach Interessen. Es ist nur gut, daß wir
darüber aufgeklärt werden, daß die F.D.P. das anscheinend nicht weiß; das erklärt dann das eine oder andere.
({12})
Glauben Sie ja nicht, daß die Professores bei ihren Stellungnahmen nicht irgendwelche Interessen vertreten
würden.
({13})
Ich möchte aber hinzufügen, daß wir natürlich damit gerechnet haben, daß viele Vertreter von Interessenverbänden gegen dieses Steueränderungsgesetz Stellung
nehmen würden. Denn wir konnten davon ausgehen, daß
wir, wenn wir beispielsweise gegen die wirklich üble
Praxis der Verlustzuweisung, die in den letzten Jahren
eingerissen ist und wo es regelrechte Modelle gibt, die
marktschreierisch angepriesen werden - das ist ein
Schlag gegen Steuergerechtigkeit -, angehen würden,
auf großen Protest stoßen würden. Wir sind stolz darauf,
daß wir diese Auseinandersetzung begonnen haben und
daß wir in unserem Lande mehr Steuergerechtigkeit
verwirklichen werden.
({14})
Im übrigen: Wenn immer wieder gefragt wird: „Wer
äußert sich wie zu diesem Steuergesetz?“, dann möchte
ich erwidern: Es gibt in diesem Land nicht nur Menschen, die Steuersparmodelle in Anspruch nehmen.
({15})
Das ist wirklich die Wahrheit. Viele von denen, die uns
jetzt zuhören, werden gar nicht wissen, was das ist; sie
werden nicht wissen, was eine Verlustzuweisung von
225 Prozent - ich habe das vorgelesen - eigentlich bedeutet, und sie werden all die Sorgen, die von Ihnen als
die Hauptsorgen der deutschen Steuerpolitik bezeichnet
werden, überhaupt nicht haben.
Diese Regierung hat mit ihrer Steuerpolitik die große
Mehrheit des Volkes im Auge; sie hat die Familien im
Auge. Hinsichtlich der Familien haben wir ja in den
letzten Jahren gelernt, daß manche Familien ihre Kinder
gar nicht auf einen Schulausflug schicken können, weil
ihnen das Geld dafür fehlt. Diese Regierung hat die Arbeitnehmer im Auge, die ein sehr geringes Nettoeinkommen haben, und deshalb wollen wir die Arbeitnehmerschaft entlasten.
({16})
Wir haben eine Leitidee, die ökonomisch vernünftig ist,
nämlich die, daß auf Dauer der gesellschaftliche Zusammenhalt in diesem Land bedroht ist, wenn nicht soziale Gerechtigkeit und Steuergerechtigkeit hergestellt
werden.
({17})
Deshalb erfüllen wir mit diesem Steuergesetz einen
Wählerauftrag. Die große Mehrheit des Volkes hat Nutzen von diesem Steuergesetz. Einige, die bisher von
Subventionen profitiert haben, beschweren sich. Insofern haben wir die Bestätigung dafür, daß wir mit unserer Steuerpolitik auf dem richtigen Weg sind. Wir bitten
Sie, dem Gesetz zuzustimmen.
({18})
Für die CDU/CSUFraktion erteile ich dem Kollegen Friedrich Merz das
Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lafontaine, ich
will mit Bemerkungen zu zwei Sachverhalten beginnen,
über deren Bewertung wir uns durchaus einig sind. Wir
sind mit Ihnen der Meinung, daß das Auftreten manches
Unternehmers in den letzten Jahren, insbesondere auf
Hauptversammlungen, und die Wortwahl, die es da zum
Teil gegeben hat, ungeeignet sind
({0})
- lassen Sie mich das doch zu Ende sagen -, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Gemeinwohlverantwortung von Unternehmen und Unternehmern in Deutschland zu fördern. Darin sind wir uns einig. Herr Lafontaine, wir sind uns ebenfalls in der Bewertung der Tatsache
einig, daß die Arbeitnehmerhaushalte in der Bundesrepublik Deutschland steuerlich und auch bei den Sozialabgaben entlastet werden müssen. Auch in dieser Frage
sind wir uns einig. Das haben wir im übrigen bereits in
der letzten Legislaturperiode versucht. Sie haben allerdings eine Reihe von Reformen, die erste Erfolge auf
dem Weg zur Entlastung von Arbeitnehmerhaushalten
gezeigt haben, zurückgenommen.
({1})
Diejenigen, die wir nicht durchsetzen konnten, haben
Sie in den letzten Jahren blockiert, nicht wir.
({2})
Wir sind uns allerdings mit Ihnen überhaupt nicht einig in der Bewertung der Frage, ob wir in der Bundesrepublik Deutschland eine durchgehende Steuerentlastung
der Bürgerinnen und Bürger und der Betriebe brauchen
oder nicht. Wenn ich es richtig beobachte, sind Sie, Herr
Lafontaine, mit Ihrer Position auch innerhalb der Bundesregierung zunehmend isoliert. Denn warum reden wir
in Deutschland eigentlich noch über eine Unternehmenssteuerreform, warum reden Sie in der Bundesregierung eigentlich noch über eine Unternehmenssteuerreform, wenn Sie die Entlastung von Unternehmen
überhaupt nicht mehr für notwendig halten? Warum
wird über diese Frage in Ihren Reihen eigentlich diskutiert?
({3})
Ich will auf etwas Bezug nehmen, was gestern und
auch in der letzten Woche hier bereits eine Rolle gespielt hat. Herr Lafontaine, für das Parlament als Ganzes
ist die Art und Weise, wie Sie dieses Steuergesetz hier
durchsetzen, völlig inakzeptabel.
({4})
Wenn Sie es nicht ernst nehmen, wenn wir das sagen,
wofür ich begrenztes Verständnis habe, dann nehmen
Sie vielleicht ernst, was eine größere Zahl von jüngeren
Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion an Sie und an den Bundeskanzler in einem Brief
geschrieben hat. Sie sprechen davon, daß sie vor der
Verabschiedung dieses Steuergesetzes unter einen „absurden Druck“ gesetzt worden seien. Diese Behandlung
des Parlamentes ist nicht angemessen. Daß wir von
Ihnen und dieser Bundesregierung derart unter Druck
gesetzt werden, Entscheidungen zu treffen, wie Sie das
in den letzten Wochen gemacht haben, ist ein Umgang
mit dem Verfassungsorgan Deutscher Bundestag, den
wir auf Dauer nicht hinnehmen können.
({5})
Damit sich dieses Mißverständnis nicht in der Öffentlichkeit festsetzt, will ich einmal den grundlegenden
Unterschied zwischen der Steuerpolitik, die wir nach
wie vor für richtig halten, und dem, was Sie hier machen, deutlich machen. Sie nehmen ständig Bezug darauf, daß Teile Ihres Steuerreformkonzeptes auch Teil
des Petersberger Steuerreformkonzeptes gewesen
seien. Ich will hier nicht ausführlich dazu sprechen, wie
es heute mit den Petersberger Beschlüssen aussähe. Wir
könnten die Vorschläge des Petersberger Steuerreformkonzeptes heute nicht mehr 1 : 1 in den Deutschen Bundestag einbringen, weil es eine Reihe von Veränderungen bis hin zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, die auch wir zu berücksichtigen hätten,
gegeben hat. Aber, Herr Lafontaine, wir haben mit den
Petersberger Beschlüssen etwas angestoßen, was auch
heute notwendig wäre: Wenn Sie die steuerliche Bemessungsgrundlage verbreitern wollen - es gibt eine Vielzahl von Ansatzpunkten, wo die steuerliche Bemessungsgrundlage verbreitert werden muß und steuerliche
Gestaltungsmöglichkeiten beseitigt werden müssen -,
dann müssen Sie zeitgleich die Steuersätze für Privathaushalte und für Betriebe in Deutschland senken, damit
Sie nicht de facto zu einer Steuererhöhung für viele in
Deutschland kommen.
({6})
Das ist der zentrale Unterschied zwischen der Steuerpolitik, die Sie für richtig halten, und der, die wir für richtig halten würden.
Jetzt will ich mit einer Reihe von Mißverständnissen
im Detail aufräumen. Herr Lafontaine, Sie wiederholen
immer wieder, daß Teile der Vorschläge zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, die wir gemacht haben,
von Ihnen jetzt übernommen worden seien. Ich werde an
einer Reihe von Beispielen deutlich machen, daß das,
was Sie sagen, falsch ist.
Sie machen den Vorschlag, ein Wertaufholungsgebot einzuführen. Das ist ein Vorschlag - Sie haben sich
da einmal geirrt; das kann passieren -, den auch wir gemacht haben. Nur haben wir vorgeschlagen, die Rückwirkung zeitlich eng zu begrenzen. Sie schlagen jetzt
vor und stellen heute morgen zur Abstimmung, das
Wertaufholungsgebot rückwirkend bis zur D-MarkEröffnungsbilanz im Jahr 1948 gelten zu lassen. Das
heißt im Klartext, Herr Lafontaine: Bilanzpositionen, die
in Unternehmen - die zum Teil gar nicht mehr existieren, die fusioniert haben, die saniert worden sind, die
heute in völlig anderer Rechtsform dastehen - seit mehr
als 50 Jahren mitgetragen werden, müssen wertaufgeholt
werden. Wie soll das eigentlich vonstatten gehen? Dies
ist ein Vorschlag aus dem Tollhaus praxisferner Steuerbürokraten. Das hat mit praktischer Anwendbarkeit
wirklich nichts zu tun.
({7})
Sie berufen sich immer wieder gern auch auf internationale Maßstäbe. Ich werde darauf in einem anderen
Zusammenhang gleich noch zu sprechen kommen. Lassen Sie mich die internationalen Maßstäbe zunächst im
Zusammenhang mit der Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs bei Auslandsdividenden ansprechen.
Hier soll eine Pauschalbesteuerung von 15 Prozent eingeführt werden. Im Ergebnis bedeutet dies für Dividendenzahlungen ausländischer Unternehmen an deutsche
Muttergesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland
- die bereits einmal versteuert sind - eine tatsächliche
Steuerbelastung von 75 Prozent und mehr. Herr Schröder, Sie sind doch immer so an den großen Konzernen
interessiert: Dies ist ein Programm gegen große Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie vertreiben damit Konzerngesellschaften aus dem Standort
Deutschland.
({8})
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, mir das nicht glauben,
sprechen Sie doch einmal mit dem Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen Aktiengesellschaft und fragen ihn,
was die Pauschalbesteuerung für dieses Unternehmen,
das an ausländischen Tochtergesellschaften beteiligt ist,
bedeutet.
In Belgien und in Italien - das sind bislang die einzigen europäischen Länder, die eine solche Pauschalbesteuerung kennen - gilt nicht ein Steuersatz von 15 Prozent, sondern von 5 Prozent,
({9})
und zwar bei voller Abziehbarkeit aller Finanzierungsund Verwaltungsaufwendungen, die im Inland entstehen. Das ist der Unterschied. Da können Sie nicht behaupten, daß Sie Steuerpolitik nach internationalen
Standards machen. Herr Lafontaine, Sie machen eine
steuerpolitische Geisterfahrt gegen den Standort Bundesrepublik Deutschland.
({10})
Ich nenne einen weiteren Punkt. Sie haben hier - völlig zu Recht - gesagt, daß Sie sich bei der Teilwertabschreibung korrigieren mußten. Wenn Sie eine ordnungsgemäße Beratung mit dem notwendigen zeitlichen
Vorlauf ermöglicht hätten, dann hätten Sie sich diese
Panne im Gesetzgebungsverfahren ersparen können;
({11})
denn dann wäre Ihnen das schon bei der Anhörung im
Finanzministerium gesagt worden. Die ist in der Geschäftsordnung der Bundesregierung vorgesehen, bevor
Sie mit einem Gesetz in die gesetzgebenden Körperschaften gehen. Aber diese Anhörung haben Sie nicht
gemacht, weil Sie sich selbst unter diesen „absurden
Zeitdruck“ gesetzt haben.
Daß Sie diese Korrektur vornehmen mußten, wäre
vermeidbar gewesen. Was kommt jetzt dabei heraus?
Die Teilwertabschreibung bleibt bei sogenannten dauernden Wertminderungen bestehen. Herr Lafontaine,
welcher Betriebsprüfer soll eigentlich beurteilen, was
eine dauernde Wertminderung ist? Haben die Betriebsprüfer in Zukunft hellseherische Fähigkeiten?
Streiten die sich jetzt ständig über die Frage, ob das dauernde Wertminderungen in die Zukunft sind? Das kann
doch keiner wissen, wenn eine solche Bilanzposition
festgelegt wird. Herr Lafontaine, was Sie hier machen,
ist abwegig. Das hat mit steuerrechtlicher Praktikabilität
nichts zu tun. Das ist die Gesetzessprache der Bürokraten.
({12})
Herr Kollege Merz,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poß?
Nein, ich möchte im
Zusammenhang vortragen.
({0})
Ich nenne einen nächsten Punkt. Sie haben eine
ziemlich kurvenreiche Fahrt genommen bei der Frage,
ob Sie die Verlustverrechnungen zwischen den einzelnen Einkunftsarten in Zukunft weiter ermöglichen sollen. Herr Lafontaine, die Vielzahl von Betroffenen, die
Sie angeschrieben haben, tun Sie mit leichter Hand als
Interessenvertreter, als Lobbygruppen ab: Ich will dazu
sagen: Auch wir haben Erfahrungen damit gemacht, was
es bedeutet, wenn man als Parlament, insbesondere in
der Steuergesetzgebung, unter einen ziemlichen Druck
von außen gesetzt wird. Dennoch: Es ist politisch klug,
zwischen einseitiger Interessenwahrnehmung und der
Annahme der tatsächlichen Sorgen der Betroffenen, die
geäußert werden, zu unterscheiden. Hätten Sie sich etwas mehr Zeit genommen, hätten Sie feststellen können,
daß beispielsweise im Bereich des Wohnungsbaus, im
Bereich des Schiffbaus bis hin zur Filmwirtschaft - Herr
Naumann ist heute nicht da; ich habe ihm das schon
einmal gesagt - eine ganze Reihe von Arbeitsplätzen
hoch gefährdet sind, wenn Sie bei dem Vorschlag zur
Begrenzung der Verlustverrechnung zwischen den einzelnen Einkunftsarten bleiben.
({1})
Auch dies ist ein Vorschlag, der mit steuerrechtlicher
Praktikabilität nichts, aber mit der fiskalischen Gier des
Finanzministers sehr, sehr viel zu tun hat.
({2})
Nun lassen Sie mich auf das Thema „Abzinsungsgebot für die Rückstellungen auf Sachleistungsverpflichtungen“ zu sprechen kommen. Zunächst auch dazu eine Vorbemerkung: Die Behauptung, Herr Lafontaine, diese Steuerpolitik in Deutschland sei nach dem
Vorbild internationaler Standards, ist falsch.
({3})
Das Abzinsungsgebot auf Sachleistungsverpflichtungen
in der Steuerbilanz gibt es in keinem einzigen Land der
Europäischen Union.
({4})
Ich stelle mit großem Vergnügen fest, daß Sie sich in
letzter Zeit häufig und gern auf die Vereinigten Staaten
von Amerika berufen. Dann tun wir das auch einmal bei
diesem Thema. Wissen Sie, wie das mit dem Abzinsungsgebot in den USA funktioniert? Sie haben doch einen großen Apparat zur Verfügung: Warum wird Ihnen
das nicht gesagt? Als das Abzinsungsgebot in Amerika
eingeführt worden ist, sind die entstandenen Auflösungsreserven für alle steuerfrei gewesen. Gleichzeitig
hat man in den Vereinigten Staaten von Amerika die
Möglichkeit der Aufzinsung für den Fall eingeführt, daß
die Geldentwertungsrate so hoch ist, daß die Rückstellungen nicht mehr ausreichen.
Das ist der Unterschied zwischen Amerika und
Deutschland. Sie greifen auf Rückstellungen jetzt ausschließlich über die Steuerbilanz zu, weil Sie Geld brauchen. Das hat mit Steuergerechtigkeit oder dem, was
notwendig wäre, nichts zu tun. Dieser Finanzminister
der Bundesrepublik Deutschland braucht wegen uneinlösbarer Wahlversprechungen sehr viel Geld. Dabei sind
Ihnen die Grundsätze unseres Steuerrechts und unseres
Handelsrechts völlig gleichgültig.
({5})
Herr Lafontaine, wir könnten jetzt lange über die
Frage sprechen, ob das sogenannte Maßgeblichkeitsprinzip noch seine Bedeutung hat, also die Frage, ob
die Handelsbilanz für die Steuerbilanz ausschließlich
maßgeblich sein soll. Auch wir haben an dieser Stelle
schon die eine oder andere Korrektur angebracht, die
das Maßgeblichkeitsprinzip in Frage stellt. Sie machen
hier, um es mit einfachen Worten zu verdeutlichen, aber
folgendes: Sie höhlen die Steuerbilanz in einer Art
und Weise aus, die ein Unternehmen, wenn es in gleicher Weise in der Handelsbilanz vorgehen würde, an
den Rand der Strafbarkeit bringen würde. - Ich lese
Ihnen übrigens gleich aus dem „Stern“, den Sie gerade
untereinander austauschen, vor. Darin sind hochinteressante Zitate. Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.
({6})
Ich kann mir vorstellen, daß Sie darüber nicht amüsiert
sind, Herr Bundeskanzler. Aber das machen wir gleich.
Ich will zunächst etwas über die Handelsbilanz und
die Steuerbilanz sagen. Wenn ein Unternehmen in der
Handelsbilanz das macht, was es jetzt nach Ihrer Steuergesetzgebung in der Steuerbilanz machen muß, dann begeht es eine Bilanzfälschung.
({7})
Wenn das Unternehmen mit dieser Handelsbilanz zur
Bank geht und auf deren Grundlage einen Betriebsmittelkredit beantragt, ist das ein versuchter oder vollendeter Kreditbetrug. So gehen Sie in der Steuerbilanz vor.
Sie höhlen damit nicht nur das Maßgeblichkeitsprinzip
aus, sondern Sie höhlen damit die gesamte Vertrauensbasis aus, die die Unternehmen dringend benötigen. Dabei handelt es sich, Herr Lafontaine, nicht um die großen
Konzerne des Neoliberalismus, sondern um die Vielzahl
der kleinen und mittleren Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie höhlen das Vertrauen
in die Zuverlässigkeit des Rechtsstaats Bundesrepublik
Deutschland aus, wenn Sie Ihre Steuerpolitik in dieser
Weise fortsetzen.
({8})
Jetzt will ich Ihnen konkret noch etwas zu den beiden
großen Branchen, die in Rede stehen, nämlich Energiewirtschaft und Versicherungswirtschaft, sagen. Mit
der Energiewirtschaft haben Sie ein Gespräch für den
9. März, also in wenigen Tagen, über diese ganzen Fragen, die wir heute entscheiden sollen, vereinbart. Die
Betroffenen stellen sich natürlich zu Recht die Frage:
Warum sollen wir eigentlich noch mit der Bundesregierung reden, wenn in zweiter und dritter Lesung am heutigen Tag Fakten geschaffen werden? Darüber kann man
hinweggehen und sagen: Das sind alles nur die blindwütigen Wahrnehmer der jeweiligen Gruppeninteressen.
Aber, Herr Lafontaine, hier ist nicht nur die Atomwirtschaft betroffen, sondern hier sind die deutsche Braunkohle und die deutsche Steinkohle betroffen. Dort
oben auf der Regierungsbank sitzt tief versunken in die
Akten des Kanzleramtes der Staatsminister Schwanitz.
Herr Schwanitz, ich spreche Sie einmal persönlich an.
Sie vertreten die Interessen der neuen Bundesländer im
Bundeskabinett.
({9})
Ist Ihnen eigentlich klar, was es für die Braunkohle in
den neuen Bundesländern bedeutet, wenn dieses Gesetz
heute verabschiedet wird? Ist Ihnen klar, was es bedeutet, wenn die Rückstellungen in einem Umfang von etwa
1 Milliarde DM, die für die Rekultivierung vorgenommen werden müssen, in der Steuerbilanz aufzulösen und
zu versteuern sind? Was der Bundesfinanzminister diesen Unternehmen abfordert, ist der mehrfache Jahresgewinn, den die ansonsten subventionsfrei arbeitende
Braunkohle in den neuen Bundesländern erwirtschaften
kann. Wie gehen Sie eigentlich mit diesem Thema um,
wenn Sie an diesem Wochenende irgendwo in den neuen Bundesländern gefragt werden: Was tut diese Bundesregierung eigentlich für die neuen Bundesländer?
Das können Sie doch gar nicht mehr vertreten,
({10})
es sei denn, Sie haben es unter dem absurden Zeitdruck
selber gar nicht verstanden. Aber eine andere Alternative gibt es nicht.
({11})
Jetzt wehren Sie sich, Herr Lafontaine - auch dafür
habe ich viel Verständnis -, gegen den öffentlichen
Druck, der mit dem Hinweis darauf, dies führe zur Verlagerung von Standorten aus der Bundesrepublik
Deutschland, erzeugt wird. Die Erfahrung, wie so etwas
geht, haben auch wir gemacht. Herr Lafontaine, haben
Sie eigentlich einmal gelesen, was in Ihrem eigenen
Hause dazu aufgeschrieben wird? In den Finanztableaus,
die dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages
vorgelegt worden sind, gehen Sie bei der Berechnung
des Steueraufkommens selbst von einem sogenannten
Verhaltensabschlag in einer Größenordnung von 30 Prozent aus. Sie tun das offensichtlich, weil Sie selber damit
rechnen, daß eine Reihe von Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland die Tore schließt, ins Ausland
geht und dort neue Standorte aufbaut. Sie gehen von einem 30prozentigen Verhaltensabschlag aus, weil Sie
selber damit rechnen, daß es zu Standortverlagerungen
kommt.
({12})
Herr Lafontaine, so kann man Steuerpolitik nicht machen.
Ich sage Ihnen jetzt etwas zur Versicherungswirtschaft. Dazu wiederum eine Vorbemerkung. Es rührt
einen ja zu Tränen an, wenn man Sie sagen hört: Es
müssen alle zum Gemeinwesen beitragen und Steuern
zahlen. Wie sollen Kindergärten, Krankenhäuser, Universitäten und Schulen finanziert und Straßen gebaut
werden, wenn sich eine immer größer werdende Zahl
von Unternehmen der sozialen Verantwortung in der
Bundesrepublik Deutschland entzieht?
Darf ich darauf hinweisen, daß wir im Jahr 1999
mehr als 900 Milliarden DM Steuereinnahmen haben
werden? Darf ich darauf hinweisen, daß die Steuereinnahmen in diesem Jahr um rund 38 Milliarden DM höher ausfallen als im letzten Jahr? Darf ich darauf hinweisen, daß das einzige Problem, das Sie haben, nach wie
vor darin besteht, daß Sie mehr ausgeben, als Sie einnehmen? Das ist das Problem, Herr Lafontaine.
({13})
Sie haben die Unternehmen angesprochen. Ich mache
mich nicht zu ihrem Sprecher, aber die objektiven Zahlen sind auch nicht völlig ohne Bedeutung: Die deutsche
Versicherungswirtschaft zahlt 6,4 Milliarden DM Steuern auf Einkommen und Ertrag einschließlich der Gewerbesteuer. Damit trägt die Versicherungswirtschaft in
der Bundesrepublik Deutschland, die von Ihnen so beschimpft wird, allein 12 Prozent des gesamten Körperschaftsteueraufkommens. Wenn Sie jetzt noch das hinzunehmen, was dort an Lohn- und Einkommensteuer für
die Beschäftigten bezahlt werden, dann sind das noch
einmal rund 6 Milliarden DM.
Der Versicherungswirtschaft legen Sie jetzt die Auflösung von Rückstellungen auf und beziehen sich dabei
wieder auf internationale Standards. Darf ich Ihnen auch
in diesem Zusammenhang folgendes sagen: Das Verhältnis von Schadenrückstellungen zu erzielten Beiträgen ist in der Bundesrepublik Deutschland am unteren
Ende dessen, was im internationalen Vergleich erzielt
wird. Die Relation von Schadenrückstellungen zu verdienten Beiträgen liegt bei 113 Prozent.
Die Relation von 113 Prozent in der Bundesrepublik
Deutschland wird mit 89 Prozent und 102 Prozent nur
in den Niederlanden und in Dänemark unterboten. In
allen anderen Ländern der Europäischen Union und
darüber hinaus ist die Relation von Schadenrückstellungen zu verdienten Beiträgen höher als in der Bundesrepublik Deutschland: Sie liegt in Frankreich bei
120 Prozent, in Italien bei 124 Prozent, in den USA
- ein vielzitiertes Beispiel von Oskar Lafontaine - bei
131 Prozent, in der Schweiz bei 147 Prozent, in Belgien bei 156 Prozent und in Großbritannien sogar bei
170 Prozent. Das sind die Relationen, und Sie behaupten
allen Ernstes, Sie machten eine Steuerpolitik nach internationalen Standards. Das, was Sie hier machen, ist
rambohaft und gegen den deutschen Standort gerichtet,
Herr Lafontaine. Das hat mit internationalen Standards
nichts zu tun.
({14})
Ich möchte auch an dieser Stelle ganz deutlich sagen:
Man kann darüber sprechen, ob die Rückstellungen für
die Finanzierung zukünftiger Schäden in den Bilanzen der deutschen Versicherungsunternehmen zu hoch
sind.
({15})
Auch ich habe meine Zweifel, Herr Poß, ob eine Relation von über 100 Prozent dauerhaft richtig ist. Wenn Sie
aber an dieses Problem herangehen, dann können Sie
das nicht im Wege der Steuerbilanz, sondern dann müssen Sie die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung überprüfen. Im Zusammenhang mit öffentlich beaufsichtigten Unternehmen - darum handelt es sich bei
der Versicherungswirtschaft - ist beispielsweise die
Frage zu beantworten, ob die Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes noch zeitgemäß sind. Das ist
übrigens ein Gesetz - vielleicht wissen Sie das noch
nicht -, das in der Zuständigkeit des Bundesfinanzministers liegt.
({16})
Wenn Sie etwas an dieser Fragestellung ändern, Herr
Lafontaine, dann müssen Sie doch die grundlegenden
Fragen beantworten und nicht einfach einen fiskalischen
Zugriff nehmen, der seine spiegelbildliche Geltung in
der Handelsbilanz überhaupt nicht findet. Aber auch
das ist Ihre Politik, die auf kurzatmige Einnahmeerzielung und nicht auf eine langfristige Strategie ausgerichtet ist.
Jetzt komme ich zum letzten Thema: langfristige
Strategie. Die Bundesrepublik Deutschland braucht darüber sind wir uns offensichtlich zumindest im Grunde einig, wenn ich das richtig verstanden habe, was Sie
heute morgen noch einmal betont haben - eine langfristige Steuerkonzeption.
Wenn Ihnen in einem Brief von 22 Unternehmerpersönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland mit großem Nachdruck ans Herz gelegt wird, die Entscheidung
zu einer kurzatmigen und kurzfristigen Steuergesetzgebung, die Sie heute erzwingen wollen, noch einmal zu
überdenken, weil wir eine langfristige Konzeption brauchen - bei denjenigen, die den Brief unterschrieben haben, handelt es sich um Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, um Unternehmensführer in der Bundesrepublik Deutschland, also um reputierliche Unternehmerpersönlichkeiten unseres Landes, die allesamt von den
Anteilseigenern und den Arbeitnehmervertretern in den
Gremien der Unternehmen ernannt worden sind, und
nicht um irgendwelche Leute, die man mit leichter Hand
abtun kann -, dann muß uns das, Herr Lafontaine, tief
besorgt machen. Ich lese Ihnen das vor:
Die Neugestaltung
- die heute verabschiedet werden soll darf ... nicht durch Weichenstellungen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, das noch in
diesem Jahr in Kraft treten soll, konterkariert werden.
Herr Lafontaine, was wir heute beschließen sollen, ist
kein Schritt hin zu einer steuerlichen Gesamtkonzeption.
Vielmehr wird dieser Schritt eine solche steuerliche Gesamtkonzeption verhindern. Wir werden es nicht schaffen, eine solche Konzeption gemeinsam zu entwickeln,
wenn Sie dem Deutschen Bundestag eine solche Steuergesetzgebung abverlangen, wie Sie es heute - ich wiederhole: unter einem „absurden Zeitdruck“ - tun.
({17})
Jetzt lassen Sie mich noch kurz zitieren - das möchte
ich mir nun wirklich nicht entgehen lassen -, was in Ihren eigenen Reihen zu diesem Thema gesagt wird. Die
Vorsitzende der Jusos, eine Kollegin im Deutschen
Bundestag, gibt, wie heute im „Stern“ nachzulesen ist,
wörtlich zum besten:
Da wollten diese Willy-Brandt-Enkel an die Macht,
und jetzt können sie nicht regieren.
({18})
Nun muß man die Juso-Vorsitzende auch nicht überbewerten. Aber vielleicht nehmen Sie eine andere Persönlichkeit ernst, die zumindest parteipolitisch aus Ihren
Reihen kommt und im selben Artikel wie folgt zitiert
wird: „eine kurzsichtige und naive Politik, die von wenig Kenntnis der Märkte zeugt“. Das ist ein Zitat des
langjährigen Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl.
Herr Lafontaine, dieses SPD-Mitglied sagt: „eine kurzsichtige und naive Politik, die von wenig Kenntnis der
Märkte zeugt“!
Nun habe ich in Erinnerung, gestern oder vorgestern
Ihren schon fast verzweifelten Ausruf auf dem Kongreß
der europäischen Sozialdemokraten und Sozialisten in
Mailand gelesen zu haben: Wir dürfen es nicht zulassen,
daß in diesem Jahr die Konjunktur kaputtgeht. - Herr
Lafontaine, was Sie heute dem Deutschen Bundestag
vorlegen, ist ein maßgeblicher Beitrag dazu, daß die
Konjunktur in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr
1999 geradezu abgewürgt wird.
({19})
Wenn Sie wirklich Interesse daran haben, daß wir in
diesem Jahr einen anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung zurückgewinnen - er ist bereits nachhaltig gefährdet -, dann besitzen Sie die Größe, darauf zu verzichten, dieses Steuergesetz durch den Deutschen Bundestag zu bringen.
({20})
Meine Damen und Herren von der SPDBundestagsfraktion - ich spreche jetzt insbesondere die
jüngeren Kolleginnen und Kollegen an, und zwar nicht
nur die, die den Brief geschrieben haben -, wenn Sie einen Rest an Selbstachtung bewahren,
({21})
wenn Sie noch das Rückgrat besitzen, insbesondere in
der Steuerpolitik verantwortlich Politik zu machen,
({22})
wenn Sie bereit sind, zuzugeben, daß die wenigsten von
Ihnen wirklich wissen, was heute hier verabschiedet
werden soll, dann können Sie diesem Gesetzentwurf unseres Bundesfinanzministers nicht zustimmen.
({23})
Das Wort für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Kollegin Christine
Scheel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr
Merz, Sie können ganz beruhigt sein: Wir als Regierungsfraktionen wissen, was wir heute verabschieden.
Wenn die Opposition den Überblick verloren hat, dann
ist das ihr Problem.
({0})
Herr Merz, wenn Sie davon sprechen, daß diese Regierung mehr ausgibt, als sie einnimmt, dann möchte ich
Sie fragen, wie es dazu kommt, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt, also über alle Ebenen,
von den Kommunen über die Länder bis hin zum Bund,
eine Verschuldung in Höhe von 2,2 Billionen DM haben, daß jede vierte Mark, die an Steuern eingenommen
wird, dafür ausgegeben wird, daß überhaupt Zinsen und
Tilgung geleistet werden können, und daß die Nettoneuverschuldung der alten Regierung nur knapp unter der
Verfassungsgrenze lag. Das war Ihre Politik und Ihre
Verantwortung.
({1})
Wir haben - das meine ich sehr ernst - folgende Ausgangslage vorgefunden: Der Widerstand der Bevölkerung auf Grund der ungerechten Verteilung der steuerlichen Lasten hat zu einer immer stärker erodierenden
Steuermoral geführt. Die Folge ist, daß eine in der
Steuerbelastung zweigeteilte Gesellschaft existiert: zum
einen diejenigen, die alle Chancen genutzt haben, um
ihre Steuern gegen Null zu drücken, und zum anderen diejenigen, die ohne Abschreibungsmöglichkeiten
die sogenannte Dummensteuer - wie das in der Presse
immer genannt wurde - entrichten mußten. Eine derart verfallene Steuerkultur trifft die Steuermoral an der
Wurzel und hat letztlich eine sehr entdemokratisierende Wirkung. Als Partei mit politischer Verantwortung - ich meine SPD und Grüne - muß man das angehen.
Daher ist es die Aufgabe des Staates, nicht nur Steuerkriminalität zu verhindern - selbstverständlich müssen
wir auch diese bekämpfen -, sondern auch eine effiziente und eine gerechte Steuerpolitik zu gestalten, damit
das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wieder gestärkt wird.
({2})
Wir haben mit diesem Gesetz und seinen Vorläufern
Familien mit Kindern bereits entlastet; die nächste Stufe
wird im Sommer beraten. Wir haben kleine und mittlere
Einkommen entlastet. Das sind Schritte in die richtige
Richtung.
An dieser Stelle möchte ich ehrlicherweise sagen, daß
das heute zu verabschiedende Steuerentlastungsgesetz
eine sehr schwere Geburt gewesen ist. Man muß auch
zugeben, daß es nicht der absolute Wurf ist; unter „absolutem“ Wurf verstehe ich sehr geringe Steuersätze und
die völlige Abschaffung von Steuertatbeständen, die entsprechende Steuerminderungen zur Folge haben. Aber
wir haben uns mit dieser umfangreichen Reform auf den
Weg begeben, endlich eine Bereinigung des Steuerrechtes zu schaffen und die Wiederherstellung der steuerlichen Gerechtigkeit in Angriff zu nehmen.
Es wurde in den Ausschüssen selten - wir als Grüne
haben das in den letzten vier Jahren in der Opposition
erlebt - so intensiv über ein Gesetzespaket diskutiert.
({3})
Es wurde selten, meine Damen und Herren von der Opposition, vor allem von der CDU/CSU, so ausführlich
mit Verbänden und Sachverständigen in öffentlichen
Anhörungen - wir hatten mehrtägige öffentliche Anhörungen - diskutiert, und es haben selten so viele Gespräche stattgefunden.
({4})
Wir haben dieses Gesetz in den Ausschüssen gegen
den erbitterten Widerstand der Opposition, der sich allerdings weitgehend auf formale Fallstricke bezogen hat,
und auch gegen den Widerstand der Lobbyisten abschließend beraten können. Man muß auch einmal zur
Kenntnis nehmen, daß von seiten der Opposition in den
Fachausschüssen mit Geschäftsordnungsgeschichten
agiert und daß inhaltlich sehr wenig vorgetragen wurde.
Es gab in den Fachausschüssen keinen einzigen inhaltsbezogenen Antrag, der von der Opposition zu diesem
Gesetz eingebracht worden ist.
({5})
Kollegin Scheel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Michelbach?
Ich weiß, was der Herr Michelbach sagen will; es ist
immer das gleiche, das mag ich jetzt nicht noch einmal
hören.
({0})
Wir haben die Politik der alten Regierung, die mehr
und mehr steuerliche Lasten auf die durchschnittlichen
Einkommensbezieher verlagert hat und bis an die
Grenze der Belastbarkeit gegangen ist, endlich umgekehrt. Es ist ein großer Erfolg, was diese Regierungskoalition auf den Weg gebracht hat. Man muß sehen,
daß bisher Industrie und Großverdiener - ich führe keine
Neiddebatte ({1})
durch immer neue Ausnahmen und Sonderregelungen
steuerlich entlastet wurden, ohne daß - das gilt vor allem für die Wirtschaft - neue Arbeitsplätze entstanden
sind.
Herausgekommen sind - wenn Sie den Wirtschaftsund Börsenteil lesen, werden Sie das erkennen - immer
höhere Unternehmensgewinne statt mehr Beschäftigung.
So geht es nicht. Das war der falsche Weg; er ging zu
Lasten der Bevölkerung.
({2})
Wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen,
daß jede Vergünstigung, die in bestimmten Bereichen
gegeben wird, von der Allgemeinheit der Steuerzahler
und Steuerzahlerinnen zu bezahlen ist; denn man kann
die Steuersätze eben nicht so weit senken, wenn die
Vergünstigungen dementsprechend genutzt werden.
Nun sehen die Wirtschaftslobbyisten diese Gewinne
als gefährdet an. Man ist als Regierung mittlerweile damit konfrontiert, daß es Aufschreie und massenweise
Briefe gibt. Aber man muß auch fragen: Wer gibt denn
schon freiwillig seine Pfründe preis? Allerdings hat der
hierbei entstandene Druck gerade in den letzten Tagen
eine ganz neue Qualität erreicht. Man drohte mit Investitionsstopp, mit Entlassungen, mit dem Verfassungsgericht, mit Abwanderung ins Ausland und hat in der
Bevölkerung, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu
erwecken versucht, daß man zukünftig regelrecht am
Bettelstab gehen werde. Es kann doch wohl nicht sein,
daß von bestimmten großen Unternehmen auf diese Art
und Weise versucht wird, auf die Politik Einfluß zu
nehmen.
({3})
Auch die steuerliche Mehrbelastung wurde mit völlig
überhöhten Zahlen dargestellt. So bezifferte zum Beispiel die Versicherungswirtschaft ihre Mehrbelastung
mit 40 Milliarden DM.
Auch Herr Merz, der als Sprecher der CDU/CSUFraktion vor mir gesprochen hat, hat darauf hingewiesen, daß es wohl in einem Umfang zu Rückstellungen
gekommen ist, über den man reden muß, daß man das
durchaus kritisch sehen muß. Ich bin froh, daß Sie das
gesagt haben; denn das bestärkt uns darin, daß wir mit
unseren Überlegungen auf dem richtigen Weg sind.
Wenn das von seiten der Opposition noch unterstützt
würde, so daß wir das als gemeinsames Projekt auf den
Weg bekommen, dann wäre es um so schöner.
({4})
Die Lobby der Wirtschaft, speziell der Versicherungs- und der Energiewirtschaft, hat sich mit ihrem
Vorgehen nicht nur unglaubwürdig gemacht, sondern sie
ist uns, der von ihr Ungeliebten - man kann ja wohl sagen, daß wir nicht gerade die große Liebe der Lobbyisten in diesen beiden Bereichen sind -, regelrecht mit
Nötigungs- und Erpressungsversuchen begegnet. Man
muß an einer solchen Stelle auch einmal klar sagen, wie
in diesem Land Lobbypolitik gemacht wird. Wir sind
leider immer noch ein Land der Lobbyisten. Ihnen wollen wir uns als Regierung nicht aussetzen.
Die Unternehmen schüren damit die Angst in der Bevölkerung vor weiteren Arbeitsplatzverlusten. Sie entziehen sich einmal mehr der gesellschaftlichen Solidarität, indem sie nicht nur die gebotenen Steuern zum ErChristine Scheel
halt des Gemeinwesens verweigern, sondern auch noch
androhen, ihre Unternehmen ins Ausland verlagern zu
wollen.
({5})
Ich möchte an dieser Stelle dem Finanzminister ausdrücklich die Stange halten, daß er bei den Beratungen
zum Steuerentlastungsgesetz diesen übertriebenen Drohgebärden der beiden Branchen standgehalten hat und
daß wir eine vernünftige Übergangslösung für beide Bereiche gefunden haben. Vielen Dank!
({6})
Gleichzeitig appelliere ich an die Großindustrie, ihre
Erpressungsversuche gegenüber der Politik zu unterlassen; denn wir lassen uns dies im Rahmen der politischen, demokratischen Entscheidungsprozesse, die hier
anstehen, schlicht nicht bieten.
Das bedeutet nicht, daß wir unser Steuerkonzept ohne
Berücksichtigung der Belange der Wirtschaft, wie es
von seiten der Opposition immer wieder dargestellt
worden ist, blind durchpeitschen wollen. Wir haben die
berechtigten Interessen der Wirtschaft, insbesondere des
Mittelstands, aufgenommen. Wir sind ihnen - zur großen Zufriedenheit vieler kleiner und mittelständischer
Unternehmer; auch das muß man hier einmal sagen - ein
gutes Stück entgegengekommen.
({7})
Die Teilwertabschreibung sichert den steuerlichen
Abzug von Lagerware, die nur noch mit erheblichen Abschlägen verkäuflich ist. Bei der Teilwertabschreibung
haben wir uns - das haben Sie in der Vergangenheit
immer wieder eingefordert; jetzt wollen Sie davon aber
nichts mehr wissen - für ein Wertaufholungsgebot stark
gemacht, damit Firmen bei einer dauerhaften Wertminderung zwar auf den niedrigeren Teilwert abschreiben,
diesen bei Wegfall des Hindernisses aber nicht mehr wie
in der Vergangenheit beibehalten können. Das ist der
große Unterschied zu den von Ihnen unterbreiteten Vorschlägen. Diese Regelung dient der Steuergerechtigkeit
und einer realitätsnäheren Bewertung von Wirtschaftsgütern.
Wir haben auch die Ansparabschreibung für den
Mittelstand beibehalten. Damit wollen wir die Existenzgründer und Existenzgründerinnen weiter fördern. Auch
der Verlustabzug bleibt bis zum Jahre 2001 in Höhe
von 2 Millionen DM erhalten. Danach erfolgt eine
Reduzierung auf 1 Million DM; das halte ich für richtig.
Damit bleibt die Liquidität von kleinen und mittelständischen Unternehmen erhalten, was wichtig ist.
({8})
Diese Begrenzung bedeutet gleichzeitig, daß Großunternehmen ihre Verluste nur noch in einem gewissen
Umfang geltend machen können. Ziel ist hierbei, daß
Unternehmen nicht mehr jahrelang Gewinne machen
können und diese Gewinne ohne Einschränkung mit
Verlusten verrechnen können, ohne daß Steuern abgeführt werden. Verluste sollen zwar in Zukunft noch verrechnet werden können, aber nur noch begrenzt.
Wir haben uns als Regierungsparteien erfolgreich dafür eingesetzt, daß die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen nach einer Einfünftel-Regelung vorgenommen wird. Das heißt, daß für kleine und mittlere Unternehmen der Freibetrag in Höhe von 60 000 DM erhalten
bleibt. Dadurch bleibt die Altersvorsorge für diese Klientel unberührt. Dies ist wichtig, weil wir mit unserer
Politik die Altersvorsorge in der Zukunft unterstützen
wollen.
Der gesamte Unternehmenssektor profitiert zusätzlich
von der Steuersatzsenkung, die auch internationale Impulse gibt. Man darf auch die anstehende Unternehmensteuerreform nicht vergessen, über die wir im
Sommer diskutieren. Darauf muß man Sie immer wieder hinweisen. Sie wissen, daß wir die Steuersätze
senken werden. 35 Prozent sind als Zielmarge vorgegeben.
Es darf auch nicht vergessen werden, mit welcher
Steuerentlastung Sie damals hausieren gegangen sind.
Der Minister hat dies schon angesprochen. In diesem
Zusammenhang muß man die Frage stellen, wie Sie mit
den indirekten Steuern umgegangen wären. Sie hätten
nämlich die Mehrwertsteuer und die Mineralölsteuer erhöht. Mit der von Ihnen versprochenen Nettoentlastung
in Höhe von 30 Milliarden DM hätte die Bevölkerung
einen großen Teil des Gesamtvolumens in Höhe von
57 Milliarden DM über zusätzliche Belastungen auf
Grund der Anhebung der indirekten Steuern finanzieren
müssen. Der andere Teil wäre eine sehr hohe Belastung
für die Kommunen und Länder gewesen, die sie in der
jetzigen Haushaltssituation nicht hätten tragen können.
Ihre Politik war unsolide und wäre hinsichtlich der
Haushaltslage voll an den Belangen der Kommunen und
Länder vorbeigegangen.
({9})
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rössel?
Ja, bitte schön.
Sehr geehrte Kollegin
Scheel, Sie haben die voraussichtlichen Auswirkungen
des Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes der früheren Koalition angesprochen. Dazu muß ich Ihnen natürlich sagen, daß Sie entgegen den eigenen Absichtserklärungen bei Verabschiedung Ihres Steuergesetzes Steuerausfälle der öffentlichen Haushalte von über 20 Milliarden DM produzieren. Mit dem Steuerentlastungsgesetz
werden nämlich im Jahre 2002 Steuerausfälle für den
Bund in Höhe von 10,1 Milliarden DM sowie für die
Länder und Gemeinden in Höhe von 10,4 Milliarden
DM eintreten.
Ich frage Sie angesichts der Gesamtschulden der öffentlichen Haushalte in Höhe von 2 218 Milliarden DM,
wie Sie diese Steuerausfälle von über 20 Milliarden DM
für Bund, Länder, aber vor allem auch für die ohnehin
sehr hoch verschuldeten Gemeinden ausgleichen wollen.
Ich frage Sie weiter, ob Sie wirklich davon ausgehen,
daß der sogenannte Selbstfinanzierungseffekt eintritt,
wenn die entsprechenden Kontrollmaßnahmen wirken.
Wenn diese Steuerausfälle bestehen bleiben, werden
Bund, Länder und Gemeinden in ihrer Handlungsfähigkeit beeinträchtigt.
({0})
Das war eine lange Frage, Herr Rössel. Aber ich antworte sehr gerne. - Selbstverständlich rechnen wir durch
die Senkung der Steuersätze für die kleinen und mittelständischen Betriebe sowie durch die Entlastung
der Familien mit einem gewissen Selbstfinanzierungseffekt. Unser Ziel ist es gewesen - das haben wir heute
mit unserem Gesetzentwurf deutlich gemacht -, daß
zwar die Steuersätze gesenkt werden. Aber gleichzeitig sollte es nicht eine Belastung der kleinen und mittelständischen Betriebe geben, die diese nicht verkraften können. Aus diesem Grunde gab es Gespräche mit
den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände, die
auch im Finanzausschuß angehört worden sind. Es gab
immer wieder Kontakte zu den einzelnen Ländern. Es
wurden nicht nur in Arbeitskreisen Gespräche mit
den Vertretern der Länder über die Nettoentlastung von
20 Milliarden DM geführt, die von Bund, Ländern und
Kommunen gemeinsam getragen werden muß. Sie haben dieses Verfahren und die Zahlen in Ihrer Frage richtig dargestellt.
Wir wollen auf der einen Seite eine Nettoentlastung.
Diese wollen wir alle hier in diesem Haus - vielleicht
bis auf die PDS -, weil wir einen Selbstfinanzierungseffekt brauchen. Auf der anderen Seite wollen wir auch
eine solide Finanzpolitik betreiben. Deshalb sind im
Haushalt Einsparungen vorgesehen. Es wird auch notwendig sein, daß die Länder einsparen. Das haben die
Länder zugesichert; dementsprechend müssen Sie das
auch tun. Es ist überhaupt keine Frage, daß es dann,
wenn man eine Nettoentlastung vorsieht, erst einmal eine positive Wirkung gibt. Ich gebe zu, die Nettoentlastung ist um ein Viertel höher ausgefallen, als wir sie ursprünglich geplant haben. Aber die Tatsache, daß die
Nettoentlastung nun um ein Viertel höher als ursprünglich geplant ausgefallen ist, hängt damit zusammen, daß
wir uns in den letzten Tagen sehr viele Gedanken darüber gemacht haben, wie kleine und mittelständische
Betriebe sowie das Handwerk entlastet werden können.
Eine Entlastung dieser Betriebe ist gut; denn sie schaffen Arbeitsplätze.
({0})
Kollegin Scheel, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen
Fromme?
Gerne. Das verlängert meine Redezeit. Danke schön.
Frau Kollegin Scheel, Sie haben soeben den Vorwurf erhoben, die
Union hätte eine Mehrwertsteuererhöhung beabsichtigt.
Schließen Sie eine solche Erhöhung durch Ihre Koalition
aus?
({0})
Herr Fromme, ich muß an dieser Stelle wirklich grinsen.
Man hat mir einmal gesagt: Lächeln macht stark. Das ist
wunderbar. - Die Frage nach der Mehrwertsteuererhöhung taucht täglich mehrere Male auf. Sie wird immer von Ihren Kollegen der CDU/CSU oder der F.D.P.
gestellt. Es wird immer so dargestellt, als ob die Regierungsparteien die Mehrwertsteuer erhöhen wollten, um
Steuerlöcher, die auf Grund fehlender Einnahmen bisher
nicht geschlossen werden konnten, über eine höhere
Mehrwertsteuer zu stopfen. Das ist falsch. Wir haben
gestern hier die Ökosteuer verabschiedet. Sie ist sauber
gegenfinanziert, so daß die Lohnnebenkosten gesenkt
werden können. Das war ein Ziel der jetzigen Regierung. Dafür brauchen wir keine Mehrwertsteuererhöhung. Heute werden wir die zweite und dritte Stufe der
Einkommensteuerreform verabschieden. Auch hier haben wir klar gesagt: Es gibt eine Nettoentlastung, für deren Gegenfinanzierung wir im Gegensatz zu Ihrem alten
Konzept - wohl gemerkt - keine Mehrwertsteuererhöhung brauchen.
({0})
Wir wollen auch im Zusammenhang mit der Entlastung
der Familien ab dem Sommer 1999 keine Mehrwertsteuererhöhung in Erwägung ziehen. Das haben wir zwischen den Koalitionspartnern klar vereinbart. Das sollten
Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen. Diese blödsinnigen Einwände - das war nicht persönlich gemeint;
verstehen Sie mich bitte nicht falsch -, die von Vertretern der Opposition immer wieder vorgetragen werden
und mit denen uns eine Mehrwertsteuererhöhung zum
jetzigen Zeitpunkt untergejubelt wird, sind falsch.
({1})
Es wird keine Mehrwertsteuererhöhung geben, auch
wenn Sie es gerne hören möchten.
Auf der anderen Seite haben wir uns erfolgreich dafür
eingesetzt, daß es Einkommensmillionären nicht mehr
möglich sein wird, ihr zu versteuerndes Einkommen auf
Null herunterzurechnen. Es ging nicht nur darum, daß
manche Leute ihre Steuerschuld im laufenden Jahr auf
Null rechnen konnten; vielmehr war es in der Vergangenheit sogar so, daß man sich rückwirkend seine Steuern, die man beispielsweise über die letzten ein oder
zwei Jahre gezahlt hatte, über bestimmte Berechnungsmodelle, die Herr Finanzminister Lafontaine vorhin angesprochen hatte, vom Finanzamt erstatten lassen konnte. So geht es nicht. Es muß jeder in diesem Land leiDr. Uwe-Jens Rössel
stungsgerecht seinen Anteil für das Gemeinwohl einbringen. Darum geht es uns allen.
({2})
Kollegin Scheel, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen
Schütze?
Bitte, Herr Schütze.
Frau Kollegin Scheel, obwohl ich Sie im Ausschuß bereits
vergeblich danach gefragt habe, wiederhole ich hier
meine Frage: Treffen Meldungen der „Welt“ vom
1. März zu, wonach Sie sich gegen die Neueinführung
des § 2 b des Einkommensteuergesetzes, den Sie eben
erwähnt haben, ausgesprochen haben? Sie sollen wörtlich erklärt haben:
Der ({0}) Halbsatz muß unter allen Umständen
gestrichen werden. Erstens ist er völlig überflüssig,
da die angestrebten Ziele ohne diesen Satz vollständig erreicht werden, und zweitens hat er katastrophale volkswirtschaftliche Auswirkungen ...
Wenn Sie das tatsächlich gesagt haben: Können Sie
uns erklären, warum sich dieser zweite Halbsatz genau
in dem Gesetz wiederfindet, das wir heute beraten? Damit wären die „katastrophalen volkswirtschaftlichen
Auswirkungen“ - ich zitiere Christine Scheel - die logische Konsequenz.
Herr Schütze, Sie haben vollkommen richtig zitiert. Was
Sie vorgelesen haben, stand so in der „Welt“ am Montag
dieser Woche. Wir haben Gespräche geführt und uns
darauf verständigt, daß die geschlossenen Kapitalfonds
gesichert werden müssen. Aus diesem Grunde ist in der
Begründung des Gesetzes klar verankert worden, daß es
Übergangsregelungen geben wird und daß es auch weiterhin möglich sein wird, Windenergiefonds, KapitalVenture-Fonds, das heißt auch die Existenzgründungsfonds, die sogenannten Chancenkapitalfonds, alles das,
was bis hin zu den Medienfonds damit zusammenhängt,
aufzulegen. Das war uns ein großes Anliegen. Das ist
richtig. Hier ist ein Kompromiß gefunden worden, mit
dem wir gut leben können.
Herr Schütze, es war uns wichtig, die Möglichkeit
einzuschränken, daß Leute, die sich an Gesellschaften
beteiligen, die nur mit steuerlichen Verlustzuweisungen
arbeiten, sich arm rechnen können. Deswegen ist im
Steuergesetz eine Passage enthalten, in der die Verlustverrechnung begrenzt ist; es handelt sich um den § 2 b,
den Sie angesprochen haben. Dadurch wird es in Zukunft ermöglicht werden, die Fonds, von denen ich gesprochen habe, aufzulegen und die bereits auf den Weg
gebrachten Projekte - ich denke vor allem an die Bauwirtschaft - dementsprechend in Bestand und Entwicklung zu sichern. Deswegen haben wir uns auf eine
Übergangsfrist verständigt. Das ist politisch sinnvoll.
({0})
Wir haben auch im Bereich der Rückstellungen für
mehr Steuergerechtigkeit gesorgt. Herr Merz, Sie haben
es angesprochen: Rückstellungen dürfen nicht mehr unbegrenzt gebildet werden.
({1})
Das ist sehr vernünftig, weil Kosten oftmals steuerlich
geltend gemacht wurden, obwohl sie im Jahr des Ansatzes keinen Geldabfluß verursacht haben. Des weiteren dürfen Rückstellungen für die Verpflichtung zur
schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie
ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile
nicht mehr in dieser Form gebildet werden. Jedoch stellt
die Änderung des Gesetzes sicher, daß sich das Rückstellungsgebot nicht auf die schadlose Verwertung
radioaktiver Abfälle bezieht. Dies haben wir noch in
den letzten Tagen in das Gesetz mit hineingenommen,
damit auf diesem Gebiet Klarheit besteht; denn wir
wollen erreichen, daß auch die Atomindustrie einer realitätsnäheren Besteuerung zugeführt wird, wie dies übrigens bei jedem kleinen Unternehmen schon lange der
Fall ist.
Die Kritik der Energie- und der Versicherungswirtschaft halten wir nicht für berechtigt. Ich habe das
vorhin an Beispielen ausgeführt. Man muß sich fragen,
ob die Energie- und die Versicherungsbranche, die den
größten Aufstand gemacht haben, in den vergangenen
Jahren von seiten der Fraktionen von CDU/CSU und
F.D.P., was die Steuer betrifft, nicht zu gut behandelt
wurden. Es war nämlich durchaus Usus, daß bei Versicherungen Rückstellungen auch dann in der Bilanz gehalten wurden, wenn der entsprechende Schadensfall
längst abgewickelt war. So konnten die Versicherungen
über Jahre hinweg stille Reserven bilden. Mit dieser
Steuerersparnis hatten die Unternehmen die Möglichkeit, sich andere gewinnträchtige Wirtschaftszweige zu
erschließen. Das geschah sehr oft im Ausland, was für
unseren Arbeitsmarkt nicht immer sehr sinnvoll gewesen ist.
Es dürfte auch bekannt sein, daß gerade die Energieversorger im Entsorgungsbereich, in den sie im letzten
Jahrzehnt massiv eingestiegen sind, viele kleine und
mittelständische Unternehmen vom Markt verdrängt haben. Wenn wir kleine und mittlere Unternehmen schützen wollen, dann müssen wir das auch in der Steuerpolitik tun. Wir dürfen nicht immer nur davon reden, daß
kleine und mittlere Unternehmen wichtig sind, sondern
wir müssen handeln, wenn wir sehen, daß auf Grund von
Gestaltungsmöglichkeiten bei den Steuern die kleinen
vom Markt verdrängt werden, weil die großen gestalten
und die kleinen es nicht können. Alles andere wäre eine
falsche Politik.
({2})
Wir sind auf dem Weg, wieder Glaubhaftigkeit und
Glaubwürdigkeit im Steuersystem herzustellen.
({3})
So sind Vorschläge zur Steuerentlastung unglaubwürdig,
wenn auf der einen Seite Entlastungen versprochen und
auf der anderen Seite Erhöhungen kommen würden. Ich
habe mich damit klar zur Mehrwertsteuererhöhung geäußert. Es wäre unglaubwürdig, wenn man einerseits
den Leuten sagt, sie würden entlastet, und auf der anderen Seite die Steuern erhöht, so wie es die alte Koalition
vorgehabt hat.
({4})
So etwas löst Verdruß in der Bevölkerung aus. Man
müßte dann den Leuten, die sich veräppelt fühlen, recht
geben. Aber diese Regierung hat den Anspruch, eine
ehrlichere Steuerpolitik zu betreiben. Dies ist auch richtig so.
({5})
Zukunftsfähigkeit im Steuersystem bedeutet, daß
wir die bestehende verteilungspolitische Schieflage korrigieren, die für die Zukunft notwendige ökologische
Komponente - das haben wir ja gestern beschlossen nicht vergessen und das Prinzip der Nachhaltigkeit in
der Steuer- und in der Finanzpolitik, also im ganzen Finanzwesen, einführen müssen. Eine zukunftsfähige Reform muß finanzpolitisch solide, sozial ausgewogen und
natürlich auch wirtschaftspolitisch sinnvoll sein. Es darf
nicht angehen, daß die nächsten Generationen die finanziellen Risiken in Form von weiteren Löchern in den
Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen erben.
Das wollen wir nicht, sondern wir wollen auch hier eine
solide und verantwortungsvolle Politik für die nächsten
Generationen gestalten.
Kollegin Scheel, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen
Willsch, wenn ich ihn richtig identifiziert habe?
Ja, er heißt so. Er ist mit mir im Finanzausschuß, es ist
ein netter Kollege. - Bitte schön.
Vielen Dank,
Frau Vorsitzende. Ich fühle mich geehrt und geschmeichelt zugleich.
Sie betonen in Ihren Erwiderungen auf die vermutete
Mehrwertsteuererhöhung immer wieder, daß sie jetzt
nicht komme. Könnte das im Zusammenhang mit Meldungen der „Welt“ von heute stehen? Dem Vernehmen
nach soll der Kanzler der Versicherungswirtschaft zugesagt haben, den Finanzierungsbeitrag nach oben zu limitieren, so daß am Jahresende vielleicht neu über eine
Mehrwertsteuererhöhung nachgedacht werden müßte,
um dieses Versprechen einzulösen?
({0})
Herr Willsch, vielen Dank für die Frage. Sie haben
die gleiche Kenntnis wie wir. Wir wissen es daher,
weil wir uns miteinander unterhalten. Sie lesen es logischerweise in der Zeitung, wenn Gespräche zwischen dem Kanzler und der Versicherungswirtschaft
geführt werden. Selbstverständlich hat es diese Gespräche gegeben. Es gibt ja genügend Pressemeldungen
dazu.
Bei diesen Gesprächen wurde klar, daß die ursprünglich von der Versicherungswirtschaft vorgelegten Zahlen, die auf Vermutungen darüber basierten, was im Gesetz enthalten sei, so nicht haltbar waren. Man hat eingestanden, daß einzelne Passagen im Gesetzestext doch
etwas anders formuliert wurden, wodurch das, was die
Versicherungswirtschaft auf den Tisch gelegt hat, stark
reduziert wurde. Mittlerweile ist es in bezug auf die
Zahlen und Einschätzungen zu einer Annäherung gekommen. Ich bin sehr froh, daß diese stattgefunden hat.
Der Kanzler kann daher ganz ruhig mit den Vertretern
der Versicherungsbranche reden und ihnen sagen: Warten wir einmal das Ende des Jahres ab, und lassen Sie
uns dann schauen, ob unsere Vermutungen eingetroffen
sind. - Die prognostizierten Zahlen liegen jetzt ganz nahe beieinander, es bestehen nur noch minimale Differenzen. Wir können dem wirklich sehr gelassen entgegensehen. Ich halte es für einen guten Zug des Kanzlers,
zu sagen: Wir schauen einmal, wie es sich im Laufe des
Jahres auswirkt. - Wir gehen davon aus, daß wir vollkommen korrekt handeln und die Datenbasis stimmt.
Die Frage einer möglichen Mehrwertsteuererhöhung, die
Sie hiermit in Verbindung gebracht haben, hat damit
überhaupt nichts zu tun.
({0})
Ich möchte abschließend noch sagen, daß verantwortlich für die nächste Generation zu handeln
heißt, das gesamte Steuersystem im Auge zu behalten,
die Kraft und den Mut zu haben, mit Tabus zu brechen,
und Privilegien auch gegen den Widerstand der Lobbyisten im Interesse des ganzen Volkes zu prüfen und
abzubauen. Mit den Konzepten der Vergangenheit - das
möchte ich Ihnen klipp und klar noch einmal sagen,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
von CDU/CSU und F.D.P. - können wir auch in der
Steuerpolitik keine zukunftsfähige Politik gestalten.
Deswegen ist diese neue Regierung auf dem richtigen
Weg.
Danke schön.
({1})
Das Wort zu einer
Kurzintervention hat der Kollege Hans Michelbach,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Kollegin
Scheel, Sie haben keine Zwischenfrage von mir zugelassen; wahrscheinlich teile ich bezüglich Ihrer Begriffserklärung zuwenig Nettigkeiten aus.
Aber ich möchte zur Sache kommen. Es ist doch,
Frau Kollegin Scheel, die Unwahrheit, daß Sie als Vorsitzende des Finanzausschusses die Gesetzesberatung
sorgfältig und ordnungsgemäß durchgeführt haben.
Warum haben Sie denn unseren Antrag zur Anhörung
der neuen Sachgegenstände zurückgewiesen und als
Vorsitzende im Finanzausschuß Wortmeldungen derjenigen, die dazu Informationen haben wollten, unterdrückt? Ich habe den Eindruck, Frau Kollegin Scheel,
Sie wollten als Vorsitzende Ihr Arbeitsplatzvernichtungsprogramm nicht ruchbar werden lassen. Heute
qualifizieren Sie wiederum Sachverständigenanhörungen gewissermaßen als Erpressungsversuch und Erpressungstatbestand ab.
Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist nicht korrekt, was
Sie machen. Haben Sie schon einmal etwas von echter,
praxisnaher Erfahrung und Sorge für Arbeitsplätze in
der Wirtschaft gehört?
Auch in der Sache liegen Sie, Frau Kollegin Scheel,
doch überhaupt nicht richtig, was den Mittelstand betrifft. Sie sind dem Mittelstand und seinen Arbeitnehmern nicht entgegengekommen. Ihre Gegenfinanzierung
fällt mit einer Belastung von über 20 Milliarden DM bis
zum Jahr 2002 gegen den Mittelstand aus. Der bisherige
Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die
Steuerbilanz, die ordnungsgemäße Steuerpolitik, die
bisher noch gegolten hat, wird aufgegeben. Sie brechen
das System auf breiter Front auf. Sie schränken zum
Beispiel auch die Teilwertabschreibung ein. Das ist
hier ganz deutlich geworden. 2,3 Milliarden DM Steuererhöhung aus den Änderungen bei der Teilwertabschreibung führen beim Mittelstand zur Besteuerung von
Scheingewinnen und kosten Arbeitsplätze. Sie streichen
den halben Steuersatz für Veräußerung und Aufgabe unserer Mittelstandsbetriebe. Das wird den Generationswechsel im Mittelstand erschweren. Sie führen die Einschränkung des Verlustausgleichs ein. Diese Verschärfung bedeutet für den Mittelstand Investitionsverhinderung.
Ich kann Ihnen nur sagen: Alles, was Sie machen, hat
für den Mittelstand volkswirtschaftliche Konsequenzen
in Form von Arbeitsplatzvernichtung und unter dem
Strich weniger Steuereinnahmen, weil die Investitionen
durch dieses Gesetz um über 50 Milliarden DM sinken.
Dadurch haben Sie weniger Umsatzsteuer und weniger
Gewerbesteuer. Das ist dann das Ergebnis Ihrer Politik.
Rotgrüne Steuerpolitik bedeutet letzten Endes:
Bruchpilot, dann kommt das ganze Land in Not.
Kollegin Scheel, Sie
haben die Gelegenheit zur Antwort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Michelbach, ich bin
Ihnen für diese Intervention fast dankbar. Ich bin überrascht, daß Sie das diesmal sogar schriftlich vorbereitet
haben. Aber gut.
Ich möchte zu Ihren Ausführungen sehr ernst Stellung nehmen. Wenn das, was Sie ausgeführt haben, was
alles für den Mittelstand schädlich sein soll, nicht
durchgesetzt würde, würde das doch in der Konsequenz
dazu führen, daß im Steuerrecht, was Abschreibungsmöglichkeiten und Steuerminderungstatbestände betrifft, alles so bleibt, wie es ist. Die Bevölkerung weiß,
daß hier Mißbrauch betrieben wird. Es war Aufgabe
dieser Regierung, diesen Mißbrauch einzudämmen, und
zwar nicht so, daß es zum Schaden der Wirtschaft ist,
sondern so, daß diejenigen, die diesen Mißbrauch auf
Kosten der gesamten Bevölkerung betrieben haben,
endlich einen auf den Deckel bekommen, wie ich an
dieser Stelle einmal flapsig sagen will.
Sie haben die Anhörungen angesprochen. Sie haben
mich vorhin vielleicht falsch verstanden; ich will Ihnen
da nichts Böses unterstellen. Aber wenn Sie ausführen,
ich hätte die Sachverständigenanhörungen als Erpressungstatbestand gewertet, dann muß ich Ihnen sagen,
daß ich das nicht getan habe. Das kann man auch nachlesen. Ich denke, daß die Zuhörer und Zuhörerinnen sowie die Kollegen und Kolleginnen es in der Mehrheit
sehr wohl verstanden haben, daß ich mich auf diese
Briefe bezogen habe, und zwar auf die in den letzten
Tagen von seiten der Energiewirtschaft und von seiten
der Versicherungswirtschaft an die Regierung gerichteten Androhungen dahin gehend, aus der Republik
wegzuziehen, also ins Ausland zu gehen, und dementsprechend Arbeitsplätze aufzukündigen, und darauf, daß
eine steuerliche Belastung in den Raum gestellt worden
ist, die jenseits jeder realistischen Vorstellung liegt, also
auf die Art und Weise, wie seitens verschiedener Branchen versucht wurde, auf das Gesetzgebungsverfahren
und auf die politisch Verantwortlichen einzuwirken.
Zur Anhörung: Wir haben drei Tage lang zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eine Anhörung
durchgeführt. Diese Anhörung, diese drei Tage waren
sehr intensiv. Wir haben sehr viele Anregungen und
Vorschläge, die von seiten der Sachverständigen vorgebracht worden sind, mit in den Prozeß der Formulierung
dieses Gesetzentwurfes aufgenommen.
Herr Michelbach, endlich ist es einmal so, daß die
Regierung das, was in der Anhörung vorgebracht wurde,
ernst nahm und daß man das, was gut ist und was diese
Republik nach vorne bringt, in das laufende Verfahren
bzw. in die Verhandlungen in den Ausschüssen über
diesen Gesetzentwurf eingebaut hat.
({0})
Deswegen gab es natürlich Änderungsanträge. Das war
kein Chaos. Wir haben vielmehr das aufgenommen, was
uns in den Anhörungen von den Sachverständigen vorgeschlagen wurde.
Wenn Sie feststellen, die Wirtschaft mache sich Sorgen und man solle diese ernst nehmen, dann kann ich
nur antworten: Wir nehmen die Sorgen der kleinen und
mittelständischen Unternehmen sehr ernst.
({1})
- Herr Hauser, auch Sie können sich gerne noch zu einer
Kurzintervention melden. Ich bin da flexibel. Sie können
gerne noch etwas sagen. Das dürfen Sie. Der Präsident
muß dem allerdings zustimmen. Sie müssen sich dazu
nur melden. Wenn Sie jetzt Zwischenrufe machen, dann
sind die für die Kollegen möglicherweise nicht verständlich. Deswegen wäre es wahrscheinlich für alle
Beteiligten angebrachter, Sie melden sich zu Wort und
versuchen nicht, mich hier zu unterbrechen.
Frau Kollegin,
kommen Sie bitte zum Ende.
Ich bin sofort am Ende meiner Antwort. - Ich möchte
nur noch einen Punkt hinsichtlich der Sorge der Wirtschaft sagen: Natürlich machen wir uns um die Wirtschaft Sorgen. Wir haben festgestellt, daß es auf Grund
der Politik der früheren Regierung in den letzten Jahren für die kleinen und mittelständischen Unternehmen sehr schwer war und daß sich der Mittelstand von
der früheren Regierung nicht mehr unterstützt gefühlt
hat. Jetzt sind wir dabei, das Vertrauen wieder aufzubauen und für den Mittelstand eine gute Politik zu betreiben.
Danke.
({0})
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Hermann Otto Solms, F.D.P.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heike Göbel
beginnt ihren vorzüglichen Leitartikel im Wirtschaftsteil
der „FAZ“ von heute, den ich Ihnen zur Lektüre empfehle, mit den folgenden Sätzen:
Erfolg hat viele Väter, Mißerfolg keinen. Daher
dürfte das große „Steuerentlastungsgesetz“, das der
Bundestag heute verabschiedet, schnell zum Waisenkind werden. Längst gilt es auch seinen eigenen
Erzeugern in der SPD und unter den Grünen als
Mißgeburt.
Dem ist eigentlich kaum etwas hinzuzufügen.
({0})
Wenn Sie, Frau Scheel, diesen Gesetzentwurf so heftig verteidigen, der Ihren steuerpolitischen Aussagen in
Ihrer Wahlplattform völlig widerspricht,
({1})
dann kann ich nur feststellen, daß dies ein erneuter Beweis für die Aufgabe aller Prinzipien und Grundsätze
der Grünen um den Preis der Machtbeteiligung ist. Darüber sollten Sie sich auf Ihrem Parteitag unterhalten.
({2})
Meine Damen und Herren, in den über 25 Jahren intensiver Beteiligung an der Steuer- und Finanzpolitik der
Bundesrepublik Deutschland habe ich noch nie etwas so
Chaotisches bzw. ein so gewaltiges Durcheinander erlebt.
({3})
Niemand durchschaut es mehr. Die Bundesregierung
und ihre Vertreter können überhaupt keine Auskunft geben, wie das alles zusammenwirken soll. Das ist nicht zu
verantworten. Dies steht im Zusammenhang mit den
wirklich absurden Äußerungen des Bundesfinanzministers bezüglich seiner Kritik an der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Zentralbank sowie mit der
unklaren Haltung der Bundesregierung zur Europapolitik.
Das Ergebnis ist: Der Euro fällt, und die Zinsen beginnen wieder zu steigen. Herr Lafontaine, genau das
Gegenteil haben Sie gewollt.
({4})
Dies setzt sich fort in Ihren unverantwortlichen Aussagen zum Ende der Bescheidenheit. Sie haben die Gewerkschaften geradezu gezwungen, überhöhte Tarifforderungen zu stellen,
({5})
die dann zu übermäßig hohen Tarifergebnissen geführt
haben, die weit über dem Produktivitätsfortschritt liegen.
({6})
Ich sage Ihnen voraus - hören Sie einmal zu! -: Das
muß mit mathematischer Sicherheit zu weiteren Entlassungen führen, weil ein entsprechender Rationalisierungsdruck ausgelöst wird. Das hat die Vergangenheit
gezeigt, und das wird jetzt wieder eintreten. Dafür sind
Sie verantwortlich, Herr Lafontaine.
({7})
Schließlich zu Ihren immer wiederholten Betonungen
einer nachfrageorientierten Politik. Ihre Vorstellungen
entsprechen einem vulgären Keynesianismus. John
Maynard Keynes würde sich im Grabe umdrehen, wenn
er sähe, wie sehr er mißverstanden wird.
({8})
Wir befinden uns nicht mehr in einer geschlossenen
Volkswirtschaft, sondern in einer weltweit offenen
Volkswirtschaft. Wir stehen im internationalen Wettbewerb. Wenn Sie die Konsumkraft der Arbeitnehmer fördern, dann kommt es doch auch darauf an, auf welche
Produkte sie sich richtet. Schauen Sie sich doch einmal
die Versandhauskataloge von Otto, Quelle und Ikea an,
oder gehen Sie zu den großen Verbrauchermärkten!
Achten Sie einmal darauf, welcher Teil dieser Produkte
importiert wird! Es nutzt doch keinem deutschen Arbeitnehmer, wenn mehr importierte Konsumgüter gekauft werden. Es nutzt ihnen auch nichts, wenn mehr
Fernreisen gebucht werden.
({9})
Notwendig ist auch eine Verbesserung der Kostenstruktur der deutschen Wirtschaft, damit sie preiswerter anbieten kann. Dann werden auch mehr deutsche
Produkte gekauft. Nur so wird ein Schuh daraus.
({10})
Die alleinige Betonung der Nachfrageseite führt völlig
in die Irre.
({11})
Sie machen bei dieser Diskussion einen zweiten
Fehler. Indem Sie nur die Konsumnachfrage betrachten,
vernachlässigen Sie die Investitionsgüternachfrage.
Bei den Investitionsgütern ist der Lieferanteil der deutschen Hersteller wesentlich größer. Sie aber schädigen
die deutsche Wirtschaft. Sie nehmen ihr Geld weg, so
daß sie die Investitionsmittel kürzt, was zu einem Nachfrageeinbruch auf den Investitionsgütermärkten führt.
All das ist ein Beweis dafür, daß es bei dieser Steuerund Finanzpolitik eine ordnungspolitische Orientierung
nicht gibt. Das ist der eigentliche Kritikpunkt an dieser
Politik.
({12})
Ergebnis ist - Sie können es in der aktuellen Presse lesen -, daß beispielsweise der DIHT voraussagt, das Sozialprodukt werde nur noch um 1,5 Prozent steigen. Das
wird nicht ausreichen, den Rationalisierungseffekt auf
dem Arbeitsmarkt auszugleichen.
Im übrigen ist die Zahl der Auftragseingänge bei den
Maschinenbauern dramatisch eingebrochen. Das ist für
die Wirtschaft ein Tiefschlag. Das aber ist eine Reaktion
auf die Verunsicherung, die Sie ausgelöst haben.
({13})
Hinzu kommt die völlig unklare Steuerpolitik.
({14})
Ich will Ihnen einmal aufzählen, welche steuerpolitischen Vorhaben anstehen: das Steuerentlastungsgesetz,
über das wir heute bedauerlicherweise befinden müssen,
die Ökosteuer, die zum Entsetzen vieler gestern verabschiedet worden ist - das ist doch keine Ökosteuer, sondern nichts anderes als eine Energiesteuererhöhung -,
({15})
und die katastrophalen Vorschläge hinsichtlich der 630Mark-Jobs, über die heute nachmittag zu befinden ist,
einschließlich des Steueranteils für diesen Bereich.
({16})
Da ist auch die Ankündigung einer Unternehmensteuerreform. Zuerst wird abkassiert, und dann wird den
Unternehmen ein Köder vor die Nase gehalten, indem
gesagt wird: Es wird aber vielleicht besser; wir wollen
mal schauen.
Frau Scheel verteidigt diese Steuerpolitik nach der
Methode „Versuch und Irrtum“, dieser neuen Strategie
der Steuerpolitik: Wir versuchen es, und dann schauen
wir mal; wenn wieder Tausende von Arbeitsplätzen verschwunden sind, korrigieren wir es eben wieder. - So
kann man Steuerpolitik nicht ernstzunehmend betreiben.
({17})
Hinzu kommt das Verfassungsgerichtsurteil zum
Steuerrecht hinsichtlich der Familie. Wir erwarten ein
weiteres Verfassungsgerichtsurteil zur Besteuerung der
Renten. Was ist eigentlich mit dem Soli? Soll er ewig
erhalten bleiben? Von Steuersenkungen kann keine Rede sein. Der Soli wird immer vernachlässigt, und die
Ökosteuer wird natürlich auch nicht eingerechnet.
Schließlich bleibt das offene Thema Mehrwertsteuer, auf
das wir sicher noch zurückkommen werden.
Meine Damen und Herren, dieses Chaos hat einen
Namen: Oskar Lafontaine mit seinen beiden Staatssekretären Flassbeck und Noé. Das ist das „Trio Infernale“
der deutschen Steuer- und Finanzpolitik.
({18})
Warum diese Hektik, Herr Lafontaine? - Weil Sie in
Hessen verloren haben,
({19})
weil die rotgrüne Koalition in Hessen verloren hat.
({20})
Sie, Herr Lafontaine, muten nun dem Ministerpräsidenten Hans Eichel zu, obwohl er abgewählt ist, diese
chaotische Steuerpolitik im Bundesrat noch zu verteidigen.
({21})
Das ist nicht nur schäbig, das ist viel schlimmer: Es ist
undemokratisch.
({22})
Das ist nicht legitim. Eine abgewählte Regierung soll
sich aus der Politik heraushalten und die Aufgaben und
die Verantwortung an die nachfolgende Regierung übergeben
({23})
und soll sich nicht in dieser Form in die aktuelle Politik
einmischen. Das ist unakzeptabel, und die Wähler werden es sich merken.
Herr Kollege Solms,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Larcher?
Bitte schön.
Herr Solms, würden Sie
bitte zur Kenntnis nehmen, daß der Terminplan für die
Beratungen in einem Obleutegespräch interfraktionell
abgesprochen wurde, und zwar längst vor der Hessenwahl?
({0})
Aber, Herr
Kollege von Larcher, Sie wissen, es gilt:
({0})
Nun mach mal einen Plan und sei ein kluges Licht, dann
machste noch ´nen Plan, doch gehen tun sie beide nicht.
({1})
Sie wissen doch, daß, wenn ein Terminplan nicht eingehalten werden kann - weil es Beratungsbedarf gibt -,
ein neuer Plan gemacht werden muß. Man hält sich doch
nicht an einen Terminplan, ohne sich um die Inhalte zu
kümmern. Das ist doch absurd.
({2})
Auf dem Deckblatt dieses Gesetzentwurfs stehen vier
Ziele. Erstens soll er „einer Verbesserung von Wachstum
und Beschäftigung durch Stärkung der Investitionskraft
der Unternehmen und nachhaltige Belebung der Binnennachfrage“ dienen, zweitens „einer spürbaren Entlastung
von Arbeitnehmern und Familien“, drittens „der Schaffung von mehr Steuergerechtigkeit“ und viertens „einer
Vereinfachung des deutschen Steuerrechts“.
Genau das Gegenteil dessen wird eintreten. In bezug
auf die Steuergerechtigkeit wird es eine Verschlechterung geben, weil unterschiedlich entlastet und belastet
wird; das gilt schon für die Arbeitnehmer. Sie entlasten
unten, aber die Leistungsträger, die Facharbeiter, die Ingenieure, werden so gut wie nicht entlastet. Das gilt
auch für einen Vergleich zwischen Wirtschaft, Arbeitnehmern und Leuten, die aus anderen Einkommensarten
Einkünfte erzielen. Die einen werden sehr viel höher besteuert; die unternehmerischen Gewinne werden im
Vergleich dazu niedriger besteuert. Das wird und muß
zu Manipulationen führen.
Damit ist auch gleichzeitig die Frage nach der Steuervereinfachung beantwortet: Das Steuerrecht wird
komplizierter, es wird manipulationsanfälliger, es wird
interpretationsbedürftiger. Die Steuerverwaltung wird
zunächst gar nicht wissen, wie sie damit umgehen soll.
Sie haben es ja selbst noch nicht verstanden. Wie sollen
die es denn wissen?
({3})
Schließlich ist festzuhalten, daß die Entlastung der
Arbeitnehmer unterschiedlich hoch ausfällt, wie ich Ihnen gesagt habe. Sie haben gesagt: „Sie werden entlastet“; das ist aber nicht der Fall. Insbesondere die Arbeitnehmer, die keine Kinder haben, aber gleichwohl
Ökosteuer zahlen müssen, haben von dieser Entlastung
so gut wie gar nichts.
({4})
Wenn Sie schließlich eine Verbesserung von Wachstum und Beschäftigung versprechen: Das ist doch einfach ein Witz. Die Wirtschaft - Mittelstand, kleine Unternehmen, Selbständige, freie Berufe und Großunternehmen - wird erheblich mehr belastet. Wenn Sie, Herr
Lafontaine, vorhin gesagt haben, die mittelständischen
Unternehmen würden um 3 Milliarden DM entlastet,
dann entgegne ich: Das mag ja stimmen; gegenüber
dem, was Sie in Ihrem ursprünglichen Entwurf vorgesehen haben, werden sie um 3 Milliarden DM weniger
belastet. In Wirklichkeit werden sie höher belastet, und
zwar bis zum Jahr 2002 ganz sicher. In dieser Zeit gehen
viele Tausende und Zehntausende von Arbeitsplätzen
verloren, weil sich die Voraussetzungen für sie verschlechtert haben. Da nützen Entlastungsankündigungen
für die Zeit danach überhaupt nichts, weil Sie die Arbeitsplätze, die weg sind, nicht zurückholen.
Ich will auf die vielen Einzelheiten nicht eingehen. Es
gibt so viele Beispiele, mit denen man das belegen kann.
Ich denke nur an das Problem des Teilwertes und an
den Begriff des dauerhaften Wertverlustes. Wer soll das
denn definieren? Wer hat die Beweislast? Es gibt überhaupt keine Erfahrung damit. Natürlich wird den Unternehmen die Möglichkeit der Teilwertabschreibung entzogen, es sei denn, sie könnten nachweisen, daß ein
dauerhafter Wertverlust vorliegt, wobei ihnen nicht gesagt wird, wie sie das nachweisen sollen. Das ist absurd,
schafft nur Irritationen und bewirkt einen Einbruch bei
den betroffenen Betrieben.
Ich kann auch noch das Abzinsungsgebot nennen.
Das führt allein bei der Energiewirtschaft zu Belastungen von 25 bis 30 Milliarden DM, bei den Versicherungen zu Belastungen von rund 14 Milliarden DM. Bei
anderen Unternehmen gibt es ebenfalls Belastungen. Sie
werden es ja sehen.
({5})
Dann kann doch der Bundeskanzler den Versicherungsunternehmen nicht sagen: Das mag ja so sein; wenn es
dann eingetreten sein wird, werden wir es überprüfen;
dann schauen wir, was wir machen können. - So kann
man verantwortungsvolle Politik in Deutschland nicht
betreiben, und das muß den Menschen gesagt werden.
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bilanz nach 100
Tagen rotgrüner Steuerpolitik ist mehr als ernüchternd;
sie ist erschütternd. Der Dilettantismus, mit dem zu
Werke gegangen wird, macht deutlich, daß ein schlüssiges Konzept fehlt. Ohne ordnungspolitische Orientierung hangelt sich die Koalition von einer Fehlentscheidung zur nächsten.
Ich will ein Beispiel zeigen. Wissen Sie, was das ist?
({7})
- Das ist nicht der Steuergesetzentwurf. Das ist auch
kein Kommentar dazu. Das sind die Korrekturvorschläge der Bundesregierung zu ihrem eigenen Gesetzentwurf, und zwar teilweise in mehrfacher Form. Ich nehme einmal den, den ich obenauf gelegt habe: „UmdruckNr. 01 neu 4“. Was heißt das? Das ist die fünfte Korrektur desselben Sachverhalts innerhalb weniger Wochen. Dies ist noch am Dienstag in einer zusätzlichen
Finanzausschußsitzung vorgelegt worden.
({8})
Das ist nicht zu fassen! Kein Mensch durchschaut das
noch. Das ist für alle, die daran beteiligt sind, kaum
noch zu verstehen.
({9})
Uns sind insgesamt über 300 Seiten vorgelegt worden,
wenn man die ausgetauschten Seiten mitrechnet. Das ist
wirklich eine Katastrophe.
Offenkundig hat die Bundesregierung den Überblick
darüber verloren, wie sich die einzelnen Maßnahmen
auswirken, wie sie sich im Zusammenhang auf die Steuerpflichtigen auswirken, wie sie sich auf die öffentlichen
Haushalte auswirken. Die Berechnungen über die Ausfallwirkungen oder Belastungswirkungen sind reine
Spekulationen. Es sind einfach Annahmen getroffen
worden, auf Grund derer man dann gerechnet hat. Man
hätte genausogut völlig andere Annahmen treffen können. Die vorgelegten Berechnungen sind sicher falsch;
die Belastungen für die Wirtschaft sind jedenfalls höher.
Das beweisen die Berechnungen der Betroffenen. Diese
wissen in ihren Bilanzen besser Bescheid als der Bundesfinanzminister.
({10})
Die Finanzplanung verliert jegliche Aussagekraft.
Die durch die rotgrüne Koalition geschaffene Verunsicherung führt zu Attentismus. Investitionsvorhaben
werden zurückgestellt, Arbeitsplätze gehen verloren wir erleben es täglich -, und Betriebsstätten werden ins
Ausland verlegt.
({11})
Es wird ein Schaden angerichtet, der in vielen Jahren
nicht wiedergutzumachen ist. Es ist wirklich unverantwortlich, was hier geschieht.
({12})
Meine Damen und Herren, zum Schluß: Art. 65 des
Grundgesetzes sagt im ersten Satz:
Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der
Politik und trägt dafür die Verantwortung.
({13})
- Er mag sicher wichtigen Aufgaben nachgehen. Das
entschuldige ich; dafür habe ich Verständnis.
({14})
Aber wo bleiben die Richtlinien? Wenn offenkundig ist,
daß kein klares Konzept besteht, muß doch einer in diesem Verein da sein, der sagt, wo es langgeht. Das ist die
Aufgabe des Bundeskanzlers. Wo bleibt er da?
({15})
Da nützt noch so geschicktes, mediengerechtes Auftreten in vielen Talk-Shows nichts. Ich muß anerkennend
sagen: Er kann das gut; ich wäre froh, wenn ich es so gut
könnte.
({16})
Aber seine Hauptverantwortung liegt woanders. Seine
Hauptverantwortung liegt in seinem Amt als deutscher
Bundeskanzler, für das er vereidigt worden ist. Er hat
die Richtlinien der deutschen Politik zur Wahrung der
Interessen der deutschen Bürger zu bestimmen und hat
das zu verantworten. Er hat sich nicht nur in den vielen
Talk-Shows herumzutummeln.
Deswegen darf ich abschließend in der Sprache der
Medienanstalten fragen: Was nun, Herr Bundeskanzler?
({17})
Das Wort hat nun
Kollegin Barbara Höll, PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein verständliches, transparentes Steuerrecht - so lautete der Anspruch aller Steuerreformversuche, die wir hier in den letzten Jahren verhandelt haben. Das war auch der Ihrige, meine Damen und
Herren von der Regierung, und dies, so denke ich, aus
gutem Grund. Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht
darauf, daß Gesetze nachvollziehbar sind.
Sie haben insbesondere auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Gestaltung ihrer Lebensführung das Recht,
in eigener Regie agieren zu können. Langfristige Planungen, Risikolebensversicherungen, einen Hauskauf
oder einen Bausparvertrag möchte man realisieren können, ohne jeweils Geld für Beratung in steuerlichen Fragen ausgeben zu müssen. Dies ist nicht nur ein Gebot
der Rechtsstaatlichkeit, sondern auch ein wesentliches
Element sozialer Gerechtigkeit, nicht zuletzt und gerade
auch in der Steuergesetzgebung. Aber die Umsetzung
dieses hehren Anspruchs ist leider wieder einmal geplatzt.
({0})
Dies konnte bei dem chaotischen Gesetzgebungsprozeß, den wir hier seit November vergangenen Jahres erlebt haben, auch nicht anders sein.
Nicht einmal zwei Monate nach der Wahl legte die
Regierung einen neuen, umfassenden Entwurf eines
Steuerentlastungsgesetzes vor. Das schnelle Handeln erstaunte und erfreute die Öffentlichkeit. Scheinbare Entschlossenheit eines neuen Kanzlers kommt immer gut
an. Der Finanzminister stand ihm zur Seite. In jahrelanger Opposition hatten sie ihre Konzepte ja entwickelt.
Aber weit gefehlt: Die Abgeordneten des federführenden Ausschusses wurden seit Januar mit 68 Umdrucken
traktiert. Frau Scheel, wenn Sie als Ausschußvorsitzende
behaupten, es sei das Problem der Opposition, wenn sie
in diesem chaotischen Prozeß mit der Arbeit nicht nachkommt, so stellen Sie Ihr eigenes Selbstverständnis als
Parlamentarierin unter den Scheffel.
Man muß sich das vorstellen: Beamte des Finanzministeriums diktierten uns noch während der Ausschußsitzung Änderungen in die Feder. Wie diese Änderungen
konkret aussahen, wußten auch Sie nicht. Sie haben sie
nicht einmal vorberaten; Sie haben sie auch im Ausschuß nicht beraten. Das ist die Realität. Ich meine, hier
ist die Kritik der gesamten Opposition sehr wohl berechtigt gewesen.
({1})
Insbesondere wenn Sie neue Paragraphen einführen,
wie bei § 2b, es aber ablehnen, dazu ein weiteres Expertengespräch anzuberaumen, ist man erstaunt, noch
dazu nach dem Debakel mit den aktiven und passiven
Einkünften, von denen auch die von Ihnen eingeladenen
Sachverständigen nicht sagten, das sei eine gute Regelung. Sie nahmen sie zurück und legten einen neuen
Vorschlag vor. Den hätte man aber diskutieren müssen.
Die Abstimmung war eigentlich schon am Montag
dieser Woche abgeschlossen. Am Dienstag mußten wir
aber noch einmal beraten. Dieses Gesetzgebungsverfahren verdient wahrlich nicht die Bewertung, geordnet und
sachgerecht zu sein. Es war weder für uns Abgeordnete
noch für die Steuerpflichtigen transparent.
Das Vorgehen der Regierung wirft aber noch ein
zweites nicht zu unterschätzendes Problem auf: Es ist
die Frage des Zeitpunkts, zu dem das Gesetz in Kraft
treten soll; denn im Gegensatz zum Ökosteuergesetz,
welches zum 1. April in Kraft tritt, wird dieses Gesetz
rückwirkend in Kraft treten. Das ist zwar verfassungskonform - das will ich nicht in Abrede stellen -, aber für
die Planungssicherheit der Bürger und Bürgerinnen und
auch für die Planungssicherheit der Unternehmen hat
das natürlich maßgebliche Probleme aufgeworfen.
Es stand zur Debatte, die Sanierungsaufwendungen
zu streichen, den Steuerfreibetrag bei der Unternehmensveräußerung zu streichen. So kam es natürlich zu
übereilten Entscheidungen von Bürgerinnen und Bürgern und von Unternehmern. Vieles von dem, was zur
Debatte stand, ist nicht umgesetzt worden. Wer also im
Vertrauen auf die Ankündigungen der Regierung gehandelt hat, hat Pech gehabt, hat übereilt gehandelt - deren
Problem, nicht Ihres. So kann man keine Steuerpolitik
machen. So werden Sie nicht das notwendige Vertrauen
aufbauen. Es ist eine erhebliche Beeinträchtigung der
Planungssicherheit gewesen, daß die Bürger nach Gesetzen handeln mußten, die noch nicht verabschiedet
und veröffentlicht sind.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, der Bundesfinanzminister hat in seiner Rede noch
einmal betont: Sie sind angetreten, um die notwendige
Korrektur der Steuergesetzgebung - das Ergebnis
16jähriger Politik der CDU/CSU-F.D.P.-Regierung vorzunehmen. Sie wollten - das haben Sie heute noch
einmal betont - wieder eine Umverteilung von oben
nach unten. Sie wollten eine gerechte Lastenverteilung
von Steuern und Abgaben. Sie wollten die Rückkehr
zum Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit. Darin haben Sie unsere volle Unterstützung. Die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen von Familien mit Kindern tut mehr denn je not.
({2})
Sie haben mit Ihren Vorschlägen reale Entlastungen bewirkt. Für Ledige mit einem jährlichen Einkommen von
20 000 DM wird es schon in diesem Jahr eine Entlastung um 50 Prozent geben, für Verheiratete mit einem
Jahreseinkommen von 30 000 DM sogar eine Entlastung
um 100 Prozent.
Herr Solms, Ihren Einwand, daß die Leistungsträger
nicht betroffen seien, finde ich schon ein bißchen komisch. Wer ein niedriges Einkommen hat, bringt keine
Leistung? Darüber sollten Sie wirklich einmal nachdenken.
({3})
Trotzdem, Herr Finanzminister, kann ich Sie und die
Regierungskoalition nicht daraus entlassen, daß Sie mit
Ihren Vorschlägen natürlich hinter den Erfordernissen,
die Sie selbst noch in der 13. Legislaturperiode beschrieben haben, und hinter den realen Erfordernissen
zurückbleiben. Meine Damen und Herren von der SPD in der 13. Legislaturperiode war der jetzige Herr Finanzminister nicht Mitglied des Bundestages -, Sie forderten noch für 1998 ein steuerfreies Existenzminimum
von 14 000 DM.
({4})
Bündnis 90/Die Grünen forderten 15 000 DM steuerfreies Existenzminimum. Sie forderten ein Kindergeld von
300 DM. Jetzt wollen Sie für das Jahr 2002 gerade einmal eine Anhebung auf 14 000 DM vornehmen. Die alte
Bundesregierung hatte bereits für 1992 gesagt, 12 000
bis 14 000 DM seien das steuerfreie Existenzminimum.
Rechnet man das fort, müßten wir hier über 17 000 DM
und nicht über eine Summe von 14 000 DM reden.
({5})
Sie bleiben mit Ihrem Vorschlag hinter dem verfassungsmäßigen Gebot zurück. Das ist für mich einfach
wieder einmal sozialdemokratisch; es ist zwar sozial gerechter als das, was die CDU/CSU und die F.D.P. gemacht haben, aber bei weitem noch nicht sozial gerecht.
Weder das steuerfreie Existenzminimum noch das
Kindergeld sind Sozialleistungen. Das möchte ich noch
einmal betonen; denn auch der Bundeskanzler hat dies
in den letzten Diskussionen hier wieder eingebracht.
Dieses Geld ist keine Manövriermasse, welches dem
Staat je nach Haushaltslage zur Verfügung steht, sondern es bestehen verfassungsmäßige Rechte auf dieses
Geld, es sind Teile des Einkommens, deren Schutz vor
dem Staat den Bürgern und Bürgerinnen verfassungsmäßig zusteht.
Wir, wie auch zahlreiche Verbände bestärken Sie in
Ihrem Willen, die Verhinderungspolitik der alten konservativen Regierung zu beenden. Herr Finanzminister,
ich habe in Ihrer Rede das Aufzeigen einer wesentlichen
Quelle zur Finanzierung der neuen Familienförderung
eigentlich vermißt. Packen Sie endlich die Individualbesteuerung an! Begrenzen Sie das Ehegattensplitting!
Dann haben Sie viel Geld zur Verfügung. Wir fordern
Sie auf: Unternehmen Sie konsequente Schritte der Unterstützung des Lebens mit Kindern!
({6})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, so positiv diese
Maßnahmen sind - diese Maßnahmen begründen auch
unsere Enthaltung heute bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf -, so muß ich doch sagen: Sie sind
sehr teuer erkauft.
({7})
Herr Finanzminister, ich habe sehr wohl gehört, daß Sie
gesagt haben, in den letzten Jahren hätten die Unternehmen eine Entlastung von 50 Milliarden DM erhalten.
Das ist völlig richtig; das wurde immer verschwiegen.
Aber warum senken Sie dann nach Ihrem Gesetzentwurf
die Körperschaftsteuersätze auf einbehaltene Gewinne um
5 Prozent, von 45 auf 40 Prozent? Das ist doch widersprüchlich. Vorhin haben Sie etwas anderes begründet.
({8})
Im Jahr 2000 wollen Sie eine rechtsformunabhängige
Unternehmensbesteuerung mit einem einheitlichen
Steuersatz von 35 Prozent einführen, also insgesamt eine
Senkung um 10 Prozent.
Ursprünglich haben Sie vorgeschlagen, zur Gegenfinanzierung sollten die Unternehmen herangezogen
werden. Das ist richtig. 78 Einzelmaßnahmen waren im
Gespräch. Aber bereits dieser Ansatz der Aufkommensneutralität, den Sie ja nicht durchhalten, widerspricht
den Aussagen, die Sie vorhin getroffen haben, daß sich
ertragsstarke Unternehmen in Zukunft wieder stärker an
der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen müssen.
1970 haben diese noch 24 Prozent zum Steueraufkommen beigetragen, inzwischen sind es nur noch 7 Prozent.
Das Prinzip der Aufkommensneutralität kann da nicht
funktionieren.
Sie haben vorhin richtig gesagt: Das, was bisher an
Steuersenkungen für Unternehmen erfolgte, hat nicht
dazu geführt, daß automatisch Arbeitsplätze geschaffen
wurden. Gerade kleine Unternehmen wurden zusätzlich
betroffen, weil sie von den anvisierten Steuersenkungen
nichts hatten und nach Ihren Vorschlägen auch nichts
haben, denn sie zahlen oftmals keine Steuern. Wie ist es
denn in den neuen Bundesländern? Da wäre eine Stärkung der Eigenkapitaldecke notwendig. Die brauchen
hier andere Maßnahmen. Um beim Steuerrecht zu bleiben: Wir schlagen Ihnen eine massive Erhöhung des
Grundfreibetrages und die sofortige Senkung des Eingangssteuersatzes vor. Das würde tatsächlich kleinen
und mittelständischen Unternehmen helfen.
({9})
Hinzu kommt - das muß man in aller Deutlichkeit
sagen -, daß die vorgesehenen Streichungen bei der
Bemessungsgrundlage willkürlich waren und sind.
Auch hier müssen Sie sich dem Vorwurf stellen, daß die
Undifferenziertheit wieder kleine und mittelständische
Unternehmen sehr stark trifft. Zwei Beispiele. Sie haben
jetzt den Vorsteuerabzug für betrieblich und privat genutzte Pkw bei Selbständigen pauschal auf 50 Prozent
begrenzt. Das heißt, Sie nehmen den Selbständigen, die
Möglichkeit mit einem Fahrtenbuch nachzuweisen, daß
sie betrieblich mehr als 50 Prozent mit ihrem Fahrzeug
unterwegs sind. Die scheinbare Regelung, daß man einen Vorteil begrenzt, ist so undifferenziert, daß Freiberufler und Selbständige wieder unverhältnismäßig stark
betroffen werden.
Das zweite Beispiel, das man unbedingt erwähnen
muß, ist die Mindestbesteuerung. Herr Lafontaine,
nachdem aktive und passive Einkünfte vom Tisch sind das begrüße ich sehr -, hatten Sie das Ziel, die überschäumende Ausnutzung von steuerlichen Subventionen
zu begrenzen. Dazu muß ich ganz klar sagen, meine
Damen und Herren von der Regierungskoaltion: Die
SPD hat doch genau diese legalen Steuersparmodelle
jahrelang im Bundestag mitgetragen. Bei der Diskussion
im Jahre 1997 über die Werften waren Sie es, die gegen
die CDU/CSU dafür gekämpft haben, daß die Steuersparmodelle erhalten bleiben. Vorher trugen Sie die pauschalen Modelle mit, und jetzt wollen Sie sie pauschal
qualifizieren. Beides kann nicht funktionieren.
Wir haben von Anfang an im Bundestag gesagt: Instrumente wie die steuerliche Subvention können etwas
bringen. Man kann sich dafür entscheiden, aber nur unter klaren Rahmenbedingungen, also Schaffung von Arbeitsplätzen und nicht die Förderung des Luxuswohnungsbaus und des Büroleerstands in den neuen Bundesländern, den wir überhaupt nicht brauchen. Man muß
mit den Instrumenten zielgenau arbeiten.
Mit der Mindestbesteuerung, Herr Lafontaine, haben
Sie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Im Ergebnis
eines äußerst komplizierten Konstruktes haben Sie es
geschafft, daß die Gefahr besteht, daß Verluste aus realer Wertminderung, die die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen tatsächlich beeinträchtigen, nicht mehr
geltend gemacht werden können. Das kann doch nicht
Zielstellung einer sinnvollen Steuerpolitik sein. Die
Verliebtheit in die Mindestbesteuerung, Herr Lafontaine,
hat Sie davon abgehalten, das Urteil der Sachverständigen zur Kenntnis zu nehmen.
Man muß auch sagen: Sie haben das Steuerrecht damit komplizierter gemacht. Sie konnten keine Antwort
darauf geben, inwieweit dadurch Arbeitsplätze vernichtet werden. Das ist noch nicht absehbar. Wir wissen
nicht, ob die Lobbyverbände in vollem Umfang recht
haben oder nicht. Dabei veranschlagen Sie lediglich eine
Steuermehreinnahme in Höhe von nicht einmal 1 Milliarde DM pro Jahr. In diesem Zusammenhang verstehe
ich nicht, daß Sie dafür so viele Risiken in Kauf nehmen.
Wir schlagen Ihnen vor: Seien Sie konsequent, schaffen Sie die Steuersparmodelle richtig ab! Das wäre der
konsequente und einfache Weg. Die Sachverständigen,
darunter Professor Bareis, haben Ihnen das vorgeschlagen. Streichen Sie zum Beispiel die degressive Abschreibung, die vor allem ertragsstarken Unternehmen
dient. Wandeln Sie die steuerliche Förderung in eine direkte Förderung um! Das wäre nämlich im Sinne der
Existenzgründer sowie der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die PDS hat ihre Vorschläge dazu
vorgelegt. Überlegen Sie sich für spezielle Bereiche wie
zum Beispiel die Filmindustrie auch spezielle Regelungen. Ich halte das für sehr notwendig.
Im Verlauf der parlamentarischen Behandlung des
Gesetzentwurfes wurden auf Druck von Wirtschaftsund Lobbyverbänden bis heute zahlreiche - darunter
auch gerechtfertigte - Streichungen und Begrenzungen
steuerlicher Subventionen wieder zurückgenommen.
Hier erhalten Sie scharfe Kritik. Im Klartext heißt das:
Bei den Unternehmen gibt es jetzt nicht mehr die von
Ihnen angestrebte Aufkommensneutralität, sondern sie
werden überproportional entlastet. Frau Scheel hat gesagt: Die Nettoentlastung ist um ein Drittel höher als geplant. Die höhere Nettoentlastung ist aber nichts anderes
als das Nachgeben gegenüber dem großen Druck der
Wirtschafts- und Lobbyverbände. Dem hätten Sie standhalten müssen.
Auf die öffentlichen Haushalte hat all das verheerende Auswirkungen. Das wurde vorhin bereits angesprochen; die Antwort von Frau Scheel war unbefriedigend.
Auch wenn Sie Ihr Gesetz am 19. März durch den Bundesrat bringen werden, vermisse ich die Phalanx Ihrer
Landesfinanzminister, die in voller Stärke hinter Ihrem
Gesetzentwurf stehen.
({10})
Es werden weitere Löcher in den Haushalt gerissen.
Die Kommunen und die Länder werden belastet werden.
Herr Lafontaine, dazu muß ich Sie wirklich etwas fragen. Sie haben vorhin ebenso wie in der letzten Woche
gesagt, Sie wollen die Umverteilung. Warum ist Ihnen in
dieser Situation die Senkung des Spitzensteuersatzes 4
Milliarden DM wert? Die Frage sollten Sie hier beantworten. Solange Sie diese Frage nicht beantwortet haben, sind Ihre anderen Äußerungen nicht glaubwürdig.
Solange Sie hier kein klares Bekenntnis zu einer
wirklichen Umverteilung abgeben, wird es natürlich
weitere Spekulationen über die Mehrwertsteuererhöhung
geben. Eine solche Steuererhöhung aber würde bedeuten, daß doch nicht nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern nach dem Verbrauch besteuert wird,
und stellte im Endeffekt wiederum eine Belastung der
Familien und der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen dar.
Frau Kollegin,
denken Sie bitte daran, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.
Frau Präsidentin, ein letzter
Satz.
Über Haushaltseinsparungen werden Sie Ihr Ziel auch
nicht erreichen können, denn sie bedeuten zumeist auch
Einschränkungen von Dienstleistungen der öffentlichen
Hand für diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die darauf
angewiesen sind.
In diesem Sinne enthält sich die PDS zu diesem widersprüchlichen Gesetz der Stimme, um zu dokumentieren, daß Sie an bestimmten Punkten in die richtige
Richtung gehen, an anderen aber leider nicht.
Ich bedanke mich.
({0})
Zu einer Kurzintervention erhält jetzt der Abgeordnete Haupt das
Wort.
Frau Dr. Höll, ich war schon
erstaunt, daß Sie als Vertreterin einer Partei, die doch
angetreten ist, ostdeutsche Interessen zu vertreten, kein
Wort zu den Arbeitsplätzen in der ostdeutschen
Braunkohleindustrie gesagt haben.
Meine Damen und Herren, was sich so harmlos und
technokratisch „Abzinsungsgebot für Rückstellungen für
Sachleistungsverpflichtungen“ nennt, wäre im realen
Leben, wenn es heute so beschlossen würde, verheerend.
Darauf hat Herr Merz heute schon zu Recht hingewiesen. Manches wird klarer, wenn man es mit einem konkreten Beispiel belegt.
Ich komme aus einer Region, die durch Braunkohlebergbau geprägt ist, der Lausitz. Hier sind nach der
Wende im Fließbandverfahren Arbeitsplätze abgeschafft
worden. Von früher 70 000 Arbeitnehmern sind heute
nur noch 7 000 beschäftigt. Ich komme aus der damals
so genannten Energie- und Bergarbeiterstadt Hoyerswerda. Heute gibt es dort mit 28 Prozent die höchste Arbeitslosigkeit in Deutschland. Mit Blick darauf, daß die
Bürger jetzt erst richtig begreifen, was auf sie zukommt
und wie hier Arbeitsplätze vernichtet werden, bin ich
schon sehr verwundert darüber, daß der Staatsminister
für ostdeutsche Belange nicht vehement die Alarmglokken schrillen ließ.
({0})
Die Braunkohle hat als subventionsfreier Energieträger nach der Wende mühsam den Wettbewerb geschafft;
ich erinnere nur an die Stichworte Privatisierung und
Liberalisierung der Energiemärkte. Jetzt kommt ein Anschlag auf diese Industrie, der nichts anderes bedeutet,
als daß Arbeitsplätze verlorengehen werden. Ich sage
Ihnen, meine Damen und Herren: Rekultivierung im
Osten bedeutet nicht, daß nur die Landschaft schöner
wird. Vielmehr ist Rekultivierung die Voraussetzung dafür, daß überhaupt Strukturwandel stattfinden kann, und
der ist jetzt gefährdet. Das hat nichts mit Wirtschaftslobbyismus zu tun. Ich bin bekennender Lobbyist für
meine Region und für ostdeutsche Interessen.
({1})
Wenn die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen
Braunkohle in strukturschwachen Regionen so gefährdet
wird, dann werden weiterhin Arbeitsplätze vernichtet.
Als negativer Synergieeffekt stellt sich dann auch eine
Bedrohung des Mittelstandes ein. Diese Verrücktheit
gehört gebremst.
Wenn Sie schon dieses Steuerentlastungspaket nicht
ablehnen wollen, weil Sie nicht über Ihren Schatten
springen können, dann bitte ich Sie, vor allen Dingen die
Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Ländern, ganz
herzlich, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen,
der die Kohle aus diesem Abzinsungsgebot herausnimmt
und damit das Problem wenigstens entschärfen würde.
So lange darf keine Ruhe sein.
Danke.
({2})
Herr Kollege, man nimmt
in einer Kurzintervention ja auf etwas Bezug, was auch
gesagt wurde. Ich habe davon in der Tat nicht gesprochen, weil meine Redezeit begrenzt war. Ich versichere,
daß wir uns hinsichtlich Ihrer Ausführungen zur Braunkohle in Übereinstimmung befinden. Ich bedanke mich,
daß Sie mich hier ergänzt haben. Auch wird vielleicht
noch der Finanzminister aus Sachsen zu diesem Problem
etwas anmerken. Es wird Ihnen auch nicht entgangen
sein, daß ich in meiner Rede darzulegen versucht habe,
daß ich viele Maßnahmen, die im Steuerentlastungsgesetz enthalten sind, begrüße, aber auch sehr viele kritisiere. Allerdings konnte ich nicht das gesamte Spektrum
bedienen.
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Detlev von Larcher.
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Auch dieses Gesetz steht unter unserem Motto „Versprochen und gehalten“.
({0})
Ein Plebiszit über die Steuerreform sollte die Bundestagswahl werden. So wollte es Herr Dr. Helmut Kohl.
Bei diesem Plebiszit haben sich die Menschen für unsere
Steuerreform entschieden,
({1})
die Arbeitnehmer und Familien entlastet. Die SPD hat das
versprochen, jetzt lösen wir unser Versprechen ein. Eine
Arbeitnehmerfamilie mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Einkommen hat deshalb bereits in diesem
Jahr 1 200 DM mehr zur Verfügung; im Jahr 2002 wird
die Entlastung auf 2 700 DM ansteigen - versprochen und
gehalten!
Herr Merz, für Sie als Vertreter der CDU ist es typisch, daß Sie zwar immer über Großkonzerne und über
die Versicherungswirtschaft geredet haben, aber kein
Wort zu Familien, kein Wort zu Arbeitnehmern und kein
Wort zu Normalverdienern gesagt haben.
({2})
In den 16 Jahren der Regierung Kohl gab es immer
neue Steuergeschenke an Großunternehmen und Spitzenverdiener. Die mittelständische Wirtschaft, ganz besonders aber die Arbeitnehmer und die Familien mußten
dafür bluten. Die Steuerbelastung der Einkommen aus
Unternehmertätigkeit und Vermögen hat sich seit 1982
von 30 Prozent auf heute noch etwa 15 Prozent halbiert,
während die Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitnehmereinkommen im gleichen Zeitraum von 30 Prozent auf 37 Prozent gestiegen ist.
Wir haben den Entwurf für ein Steuerentlastungsgesetz
unmittelbar nach der Konstituierung des 14. Deutschen
Bundestages eingebracht und eingehend beraten. Er war
in 13 der bisher 21 Sitzungen des Finanzausschusses Beratungsgegenstand. Allein über den § 2 b EStG wurde in
zwei Sitzungen insgesamt fünf Stunden lang beraten. Wir
haben uns für die vielen komplizierten Einzelfragen bei
der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ausreichend
Zeit genommen. Die ursprünglich für zwei Tage geplante
Sachverständigenanhörung im Dezember wurde noch um
einen dritten Tag im Januar ergänzt, um alle Fragen angemessen behandeln zu können. Die Forderung der Oppositionsfraktionen nach einer weiteren Anhörung zum
Steuerentlastungsgesetz war deshalb unbegründet.
Aus gutem Grund gewährt unsere Geschäftsordnung
auch Minderheiten umfassende Rechte, wie zum Beispiel das Recht, eine Anhörung zu verlangen. Wir nehmen es aber nicht hin, wenn diese Minderheitenrechte
aus rein taktischen Gründen überstrapaziert werden sollen.
({3})
Anhörungen dienen der Einbeziehung von Sachverstand
von außen. Sie sind kein Mittel zur Verzögerung der
parlamentarischen Beratungen.
({4})
Sie, meine Damen und Herren von den C-Parteien
und der F.D.P., müssen Opposition noch lernen. Wie
schön wäre es, eine ernstzunehmende Opposition im Finanzausschuß zu haben.
({5})
Kein einziger inhaltlicher Änderungsantrag im Ausschuß, also dort, wo die Arbeit des Parlaments stattfindet! Dafür Geschäftsordnungsdebatten, Filibustern, Zeit
schinden, mit Obstruktion über die Zeit kommen, um
uns das Zeitfenster zuzumachen! Die PDS hat Ihnen dabei nach Kräften geholfen. Aber Sie sehen: Ihre Obstruktionsversuche sind erfolglos; beide Gesetze - Ökosteuer gestern und Steuerentlastungsgesetz heute - passieren pünktlich den Bundestag.
({6})
Anhörung heißt, Sachverstand von außen zu hören.
Wir haben uns in einigen Punkten davon überzeugen
lassen, daß der ursprüngliche Gesetzentwurf noch verbessert werden konnte. Wir nehmen begründete Einwände gerne auf.
({7})
Ich wundere mich ein bißchen, daß Sie dann mit einem
hämischen Unterton über Nachbesserungen reden. Würden wir nichts verändern, könnte man uns mit Recht
vorwerfen, wir wären beratungsresistent.
({8})
Also haben wir Konsequenzen aus der Anhörung dort
gezogen, wo es geboten war. Die Bereitschaft, etwas dazuzulernen, habe ich in der vergangenen Wahlperiode
bei Ihnen allerdings oft vermißt.
({9})
Wenn Sie jetzt über Änderungen reden, bei denen Sie
nicht durchsteigen, dann darf ich Sie vielleicht daran
erinnern, daß Sie 1994 das Einkommensteuergesetz
zwölfmal verändert haben. Zwölfmal in einem Jahr!
({10})
Zwei der Konsequenzen, die wir gezogen haben, will
ich ansprechen. Ein Ergebnis der Anhörung ist die
Neuformulierung zur Teilwertabschreibung. Mit der
jetzt gefundenen Regelung ist sichergestellt, daß dauerhafte Wertminderungen auch weiterhin steuerlich berücksichtigt werden können. Abschläge für saisonabhängige Waren im Einzelhandel sind damit weiterhin
möglich. Auch Buchhändler und Verlage können schwer
verkäufliche Bestände weiterhin niedriger bewerten.
({11})
Gleichzeitig wird mit der Beschränkung auf dauerhafte
Wertminderung und mit dem Wertaufholungsgebot aber
ausgeschlossen, daß völlig irreale Wertansätze in den
Steuerbilanzen auftauchen, beispielsweise daß das gegenwärtige niedrige Ölpreisniveau faktisch unbegrenzt
in die Zukunft fortgeschrieben werden kann.
Im übrigen, Herr Merz, Sie haben versucht, sich
Scheinkompetenz anzueignen.
({12})
Sie haben über das Wertaufholungsgebot gesprochen
und behauptet, Sie hätten das damals begrenzt. Sie
müßten nur auf Seite 33 der Vorschläge der Steuerreformkommission nachgucken; denn da steht: „Wertaufholung nach Teilwertabschreibung auf den höheren Teilwert ... ohne jede Begrenzung.“ In Ihrem Gesetzentwurf war ebenfalls keine zeitliche Begrenzung enthalten. Aber hier spielen Sie den großen Fachmann.
({13})
Eine weitere Änderung betrifft die Mindestbesteuerung. Sie war der Schwerpunkt der Angriffe vor allem
der Steuersparkünstler. Es gibt ab heute zwei Regelungen, die einander ergänzen und verhindern werden,
daß sich die Spitzenverdiener durch die Nutzung von
Steuerschlupflöchern weiterhin arm rechnen und ihre
Steuerlast auf Null senken.
Die in der vergangenen Woche im „Handelsblatt“
und anderen Blättern geschaltete ganzseitige Anzeige
gegen den neuen § 2 b verdeutlicht, wie richtig wir liegen. Die Branche hat erkannt, welche Vorteile für sie
künftig wegfallen, die der durchschnittliche Steuerzahler
bisher finanzieren mußte.
({14})
Dabei hatte der Initiator der Anzeige, der hinlänglich
bekannte „Markt-Intern“-Verlag, zwecks Vortäuschung
von - nicht vorhandener - Seriosität keine Skrupel, auch
Firmenlogos von Unternehmen zu verwenden, die von
der Anzeige nichts wußten. Der Vorstand der Westdeutschen Immobilienbank, dessen Fondsgesellschaft auch
als Unterzeichner genannt wird, hat sich in einem
Schreiben an alle Mitglieder des Finanzausschusses ausdrücklich von der Anzeigenaktion distanziert. Er hätte
weder vom äußeren Erscheinungsbild noch vom Inhalt
her eine Zustimmung erteilt. Das verdeutlicht um so
mehr, wie unglaubhaft diese Kampagne und wie richtig
unsere heutige Entscheidung ist.
({15})
Wie ist jetzt die Reaktion des „Markt-Intern“Verlags? Ich zitiere:
Der massive und konzentrierte Einsatz hat sich bereits jetzt gelohnt. Weihnachten ist zwar nicht in
den Sommer gefallen, aber Silvester auf den 4.
März. Bis zu diesem Tag ist jetzt Jahresendgeschäft. Flotte Initiatoren haben jetzt noch die Chance, bereits aufgelegte Fonds zu plazieren. Finanzdienstleister müssen die verbleibenden Tage unbedingt nutzen und ihren Kunden die letzten Steuersparmöglichkeiten eröffnen.
Wenn ich mir die Pressionsversuche der Steuersparkünstler vergegenwärtige, vor allem auch die Prospekte,
mit denen sie auf Kundenfang gehen - ich wollte eigentlich ein bißchen daraus vortragen; das lasse ich jetzt
aber -,
({16})
vor Augen halte, dann muß ich sagen: Es ist für viele
Deutsche offenbar wichtiger, Steuern zu sparen, als einen Orgasmus zu haben.
({17})
Der Sexualtrieb muß dem Steuerspartrieb den Platz eins
überlassen.
({18})
Aber ab morgen ist Schluß mit der Errichtung weiterer
Investitionsruinen, die vorrangig aus steuerlichen Gründen entstehen.
({19})
Ab morgen wird es in Deutschland eine neue Finanzierungskultur geben. Investitionen werden sich zukünftig
daran orientieren, ob sie wirtschaftlich sinnvoll sind, und
nicht an den erzielbaren Steuerersparnissen.
({20})
Die insgesamt günstigen Abschreibungen und damit die
günstigen Investitionsbedingungen des deutschen Steuerrechts bleiben allerdings erhalten.
Mit den Regelungen zum Verlustausgleich wird es
steuerlich unattraktiv, systematische Verluste in großem
Umfang zu erwirtschaften. Der Steuerzahler, über den
das „Handelsblatt“ vom 19. August 1997 berichtet, hätte
womöglich 76 Jahre gebraucht, um alle seine Verluste
auszugleichen. Dieser Steuerzahler, der - ich zitiere aus
dem „Handelsblatt“ - 1994 4,3 Millionen DM verdiente,
investierte 13,6 Millionen DM in eine Mietwohnanlage
in den neuen Bundesländern. Der daraus zugerechnete
Verlust von 6,1 Millionen DM senkte seine Einkommensteuer für dieses Jahr auf Null. Zudem erhielt er infolge eines Verlustrücktrages die für 1992 und 1993 gezahlten Steuern in vollem Umfang zurück. Da der Mann
im Veranlagungsjahr 1994 auch noch negative Einkünfte aus einer Schiffahrtsbeteiligung und von einer
Verlustzuweisungsgesellschaft von 1,5 Millionen DM
erzielte, kann er für die Folgejahre noch einen Verlustvortrag geltend machen, der seine Steuern entscheidend
mindern wird.
Ich finde, es ist eine gute Nachricht für Arbeitnehmer,
die ihre Lohnsteuer zwangsabgeführt bekommen, und
für alle ehrlichen Steuerzahler, daß wir diese schreiende
Ungerechtigkeit unseres Steuersystems beseitigen; denn
die Arbeitnehmer waren es doch, die die Gestaltungskünstler aushalten mußten.
Wir haben Ernst gemacht mit dem Prinzip Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und Senkung der
Steuersätze. Dieses Prinzip war ja schon in den letzten
Jahren ein Leitmotiv der Diskussion über die Steuerreform. Jetzt aber zeigt sich: Viele, die von diesem Prinzip
geredet haben, haben es ganz anders gemeint. Sie haben
nämlich gemeint: Tarifsenkung für mich, Verbreiterung
der Bemessungsgrundlage allenfalls für die anderen.
({21})
Nahezu jede einzelne Maßnahme zur Verbreiterung
der Bemessungsgrundlage in unserem Entwurf für ein
Steuerentlastungsgesetz ist jeweils von anderen Interessenten heftig angegriffen worden. Nahezu jede einzelne
Maßnahme wurde zum Dolchstoß hochstilisiert, der den
Untergang der gesamten deutschen Wirtschaft zur Folge
haben würde. Wenn ich hochrechne, was verschiedene
Unternehmen und Verbände angeblich an zusätzlichen
Belastungen zu erwarten haben - das will ich zu den
Interessenten sagen, Herr Solms -, dann komme ich
leicht auf mehrere hundert Milliarden DM. Herr Finanzminister, Sie könnten glücklich sein, denn dann
hätten Sie nie mehr Sorgen mit dem Haushalt.
({22})
Tatsächlich geht es hier aber um ein Gegenfinanzierungsvolumen von rund 30 Milliarden DM. Das sind
3,5 Prozent der empirisch feststellbaren Einkommen aus
Unternehmertätigkeit und -vermögen. Durch die deutliche Senkung des Körperschaftsteuersatzes und des Spitzensteuersatzes auf gewerbliche Einkünfte wird der
größte Teil an die Unternehmen zurückgegeben.
Ich kann gut verstehen, daß sich die Unternehmensverbände für ihre spezifischen Interessen einsetzen. Daß
wir im Verlauf der Beratungen ein Feedback aus der
Wirtschaft und der Bevölkerung erhalten, ist notwendig
für eine erfolgreiche Gesetzgebungsarbeit. Aber einige
schießen dabei doch weit über das Ziel hinaus. Deshalb
erwarte ich, daß diese Interessenvertreter verstehen, daß
wir nicht jedem Wehklagen nachgeben können.
({23})
Wenn man zweimal hinschaut und ein bißchen nachdenkt, stellt man fest: So dramatisch, wie es dargestellt
wird, wirken sich die Änderungen nicht aus. Die Versicherungsunternehmen wollen uns beispielsweise weismachen, durch einige Neuregelungen im Bereich der
Rückstellungsbildung müßten sie zukünftig mehr Steuern zahlen, als sie Gewinne erwirtschaften. Wer ein bißchen nachdenkt, weiß, daß dies bei einer Ertragsteuer
absurd ist.
Die Opposition behauptet wider besseres Wissen unter anderem auch, der Mittelstand sei Leidtragender.
({24})
Der Herr Finanzminister hat schon mit Blick auf das
Gutachten des Ifo-Instituts darauf hingewiesen, daß 3,5
Milliarden DM Mittelstandsentlastung in unserem Gesetzpaket enthalten sind. Sie können doch lesen!
Ich fasse zusammen: Mit dem Steuerentlastungsgesetz kommt endlich die längst überfällige Trendwende in
der Steuerpolitik.
({25})
Nachdem 16 Jahre lang Arbeitnehmer und Familien
immer stärker belastet wurden, werden sie jetzt deutlich
entlastet. Auch mittelständische Unternehmen können
sich freuen. Sie werden ebenfalls deutlich um über
3,5 Milliarden DM entlastet.
({26})
Großunternehmen und Spitzenverdiener werden endlich
wieder einen angemessen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten müssen.
Das Gesetz ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit und zur Besteuerung nach Leistungsfähigkeit.
({27})
Es verdient eine breite parlamentarische Mehrheit.
({28})
Daß die vereinigte Opposition aus CDU/CSU, F.D.P.
und PDS keinen konstruktiven Beitrag zu diesem wichtigen Gesetz geleistet hat
({29})
und ihm heute ihre Zustimmung verweigert, wird ihr
noch leid tun.
Die Koalition wird diesem Gesetz in zweiter und
dritter Lesung einmütig ihre Zustimmung geben.
({30})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Hansgeorg Hauser.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute abschließend zu beratende Gesetzentwurf
entspricht in seiner Entstehungsgeschichte und in der
nachfolgenden Behandlung voll den chaotischen und
dilettantischen Vorgehensweisen dieser rotgrünen Regierungstruppe.
({0})
Es begann, lieber Herr Minister, mit einer geheimen
Kommandosache bei Ihnen in der Baracke, wo eine
kleine Gruppe eine Reihe von Veränderungen ausgearbeitet hat. Ich habe den Eindruck, daß dort Ärgernisse
aus den Betriebsprüfungen der Finanzverwaltung aufgelistet wurden. Danach trat ein Verschönerungsverein
auf, der die Änderungen mit wohlklingenden Zielvorstellungen verpackte, die aber mit dem Inhalt des Gesetzentwurfs überhaupt nichts zu tun hatten. Anschließend traten die Strategen auf den Plan, die das Gesetz in
Vorschaltgesetze und Hauptteil gliederten, um bestimmte Wohltaten noch als Weihnachtsgeschenk verteilen zu können. Als nächstes mußte die Reparaturabteilung antreten, die zu einem Runderneuerungsschlag
ausholte, weil der Entwurf in den Anhörungen verrissen
wurde.
({1})
Sie legte mehrere Pakete Änderungsumdrucke mit mehreren hundert Seiten vor, die durch Tischvorlagen mit
neuen Änderungen der geänderten Änderungen ergänzt
wurden.
({2})
Zwischendurch hielten verschiedene Beschwichtigungskünstler, angefangen beim Kanzler über den Finanzminister bis hin zur Vorsitzenden des Finanzausschusses
und zu anderen Kollegen, die aufgebrachte Wirtschaft
und das staunende Volk mit großzügigen Beteuerungen
bei Laune, daß doch alles nachgebessert werde und sie
im übrigen nur das Beste wollten.
Das letzte Beispiel dafür haben wir gestern erlebt, als
man der Versicherungsbranche zugesichert hat, daß
man möglicherweise Korrekturen anbringen werde und
sich auf die Belastungen beschränken werde, die das
Ministerium ausgewiesen hat. Was ist das für eine Gesetzgebung, in deren Rahmen einzelne Branchen Entlastungen noch mit dem Ministerium aushandeln und versprochen bekommen? - Jeder muß sich offensichtlich
seine ihn betreffenden gesetzlichen Bestimmungen selber abholen. Im Gesetz steht davon nichts. Deswegen
bringen wir dazu einen Änderungsantrag ein, im dem es
klipp und klar heißt:
Rückstellungen für Geldleistungsverpflichtungen
sind nach der Maßgabe des § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes abzuzinsen.
Das ist eine gesetzliche Grundlage und kein leeres
Versprechen des Kanzlers.
({3})
Der Kollege Müller von den Grünen spricht von
einem lernenden Gesetzgeber. Ich stelle fest: Trotz
„learning by doing“ war alles vergebens.
({4})
Herr Kollege,
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Scheel?
Ja, bitte.
Herr Hauser, ich habe eine ganz kurze Frage. Auch Sie
haben jetzt wieder die Versicherungswirtschaft angesprochen. Ich erinnere mich gut an den Gesetzentwurf
der alten Regierung, den Sie damals als Staatssekretär
mitgetragen haben. Auch damals ging es darum, daß
man die Rückstellungen in der Versicherungswirtschaft
realitätsnäher bewerten wollte. Es war damals ein FiDetlev von Larcher
nanzvolumen von 2,8 Milliarden DM angesetzt. Wir haben jetzt ein Finanzvolumen von insgesamt 3 Milliarden
DM vorgesehen. Haben Sie nicht den Eindruck, daß es
etwas eigenartig ist, daß die Versicherungsbranche damals geschwiegen hat und heute, wenn es im Prinzip um
das gleiche Ziel geht, bei der rotgrünen Regierung aufschreit?
({0})
Liebe Frau Kollegin Scheel, ich bin Ihnen sehr dankbar,
daß Sie danch fragen. Das gibt mir nämlich die Gelegenheit dazu, darzustellen, daß auch wir mit den Vertretern der Versicherungswirtschaft diskutiert haben.
Das ist durchaus richtig. Es gab auch bei uns Vorstellungen darüber, wie die Rückstellungen eingeschränkt
werden sollten. Sie haben die Größenordnungen erwähnt: Laut Ihrer jetzigen Aussage beträgt die Höhe der
Rückstellungen 8,75 Milliarden DM. Die Versicherungswirtschaft ist bei ihren Berechnungen von 14 Milliarden DM ausgegangen, nachdem ein Teil herausgenommen worden war. Die Versicherungswirtschaft hatte
damals eine Anzeige geschaltet. Aber wir hatten nach
Gesprächen und v o r Verabschiedung des Gesetzentwurfes verschiedene Korrekturen angebracht. Deswegen
gab es nur noch eine geringfügige Belastung der Versicherungswirtschaft. Wenn Sie sich erinnern: Die Versicherungswirtschaft hat dem Finanzminister zugebilligt,
daß sie eine Größenordnung von 6 bis 7 Milliarden DM
mittragen würde.
({0})
- Lieber Herr Schösser, die Versicherungswirtschaft hat
erklärt, daß sie diese Größenordnung mittragen werde.
Sie sollten sich Ihre Zwischenrufe sparen. Sie sollten Ihre Kraft lieber im Finanzausschuß einsetzen. Dort können Sie etwas dazu sagen. Sie geben sonst den Verbänden nur leere Versprechungen und Zusicherungen und
tun im Finanzausschuß nichts, aber auch gar nichts.
Frau Scheel, Tatsache bleibt, daß die Versicherungswirtschaft in einem erheblichen Ausmaß weiterhin belastet wird. Jetzt hat der Kanzler zugesichert, daß es eine
Überprüfung geben wird und daß möglicherweise eine
Korrektur vorgenommen wird. Das ist kein Gesetzgebungsverfahren. Deshalb werden wir diesen Antrag einbringen. Das, wovon ich gesprochen habe, muß im Gesetz enthalten sein, damit entsprechende Planungssicherheit entsteht.
Das - ich zitiere - „schaurige Kabinettsstück“ ist
nicht nur „peinlich“, wie es die „Hannoversche Allgemeine“ bezeichnet, sondern ein katastrophales Armutszeugnis der Gesetzgebung. Im Finanzausschuß herrschten streckenweise Ratlosigkeit und fehlender Durchblick. Ich habe volles Verständnis für junge Kollegen
aus der SPD-Fraktion, die sich bitter über die Arbeit der
Regierung beklagten. Ich zitiere:
Die Fraktion durfte in den letzten Wochen viele
Entscheidungen nur noch absegnen. Diskussionen
sind nicht in Gesetzentwürfe eingeflossen. Mit des
Kanzlers Worten war alles entschieden.
Des weiteren wird der Kollege Schneider im „Express“
zitiert:
Ich bin nicht dazu gewählt worden, in der Fraktion
alles abzunicken.
Im Ausschuß hatte man auf seiten der Koalitionsfraktionen offenbar Höllenangst, nochmals Experten zu
den Änderungen und Neuerungen des Entwurfs zu hören. Der umfassende Totalverriß der ersten Anhörung
steckte ihnen noch zu tief in den Knochen. Während der
Beratungen - auch das ist bezeichnend - beteiligten sich
die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den
Grünen kaum an Diskussionen und Nachfragen. Erläuterungen waren offensichtlich nicht erwünscht, so daß nur
noch eines blieb: Augen zu und durch;
({1})
Zustimmung zu dem traurigsten Kapitel der deutschen
Steuergesetzgebung.
({2})
Das Durchpeitschen im Finanzausschuß hat einen
wesentlichen Grund:
({3})
Der Bundesratstermin am 19. März muß mit aller Gewalt erreicht werden, damit die Stimmen Hessens nicht
verlorengehen.
({4})
Eine abgehalfterte rotgrüne Landesregierung mit einem
wortbrüchigen abgewählten Ministerpräsidenten entscheidet über dramatische Belastungen für die Wirtschaft. Das ist ein miserabler, skandalöser Stil.
({5})
Das, was wir heute beschließen, müßten die Steuerpflichtigen eigentlich schon seit dem 1. Januar dieses
Jahres anwenden. Daraus wird ersichtlich, daß Unternehmer und private Investoren seit Monaten im unklaren
sind. Eine besonders unrühmliche Attacke gegen die
Planungssicherheit nennt dies der Bonner Steuerrechtler
Professor Seer. Er sagt:
Es entspricht elementaren Geboten der Rechtsstaatlichkeit, daß Gesetze für Normadressaten
nachvollziehbar, voraussehbar und berechenbar
sein müßten.
Er stellt fest, daß die technische Verkomplizierung und
der Verlust des Rechtsgedankens in diesem „Werk“ einen neuen Höhepunkt erreiche. Er hofft, daß das Steuerentlastungsgesetz dem Bundesverfassungsgericht die
Gelegenheit gebe, seine Rechtsprechung zur Rückwirkung von Steuergesetzen erneut zu reflektieren und zu
präzisieren.
Insbesondere da die Gesetzentwürfe permanent geändert wurden und auch die Ankündigungen der Bundesregierung, eine wichtige Voraussetzung für den Vertrauensschutz, nicht verläßlich waren, ist dieser VertrauChristine Scheel
ensschutz nicht mehr gewährt. Es ist zu erwarten, daß
nicht nur diese Rückwirkung verfassungsrechtlich problematisiert wird, sondern daß dieses Gesetz auch insgesamt, wie Seer sagt, „ein Fall für das Bundesverfassungsgericht“ wird.
({6})
Die Ziele sind eklatant verfehlt worden. Sie versprechen mehr Arbeitsplätze, mehr Vereinfachungen, mehr
Entlastungen und mehr Gerechtigkeit. Das erste Ziel ist
schon im Ansatz verkehrt formuliert. Nicht die Belebung der Nachfrage und die Stärkung der Massenkaufkraft, sondern die Verbesserung der Investitionskraft der
Unternehmen schafft mehr Wachstum und Beschäftigung und damit neue Arbeitsplätze. Durch die Belastungen der Wirtschaft, wie sie von diesem Gesetz
ausgehen, wird jedoch nach übereinstimmender Aussage
der Experten kein neuer Arbeitsplatz geschaffen werden;
({7})
vielmehr werden die düsteren Prognosen über den Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen sehr
schnell Realität werden.
({8})
Die Frühjahrsumfrage des DIHT hat bestätigt, daß
nicht nur die Wachstumsschwächen auf Exportmärkten
das Konjunkturklima eintrüben, sondern daß insbesondere die rotgrüne Finanz- und Wirtschaftspolitik zu drastischen Wachstumseinbrüchen führt.
Besonders negativ werden sich die veränderten Vorschriften bei der Teilwertabschreibung und bei den
Rückstellungen auswirken. Auch wenn die Teilwertabschreibung, wie schon ausgeführt worden ist, nicht
komplett abgeschafft wird, so wird doch der Nachweis
einer dauernden Wertminderung, insbesondere im Umlaufvermögen, das nicht auf Dauer dem Betriebsvermögen dienen soll, erheblich erschwert. Deswegen wird es
neue Streitereien mit den Betriebsprüfern geben.
({9})
Im übrigen darf ich noch einmal darauf hinweisen,
daß hier Scheingewinne besteuert werden. Das wird
neue Schwierigkeiten bei der Kreditvergabe geben. Damit zahlen die kleinen und mittleren Unternehmen die
Zeche dieser Maßnahmen.
Es ist hier gesagt worden, daß auch in unserem Steueränderungsgesetz das Wertaufholungsgebot gestanden
hätte.
({10})
- Das ist richtig; das haben Sie vollkommen richtig vorgelesen. Der kluge Rechtsfreund liest aber auch Abs. 2.
Da steht klipp und klar, daß wir es nicht rückwärts gerichtet, sondern vorwärts gerichtet einführen wollten.
Das war der entscheidende Punkt dabei.
({11})
- Natürlich ist das so gemacht worden. - Wir haben darüber lange Diskussionen geführt. Aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen wollten wir es nur nach vorne gerichtet angewendet wissen.
Meine Damen und Herren, über die Probleme der
Versicherungs- und Energiewirtschaft ist genügend geredet worden, auch über die Probleme im Bereich der
Braunkohle. Es ist mir unverständlich, daß angesichts
der drohenden Schwächung der Unternehmen und des
damit einhergehenden Arbeitsplatzabbaus unsere Warnungen im Finanzausschuß von den Kollegen aus der
Regierungskoalition mit Gelächter zur Kenntnis genommen wurden. Sie rufen ja auch jetzt wieder: „Kassandra, Kassandra!“ Auch hier zeigt es sich, daß Sie
nicht das nötige Verantwortungsbewußtsein haben,
wenn es um die Sicherheit der Arbeitsplätze geht.
({12})
Den Arbeitslosen in diesem Land wird mit diesem
Gesetz die Hoffnung genommen, daß sie bald wieder
einen Arbeitsplatz finden.
({13})
Die kostspieligen Tariferhöhungen tun hier leider ein
übriges. Auch das muß man hier am Rande einmal erwähnen.
Sie, Herr Minister, sprachen von Fondsbeteiligungen. Die Einfügung des § 2b ist das besondere Glanzstück Ihrer Arbeit. In der Hoffnung, die Abschreibungsbranche zu treffen, wird mit diesem neuen Paragraphen
ein Kahlschlag im Bereich der bisher steuerbegünstigten
Investitionen beispielsweise bei Immobilienfonds, bei
der Finanzierung von Filmen - Herr Naumann hört da
geflissentlich weg -, bei alternativen Energieanlagen
oder auch bei venture-capital vorgenommen. Dieser
Monsterparagraph 2b ist ein Musterbeispiel für eine miserable Formulierungsarbeit und für eine unglaubliche
Verkomplizierung. In Verbindung mit der neu eingeführten Verlustverrechnung ist er kaum administrabel.
Wenn mir mehr als zwei Leute aus Ihrer Fraktion erklären können, wie diese Verlustverrechnung funktioniert,
gebe ich gerne einen aus. Das werden Sie mit Sicherheit
nicht können.
({14})
Meine Damen und Herren, mit den Zuschriften, in
denen die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe in diesen
neuen Paragraphen und das vollkommene Fehlen der
Rechtsbestimmtheit, die für jedes Gesetz erforderlich ist,
kritisiert werden, kann ich nur sagen: Hier werden zwar
die Möglichkeiten für Abschreibungskünstler abgeschafft, aber durch Ihre verklausulierten Bestimmungen
sind jetzt die Beschreibungskünstler gefordert. Mein
Spruch, daß ein Geschäft nur dann ein Geschäft ist,
wenn man dem Finanzamt beigebracht hat, daß es kein
Geschäft war, muß jetzt dahin gehend abgewandelt werden, daß es nur dann ein Geschäft ist, wenn man dem
Finanzamt beigebracht hat, daß es möglicherweise kein
Geschäft war. Ganz zum Schluß muß dann im Prospekt
stehen: Es könnten auch irgendwo Verluste entstehen. Hansgeorg Hauser ({15})
Wenn ich diese Kunst des Neuformulierens so beherrsche, bin ich wieder der König.
Das Thema Schachteldividende ist hier angesprochen worden. Auch hier wird es mit Sicherheit Klagen
geben. Die jetzigen Formulierungen entsprechen nicht
der EG-Mutter-/Tochter-Richtlinie. Hier steht klipp und
klar nur etwas von einem wahlweise anzusetzenden Pauschalbetrag von 5 Prozent für typischerweise anfallende
Verwaltungskosten; von Finanzierungskosten ist keine
Rede. Wenn Sie jetzt 15 Prozent ansetzen, heißt das, daß
ein Unternehmen, das beispielsweise keine Finanzierungskosten hat, zu hoch besteuert wird. Das ist verfassungswidrig und entspricht nicht der EG-Richtlinie. Es
gibt nur drei Länder, die dieses Wahlrecht anwenden.
Sie bestrafen die deutschen Unternehmen, indem Sie mit
dieser Formulierung ein wettbewerbsverzerrendes Element einführen.
Es könnte natürlich auch sein, daß Sie den Großkonzernen damit den Kampf angekündigt haben. Das wäre
dann ein Geschenk an Ihre neuen Freunde von der PDS,
an die Sie sich anbiedern wollen.
({16})
Im großen und ganzen werden Sie daran keine Freude
haben.
({17})
Es gäbe noch vieles zu sagen, zum Beispiel zu den
Veräußerungsgewinnen, bei denen Sie die kleinen
Handwerker, Freiberufler oder Versicherungsvertreter von denen haben wir sehr viele Briefe bekommen - bestrafen, indem der halbe Steuersatz wegfällt.
({18})
Außerdem fallen eine ganze Reihe anderer Dinge weg.
Lieber Herr Finanzminister, die Familien und die
Arbeitnehmer müssen verdammt viel Geduld aufbringen, um die Entlastungen zu bekommen, die Sie immer
versprechen. Sie werden es erleben: Bis zum Jahr 2002
wird - gestern haben Sie mit der Einführung der Ökosteuer schon damit begonnen - längst an anderen Stellen
alles wieder einkassiert sein. Ihre halbherzigen Dementis
bei den Diskussionen um die Mehrwertsteuererhöhung sprechen doch eigentlich Bände. Es ist längst vorgesehen und geplant, daß Sie hier neue Belastungen
schaffen werden. Damit bezahlen die Arbeitnehmer und
die Familien das, was Sie mit diesem Gesetz hier anrichten.
({19})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Klaus Müller.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Solms hat vorhin zu Beginn
seines Beitrages die „FAZ“ zitiert. Ich würde gerne
Herrn Michelbach auf seine doch sehr harten Vorwürfe
wie „Arbeitsplatzvernichtungsprogramm“ etc. mit dem
„Handelsblatt“ antworten.
({0})
Das „Handelsblatt“ - unverdächtig, von Rotgrün bestochen zu sein - schreibt heute in der Überschrift: „Mittelstand ist der Gewinner des Steuerreform-Hickhacks“.
({1})
Weiter heißt es:
Die Sieger des Hickhacks der letzten Wochen über
die Gegenfinanzierung des Steuerentlastungsgesetzes ... sind die mittleren und kleinen Unternehmen.
({2})
Ich finde, wenn man hier mit dem Stakkato auf eine
Steuerreform einprügelt, wie es Herr Michelbach getan
hat, sollte man noch einmal genau nachlesen, was andere Berufene sagen.
Auch in dem Artikel in der „FAZ“, den Herr Solms
zitiert hat, kann man, wenn man ihn weiterliest, feststellen, daß es dort, in etwas verhaltenem, „FAZ“typischem Stil, heißt:
Hoffnung machen kann sich - allerdings mit großen Fragezeichen - die haben wir heute, glaube ich, ausgeräumt auch der Mittelstand.
Das heißt, selbst von der „FAZ“ und vom „Handelsblatt“, zwei doch nicht ganz unwichtigen Publikationen,
wird der rotgrünen Koalition beschieden, daß zumindest
der Mittelstand nicht das Opfer ist, sondern eher zu den
Profiteuren dieser Steuerreform gehört.
({3})
Wie heißt es so schön: Tue Gutes und rede darüber.
Der Grundfreibetrag steigt auf 14 000 DM. Wir senken
den Eingangssteuersatz auf unter 20 Prozent. Wir senken den Spitzensteuersatz auf 48,5 Prozent. Wir senken
den Körperschaftsteuersatz auf 40 Prozent, sogar rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres. Wir senken den
Steuersatz auf gewerbliche Einkünfte auf 43 Prozent.
Gestern haben wir die Senkung der Lohnnebenkosten
um 0,8 Prozentpunkte beschlossen. Am Ende der Legislaturperiode - zum nächsten Wahlkampf mit Ihnen werden die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent liegen.
Wir haben eine Unternehmensteuerbelastung von 35
Prozent angekündigt. Auch dies werden wir halten, genauso, wie wir auch unsere Versprechen bezüglich der
Ökosteuer und des vorliegenden Steuerentlastungsgesetzes halten werden.
Unser Konzept mit einer Nettoentlastung von 20,5
Milliarden DM ist sicherlich hart an der Grenze dessen,
was die öffentlichen Haushalte vertragen können. Ich
Hansgeorg Hauser ({4})
sehe auch, daß wir in den Haushaltsberatungen in den
nächsten Jahren schwer daran zu arbeiten haben werden.
Trotzdem ist dieses Konzept immer noch wesentlich
realistischer als das, was Sie uns als Alternative präsentieren: eine Nettoentlastung von 30 Milliarden DM, in
Wirklichkeit von 45 Milliarden DM, verschämt versteckt durch eine Mehrwertsteuererhöhung.
Herr Hauser und alle anderen, die heute immer wieder versucht haben, uns mit der Mehrwertsteuer vorzuführen: Die einzigen, die schwarz auf weiß etwas zu indirekten Steuern geschrieben haben, waren Sie in Ihrem
Steuergesetz der Petersberger Beschlüsse in der letzten
Legislaturperiode. Ansonsten finden Sie nirgendwo, weder bei den Grünen noch bei der SPD, noch beim Bundesfinanzminister, irgend etwas zum Thema Mehrwertsteuererhöhung.
Wir haben in unserem Gesetzentwurf die Ziele Verbesserung von Wachstum und Beschäftigung, Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie
der Familien, Steuergerechtigkeit und -vereinfachung
niedergeschrieben.
({5})
Dazu ist heute schon viel gesagt worden. Es ist Ihr gutes
Recht, uns zu kritisieren und zu behaupten, daß diese
Ziele nicht umgesetzt werden.
Trotzdem, so glaube ich, erreichen wir durch die vorgesehene Senkung der Steuersätze einen Impuls, auch
wenn wir uns eine stärkere Absenkung gewünscht hätten. Das ist gar keine Frage. Wir erreichen damit eine
Entlastung der Familien, und zwar konkret durch die
Erhöhung des Kindergeldes, die Sie immer belächelt haben. Wir erreichen eine höhere Steuergerechtigkeit dadurch, daß wir nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip besteuern.
({6})
Dadurch, daß wir zahlreiche Vergünstigungen streichen
und so eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage erzielen, gehen wir einen Schritt in Richtung Steuergerechtigkeit und -vereinfachung.
Ich bin mit Ihnen einig, daß wir uns da mehr gewünscht hätten. Ich glaube, das hätten sich alle Abgeordneten im Finanzausschuß gewünscht. Aber es ist
festzustellen: Von Ihnen ist während der Ausschußberatungen kein einziger Änderungsantrag eingebracht
worden. An keinem einzigen Punkt haben Sie gesagt: Da
könnten Sie im Bereich der Gegenfinanzierung und zur
Senkung der Steuersätze weitergehen. - Ich muß mich
jetzt allerdings ein Stück weit korrigieren - seit eben gilt
meine Bemerkung nicht mehr -: Ich habe um 11.25 Uhr
den ersten Änderungsantrag der Opposition erhalten.
({7})
Das ist Ihre „konstruktive Mitarbeit“ an den laufenden
Beratungen des Bundestages. Immerhin war das der
letztmögliche Zeitpunkt; das sei Ihnen eingestanden. Ich
finde, ein einziger Änderungsantrag ist für eine ernsthafte Beratung angesichts eines so wichtigen Themas
etwas wenig.
({8})
Jetzt können Sie natürlich sagen: Es gibt ja noch
mehr von uns. Das ist richtig. Es liegen mehrere Entschließungsanträge der CDU/CSU-Fraktion und der
F.D.P.-Fraktion vor, die letztendlich extrem rückwärtsgewandt sind. Denn der Gehalt dieser Entschließungsanträge besagt nichts anderes als das: Wir verweisen
noch einmal auf das, was wir in der letzten Legislaturperiode eingebracht haben. Das haben Sie ja im Wahlkampf verschämt relativiert, als Ihre Kollegin Nolte versehentlich ausgeplaudert hat, was die Fußnote in Ihrem
Gesetzentwurf tatsächlich bedeutete. Ich stelle nur fest:
Mehrwertsteuererhöhung.
Auch die PDS macht in ihrem Entschließungsantrag
- immerhin haben Sie einen etwas ausführlicheren Antrag zustande gebracht - keine konkreten Vorschläge,
was wir zur weiteren Senkung von Steuersätzen und zur
Verbreiterung der Bemessungsgrundlage tun können.
({9})
Herr Hauser, Sie haben vom „lernenden Gesetzgeber“
gesprochen. Sie haben das ein Stück weit hämisch gemeint. Ich gebe zu: Ich bin sehr stolz darauf, daß sich
die Koalitionsfraktionen in diesem Beratungsverfahren
viele Expertisen zu eigen gemacht haben. Ich danke
ausdrücklich all den Vertreterinnen und Vertretern der
Verbände, der Wirtschaft, der Institute und der Wissenschaft, die uns in den Verfahren beraten und uns Briefe
geschrieben haben. Ich glaube, die deutschen Telefongesellschaften haben an den zahlreichen Faxen, die uns in
den vergangenen Monaten geschickt wurden, viel verdient.
Es ist richtig, daß es notwendig ist, Gesetzentwürfe
im Laufe des Beratungsverfahrens zu korrigieren. Nur,
Herr Solms, uns an dieser Stelle „Versuch und Irrtum“
zu unterstellen, dazu kann ich nur sagen: In der letzten
Legislaturperiode hat es zahlreiche Jahressteuergesetze
gegeben. Für mich klingt das, was Sie uns jetzt vorwerfen, eindeutig nach dem Prinzip Versuch und Irrtum.
({10})
- Das, was Sie hier immer wieder hochhalten, sind jede
Menge sehr dünn beschriebene Seiten. Also wedeln Sie
nicht mit viel Papier. Das ist etwas billig.
({11})
Ich will zum Schluß versuchen, auf den Vorwurf einzugehen, die Steuergesetze der neuen Mehrheit hätten
keine Leitidee und seien nicht miteinander verknüpft. Es
ist sicherlich richtig: Man könnte sich wünschen, daß
alle großen Reformvorhaben dieses Jahres - die EinKlaus Wolfgang Müller ({12})
kommensteuerreform, die Einführung der Ökosteuer, die
Entlastung der Familien und die Reform der Unternehmensteuern - in einem großen Wurf durchgeführt würden. Wir tun das nacheinander, Schritt für Schritt, weil
wir sagen: Wir wollen den Finanzausschuß nicht überfordern. Wir wollen hier im Bundestag jeden Schritt
sorgfältig und einzeln beraten.
({13})
Trotzdem gibt es zwei Leitideen in bezug auf diese
Steuerreform. Es gibt einmal die Leitidee, daß sich das
Netto dem Brutto annähern muß. Wir wollen, daß die
versteckte Belastung der Arbeitseinkommen durch die
Lohnnebenkosten
({14})
gesenkt wird, und wollen zu einer ehrlichen Finanzierung, einer Finanzierung durch Steuern, kommen. Die
gestrige Verabschiedung der Ökosteuer war der erste
Schritt dahin; die zweite und die dritte Stufe folgen im
Laufe des Jahres. Das, was die Menschen verdienen, soll
ihnen tatsächlich ausgezahlt werden. Wir wollen keine
Finanzierung, die sehr regressiv wirkt, zum Beispiel eine
Finanzierung durch hohe Lohnnebenkosten. - Wichtig
also ist: Das Netto muß dem Brutto angenähert werden.
({15})
Die zweite Leitidee, die dahinter steckt, ist, die reale
Steuerbelastung der nominalen anzunähern. Wir wollen
keine Scheindebatten mehr führen müssen über zu hohe
Steuersätze; denn dies hat nichts mit der Realität zu tun,
zum Beispiel weil es Bilanzierungsvorschriften gibt.
- Wir wollen die reale Steuerbelastung der nominalen
annähern. Das ist wichtig für die Steuermoral, für die
Steuergerechtigkeit und für die Transparenz.
Abschließend möchte ich sagen: Die Oppositionsfraktionen haben viel geredet, im Finanzausschuß und
heute im Bundestag. Gehandelt und etwas gebacken bekommen haben sie nicht. Das tut heute Rotgrün. Ich finde, das ist eine gute Leistung.
Vielen Dank.
({16})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Carl-Ludwig Thiele.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, selten hat eine neue Bundesregierung
nach gut vier Monaten Amtszeit den Vertrauensvorschuß, den sie vom Wähler erhalten hat, so verspielt wie
diese Regierung, geführt vom nicht anwesenden Bundeskanzler und vom Finanzminister.
({0})
Das Vertrauen in die Zukunft - das sollte das Entscheidende sein - ist mit diesen Gesetzentwürfen überhaupt
nicht zu erreichen. Ich bin auch erstaunt darüber, wie defensiv, wie müde und mühsam die Koalition dieses Gesetz verteidigt. Sie selbst wissen nämlich, daß mit diesem Gesetz keine guten Effekte zu erzielen sind, da der
Grundansatz Ihrer steuerpolitischen Konzeption falsch
ist.
({1})
Sie haben sich immerhin etwas Schönes einfallen lassen, nämlich den Titel „Steuerentlastungsgesetz“. Damit
verbrämen Sie, daß es in Wirklichkeit ein reines Steuerbelastungsgesetz für die Steuerpflichtigen und die
Wirtschaft in unserem Land ist.
({2})
Wer sich das Finanztableau anschaut - wir diskutieren
und stimmen heute nämlich nicht über die gesamte
Steuerreform ab; den ersten und zweiten Beschluß im
Zuge der Atomisierung dieses Steuergesetzes haben wir
schon erlebt - und feststellt, daß mit diesem Gesetz, das
heute beschlossen werden soll, Bürger und Wirtschaft in
diesem Jahr mit 8,5 Milliarden DM, im nächsten Jahr
mit 6,6 Milliarden DM und im Jahr 2001 mit 13 Milliarden DM mehr belastet werden, der kann doch nicht im
Ernst behaupten, dadurch würden Wachstum und neue
Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland entstehen,
dadurch werde der Aufschwung kommen, den wir alle
dringend erwarten.
({3})
Die Frühjahrsprognose des Deutschen Industrie- und
Handelstages, daß das Wachstum in diesem Jahr auf
1,5 Prozent zurückgehe, ist doch schon Folge dieser
Politik. Das Vertrauen schwindet. Die Leute wissen
auch nach der heutigen Bundestagssitzung nicht, ob das
Gesetz, das heute vom Bundestag beschlossen wird, tatsächlich Bestand hat. Einige haben nämlich den Glauben
noch nicht aufgegeben, daß der eine oder andere Ministerpräsident - vielleicht aus den neuen Ländern - die
Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Arbeitsplätze in
den neuen Bundesländern überprüft und erkennt, daß er
diesem Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen kann,
wenn er nicht in seinem Land die Verantwortung für zusätzliche Arbeitslose, die es dann geben wird, übernehmen will.
({4})
Wir wissen, daß Sie Ihre Mehrheit durch Ministerpräsident Eichel noch nutzen wollen. Ein Minimum an Sachverstand und an Verantwortung der Ministerpräsidenten
aber sollte in diesem Verfahren noch erwartet werden
können.
Klaus Wolfgang Müller ({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Zielgruppe
der SPD im Bundestagswahlkampf war die Neue Mitte.
Jetzt machen Sie die Neue Mitte zur Zielscheibe.
({6})
Alle Versuche, die Sie unternehmen, um die Gegenfinanzierung zu erläutern, sind Angriffe gegen die Wirtschaft. Ich nenne jetzt einmal - ganz grob - die Entlastungen: Da ist einmal das Kindergeld mit einer Entlastung von 7 Milliarden DM pro Jahr. Ferner - das war
die zweite Beschlußempfehlung - gibt es Entlastungen,
weil die Unternehmen die Alterserwartung der Bevölkerung dadurch stärker berücksichtigen, daß sie verstärkt
Rückstellungen bilden; das ist eine Größenordnung von
8,8 Milliarden DM. Das alles wird gegenfinanziert. Ich
glaube, das Wort „Gegenfinanzierung“ wird das Unwort
des Jahres. Die Bürger wollen keine Gegenfinanzierung.
Sie wollen endlich eine Entlastung.
({7})
Es gibt eine jährliche Steigerung der Steuereinnahmen um 5 Prozent, in diesem Jahr knapp 40 Milliarden DM, in den Folgejahren auch etwa 40 Milliarden
DM. Dieses Geld will der Staat alles kassieren - auch
das Geld, das durch die heimliche Steuererhöhung durch
den Progressionseffekt hereinkommt -, um es für die
Einlösung von Wahlversprechen auszugeben. Das kann
nicht der richtige Weg sein. Wir sind der Auffassung:
Weniger Staat bewirkt mehr bei den Bürgern, bewirkt
mehr für die Wirtschaft. Ein Senken der Staatsquote
bringt zusätzliche Arbeitsplätze. Eine Erhöhung der
Staatsquote, wie das die neue Regierung unter Umverteilungsgesichtspunkten betreibt, bringt keine zusätzlichen Arbeitsplätze.
({8})
Ich möchte auch einen weiteren Punkt hier deutlich
darstellen. Sie feiern es immer als soziale Gerechtigkeit,
daß das Kindergeld von 220 DM auf 250 DM erhöht
worden ist. Wir begrüßen das; wir begrüßen allerdings
nicht die von Ihnen gewählte Gegenfinanzierung. Deshalb haben wir dagegen gestimmt. Sie haben die Kindergelderhöhung zu einem Teil dieses Gesetzes gemacht, was dazu führt, daß die Wirtschaft dieses zu bezahlen hat.
Herr Finanzminister, an folgendes darf ich Sie vielleicht auch noch erinnern - Frau Staatssekretärin
Hendricks hat mir das in einer Antwort auf eine Anfrage
von mir auch bestätigt -: 1996 ist der Familienleistungsausgleich von der CDU/CSU-F.D.P.-Koalition nach dem
von der F.D.P. vorgelegten Modell geändert worden.
Das Kindergeld ist 1996 von 70 auf 200 DM erhöht
worden; 1998 ist es auf 220 DM angehoben worden. Ich
glaube, das war die richtige Politik. Wenn Sie sagen, das
sei soziale Kälte, dann möchte ich Sie bitten, die einschlägigen Stellen Ihres Textes einmal umzuschreiben.
({9})
Diese Maßnahmen, Herr Finanzminister, haben dazu
geführt - das sind die Zahlen, die mir Frau Staatssekretärin Hendricks zur Verfügung gestellt hat -, daß durch
die Freistellung des Existenzminimums, durch die Freistellung des Kinderexistenzminimums und die Erhöhung
des Kindergeldes, die Steuerpflichtigen und Familien in
diesem Jahr um mehr als 28 Milliarden DM entlastet
werden - wie gesagt: unsere Maßnahmen, die der alten
Koalition. Das war eine Nettoentlastung. Das war etwas anderes als das, was Sie betreiben. Wir sind der
Auffassung: Die Bürger haben eine Nettoentlastung verdient.
Es ist doch auch Augenwischerei, wenn Sie hier mit
einer Unternehmenssteuerreform kommen, die keiner
genau kennt und über die der Bundeskanzler und der
Finanzminister unterschiedliche Auffassungen zu haben
scheinen.
({10})
Auch diese Unternehmenssteuerreform, die von Ihnen
konzipiert ist, hat den Grundmakel, daß keine Nettoentlastung vorgesehen ist. Sie ändern das Steuerrecht, ohne
eine Nettoentlastung vorzusehen. Das führt bei der Unternehmenssteuerreform dazu, daß die Unternehmen die
Steuersatzsenkung, die erfolgen soll, selbst zu finanzieren haben. Damit wird kein Impuls für Wachstum, für
Investitionen und für Arbeitsplätze in unserem Land gegeben.
Deshalb kann ich Ihnen nur sagen: Rotgrün hat zwar
auf Grund der Bundestagswahl noch die Mehrheit hier,
im Deutschen Bundestag; in der Bevölkerung haben Sie
die schon lange nicht mehr. Sie haben sich von ernsthafter Politik verabschiedet.
({11})
Politik muß eben ein bißchen mehr sein als nur die Darstellung von Nichtdarstellbarem, und Gesetzentwürfe
sollten auch eine längere Halbwertszeit als Lutschbonbons haben. Sie dürfen nicht permanent geändert werden. Mal gibt es ein Kanzlerwort; dann kommt wieder
der Finanzminister. Das ist ein absolutes Chaos, und
dieses Chaos führt zu schlechten Gesetzen. Das Gesetz,
das wir heute verabschieden sollen, ist ein schlechtes
Gesetz; es ist ein Gesetz gegen Beschäftigung, gegen
Wachstum. Deshalb werden wir diesem Gesetz heute
auch nicht zustimmen.
({12})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Jörg-Otto Spiller.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Es ist Zeit für Steuerentlastungen.
Denn CDU/CSU und F.D.P. haben über Steuersenkungen immer nur geredet.
({0})
In Wirklichkeit hat Ihre Politik in den letzten zehn Jahren eine Kette von Steuererhöhungen gebracht.
({1})
Sie haben zugleich hingenommen oder bewußt herbeigeführt, daß die Steuerungerechtigkeit in Deutschland
während Ihrer Regierungszeit ständig zugenommen hat,
daß der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit - starke Schultern sollen mehr tragen als
schwache ({2})
ins Gegenteil verkehrt worden ist.
({3})
Herr Kollege Thiele, Sie haben gerade von Gegenfinanzierung gesprochen.
({4})
Ihre Gegenfinanzierung bestand aus zwei Methoden; die
eine war so schlecht wie die andere. Erste Methode:
Schulden machen. Zweite Methode: Otto Normalverdiener immer tiefer in die Tasche greifen. Das war Ihre Gegenfinanzierung.
({5})
Es ist doch in Ihrer Zeit dazu gekommen, daß die
Spitzenbelastung bei Steuern und Abgaben nicht etwa
bei den Spitzenverdienern war, sondern bei den Arbeitnehmern, deren Verdienst in der Nähe der Bemessungsgrenze für die Sozialversicherung lag. Es ist doch durch
Ihre Politik dazu gekommen, daß ein Familienvater, der
brutto 100 DM mehr verdiente, glücklich sein konnte,
wenn er davon einen Fünfzigmarkschein sah. Ein junger
Ingenieur, ledig, konnte sich freuen, wenn ihm von den
zusätzlichen 100 DM brutto etwas mehr als 30 DM blieben. Das war Ihre Politik.
({6})
Meine Damen und Herren, hinzu kommt: Die Durchbrechung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit galt auch für den Unternehmenssektor.
Es trifft überhaupt nicht zu, was Sie so gerne sagen: daß
Sie eine mittelstandsfreundliche Politik betrieben hätten.
Das Gegenteil war der Fall. Sie haben in erster Linie dafür gesorgt, daß große, international tätige Unternehmen
eine Vielzahl von Möglichkeiten hatten, ihre Steuerlast
zu mindern, während der normale Mittelständler von Ihnen regelrecht gemolken wurde. Wir haben erlebt, daß
selbst bis in die leuchtendsten Sterne der deutschen Industrie hinauf Vorstandsvorsitzende sich rühmten, in
Deutschland überhaupt keine Steuern mehr zu zahlen.
Seien Sie also vorsichtig mit Behauptungen, Sie hätten
eine mittelstandsfreundliche Politik betrieben.
({7})
Das Gesetz, das die Koalition Ihnen jetzt vorlegt,
bringt die richtigen Korrekturen. Wir bringen nicht nur
eine Entlastung der breiten Mehrheit der Bevölkerung,
wir bringen auch mehr Steuergerechtigkeit im Bereich
der Unternehmen.
({8})
Wir haben - das hat der Kollege Müller schon gesagt;
ich sage es trotzdem noch einmal - bereits seit dem
1. Januar 1999 die Senkung des Spitzensteuersatzes für
gewerbliche Einkünfte von 47 auf 45 Prozent. Das betrifft insbesondere die mittelständischen Unternehmen.
Wir werden, wenn wir dieses Gesetz verabschiedet haben, eine weitere Senkung beim Spitzensteuersatz für
gewerbliche Einkünfte auf 43 Prozent ab nächstem Jahr
haben. Der Körperschaftsteuersatz - das betrifft insbesondere die GmbHs - wird auf 40 Prozent sinken, wenn
die Gewinne im Unternehmen bleiben und dort wieder
verwandt werden. Tarife senken, Bemessungsgrundlage
verbreitern - das ist unser Prinzip. Wir reden nicht bloß
darüber, wir setzen das um.
({9})
Ich will einen Hinweis geben, weil das der breiten
Öffentlichkeit vielleicht nicht bewußt ist: Das Prinzip
der Unternehmensbesteuerung ist ein anderes als bei den
privaten Haushalten. Es wird durch den Vergleich des
Vermögensstandes am Ende des Geschäftsjahres mit
dem Vermögensstand am Ende des vorangegangenen
Geschäftsjahres der Gewinn ermittelt. Da gibt es natürlich Bewertungsprobleme. Das ist nicht immer ganz
leicht und ganz objektiv zu machen. Wie wird das jeweilige Vermögen, wie werden seine einzelnen Bestandteile bewertet? Wie werden Verbindlichkeiten bewertet? Werden beispielsweise, Herr Kollege Solms,
Verbindlichkeiten, die vielleicht erst in 20 Jahren beglichen werden müssen, genauso bewertet wie Verbindlichkeiten, die jederzeit fällig werden können? Das ist
doch ein Unterschied. Das bietet sich für eine Abzinsung
doch geradezu an.
({10})
Natürlich ist es angemessen, ein Wertaufholungsgebot für den Fall in das Gesetz hineinzuschreiben, daß es
Wertveränderungen im positiven Sinne gibt.
({11})
Das stand doch auch in Ihrem Gesetzentwurf.
({12})
Herr Hauser, Sie tun jetzt so, als hätten Sie Ihr Gesetz
nicht gelesen. Damals hat Ihre Finanzverwaltung sogar
noch höhere Steuermehreinnahmen vorausgeschätzt als
jetzt. Das kann man doch nicht einfach beiseite wischen.
Ich komme zu den Rückstellungen für Versicherungen und den Rückstellungen für Energieversorger: Ich
kann mir vorstellen, daß es fast ein Kulturschock ist,
wenn man als Energieversorger jetzt mit einer zweifachen Änderung konfrontiert wird. Erstens gibt es jetzt
Wettbewerb; den gab es vorher nicht.
({13})
Zweitens soll man auch noch normal besteuert werden.
({14})
Das ist natürlich etwas unangenehm; das kann ich schon
verstehen.
Ich will noch auf einen Punkt eingehen, der mich
wirklich bewegt. Herr Kollege Solms, Sie waren so unvorsichtig, von Ordnungspolitik zu reden. Bisher hatte
ich immer die Hoffnung, daß es wenigstens in der F.D.P.
noch ein paar überzeugte Marktwirtschaftler gibt.
({15})
Während der Beratungen im Finanzausschuß habe ich
diesen Eindruck leider nicht bestätigt gefunden. Das
Verblüffende war nämlich, daß sich Ihre Kollegen - Sie
waren selten da, Herr Solms - und die Kollegen aus der
CDU/CSU wärmstens für die Belange der Abschreibungskünstler einsetzten.
({16})
Meine Damen und Herren, in einer funktionierenden
Marktwirtschaft werden private Investitionsentscheidungen nach Gewinnerwartungen getroffen. Das ist vernünftig. Wenn private Investitionsentscheidungen nach
Verlustzuweisungen getroffen werden, ist das die Umkehr der marktwirtschaftlichen Ordnung.
({17})
Es bedarf des engagierten Einsatzes von SPD und Grünen, damit die Marktwirtschaft in Deutschland nach 16
Jahren Koalition von Union und F.D.P. wieder hochgehalten wird.
({18})
Herr Kollege,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele?
Sehr gern.
„Sehr gern“,
das hört man gern.
Herr Kollege Spiller,
ich glaube, wir stimmen überein, daß Verlustzuweisungsgesellschaften in sich keinen Sinn haben. Deshalb
hatten wir vorgesehen, die Steuersätze so zu senken, daß
keiner mehr aus steuerlichen Gründen Mittel in Verlustgesellschaften einbringt.
({0})
- Verzeihung! Unser Spitzensteuersatz betrug 35 Prozent. Wenn Sie den vorgesehen hätten, hätte sich das
ganze Problem der Verlustgesellschaften ohne § 2b Einkommensteuergesetz von selbst gelöst.
({1})
An Ihrem Vorschlag stören uns zwei Punkte.
({2})
Zum einen verhunzen Sie den Einkommensbegriff, weil
er nicht mehr gilt. Zum anderen: Lassen Sie die Arbeitnehmer im Stich, die Aufträge im Wohnungsbau und in
der Filmwirtschaft realisieren sollen, die mit diesen Geldern finanziert werden. Hier vernichten Sie Arbeitsplätze. Das ist unser Vorwurf, den wir gegen Ihre Neuregelung des § 2b Einkommensteuergesetz erheben.
({3})
Herr Kollege Thiele, erstens haben Sie das in Ihrem Gesetzentwurf damals so
gar nicht vorgesehen. Zweitens. Sie haben das kaufmännische Rechnungswesen verhunzt. Sie appellieren geradezu an die Gutverdienenden, den ökonomischen Sachverstand bei ihren Entscheidungen möglichst außen vor
zu lassen und sich nur noch an der Frage zu orientieren:
Wie kann man Verluste machen? Das ist doch eine Perversion.
({0})
Das haben Sie leider nicht geändert.
({1})
Ich möchte noch auf eines hinweisen. Wir müssen
von dieser totalen Verkehrung der Dinge wegkommen
und davon, gar noch zu behaupten, wie Sie es getan haben, Herr Thiele, man tue etwas für junge Unternehmen
oder für Venture Capital, wenn man mit solchen komischen Fonds arbeite. In den angelsächsischen Ländern
geht das ohne solche verrückten steuerlichen Vorteile,
die aus einem Verlust sozusagen den Honig saugen, daß
eine Anlage, die Verlust verspricht, angeblich attraktiv
ist. Wir sind verliebt in das Gelingen und nicht in den
Verlust!
({2})
Wir werden dafür sorgen, daß die Fehlallokation, die
Sie mit Ihren Abschreibungskünstlern, mit der Zerrüttung und Verwüstung des deutschen Steuerrechts in fast
der gleichen Weise erreicht haben wie die Staatliche
Plankommission, aufhört und wir zu einer Orientierung
am wirtschaftlichen Erfolg zurückkehren. Das wird auch
dazu beitragen, daß junge Unternehmen, daß Leistungsträger quer durch die Gesellschaft wieder Erfolg haben.
Leistung in Deutschland muß sich wieder lohnen. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu!
({3})
Das Wort hat
jetzt der Staatsminister des Freistaats Sachsen, Professor
Dr. Georg Milbradt.
Dr. Georg Milbradt, Staatsminister ({0}): Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeit der
Spekulationen über die steuerpolitischen Vorhaben der
neuen Bonner Regierung ist vorbei. Das Ergebnis ist
niederschmetternd. Dieser Regierung fehlt nicht nur der
Mut, sondern offensichtlich auch die Fähigkeit zu einer
vorurteilslosen Analyse und zu wirklichen Reformen.
({1})
Da Sinn und Zweck einer Steuerreform angesichts
des Durcheinanders der vergangenen Wochen aus den
Augen zu geraten drohen - die Beiträge der Regierungskoalition zeigen das -, erinnere ich daran, was die allgemein anerkannten Erfordernisse einer Steuerreform
sein sollten:
Erstens. Deutschlands Staatsquote und Abgabenbelastung sind entschieden zu hoch. Es müssen Maßnahmen
zur Ausgaben- und Abgabensenkung getroffen werden.
Hierzu ist eine Überprüfung aller staatlichen Aufgaben
unerläßlich. Staatsausgaben und öffentliche Kreditaufnahme müssen gesenkt werden. Mehr Investitionen für
neue Arbeitsplätze sind notwendig. Dazu bedarf es einer
Reform der Unternehmenssteuern, die diesen Namen
auch verdient. Eine faire Lastenverteilung zwischen
Bund, Ländern und Gemeinden ist zu gewährleisten.
Zweitens. Das deutsche Steuerrecht muß einfacher
und transparenter werden. Es muß ein klarer und durchgängiger Maßstab der Besteuerung, insbesondere das
Leistungsfähigkeitsprinzip angewandt werden.
Leider ist festzustellen: Fast nichts von diesen Grundsätzen findet sich in den heute zur Beratung stehenden
Entwürfen wieder. Die von dieser Bundesregierung vorgesehenen Senkungen des Eingangs- und des Spitzensteuersatzes sind mutlos und unzureichend.
({2})
Zwar kündigen Sie an, die Unternehmenssteuern auf 35
Prozent senken zu wollen, lassen aber den allgemeinen
Spitzensteuersatz nahezu unverändert bei 48,5 Prozent
stehen.
Mit solch unterschiedlich hohen Steuersätzen bereiten
Sie den Nährboden für neue Steuerschlupflöcher, die zu
beseitigen Sie gerade angetreten sind.
({3})
Steuerpflichtige mit hohen Vermögen beispielsweise
brauchen ihr Vermögen nur neu zu ordnen und können
auf einfache Weise aus privaten Vermögenseinkünften
gewerbliche Einkünfte machen und so ihre Steuer senken. - Die Familie Quandt läßt grüßen. - Sie beherzigen
weder die Erfahrung aus der Praxis noch die Ratschläge
aus der Wissenschaft. Hohe Steuersätze auf der einen
Seite, Ausnahmetatbestände und eine ungleiche Behandlung von Einkünften auf der anderen Seite sind eine
Aufforderung an die Steuerzahler, sich diese Ungereimtheiten zunutze zu machen. Wirtschaftliches Verhalten wird durch steuerliche Optimierungen zu Lasten
der Gesamtwirtschaft verzerrt. Statt unser Steuersystem
wieder in Richtung auf mehr Neutralität zu verbessern,
„verschlimmbessern“ Sie es weiter, weil Sie erfahrungsund beratungsresistent sind.
({4})
Sie lehnen eine deutliche und gleichmäßige Senkung der
Steuersätze ab. Statt zu reformieren, betreiben Sie ein
Arbeitsbeschaffungsprogramm für kreative Steuerkünstler und Verfassungsjuristen. Das sind aber nicht
die Arbeitsplätze, die nach unseren Vorstellungen geschaffen werden müßten.
Die von der rotgrünen Koalition versprochene
Steuervereinfachung ist ausgeblieben. Im Gegenteil:
Das Steueränderungsgesetz enthält weitere Verkomplizierungen. Beispiele hierfür sind die Mindestbesteuerung und die daran angelehnte Einschränkung von Verlustzuweisungsgesellschaften, die Regelung zum Ausschluß des Abzugs privater Schuldzinsen und die Neufassung des bisher relativ einfach zu handhabenden
Verlustabzugs. Die Verworrenheit dieser Regelungen ist
Ausdruck einer intransparenten und komplizierten Gesetzgebung, die keine Rücksicht auf den Gesetzesvollzug nimmt. - Das betrifft insbesondere die Länder. Rechtsstreitigkeiten in großem Umfang sind vorprogrammiert, unnützer Verwaltungsaufwand wird die Folge sein.
Bei dem Gesetzeswerk bleibt auch die Steuergerechtigkeit auf der Strecke. Es ist kein durchgängiges Konzept hierfür zu erkennen, sondern nur unsystematische Eingriffe mit neuen Ausnahmetatbeständen. Von einer Besteuerung der Bürger nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann keine Rede
sein.
({5})
Sie, meine Damen und Herren von der Regierung, haben
sich vor der Definition und konsequenten Anwendung
dieses Prinzips gedrückt und Nebelgranaten verschossen. Sie verwechseln Neid mit Gerechtigkeit!
({6})
Sie müssen zunächst einmal definieren, an welchem
Maßstab Sie das messen wollen. Davor haben Sie sich
gedrückt.
({7})
Der Umbau der Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale ist erst
gar nicht thematisiert worden. Dabei hätte gerade dies
den Koalitionsparteien, die bei jeder Gelegenheit ihre
ökologische Verbundenheit zu Schau stellen, gut angestanden.
({8})
Die von allen Steuerexperten geforderte Durchforstung der Liste der in § 3 EStG befreiten Tatbestände ist
auch nicht erfolgt.
({9})
Die neue Regierung möchte den Problemen unserer
Zeit mit einer Rezeptur zu Leibe rücken, die sich bereits
in den 70er Jahren in Westdeutschland als völlig unStaatsminister Dr. Georg Milbradt ({10})
tauglich erwiesen hat. Niemand bestreitet, daß von der
Nachfrageseite Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung ausgelöst werden.
({11})
In einer offenen und globalen Welt kommt es jedoch
zunehmend auf die Angebotsseite an. Nur ideologische
Traumtänzer werden glauben, daß ein Mehr in den Kassen bestimmter Bevölkerungsschichten zu einer gleich
hohen Stärkung der Nachfrage nach hier produzierten
Waren und Dienstleistungen führt und Arbeitsplätze
schafft. Deswegen sind die steuerlichen Entlastungen
von Sparen und Investieren und die Beseitigung von
Verkrustungen in unserem Wirtschafts- und Sozialsystem der Schlüssel zu mehr Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Dynamik.
Sie glauben, unsere strukturellen Wirtschaftsprobleme mit Umverteilung, insbesondere durch die Entlastung von Arbeitnehmern und Familien, lösen und den
Arbeitsmarkt beleben zu können. Diese Entlastung ist
sicherlich gesellschafts- und familienpolitisch sinnvoll
- keine Frage -, nur wird sie bei Ihrem „policy mix“ das
Beschäftigungsziel verfehlen.
Sie werfen der alten Bundesregierung das Scheitern
der Angebotspolitik vor, deren Wirksamkeit Sie ja
ständig über den Bundesrat behindert haben. Sie übersehen dabei, daß das größte Keynesianische Nachfrageprogramm der Geschichte, nämlich die zum großen Teil
defizitfinanzierten Transfers für Ostdeutschland, die zu
Nachfrage in Westdeutschland führten, unsere strukturellen Arbeitsmarktprobleme nicht gelöst hat. Woher
nehmen Sie eigentlich die Hoffnung, daß die von Ihren
Steuergesetzen ausgehenden Wirkungen, die weitgehend
durch die Gegenfinanzierung und die Investitionsverschlechterung kompensiert werden, weiter reichen als
das 1,3-Billionen-DM-Programm der vorigen Bundesregierung?
({12})
Die Folgen der Steuerpolitik dieser Bundesregierung
für das Investitionsklima sind schwerwiegend. Die Bundesregierung verschlechtert es mutwillig und fortlaufend
durch ihre chaotische Politik. Glauben Sie denn im
Ernst, daß dieses Steuergesetz nur einen einzigen zusätzlichen Investor veranlaßt, bei uns zu investieren und
Arbeitsplätze zu schaffen?
({13})
Attentismus bei den Investitionen ist das Schlimmste,
was einer Regierung, die sich am Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen will, passieren kann.
Ihr Steuergesetz genügt nicht einmal einfachen ökonomischen Grundwahrheiten, höchstens Ihrer selbstgebastelten Wirtschaftsideologie, die durch Neid und
Staatsdirigismus geprägt ist.
({14})
Über diese Wirtschaftsideologie, meine Damen und
Herren von den Koalitionsfraktionen, hat der bekannte
Autor eines Standardlehrbuchs für Makroökonomie,
Professor Dornbusch, kürzlich gesagt:
({15})
Überall in der Welt wird eine solche Politik populistisch genannt, überall in der Welt hat sie versagt,
und sie wird auch in Deutschland versagen.
Ich bitte um
Ruhe auf der Regierungsbank, Herr Minister.
Dr. Georg Milbradt, Staatsminister ({0}): Die
Folgen Ihrer steuerpolitischen Gesetzesvorschläge treffen die neuen Bundesländer besonders. Mögen die zusätzlichen Belastungen für die westdeutsche Wirtschaft
schon schwer verdaulich sein, so werden viele Unternehmen in den neuen Ländern, von denen nicht einmal
die Hälfte mit Gewinn wirtschaftet, in existentielle
Schwierigkeiten getrieben. Zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit im Osten trägt das Gesetz in keiner Weise
bei; eher ist das Gegenteil zu befürchten. Die Innenstadtsanierung, die Existenzförderung und die Mieterprivatisierung werden durch Ihr Gesetz entscheidend
behindert.
({1})
Von einer sozialen Ausgewogenheit kann in Ostdeutschland nicht die Rede sein.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Probleme der ostdeutschen Braunkohle sind schon erörtert
worden. Es ist schon bemerkenswert, wenn bei jeder
sich bietenden Gelegenheit auf die Probleme der westdeutschen Steinkohle hingewiesen wird, weil der Bundesfinanzminister aus dem Saarland stammt, auf die ostdeutsche Braunkohle aber keinerlei Rücksicht genommen wird.
({3})
Jeder weiß, welche Arbeitsplatzwirkungen dieses Gesetz
in der Lausitz und im Raum südlich von Leipzig haben
wird. - Eine Bemerkung an die PDS: Wenn Sie das genauso sehen, haben Sie die Möglichkeit, durch Ihre Einflußnahme in Schwerin und Magdeburg das Gesetz im
Bundesrat zu kippen.
({4})
Meine Damen und Herren, als Ergebnis läßt sich feststellen, daß dieses Steuergesetz alle für eine Steuerreform erforderlichen Zielvorstellungen verfehlt. Das
Steuersystem wird weder einfacher noch gerechter. Das
Vorhaben der rotgrünen Regierung nimmt keine Rücksicht auf die wirtschaftlichen Erfordernisse und stellt
keine Lösung für das innenpolitische Problem Nummer
eins dar: die Arbeitslosigkeit. Statt Vernunft herrscht
Chaos; zurück bleiben Enttäuschung und Frustration.
Staatsminister Dr. Georg Milbradt ({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen
Steuermurks hat Deutschland nicht verdient.
({6})
Der Preis dieses Gesetzes, nämlich ein weiterer Verlust
von Beschäftigung, ist uns zu hoch.
({7})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Mathias Schubert.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Steuerentlastungsgesetz folgt, ob Ihnen das nun gefällt oder nicht,
dem Prinzip der Steuergerechtigkeit.
({0})
Herr Kollege Milbradt, Sie haben das zwar eben kritisiert, aber Sie haben natürlich die Antwort darauf, warum Sie das kritisiert haben, nicht gegeben. Wenn Sie uns
schon kritisieren, sollten Sie auch sagen, warum.
Wir machen die Steuerreform auch nicht im geschichtslosen Raum, wie manche von Ihnen offensichtlich noch glauben. Auslöser unserer Steuerreform ist,
daß die Kohl-Regierung in den letzten 16 Jahren das
Prinzip der Steuergerechtigkeit hat verkommen lassen.
Damit räumen wir jetzt auf.
({1})
- Ist ja gut, Herr Michelbach.
In den neuen Ländern wurde uns seit 1990 immer
wieder versprochen, daß der Aufbau Ost aus der Portokasse bezahlt werden könne.
({2})
Später hieß es: Na gut, nicht ganz aus der Portokasse, also erhöhen wir hier und da ein paar Steuern. Dieser
Vorgang wiederholte sich ungefähr 20mal, und das
Ganze wurde völlig unberechenbar und zum totalen
Chaos. Außerdem wurde es auf dem Rücken der normalen Einkommensbezieher in Ost wie in West ausgetragen.
({3})
Dieses Prinzip von Versprechen und Nichthalten hat
bei den Menschen in den neuen Ländern zu einer Erosion der Glaubwürdigkeit von Politik in einem Maße geführt, wie Sie es sich vermutlich überhaupt noch nicht
klargemacht haben.
Herr Milbradt, wenn Sie davon sprechen, es gebe in
den neuen Ländern keine soziale Ausgewogenheit, dann
sage ich Ihnen ganz klipp und klar: Das ist nicht die
Folge unserer Politik, sondern die Folge der Politik der
alten Bundesregierung und der Koalition, die die alte
Bundesregierung mitgetragen hat.
({4})
Dagegen ist unser Steuerentlastungsgesetz der erste
und deshalb entscheidende Schritt, mit der Hinterlassenschaft eines durch die alte Bundesregierung verwüsteten
Steuerrechts aufzuräumen.
({5})
Ab jetzt werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachhaltig steuerlich entlastet.
({6})
Ab jetzt bekommt der Mittelstand den Rücken frei für
Stabilität, Investitionssicherheit und Innovationsförderung.
({7})
- Was denn sonst? Lesen Sie doch einmal die Zeitung,
und rezipieren Sie nicht Ihre Ideologie, Herr Kollege
Thiele!
Ab jetzt wird - das ist genauso wichtig; wir haben es
bereits gesagt - nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
gesteuert. Nichts anderes übrigens haben wir gesagt und
gewollt. Deshalb gilt auch hier - Herr Kollege von Larcher, Sie haben völlig recht -: Versprochen - gehalten.
({8})
Was das nun für die neuen Bundesländer bedeutet,
will ich Ihnen an Hand von einigen Beispielen versuchen zu verdeutlichen. Die Senkung des Eingangssteuersatzes in Verbindung mit der Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums entlastet natürlich wirksam die
ohnehin relativ niedrigen Einkommen der meisten Menschen in den neuen Ländern. Ob das nun Angebots- oder
Nachfrageideologie ist: Natürlich wird die Kaufkraft gestärkt, natürlich hat das positive Folgen für Wirtschaft
und Arbeitsmarkt in den neuen Ländern. Was denn
sonst?
({9})
Nächster Punkt. Außer vielleicht der Opposition - das
haben wir heute früh wunderbar und oft gehört - bestreitet kaum noch jemand ernsthaft, daß unser Steuerentlastungsgesetz den Mittelstand um wenigstens
4 Milliarden DM entlastet. Der große Teil dieser Entlastungen wird im Handwerk und im Mittelstand auch
Ostdeutschlands realisiert; das ist selbstverständlich.
Dabei handelt es sich immerhin um unsere volkswirtschaftliche Grundlage. Wenn wir also zum Beispiel den
Körperschaftsteuertarif senken, Ansparabschreibungen
festschreiben, Existenzgründer über fünf Jahre von der
Steuer freistellen, Verlustrückträge mit einer eindeutig
mittelstandsfreundlichen Komponente versehen haben
und Chancenkapital ausdrücklich zur Gewinnorientierung ermuntern, dann wirkt sich das auf die Wirtschaft
in den neuen Ländern in besonderer Weise positiv aus.
Staatsminister Dr. Georg Milbradt ({10})
Nun will ich einmal ein schönes Beispiel aus den
neuen Ländern zu dem berühmt-berüchtigten geplanten
§ 2 b des Einkommensteuergesetzes sagen. Es gibt eine
Filmförderung Studio Babelsberg, für die ein Fonds zur
Filmförderung in Höhe von 800 Millionen DM aufgelegt
worden ist. Jetzt dürfen Sie dreimal raten, wieviel von
den 800 Millionen DM - es ist ein Abschreibungsprojekt - in Brandenburg bleiben. Die brandenburgische
Finanzministerin ist froh, wenn 20 Prozent davon dort
bleiben. Die restlichen 80 Prozent gehen nach Hollywood und sonstwohin. Wir sind aber nicht dazu da, Abschreibungen zu ermöglichen, damit anderswo Filme
produziert werden.
({11})
Darum geht es bei dieser Geschichte. Darüber müssen
Sie einmal nachdenken, wenn Sie über solche Dinge reden.
Ich mache auf eine weitere positive Auswirkung unseres Steuerentlastungsgesetzes für den Aufbau Ost
aufmerksam. Die abgewählte Bundesregierung wollte
eine Steuerreform, die die öffentlichen Haushalte um
ungefähr 50 bis 55 Milliarden DM belastet hätte. Die
Höherverschuldung bei Bund und Ländern wäre überhaupt nicht mehr beherrschbar gewesen.
({12})
Das hätte bedeutet, daß die neuen Bundesländer die
Investitionsprogramme des Bundes kaum noch hätten gegenfinanzieren können. Ich will ja nicht schwärzer malen, als Ihre Politik ab und zu ist; aber Ihr Steuerreformkonzept hätte dem Aufbau Ost vor allem im investiven Bereich nachhaltig schweren Schaden zugefügt.
({13})
Wir haben unser Steuerentlastungsgesetz dagegen auf
finanziell solide Füße gestellt. Deshalb wird es, in Abstimmung mit den neuen Ländern, den Aufbau Ost eben
nicht blockieren, sondern gerade fördern.
Jetzt komme ich zu dem schönen Thema Braunkohle
in der Lausitz und in Mitteldeutschland. Ist Herr Kollege
Haupt noch da? - Anscheinend nicht; vielleicht können
Sie ihm übermitteln, was ich dazu zu sagen habe. Herr
Kollege Haupt hat gefordert - die F.D.P.-Fraktion hat
einen Antrag dazu vorgelegt -, die Braunkohle solle
bundesweit aus dem geplanten § 2 b herausgenommen
werden. Ich habe herauszubekommen versucht, ob die
Laubag und die Mibrag Gewinne oder Verluste machen.
Das kriegt man aber nicht heraus. Wenn sie Verluste
machen, haben sie ohnehin das Problem des § 2 b nicht.
Wenn sie Gewinne machen, dann, so meine ich, sollten
sie diese - so wie jeder andere auch - versteuern. Das
ist ein Beitrag zur inneren Einheit Deutschlands. Wir als
Ostdeutsche wollen doch gar nicht anders behandelt
werden.
Schade, daß der Kollege Haupt nicht da ist; das tut
mir wirklich leid. - Er kommt aus Hoyerswerda. Die
Arbeitsgruppe „Neue Länder“ der SPD-Bundestagsfraktion war vor ein paar Wochen in Hoyerswerda.
({14})
Dabei handelt es sich um eine strukturschwache Region
mit 28 Prozent Arbeitslosigkeit. Was haben uns die
Kommunalpolitiker dort gesagt? Sie haben uns gesagt:
Die Landesregierung hat kein Konzept zur Strukturförderung der Lausitz. Das ist der Punkt. Es geht doch nicht
nur um die Braunkohle, sondern es geht um die Zukunftsfähigkeit solcher Regionen. Da hat die Landesregierung von Sachsen versagt. Dort sollte einmal angesetzt werden und nicht immer nur bei irgendwelchen
Sonderabschreibungsmodellen des Bundes für einzelne
Branchen.
({15})
Herr Kollege,
gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihres Kollegen Klinkert?
Herr Klinkert, bitte
schön.
Herr Kollege, auch ich
komme aus Hoyerswerda.
Ich weiß.
Ich weiß, daß Tausende von Arbeitsplätzen nach wie vor von der Braunkohleförderung abhängig sind. Sehen Sie es als Ihr Konzept
der Strukturförderung in dieser Region an, wenn Sie die
Braunkohlenförderung allein bei der Laubag mit
500 Millionen DM belasten, und wie bewerten Sie die
Äußerung eines SPD-Landtagsabgeordneten aus Brandenburg, der Sie, die SPD-Abgeordneten aus den neuen
Bundesländern, davor warnt, in die Doppelfalle Grüner
Politik zu tappen?
Wenn ich das vielleicht
erläutern darf: Dr. Mathias Schubert ({0}): Ja, bitte.
- daß Sie sowohl den
Ausstieg aus der Kernenergie anstreben, aber nicht vollziehen werden, als auch die Braunkohle in hohem Maße
steuerlich bestrafen.
Sehr geehrter Herr
Kollege Klinkert, zunächst einmal bleibe ich dabei - ich
halte das für eine richtige Konzeption -: Erstens. Wir
können es uns auf Dauer nicht leisten, Branchen von der
Besteuerung auszunehmen.
Zweitens. Durch den § 2 b wird weder die Braunkohlenförderung in der Lausitz noch in Mitteldeutschland in irgendeiner Form beeinträchtigt werden.
({0})
- Davon rede ich ja.
({1})
Drittens. Die genannten beiden großen Firmen haben
in der letzten Zeit so viel investiert, daß sie vermutlich
auf lange Zeit de facto Gewinne machen werden, die in
steuerlicher Hinsicht völlig irrelevant sind.
({2})
Viertens sage ich Ihnen noch etwas zu diesem Thema. Wenn der Lausitz der Strukturwandel weg von der
Monostruktur Braunkohle langfristig gesehen nicht gelingt - ich rede jetzt über einen Zeitraum von 20, 25 Jahren -, dann gehen dort die Lichter aus. Das Problem, das
wir haben, sind eben nicht nur die Braunkohle und die
Energie, sondern das Problem ist, inwieweit es jetzt
schon möglich ist, alternative Konzepte dazu zu entwikkeln. Da haben wir das große Problem - das wissen Sie
genausogut wie ich -, daß es von sächsischer Seite bisher nur relativ deutliche Abblockungsversuche dagegen
gibt, mit Brandenburg an dieser Stelle zusammenzuarbeiten. Sie haben im südlichen Raum, im Lausitzer
Raum angefangen, innovativ tätigen Mittelstand aufzubauen und zu fördern. Das fehlt bei den anderen. Auch
darum muß es gehen. Genau da greift unser Steuerkonzept in positiver Weise.
({3})
Der Kollege
Klinkert möchte eine Zusatzfrage stellen. Gleichzeitig
muß ich Sie ein bißchen an die Redezeit erinnern. Aber
die Zusatzfrage können Sie noch zulassen.
Ja, ich lasse sie zu.
Wenn sich das Haus mit den Problemen der Lausitz befassen will, dann soll es mir recht sein. Bitte schön.
Wie bewerten Sie,
Herr Kollege, dann die Aussage des Betriebsrats der
Laubag und die der IG BCE, daß die Lichter in der Lausitz möglicherweise nicht erst, wie Sie sagen, in 25 Jahren ausgehen, sondern daß Ihre Politik zu einer akuten
Gefährdung von Arbeitsplätzen - ich betone: zu einer
akuten Gefährdung - in der Lausitz führt?
Unsere Politik wird
zwei Ziele konsequent verfolgen. Auf der einen Seite
wird die Braunkohlesanierung über den vorgesehen
Zeitrahmen hinaus fortgesetzt. Auf der anderen Seite
werden die entsprechenden Maßnahmen getroffen, um
einen Strukturwandel einzuleiten. Dies ist zum großen
Teil Ländersache. Es tut mir leid, Herr Klinkert, ich
kann Ihnen die Tatsache nicht ersparen - in Hoyerswerda haben wir ein Beispiel dafür -, daß Brandenburg
Sachsen in diesem Punkt ein paar Schritte voraus ist. Ich
habe etwas dagegen, die Länder gegeneinander auszuspielen. Trotzdem muß ich sagen, daß Brandenburg
weiter ist. Sie behaupten aber in der Öffentlichkeit, dem
sei nicht so.
({0})
Ich komme zum Schluß und will kurz auf folgendes
hinweisen. Meine Damen und Herren von der Opposition, weder im Finanzausschuß noch im Ausschuß für die
Angelegenheiten der neuen Länder - auch dort taucht
das Thema Braunkohle auf - kam von Ihnen irgendein
inhaltlich substantieller Antrag zur Steuerreform - noch
nicht einmal ein destruktiver, abgesehen vom Antrag der
PDS.
({1})
Anderes war von der PDS nicht zu erwarten. In der
DDR gab es damals einen Spitzensteuersatz von 90 Prozent. Aber daß sich die Rolle der Opposition auf der
rechten Seite des Hauses auf die Anwendung der Geschäftsordnung beschränkt, zeigt mir als ostdeutschem
Abgeordneten, daß Ihre Politik nicht nur kaum Inhalte
hat, sondern daß Sie auch noch unfähig sind, sie auszudrücken. Es zeigt mir außerdem, daß Sie sich vom Aufbau Ost längst verabschiedet haben.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Peter Rauen.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Es gehört schon eine
gute Portion Frechheit dazu, das Gesetz, das wir heute
beschließen sollen, „Steuerentlastungsgesetz“ zu nennen.
({0})
In Wahrheit ist dieses Gesetz eine Belastung für die
Steuerzahler und daher ein Steuerbelastungsgesetz.
Drei grobe Unwahrheiten, die immer wieder behauptet werden - auch heute wieder -, müssen aus unserer
Sicht besonders klargestellt werden:
Erstens. Es wird immer wieder behauptet, die Gegenfinanzierungsmaßnahmen seien ja auch im Entwurf
der alten Regierung vorgesehen gewesen.
({1})
Das ist im wesentlichen falsch. Zum Beispiel waren die
Mindestbesteuerung durch die Begrenzung der Verrechenbarkeit von Verlusten aus passiver Tätigkeit, die
Streichung der Teilwertabschreibung, der Ansatz von
Rückstellungen mit notwendigen Teilkosten, das Abzinsungsgebot bei Rückstellungen für Geldleistungsverpflichtungen, die Aufdeckung stiller Reserven beim
Tausch von Wirtschaftsgütern und die Abschaffung des
Verlustrücktrages bei dem unter der alten Regierung beschlossenen Gesetz überhaupt nicht vorgesehen.
({2})
Das sind exakt die Gegenfinanzierung und die Gewinnermittlungsvorschriften, die bei diesem Gesetz die
größte Kritik aus der Fachwelt erfahren haben.
Selbst die Abschreibungsveränderungen, die auch wir
vorgesehen hatten, sind deshalb völlig anders zu bewerten, weil wir die Steuersätze drastisch senken wollten,
während dies in dem vorliegenden Entwurf überhaupt
nicht der Fall ist.
({3})
Zweitens. Die Behauptung der Regierung, mit diesem
Gesetz werde der Mittelstand entlastet, ist grob wahrheitswidrig. Dieses Gesetz ist ein einziges Abkassierungsmodell zu Lasten des Mittelstandes
({4})
und damit für diejenigen, die in den letzten Jahren in
Deutschland zusätzlich Arbeitsplätze geschaffen haben.
({5})
Der Kollege Müller hat das „Handelsblatt“ zitiert. Ich
habe nachgelesen. Dort steht in der Tat die Überschrift
„Mittelstand ist der Gewinner des SteuerreformHickhacks“. Ich dachte, jetzt verliert auch schon das
„Handelsblatt“ die Übersicht. Dann habe ich aber herausgefunden, daß diese Überschrift überhaupt nicht
durch den Text gedeckt wird. Dort heißt es nämlich:
. . . aber im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf erhält der Mittelstand nun Erleichterungen.
Weiter heißt es:
Auch Verluste können weiterhin zurückgetragen
werden. Und zwar ab 2001 für jeweils ein Jahr bis
zu höchstens 1 Million DM. 1999 und 2000 gelten
1 Jahr und 2 Millionen DM. Bisher konnte der
Verlustrücktrag freilich jeweils 2 Jahre lang bis zu
insgesamt 10 Millionen DM in Anspruch genommen werden.
Die von der Regierung aufgestellte Behauptung deckt
sich mit dem, was heute morgen Minister Lafontaine gesagt hat, nämlich daß der Mittelstand bei Verlustvortrag
und Verlustrücktrag deutlich besser gestellt sei und daß
die CDU sich das alte Gesetz anschauen solle. Ich habe
mich gefragt: Mein Gott, wie kann dieser Mann die Nation so belügen?
({6})
Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wir hatten den
Zeitraum für den Verlustrücktrag bis zu einer Grenze
von 10 Millionen DM von zwei Jahren auf ein Jahr reduziert. Die Verlustvorträge haben wir auf eine
50prozentige Verrechenbarkeit mit Gewinnen reduziert.
Allerdings lag die Grenze des Verlustrücktrags für den
Mittelstand bei 2 Millionen DM, weil wir die gewaltigen
Verlustvorträge der ganz großen Konzerne aus Mantelkäufen damit eindämmen wollten. Es wird also umgekehrt ein Schuh daraus: Sie sind vor den Interessen derer
in die Knie gegangen, die Milliardenverluste durch
Mantelkäufe angehäuft hatten.
Mit Ihrem Steuerentlastungsgesetz und der Ökosteuerreform treten Sie dem Mittelstand kräftig in die Kniekehlen und erwarten dafür jetzt auch noch Beifall, weil
der Schmerz etwas nachläßt, nachdem in den letzten Tagen ein paar Marterwerkzeuge auf Druck der Opposition
und der Fachwelt im Sinne des Mittelstandes zurückgenommen wurden.
({7})
Auch die dritte Behauptung, daß mit der ersten Stufe
der Steuerreform 1999 die unteren Einkommensgruppen
entlastet würden, stimmt nur bedingt. Der ledige Facharbeiter mit einem Bruttojahreseinkommen von 70 000
DM wird durch die erste Stufe der Reform um 3,50 DM
im Monat entlastet. Das reicht gerade aus, um die Mehrkosten durch die Erhöhung der Mineralölsteuer um
6 Pfennig bei einer Tankfüllung von 60 Litern Benzin zu
finanzieren.
({8})
Der Kollege Solms hat heute morgen hier darauf hingewiesen, daß die Facharbeiter bereits belastet werden.
Dazu hat der Finanzminister gesagt: Aber der Grundfreibetrag gilt für alle. - Daraufhin habe ich dazwischengerufen: Keine Ahnung, Herr Minister. - Ich nehme das zurück. Auch Sie können nicht alles wissen.
Aber ich bitte Sie, sich bei den Tariffachleuten in Ihrem
Haus zu erkundigen, was wirklich vorgeht; denn auf
Grund des Grundfreibetrages, der um rund 700 DM erhöht wurde, müßten die unteren Einkommensgruppen
um 168 DM pro Monat entlastet werden. Aber dem
Facharbeiter gönnen Sie diese Entlastung nicht. Sie haben im Progressionsbereich derartige Veränderungen
vorgenommen, daß der Facharbeiter gar keine Entlastung hat. Wenn es so weitergeht, wird aus dem ursprünglichen Mittelstandsbauch, der von Gerhard Stoltenberg abgeschafft wurde, unter der SPD ein Facharbeiterbauch.
({9})
In diesem Zusammenhang von einer Entlastung der unteren Einkommensgruppen zu sprechen, ist irreführend;
es sei denn, daß aus Ihrer Sicht der Facharbeiter zu den
Besserverdienenden gehört, die weiterhin abgezockt
werden müssen.
Das Finanztableau zu diesem Gesetz einschließlich
der beiden Vorläufergesetze beweist, daß die Steuerzahler als Ganzes gesehen nicht entlastet, sondern belastet werden.
({10})
In den Jahren 1999, 2000 und 2001 findet praktisch
überhaupt keine Entlastung statt. Für das Jahr 2002 ist
eine Entlastung von 20,512 Milliarden DM ausgewiesen. Aber das heißt im Klartext, daß vier Jahre lang
durch das Zusammenwirken von Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie Steuerprogression, also durch Steuertechnik, heimliche Steuererhöhungen entstehen, die im
Finanztableau nicht ausgewiesen sind. Das ist durch
ausdrückliches Nachfragen bei den Anhörungen bestätigt worden. Die Mehreinnahmen betragen in diesen vier
Jahren, je nach Lohnsteigerungen, zwischen 40 und
60 Milliarden DM. Das heißt im Klartext: Wir haben
ausweislich der Zahlen im Gesetzentwurf keine Steuerentlastung, sondern eine Steuerbelastung.
({11})
Belastung und nicht Entlastung der arbeitenden Menschen, mehr Staat und nicht weniger Staat, mehr staatlicher Dirigismus und weniger persönlicher Entscheidungsspielraum - das ist Ihre Politik. Mit all den Reformen, die Sie bisher durchgesetzt haben, sind Sie eindeutig auf dem Weg zu einer höheren Steuer- und Abgabenbelastung der arbeitenden Menschen. Die Staatsquote wird steigen, die Beschäftigung abnehmen und die
Arbeitslosigkeit steigen. Die ersten Anzeichen dafür
sind deutlich erkennbar. Die Konjunktur schwächt sich
ab. Die Industrie erwartet einen drastischen Abschwung
der Wirtschaftsentwicklung. Die deutschen Aktien bekommen Schlagseite.
Friedrich Merz hat heute morgen die 22 Topmanager
erwähnt, die dem Bundeskanzler geschrieben haben und
die wachstums- und arbeitsplatzfeindliche Reform geißeln. Heute morgen hat der Arbeitgeberpräsident noch
einmal gebeten, diese Reform nicht zu verwirklichen,
weil sie investitionsvernichtend wirkt. Eines will ich Ihnen noch sagen: Viel schlimmer ist, daß hunderttausende Inhaber kleiner und mittelständischer Betriebe innerhalb der letzten Wochen durch Rotgrün und Ihre Regierung die Zuversicht in ihre Geschäftsentwicklung verloren haben.
({12})
Das sind nicht diejenigen, die schreiben. Sie resignieren
still und verlieren auf Grund nicht vorkommender Entlastungen ihre Fähigkeit, zu investieren, und so Arbeitsplätze zu sichern.
Es ist bezeichnend, daß die neue Regierung von ihrem ursprünglich verkündeten Ziel, mehr Arbeitsplätze
zu schaffen, im Rahmen dieser Steuergesetze überhaupt
nicht mehr spricht. Die Gewerkschaften haben offenbar
klar erkannt, daß von dieser Regierung keine Reformen
zu erwarten sind, die zu mehr Nettoeinkommen der Arbeitnehmer führen. Deshalb das Ende der Bescheidenheit und die Durchsetzung kräftiger Lohnerhöhungen
unter Inkaufnahme von steigenden Arbeitskosten, die
teilweise nicht mehr gedeckt werden können und deshalb wiederum zum Verlust von Arbeitsplätzen führen.
Vor dem Hintergrund der Steuertarife, die nicht geändert werden, und der hohen Sozialversicherungsbeiträge, die nicht reduziert werden, ist doch folgendes ein
Irrsinn, der nach den Tarifvereinbarungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber jetzt wieder deutlich wird: Ein
Arbeitnehmer der Baubranche, der bei einem Bruttoeinkommen von 5 000 DM eine Lohnerhöhung von 4 Prozent hat - das sind 200 DM brutto im Monat mehr - ,
behält nach den gültigen Steuertarifen netto monatlich
80,37 DM mehr in der Tasche, während das entsprechende Unternehmen als Ergebnis dieser Lohnerhöhung
294,98 DM mehr an Kosten hat. Der eigentliche Gewinner dieser Lohnerhöhungen ist nicht mehr der arbeitende
Mensch, sondern der Staat, der Fiskus, und die sozialen
Sicherungssysteme. In dem genannten Beispiel bleiben
rund 80 DM beim Arbeitnehmer, während 215 DM in
staatliche Kassen fließen, also mehr als das Zweieinhalbfache dessen, was bei dem Arbeitnehmer verbleibt.
Herr Lafontaine, es ist kein Wunder, daß Sie hier für das
Ende der Bescheidenheit eingetreten sind.
Die Reformgesetze ändern an dem Irrsinn der ungerechten Verteilung des Mehreinkommens zwischen Arbeitnehmer und Staat überhaupt nichts. So werden Arbeitsplätze in Deutschland systematisch weiter vernichtet.
({13})
Es bleibt dabei: Die Arbeitnehmer verdienen netto zu
wenig, und die Arbeitskosten sind gleichzeitig zu hoch.
Ich frage mich allen Ernstes, was die Gespräche zum
„Bündnis für Arbeit“ überhaupt noch sollen. Von der
Unternehmensteuerreform weiß man noch immer nicht,
wie sie aussehen soll. Man weiß nur soviel, daß sie aufkommensneutral, also ohne Entlastung für die Unternehmen, sein soll.
Hinsichtlich der nach dem Karlsruher Urteil notwendigen Reform der Familienbesteuerung kann man offen
vermuten, daß dazu die Mehrwertsteuer erhöht wird.
Egal, wo man hinschaut: Nirgendwo kann man auch nur
im Ansatz erkennen, daß die Menschen netto entlastet
werden.
({14})
Es ist nicht der Hauch des Bemühens dieser Regierung
zu spüren, bei den Ausgaben des Staates oder bei den
Ausgaben der Sozialversicherungsträger zu sparen.
Herr Kollege,
denken Sie an die Redezeit.
Ich komme zum Ende. Wenn diese Regierung auf ihrem Weg nicht umkehrt,
dann wird sie ihr oberstes Ziel, mehr Beschäftigung in
Deutschland zu schaffen, mit Sicherheit nicht erreichen.
Ihre Ankündigungen im Wahlkampf, nicht alles anders,
aber vieles besser zu machen, stimmen nicht. Sie machen zwar vieles anders, aber alles schlechter.
({0})
Schönen Dank.
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Lydia Westrich.
Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Die Diskussion über das
Steuerentlastungsgesetz ist in den vergangenen Tagen
noch hitziger geworden. Von der Drohkulisse der Wirtschaft haben wir schon heute einiges gehört. Zu dieser
Diskussion schreibt die „Frankfurter Rundschau“ heute:
Die Maßlosigkeit der Sprache entspricht der Maßlosigkeit der Gewinnansprüche.
({0})
Getroffene Hunde bellen.
Plötzlich scheint man vergessen zu haben, daß zumindest vor einiger Zeit politische Einigkeit, nicht nur
im Parlament, darüber bestand, daß Abschreibungsmöglichkeiten und Steuerschlupflöchern künftig der Kampf
angesagt wird. Wir wollten gemeinsam den Verfall der
Steuerbasis aufhalten. Diesen Konsens haben Sie, meine
Damen und Herren von der Opposition, aufgekündigt.
Sie betreiben zur Zeit eine reine Klientelpolitik.
Viel gravierender aber ist es noch, daß Sie aufgehört
haben, an die Menschen zu denken, die keine Möglichkeiten haben, durch Abschreibungen ihre Steuerschuld
zu mindern, und die deshalb in der Vergangenheit die
Abschreibungsmöglichkeiten der Großunternehmen mitfinanziert haben.
({1})
Das sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber
auch die kleinen Handwerker, von denen Herr Rauen gerade gesprochen hat.
({2})
Deren Steuer- und Abgabenlast hat unter Ihrer Regierung ein historisches Rekordniveau erreicht, wie es bisher noch nie dagewesen war.
({3})
Der Bund der Steuerzahler hat einmal errechnet, daß
ein Arbeitnehmer im Durchschnitt bis etwa Mitte Juni
arbeiten muß, bis er anfängt, Geld zu verdienen, das er
nicht an den Staat abführen muß. Jahrelang hat unter Ihrer Regierung der kleine Mann die Zeche bezahlt. Jahrelang haben Sie, verehrte Damen und Herren von der
Opposition, Politik zu Lasten von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern und ihren Familien, Politik auf deren Rücken betrieben sowie eine Umverteilung von unten nach oben vorangetrieben. Das ändern wir.
({4})
Wir ändern die soziale Schieflage und schließen die
Gerechtigkeitslücke in unserem Steuerrecht. Eine dringende Aufgabe der Steuerreform in Deutschland ist es
nämlich, wieder für ein Stück mehr Steuergerechtigkeit
zu sorgen. Die heutige Debatte hat gezeigt, daß das sehr
notwendig ist. Dazu gehört eine gerechte Lastenverteilung, die sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
eines jeden einzelnen zu orientieren hat.
Um es Ihnen, Herr Rauen, noch einmal deutlich zu
sagen: Unser Gesetzentwurf sieht deshalb vor, ganz besonders geringe und mittlere Einkommen deutlich zu
entlasten. Nachdem der Eingangssteuersatz bei der
Einkommensteuer bereits zum 1. Januar 1999 von 25,9
auf 23,9 Prozent gesenkt wurde, wird er in der zweiten
und dritten Stufe bis zum Jahre 2002 auf 19,9 Prozent
gesenkt werden. Den Grundfreibetrag von rund 12 000
bzw. 24 000 DM werden wir bis 2002 auf 14 000 bzw.
28 000 DM angehoben haben. Ab Januar dieses Jahres
wurde schließlich das Kindergeld für das erste und
zweite Kind von 220 auf 250 DM erhöht.
Diese Veränderungen durch unser Steuerentlastungsgesetz machen bereits im Jahre 1999 bei einer Familie
mit zwei Kindern bis zu 1 200 DM pro Jahr aus. Im Jahre 2002 werden Familien mit zwei Kindern sogar bis zu
2 700 DM und mehr im Geldbeutel haben. In diesem
Rechenbeispiel sind, um es gleich vorwegzunehmen, die
durch die ökologische Steuerreform anfallenden Mehrausgaben bereits berücksichtigt. Mich freut es, daß wir
es mit der Steuerreform nach knapp fünf Monaten geschafft haben, unsere im Wahlkampf gemachten Versprechungen einzulösen, auch wenn uns das Herr Thiele
vorhin vorgeworfen hat.
({5})
Ein wichtiges Ziel sozialdemokratischer Politik war
und ist die steuerliche Entlastung von Familien, weil für
uns die Familien zu den Leistungsträgern in der Gesellschaft gehören und deshalb einen Anspruch auf eine leistungsgerechte Besteuerung haben.
({6})
Der alten Regierung waren Familien solange wichtig,
wie sie über deren wertvolle Bedeutung reden konnte,
aber nichts zu ihrer Unterstützung tun mußte.
({7})
Sie hat den wohlklingenden Worten keine Taten folgen
lassen, die für eine Entlastung der Familien gesorgt hätten. Im Gegenteil: 16 Jahre konservative Regierung
führten zu einer stetigen und schleichenden Verschlechterung der Lebensverhältnisse von Familien und
von Kindern in unserem Land.
({8})
Ich möchte, weil es gerade so schön paßt, kurz an den
sehr peinlichen und von der Regierung unter Verschluß
gehaltenen 10. Kinder- und Jugendbericht vom letzten
Jahr erinnern; zeigten seine Ergebnisse und die niederschmetternden Fakten doch mehr als deutlich, wohin die
Familienpolitik der konservativen Regierung geführt
hat, nämlich in die Ausgrenzung von Familien, zu einer
enorm gewachsenen Zahl armer Familien und zu einer
Vielzahl von Kindern, die in ihrer Kindheit einen ManPeter Rauen
gel an Teilnahme am normalen sozialen Leben erfahren
mußten.
({9})
Diese absolut verfehlte Familienpolitik wollen wir ändern. Das haben wir mit der schrittweisen Erhöhung des
Kindergeldes und der Anhebung des Grundfreibetrages
in Angriff genommen.
({10})
Eine Rechnung der katastrophalen Familienpolitik
der alten Regierung haben wir im Januar präsentiert bekommen: das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den
Betreuungskosten von Kindern. Herr Thiele, Sie haben keineswegs aus purer Weisheit 1996 das Kindergeld
auf 200 DM angehoben, sondern das Bundesverfassungsgericht hat Ihnen das ans Herz gelegt. Sie haben
bis auf den letzten Drücker gewartet, um das umzusetzen.
({11})
Wir werden die neuen Forderungen des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Entlastung der Familien zügig umsetzen. Wir arbeiten jetzt an einem Familienentlastungsgesetz, in dem die verschiedenen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, um Familien
künftig besserzustellen, zusammengeführt werden sollen. Schon im Sommer wollen und werden wir mit diesem Gesetz nicht nur das Bundesverfassungsgerichtsurteil umsetzen, sondern auch und zuerst den Familien ein
Stück Gerechtigkeit zukommen lassen. Sie sollen noch
weitgehender steuerlich entlastet werden und so nach
langen Jahren am Rande der Gesellschaft wieder in die
Mitte der Gesellschaft rücken.
({12})
Wir machen ernst mit einer familien- und kinderfreundlichen Politik, weil wir eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft wollen. Dieses Gesetz heute ist
der erste Schritt dazu. Sie können eigentlich nur zustimmen.
({13})
Das Wort hat jetzt
der Kollege Joachim Poß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir erleben derzeit einen Höhepunkt
der jahrelangen irrationalen und quälenden Standortdebatte. Herr Rauen hat vorhin bewiesen, wie man in dieser Standortdebatte Opfer seiner eigenen Propaganda
werden kann.
({0})
Dabei haben die Proteste von Einzelpersonen und
Wirtschaftsbranchen wenig mit Zahlen und Fakten, aber
viel mit Besitzstandsdenken und Privilegien zu tun.
({1})
Jetzt rächt sich, daß sich die wirtschaftspolitische Debatte, auch gefördert von CDU/CSU und F.D.P., ausschließlich auf das Thema Steuern reduziert hat. Kein
Wort über Know-how, kein Wort über andere Standortstärken, über Infrastruktur, über Forschung und Entwicklung - nur über Steuern haben Sie geredet. Jetzt
werden Sie Opfer dieser verengten Diskussion.
({2})
Demgegenüber gilt - da wird Ihre Propaganda und
die einiger Wirtschaftsführer nicht lange vorhalten -:
Die neue Koalition hat Wort gehalten. Wir machen
Steuerpolitik für Millionen deutscher Steuerzahler und
nicht für einige wenige. Das unterscheidet uns von ihnen.
({3})
Dafür sind wir auch gewählt worden.
({4})
Wir nehmen unseren Wählerauftrag ernst.
({5})
Wir werden diesen Wählerauftrag erfüllen. Ab heute haben wir Klarheit über die Rahmenbedingungen für Steuerbürger und die Wirtschaft geschaffen.
({6})
Das wird jetzt verbreitet werden, ich hoffe, mit Unterstützung des Regierungsapparats, damit endlich klar
wird, was hier beschlossen wird.
({7})
Unter Ihrer Verantwortung wurden Arbeitnehmer und
Familien sowie Teile des Mittelstandes Jahr für Jahr
stärker belastet. Das sind Tatsachen und nicht Ideologie.
({8})
Wir korrigieren diese Entwicklung Schritt für Schritt.
Das geht nicht über Nacht. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt in mehreren Entscheidungen klargestellt,
wie Ihre Politik zu bewerten ist. Wir sind dabei, die Gerechtigkeitslücken zu schließen, die Sie während Ihrer
Regierungszeit haben entstehen lassen. Das ist die
Wahrheit.
({9})
Meine Damen und Herren von CDU/CSU und F.D.P.,
Sie sind Spezialisten für Steuer- und Abgabenerhöhungen und haben keine Veranlassung, sich so aufzuführen,
wie das heute morgen hier der Fall war.
({10})
Trotz Ihrer Tricksereien gilt: Schon fünf Monate nach
Amtsantritt verabschieden wir diesen Gesetzentwurf, der
für Arbeitnehmer und Familien sowie für die mittelständische Wirtschaft einen wichtigen Schritt zu einer gerechteren Verteilung der Steuerlast darstellt. Herr Rauen, Sie haben das Hohelied des benachteiligten Mittelstandes gesungen. Sie hätten in Ihrer Verantwortung als
CDU-Bundestagsabgeordneter viele Jahre Gelegenheit
gehabt, diese Benachteiligung im Deutschen Bundestag
zu korrigieren.
({11})
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Wülfing?
Ja, natürlich gerne.
Bitte sehr, Frau
Kollegin.
Herr Kollege Poß, Sie
sind doch Ihrer Meinung nach deswegen gewählt worden, um die Belastung der Bürger, speziell der Arbeitnehmer, zu reduzieren. Ich habe hier ein an den Finanzausschuß des Deutschen Bundestages gerichtetes
Schreiben einer Arbeitnehmerin mit Steuerklasse V. Sie
schreibt uns allen - Sie nehmen das gar nicht wahr -,
daß sich bei ihr ausweislich der Januarabrechnung 1999,
die sie beigelegt hat, die Lohnsteuerbelastung nicht gesenkt, sondern erhöht hat. Sie schreibt, daß diese Tatsache Frauen in sehr großer Zahl betrifft. Hat sie nach Ihrer Ansicht - sie verdient 2 157 DM - ein geringes, ein
mittleres, ein normales oder ein hohes Einkommen?
Frau Kollegin Wülfing, wenn
Sie eine verantwortungsbewußte Parlamentarierin sind
oder sein wollen, dann werden Sie der Dame, die das
geschrieben hat, wohl mitteilen, daß die vorübergehende
steuerliche Belastung, die sich aus der Lohnsteuerklasse
V ergibt, spätestens mit dem Lohnsteuerjahresausgleich
ausgeglichen wird. Ich hoffe, Sie werden ihr das in diesem Sinne mitteilen.
({0})
- Klar, der Mann hat Steuerklasse III und sie Steuerklasse V. - Das werden Sie sicherlich klarstellen. Sie haben
ja im Finanzausschuß schon einige Zeit Gelegenheit gehabt, sich die dafür notwendigen Fachkenntnisse anzueignen.
({1})
Ich war gerade bei dem Thema der unterschiedlichen
Belastungen der exportierenden Großindustrie einerseits
und der mittelständischen Wirtschaft andererseits. Dies
ist eine schwere Erblast der Regierung Kohl, die wir hier
abtragen müssen. Auch das geht nur schrittweise. Denn
wir senken mit diesem Gesetzespaket die Steuersätze
und erhalten trotzdem günstige Abschreibungsregelungen für den Mittelstand, und zwar viel günstigere, als es
bei Ihnen vorgesehen war.
({2})
Unsere steuerpolitische Konzeption
({3})
ist auf eine mutige Steuerreform gerichtet.
({4})
Wir bereinigen das Steuerrecht und erreichen dies durch
die Streichung von Steuersubventionen im Umfange
von knapp 37 Milliarden DM. Das ist die größte Neuordnung des deutschen Steuerrechtes seit dem zweiten
Weltkrieg. Das setzen wir in Gang, nicht Sie.
({5})
Der Umfang der Nettoentlastung ist sehr groß. Das
wird die öffentlichen Haushalte, und zwar die des Bundes, der Länder und der Kommunen, schmerzen. Nur,
der Unterschied zu Ihnen ist: Wir setzen zugleich eine
Gegenfinanzierung in Gang, so daß es verkraftbar ist.
({6})
Wenn wir Ihrer Konzeption gefolgt wären, dann hätten
wir den Ruin der öffentlichen Haushalte beschlossen.
Das ist der Unterschied.
({7})
- Das glaube ich schon.
({8})
Die sachkundigen Kolleginnen und Kollegen unter
Ihnen wissen doch, daß Herr Waigel aus genau diesem
Grunde in seiner Broschüre „Symmetrische Finanzpolitik 2010“ festgestellt hat, daß erst nach Einpassung
der Defizite aus den Steuerreformplänen von CDU/CSU
und F.D.P. in die Finanzplanung entschieden werden
könne, in welchem Zeitraum, in welchen Stufen und in
welchem Ausmaß die Steuerreformvorstellungen von
CDU/CSU und F.D.P. verwirklicht werden können. Ich
füge hinzu: weil keine Vorsorge getroffen worden war.
Dies müsse nach der Wahl bestimmt werden, so steht es
in dem Waigel-Papier. Das ist die Wahrheit.
Sie haben den Wählern eine Entlastung vorgegaukelt,
die nie mit der Realität des Haushaltes in Übereinstimmung stand.
({9})
Das tun wir nicht. Der Bundesfinanzminister hat heute
morgen ausgeführt, was uns unterscheidet: Wir sagen
den Menschen die Wahrheit, während Sie, wie Sie das
jahrelang getan haben, die Wahrheit vernebeln.
({10})
In Waigels Konzept - damit auch in Ihrem Konzept war keine umfassende Entlastung der Familien vorgesehen. Herr Waigel wollte das Kindergeld für das zweite
Kind um 20 DM erhöhen. Welch ein Jammer für die
deutschen Familien, wenn er sich durchgesetzt hätte! Es
gab auch kein neues Konzept für ein modernes Unternehmensteuerrecht.
({11})
Das heißt: Ihre Entwürfe waren unvollständig, offensichtlich nicht finanzierbar und ungerecht, meine Damen
und Herren. Deswegen haben Sie keine konkreten Alternativen eingebracht.
Sie sind sich längst nicht mehr einig. Sie von der
F.D.P. haben doch im Bundestagswahlkampf ein ganz
anderes Konzept vorgelegt.
({12})
- Natürlich. - Sie haben Ihrer Klientel eine Entlastung
von bis zu 200 Milliarden DM versprochen.
({13})
Gegenüber dem Versprechen, das Sie gegeben haben,
war der Lügenbaron von Münchhausen ja seriös, Herr
Thiele.
({14})
Wir stehen jetzt vor dem Scherbenhaufen Ihrer Politik, vor der hohen Verschuldung. Aber wir werden ihn
abtragen - Schritt für Schritt, berechenbar, solide und
wahrheitsgemäß. Wir werden dem deutschen Volk nicht
das zumuten, was Sie ihm zugemutet haben, nämlich die
Unwahrheit zu sagen.
Dazu gehört - Herr Thiele, da müßten Sie uns eigentlich unterstützen -, daß wir
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit!
- dies ist der Schluß meiner
Rede - auch wichtigen Unternehmensführern in der
Bundesrepublik Deutschland widersprechen, wenn sie
den deutschen oder auch den ausländischen Arbeitnehmern an Hand falscher Fakten androhen Arbeitsplätze
hier zu vernichten. Das deutsche Parlament müßte solch
unzulässigen Drohungen geschlossen entgegentreten.
({0})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zu zahlreichen Abstimmungen;
acht davon sind namentlich. Aus gegebenem Anlaß bitte
ich alle Kolleginnen und Kollegen, bei den namentlichen Abstimmungen sorgfältig darauf zu achten, daß die
Stimmkarten, die Sie verwenden, Ihren Namen tragen. Bitte verwenden Sie keine Stimmkarten aus der
13. Wahlperiode!
({0})
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/
2000/2002, Drucksachen 14/23 und 14/442.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU vor, über den wir mit Einverständnis des
Antragstellers zunächst abstimmen. Wer stimmt für den
Änderungsantrag auf Drucksache 14/469? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen zum Gesetzentwurf in der Ausschußfassung. Die Fraktion der CDU/CSU hat Einzelabstimmungen über eine Reihe von Vorschriften verlangt.
Ich rufe Art. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung auf. Die
Fraktion der CDU/CSU verlangt hierzu namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied anwesend, das seine Stimmkarte
nicht abgegeben hat?
({1})
Nur damit Sie es wissen: Ich passe auf, damit es zügig
geht.
Zweiter Versuch: Ist noch ein Mitglied des Hauses
anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das
ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Aus-
zählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung
wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Wir setzen die Abstimmungen fort. Sie können sich
wieder hinsetzen, meine Damen und Herren, weil so
schnell keine weitere namentliche Abstimmung folgt.
Jetzt kommen einfache Abstimmungen. Es wäre gut,
wenn klar ist, wer wie abstimmt.
Ich rufe Art. 1 Nr. 2 in der Ausschußfassung auf. Ich
bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist
diese Vorschrift angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 3 in der Ausschußfassung auf. Ich
bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? -
*) Seite 1945 B
Diese Vorschrift ist bei Stimmenthaltung der PDS und
gegen die Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. ange-
nommen worden.
Ich rufe Art. 1 Nr. 4 bis Art. 1 Nr. 6 Buchstabe a in
der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Art. 1 Nr. 4 bis Art. 1
Nr. 6 Buchstabe a sind angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 6 Buchstabe b in der Ausschußfas-
sung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um
das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Art. 1 Nr. 6 Buchstabe b ist angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 7 bis Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a
Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa Satz 1 in der
Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustim-
men wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen?
- Wer enthält sich? - Die aufgerufene Vorschrift ist an-
genommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa
Dreifachbuchstabe aaa Satz 2 in der Ausschußfassung
auf. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt hierzu na-
mentliche Abstimmung. Dies ist die zweite namentliche
Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. -
Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das nicht
abgestimmt hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die
Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis
der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
*) Seite 1948 D
Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich rufe Art. 1
Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchsta-
be bbb bis Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd
in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufenen Vor-
schriften sind angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe ee
in der Ausschußfassung auf. Auch hier hat die
CDU/CSU namentliche Abstimmung verlangt. Dies ist
die dritte namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze
einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der
Fall. Ich eröffne die Abstimmung. -
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das sei-
ne Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der
Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgege-
ben.*)
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung bekannt: Zweite Beratung eines Entwurfs
eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, Art. 1
Nr. 1. Abgegebene Stimmen 590. Mit Ja haben ge-
stimmt 313, mit Nein haben gestimmt 277, Enthaltungen
keine. Die entsprechende Vorschrift ist damit ange-
nommen.
*) Seite 1951 A
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 590;
davon
ja: 313
nein: 277
Ja
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({2})
Klaus Barthel ({3})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({4})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({5})
Bernhard Brinkmann
({6})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({7})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({8})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({9})
Lilo Friedrich ({10})
Harald Friese
Anke Fuchs ({11})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({12})
Angelika Graf ({13})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({14})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({15})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({16})
({17})
Frank Hofmann ({18})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({19})
Johannes Kahrs
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({20})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({21})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({22})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({23})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller
({24})
Jutta Müller ({25})
Christian Müller ({26})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({27})
Gerhard Neumann ({28})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({29})
Birgit Roth ({30})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({31})
Ulla Schmidt ({32})
Silvia Schmidt ({33})
Dagmar Schmidt ({34})
Wilhelm Schmidt ({35})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({36})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({37})
Brigitte Schulte ({38})
Reinhard Schultz
({39})
Volkmar Schultz ({40})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({41})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({42})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({43})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({44})
Jürgen Wieczorek ({45})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({46})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({47})
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({48})
Waltraud Wolff ({49})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({50})
Marieluise Beck ({51})
Volker Beck ({52})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({53})
Joseph Fischer ({54})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({55})
Kerstin Müller ({56})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({57})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({58})
Werner Schulz ({59})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm
({60})
Margareta Wolf ({61})
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({62})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({63})
Hartmut Büttner
({64})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({65})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({66})
Axel Fischer ({67})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Dr. Gerhard Friedrich
({68})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({69})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({70})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({71})
({72})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({73})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({74})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({75})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({76})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({77})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({78})
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({79})
Elmar Müller ({80})
Bernd Neumann ({81})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({82})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Peter Rauen
Christa Reichard
({83})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({84})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({85})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({86})
Andreas Schmidt ({87})
Hans Peter Schmitz
({88})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({89})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({90})
Gerald Weiß ({91})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({92})
Hans-Otto Wilhelm
({93})
Willy Wimmer ({94})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({95})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({96})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({97})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich Leonhard Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({98})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({99})
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({100})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich rufe Art. 1
Nr. 8 Buchstabe b bis Art. 1 Nr. 11 Buchstabe a Dop-
pelbuchstabe bb erster Halbsatz in der Ausschußfassung
auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das
Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich
der Stimme? - Die aufgerufenen Vorschriften sind an-
genommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuch-
stabe bb zweiter Halbsatz in der Ausschußfassung auf.
Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das
Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer ent-
hält sich? - Die aufgerufene Vorschrift ist angenom-
men.
Ich rufe Art. 1 Nr. 11 Buchstabe b bis Art. 1 Nr. 17 in
der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt
dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufenen Vor-
schriften sind angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 18 in der Ausschußfassung auf. Ich
bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? -
Art. 1 Nr. 18 ist angenommen.
Ich rufe Art. 1 Nr. 19 bis Art. 4 in der Ausschußfas-
sung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um
das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenom-
men.
Ich rufe Art. 5 Nr. 1 in der Ausschußfassung auf. Die
Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstim-
mung. Es ist die vierte namentliche Abstimmung. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorge-
sehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt?
- Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich
noch einmal zu vergewissern, daß Sie die Karte mit Ih-
rem Namen abgeben. Das ist offensichtlich höchst kom-
pliziert.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Wir setzen die Abstimmung fort.
Ich rufe Art. 5 Nr. 2 bis Art. 18 sowie Einleitung und
Überschrift in der Ausschußfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.
Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen
Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung.
({101})
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt.
Die zweite namentliche Abstimmung betraf Art. 1 Nr.
8 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Dreifachbuchstabe aaa Satz 2,
({102})
Drucksachen 14/23 und 14/442. Abgegebene Stimmen
588. Mit Ja haben gestimmt 342, mit Nein haben ge-
stimmt 246, Enthaltungen keine. Die entsprechende
Vorschrift ist angenommen.
*) Seite 1953 B
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 588;
davon
ja: 342
nein: 246
Ja
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({103})
Klaus Barthel ({104})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({105})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({106})
Bernhard Brinkmann
({107})
Hans-Günter Bruckmann
Dr. Michael Bürsch
Ursula Burchardt
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({108})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({109})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({110})
Lilo Friedrich ({111})
Harald Friese
Anke Fuchs ({112})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({113})
Angelika Graf ({114})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({115})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({116})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({117})
({118})
Frank Hofmann ({119})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({120})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({121})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({122})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({123})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({124})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({125})
Jutta Müller ({126})
Christian Müller ({127})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann
({128})
Gerhard Neumann ({129})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({130})
Birgit Roth ({131})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({132})
Ulla Schmidt ({133})
Silvia Schmidt ({134})
Dagmar Schmidt ({135})
Wilhelm Schmidt ({136})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({137})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({138})
Brigitte Schulte ({139})
Reinhard Schultz
({140})
Volkmar Schultz ({141})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({142})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({143})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({144})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({145})
Jürgen Wieczorek ({146})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({147})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({148})
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({149})
Waltraud Wolff ({150})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({151})
Marieluise Beck ({152})
Volker Beck ({153})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({154})
Joseph Fischer ({155})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({156})
Kerstin Müller ({157})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({158})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({159})
Werner Schulz ({160})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({161})
Margareta Wolf ({162})
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({163})
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({164})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({165})
Hartmut Büttner
({166})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({167})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({168})
Axel Fischer ({169})
Dr. Gerhard Friedrich
({170})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({171})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({172})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({173})
({174})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({175})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({176})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({177})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({178})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({179})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({180})
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({181})
Elmar Müller ({182})
Bernd Neumann ({183})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({184})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Peter Rauen
Christa Reichard ({185})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({186})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({187})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({188})
Andreas Schmidt ({189})
Hans Peter Schmitz
({190})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({191})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({192})
Gerald Weiß ({193})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({194})
Hans-Otto Wilhelm ({195})
Willy Wimmer ({196})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({197})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({198})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther
({199})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({200})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({201})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Die dritte namentliche Abstimmung betraf Art. 1
Nr. 8 Buchstabe a Doppelbuchstabe ee, Drucksachen
14/23 und 14/442. Abgegebene Stimmen 583. Mit Ja
haben gestimmt 309, mit Nein haben gestimmt 271,
Enthaltungen drei. Die entsprechende Vorschrift ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 582;
davon
ja: 308
nein: 271
enthalten: 3
Ja
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({202})
Klaus Barthel ({203})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({204})
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({205})
Bernhard Brinkmann
({206})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({207})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({208})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({209})
Lilo Friedrich ({210})
Harald Friese
Anke Fuchs ({211})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({212})
Angelika Graf ({213})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({214})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({215})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({216})
({217})
Frank Hofmann ({218})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({219})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({220})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({221})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({222})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({223})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({224})
Jutta Müller ({225})
Christian Müller ({226})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({227})
Gerhard Neumann ({228})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({229})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({230})
Ulla Schmidt ({231})
Silvia Schmidt ({232})
Dagmar Schmidt ({233})
Wilhelm Schmidt ({234})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({235})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({236})
Brigitte Schulte ({237})
Reinhard Schultz
({238})
Volkmar Schultz ({239})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({240})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({241})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({242})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek ({243})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({244})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer
({245})
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({246})
Waltraud Wolff ({247})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({248})
Marieluise Beck ({249})
Volker Beck ({250})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({251})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({252})
Kerstin Müller ({253})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({254})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({255})
Werner Schulz ({256})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({257})
Margareta Wolf ({258})
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({259})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({260})
Hartmut Büttner
({261})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({262})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({263})
Axel Fischer ({264})
Dr. Gerhard Friedrich
({265})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({266})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({267})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({268})
({269})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({270})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({271})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({272})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({273})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({274})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({275})
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({276})
Elmar Müller ({277})
Bernd Neumann ({278})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({279})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Christa Reichard ({280})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({281})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({282})
Andreas Schmidt ({283})
Hans Peter Schmitz
({284})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({285})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({286})
Gerald Weiß ({287})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({288})
Hans-Otto Wilhelm ({289})
Willy Wimmer ({290})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun ({291})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({292})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({293})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich Leonhard Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto ({294})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Gustav-Adolf Schur
Enthalten
PDS
Sabine Jünger
Manfred Müller ({295})
Christina Schenk
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({296})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Die vierte namentliche Abstimmung betraf Art. 5
Nr. 1, Drucksachen 14/23 und 14/442. Abgegebene
Stimmen 592. Mit Ja haben gestimmt 342, mit Nein haben gestimmt 249, Enthaltungen eine. Die entsprechende Vorschrift ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 590;
davon
ja: 341
nein: 248
enthalten: 1
Ja
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({297})
Klaus Barthel ({298})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({299})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({300})
Bernhard Brinkmann
({301})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({302})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({303})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({304})
Lilo Friedrich ({305})
Harald Friese
Anke Fuchs ({306})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({307})
Angelika Graf ({308})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({309})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({310})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({311})
({312})
Frank Hofmann ({313})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({314})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({315})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({316})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({317})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({318})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({319})
Jutta Müller ({320})
Christian Müller ({321})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({322})
Gerhard Neumann ({323})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({324})
Birgit Roth ({325})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({326})
Ulla Schmidt ({327})
Silvia Schmidt ({328})
Dagmar Schmidt ({329})
Wilhelm Schmidt ({330})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({331})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({332})
Brigitte Schulte ({333})
Reinhard Schultz
({334})
Volkmar Schultz ({335})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({336})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({337})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({338})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({339})
Jürgen Wieczorek ({340})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({341})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({342})
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({343})
Waltraud Wolff ({344})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({345})
Marieluise Beck ({346})
Volker Beck ({347})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({348})
Joseph Fischer ({349})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({350})
Kerstin Müller ({351})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({352})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({353})
Werner Schulz ({354})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({355})
Margareta Wolf ({356})
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({357})
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({358})
Hartmut Büttner
({359})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({360})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({361})
Axel Fischer ({362})
Dr. Gerhard Friedrich
({363})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({364})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({365})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({366})
({367})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({368})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({369})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({370})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({371})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({372})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({373})
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({374})
Elmar Müller ({375})
Bernd Neumann ({376})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({377})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Dieter Pützhofen
Thomas Rachel
Hans Raidel
Christa Reichard ({378})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({379})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({380})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({381})
Andreas Schmidt ({382})
Hans Peter Schmitz
({383})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({384})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Arnold Eugen Hugo Vaatz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({385})
Gerald Weiß ({386})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({387})
Hans-Otto Wilhelm ({388})
Willy Wimmer ({389})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({390})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({391})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({392})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({393})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Enthalten
PDS
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({394})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Ich rufe die
dritte Beratung
und Schlußabstimmung auf. Die Fraktionen der SPD
und des Bündnisses 90/Die Grünen verlangen nament-
liche Abstimmung. Das ist die fünfte namentliche Ab-
stimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen
besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.*)
Bevor wir die Abstimmungen fortsetzen, möchte ich
darauf hinweisen, daß nach diesen Abstimmungen die Debatte über den Internationalen Frauentag stattfindet. Ich
bitte alle - vor allen Dingen die Männer, aber auch die
Kolleginnen -, an dieser wichtigen Debatte teilzunehmen.
({395})
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/467. Die Fraktion der CDU/CSU ver-
langt namentliche Abstimmung; es ist die sechste na-
mentliche Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen
besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das
Ergebnis wird Ihnen später bekanntgegeben.**)
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa-
che 14/465. Die Fraktion der F.D.P. verlangt namentli-
che Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. -
Sind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne
die Abstimmung.
**) Seite 1956 D
**) Seite 1959 A
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekanntgegeben.*)
Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur
achten und letzten namentlichen Abstimmung, nämlich
zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der
Fraktion der PDS auf Drucksache 14/451. Die Fraktion
der PDS verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das ist
der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine
Stimme nicht abgegeben habt? - Das ist nicht der Fall. -
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekanntgege-
ben.**)
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache
14/459. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Ent-
schließungsantrag ist abgelehnt.
Bevor ich Ihnen das Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung mitteile, darf ich noch bekanntgeben, daß
Erklärungen zur Abstimmung zu Protokoll gegeben
werden, und zwar von den Kollegen Klaus Bräh-
mig***), Gert Weisskirchen****) und Dr. Uwe-Jens
Rössel*****).
Ich gebe das von den Schriftführerinnen Schriftfüh-
rern und ermittelte Ergebnis der namentlichen
Schlußabstimmung über den Entwurf eines Steuerentla-
stungsgesetzes 1999/2000/2002 der Fraktionen der SPD
und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksachen
14/23 und 14/442 bekannt. Abgegebene Stimmen 590. Mit
Ja haben gestimmt 312, mit Nein haben gestimmt 251,
Enthaltungen 27. Das Gesetz ist damit angenommen.
*****) Seite 1975 B
*****) Seite 1978 A
*****) Anlage 3
*****) Anlage 4
*****) Anlage 5
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 589;
davon
ja: 311
nein: 251
enthalten: 27
Ja
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({396})
Klaus Barthel ({397})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({398})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({399})
Bernhard Brinkmann
({400})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({401})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({402})
Gabriele Fograscher
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({403})
Lilo Friedrich ({404})
Harald Friese
Anke Fuchs ({405})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({406})
Angelika Graf ({407})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({408})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({409})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({410})
({411})
Frank Hofmann ({412})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({413})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({414})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({415})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({416})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({417})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({418})
Jutta Müller ({419})
Christian Müller ({420})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({421})
Gerhard Neumann ({422})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({423})
Birgit Roth ({424})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({425})
Ulla Schmidt ({426})
Silvia Schmidt ({427})
Dagmar Schmidt ({428})
Wilhelm Schmidt ({429})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({430})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({431})
Brigitte Schulte ({432})
Reinhard Schultz
({433})
Volkmar Schultz ({434})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({435})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({436})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({437})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({438})
Jürgen Wieczorek ({439})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({440})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer
({441})
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({442})
Waltraud Wolff ({443})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({444})
Marieluise Beck ({445})
Volker Beck ({446})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({447})
Joseph Fischer ({448})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({449})
Kerstin Müller ({450})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({451})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({452})
Werner Schulz ({453})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({454})
Margareta Wolf ({455})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({456})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({457})
Hartmut Büttner
({458})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({459})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({460})
Axel Fischer ({461})
Dr. Gerhard Friedrich
({462})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({463})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({464})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({465})
({466})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({467})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({468})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({469})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({470})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({471})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({472})
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({473})
Elmar Müller ({474})
Bernd Neumann ({475})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({476})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Dieter Pützhofen
Thomas Rachel
Hans Raidel
Peter Rauen
Christa Reichard ({477})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({478})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({479})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({480})
Andreas Schmidt ({481})
Hans Peter Schmitz
({482})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({483})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({484})
Gerald Weiß ({485})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({486})
Hans-Otto Wilhelm ({487})
Willy Wimmer ({488})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({489})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({490})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther
({491})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({492})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
PDS
Sabine Jünger
Enthalten
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({493})
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({494})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
({495})
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU, Drucksache
14/467, bekannt: Abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 248, mit Nein haben gestimmt 339, Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 582;
davon
ja: 248
nein: 335
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({496})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({497})
Hartmut Büttner
({498})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({499})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({500})
Axel Fischer ({501})
Dr. Gerhard Friedrich
({502})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({503})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({504})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({505})
({506})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({507})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({508})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({509})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({510})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({511})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({512})
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({513})
({514})
Bernd Neumann ({515})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({516})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Dieter Pützhofen
Thomas Rachel
Hans Raidel
Peter Rauen
Christa Reichard ({517})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({518})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({519})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({520})
Andreas Schmidt ({521})
Hans Peter Schmitz
({522})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({523})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({524})
Gerald Weiß ({525})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({526})
Hans-Otto Wilhelm ({527})
Willy Wimmer ({528})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({529})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({530})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({531})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({532})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Nein
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({533})
Klaus Barthel ({534})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({535})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({536})
Bernhard Brinkmann
({537})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({538})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({539})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({540})
Harald Friese
Anke Fuchs ({541})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({542})
Angelika Graf ({543})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl Hermann Haack
({544})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({545})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({546})
({547})
Frank Hofmann ({548})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({549})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({550})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({551})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({552})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({553})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({554})
Jutta Müller ({555})
Christian Müller ({556})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({557})
Gerhard Neumann ({558})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({559})
Birgit Roth ({560})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({561})
Ulla Schmidt ({562})
Silvia Schmidt ({563})
Dagmar Schmidt ({564})
Wilhelm Schmidt ({565})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({566})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({567})
Brigitte Schulte ({568})
Reinhard Schultz
({569})
Volkmar Schultz ({570})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({571})
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({572})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({573})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({574})
Jürgen Wieczorek ({575})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({576})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({577})
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({578})
Waltraud Wolff ({579})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({580})
Marieluise Beck ({581})
Volker Beck ({582})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({583})
Joseph Fischer ({584})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Reinhard Loske
({585})
Kerstin Müller ({586})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({587})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({588})
Werner Schulz ({589})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({590})
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({591})
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Christina Schenk
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({592})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Wir warten noch einen Augenblick auf die Ergebnisse der Auszählung der anderen beiden namentlichen Abstimmungen. Die Sitzung ist unterbrochen.
({593})
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das Ergebnis der beiden letzten
namentlichen Abstimmungen am Ende der Debatte
über den Internationalen Frauentag bekannt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Debatte anläßlich des Internationalen Frauentages
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache über den Internationalen Frauentag eine
Stunde vorgesehen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die
Parlamentarische Staatssekretärin Frau Dr. Edith Niehuis.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Vor 80 Jahren erhielten Frauen in Deutschland erstmalig das volle Wahlrecht. Erlauben Sie mir,
daß ich mit Stolz feststelle, daß es die SPD war, die dieVizepräsidentin Anke Fuchs
ses wichtige demokratische Recht für Frauen durchsetzte.
({0})
Vor 80 Jahren, am 19. Februar 1919, ergriff eine Frau
erstmalig in einem deutschen Parlament das Wort. Es
war die sozialdemokratische Abgeordnete Marie
Juchacz. Sie stellte damals zu Recht fest, daß ohne die
Frauen eine deutsche Demokratie nicht möglich gewesen wäre, und meinte, in Deutschland sei die Frauenfrage damit gelöst.
Für die Rechte der Frauen stritten dann viele bis
heute, so auch die Mütter des Grundgesetzes, die für
die Aufnahme des Art. 3 Abs. 2 in die Verfassung sorgten: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dieser
Grundgesetzartikel führte schon im November 1949 zu
einem Antrag im Deutschen Bundestag, der lautete:
Die Bundesregierung wird ersucht, im Bundestag
baldigst die Gesetzesvorlagen einzubringen, die
notwendig sind, um die Gleichberechtigung der
Frau … zu verwirklichen.
Wir wissen, seit dieser Zeit ist so manche Reform auf
den Weg gebracht worden, die in unseren Gesetzen die
Gleichberechtigung der Frauen herstellte.
Dennoch: Als wir nach der deutschen Vereinigung in
der Gemeinsamen Verfassungskommission prüfen
wollten, ob Änderungen in unserem Grundgesetz notwendig sind, haben wir sehr schnell gemerkt, daß die
Gleichberechtigung auf dem Papier keine tatsächliche
Gleichberechtigung in der Gesellschaft bedeutet. Darum
haben wir 1994 Art. 3 Abs. 2 unseres Grundgesetzes
um ein wichtiges Staatsziel ergänzt. Jetzt heißt es in unserer Verfassung:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile
hin.
({1})
Ein paar Jahre später wurden durch den Vertrag von
Amsterdam für Europa ähnliche Ziele formuliert. Der
Vertrag nennt die Gleichstellung ausdrücklich als Aufgabe der EU und verlangt, daß die EU auf die Beseitigung der Ungleichheit und die Förderung der Gleichstellung hinwirkt. Diese auf die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung ausgerichteten Ziele sind
ein Fortschritt. Sie erfordern auch in der Politik qualitativ neue Schritte.
({2})
Ich habe in den letzten Jahren sehr bedauert, daß die
ehemalige Bundesregierung, die Kohl-Regierung, nicht
bereit war, diese neue Verfassungslage für eine wirksamere Gleichstellungspolitik zu nutzen.
({3})
Allen Staatszielen zum Trotz hat die Kohl-Regierung in
der Gleichstellungspolitik keine Fortschritte erzielt, sondern viel eher einen Rückwärtsgang eingelegt.
Das läßt sich an einem aktuellen Beispiel sehr gut
verdeutlichen. Im Moment tagt die Frauenrechtskommission in New York. Es geht auf UN-Ebene zum wiederholten Male um das Zusatzprotokoll zum „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau“. Es geht darum, daß diese Antidiskriminierungskonvention, die es seit 20 Jahren gibt, über das
Stadium der reinen Absichtserklärung hinauskommt und
daß Frauen zum Beispiel über ein Beschwerderecht die
Respektierung ihrer Menschenrechte anmahnen können.
Im letzten Jahr noch spielte Deutschland eine unrühmliche Rolle und stellte sich als Gegner der Stärkung
der Frauenrechte im internationalen Rahmen dar. Auf
diese Weise isolierte es sich von den übrigen EUStaaten. Dies hat sich mit dem Regierungswechsel
grundlegend geändert.
({4})
Ministerin Bergmann ist im Moment in New York, um
zusammen mit den EU-Staaten für die Verabschiedung
des Zusatzprotokolls einzutreten und so die Durchsetzung von Frauenrechten international zu stärken.
Am Internationalen Frauentag sollte man betonen,
daß Frauenrechte Menschenrechte sind. Das bedeutet,
Gleichstellungspolitik wird nicht gebraucht, weil Frauen
hilfsbedürftige Wesen sind, die gefördert werden müßten. Wer Gleichstellungspolitik so versteht, der geht am
Kern der Sache vorbei.
({5})
Frauen von heute erwarten von politischen Entscheidungen keine Sonderförderung; aber sie erwarten vollkommen zu Recht, daß Rahmenbedingungen geschaffen
werden, die es ihnen ermöglichen, ihr geistiges Potential
und ihre Kreativität in Wirtschaft und Gesellschaft voll
zu entfalten.
({6})
Leider hat sich die Politik der letzten Jahre von diesem Ziel entfernt. Wer den Kündigungsschutz für Beschäftigte in Klein- und Mittelbetrieben abbaut, wie unter der Kohl-Regierung geschehen, der mußte wissen,
daß hiervon Frauen überdurchschnittlich betroffen waren. Darum haben wir in den ersten 100 Tagen unserer
Regierungszeit diese Fehlentscheidung sofort korrigiert.
({7})
Wer im Arbeitsförderungsrecht eine Arbeit auch
dann für zumutbar hält, wenn die täglichen Pendelzeiten
verlängert werden, der mußte wissen, daß eine Verlängerung der Zeit des Pendelns zur Arbeit insbesondere
für Frauen mit Kindern, gerade wenn sie eine Teilzeitarbeit suchen, nicht zumutbar ist. Wir werden diese
frauendiskriminierende Fehlentscheidung der Kohl-Regierung zurücknehmen.
({8})
Wer die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kürzt,
wie unter der Kohl-Regierung geschehen, mußte wissen,
daß hiervon insbesondere Geringverdienende besonders
hart betroffen werden. Leider sind es die Frauen, die in
der Regel weniger als die Männer verdienen. Darum haben wir diese Fehlentscheidung in den ersten 100 Tagen
unserer Regierungszeit sofort korrigiert.
({9})
Wer eine Senkung des Rentenniveaus einleitet, wie
unter der Kohl-Regierung geschehen, der mußte wissen,
daß hiervon Frauen mit ihren im Durchschnitt viel geringeren Rentenansprüchen besonders hart betroffen
sind. Wir haben diese politische Fehlentscheidung korrigiert und werden mit unserer Rentenreform ein Konzept
zur eigenständigen Alterssicherung für Frauen vorlegen.
({10})
Kurzum: Es bleibt festzuhalten, in den letzten Jahren
hat der Staat seinen Verfassungsauftrag, auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, nicht ernst genommen, sondern den schon bestehenden Nachteilen
weitere Nachteile für Frauen hinzugefügt. Dieser Politik
wurde durch den Regierungswechsel ein Ende gesetzt.
({11})
Das hat auch Bundeskanzler Schröder am 14. Januar
deutlich gemacht, als er das Arbeitsprogramm der Bundesregierung für 1999 vorstellte. Er nannte zwei Ziele
der Bundesregierung, die ich in diesem Zusammenhang
noch einmal hervorheben möchte, nämlich aus der Bundesrepublik ein kinder- und familienfreundliches Land
zu machen und die Gleichstellung von Frau und Mann
gesellschaftliche Realität werden zu lassen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil
vom 10. November 1998, mit dem es das Versagen der
Familienpolitik der Kohl-Regierung dokumentierte, folgenden Satz formuliert:
Der Staat hat dementsprechend dafür Sorge zu tragen, daß es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer
Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit
und Erwerbsarbeit miteinander zu verbinden.
Mit diesem Satz bestärkt das Bundesverfassungsgericht
die Bundesregierung in ihrem Vorhaben, das Bundeserziehungsgeldgesetz von 1986 zu reformieren. Das alte
Bundeserziehungsgeldgesetz war von Anfang an zu starr
angelegt und hat es Eltern unmöglich gemacht, Familien- und Erwerbstätigkeit zu kombinieren. So haben Sie,
meine Damen und Herren, Müttern Anreize gegeben,
zugunsten der Familienarbeit auf Erwerbstätigkeit ganz
zu verzichten, und Vätern das ruhige Gewissen, die Familienarbeit getrost den Frauen überlassen zu können.
Denn nach wie vor sind es nur 2 Prozent der Väter, die
Erziehungsurlaub nehmen.
Wir werden den Erziehungsurlaub flexibler gestalten sowie Vätern und Müttern eine Reduzierung ihrer
Arbeitszeit während der ersten Erziehungsjahre ermöglichen, so daß aus dem Erziehungsurlaub wirklich ein Elternurlaub werden kann.
({12})
Junge Frauen und zunehmend auch junge Männer
wollen beides, Familie und Beruf. Unsere Reform wird
es ihnen ermöglichen, ihren Lebensentwurf auch wirklich leben zu können.
Zunehmend wissen die Frauen, daß sie sich am besten sozial absichern, wenn sie finanziell auf eigenen
Füßen stehen. Die erwerbstätige Frau als Ausnahme,
wie viele es im Westen gewohnt waren, wird der Vergangenheit angehören, ebenso jene Männer wie Kurt
Biedenkopf, die davon träumen, „die übersteigerte Erwerbsneigung der Frauen auf ein normales Maß zurückführen zu können“.
Die Zeiten, in denen Frauen auf ihren Prinzen warteten, der ihr Leben bestimmt, gehören endgültig
der Vergangenheit an.
({13})
Dieses ist kein Zitat von mir, sondern so heißt es in einer
im Februar veröffentlichten Studie der KonradAdenauer-Stiftung. Weil es sich so entwickeln wird,
wird die Regierung dem Bereich „Frau und Beruf“ mehr
Aufmerksamkeit widmen.
Dieser Bereich bedarf in der Tat größerer Aufmerksamkeit. Nach wie vor verdienen Frauen im Beruf ein
Viertel weniger als die Männer, trotz einer eindeutigen
EU-Richtlinie, die gleichen Lohn für gleichwertige
Arbeit fordert. Darum nehme ich den Internationalen
Frauentag gerne zum Anlaß, die Tarifparteien daran zu
erinnern, daß sie bei aller Tarifautonomie auch an Art. 3
Abs. 2 unseres Grundgesetzes gebunden sind, der sie
auffordert, die Gleichberechtigung von Männern und
Frauen tatsächlich durchzusetzen und bestehende Nachteile zu beseitigen.
({14})
Im letzten Jahr wurde von der Gleichstellungsministerin in Nordrhein-Westfalen eine Studie veröffentlicht, in der 3 275 Stellenanzeigen ausgewertet wurden.
Vor allem für Führungsjobs wurden Männer bevorzugt.
So richteten sich zwei Drittel aller Anzeigen für Positionen im oberen Management ausschließlich an Männer.
Der DGB stellte im letzten Jahr fest, daß Frauen trotz
nachweislich besserer Schulabschlüsse bei der LehrstelParl. Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis
lensuche häufiger leer ausgingen als Männer. Nicht zuletzt sind es die Frauen, die immer stärker in die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse gedrängt wurden.
Das sind nur einige Daten, die zeigen, daß die Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt bisher nicht
erfolgt ist.
Unsere Vorgängerregierung hat es, wie auch die Regierungsparteien der letzten Legislaturperioden, versäumt, in all diesen Feldern tätig zu werden.
({15})
Der Regierungswechsel hat auch hier eine Wende gebracht.
({16})
Wir haben das Problem der 630-DM-Verträge angepackt, wozu Sie nie in der Lage waren
({17})
- wenn man jahrelang nichts macht, würde ich wirklich
nicht so schreien wie Sie -,
({18})
und sorgen dafür, daß auch diese geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse die Rentenansprüche der Frauen mehren.
({19})
- Dann wissen Sie nichts von Rentenbiographien, Frau
Lenke, wenn Sie das so definieren.
Bei der Vorstellung seines Arbeitsprogramms 1999
hat Bundeskanzler Schröder daher vollkommen zu
Recht gesagt, daß diese Bundesregierung ein effektives
Gleichstellungsgesetz auf den Weg bringen wird, das
auch verbindliche Regeln für die Privatwirtschaft enthält.
({20})
Im Petitionsausschuß des Bundestages machte eine
Petentin geltend, daß eine Gleichstellung von Frauen in
der Arbeitswelt bisher nicht erfolgt sei. Einstimmig beschloß der Petitionsausschuß im letzten Monat, daß diese Eingabe als Anregung für gesetzgeberische Initiativen
geeignet sein könnte. Meine Damen und Herren von der
Opposition, auch Ihre Einsicht scheint allmählich zu
wachsen, was ich sehr begrüße.
({21})
Die Aufforderung unseres Grundgesetzes, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von
Frauen und Männern zu fördern, ist ein sehr ernstzunehmendes Staatsziel. Schließlich wissen wir, daß auch
die Ausübung von Gewalt in einer Gesellschaft mit
Machtverhältnissen zu tun hat. Die vermeintlich Schwächeren sind es, die überdurchschnittlich von Gewalt bedroht werden. Auch darum sind wir gehalten, die Stellung der Frauen in der Gesellschaft zu stärken.
Danke schön.
({22})
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Bärbel Sothmann, CDU/CSUFraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, haben die Frauen das Wort. Ihre Themen stehen im Blickpunkt der Öffentlichkeit,
Mann hört ihnen zu. Eigentlich sollte dies nicht nur an
einem Tag im Jahr so sein, sondern an 365 Tagen. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt. Die Gleichberechtigung steht zwar auf dem Papier, und es ist auch
eine Menge erreicht worden, doch die Zahlen sprechen
eine andere Sprache.
Machen Sie sich bitte klar: Die Mehrheit unserer Bevölkerung ist weiblich. Frauen stellen jedoch nur rund
5 Prozent der Top-Führungskräfte in der Wirtschaft. In
Entscheidungsgremien sind sie nur zu rund 12 Prozent
vertreten. Auch in hohen Staatsämtern ist es um die
Präsenz von Frauen schlecht bestellt.
({0})
Das ist beschämend, und das müssen wir ändern.
({1})
- Jawohl. - Frauen müssen überall sichtbarer werden.
Doch ein großer Wurf zur Verbesserung der Gleichberechtigung ist zur Zeit nicht in Sicht. Die neue Bundesregierung, die die Frauenpolitik zu ihrem Hauptthema gemacht hat, muß sich heute fragen lassen, wie ernst
sie es denn mit ihren Ankündigungen meint. Den Worten müssen Taten folgen.
({2})
Die Union jedenfalls setzt hier Zeichen. Mit Rita
Süssmuth hatten wir lange Jahre eine über Parteigrenzen
hinweg geachtete Frauenpolitikerin als Bundestagspräsidentin.
({3})
Mit Claire Marienfeld haben wir zum erstenmal eine
Frau als Wehrbeauftragte.
({4})
Angela Merkel ist die erste CDU-Generalsekretärin.
({5})
Jetzt, 80 Jahre nachdem die erste Frau in den Reichstag einzog, schlägt Ihnen die Union eine Frau auch für
die Bundespräsidentschaft vor:
({6})
Frau Professor Dr. Dagmar Schipanski. Sie verkörpert
wie kaum eine andere Persönlichkeit die Lebenserfahrungen der Menschen in den neuen Bundesländern. Als
Physikerin hat sie es in einer Männerdomäne zu großem
beruflichen Ansehen gebracht. Mit großer Kompetenz
und Erfahrung kann sie im Zeitalter der Globalisierung
die Entwicklung Deutschlands zu einer leistungsstarken
Wissens- und Informationsgesellschaft vorantreiben.
({7})
Sie will die innere Einheit fortentwickeln, das heißt, die
Menschen zusammenbringen. Das ist sehr wichtig.
({8})
Wir brauchen jemanden wie sie an der Spitze unseres
Landes. Meine Damen und Herren, die Zeit ist reif für
eine Frau im höchsten Staatsamt.
({9})
An alle Frauen und natürlich auch an alle emanzipierten
Männer appelliere ich deshalb: Zeigen Sie sich parteiübergreifend mit einer Frau solidarisch, und unterstützen
Sie unsere Kampagne „Schipanski for President“!
({10})
Dagmar Schipanski hat es geschafft, Beruf und Familie erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Damit ist
sie immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Insgesamt
stehen die Chancen für Frauen, nach höchsten Ämtern
zu greifen oder auch nur im Kleinen Karriere zu machen, in Deutschland alles andere als gut.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein.
({0})
Frauen haben mit vielen Nachteilen zu kämpfen: Sie
haben auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen als
Männer, sind häufiger von der Arbeitslosigkeit betroffen
und verdienen weniger.
({1})
Sie haben schlechtere Aufstiegs- und Karrierechancen.
Kindererziehung und Hausarbeit sind nach wie vor
Frauensache, auch wenn beide Partner berufstätig sind.
Ausnahmen gibt es sicherlich immer.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist das
zentrale Thema im Leben von Frauen. Die Verantwortung für Kinder und Familie liegt heute oft allein bei der
Frau. Unsere Gesellschaft wird aber nur dann zukunftsfähig sein, wenn Mann und Frau partnerschaftlich in allen Bereichen des Lebens Verantwortung übernehmen.
Das heißt, auch Väter müssen aktive Familienarbeit leisten.
({2})
Die Politik kann und darf den Menschen nicht vorschreiben, wie ihr Lebensentwurf auszusehen hat. Sie
kann und muß aber die Rahmenbedingungen bereitstellen, um eine echte Wahlmöglichkeit für Familie
und/oder Beruf zu eröffnen. Wir brauchen deshalb auch in Führungspositionen - flexible, familienfreundliche Arbeitszeiten und Arbeitsformen für Frauen und
Männer. Das Angebot an Mobilzeit- und Telearbeitsplätzen muß erhöht werden. Wir brauchen flexible, bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten, das
heißt längere Öffnungszeiten in den Kindertagesstätten,
Betreuungsangebote auch für Kinder unter drei Jahren,
mehr Hortplätze für die älteren Kinder oder auch Ganztagsschulen.
Wir brauchen die Gleichstellung von Familien- und
Erwerbsarbeit. Unter anderem müssen wir den Erziehungsurlaub flexibler gestalten und die Hilfen für Alleinerziehende verbessern.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur
finanziellen Entlastung von Familien muß so schnell wie
möglich umgesetzt werden.
({3})
Dazu gibt es zum Beispiel aus meiner Fraktion den Vorschlag, ein Familiengeld einzuführen. Dies muß selbstverständlich geprüft werden. Abgesehen davon muß die
Familienförderung nicht immer nur mit Geld verbunden
sein.
Meine Damen und Herren, um die Chancen von
Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, müssen wir
zuallererst die hohe Arbeitslosigkeit bekämpfen; denn
Frauen werden in Krisenzeiten als erste arbeitslos.
Leider hat die neue Bundesregierung die Maßnahmen
der Union zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung zum großen Teil rückgängig gemacht und
eine durchschlagende große Steuerreform verhindert.
Das Steuerentlastungsgesetz, das verabschiedet wurde,
zeigt all dies. Das Ergebnis sehen wir jetzt: Die Arbeitslosenzahlen steigen, und das Wirtschaftswachstum
verflacht. Korrekturen der geplanten Steuerreform sind
deshalb unbedingt erforderlich. Das heute verabschiedete Steuerentlastungsgesetz - ich habe es soeben gesagt - löst die Probleme nicht. Im Gegenteil, all diese
Probleme werden noch verschärft.
Wichtig ist auch die Neuregelung der geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse; Frau Staatssekretärin Niehuis, Sie haben es vorhin angeschnitten. Das Gesetz, das
die Regierung auf den Tisch gelegt hat, ist eine einzige
Enttäuschung. Es wird den Mißbrauch nicht eindämmen.
Es schafft keine neuen Arbeitsplätze, sondern nur mehr
Bürokratie. Es wird auch der Altersarmut von Frauen
nicht entgegenwirken. Um die soziale Sicherung von
Frauen im Alter zu verbessern, müssen viel weitergehende Maßnahmen ergriffen werden.
({4})
An die Wirtschaftsunternehmen appelliere ich: Verstehen Sie die Frauenförderung nicht länger als Schmusekurs! Frauenförderung in Unternehmen dient handfesten wirtschaftlichen Interessen. Die Initiative „Total-EQuality“ müssen wir weiter unterstützen, damit der
Frauenanteil auch in den Chefetagen weiter wächst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im eigenen
Betrieb können sich Frauen ihren Arbeitsplatz und ihre
Führungsposition selbst schaffen. Wir müssen Existenzgründungen von Frauen stärker als bisher fördern
und dabei das spezifische Gründungsverhalten von
Frauen besonders berücksichtigen.
Das A und O für gute Berufs- und Karrierechancen
von Frauen ist und bleibt eine qualifizierte Ausbildung.
Trotz guter Schulabschlüsse konzentrieren sich Mädchen bei der Berufswahl zu stark auf wenige klassische
Frauenberufe. Auch an den Universitäten sind die technischen Studiengänge leider noch immer Männerdomänen. Mädchen und Frauen müssen ihre Möglichkeiten
im technischen Bereich und in den zukunftsweisenden
Multimedia-Berufen besser nutzen. Dabei müssen wir
sie stärker als bisher unterstützen. Frauen dürfen den
Anschluß an die Wissens- und Informationsgesellschaft
des 21. Jahrhunderts nicht verpassen.
Insgesamt stellen Frauen heute rund die Hälfte der
Studierenden. Ihre Studienabschlüsse sind oft besser als
die von Männern. Schwierig wird die Situation für junge
Frauen an den Hochschulen dann, wenn sie eine wissenschaftliche Karriere anstreben. Rund ein Drittel aller
Absolventinnen promovieren noch. Doch in den Hochschulgremien und an der Spitze der Karriereleiter sind
Frauen unterrepräsentiert: Der Frauenanteil bei den Habilitationen beträgt nur 13,8 Prozent. Darum sind nur so
wenig Professuren in Frauenhand. Diese Benachteiligung hochqualifizierter Frauen muß dringend abgebaut
werden. Wir fordern, daß bis zum Jahre 2005 mindestens jeder fünfte Lehrstuhl in Deutschland mit einer
Frau besetzt ist.
Mit der 4. Novelle des Hochschulrahmengesetzes haben wir im letzten Jahr einen Durchbruch für die Frauen
an den Hochschulen erreicht und zahlreiche Maßnahmen
zur Verbesserung der Frauenförderung durchgesetzt.
Diesen Weg müssen wir fortsetzen.
Fast noch wichtiger als alle Förderprogramme ist es,
Frauenförderung nicht länger als etwas zu begreifen, das
Mann den Frauen freundlich gewährt. Es geht nicht darum, was Mann abgeben muß, sondern darum, was Frau
einbringen kann.
Unsere Gesellschaft ist nur dann zukunftsfähig, wenn
sich die weibliche und die männliche Sicht der Dinge zu
einem Gesamtbild ergänzen. Gerade im Zeitalter der
Globalisierung können wir es uns nicht länger leisten,
auf die kreativen Beiträge von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verzichten. Frauenpolitik darf
deshalb nicht länger ausschließlich als Familien- und
Sozialpolitik begriffen werden. Frauenpolitik ist eine
Querschnittsaufgabe.
Meine Damen und Herren, die Macht der Männer ist
die Geduld der Frauen. Liebe Männer hier im Hause, ich
hoffe, Sie haben nicht nur gehört, sondern auch gespürt,
wie unsere Ungeduld wächst. Die weibliche Sicht der
Dinge muß Bestandteil jedweder Politik werden, denn:
Ohne Frauen ist kein Staat zu machen! Lassen Sie uns
nach vorne schauen!
({5})
Ich erteile der Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe
Kolleginnen! Eine Debatte im Deutschen Bundestag
zum Internationalen Frauentag sei doch ein Anachronismus, sagte mir vor einigen Tagen eine junge Frau.
Damals, so sagte sie, vor 140 Jahren, als die Textilarbeiterinnen in New York streikten, weil sie für dieselbe
Arbeit nur einen Bruchteil des Männerlohns erhielten,
habe das einen Sinn gehabt. Auch vor 88 Jahren, als
zum erstenmal im Deutschen Reich über eine Million
Frauen auf die Straße gegangen seien, um für das Frauenwahlrecht zu kämpfen, habe das eine Berechtigung
gehabt. Aber heute, wo die Mädchen bessere Schulabschlüsse machten als die Jungen, wo die Studentinnen an
den Universitäten insgesamt in der Mehrzahl seien, da
mache das doch keinen Sinn. Eines stimmt: Mädchen
sind mit Abstand die Spitzenreiterinnen bei den Gymnasialabschlüssen, während die Jungen häufiger die Hauptoder Sonderschulen abschließen. Aber was folgt daraus?
Den Rückschluß der jungen Frau, die Gleichberechtigung sei doch erreicht und es sei nichts mehr zu tun, läßt
das nicht zu.
Richten wir einen Blick auf den Arbeitsmarkt. Spätestens bei der Berufswahl dreht sich die Abwärtsspirale
für die Frauen. 80 Prozent entscheiden sich für eine
Ausbildung in einem von zehn frauentypischen Berufen.
Diese Berufe zeichnen sich nicht nur dadurch aus, daß
sie schlecht bezahlt sind, sondern sie bieten auch so gut
wie keine Karrierechancen. Ein Vergleich: Die beiden
Berufe, in denen jeweils die meisten Männer und die
meisten Frauen ausgebildet werden, sind Friseurin und
Kfz-Mechaniker. Schon während der Ausbildung verdient der Kfz-Mechaniker ein Drittel mehr; im ersten
Berufsjahr verfügt er gar über 1 000 DM mehr als die
Friseurin. Hier findet sich bereits die erste Erklärung dafür, daß Frauen im Durchschnitt immer noch zirka ein
Viertel weniger verdienen als Männer. Bei Arbeiterinnen sind es nur 73 Prozent des Männerlohnes, bei Angestellten sogar nur 69 Prozent - und das, obwohl schon in
den Römischen Verträgen vor über 40 Jahren der
Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ verankert
wurde. Später hieß es: gleicher Lohn für gleichwertige
Arbeit.
Für die Frauen aus dem Osten kommt noch eine bittere Pille hinzu. Der ehemals geringe Abstand zwischen
Frauen- und Männerlöhnen hat sich in den letzten zehn
Jahren dem Westniveau angenähert.
Die Abwertung der weiblichen Arbeit macht auch vor
den Hochschulabsolventinnen nicht halt. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft 1997 ermittelt, daß Männer mit Universitätsabschluß durchschnittlich netto
5 000 DM verdienen, Frauen mit einem entsprechenden
Abschluß dagegen nur 3 200 DM. In den Hochschulen Frau Sothmann hat es gerade gesagt - steht es mit der
wissenschaftlichen Karriere auch nicht gerade zum besten. Gerade einmal 5 Prozent Professorinnen lehren und
forschen in der Bundesrepublik. Das ist kein mutmachender Tatbestand für die vielen Studentinnen.
Da wundert es eigentlich auch nicht mehr, daß in den
Führungspositionen der Wirtschaft nur 3 Prozent Frauen
tätig sind. Dies ist zudem teuer erkauft: Während
60 Prozent der männlichen Führungskräfte Kinder haben, sind es nur 17 Prozent der Führungsfrauen. Um das
Bild abzurunden: Von den 1 000 Bundesgremien sind
noch immer fast 300 als frauenfreie Zone anzusehen,
sind also ausschließlich mit Männern besetzt. Ich finde,
wir sollten hier, wo wir Einfluß haben, direkt ansetzen
und sofort etwas ändern.
({0})
Ist die Gleichberechtigung nun erreicht? Die Zahlen
sprechen eine eindeutige Sprache. Bleiben wir bei diesem Tempo, so wird im Jahre 2312 die tatsächliche
Gleichberechtigung durchgesetzt sein, hat eine Wissenschaftlerin ausgerechnet. So lange, meine lieben Kolleginnen, sollten wir nicht warten.
({1})
Also nutzen wir den Internationalen Frauentag 1999,
nicht um zu jammern, um uns etwa in einer Opferrolle
wohl zu fühlen, wie landläufig gesagt wird, sondern nutzen wir ihn für einen neuen Aufbruch! Machen wir
deutlich, daß eine Gesellschaft nur dann als demokratisch zu bezeichnen ist, wenn sie auch Gerechtigkeit
zwischen den Geschlechtern herstellt.
Ein Instrument, mit dem wir das Demokratiedefizit
beseitigen können, ist und bleibt die Quote. Sie stellt
keine ungerechte Bevorzugung dar, wie gern behauptet
wird; sie ist lediglich ein Mittel zur Herstellung von Gerechtigkeit. Es ist ja kein Zufall, daß gerade jetzt soviel
über Quoten gesprochen wird. Sie entfalten nämlich ihre
Wirkung. Frauen sind durch sie nach vorn gekommen.
Ich habe keine Sorge, daß durch die Quote die vermeintlich unqualifizierten Frauen in Spitzenpositionen
kommen. Die Realität zeigt, daß Frauen in den meisten
Fällen qualifizierter sind als ihre männlichen Mitbewerber.
({2})
Nun ist die Quote nicht alles, und sie ist erst recht kein
Allheilmittel, aber ohne sie - jetzt zitiere ich die zwölf
Richter des Europäischen Gerichtshofs - würden weiterhin auch bei gleicher Qualifikation nur Männer eingestellt.
Die alte Bundesregierung, insbesondere Frau Ministerin Nolte - obwohl ihr diese Zahlen sicherlich alle bekannt waren -, hat nichts unternommen, um den Frauen
wirksam zu ihren Rechten zu verhelfen. Sie hat in Kauf
genommen, daß durch eine ideologisch geführte Familiendiskussion die Rollenzuweisung für den Mann als
Familienernährer und die Ehefrau als Hausfrau und
Zuverdienerin gefestigt wurde. Ich finde, es ist ein
Skandal, daß zu Beginn des 21. Jahrhunderts viele
Frauen noch immer nur einen Ehemann weit von der
Armut entfernt sind, daß viele Frauen trotz Erwerbsarbeit kein existenzsicherndes Einkommen haben und
über keine eigenständige Alterssicherung verfügen. Das
ist kein Modell, mit dem sich Frauen identifizieren wollen.
Dem setzen wir ein anderes Frauen- und auch ein anderes Familienbild entgegen. Wir werden die gesellschaftlichen Strukturen verändern, die sich noch immer
einseitig an männlichen Werten orientieren. Wir werden
dafür sorgen, daß der Veränderung der Frauen- auch ein
Wandel der traditionellen Männerrolle folgen wird. Gerechte Verteilung von Haus- und Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen und eine Arbeitswelt, die das
Leben mit Kindern ermöglicht - das ist unsere Devise.
Dazu werden wir Ihnen in den nächsten Monaten Initiativen vorlegen.
Ich bin sehr froh, daß das erste frauenpolitische Projekt der rotgrünen Regierung das Aktionsprogramm
„Frau und Beruf“ ist. Viele Frauen sind schon ungeduldig, weil noch keine konkreten Vorschläge auf dem
Tisch liegen. Auch Frau Sothmann hat eben schon gefragt, warum nichts komme. Aber ein so umfassendes
Werk wie das Gleichberechtigungsgesetz für den öffentlichen Dienst und für die Privatwirtschaft will wohlüberlegt sein. Hier sind, glaube ich, Schnellschüsse nicht
geeignet.
({3})
Beim Gleichberechtigungsgesetz für den öffentlichen Dienst kann der Gesetzgeber seine Vorbildfunktion
für eine Arbeitswelt, die Frauen nicht ausgrenzt, relativ
leicht unter Beweis stellen. Den Frauen mindestens die
Hälfte aller Ausbildungs- und aller Arbeitsplätze - das
ist kein Gnadenakt, sondern ein Beitrag zur Gerechtigkeit. Damit das Gleichberechtigungsgesetz für die
private Wirtschaft seine volle Wirkung entfalten kann,
wird es mit größter Sorgfalt und Zielgenauigkeit zu
formulieren sein. Die Bindung der Vergabe öffentlicher
Aufträge an Frauenförderung, also eine positive Sanktionierung, ist bei vielen Firmen weitgehend unstrittig.
Sie haben erkannt: Frauenförderung ist Wirtschaftsförderung.
Aber der Bund hat auch weitergehende Regelungskompetenz und einen entsprechenden Verfassungsauftrag. Trotzdem regen sich schon vorsorglich Widerstände wegen vermeintlich zu starker Reglementierung. Ich
verstehe das, ehrlich gesagt, nicht. Es regt sich niemand
auf, wenn beim Hausbau der Winkel der Dachneigung
vorgeschrieben wird, wohl aber, wenn der Staat die UmIrmingard Schewe-Gerigk
setzung des Grundgesetzes vorsieht. Ich frage mich:
Was soll das?
({4})
Auch an den Hochschulen wollen wir das Demokratiedefizit beseitigen. Bis zum Jahre 2005 wird die Hälfte
aller Professuren neu zu besetzen sein. Wir werden diesen Generationenwechsel nutzen, damit die Hochschule
nicht länger eine Männerdomäne bleibt. Dem Old boys'
network, das Stellen nach Gutsherrenart vergibt, setzen
wir das Leitbild einer Geschlechterdemokratie entgegen,
das der Staat durch entsprechende Programme und Gesetze und die Vergabe von Mitteln nach dem Grad der
Frauenförderung unterstützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist
deutlich geworden, wie sehr sich die neue von der alten
Politik unterscheidet. Wir werden mit Gesetzen, aber
auch mit finanziellen Anreizen für Unternehmen und für
Institutionen einen neuen Weg zu mehr Gerechtigkeit
zwischen den Geschlechtern einschlagen. Wir betrachten Frauenpolitik als Gesellschaftspolitik.
Das hat zur Folge, daß es endlich an der Zeit ist,
auch die Männerfrage zu stellen. Während sich die
Frauen in den letzten Jahren ständig verändert haben, verharren die meisten Männer in alten Rollenmustern. Ich nehme jetzt ausdrücklich meinen Kollegen
Christian Simmert und einen Kollegen von der F.D.P.,
der sich neulich geoutet hat, aus; das sind zwei Männer,
die ihren Erziehungsurlaub genommen haben. Ich glaube, das ist ein positives Beispiel in diesem Hause. Sie
gehören zu der seltenen Spezies von Vätern - es sind
nämlich 1,8 Prozent -, die den Erziehungsurlaub nehmen.
({5})
- Ist auch jemand von der PDS dabei?
({6})
- Ja.
Es ist an der Zeit, daß die Männer sich verändern.
Das kann die Gesetzgebung unterstützen, zum Beispiel
durch einen individuellen Anspruch auf Erziehungsurlaub oder einen Rechtsanspruch für Väter auf Teilzeitarbeit mit Option auf die Rückkehr auf den Vollzeitarbeitsplatz. Die Welt der Männer muß endlich auch als
Welt von Vätern konzipiert werden. Darum wäre es
konsequent, daß auf das Programm „Frau und Beruf“ ein
Programm „Mann und Familie“ folgte.
({7})
Wäre das nicht ein erstrebenswertes Signal, das von diesem Internationalen Frauentag ausgehen könnte?
Brot und Rosen wollten die Frauen im Jahre 1911,
von allem die Hälfte wollen sie 1999. Lassen Sie uns
in eine gerechtere Zukunft für die Frauen aufbrechen!
Ich danke Ihnen.
({8})
Das Wort hat nun
die Kollegin Ina Lenke, F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Der 8. März ist der Tag der Solidarität von Frauen für Frauen, die für ein besseres Leben
und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Seit Jahrzehnten setzen sich Frauen international für Rechte von
Frauen ein. Dennoch, meine ich, können wir mit der
Entwicklung nicht zufrieden sein; denn das Ausmaß der
Gewalt gegen Frauen ist in vielen Lebensbereichen erschreckend hoch.
Für mich ist nachhaltig erschreckend, daß in Gebieten, in denen Krieg herrscht, oft Frauen die Leidtragenden sind. Sie haben traumatische Erlebnisse durch Folter, Vergewaltigung und ethnische Gewalt. All dies
zeigt: Beim Menschenrechtsschutz für Frauen besteht
weiter enormer Handlungsbedarf.
({0})
- Ich merke an diesem Beifall: Unser Engagement für
den Schutz der Menschenrechte muß in dieser Legislaturperiode wie in den anderen vorher ein Anliegen des
Bundestages sein.
Meine Damen und Herren, wir müssen uns auch in
dieser Legislaturperiode wieder mit dem Ausländergesetz befassen, mit dem Aufenthaltsrecht ausländischer
Ehepartnerinnen in der Bundesrepublik.
({1})
Es geht um ein eigenständiges Aufenthaltsrecht ausländischer Ehefrauen, wenn die Ehe zum Beispiel wegen
Gewalttätigkeit des Mannes geschieden wird. Es hat sich
nämlich herausgestellt, daß die Änderungen, die der
Bundestag 1997 vorgenommen hat, in der Praxis nicht
umgesetzt werden und daher der Wille des Bundestages
nicht widergespiegelt wird. Hier besteht nach wie vor
Regelungsbedarf.
({2})
Ein immer größer werdendes Problem - wir Frauen
kümmern uns darum; sicher tun das auch Männer - ist
der internationale Frauenhandel. Wenn Politik nur unzureichend in der Lage ist, auf dieses verwerfliche Gebiet
einzuwirken, so müssen wir ausländischen Frauen, wenn
sie in der Bundesrepublik in einer Notlage sind, helfen
und sie unterstützen.
Ich meine, dazu gehört auch, zu überprüfen, ob das
älteste Gewerbe der Welt mit Blick auf das Sozialversicherungssystem Nachteile dadurch hat, daß es als sittenwidrig gilt. Ich denke, das ist nicht mehr zeitgemäß.
Wir werden sicher auch in unserem Ausschuß darüber
sprechen.
({3})
Liebe Kolleginnen, Frau Niehuis, die aus Niedersachsen kommt, hat eben die Rede der ersten weiblichen
Abgeordneten in einem deutschen Parlament angesprochen. Auch ich hatte mich damit zu befassen. Es war die
damalige Abgeordnete Marie Juchacz in der Berliner
Nationalversammlung. Die Themen, die sie in ihrer Rede ansprach, sind nach wie vor aktuelle Frauenthemen:
Altersversorgung, Schulwesen, Sozial- und Wirtschaftspolitik. Ich meine, diese Politikerin hat ihre Aufgabe in
der Politik sehr umfassend gesehen, als Querschnittsaufgabe, was ich als Liberale - das gilt auch für andere liberale Frauen - als ungemein sympathisch ansehe. Frauenpolitik ist Querschnittspolitik. Vielleicht ist es deshalb
auch für die F.D.P., die oftmals wenig Ideologie in ihrer
Politik hat,
({4})
sehr schwer, Frauenpolitik in der Öffentlichkeit darzustellen.
Wir Frauen müssen uns in alle Politikfelder einmischen. Ich denke, die Repräsentanz von Frauen in Parlamenten und in kommunalen Selbstverwaltungsgremien
muß weiter erhöht werden. Ich kann Ihnen bestätigen,
daß Sie mit Ihrer Quote Erfolg haben. Nichtsdestotrotz:
Wir Liberale werden diese Quote nicht einführen. Wir
werden weiter versuchen, das Problem auf anderem
Wege zu lösen.
({5})
Meine Damen und Herren, zum 8. März gehört auch
Art. 3 des Grundgesetzes. Ich möchte hier nur zwei
Themen nennen: Frauen im Berufsleben und Frauen in
der Politik. Frau Niehuis und auch Frau Schewe-Gerigk
haben das Aktionsprogramm „Frau und Beruf“ angekündigt. Ich muß sagen: Das, was an Ankündigung gekommen ist, werden wir jedenfalls nicht gutheißen. Sie
wollen Quotenregelungen in Betrieben
({6})
- ich habe Ihre Unterlagen gelesen -, Sie wollen für die
Wirtschaft ein zwingendes Gleichstellungsgesetz mit
verpflichtenden Frauenförderplänen, und Sie wollen
Auftragsvergabe. Als Kommunalpolitikerin stehen mir
da alle Haare zu Berge. Durch Auftragsvergabe der öffentlichen Hand nach Gutsherrinnenart wird in den Betrieben keine Handbreit mehr Frauenpolitik stattfinden.
Es wird vielmehr Umgehungstatbestände geben. Sie
werden das Ergebnis, das wir uns alle wünschen, so
nicht erreichen.
({7})
Deshalb ist die F.D.P. der Meinung, daß Wunsch und
Wirklichkeit der politischen Beschlüsse, die Sie im
Bundestag gefaßt und angekündigt haben, meilenweit
voneinander entfernt sind. Wir als F.D.P. wissen, daß
die Benachteiligung gerade von Frauen in der Arbeitswelt ein sehr schwieriges Thema ist. Es ist heute ja
schon so, daß allein die Möglichkeit, ein Kind zu kriegen, ein Einstellungs- und Aufstiegshindernis ist. Die
Gesellschaft muß endlich die Lebensleistung von Frauen
mit Kindern anerkennen. Das kann wirklich nicht zu ihrem eigenen Nachteil ausgehen.
({8})
Noch ein Wort zu Frauen in der Politik. Dazu habe
ich heute von den Rednerinnen wenig gehört. Wir müssen uns als Frauen ganz besonders dafür einsetzen, daß
Frauen, die noch nicht Politik machen, mehr Interesse
und Lust bekommen, hier mitzuwirken. Wir wissen als
Frauen aber auch, daß die alten, überkommenen Strukturen in der Politik auf Männer und auf den öffentlichen
Dienst zugeschnitten sind. Das jedenfalls habe ich seit
1981 während meiner Zeit in der Politik erlebt. Hier
müssen wir, so denke ich, selber etwas tun. Ich glaube,
die Männer haben gar nicht soviel dagegen, daß wir
frauen- und familienspezifische Belange überprüfen und
dann versuchen, Tageszeiten der Beratungen usw. zu
ändern.
({9})
- Das ist richtig. Wenn wir sie aber darauf aufmerksam
machen, dann klappt es meistens. Das habe ich festgestellt.
Ich habe leider keine Redezeit mehr, sonst würde ich
noch auf Frau Niehuis und Frau Schewe-Gerigk bezüglich des 630-Mark-Gesetzes eingehen. Frau Niehuis hat
gesagt, diese Regierung habe das Rentenniveau beibehalten. Wenn ich aber Herrn Riester höre, Frau Niehuis,
der vor ungefähr 14 Tagen gesagt hat, daß dann, wenn
von der neuen Regierungskoalition ein neues Rentenrecht kommt, auch die demographische Entwicklung berücksichtigt werden muß, kann ich Ihnen nur sagen: Am
Altersaufbau unserer Gesellschaft werden auch Sie nicht
vorbeikommen. Wir wollen einmal sehen, was Sie für
Lösungsmöglichkeiten haben.
Meine Herren, mehr denn je wird im neuen Jahrtausend die weibliche Perspektive gefragt sein, wenn es um
eine humane Gesellschaft, wenn es um Antwort auf globale Fragen und um die Bildung und die Demokratisierung unserer Gesellschaft geht. Darin sollten kluge
Männer eine Chance für uns alle sehen.
Vielen Dank.
({10})
Nun hat das Wort
die Kollegin Petra Bläss, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sosehr ich es auch bedauere, daß
unser Parlament meist nur anläßlich des Internationalen
Frauentages eine grundsätzliche frauenpolitische Debatte auf der Tagesordnung hat, so sehr begrüße ich
ebendiese, weil ich sie für hochaktuell und notwendig
halte.
Das Desinteresse vor allem vieler Kollegen in diesem
Haus an einer Verständigung zur Gleichstellung der Geschlechter holt mich allerdings einmal mehr knallhart
auf den Boden der Tatsachen zurück.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in vielen Punkten
kann ich den Zustandsbeschreibungen meiner Vorrednerinnen tatsächlich zustimmen und ich will noch eins
draufsetzen:
Millionen Frauen, die im gesellschaftlichen Produktionsprozeß tätig sind, Millionen Frauen, die als
Mütter Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen, die
als Hausfrauen die schwersten Pflichten übernehmen, erheben mit allem Nachdruck Anspruch auf
soziale und politische Gleichberechtigung.
Sie werden es nicht glauben, aber dieses Zitat ist stolze
88 Jahre alt. Es stammt aus der Resolution, die Frauen
1911 anläßlich des ersten Internationalen Frauentages
verabschiedeten. Daß diese Worte heute noch so zutreffend sind, zeigt, wo wir bei der Durchsetzung der
Gleichberechtigung in der Welt, aber auch in unserem
Land stehen.
Ich sage an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit: Wenn es keinen wirklichen Bruch mit den patriarchalen Strukturen gibt, wird sich daran auch nichts
ändern, nirgendwo in der Welt, auch nicht bei uns.
({1})
Alles, was wir zu Fördermaßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern gesagt haben, muß nun
endlich umgesetzt werden. Es reicht aber trotzdem nicht;
es ändert die Strukturen und daraus resultierend die
konkreten Diskriminierungstatbestände für Frauen im
Alltag nicht grundlegend. Wir, die Mitglieder des Bundestages, sollten nicht länger zulassen, daß hier begeistert über die fortschreitende Globalisierung diskutiert
wird und dabei die Rechte von Frauen schlicht und einfach hinten herunterfallen.
Es darf nicht länger angehen, daß über Wirtschaft geredet wird, ohne die Mitbestimmung von Frauen im Auge zu haben; daß über Arbeitslosigkeit debattiert und
nicht vorrangig über wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Frauenarbeitslosigkeit beraten wird; daß
über die Europäische Währungsunion gestritten wird,
ohne den sozialen Status von Frauen in Europa im
Blick zu haben; daß über Menschenrechte gesprochen
wird, ohne über wirkungsvolle Schritte zur Zurückdrängung der männlichen Gewalt gegen Frauen zu entscheiden.
Der Frauentag ist und bleibt ein Kampftag. Auch am
Internationalen Frauentag 1999, also unmittelbar an der
Schwelle zum 21. Jahrhundert, hat der Kampf für die
ökonomische Eigenständigkeit und das Selbstbestimmungsrecht der Frau gegen die Zurückdrängung männlicher Gewalt gegen Frauen und für die Aufbrechung patriarchaler Machtverhältnisse höchste Priorität.
({2})
Wir werden keine wirkliche menschliche Emanzipation
ohne die tatsächliche Befreiung der Frau erreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begehen in diesem Jahr den 50. Jahrestag des Deutschen Bundestages. Zu Recht wird in diesem Zusammenhang die Leistung der Parlamentarierinnen gewürdigt. Aber wir
Frauen, die wir hier und heute im Parlament sitzen, müssen darüber hinaus dafür Sorge tragen, daß von dieser
notwendigen Würdigung Impulse ausgehen, die endlich
eine neue Etappe der Gleichstellung der Geschlechter
einleiten.
Die Zeit ist reif - auch in unserer Verantwortung auf
dem Wege nach Europa und in Solidarität zu allen Frauen der Welt.
({3})
Nun hat das Wort
die Kollegin Ulla Schmidt, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zum Rednerpult gegangen, weil ich noch einmal auf das eingehen
wollte, was die Kollegin Lenke gesagt hat. Sie haben zu
Recht ausgeführt, daß das, was Marie Juchacz gesagt
hat, heute noch aktuelle Themen sind. Sie haben zu
Recht darauf hingewiesen, daß wir uns deswegen auch
mit der Realität auseinandersetzen müssen. Ich glaube,
wenn wir aus Anlaß des Internationalen Frauentages
heute diskutieren, dann sollten doch zumindest wir
Frauen in diesem Parlament ehrlich miteinander umgehen.
Kollegin Sothmann, wir können über vieles reden.
Wir alle wissen, daß es für jede Frau schwierig ist, patriarchalische Strukturen aufzubrechen, tatsächliche Einbrüche in die Männerwelt vorzunehmen und eine Bewußtseinsveränderung zu bewirken. Sie könnten hier
stehen und sagen: Es gibt eine Bilanz, und diese hat etwas damit zu tun, daß wir nie eine Mehrheit in diesem
Parlament hatten, um wirklich frauenpolitische Initiativen durchzusetzen. Aber so zu tun, als sei die Wirklichkeit gut und alles, was nicht gut sei, müsse eine neue
Bundesregierung innerhalb von 100 Tagen verbessern
und dabei die Gesellschaft umkrempeln, ist nicht mehr
ehrlich. Auf diese Art und Weise kommen wir überhaupt
nicht weiter.
({0})
Ehrlich ist es, wenn die Kollegin Lenke sagt, daß die
F.D.P. die Förderung von Frauen in der Privatwirtschaft, die wir vorhaben, ablehnt. Sie will keine gesetzliche Reglementierung. Darüber können wir streiten.
Wir glauben auf Grund der gesellschaftlichen Erfahrungen, daß wir die gesetzlichen Reglementierungen brauchen; denn diese Gesellschaft hatte jahrelang Zeit, Frauen freiwillig eine gleichberechtigte Position innerhalb
der Wirtschaft einnehmen zu lassen. Wir sind hochqualifiziert. Ich bin fest davon überzeugt: Der Mangel an
Frauen in politischen Führungsämtern, in Spitzenämtern
des öffentlichen Dienstes und der privaten Wirtschaft
hat doch damit zu tun, daß wir im öffentlichen und im
wirtschaftlichen Leben noch nicht die Chancen haben,
die uns auf Grund unserer Ausbildung und unserer Qualifikationen zustehen.
Deshalb sage ich: Bei dieser Bundesregierung ändert
sich doch das Bild. Seien Sie doch einmal ehrlich: Wer
hat denn schon einmal gesehen, daß bei einer Frauendebatte so viele auf der Regierungsbank sitzen? Ich nicht,
solange ich hier bin.
({1})
Welche Regierung hat denn erstmals fünf Ministerinnen gestellt? In den fast 50 Jahren Bundesrepublik
Deutschland hat es insgesamt 16 Ministerinnen gegeben,
in der neuen Bundesregierung sind es fünf. Nun kann
man zwar sagen, daß es uns immer noch zuwenig ist.
Mir ist es auch zuwenig; ich hätte gern die Hälfte. Aber
ein Drittel ist besser als überhaupt nichts, und zusätzlich
sind es noch sieben Parlamentarische Staatssekretärinnen, erstmals zwei beamtete Staatssekretärinnen und
eine stellvertretende Regierungssprecherin.
Es bringt uns Frauen aber nicht weiter, uns wechselseitig Vorwürfe zu machen. Vielmehr sollten wir hier
deutlich machen, wo wir etwas ändern und etwas in dieser Gesellschaft aufbrechen müssen. Lassen Sie uns wenigstens an diesem Tag ehrlich miteinander umgehen.
Das, was wir heute bilanzieren, ist auch ein Ergebnis
Kohlscher Politik, der die Frauen weiterhin vor allen
Dingen auf die Familie reduzieren und nicht als selbständige Personen ansehen wollte, die in der Lage sind,
ihre Existenz zu sichern.
({2})
Nun hat Frau Professor Dr. Rita Süssmuth, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade gedacht: Inzwischen laufen auch zwischen uns die Rituale
ab, die wir als Frauen immer bekämpft haben. Ich glaube nicht, daß uns das in der Gesellschaft, aber auch hinsichtlich der Kultur, die wir im Parlament pflegen sollten, weiterbringt.
({0})
Es geht nicht an, daß jetzt die einen erklären, Helmut
Kohl und seine Regierung seien an allem Schuld, sie
selbst seien aber die allerbesten.
({1})
Ich wäre an Ihrer Stelle eben auch ein bißchen vorsichtiger gewesen, Frau Niehuis; denn auch Sie haben, bevor
die Regierung gebildet wurde, andere Vorstellungen gehabt, als jetzt verwirklicht werden, da die Regierung gebildet worden ist.
({2})
Das enthebt uns alle nicht der Selbstkritik. Wir sollten aber aufpassen, daß der Frauentag nicht von uns
selbst zum Ritual gemacht wird.
Gestatten Sie eine
Zwischenfrage der Kollegin Ulla Schmidt, Frau Süssmuth?
Ja.
Bitte sehr, Frau
Schmidt.
Frau Kollegin Süssmuth, würden Sie mir zugestehen, daß ich das, was Sie
eben gesagt haben, nicht vorgetragen habe? Ich habe gesagt, es sei ein Anfang gemacht worden, und er sei insofern besser als das, was vorher war. Ich bin damit nicht
zufrieden, und wir Frauen können damit nicht zufrieden
sein, weil wir die Hälfte haben wollen. Aber dann lassen
Sie uns eine ehrliche Bilanz ziehen, statt so zu tun, als
wäre vorher alles gut gewesen. In 100 Tagen kann die
Gesellschaft nicht verändert werden. Das ist ein Unterschied zu dem, was Sie jetzt ansprechen.
Liebe Frau Kollegin Schmidt, Sie können davon ausgehen, daß CDUKolleginnen und CSU-Kolleginnen genauso selbstkritisch wie Sie sind
({0})
und daß uns nicht im Traum einfällt, zu sagen, es sei alles gut, wir brauchten nichts mehr zu verändern. Andernfalls würden wir hier wahrscheinlich auch nicht stehen und unsere Forderungen erheben.
Trotzdem bleibt richtig, daß wir, obwohl es noch nie
so viele Parlamentarierinnen in diesem Deutschen Bundestag und eine so hohe Zahl von Frauen in der Regierung gab wie heute, nicht im Machtzentrum angekommen sind. Wir haben lediglich mehr Beteiligung erreicht. Ich glaube, das wird niemand bestreiten.
({1})
1910 wurde der Internationale Frauentag ausgerufen.
Damals ging es um die Frage Revolution oder Reform.
Ulla Schmidt ({2})
Damals wurde von Geburtenstreik geredet. Aus den
Texten von Clara Zetkin geht hervor, daß sie meilenweit
von jeder bürgerlichen Reform entfernt war. Sie quälte
sich durch einen Zwanzigstundentag und war davon
überzeugt, daß eine Veränderung nur durch eine Revolution erfolgen könne. Gegangen wurde in diesem Jahrhundert hingegen der Weg der Reformen, wobei ich betonen möchte, daß nur wenige Reformen uns Frauen
freiwillig zugestanden wurden. Wenn wir nicht über den
Kampf zu Regelungen kamen, haben wir weitgehend auf
der Stelle gestanden.
Dies ist die letzte Debatte zum Frauentag in diesem
Jahrhundert. Wir sollten uns davor hüten, in Geschichtslosigkeit zu verfallen.
({3})
Wenn unsere jungen Frauen sagen, der Feminismus
liegt hinter uns, wir brauchen ihn nicht mehr, dann
möchte ich das Zitat der Amerikanerin Groult, wie es
diese Woche im „Spiegel“ steht, hier aufnehmen: Wartet
ab, bis sie in das Arbeitsleben kommen, und sie werden
erfahren, wie sehr nach wie vor Diskriminierungen gegeben sind.
({4})
Deswegen gehört es auch in diese letzte Debatte, denen zu danken, die schon Jahre vor uns lange gestritten
haben.
({5})
Man darf nicht sagen, man könne die Generation der
„Damaligen“ - viele von uns gehören dazu - vergessen,
die hinderten uns nur auf unserem Weg. Ich wünschte
mir, daß Demokratie und Beteiligung von Frauen
nicht dazu führt, daß man immer unpolitischer wird und
es einigen wenigen überläßt, sich dafür einzusetzen,
sondern daß sich alle Frauen - bei all den Mühen, die
zur Demokratie und zur Veränderung gehören - daran
beteiligen. Ich erlebe von heutigen Frauen weit weniger
kämpferisches Engagement, als es diejenigen aufzuweisen hatten, die die Frauenfrage wirklich vorangebracht
haben. Das gilt für die erste wie auch für die zweite
Frauenbewegung.
Mir ist wichtig - darauf möchte ich in diesen wenigen
Minuten noch hinweisen -, daß wir uns auch einmal fragen: Warum ist es beispielsweise in einigen nordischen
Ländern auch ohne Regelverfahren gegangen und bei
uns nicht? Warum gibt es eine Reihe von Ländern, die
trotz höherer Erwerbsbeteiligung weniger Geburtenschwund und weniger Probleme damit haben, daß auch
Kinder zu ihrem Recht kommen und daß auch Berufstätige Kinder haben können? Das hat schon eine Menge
mit Prioritäten zu tun, die wir in unserem Land gesetzt
haben. Ich bin im Unterschied zu einigen anderen der
Auffassung - ich sage das auch für meine eigene Fraktion -: Ohne Quote wären wir noch weniger weit, als
wir es jetzt sind. Deswegen bedarf es bei uns der Regelverfahren.
({6})
Warum? - Weil wir in der deutschen Gesellschaft sehr
lange gebraucht haben, uns von einem sehr überkommenen Frauenbild zu lösen. Dabei haben uns auch die Kirchen - eigentlich die Hauptförderer der menschlichen
Person - nicht weitergeholfen; vielmehr haben sie vieles
behindert.
({7})
Es hat lange gedauert, bis sie Standpunkte von heute
eingenommen haben.
Deswegen sind die Hauptfrauenfragen heute nicht die
Fragen, die nur die Frauen selbst betreffen. In Probleme
geraten die Frauen in aller Regel, wenn sich die Frauenfrage mit der Kinderfrage verbindet. Da wir diesen Konflikt nicht gelöst haben, haben wir auch entscheidende
Beteiligungs- und Strategieprobleme nicht gelöst. Deswegen ist die Vereinbarkeit ein zentrales Problem. Ich
sage in diesem Zusammenhang allerdings auch einmal:
Der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz mag zu
wenig sein - er ist in Deutschland trotzdem sehr spät
durchgesetzt worden.
({8})
Das gilt auch für alle Formen der familienfreundlichen Arbeitszeitregelung. Was den Betrieben alles einfällt, wenn sie Führungskräfte benötigen, ist beachtlich.
Deswegen würde ich nicht ganz so zögerlich sein. Bei
Auszubildenden binden wir das an Auflagen. Bei Frauen
ist das gleich immer ein gravierendes Problem. So ist es
in der Alterssicherung, so ist es in der gerechten Bewertung der Familienarbeit. Wenn es um Frauen geht,
kommt sofort der Einwand: Das ist nicht bezahlbar. - In
dieser Gesellschaft ist aber vieles bezahlbar, und wenn
man Interesse daran hat, geht es auch sehr schnell.
Wir mögen die GEW kritisieren, daß sie sagt, wie
auch in anderen Ländern sollte die Kinderbetreuung
genauso kostenfrei sein wie die Grundschule und die
weitere Schulausbildung. Aber ist das denn eigentlich so
abwegig?
({9})
Es ist zur Zeit nicht durchsetzbar; aber wenn wir alle
Forderungen nur dann stellen würden, wenn sie durchsetzbar sind, dann verändert sich überhaupt nichts.
({10})
Deswegen sage ich noch einmal: Wir haben es mit
zwei zentralen Problemen zu tun; eines davon ist das
Vereinbarkeitsproblem. Wir sollten bitte zur Kenntnis
nehmen - Frau Niehuis hat schon die Studie der KonradAdenauer-Stiftung thematisiert -: Es geht nicht mehr
darum, daß wir ein Modell für alle schaffen. Es gibt unterschiedliche Lebensoptionen. Wir brauchen mehr Flexibilität beim Erziehungsgeld, wir brauchen eine Aufwertung der Familienarbeit, und wir brauchen eine bessere Vereinbarkeit auch und gerade hinsichtlich der
Kinderbetreuung. Das kann nicht nur eine Aufgabe des
Staates sein, sondern das ist eine Aufgabe der Gesamtgesellschaft. Dazu gehören die Unternehmen. Es
kann nicht sein, daß alle Sozialaufgaben Aufgabe des
Staates sind und das Wirtschaften die einzige Frage ist,
die die Unternehmen interessiert; vielmehr gehören die
beiden zusammen.
({11})
Ich wünsche mir darüber hinaus, daß wir - das ist
eben zu Recht von der Kollegin aus der F.D.P. genannt
worden - das Internationale nicht aus dem Blick verlieren. Frauenrechte und Menschenrechte gehören zusammen. Ich bin sehr froh, daß wir gerade in den Bereichen Gewalt, Pornographie, sexuelle Mißhandlung und
Frauenhandel fraktionsübergreifend gearbeitet haben.
Kulturen können sich nicht darauf zurückziehen, daß es
eine kulturelle Eigenart sei, wenn Menschenrechte massiv verletzt werden. Ich nenne das Beispiel der Beschneidung.
({12})
Ich wünsche mir, daß aus dem Gleichstellungsprogramm nicht nur so etwas wie ein Verordnungsprogramm für Männer wird, sondern daß die Männer angesichts der Veränderungen, die sich bei Frauen in hohem
Maße vollzogen haben, endlich begreifen, daß darin eine
Chance liegt; denn wenn sie es nicht für sich selbst annehmen, dann stehen sie ihrer eigenen Entwicklung im
Weg.
({13})
Ich glaube, daß es nur einen einzigen Weg gibt: Wir dürfen in der Sozial- und Familienpolitik nicht länger Frauenlösungen schaffen, sondern müssen nach Lösungen
suchen, die für Männer und Frauen akzeptabel sind. Anders werden wir es nicht schaffen.
Ich danke Ihnen.
({14})
Das Wort hat die
Kollegin Hanna Wolf von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Süssmuth, Sie haben gefragt, warum es in Deutschland nicht
so wie in den skandinavischen Ländern ist. Die Antwort
haben die Wählerinnen und Wähler beim letztenmal gegeben:
({0})
weil die alte Bundesregierung nur Forderungen gestellt
hat und keine Taten hat folgen lassen. Das hat sich dann
im Wahlergebnis ausgedrückt. Die Kohl-Regierung
wurde abgewählt.
({1})
Wir haben heute auch die Aufgabe, in dieser Debatte
zu sagen, was die neue Bundesregierung will. Dazu
werde ich einige Ausführungen machen.
Frauen wollen keine Frauenecke reserviert bekommen. Sie wollen, daß Gesellschaftspolitik gemacht wird.
Das wollen wir heute in der Debatte unterstreichen. Ich
will gleich mit dem für die Union heißesten Eisen beginnen, mit dem, was Sie Schutz von Ehe und Familie
nennen. Frau Eichhorn und Frau Rönsch - Frau Rönsch
ist da; Frau Eichhorn sehe ich nicht; aber ich wende
mich auch an sie;
({2})
- ich will es gar nicht kritisieren; ich sage nur, daß ich
sie jetzt beide anspreche -, Sie haben familienpolitische
Leitlinien erstellt. Dazu kann ich nur sagen: Wenn das
keine Ideologie ist, dann weiß ich nicht mehr, was
Ideologie ist.
({3})
Mit Ihren Vorstellungen zementieren Sie Ungleichheit;
letztendlich zerstören Sie auch Familien. Sie erwähnen
Ehe und Familie immer in einem Atemzug. Daraus entstehen viele Ihrer Denkfehler; denn nicht alle Ehepaare
haben Kinder. Selbstverständlich werden wir sowohl die
Ehe als auch die Familie schützen. Die Frage aber ist:
Welcher Schutz ist notwendig? Was gewährt Schutz?
Welche vermeintlich schützenden Maßnahmen verkehren sich ins Gegenteil?
Wo steht in der Verfassung geschrieben, daß sich allein der Trauschein in massiven fiskalischen Privilegien,
also in Mark und Pfennig der Steuerzahler, ausdrücken
muß?
({4})
Diese Privilegien sind um so höher, je größer die Ungleichheit der Ehepartner ist. Das heißt, das Alleinverdienerehepaar wird staatlich am höchsten subventioniert. Ein Spitzenverdiener kann da mehr als
20 000 DM sparen. Man kann sich ausrechnen, daß der
Mann - er ist es ja meistens - dann kein Interesse daran hat, daß seine Frau, die ihm auch noch den Rücken
freihält, erwerbstätig wird. Das sind Abhängigkeitsstrukturen in einer Ehe, die auch der Ehe nicht guttun
können.
Insoweit widersprechen sich zwei Verfassungsgebote:
das Gleichberechtigungsgebot nach Art. 3 und der
Schutz der Ehe nach Art. 6 des Grundgesetzes. Ein
Steuerrecht, das auf Abhängigkeitsstrukturen baut, verfestigt persönliche und gesellschaftliche Ungleichheit.
Das Steuerrecht kann zwar nicht alles heilen, aber es
sollte zumindest nicht alles verderben. Deshalb müssen
wir beim Steuerrecht ansetzen, um die gesellschaftliche
Ungleichheit von Männern und Frauen endlich zu korrigieren.
({5})
Nun behauptet die Union, wir wollten das Ehegattensplitting ersatzlos streichen. Anders sind die Vorwürfe, wir würden damit Familien und Kinder benachteiligen, nicht zu verstehen. Wir wollen aber genau das
Gegenteil: Wir wollen nämlich eine Umschichtung zugunsten der Familien. Familie definieren wir bekanntermaßen als das Zusammenleben von Erwachsenen mit
Kindern, egal ob mit oder ohne Trauschein. Es geht einfach um die Kinder.
({6})
Ihre Politik war es doch, die die Quittung des Bundesverfassungsgerichtes bekommen hat. Ausgerechnet
Sie haben verheiratete Eltern im Steuerrecht benachteiligt. Weder der Betreuungsbedarf noch der Erziehungsbedarf der Kinder wurde für verheiratete
Eltern angemessen berücksichtigt. Wir wollen die
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes umsetzen.
Die Union behauptet, wir würden Frauen keine
Wahlfreiheit lassen. Wie sieht denn diese Wahlfreiheit
aus? Für Männer ist es selbstverständlich, daß sie berufstätig sind. Bei Frauen wird dies nur hingenommen,
wenn sie keine Familie haben. Die Wahlfreiheit ist für
Frauen also sehr eingeschränkt. Daneben drückt sich
diese Benachteiligung noch in der unterschiedlichen Bezahlung aus.
Das Verfassungsgericht spricht eine andere Sprache.
Die Frau Staatssekretärin hat den entsprechenden Satz
schon zitiert. Aber auch ich möchte ihn erwähnen, weil
er für mich eine Aufforderung an dieses Parlament ist,
etwas zu ändern:
Der Staat hat ... dafür Sorge zu tragen, daß es Eltern
gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise
auf eine eigene Erwerbsarbeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie
auch Familientätigkeit und Erwerbsarbeit miteinander zu verbinden.
Dieser Punkt führt zur Wahlfreiheit, wenn er im Steuerrecht berücksichtigt wird.
({7})
Beide Elternteile sind also beim Betreuungs- und Erziehungsbedarf gemeint.
Welche Möglichkeiten der Betreuung hat denn die
letzte Regierung den Eltern geboten? Wo ist die pädagogisch attraktive und ausreichende öffentliche Infrastruktur für die Kinderbetreuung?
({8})
- Ich wußte, daß jetzt der Hinweis auf die Länder
kommt. So einfach kann es sich das Parlament aber
nicht machen. Wir waren ehrlicher und haben in den
Koalitionsvertrag geschrieben, daß wir uns verpflichtet
fühlen, die öffentlichen Einrichtungen für Kinderbetreuung mit zu stützen. Bis jetzt hat noch keine Bundesregierung zugegeben, daß sie etwas für die Versorgung
und damit für die Erfüllung dieses Verfassungsauftrages
tun muß.
({9})
Man kann wirklich sagen, daß die Union und die
F.D.P. die Kinderbetreuung und -erziehung privatisiert
haben. Sie haben gerade die Mütter allein gelassen. Wir
wollen, daß Frauen genauso selbstverständlich am Erwerbsleben teilhaben wie Männer. Frau Süssmuth, wir
wollen wenigstens den Standard erreichen, den die übrigen Industrieländer schon erreicht haben. Deshalb müssen wir in diesem Bereich tätig werden.
Wir wollen ein Steuerrecht, das die Familien stärkt
und die Berufstätigkeit von Frauen unterstützt, ein
Gleichstellungsgesetz auch für die Privatwirtschaft, das
seinen Namen verdient. Gerade dort muß die Gleichstellung unterstützt werden. Wir werden ein Gesetz mit
der Wirtschaft, nicht gegen die Wirtschaft machen. Sie
werden sich noch wundern.
({10})
Wir wollen Elternurlaub und Elterngeld und auch den
Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit endlich umsetzen.
Dies ist nicht nur für die Frauen, sondern auch für die
Männer attraktiv.
Zum Schluß muß ich noch ein Thema ansprechen,
das wir alle gemeinsam aufgegriffen und wofür wir uns
eingesetzt haben. Wir wollen Gewalt überall bekämpfen, nicht nur dort, wo sie sichtbar ist. Frau Eichhorn
und Frau Rönsch, in diesem Zusammenhang muß ich
Sie leider ansprechen. Wir haben mit großer Mehrheit,
also mit Stimmen aus allen Fraktionen, in diesem Parlament endlich ein Gesetz verabschiedet, das die Vergewaltigung in der Ehe genauso bestraft wie die Vergewaltigung außerhalb der Ehe.
({11})
Sie, Frau Rönsch und Frau Eichhorn, haben mit Nein
gestimmt. Daher frage ich mich: Ist Ihre Auffassung
Hanna Wolf ({12})
noch glaubwürdig, daß Sie die Opfer und nicht die Täter
schützen wollen?
({13})
Ehrlicherweise muß man im Rahmen einer Debatte über
Gewalt auch dieses Abstimmungsverhalten erwähnen.
Bei der Bekämpfung der Gewalt werden die Justizministerin und die Frauenministerin sehr eng zusammenarbeiten. Wir brauchen einen nationalen Aktionsplan, der sich gegen Gewalt gegen Frauen richtet. Frauenhäuser bleiben zwar unverzichtbar; allerdings dürfen
Schutzwohnungen und Frauenhäuser nicht Langzeitaufenthaltsräume für Frauen sein.
Wir wollen endlich ein Gesetz schaffen, mit dem erreicht werden kann, daß Frauen mit Kindern, die Gewalt
ausgesetzt waren, die gemeinsame Wohnung zugewiesen bekommen. Der Täter soll die gemeinsame Wohnung verlassen, nicht mehr die Opfer, nicht mehr die
Frauen mit den Kindern.
({14})
Das haben wir lange in diesem Parlament eingefordert.
Sie haben es nicht durchgesetzt. Wir werden es durchsetzen.
Wir werden den Frauen- und Kinderhandel verstärkt
bekämpfen. Hierin waren wir uns immer einig. Aber wir
müssen dafür auch die Mehrheiten haben. Jetzt haben
wir endlich die Mehrheit, um das Problem angehen zu
können.
({15})
Wir wollen auch das Zeugenschutzprogramm angehen, um damit den Menschenhandel endlich auch gerichtlich verfolgen zu können. Dazu gehört, daß wir die
Abschiebung von Frauen, die Opfer des Menschenhandels geworden sind, aussetzen, damit sie als Zeugen
überhaupt zur Verfügung stehen. Wenn wir das nicht
machen, schützen wir wieder die Täter.
Wir werden - ich freue mich, daß die F.D.P. hier
mitmacht - endlich die rechtliche und soziale Situation
von Prostituierten verbessern. Die in diesem Bereich
herrschende Doppelmoral ist schon lange unerträglich.
Alle Fraktionen haben zu diesem Thema immer sehr
engagiert geredet. Nur zur Abstimmung ist es nicht gekommen. Auch das hat die alte Regierung nicht geschafft. Wir werden das machen.
({16})
Sie machen lieber Unterschriftsaktionen, damit Sie sagen können, daß Sie sich mehr um dieses Thema als um
andere kümmern wollen. Das ist Ihr altes Strickmuster:
Hier so reden und draußen Unterschriften sammeln.
Wir werden die Härtefallklausel im Ausländerrecht so
gestalten, daß die Opfer durch den entsprechenden Paragraphen geschützt werden und nicht die Täter. Deshalb
werden wir die allgemeine Wartefrist von vier auf zwei
Jahre herabsetzen und die Ausführungsführungsbestimmungen der Härtefallklausel so gestalten, daß die Opfer
tatsächlich hierbleiben können.
Zum Schluß noch ein Wort zur Abtreibungsproblematik. Wir haben auch hier nach vielen Jahrzehnten des
Ringens eine abschließende Regelung getroffen. Nun hat
auch die Mehrheit der deutschen katholischen Bischöfe
beschlossen, in der Beratung zu bleiben. Das begrüßen
wir. Ob der Papst dies akzeptieren wird, wissen wir
nicht. Fest steht jedoch, daß nicht Rom der deutsche Gesetzgeber ist. Wir werden also die Frauen nicht im Stich
lassen und Gesetze erlassen, mit denen der Anspruch der
Frauen auf Gleichberechtigung in diesem Land auch
verwirklicht werden kann.
Vielen Dank.
({17})
Ich schließe die
Aussprache und danke insbesondere den Männern, die
an dieser Debatte teilgenommen haben.
Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis zweier namentlicher Abstimmungen bekanntgeben. Namentliche Abstimmung Nr. 7. Es
handelt sich hier um den F.D.P.- Entschließungsantrag,
Drucksache 14/465. Abgegebene Stimmen 589. Mit Ja
haben gestimmt 276, mit Nein haben gestimmt 313,
Enthaltungen keine. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 587;
davon
ja: 276
nein: 311
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({0})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({1})
Hartmut Büttner
({2})
Peter H. Carstensen
({3})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Hanna Wolf ({4})
Dirk Fischer ({5})
Axel Fischer ({6})
Dr. Gerhard Friedrich
({7})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({8})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({9})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({10})
({11})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({12})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({13})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({14})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({15})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({16})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({17})
Dr. Michael Meister
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({18})
Elmar Müller ({19})
Bernd Neumann ({20})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({21})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Dieter Pützhofen
Thomas Rachel
Hans Raidel
Peter Rauen
Christa Reichard ({22})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({23})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({24})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({25})
Andreas Schmidt ({26})
Hans Peter Schmitz
({27})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({28})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({29})
Gerald Weiß ({30})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({31})
Hans-Otto Wilhelm ({32})
Willy Wimmer ({33})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({34})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({35})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({36})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({37})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({38})
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Nein
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({39})
Klaus Barthel ({40})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({41})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Vizepräsident Rudolf Seiters
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({42})
Bernhard Brinkmann
({43})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({44})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({45})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({46})
Lilo Friedrich ({47})
Harald Friese
Anke Fuchs ({48})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({49})
Angelika Graf
({50})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({51})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({52})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({53})
({54})
Frank Hofmann ({55})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({56})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({57})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({58})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({59})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({60})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({61})
Jutta Müller ({62})
Christian Müller ({63})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann
({64})
Gerhard Neumann ({65})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({66})
Birgit Roth ({67})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({68})
Ulla Schmidt ({69})
Silvia Schmidt ({70})
Dagmar Schmidt
({71})
Wilhelm Schmidt ({72})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({73})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({74})
Brigitte Schulte ({75})
Reinhard Schultz
({76})
Volkmar Schultz ({77})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({78})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({79})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({80})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({81})
Jürgen Wieczorek ({82})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({83})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer
({84})
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({85})
Waltraud Wolff ({86})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({87})
Marieluise Beck ({88})
Volker Beck ({89})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({90})
Joseph Fischer ({91})
Vizepräsident Rudolf Seiters
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({92})
Kerstin Müller ({93})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({94})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({95})
Werner Schulz ({96})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({97})
Margareta Wolf ({98})
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({99})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Namentliche Abstimmung Nr. 8. Es handelt sich hier
um den Entschließungsantrag der PDS, Drucksachen
14/442 und 14/451. Abgegebene Stimmen 587. Mit Ja
haben gestimmt 30,
({100})
mit Nein haben gestimmt 557, Enthaltungen keine. Der
Entschließungsantrag ist ebenfalls abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 585;
davon
ja: 30
nein: 555
Ja
F.D.P.
Dr. Helmut Haussmann
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({101})
Rosel Neuhäuser
Petra Pau
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Nein
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({102})
Klaus Barthel ({103})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({104})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({105})
Bernhard Brinkmann
({106})
Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({107})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({108})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich ({109})
Lilo Friedrich ({110})
Harald Friese
Anke Fuchs ({111})
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({112})
Angelika Graf ({113})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({114})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({115})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({116})
({117})
Frank Hofmann ({118})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({119})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({120})
Vizepräsident Rufolf Seiters
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({121})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({122})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({123})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({124})
Jutta Müller ({125})
Christian Müller ({126})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({127})
Gerhard Neumann ({128})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({129})
Birgit Roth ({130})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({131})
Ulla Schmidt ({132})
Silvia Schmidt ({133})
Dagmar Schmidt ({134})
Wilhelm Schmidt ({135})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({136})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({137})
Brigitte Schulte ({138})
Reinhard Schultz
({139})
Volkmar Schultz ({140})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({141})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({142})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({143})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({144})
Jürgen Wieczorek ({145})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({146})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({147})
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({148})
Waltraud Wolff ({149})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({150})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({151})
Hartmut Büttner
({152})
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
({153})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({154})
Axel Fischer ({155})
Dr. Gerhard Friedrich
({156})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({157})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({158})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({159})
({160})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({161})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({162})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({163})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({164})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({165})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({166})
Dr. Michael Meister
Vizepräsident Rudolf Seiters
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller ({167})
Elmar Müller ({168})
Bernd Neumann ({169})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto ({170})
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Dieter Pützhofen
Thomas Rachel
Hans Raidel
Peter Rauen
Christa Reichard ({171})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({172})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt Rossmanith
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({173})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({174})
Andreas Schmidt ({175})
Hans Peter Schmitz
({176})
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({177})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({178})
Gerald Weiß ({179})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({180})
Hans-Otto Wilhelm ({181})
Willy Wimmer ({182})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({183})
Marieluise Beck ({184})
Volker Beck ({185})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({186})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({187})
Kerstin Müller ({188})
Winfried Nachtwei
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({189})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({190})
Werner Schulz ({191})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({192})
Margareta Wolf ({193})
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({194})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({195})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({196})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({197})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({198})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Wir kommen zu den Überweisungen in vereinfach-
tem Verfahren ohne Debatte.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b so-
wie die Zusatzpunkte 3a und 3b auf:
12. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur
Änderung des Bundessozialhilfegesetzes
- Drucksache 14/389 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung ({199})
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Abkommen vom 17. Oktober 1997 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der
Tunesischen Republik über die Seeschiffahrt
- Drucksache 14/390 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
({200})
Finanzausschuß
Vizepräsident Rudolf Seiters
ZP 3a) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes
- Drucksache 14/445 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuß ({201})
Innenausschuß
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marlies
Pretzlaff, Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert
Blüm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
5 Jahre nach Kairo: Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz der Vereinten Nationen zu
Weltbevölkerung und Entwicklung 1994
- Drucksache 14/446 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({202})
Auswärtiger Ausschuß
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen.
Der Koalitionsentwurf eines Gesetzes zur Änderung
des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes auf Drucksache
14/445 - Zusatzpunkt 3a - soll zusätzlich an den Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den
Ausschuß für Gesundheit und den Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist
der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen jetzt zu abschließenden Beratungen ohne Aussprache.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 a auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Tabaksteuergesetzes ({203})
- Drucksache 14/18 ({204})
Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({205})
- Drucksache 14/359 Berichterstattung:
Abgeordnete Wolfgang Grotthaus
Der Finanzausschuß empfiehlt auf Drucksache
14/359, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über
diesen Gesetzentwurf abstimmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen?
- Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Enthaltung der PDS mit den Stimmen des ganzen Hauses abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung
die weitere Beratung.
Tagesordnungspunkt 13b:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Ausnahme von dem Verbot der Zugehörigkeit
zu einem Aufsichtsrat für ein Mitglied der
Bundesregierung
- Drucksache 14/357 Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 13c:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({206}) zu der Unterrichtung durch
die Bundesregierung
Zwischenbericht über das Gemeinschaftsprogramm für Sicherheit, Arbeitshygiene und
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ({207})
- Drucksachen 14/74 Nr. 2.82, 14/393 Berichterstattung:
Abgeordnete Leyla Onur
Wer stimmt für diese Beschlußempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlung
ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 13d:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({208})
Sammelübersicht 18 zu Petitionen
- Drucksache 14/410 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der PDS ist die Sammelübersicht 18 mit den Stimmen des Hauses im übrigen
angenommen.
Tagesordnungspunkt 13e:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({209})
Sammelübersicht 19 zu Petitionen
- Drucksache 14/411 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei gleichem Stimmenverhältnis wie zuvor
ist die Sammelübersicht 19 angenommen.
Tagesordnungspunkt 13f:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({210})
Sammelübersicht 20 zu Petitionen
- Drucksache 14/412 Vizepräsident Rudolf Seiters
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 20 ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen,
F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.
Tagesordnungspunkt 13 g:
Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ({211})
Sammelübersicht 21 zu Petitionen
- Drucksache 14/413 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 21 ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesordnung um die Zweite Beratung und Schlußabstimmung
des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs zu dem Abkommen mit dem Sekretariat des
Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung zu erweitern. Über den Gesetzentwurf soll jetzt gleich ohne Aussprache abgestimmt
werden.
Sind Sie mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.
Damit rufe ich den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt
5 auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. August 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinten Nationen und dem Sekretariat des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung
der Wüstenbildung über den Sitz des Ständigen Sekretariats des Übereinkommens
- Drucksache 14/228 ({212})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({213})
- Drucksache 14/468Berichterstattung:
Abgeordnete Adelheid Tröscher
Klaus-Jürgen Hedrich
Dr. Angelika Köster-Loßack
Joachim Günther ({214})
Carsten Hübner
Der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung empfiehlt auf Drucksache 14/468, den
Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich bitte dieje-
nigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich
zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen?
- Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des Hauses
bei Enthaltung der PDS angenommen.
Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 6a und
6b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
- Drucksache 14/280 ({215})
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({216})
- Drucksache 14/441 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Birgit Schnieber-Jastram
bb) Bericht des Haushaltsausschusses ({217})
- Drucksache 14/458 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Dr. Christa Luft
Dr. Konstanze Wegner
Dr. Antje Hermenau
b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({218}) zu dem Antrag der Fraktion
der CDU/CSU
Beschäftigung fördern - soziale Sicherung
verbessern - Flexibilisierung erhalten
- Drucksachen 14/290, 14/441 Berichterstattung:
Abgeordnete Birgit Schnieber-Jastram
Ich weise darauf hin, daß wir nach der Aussprache
über den Gesetzentwurf namentlich abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Ich gebe das Wort der
Kollegin Leyla Onur, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, obwohl mich eine Grippe kalt erwischt hat, sage
ich: Heute ist ein wundervoller Tag, weil wir nämlich
ein weiteres Wahlversprechen
({0})
mit der Beschlußfassung zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse einlösen werden.
({1})
Wir haben im Wahlprogramm und konsequenterweise
auch in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, daß
Vizepräsident Rudolf Seiters
wir den Mißbrauch der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse stoppen werden.
({2})
Genau das tun wir mit unserem Gesetz, das wir heute in
diesem Hause beschließen werden.
({3})
Wir haben sehr wohl die Schwierigkeiten erkannt.
Aber wir haben nicht wie Sie vor den Schwierigkeiten
kapituliert, sondern sind mutig und kraftvoll an die
Schwierigkeiten herangegangen. Mut haben wir auch in
der Feststellung bewiesen, daß wir nicht alle Probleme
auf einmal konsequent und optimal lösen können.
({4})
Dieser Mut ist notwendig. Das sind wir unseren Wählerinnen und Wählern schuldig, und wir haben es ihnen
versprochen. Deshalb werden wir heute dieses Gesetz
beschließen.
({5})
Wir haben nämlich Probleme zu lösen, die auch von
Ihnen eigentlich nie bestritten worden sind. Sie hatten
aber nicht das Rückgrat, die Probleme anzugehen.
({6})
Wir müssen nämlich endlich den dramatischen Aufwuchs von geringfügiger Beschäftigung stoppen.
({7})
Diese Entwicklung kann man nur noch als dramatisch
bezeichnen, da im Jahre 1997 fast 6 Millionen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse festgestellt wurden und
diese Zahl von Tag zu Tag weiter wächst.
({8})
- Ganz ruhig, liebe Frau Kollegin, dazu komme ich
noch.
Es sind ja systematisch Vollzeit- und Teilzeitarbeitsverhältnisse zerstückelt worden. Zunehmend sind von
Arbeitgeberseite nur noch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse angeboten worden, weil auf diesem Wege
Kosten gespart werden konnten. Schließlich haben die
Arbeitgeber auch noch die Pauschalsteuern auf die Arbeitnehmer abgedrückt,
({9})
sich den Kontrollen entzogen und den Arbeitnehmern
verbriefte Arbeitnehmerrechte vorenthalten.
({10})
Genau das war der Anreiz, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse anzubieten. Wir werden mit unserem
Gesetz dieser verheerenden Entwicklung einen Riegel
vorschieben.
Frau Kollegin Onur,
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schwaetzer?
Herr Präsident, in Anbetracht der
fortgeschrittenen Zeit und der Tatsache, daß wir über
dieses Gesetz im Ausschuß in allen Richtungen debattiert haben und die Ausschußberatungen hier nicht wiederholen wollen,
({0})
werde ich mit meinen Ausführungen fortfahren.
Wir werden der verheerenden Entwicklung einen
Riegel vorschieben, indem wir die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse als Regelarbeitsverhältnisse für
Arbeitgeber unattraktiv machen.
({1})
Das geschieht dadurch, daß wir die 630-Mark-Grenze
festschreiben, einen Sozialversicherungsbeitrag der
Arbeitgeber in Höhe von 22 Prozent einführen, eine
ordnungsgemäße An- und Abmeldung von Beschäftigten vorschreiben und endlich dafür sorgen, daß die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ordnungsgemäße
Arbeitsverträge und damit die ihnen zustehenden
Rechte von den Arbeitgebern eingeräumt bekommen.
({2})
Welche Konsequenzen haben diese Neuregelungen
und warum wird es dadurch für die Arbeitgeber unattraktiv, diese Beschäftigungsverhältnisse in großer
Zahl anzubieten?
({3})
Ein Arbeitgeber, der einmal genau hinschaut und genau
nachrechnet, stellt sehr schnell fest, daß die Kosten für
das Arbeitsverhältnis nicht steigen, da er an Stelle der
Pauschalsteuer, wenn er sie denn vorher bezahlt hat,
jetzt einen Sozialversicherungsbeitrag in Höhe von 22
Prozent bezahlt. Aber viele haben sie ja nicht gezahlt.
Viel interessanter ist aber, daß man, wenn man spitz
rechnet, feststellt, daß ein sozialversicherungspflichtiges
Teilzeitarbeitsverhältnis oder gar ein Vollzeitarbeitsverhältnis für den Arbeitgeber schlicht und einfach kostengünstiger ist.
Hinzu kommt, daß es sowohl bezüglich des Verwaltungsaufwandes als auch hinsichtlich der Arbeitsorganisation attraktiver ist, mit Teilzeitarbeitskräften oder
Vollzeitarbeitskräften zu arbeiten. Das weiß ich, da ich
aus einem Arbeitgeberhaushalt stamme, aus dem ich
meine Erfahrungen ableiten kann. Gemerkt haben das
auch schon die Arbeitgeber, denn ein Unternehmen - so
hat man mir berichtet - ist schon dabei, geringfügige
Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeitsverhältnisse umzuwandeln, weil es
nicht mehr interessant ist, mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zu arbeiten. Ich bin davon überzeugt,
daß diese Entwicklung zunehmen wird.
({4})
Ich garantiere Ihnen: Die Arbeitgeber werden weniger
geringfügige Beschäftigungsverhältnise anbieten und
deswegen wird die Zahl auf diesem Sektor rückläufig
sein; sie wird sinken.
({5})
Genau das wollen wir ja. Wir wollen, daß es hier wieder
eine normale, vernünftige Relation gibt.
({6})
In diesem Zusammenhang muß auch gesehen werden,
daß mit diesem Gesetz das Ausbluten der Sozialkassen
gestoppt wird.
({7})
Norbert Blüm hat in diesem Hause mehrfach darauf hingewiesen, daß die Flucht aus der Sozialversicherungspflicht gestoppt werden müsse - nur, getan hat er nichts.
Wir handeln nun, indem wir Arbeitgeber dazu verpflichten, 22 Prozent in die Rentenkasse bzw. in die gesetzliche Krankenversicherung zu zahlen, um erstens
Wettbewerbsverzerrungen und zweitens die Flucht aus
der Sozialversicherungspflicht zu beenden.
({8})
Dies führt nicht zwingend zu erhöhten Leistungen. Aber
auf jeden Fall können wir hier schon zahlenmäßig belegen, daß damit die Rentenkasse und auch die Kassen der
gesetzlichen Krankenversicherung aufgefüllt werden,
und zwar bei gleichzeitig zusätzlichen Angeboten für die
Arbeitnehmer.
Ein weiterer Punkt, den wir immer im Auge hatten
und der in diesem Gesetzentwurf angegangen wird, ist
die soziale Absicherung der Arbeitnehmer. Ich gebe
zu: Ich hätte mir mehr gewünscht, viele hätten sich mehr
gewünscht.
({9})
Aber mit diesem Gesetz schaffen wir einen Einstieg in
die soziale Absicherung der geringfügig Beschäftigten.
Das ist ein ganz wichtiger Schritt.
({10})
Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse bleiben für die Familienversicherten unverändert. Es kommt
nichts hinzu, es wird aber auch nichts abgespeckt.
({11})
Für die 12 Prozent Arbeitgeberbeitrag in die Rentenkasse erwirbt eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer
auf jeden Fall Ansprüche, wenn auch geringe.
({12})
Entgeltpunkte können manchmal lebenswichtig sein,
wenn es um die Rente geht, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllen muß. Entgeltpunkte sind besonders wichtig, wenn sie in Wartezeiten umgerechnet werden können. Das ist ein wichtiger Fortschritt.
Aber das genügt uns nicht! Deswegen haben wir eine
Option für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingebaut. Mit maximal 7,5 Prozent freiwilligem Beitrag
erwerben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die
volle Berücksichtigung bei Wartezeit, Entgeltpunktberechnung, Reha, Rente nach Mindesteinkommen,
BU- und EU-Rente und vorgezogener Altersgrenze. Das
ist wirklich ein Fortschritt, wie wir ihn uns gewünscht
haben und den wir jetzt im vorliegenden Gesetz verankern.
({13})
Das führt zu einer Verbesserung der Alterssicherung von
Frauen, wobei wir nicht aus den Augen verlieren, daß es
uns letztendlich darum geht, daß die Frauen - und auch
die Männer, wohlgemerkt - zukünftig verstärkt in sozialversicherungspflichtigen Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsverhältnissen arbeiten
({14})
und nicht mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen abgespeist werden. Wir verstehen die vorübergehende Tätigkeit in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis als Brücke in ein sozialversicherungspflichtiges
Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsverhältnis.
Ich habe hier nicht alle Details unseres Gesetzentwurfes vortragen können. Ich würde das jederzeit gerne tun,
denn ich bin sehr zufrieden mit diesem Gesetz. Das
möchte ich an dieser Stelle einmal deutlich sagen.
({15})
Es sind nicht alle Wünsche in Erfüllung gegangen, aber
wir haben wenigstens den Mut und die Kraft gezeigt, an
diese notwendigen Regelungen heranzugehen, und diese
werden wir heute auch mehrheitlich beschließen.
Danke schön.
({16})
Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Dr. Peter Ramsauer.
Sehr geehrter
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau
Kollegin Onur, ich glaube, Sie sind heute auf der falschen Veranstaltung.
({0})
Sie sprechen davon, daß dies heute ein wunderschöner
Tag sei. Ich kann Ihnen nur sagen: Der gestrige und der
heutige Tag sind rabenschwarze Tage für unser Land,
({1})
und zwar für die Menschen, vor allen Dingen für die
„kleinen Leute“, für die Gerechtigkeit, die Wirtschaft,
die Investitionen und die Arbeitsplätze. Gestern kam es
zur Beschlußfassung bei der Ökosteuer. Heute früh hat
die Rede von Finanzminister Lafontaine über die sogenannte Steuerreform dem Begriff des Morgengrauens
eine vollkommen andere, neue Bedeutung verliehen.
({2})
Heute nachmittag soll eine Änderung der geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse beschlossen werden. Das
von gestern und heute ist - ich sage das einmal so - eine
Trilogie des Grauens.
({3})
- Ich prophezeie Ihnen - auch Ihnen, Herr Kollege Andres -: Das Lachen wird Ihnen noch vergehen.
({4})
Sie wollten, als Sie nach der Bundestagswahl angetreten
sind, vieles anders und einiges besser machen.
({5})
Aber was Sie mit der Neuregelung der geringfügigen
Beschäftigung anrichten, kann man nur noch als verheerenden Pfusch bezeichnen.
({6})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mir einmal
herausgesucht, was vor Weihnachten, also Ende November bzw. Anfang Dezember letzten Jahres, in der
Presse, und zwar auch in der linken, über Sie zu lesen
war. Dazu einige Beispiele. Es ist ja ganz gut, wenn man
sich diese noch einmal ins Gedächtnis ruft.
({7})
- Hören Sie ruhig zu, auch wenn es Ihnen nicht guttun
wird, sich diese Dinge anzuhören. - Ich zitiere aus einem Artikel mit der Überschrift „Wie im Tollhaus“:
Hurtig eilend von Unfug zu Unfug, schieben sie
den Karren krachend an die Wand. Das ist - leider
- kein Zitat aus einem alten Heldenepos, sondern
das sich aufdrängende Urteil über die Arbeit der
neuen Regierung. Was die rot-grüne Koalition der
Öffentlichkeit unter den Stichworten „Steuern, Soziales, Arbeitsmarkt“ an Ungereimtheiten und inneren Widersprüchen zumutet, hat es in dieser Massierung bislang nicht gegeben.
Ein weiteres Zitat, aus der „Süddeutschen Zeitung“:
Seit der Kanzlerwahl versucht Schröder hastig und
oft ohne die nötige Sorgfalt zu beweisen, daß nun
alles anders wird. ... Er rennt los und verfehlt, wenn
auch in beeindruckender Geschwindigkeit, die
Etappenziele.
Das jüngste Beispiel für diese Sprints ins Nirgendwo ist die Farce um die 620-Mark-Jobs.
({8})
Und weiter:
Sie
- gemeint ist die Regierung erweckt den Eindruck, mit unzureichender Vorbereitung in zu kurzer Zeit auf der Basis mangelnder
Erfahrung zu agieren. Dafür
- schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ gibt es einen Begriff: Dilettantismus.
Das möchte ich Ihnen ins Gedächtnis rufen.
({9})
In der gleichen Zeitung steht unter der Überschrift
„Bonner Chaostage“ - das ist sehr interessant; das ist
fast eine Bibelexegese -:
({10})
So muß es gewesen: Nicht im entferntesten haben
Sozialdemokraten und Grüne damit gerechnet, daß
sie die Wahl am 27. September gewinnen würden.
... Anders ist das Chaos nicht zu erklären, das sie
derzeit in Bonn verbreiten. Die 620-DM-Regelung
ist der vorläufige Höhepunkt der Geisterfahrt.
Die Münchener „Abendzeitung“ schrieb unter der
Dachüberschrift „Kanzler Schröder ein Abstiegskandidat?“ bezüglich der 620-Mark-Jobs: „Aufgepaßt Schröder! Die Fans pfeifen schon.“ Wiederum die gleiche
Zeitung veröffentlichte die Prophezeiung:
Nun immerhin hat die Chaos-Truppe um Schröder,
Lafontaine und Clement gespürt, daß es so nicht
weitergehen kann.
Die deutsche Öffentlichkeit hat gehofft, es werde im
Laufe der Zeit besser. Ich muß leider feststellen: Nichts
hat geholfen. Die Menschen haben vergeblich auf eine
Besserung gehofft. Alles war vergebens, und es ist
schlimmer denn je geworden.
Bemerkenswert ist allerdings, wie sehr sich der Bundeskanzler selbst in die Neuregelung der 620- bzw. jetzt
630-DM-Arbeitsverhältnisse eingeschaltet hat. Er
selbst hat in der Aktuellen Stunde vom 19. November
1998 das Wort ergriffen und die wesentlichen Punkte
der Neuregelung verkündet. - All die Verrücktheiten,
die jetzt entstanden sind, sind also nicht nur rotgrüne
Verrücktheiten, sondern Schröder-Verrücktheiten.
({11})
Der Kanzler soll - er ist nicht anwesend - ja nicht so
tun, als könne er sich verstecken.
({12})
Ich habe mir seine Rede vom 19. November 1998
noch einmal herausgesucht. In dieser Rede sagte er zum
Beispiel:
Diese Arbeitsverhältnisse bleiben steuerfrei, und
zwar unabhängig von weiteren Einkünften.
Es ist aber in dem vorliegenden Gesetzentwurf etwas
ganz anderes herausgekommen.
An einer anderen Stelle in seiner Rede führte er aus:
Aus diesen Leistungen heraus
- gemeint sind die Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 10 bzw. 12 Prozent entstehen keine zusätzlichen Ansprüche.
Auch dies war nicht haltbar. Ich habe schon damals in
meinem Zwischenruf gesagt: „Das ist verfassungswidrig!“ - Man könnte noch weitere Punkte nennen. Es
fragt sich wirklich: Was ist das Wort des Bundeskanzlers eigentlich wert? Zusammenfassend kann man sagen:
Diese rotgrüne Politik ist eine Karikatur ihrer selbst, um
nicht zu sagen: eine wahre Realsatire. Damit kann der
Bundeskanzler ohne weiteres in jede Talk-Show und in
jede Unterhaltungssendung gehen.
({13})
Noch ein Blick zurück:
({14})
- Lieber Herr Kollege Gilges, ich habe noch acht Minuten Redezeit. Sie müssen sich also schon noch einiges
anhören.
({15})
Dieses Gesetz hat in seiner parlamentarischen Behandlung eine Kette von gebrochenen Versprechen erlebt. Noch in der letzten Legislaturperiode haben Sie
vorgeschlagen, die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ab einem Arbeitsentgelt von zirka 90 DM im
Westen und zirka 77 DM im Osten in die Sozialversicherung einzubeziehen. In der Regierungserklärung des
Bundeskanzlers hieß es dann, die Grenze für geringfügige Beschäftigung werde auf 300 DM gesenkt; die
Pauschalsteuer solle aufgehoben werden. Am 9. November 1998 legten Sie dann einen Gesetzentwurf vor,
der aber weiterhin die Pauschalsteuer vorsah. Einen Tag
später nahmen Sie diesen wieder zurück.
Am 19. November 1998 unterbreitete Bundeskanzler
Schröder in der Aktuellen Stunde das besagte Konzept.
Entgegen der Regierungserklärung sollte die Geringfügigkeitsgrenze nicht mehr auf 300 DM gesenkt werden.
Im Gegenteil, die Geringfügigkeitsgrenze in den westlichen Bundesländern sollte auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Die Pauschalsteuer sollte entfallen, und
die 630-Mark-Jobs sollten steuerfrei sein, unabhängig
von weiteren Einkünften. Aus den Arbeitgeberbeiträgen
in Höhe von 10 Prozent zur gesetzlichen Krankenversicherung und 12 Prozent zur gesetzlichen Rentenversicherung sollten keinerlei Leistungsansprüche für die Arbeitnehmer entstehen. Der vorgelegte Gesetzentwurf sah
aber keine Steuerfreiheit unabhängig von weiteren Einkünften vor. Ein 630-Mark-Job ohne Steuerabzug war
nur vorgesehen, wenn kein weiteres Einkommen erzielt
wurde.
Eine neue „Erfindung“ sollte nun das Abkassieren
erleichtern,
({16})
nämlich „Beiträge ohne Gegenleistungen“, Frau
Kastner. In der Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf wurde Ihnen von fast allen Seiten die Verfassungswidrigkeit
einer solchen Regelung vorgehalten. Am 23. Februar
1999 mußte Bundesminister Riester schließlich noch
einmal nachbessern. - Zusammengefaßt: ein heilloses
Durcheinander bei der Gesetzesentstehung.
({17})
Nun zu dem, was Sie da anrichten. Sie müssen gut
aufpassen, weil man fast nicht mehr durchblickt. Ich habe heute einmal den Versuch unternommen, mir die Varianten vom Arbeitsministerium bis ins Detail erklären
zu lassen. Das aber schaffen nicht einmal die Fachleute
im Bundessozialministerium; denn sie sind überfordert,
wenn es um die Details aller Varianten geht.
Sehen wir uns ruhig einmal einige Zahlen an! Nehmen wir zunächst die Ehefrau eines freiberuflich Tätigen, die nicht Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Das ist zwar ein äußerst seltener, aber,
wenn man sich die Kosten des Arbeitgebers ansieht,
noch ein verhältnismäßig günstiger Fall. Für den Arbeitgeber kommen zu den Kosten in Höhe von 630 DM nur
75,60 DM für die Rentenversicherung - 12 Prozent hinzu. Er zahlt also insgesamt 705,60 DM.
Nehmen wir jetzt einen anderen Fall, der schon wesentlich häufiger vorkommt: Nehmen wir jemanden, der
Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung ist,
der aber ausschließlich Einkünfte aus einer solchen geringfügigen Beschäftigung hat. Er verursacht dem Arbeitgeber durch die entsprechenden Beiträge zur Rentenund Krankenversicherung schon Kosten in Höhe von
768 DM. Diese Beschäftigung ist damit schon teurer als
ein 630-Mark-Arbeitsverhältnis nach der bisherigen Regelung, das 756 DM gekostet hat.
({18})
- Augenblick, warten Sie einmal meine Schlußfolgerung
ab!
Jetzt wird es immer komplizierter. Nehmen Sie nun
den Fall, daß jemand neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit hinzuverdient und die Variante der pauschalen
Besteuerung wählt. Er verursacht seinem Arbeitgeber
Kosten in einer Höhe von insgesamt 894 DM. Bei demjenigen, der sich für die andere Variante entscheidet, für
die individuelle Besteuerung und für ein Splitting der
Sozialversicherungsbeiträge, sind es nur 737 DM. Wir
sehen schon, wie die Dinge auseinanderlaufen. Es lohnt
sich auch der Blick darauf, was denn beim Arbeitnehmer
ankommt. Ich nehme jetzt denjenigen, den ich gerade
beschrieben habe, der den Arbeitgeber 737 DM kostet,
der sich also für das hälftige Splitten der Sozialversicherungsbeiträge - Rentenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung - entscheidet und der individuell versteuert. Er bekommt von seinen 630 DM,
wenn er in der Lohnsteuerklasse VI versteuert, 150 DM
abgezogen.
({19})
- Ich möchte ganz bewußt einmal aufzeigen, wohin Ihre
Politik führt.
({20})
Für den Sozialversicherungsbeitrag sind 107 DM zu
nennen. Er bekommt 373 DM ausbezahlt - und das bei
einem Aufwand für den Arbeitgeber in Höhe von
737 DM. Das heißt, durch Ihr Gesetz wird das geringfügige Beschäftigungsverhältnis für den Arbeitgeber tendenziell sehr viel teurer, und beim Arbeitnehmer kommt
insgesamt weniger an. Da frage ich mich und vor allen
Dingen die Damen und Herren von der rotgrünen Koalition: Wo bleiben da eigentlich Ihre Grundsätze und Ihre
Prinzipien im Hinblick auf Gerechtigkeit?
({21})
Wo bleibt hier die Politik für den kleinen Mann, mit der
Sie bei der Bundestagswahl versucht haben, sich das
Vertrauen der Menschen in unserem Land zu erschleichen?
({22})
Ist denn eine solche Politik arbeitsplatzfördernd? Ich
glaube, die Kommentare und Anzeigen waren richtig,
besonders eine große Anzeige, die man in Zeitungen sehen konnte und in der es hieß: Diese Regierung schafft
Arbeitsplätze, aber sie schafft Arbeitsplätze im Ausland
und nicht in Deutschland.
({23})
Aber eines bewirken Sie mit dieser Politik ganz bestimmt: Sie fördern die Schwarzarbeit. Das ist doch
genau unser Problem, nämlich im Bereich von Nebentätigkeiten, dort, wo es darum geht, Arbeitsspitzen oder
Saisonarbeitsspitzen aufzufangen, die Schwarzarbeit
einzudämmen und die Menschen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Genau das vereiteln Sie.
Sie treiben die Menschen da in die Schwarzarbeit hinein; Sie kriminalisieren die Menschen, um sie dann hinterher rechtlich zu verfolgen.
({24})
- Ja, in der Tat. Sie treiben die Menschen in die
Schwarzarbeit und wollen sie hinterher rechtlich verfolgen.
({25})
Auch das gehört zu dem „Spaß“, den Sie damit noch haben werden.
Sie schlagen geradezu hinein bei der Beschäftigung
in Privathaushalten, einem Bereich, bei dem wir ohnehin froh sein müssen, wenn wir aus den Grauzonen herauskommen und die Menschen wenigstens in reguläre
geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bringen können. Wenn Sie sich die Diskrepanz zwischen dem, was
ein solches Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber kostet,
und dem, was der Arbeitnehmer nach Hause bringt, anschauen, dann werden auch Sie einsehen, daß es in vielen Fällen so sein wird - das prophezeie ich Ihnen von
Rotgrün -,
({26})
daß sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer tief in die Augen schauen und die ganze Sache anders regeln.
({27})
Das Gastgewerbe ist heute die Branche mit dem
höchsten Anteil an nebenberuflich Tätigen. Sie bereiten
hier dem Gastgewerbe, der Gastronomie, dem Tourismus, der ohnehin in Deutschland schwer zu leiden hat,
große zusätzliche Probleme - und das kurz vor dem
1. April, an dem die Saison beginnt. Das ist unverantwortlich. Ich sage nochmals: Sie werden Ihr blaues
Wunder erleben.
Herr Kollege Ramsauer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Andres?
Ja, weil ich ihn
so gut kenne. Bitte sehr.
Herr Kollege Ramsauer, können Sie der Öffentlichkeit sagen, wie gegenwärtig die
Schätzungen hinsichtlich der Zahl der Beschäftigten in
Privathaushalten aussehen, wie viele dieser Beschäftigungsverhältnisse ordentlich versteuert werden? Können
Sie weiter sagen, welche Vermutungen es dahin gehend
gibt, wieviel Schwarzarbeit da gegenwärtig stattfindet?
Herr Kollege
Andres, wir haben, als ich Sozialpolitiker war, sehr oft
über diese Dinge im Ausschuß gesprochen. Die Vermutungen und Aussagen darüber gehen genauso weit
auseinander wie die offiziellen Zahlen über die geringfügige Beschäftigung insgesamt. Es gibt die Zahl
5,6 Millionen aus der IWS-Studie; es gibt die Zahl
6 Millionen, die die Kollegin Onur genannt hat. Der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes spricht von
1 Million. Das können Sie also so oder so sehen. Nur,
eines ist richtig - darüber sind wir uns hoffentlich alle
miteinander einig -, nämlich daß wir gerade für den Bereich der Privathaushalte dafür sorgen müssen, daß wir
dort zu regulären, am besten voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen kommen. Darum geht es.
({0})
- Herr Präsident, ich möchte jetzt in meinem Manuskript
fortfahren, weil meine Zeit ohnehin zu Ende geht.
Dann darf ich die
Kollegin bitten, wieder Platz zu nehmen.
Ich wollte noch
etwas zu den Zeitungsverlegern sagen. Was soll eigentlich eine Frau sagen, die um 4 Uhr früh aufsteht und
Zeitungen austrägt, wenn sie in den nächsten Tagen zu
ihrem Arbeitgeber gerufen wird und ihr mitgeteilt wird:
„Du hast jetzt soundso viel Abzüge“?
Ihre Politik ist in vielen Bereichen ein Schlag ins Gesicht der kleinen Leute, deren Vertrauen Sie sich erschlichen haben.
({0})
Das Stakkato der Ablehnungen von allen Fachleuten inklusive den Gewerkschaften, das Sie in den Anhörungen
erlebt haben, hätte Ihnen eigentlich viel früher zu denken geben sollen.
„Das
Bessere ist des Guten Feind.“ Es wäre besser gewesen,
etwas nicht ganz so Gutes - das ist wahr - zu belassen,
anstatt einen so verheerenden Pfusch anzurichten, mit
dem ich Ihnen von der rotgrünen Koalition noch viel
Spaß wünsche.
({0})
Ich gebe der Kollegin Dr. Thea Dückert für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen das Wort.
({0})
Wenn Sie Ihre Diskussion beendet haben, kann ich
vielleicht mit meinem Beitrag beginnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen alle - das zeigt sich auch hier an Ihren Aufgeregtheiten -: Dieses Gesetz war tatsächlich eine schwere
Geburt.
({0})
Es kann in der Tat nicht alle Probleme im Bereich der
geringfügig Beschäftigten lösen.
({1})
Insbesondere kann es - das sage ich am heutigen Internationalen Frauentag - die arbeitsmarktpolitischen Probleme von Frauen natürlich nicht lösen.
({2})
Das haben wir auch nicht versprochen.
({3})
- Das haben wir nicht versprochen, weil es sich hier um
ein sehr differenziertes Problem handelt, zum Beispiel
im Hinblick auf Teilzeitarbeit, zum Beispiel im Hinblick
auf die Sozialversicherung. Es gibt in diesem Bereich
keine einfachen Lösungen. ({4})
Dennoch haben wir uns an dieses Gesetz gemacht, und
wir haben, verglichen mit dem, was Sie von CDU/CSU
und F.D.P. uns im Bereich dieser prekären Beschäftigung hinterlassen haben, eine erhebliche Verbesserung
erreicht.
({5})
- Ich will Ihnen gerne sagen, welche, wenn Sie mich reden lassen.
({6})
Erstens. Wir haben die Stabilisierung der Sozialkassen erreicht,
({7})
wogegen natürlich die F.D.P. polemisiert, weil sie genau
dies nicht will.
({8})
Zweitens werden wir - davon bin ich fest überzeugt dem Mißbrauch und dem weiteren Aufwuchs bei den
geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen entgegenwirken,
({9})
und zwar durch mehrere Elemente, zum einen durch die
Begrenzung dieser Beschäftigungsverhältnisse auf
630 DM. Sie haben die Grenze doch wirklich floaten
lassen; innerhalb von zehn Jahren ist sie von 400 DM
auf über 600 DM gestiegen. Dadurch haben wir bis zu
6 Millionen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse
bekommen. Das ist Ihre Frucht. Wir deckeln diese EntDr. Peter Ramsauer
wicklung. Ich denke, das wird dazu führen, daß dieser
Aufwuchs gestoppt wird.
({10})
Zum anderen führen wir Kontrollmöglichkeiten in diesem Bereich ein.
({11})
Wir bringen ihn endlich aus der Grauzone heraus. Herr
Ramsauer hat gerade Beispiele genannt: Das Zahlenmaterial in diesem Bereich gibt wirklich nur zu Spekulationen Anlaß. Des weiteren machen wir in der Tat die
Nebenjobs von Menschen, die sonst Hauptjobs ausüben,
durch die Besteuerung unattraktiver, und das auch ist
richtig. Ich glaube, daß wir auf diese Weise mittelfristig
diese Jobs eindämmen werden.
Die dritte Verbesserung ist, daß wir allen von der ersten Mark an den Zugang zur Rentenversicherung eröffnen. Da können Sie klagen, wie Sie wollen, daß der
Rentenanspruch zu gering sei: Es ist das erste Mal, daß
den geringfügig Beschäftigten überhaupt die Möglichkeit gegeben wird, von der ersten Mark an in die Rentenversicherung hineinzukommen.
({12})
Die Stabilisierung der Sozialkassen, die Eindämmung
der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, die Eröffnung des Zugangs zur Rentenversicherung und die
Meldepflicht, die Licht in die Grauzonen bringt - das
sind die Punkte, wegen derer wir diesem Gesetz zustimmen.
Ich weiß ganz genau, daß wir uns mit dieser Debatte
natürlich in ein gesellschaftspolitisches Wespennest gesetzt haben. Hier treffen sehr unterschiedliche Interessen
aufeinander. Selbst auf seiten der Unternehmen gibt es
unterschiedlichste Interessen. Viele von ihnen verlangen
seit Jahren die Sozialversicherungspflicht für ihre geringfügig Beschäftigten, können sie aber nicht in die
Praxis umsetzen, weil andere Unternehmen beispielsweise die Pauschalsteuer auf ihre Beschäftigten abwälzen. Das führt zu Billigkonkurrenz; dadurch werden
Wettbewerbsvorteile erschlichen.
({13})
Es gibt auch andere Unternehmer, die den unkontrollierten Aufwuchs dieser Beschäftigungsverhältnisse
wollen. Das unterstützen Sie von der CDU/CSU, aber
insbesondere natürlich auch Sie von der F.D.P.
Darüber hinaus gibt es die Interessen der Gewerkschaften und der Frauenpolitikerinnen, die eine optimale sozialversicherungspflichtige Absicherung für
Frauen anstreben. Die sind unruhig und wollen Druck
machen. Damit haben sie auch recht; denn mit dieser
Regelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
erreichen wir nicht für alle Frauen eine zukunftsfeste
Alterssicherung. Das müssen wir im Zusammenhang mit
der Rentenreform systematisch angehen.
({14})
Da tun die Gewerkschaften recht daran, uns Druck zu
machen. Da tun die Frauenpolitikerinnen recht daran,
uns Druck zu machen.
({15})
Wir werden dem nachgehen. Aber wir haben im Bereich
der geringfügigen Beschäftigung alles getan,
({16})
um den Frauen erstmals überhaupt einen Zugang zur
Rentenversicherung zu eröffnen.
({17})
Natürlich ist dies ein ganz schwieriger politischer Komplex. Natürlich ist viel Kritik geübt worden, natürlich
sind viele Änderungswünsche an uns herangetragen
worden, auch ein Kanzlerwort. Wir haben versucht, in
sachlicher Weise und mit kühlem Kopf
({18})
- übrigens auch in den Anhörungen - die Änderungswünsche und die Kritiken aufzunehmen und umzusetzen.
({19})
Darüber ärgern Sie sich.
Eine der Anregungen war für uns besonders schmerzlich: Das ist der Punkt, daß wir die Erweiterung der
Mitbestimmungsregelung für die Betriebsräte haben
zurücknehmen müssen.
({20})
- Wir haben Kritik von seiten der Gewerkschaften und
von seiten der Unternehmen bekommen, daß diese Regelung in dieser Form nicht praxisgerecht sei.
Frau Kollegin Dükkert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Meckelburg?
Sie können Ihre Zwischenfrage stellen, Herr Kollege,
wenn ich mit diesem Komplex fertig bin. - Die Erweiterung der Mitbestimmungsregelung für Betriebsräte ist
aufgeschoben aber nicht aufgehoben.
({0})
Wir haben in den Anhörungen von den Gewerkschaften
den Anstoß bekommen, die Ausweitung der Mitbestimmungsregelung in der Novelle zum Betriebsverfassungsgesetz umfassend umzusetzen. ({1})
Herr Kollege, Sie können jetzt gern Ihre Zwischenfrage
stellen.
Frau Kollegin,
Sie haben eben behauptet, daß Sie diese Gesetzesregelung mit kühlem Kopf gemacht hätten. Wollen Sie
wirklich sagen, daß Sie all das, was Sie uns zugemutet
haben, mit kühlem Kopf gemacht haben: mehrere Varianten eines Gesetzentwurfs; einen Gesetzentwurf, der
völlig anders aussah als der, den Schröder versprochen
hatte; Änderungsanträge, die erst zu Beginn der Ausschußsitzung auf dem Tisch lagen, mit denen gravierende Dinge geändert werden sollten und die man gar nicht
richtig beraten konnte; ein Verfahren, das in einer Haushaltswoche Sondersitzungen, Nachtsitzungen erforderte;
Ihre Weigerung, mit kühlem Kopf eine zweite Anhörung
zu machen?
({0})
Herr Kollege, ich komme aus einem Landtag. Vielleicht
ist die Praxis im Bundestag anders. Ich verstehe Anhörungen und Diskussionen im Gesetzgebungsprozeß innerhalb des Parlaments als diskursive Prozesse, als Prozesse, in denen man Anregungen von Fachleuten aufnimmt.
({0})
Meine Damen und Herren, ich sprach gerade zum
Thema Anhörungen. Wir haben dort auch zu anderen
Bereichen Anregungen bekommen, zum Beispiel zum
Verhältnis zwischen Beiträgen und Leistungen. Auch
hier haben wir die Regelungen verändert. Sie bekämpfen
das, ich denke aber, es war eine sinnvolle Veränderung.
Zur Krankenversicherung. Es werden nunmehr
Beiträge in die Krankenversicherung für diejenigen Personen gezahlt, die auch über die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen bekommen. Das sind allerdings
99 Prozent der Beschäftigten. Hier stehen Beiträge und
Leistungen also einander gegenüber.
Der andere Bereich ist die gesetzliche Rentenversicherung. Hier haben wir eine Erweiterung vorgenommen, die ich sehr positiv finde. Nunmehr ist hinzugekommen, daß für den Arbeitgeberbeitrag von 12 Prozent
alle von der ersten Mark an anteilig dieser Einzahlung
Anrechte auf Entgeltpunkte und natürlich auch auf
Wartezeiten bekommen. Das ist eine gerechte und gute
Lösung. Sie ergänzt das, was wir speziell den Frauen
anbieten, daß sie, wenn sie ihren eigenen Arbeitnehmerinnenanteil bezahlen wie alle anderen in dieser Gesellschaft, die in der Rentenversicherung sind, dann einen
vollen Rentenanspruch mit Reha-Leistungen, mit Leistungen bei Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit
erwerben. Das ist ein wirkliches Angebot. Wer hier behauptet, es hätte sich für Frauen in diesem Bereich
nichts verändert, bei dem weiß ich nicht, wohin der
guckt und in welcher Welt der lebt.
({1})
Ich denke, daß wir mit diesen Veränderungen die verfassungsrechtlichen Probleme, die in der Tat vorhanden
waren - das ist in den Anhörungen deutlich geworden -,
ausgeräumt haben, und zwar gut ausgeräumt haben.
Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse bleiben
aber erhalten, das ist wahr. Das ist oft ein Kritikpunkt in
unseren eigenen Reihen. Die Situation der Frauen selber
hat sich aber gerade durch diesen Rentenanteil verbessert. Auch die Sozialkassen werden stabilisiert. Das sind
für uns wichtige Punkte, gerade in einer Zeit, in der die
Sozialkassen immer weiter ausgehöhlt werden.
Sie formulieren natürlich vielfältige Kritik. Sie werfen uns beispielsweise vor, daß die Ausdehnung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erschwert wird.
Meine Damen und Herren, haben Sie denn noch immer
nicht begriffen, daß wir genau dies wollen? Das ist eine
berechtigte Kritik. Wir wollen die Ausweitung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse erschweren.
({2})
Ihr Widerstand und der der Wirtschaft zeigt mir gerade,
daß wir auf dem richtigen Weg sind.
({3})
Wir haben mehrere Elemente in dieses Gesetz eingeführt. Zum Beispiel die Meldepflicht, die nicht nur für
einen besseren Überblick sorgt, sondern auch dafür, daß
bestimmte Formen des Mißbrauchs und, wenn Sie so
wollen, bestimmte Formen der Schwarzarbeit unmöglich
gemacht werden. Sie wissen ganz genau, daß es Unternehmen gibt, die auf dem Papier mehrere fiktive Personen führen und eine Arbeitskraft einstellen. Das ist eine
Form von Stellensplitting, eine Form von Schwarzarbeit,
die mit diesem Gesetz nicht mehr möglich sein wird.
({4})
Sie haben sich eben darüber erregt, daß Nebenjobs
besteuert werden. Wo kommen wir denn hin, wenn wir
eine Steuerungerechtigkeit, die es über Jahre hinweg gegeben hat, immer weiter fortschreiben würden? Wie
kann es denn angehen, daß Menschen mit gleichen Einkommen - nehmen wir einmal ein Einkommen von
3 000 DM - unterschiedlich hohe Steuern zahlen müssen? Das verteidigen Sie auch noch. Die einen, die das
mit einem Job verdienen, und die anderen, die früher ihren Job in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufgespalten haben, haben unterschiedlich hohe Steuern
abgeführt. Es war falsch, daß das so war, und es ist richtig, daß wir das hier verändert haben.
({5})
Meine Damen und Herren, genau dieser Komplex
wirkt sich natürlich auch auf Arbeitgeber aus, die bisher
die Pauschalsteuer abgewälzt haben. Die Arbeitskosten
werden höher. Das betrifft aber nur etwa ein Fünftel der
Beschäftigungsverhältnisse oder aber diejenigen, bei denen die Nebenjobs versteuert und sozialversicherungspflichtig werden.
({6})
Genau dieser Komplex führt dazu, daß es mittlerweile
Reaktionen gibt - sie wurden bereits angesprochen -,
geringfügige Beschäftigungsverhältnisse wieder in Vollzeit-, in vernünftige Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln. Diese Tendenz kündigt sich an, und ich bin
darüber wider all Ihren Unkenrufen sehr froh.
({7})
Die Minijobs bleiben erhalten - das ist wahr -, um
Auftragsspitzen und Schwankungen aufzufangen. Ein
einzelnes Arbeitsverhältnis bleibt auch für die Arbeitgeber billiger. Es ist auch so, daß in diesem Gesetz Ausnahmeregelungen erhalten bleiben, beispielsweise die Zweimonatsfrist oder die 50-Tage-Regelung. Alles, was darunterliegt, ist nicht sozialabgabenpflichtig.
Das ist auch der Grund, warum die Aufregung, die
Sie von seiten der Zeitungsverleger transportieren, vollständig an der Sache vorbeigeht. Das Jahr in der Bundesrepublik Deutschland hat 52 Wochen, und jemand,
der einmal in der Woche eine Zeitung austrägt und das
vielleicht zweimal im Jahr nicht macht,
({8})
kann das weiterhin tun, ohne unter die Abgabenpflicht
zu fallen.
({9})
Was die Tageszeitungsausträger anbelangt, so erlaubt
das Gesetz Aushilfstätigkeiten und zeitlich begrenzte
Tätigkeiten für Studenten und Rentner. Das ist die
Gruppe der Beschäftigten, die diese Beschäftigungsverhältnisse eingeht. Wir haben versucht, den Zeitungsverlegern entgegenzukommen. Das ist eine gerechte Lösung, und mehr geht nicht.
({10})
Meine Damen und Herren, die F.D.P. regt sich über
unser Gesetz jetzt besonders auf, weil
({11})
Sie nichts anderes wünschen, als die geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse auszudehnen, weil Sie die
Sozialversicherungspflicht nicht wollen. Ich sage Ihnen
nur: Ihre Kritik ist gerade an der Stelle, an der es um
die Renten geht, unglaubwürdig. Sie werfen uns vor, sie
seien zu niedrig; Sie wollen aber überhaupt gar keine
Sozialversicherungspflicht. Sie werfen uns ebenfalls vor,
daß die Beiträge, die bezahlt werden, um Rentenansprüche zu erwerben, zu hoch sind. Wie wollen Sie es denn?
Ich finde, Sie sitzen im Glashaus und werfen mit Steinen.
({12})
Wir haben mit diesem Gesetz vieles aufgegriffen und
manches noch nicht gelöst. Wir haben noch einiges vor
uns. Wir haben - davon sprach ich anfänglich - das große Projekt der eigenständigen Absicherung von Frauen
im Alter noch nicht zum Abschluß gebracht. Dieses
Problem konnte noch nicht gelöst werden. Auch das
Problem der Teilzeitmauer ist noch nicht gelöst. Ich sage
Ihnen: Wir werden das durch eine Steuer- und Sozialreform in Angriff nehmen.
({13})
- Man kann das in vier Monaten nicht ordentlich machen. Wir werden diese Probleme durch eine Steuerund Sozialreform in Angriff nehmen, um im Bereich
der Teilzeitarbeit eine bessere soziale Absicherung der
Frauen zu erreichen.
Meine Damen und Herren, Sie tragen viele Argumente vor, die vorgeschoben und falsch sind. Sie wissen
das auch sehr genau. Sie haben diese Argumente, die
beispielsweise Rentnerinnen und Rentner verunsichern,
auch in die Öffentlichkeit gebracht. Sie haben behauptet,
daß Kleinrentner mit diesem Gesetz zur Kasse gebeten
werden. Das ist nachweislich falsch, und das wissen
auch Sie.
({14})
Ein Rentner mit einem Rentenanspruch von 60 000 DM
im Jahr wird einen 630-Mark-Job nicht versteuern müssen. Das ist die Realität. Es ist wirklich an der Zeit, daß
Sie sich hier hinstellen und der Bevölkerung, der Sie
über die Zeitungen falsche Informationen geben, endlich
eine Aufklärung zukommen lassen.
({15})
Frau Kollegin Dr.
Dückert, Sie haben Ihre Redezeit inzwischen um zwei
Minuten überschritten. Ich muß Sie jetzt doch bitten,
zum Schluß zu kommen.
Ich danke Ihnen, Herr Präsident. Ich komme zum
Schluß.
Wir haben noch viel zu tun. Diesem Gesetz aber werden wir zustimmen, weil es Verbesserungen bringt, weil
es Licht in den Dschungel der geringfügig Beschäftigten
bringt, weil es die 630-DM-Grenze festschreibt, die SoDr. Thea Dückert
zialkassen stabilisiert und endlich allen einen Zugang
zur Rentenversicherung eröffnet.
({0})
Ich gebe der Abgeordneten Irmgard Schwaetzer, F.D.P.-Fraktion, das
Wort.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute befassen wir
uns mit einem weiteren Höhepunkt rotgrüner Regierungskunst.
({0})
Dieses Wahlversprechen entpuppte sich mehr und mehr
als ein „Qualversprechen“. Ihr 630-Mark-Gesetz ist ein
Flop oder, wie Sie wollen, ein Trauerspiel in fünf Akten.
Erster Akt: Die Wahlsieger teilen ihre Geschenke aus,
zum Beispiel die Erhöhung des Kindergeldes. Die
Empfänger müssen sie allerdings selbst bezahlen; denn
die unselige Ökosteuer, die erst einmal eingeführt wird,
reicht leider nicht aus, um die in der Rentenversicherung
durch das Wahlversprechen, den Beitragssatz auf 19,5
Prozent zu reduzieren, aufgerissenen Löcher zu stopfen.
Also müssen die 630-Mark-Verträge in die Sozialversicherungspflicht einbezogen werden.
({1})
Diese zunächst von der Koalition geplante Verteuerung
der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse paßt wiederum weder dem Bundeskanzler noch dem SPDVorsitzenden und Nachfrageapostel Lafontaine. Beide
bremsen das Projekt aus. Rotgrün legt eine Denkpause
ein.
Zweiter Akt: Der Bundeskanzler nutzt die Denkpause, um zu großer Form aufzulaufen. Das sah am 19. November wie folgt aus: Von den 630 DM haben die Arbeitgeber sogenannte Pauschalbeiträge an die Rentenund Krankenkassen zu zahlen, aber es soll keine Gegenleistung für die Versicherten geben. Alle 630-MarkVerträge sollten steuerfrei sein.
({2})
Es sollte keine neuen Belastungen zum Beispiel für
Zeitungsverleger, Gastronomie und Handel geben.
({3})
- Das hat er versprochen. - Später sollten die Betriebsräte ein Vetorecht erhalten.
({4})
Dritter Akt: Von allen Seiten hageln die Proteste.
Diesmal kann die SPD die Verantwortung nicht auf den
sonst so geliebten kleinen Koalitionspartner abwälzen,
weil alles von den SPD-Promis ausgedacht und in die
Welt gesetzt worden ist. Das allerdings hindert die Grünen nicht, den ganzen Unfug lauthals zu verteidigen.
({5})
In der ersten Lesung teilt uns die Koalition mit fester
Stimme mit, das alles sei verfassungsrechtlich geprüft.
Im übrigen sei es für unsere Sozialversicherung typisch,
daß Beiträge ohne Gegenleistungen erhoben würden.
({6})
- Das haben sie gesagt.
Vierter Akt: Der ersten Lesung folgt der schwarze
Sonntag, die Hessen-Wahl. Mit beachtlicher Geschwindigkeit steigt die rotgrüne Koalition von ihrem hohen
Roß herunter. Dann geht es los: ändern, ändern, ändern.
„Nachbesserung“ wird zum Wort des Jahres. Dabei behaupten sie immer noch, sie hätten alle Neuregelungen
verfassungsrechtlich genau geprüft. Aber dann kam die
Anhörung. Keiner der Sachverständigen hat auch nur
ein gutes Haar an ihren Regelungen gelassen. Kein wissenschaftlicher Sachverständiger - nicht einmal die Gewerkschaftler - hat ihnen bescheinigt, daß dieses Gesetz
praktikabel sei;
({7})
auch hat niemand gesagt, daß es verfassungsrechtlich
unbedenklich sei.
({8})
Als erstes bleiben die Vetorechte des Betriebsrats auf
der Strecke. Dann gibt es für den Pauschalbeitrag doch
Entgeltpunkte im Rentenrecht. Auch versucht man, sich
bei der Krankenversicherung aus den selbstgestrickten
Fangnetzen zu befreien. Die Bemühungen der rotgrünen
Reparaturkolonne stellen allerdings die Sinnhaftigkeit
des Vorhabens erst recht in Frage. Sie glauben, ein Problem zu lösen, und haben drei neue am Hals.
({9})
Fünfter Akt: Jetzt will Rotgrün mit dem Kopf durch
die Wand, obwohl sie mit dem neuen Gesetz keines der
von ihnen propagierten Ziele erreichen.
({10})
Erstens wollen sie die Finanzgrundlagen der Sozialversicherung stabilisieren, ohne die Flexibilität des Arbeitsmarkts zu beeinträchtigen.
({11})
- Darauf komme ich gleich, Herr Kollege. - In Wahrheit
fördern sie mit diesem Gesetz ausschließlich die
Schwarzarbeit.
({12})
- Darüber werden wir uns in drei Monaten unterhalten.
Sie werden es schon sehen.
Zweitens. Sie wollten den Schutz der beteiligten Arbeitnehmer verbessern. Tatsache ist: In der Krankenversicherung: null Verbesserung; in der Pflegeversicherung:
null Verbesserung; in der Arbeitslosenversicherung: null
Verbesserung; und in der Rentenversicherung bescheren
Ihre neuen Entgeltpunkte dem Arbeitnehmer pro Beitragsjahr eine Monatsrente von maximal 4,17 DM,
({13})
aber erst, wenn sie die Wartezeit erfüllt haben, und die
beträgt 42 Jahre.
({14})
Meine Damen und Herren von der Opposition, das ist
wirklich ein Punkt, bei dem man auf die Art der Beratung im Ausschuß nur noch wütend sein kann.
({15})
Ich habe dem Arbeitsministerium exakt diese Frage gestellt. Das Arbeitsministerium hatte einen Tag Zeit, eine
Antwort darauf zusammenzubekommen. Als wir kurz
vor Mitternacht diese Frage wiederum mit dem Arbeitsministerium besprochen haben,
({16})
war ein Artikel in der „Welt“, in dem der VDR diese
Zahlen genannt hat, bereits gedruckt. Das Arbeitsministerium behauptete allerdings, man könne das nicht berechnen.
({17})
- Das ist nicht nur Schlamperei; meines Erachtens steckt
da Absicht hinter.
({18})
Sie wollten überhaupt nicht wissen, was für einen Unfug
Sie beschließen, damit die Kritiker in Ihren Reihen nicht
noch weiter Zubrot bekommen.
Drittens. Der Kanzler hatte den Zeitungsverlegern
und anderen Wirtschaftsverbänden versprochen, bei den
630-Mark-Verträgen gebe es keine neuen Belastungen.
({19})
Dazu kann man wirklich nur sagen: Wie versprochen, so
gebrochen.
({20})
In Wahrheit ist die Ablösung der Lohnsteuerpauschale durch die Pauschalbeiträge natürlich eine Mehrbelastung. Die Lohnsteuerpauschale war lediglich eine
Option für den Arbeitgeber, die Pauschalbeiträge sind
keine Option mehr, also eine zusätzliche Belastung.
({21})
- Das war nie ein Problem; das haben wir nie geleugnet.
({22})
- Die Arbeitnehmer haben das in vielen Fällen sogar
gewünscht, weil das auch für sie auf der Steuerkarte
günstig war.
({23})
Jetzt komme ich zu den famosen Zeitungsausträgern,
Frau Dückert. Ich möchte gerne einmal sehen, wo ein
Zeitungsausträger das tägliche Austragen unserer
„FAZ“ oder Ihrer „taz“ zu einer Vollbeschäftigung machen kann. Der wird doch nicht die ganze Nacht herumlaufen, um 8 Stunden auf den Buckel zu bekommen.
({24})
Nach der Konstruktion dieser Arbeitsverhältnisse wäre
das auch gar nicht möglich. Das wird auch weiterhin in
Nebenbeschäftigung gemacht.
({25})
Das Versprechen Ihres Kanzlers war also schon an dem
Tag Makulatur, an dem er es den Zeitungsverlegern als
Zusage gegeben hat.
({26})
So viel zu den Zusagen von Herrn Schröder.
Bei Ihnen stehen das Abkassieren und die Ideologie
im Vordergrund, und zwar - so sage ich einmal - beides
gleichgewichtig. Aber beides hilft dem Arbeitsmarkt
nicht auf, sondern beides führt nur - das werden Sie
auch bei Ihrem sogenannten Steuerentlastungsgesetz sehen; dieses Gesetz ist ein „Arbeitsplatzvernichtungsgesetz“ - zum Rückgang der Beschäftigung in Deutschland führen. Ich finde das schädlich.
({27})
Viertens. Sie wollten Haushaltslöcher in den Sozialkassen wenigstens teilweise stopfen. Geblieben sind
1,3 Milliarden DM an Mehreinnahmen für die Krankenversicherung, falls Ihre laufend geänderten Rechnungen denn heute überhaupt noch stimmen. Mit diesen
Mehreinnahmen kann es Ihnen allerdings nicht schnell
genug gehen. Am 1. April soll das Gesetz in Kraft treten, ohne Übergangsfrist und ohne daß Vertragspartner
auch nur den Hauch einer Chance haben, sich auf die
neuen Gegebenheiten einzustellen. Das allerdings ist neu
in der Sozialgesetzgebung Deutschlands, und es ist kein
Fortschritt.
({28})
In der Rentenversicherung geraten Sie bereits mittelfristig ins Minus; denn die Entgeltpunkte für Ihre PauDr. Irmgard Schwaetzer
schalbeiträge sind dynamisiert. Mit dem Festhalten der
Grenze bei 630 DM, also keiner Dynamisierung, wird - ({29})
- Herr Dreßen, darüber könnten wir uns im Ausschuß
unterhalten, wenn Sie nicht immer dann Schluß der Debatte beantragen würden, wenn es für Sie unangenehm
wird.
({30})
Die von Ihnen angegebenen Mehreinnahmen in der
Rentenversicherung sind also eine schlichte Falschbuchung. Dazu kommen die Finanzrisiken aus der Option.
Für 58,80 DM bekommt ein Arbeitnehmer vollen
Schutz, für den eine Krankenschwester lange arbeiten
und viel Dienst leisten muß.
({31})
Alle Sachverständigen haben gesagt, daß dies eine
schwerwiegende Ungleichbehandlung ist. Ich bin einmal
gespannt darauf, ob das vor dem Verfassungsgericht Bestand haben wird.
({32})
Darüber hinaus belasten Sie die Gebietskörperschaften,
die bekanntlich im Geld schwimmen, mit Steuerausfällen von insgesamt 2,1 Milliarden DM jährlich. Der Saldo ist also deutlich negativ.
Daß Rotgrün nicht rechnen kann, ist eine alte Erkenntnis.
({33})
Aber daß Sie in den Ausschußberatungen offensichtlich
nicht einmal daran interessiert waren, die Konsequenzen
aus den Regelungen Ihres Gesetzes wirklich zu begreifen, das verstört mich in der Tat fast; das muß ich Ihnen
schon sagen.
Frau Kollegin
Schwaetzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Seifert?
Ja, gern.
Frau Kollegin Schwaetzer, Sie
haben sich gerade darüber aufgeregt, daß für die geringfügig Beschäftigten die gleichen Leistungen gewährt
würden wie für eine Krankenschwester, die sehr schwer
arbeiten muß. Wollen Sie allen Ernstes, daß jemand, der
nur einen solchen geringfügigen Job hat, keine RehaLeistungen, keine Erwerbsunfähigkeitsrente oder Arbeitslosenunterstützung bekommt, wenn es denn erforderlich ist?
Herr Kollege, die
F.D.P. möchte eine nahtlose Regelung in bezug auf den
gesamten Sektor Niedriglohn, in den auch geringfügige
Beschäftigung und Teilzeitarbeit fällt. Wir haben dafür
einen Vorschlag gemacht, das Bürgergeld. Wir hätten
dieses alles gern konkreter mit Ihnen diskutiert.
({0})
- Darüber werden wir uns noch unterhalten. Es ist bezahlbar, und es wird bezahlbar sein. Zudem hat es gegenüber dem Stückwerk, das Sie hier vorlegen, wirklich
den Vorzug, eine Regelung aus einem Guß zu sein. Aber
Sie scheuen die Diskussion über den gesamten Niedriglohnsektor, wenn Sie denn christlich wären, könnte ich
sagen: wie der Teufel das Weihwasser.
({1})
- Das war die Antwort auf Ihre Frage. Ich möchte, daß
die abgesichert sind, aber in einem nahtlosen System.
Wir haben dafür einen Vorschlag gemacht.
({2})
Ich komme zum Schluß. Wie wir hören, macht Ihnen
das Regieren nach wie vor viel Freude.
({3})
Das Publikum lacht über Ihre Scherzartikel allerdings
immer gequälter. Vielleicht sollten Sie sich in Zukunft
in der Tat etwas einfachere Aufgaben vornehmen. Bei
Kindergelderhöhungen können nicht einmal Sie viel
falsch machen. Dadurch würden Sie hilflose Ruderübungen vermeiden - hin und wieder zurück -, die Sie
jetzt in der Krankenversicherung und bei den Renten
veranstalten, die nur zu Verunsicherung und keineswegs
- dies bedaure ich - zu mehr Beschäftigung führen.
({4})
Ich gebe das Wort
Frau Dr. Knake-Werner, PDS-Fraktion.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Glück ist am
Schluß der Rede von Frau Schwaetzer doch noch ein
bißchen neoliberale Soße gekommen; sonst hätte ich fast
die Befürchtung gehabt, daß wir uns, was die Einschätzung des vorliegenden Gesetzentwurfs angeht, ungeheuer
nahe sind.
({0})
Liebe Kollegin Onur, Sie haben, als Sie hier vorhin
gesprochen haben, gesagt, Sie hätten Mut gezeigt, weil
Sie sich endlich mit der Neuregelung der geringfügigen
Beschäftigungsverhältnisse befassen. Da kann ich Ihnen
nur ausdrücklich zustimmen. Aber ich sage auch: Mut
allein reicht nicht. Ein Konzept muß her, und zwar eines
und nicht fünf verschiedene, wie das bei Ihrem Gesetzentwurf der Fall ist.
({1})
Die Einbeziehung der 630-Mark-Jobs in die Sozialversicherung - das wissen wir alle, die wir in der letzten
Legislaturperiode dafür gekämpft haben - und vor allen
Dingen das Stoppen des Mißbrauchs damit sind seit Jahren überfällig. Insbesondere Frauenorganisationen und
Gewerkschaften haben das nachdrücklich unterstrichen.
Wir wissen auch, daß durch das Gezerre insbesondere
zwischen CDU/CSU und F.D.P. dieses Problem auf die
lange Bank geschoben wurde.
({2})
Tatenlos - das muß man Ihnen einfach vorhalten hat die Vorgängerregierung zugesehen, wie immer mehr
versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse in ungesicherte Beschäftigung umgewandelt wurden. Vor allem
die explosionsartige Zunahme der 630-Mark-Jobs ist
dabei die negativste Entwicklung. Sie geht eindeutig auf
Ihr Konto. Um an die vorangegangene Debatte anzuknüpfen: Es ist doch genau die Entwicklung, die zu Lasten der Frauen geht.
Die Frauen sind es doch vor allem, denen überwiegend solche versicherungsfreien Jobs angeboten werden
und denen oft nichts anderes übrigbleibt, als sie anzunehmen, wenn sie Kindererziehung und Erwerbstätigkeit
unter einen Hut bringen wollen. Allein im Handel, unstrittig ein Frauenbereich, gibt es gegenwärtig - so
schätzt die HBV - 700 000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Bei manchen Handelsketten machen
diese Jobs mehr als ein Drittel aus. Ich denke, dieser
Entwicklung muß unbedingt Einhalt geboten werden.
Ich sage Ihnen auf der rechten Seite dieses Hauses auch,
daß die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten dabei
einen höchst unrühmlichen Beitrag geleistet hat. Auch
das geht auf Ihr Konto.
({3})
Nun nimmt sich die Schröder-Regierung vor, die
weitere Zersplitterung des Normalarbeitsverhältnisses in
630-Mark-Jobs endlich zu stoppen und mehr sozialen
Schutz für die dort Beschäftigten zu schaffen. Jede bezahlte Erwerbsarbeitsstunde, so sagen Sie, soll nun endlich versicherungspflichtig werden. Vor allen Dingen
den Frauen versprechen Sie eine bessere Alterssicherung, ohne sie zusätzlich zu belasten.
Das sind fürwahr ehrgeizige Ziele, die Sie verfolgen.
Sie hätten bei ihrer Durchsetzung mit unserer vollen
Unterstützung rechnen können. Aber damit kein Zweifel
aufkommt, sage ich Ihnen auch: Sie werden Ihre Ziele
mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht erreichen. Ich
will ausdrücklich sagen: Niemand erwartet von Ihnen,
daß Sie alle Probleme gleichzeitig lösen. Aber man darf
doch wenigstens Schritte in die richtige Richtung erwarten, wenn ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt wird. Auch in diesem Bereich nehmen Sie eher die
falschen Weichenstellungen vor. Ein solches Vorgehen
verdient jedenfalls unsere Unterstützung nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muß doch auch
Ihnen in der Anhörung aufgefallen sein, daß es einen erheblichen Zweifel daran gibt, ob Sie mit der Festschreibung der Geringfügigkeitsgrenze auf dem hohen Niveau von 630 DM wirklich zur Eindämmung dieser Jobs
beitragen können. So sehr wir natürlich die Angleichung
der Niveaus in Ost und West begrüßen, so deutlich müssen wir aber sagen, daß die von Ihnen geplante Angleichung auf dem Niveau von 630 DM gerade für Ostdeutschland das völlig falsche Signal ist.
({4})
Wir befürchten, daß insbesondere dort eine neue Dynamik zur Umwandlung von Teilzeit- und Vollzeitarbeitsplätzen in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse
einsetzt. Sie müssen mir einmal erklären, was einen Arbeitgeber, der nun statt der Pauschalsteuer Pauschalabgaben in die Sozialkassen zu zahlen hat, von dieser
Umwandlung abhalten soll. Diese Belastung ist für ihn
immer noch geringer als die Belastung durch einen Teilzeitjob. Ich will aber auch hier ausdrücklich sagen, daß
ich es für richtig und gut halte, daß Sie endlich verhindern, daß Arbeitgeber die Steuern auf die Beschäftigten
abwälzen können.
Mit der Beibehaltung der Geringfügigkeitsgrenze auf
diesem von Ihnen vorgesehenen Niveau - das ist unsere
Befürchtung - wird auf Dauer ein Niedriglohnsektor
etabliert, der auch in der nächsten Zeit weiter expandieren wird und der Druck auf das Lohnniveau und auch
auf die Normalarbeitsverhältnisse ausüben wird. Meine
Befürchtung ist einfach, daß sich in der SPD die Hombach-Linie durchgesetzt hat. Diese Linie kann man in
seinem Buch sehr gut nachlesen.
Wenn man sich nun schon für die Beibehaltung der
Geringfügigkeitsgrenze entscheidet, dann muß man wenigstens die Einbeziehung der unter ihr Beschäftigten in
die Sozialversicherung konsequent und nicht halbherzig,
wie Sie es tun, anpacken.
Wenn Sie sich an dem Grundsatz orientieren, daß jede bezahlte Arbeitsstunde versicherungspflichtig sein
soll, dann heißt das doch: Beiträge in alle vier Säulen
des sozialen Sicherungssystems, aber wenigstens eine
verbesserte Alterssicherung für Frauen. Genau das
wollten Sie doch regeln. Aber auch hier bleiben Sie
halbherzig.
Nach unserer Einschätzung schaffen Sie mit der vorgesehenen Regelung ein Rentenrecht zweiter Klasse,
weil dem 12prozentigen Anteil der Arbeitgeber zur
Rentenversicherung nur Teilansprüche gegenüberstehen
und die Frauen erst dann, wenn sie zuzahlen, einen vollen Anspruch an die Rentenversicherung haben. Gerade
Frauen, für die die 630-Mark-Jobs oft die einzige Einnahmequelle sind, werden sich häufig aus finanziellen
Gründen diese Option nicht leisten können.
({5})
Genau das werfe ich Ihnen vor: Ich werfe Ihnen einfach
vor, daß Sie faktisch für diejenigen keine Regelung trefDr. Heidi Knake-Werner
fen, die den Schutz der Rentenversicherung am allermeisten brauchen. Ihnen freizustellen, sich voll oder
zum Teil zu versichern, verstößt nun fürwahr gegen den
Schutzgedanken unseres sozialen Sicherungssystems.
Das können wir einfach nicht mittragen.
Wenn Sie schon die paritätische Finanzierung der
Rentenversicherung durchbrechen, dann hätten Sie den
Arbeitgebern bis zur Geringfügigkeitsgrenze beide Beitragsanteile, also 19,5 Prozent, auferlegen können. Damit hätten Sie wirklich einen Schritt für mehr soziale
Gerechtigkeit getan.
({6})
Die Beiträge für die Krankenkassen dienen - das sagen
auch Sie sehr eindeutig - allein zur Schaffung neuer Finanzressourcen für die Krankenversicherung. Wir haben eine Menge anderer Vorschläge, wie Sie die Finanzressourcen der Krankenversicherung verbessern können.
Heben Sie doch die Beitragsbemessungsgrenze an -,
oder verbreitern Sie die Basis der Beitragszahlungen zur
gesetzlichen Krankenversicherung, anstatt auch dieses
Problem noch auf dem Rücken der Geringstverdienenden zu lösen! Das können wir nicht mittragen. Zusätzlich vergessen Sie auch noch die Pflegeversicherung.
Deren Einbeziehung hätte nun wirklich geholfen.
({7})
- Die Arbeitslosenversicherung ist der nächste Punkt,
den ich für äußerst kritikwürdig halte. Warum werden
die geringfügig Beschäftigten nicht in die Arbeitslosenversicherung einbezogen? - Sie wissen ganz genau, daß
das eine wirkliche Brücke für eine zukunftsfähige Perspektive dieser Beschäftigten gewesen wäre.
Ich sage Ihnen sehr deutlich: Die Regelung, die Sie
jetzt vorlegen, bedeutet keinen Schritt in die richtige
Richtung. Sie werden es nicht schaffen, die Zahl der
versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen. Sie werden es auch nicht schaffen, daß Frauen
mehr sozialen Schutz haben.
Noch ein Wort zur Besteuerung. Ich finde es richtig,
daß die Nebenverdienste besteuert werden. Aber erklären Sie mir einmal, warum Sie die Ehefrauen aus der
Regelung herauslassen, obwohl Sie ansonsten am Ehegattensplitting festhalten! Wenn Sie die Ehefrauen in
dieser Situation steuerlich begünstigen, dann sorgen Sie
dafür, daß ebendiese Frauen in der 630-Mark-Job-Falle
festgehalten werden. Sie zementieren die Rolle dieser
Frauen als traditionelle Zuverdienerinnen. Das ist weder
sozial noch emanzipatorisch.
({8})
Frau Kollegin, ich
muß auch Sie bitten, jetzt Ihre Rede zum Abschluß zu
bringen.
Ich bin sofort fertig. - Ich hätte mir genauso wie viele Frauen, die uns
heute zuschauen, gewünscht, heute das unsägliche Kapitel der 630-Mark-Jobs durch beschäftigungspolitisch
sinnvolle Regelungen und durch mehr soziale Sicherheit
für Frauen schließen zu können. Das wäre das geeignete
Signal zum Internationalen Frauentag gewesen. Diese
Chance haben Sie vertan. Deshalb stimmen wir gegen
Ihren Gesetzentwurf.
({0})
Ich gebe das Wort
der Abgeordneten Ingrid Fischbach von der CDU/CSUFraktion.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich höre heute noch die
vollmundigen Wahlversprechungen der SPD. Die Kollegin Onur hat gerade die Auffassung vertreten, sie seien
eingelöst. Ich sage Ihnen gleich, daß und warum Sie sie
nicht eingelöst haben.
Mir klingt allerdings noch in den Ohren: Wir werden
nicht alles anders - das war schon klug, aber dann kam
ein Zusatz -, aber vieles besser machen. - Meine Damen
und Herren von der SPD-Fraktion: Der Gesetzentwurf,
den Sie heute vorlegen, ist kein Beleg für „besser machen“. Deshalb sage ich Ihnen: Lassen Sie es sein; Sie
können es nicht.
({0})
Diese Vorlage ist nicht besser, sondern ein Armutszeugnis.
({1})
- Wenn Sie mir jetzt bitte einmal zuhören, Herr Gilges,
dann sage ich Ihnen, was wir gemacht haben. - Kein
Gesetzentwurf wurde so oft mit unterschiedlichen Inhalten vorgetragen wie dieser. Der wievielte Entwurf ist
das eigentlich? Der vierte? Oder kommt gleich noch der
Kanzler und bringt uns den fünften? Ich weiß es nicht.
({2})
Kein Gesetzentwurf ist in einer Anhörung so niedergemacht und abqualifiziert worden wie dieser. Hat überhaupt ein Sachverständiger ein gutes Haar an dieser
Vorlage gelassen? Ich kann mich nicht erinnern.
({3})
Kein Gesetzentwurf hat das Chaos und das Unvermögen
einer Regierung so deutlich gemacht wie dieser, obwohl
diese Vorlage durchaus große Konkurrenz bekommen
könnte: Ich denke an das Steuerentlastungsgesetz, über
das wir heute morgen debattiert haben, und an die Ökosteuer, über die wir gestern diskutiert haben. - Chaos
hoch drei.
An das Chaos im Familienausschuß gestern will ich
gar nicht mehr erinnert werden. Wir sollten über Änderungen an dieser Vorlage entscheiden, von denen die
Kolleginnen der Regierungskoalition sagten: Wir wissen
nicht genau, wie die Änderungen aussehen; aber das ist
auch noch nicht so wichtig, die Änderungen kommen
heute nachmittag; wir entscheiden schon einmal. Dann
wurde flugs ein Änderungsantrag auf den Tisch gelegt.
Dieser Änderungsantrag wurde wieder geändert. - Dieses Chaos ist nicht mehr zu überbieten.
({4})
Ich möchte Ihr Unvermögen auch noch an anderen
Stellen deutlich machen.
({5})
Sie, meine Damen und Herren der Regierungskoalition,
werden die Ausweitung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse nicht eindämmen. Sie werden auch
den Mißbrauch durch Ihre Kontrollmaßnahmen nicht
ausschalten. Sie werden genauso die Ausweichreaktionen in den Bereich der Schwarzarbeit nicht verhindern.
Sie werden auch nicht ein weiteres Aufsplitten der Arbeitsverhältnisse verhindern. Vor allem geben Sie Frauen - gerade heute haben wir Berichte und Wortmeldungen zum Internationalen Frauentag gehört -, die vorrangig in diesen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, mit
dieser Vorlage keine Option auf eine verbesserte Alterssicherung.
({6})
Durch die Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze
in den neuen Bundesländern von 530 DM auf 630 DM
wird meines Erachtens der Anreiz zu Minijobs noch erhöht. Ich bin sicher, daß es in den neuen Bundesländern
zu einer deutlichen Ausdehnung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen kommen wird.
({7})
Sie haben das Problem der Frauen, die in diesen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, ganz
korrekt dargestellt. Ich muß Sie insofern loben, als Sie
erkannt haben, daß vorrangig Frauen betroffen sind.
Aber, meine Damen von der SPD und von den Grünen,
wo sind eigentlich Ihre Forderungen der letzten Jahre
geblieben?
({8})
- Frau Kollegin, ich war noch nicht Mitglied in diesem
Hause; deswegen konnte ich nicht dabeisein. - Wer hat
Ihnen eigentlich den Mund verboten? Durften Sie sich
nicht mehr äußern und einbringen? Meine Damen der
SPD-Fraktion, hat Ihnen der Fraktionschef wie damals
in der entsprechenden Sitzung wieder einen Maulkorb
verhängt? - Ich muß es fast annehmen; denn dieser Gesetzentwurf ist eine Ohrfeige für die Frauen.
({9})
Gerade Sie, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, die Sie sich immer als d ie Frauenpolitikerinnen und Frauenpolitiker darstellen, lassen die Frauen nun im Regen stehen. Diese merken das.
({10})
Ich zitiere - hören Sie bitte einmal zu -:
... mit großer Empörung mußten wir zur Kenntnis
nehmen, daß die Bundesregierung beabsichtigt, an
einem geteilten Beschäftigungssystem mit Arbeitnehmerinnen erster und zweiter Klasse festzuhalten.
Und weiter:
Mit der jetzigen Regelung besteht der allseits beklagte graue Arbeitsmarkt fort, der illegalen und
nicht existenzsichernden Arbeitsverhältnissen Tür
und Tor öffnet.
Und zu guter Letzt:
Die derzeit von Ihnen
- damit sind Sie gemeint, meine Damen und Herren von
der Regierungskoalition geplanten Maßnahmen
- man höre und staune werden nicht zum sozialen Frieden beitragen und
müssen - gemessen an den Ankündigungen im Koalitionsvertrag ({11})
- warten Sie, das kommt; seien Sie nicht so neugierig;
ich bin gleich fertig als gewaltige Mogelpackungen bezeichnet werden.
Diese Worte - jetzt komme ich darauf, Herr Kollege stammen aus der Feder der Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und
Gleichstellungsstellen Nordrhein-Westfalen.
({12})
Das war eine Ihrer Mitstreiterinnen. Ich muß sagen, daß
diese Worte für Sie vernichtend sind.
Meine Damen und Herren, wenn Sie schon der Opposition nicht glauben und unsere Vorschläge nicht ernst
nehmen - auf viele Teile, die Sie jetzt geändert haben,
sind wir bereits in den Ausschüssen zu sprechen gekommen und haben Sie darauf hingewiesen -, glauben
Sie doch wenigstens Ihren Vertrauten. Glauben Sie dieser Geschäftsführerin! Glauben Sie dem Deutschen
Frauenrat, der Ihren Gesetzentwurf ebenso verwirft!
Glauben Sie doch Ihrer Ministerpräsidentin Simonis!
Tun Sie mir den Frauen zuliebe den Gefallen!
Ihre Neuregelung stellt keine Brücke in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dar; sie
wird genau das Gegenteil bewirken.
({13})
- Ich kann warten. - Ihr Gesetzentwurf fördert die soziale und wirtschaftliche Eigenständigkeit der Frauen
nicht. Er wirkt dem völlig entgegen.
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, diese Regelung wird nicht zum sozialen Frieden beitragen. Wie soll man der alleinerziehenden Mutter, die
einen 630-Mark-Job angenommen hat, um für sich und
ihr Kind etwas dazuzuverdienen, denn erklären, daß sie
nun Steuern zahlen muß, während die Ehegattin eines
gutverdienenden Mannes keine zahlen muß? Ich greife
jetzt einmal das Frauenbild unseres Kanzlers auf: Ich
könnte mir vorstellen, daß Frau Schröder-Köpf als
selbstbewußte Frau auch ein paar Mark zum Urlaub dazuverdienen will. Wenn sie aber eine 630-MarkBeschäftigung dazu annähme, bräuchte sie dafür keine
Steuern bezahlen.
({14})
Wie können Sie, die Sie uns ständig vorwerfen, wir hätten die soziale Gerechtigkeit aus den Augen verloren, so
unsozial handeln?
({15})
Frau Kollegin
Fischbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Dückert?
Ich möchte auf die
Zwischenfrage verzichten, weil das meine erste Rede ist.
({0})
Ich bin davon überzeugt, daß Sie hier nicht nur unsozial, sondern auch verfassungswidrig handeln. Sie werden, wie schon beim Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, die Verfassungswidrigkeit früher oder später erkennen.
Meine Damen und Herren, der von der Koalition vorgelegte Gesetzentwurf zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ist ein Schritt in die falsche Richtung. Das Ziel, mehr versicherungspflichtige
Beschäftigung zu schaffen, wird damit nicht erreicht.
({1})
Der „Tagesspiegel“ schrieb - auch das kommt nicht
von ungefähr - am 26. Februar 1999:
Das Projekt „Reform der Mini-Jobs“ ist gut gemeint, führt aber ins sozialpolitische Nichts. Das
Beste für alle wäre
- jetzt hören Sie gut zu, Herr Kollege -,
die Regierung zöge den ganzen Schlamassel zurück
...
({2})
Der „Tagesspiegel“ hat recht: Ziehen Sie den ganzen
Schlamassel zurück, und stimmen Sie unserem Antrag
zu!
Danke schön.
({3})
Das war, wie bereits
gesagt, die erste Rede der Kollegin Fischbach. Ich darf
ihr im Namen des Hauses dazu gratulieren.
({0})
Nun gebe ich das Wort dem Kollegen Peter Dreßen
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Sie von der Opposition haben sich ja unsere
Gesetzesvorlage sehr kritisch und scharf vorgenommen.
Das ist auch Ihr gutes Recht.
({0})
Ich möchte aber doch einmal feststellen, daß gerade Sie
der Auslöser dafür waren, weshalb das Gesetz jetzt in
der Form zur Beratung ansteht.
({1})
Jeder, der ein wenig Ahnung von unserem Sozialversicherungswesen hat, weiß, daß zur Finanzierung desselben allein der Faktor Arbeit zählt.
({2})
Ihre Partei hat in den letzten 16 Jahren die Bemessungsgrundlagen permanent verengt, gnädige Frau; so ist es,
auch wenn Sie noch so schreien. Sie hat zugelassen, daß
1 Million Menschen, die eigentlich sozialversicherungspflichtig arbeiten, zur Scheinselbständigkeit gezwungen
wurden, nur um das eine Ziel zu erreichen: Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Sie haben zugelassen, daß
normale Arbeitsverhältnisse in sogenannte 630-MarkJobs aufgestückelt wurden. Auch hier war das einzige
Ziel, Sozialversicherungsbeiträge zu sparen.
Das bedeutete, daß Sie mit der Zeit ein Einnahmeproblem bekamen, das die jetzige Koalition lösen muß.
An die 4 Millionen Arbeitslosen will ich in diesem Zusammenhang gar nicht denken. Sie begegneten diesem
Problem, indem Sie schlicht das Arbeitslosengeld und
die Arbeitslosenhilfe gekürzt haben. In der Krankenversicherung haben Sie die Mehrkosten auf die Patienten
verlagert; Stichworte: Lohnfortzahlung und Zuzahlung
bei den Medikamenten. In der Rentenversicherung
wollten Sie das Rentenniveau von 70 auf 64 Prozent
senken. Weil das alles noch nicht ausgereicht hat, mußten Sie zusätzlich die ordentlichen Arbeitsverhältnisse,
die noch bestanden haben, mit höheren Beiträgen belegen.
({3})
Sie werden verstehen, daß die Koalition von SPD und
Grünen diesen Weg nicht gehen wird.
({4})
Wir versuchen mit dem Gesetz, das wir Ihnen nun vorlegen, die Bemessungsgrundlage dadurch zu erweitern,
so daß wieder alle, die arbeiten, entsprechende Beiträge
in die Sozialversicherung zahlen.
Es mag sein, daß dies noch immer nicht ausreicht, um
die Finanzen der Sozialversicherung wieder zu ordnen.
({5})
Aber Sie wissen auch, daß wir angekündigt haben, in
den drei großen Bereichen - Rente, Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung - Strukturreformen
durchzuführen, in aller Ruhe und Gelassenheit und nach
Gesprächen mit allen Bevölkerungsgruppen. Im Gegensatz zu Ihnen werden wir die Probleme nicht nur auf
dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
austragen. Das ist der große Unterschied zwischen Ihnen
und uns.
({6})
Nun darf ich einmal zu dem Antrag kommen, den
Sie uns vorgelegt haben. Da lese ich:
Die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse haben sich bewährt und müssen erhalten bleiben.
Diesen Satz liest man im ersten Teil Ihres Antrages. Im
zweiten Teil, wo es heißt: „Der Bundestag wolle beschließen“, steht dann:
Eine Reform der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ist notwendig.
Was trifft nun zu? Sind die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse in Ordnung, oder müssen sie reformiert werden?
({7})
Und wenn, dann sagen Sie doch einmal, wie. Wenn sich
die 630-Mark-Jobs so großartig bewährt haben, meine
Damen und Herren von der CDU/CSU, wozu wollen Sie
dann eine Reform? Sie widersprechen sich in Ihrem eigenen Antrag.
Uns nun wegen einiger Änderungen vorzuwerfen, wir
wüßten nicht, was wir wollen, finde ich schon merkwürdig.
({8})
Sie müssen sich doch erst einmal entscheiden, was Sie
wollen. Wir haben uns entschieden.
({9})
Unter Punkt 2 Ihres Antrages schreiben Sie, daß eine
Lösung des Problems nur im Rahmen eines Gesamtkonzepts erfolgen könne.
({10})
- Das finde ich nun wirklich lustig, Frau SchnieberJastram. 16 Jahre waren Sie an der Regierung und hätten
ein Gesamtkonzept erstellen können, 16 Jahre hätten Sie
Zeit gehabt, um den Betroffenen zu helfen! Doch dazu
waren Sie nicht in der Lage. Daraus, daß Sie uns nun
vorwerfen, das sei alles nichts, spricht, so empfinde ich,
einfach nur der pure Neid darüber, daß diese Koalition
jetzt zügig umsetzt, was sie im Wahlkampf versprochen
hat.
({11})
Es ist wahr: Dieses Gesetz hat in der parlamentarischen Beratung einige Veränderungen erfahren. Aber das ist auch heute morgen bei der Steuerdebatte schon
deutlich geworden - dies ist auch ein neuer politischer
Stil, den wir verwirklichen wollen.
({12})
Wenn uns Sachverständige während der Beratung sagen,
daß es da oder dort verfassungsrechtliche Bedenken
gibt, oder Vorschläge machen, die schlicht besser sind,
dann nehmen wir das ernst.
({13})
Es ist uns zum Beispiel - ich sage Ihnen das ganz offen
- nicht leichtgefallen, den ursprünglichen Art. 10, mit
dem wir die Betriebsräte stärker beteiligen wollten, ersatzlos zu streichen. Aber wenn uns Gewerkschaften
und Arbeitgeber signalisieren, daß wir diesen Artikel
streichen sollten, ist es für uns eine Verpflichtung, darüber nachzudenken und entsprechend zu handeln.
({14})
Ähnlich erging es uns bei der Steuerfrage. Das war
vorhin auch das Thema von Frau Schwaetzer. Auch hier
haben Wissenschaftler und Fachverbände geraten, das
Ganze etwas anders zu gestalten. Auch hier haben wir
meines Erachtens richtig gehandelt. Uns nun vorzuwerfen, das Gesetz werde alle fünf Minuten geändert, ist
grotesk.
({15})
Im Interesse der Sache haben wir versucht, bei den Anhörungen hinzuhören und entsprechend zu handeln.
({16})
Wenn ich da an die Anhörungen in Ihrer Zeit denke,
dann wird mir wirklich schwarz vor Augen, weil Ihnen
Sachverständige, Wissenschaftler sowie Vertreter der
Gewerkschaften und der Arbeitgeber sagen konnten,
was sie wollten - Sie haben nicht einen Punkt, nicht ein
Komma geändert. Also auch hier entsteht ein neuer politischer Stil, und das ist auch so in Ordnung.
({17})
Wir haben nicht den Anspruch, allwissend zu sein.
Wenn das so wäre, bräuchten wir ja keine Anhörungen.
Seien Sie doch froh, wenn Anhörungen in der Zukunft
wieder als Beratung des Parlamentes ernst genommen
werden.
({18})
Dennoch: Dieser Gesetzentwurf führt dazu, daß auf
dem Arbeitsmarkt wieder mehr Ordnung herrscht. Dabei hatten wir - zugegeben - von Anfang an einen Spagat machen müssen: Wir wollten die Arbeitgeber nicht
zusätzlich belasten. Der Arbeitgeber, der in der Vergangenheit die 20prozentige Lohnpauschale einschließlich
der Kirchensteuer gezahlt hat, wird in Zukunft keine
großen Mehrbelastungen haben. Derjenige allerdings,
der sich bisher meines Erachtens unsozial verhalten hat,
den werden wir mit diesem Gesetz treffen. Aber der andere hat, wie gesagt, keinerlei Probleme.
({19})
Ich weise darauf hin: Auch im Bereich der Zeitungsverlage gibt es solche, deren Zeitungen am Morgen von
Arbeitnehmern in ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen ausgetragen werden.
({20})
Die Kreativität mancher Zeitungsverleger ist so groß,
daß sie dies schaffen. Ich finde, die anderen Verlage
sollten überlegen, ob sie das nicht auch tun können.
Deswegen sollte man diesbezüglich nicht allzu viele
Krokodilstränen vergießen.
({21})
Im übrigen muß ich eines feststellen: Wir haben am
27. September letzten Jahres die Wahl gewonnen, weil
viele Menschen gesagt haben: Ihr in Bonn müßt etwas
bewegen. Da muß sich etwas verändern. Der Reformstau
muß aufgelöst werden.
({22})
Nun tun wir das, und natürlich sagt jeder, den wir ein
bißchen bewegen: Laßt mich stehen, bewegt den anderen.
({23})
Das ist verständlich. Aber wir werden ein paar bewegen;
da habe ich überhaupt keine Bedenken.
({24})
Zurück zu den Arbeitnehmerrechten. Auch diesbezüglich haben wir eine Verbesserung erreicht, und zwar
bei all den geringfügig Beschäftigten, die keine weiteren
Einnahmen haben. Hier werden zusätzliche Rentenanwartschaften ermöglicht.
Frau Schwaetzer, was Sie vorhin zum Thema Rente
gesagt haben, stimmt natürlich in dieser Form nicht. Der
Arbeitnehmer muß, wenn er den vom Arbeitgeber zu
zahlenden Rentenversicherungsbeitrag nicht um 7,5 Prozentpunkte aufstockt, rund 25 Jahre warten. Wenn er
aber den Beitrag um 7,5 Prozentpunkte aufstockt - ich
rufe dazu auf, dies zu tun -, dann hat er nach fünf Jahren
die Pflichtzeiten erfüllt und hat zusammen mit den anderen Ansprüchen, die er schon erworben hat, eine Rente
zu erwarten.
({25})
Deswegen waren Ihre Ausführungen nicht richtig. Sie
sollten sich einmal über das Rentenrecht informieren.
({26})
Ich kann also nur alle auffordern, daß sie diese 7,5 Prozentpunkte zahlen.
Sie haben, wie gesagt, in den letzten 16 Jahren nichts
dazu getan, daß auf dem Arbeitsmarkt wieder Ordnung
geschaffen wird. Die Einbringung dieses Gesetzentwurfes war notwendig und richtig.
({27})
Sie waren dazu nicht imstande. Meine Kollegin Onur hat
aufgezeigt, daß gerade die größere Oppositionspartei
zwar willig, aber leider nicht handlungsfähig war.
Ein großer Fortschritt ist, daß nun von der ersten
D-Mark an Beiträge in die Sozialversicherung fließen.
Der Faktor Arbeit ist die einzige Bemessungsgrundlage
zur Finanzierung der Sozialversicherung. Wer es wie Sie
zuläßt, daß immer mehr Arbeit nicht der Sozialversicherung unterliegt, macht dieses System auf Dauer kaputt
und ist der Totengräber der Sozialversicherung. Dies
unterstelle ich zwar nicht dem Arbeitnehmerflügel der
CDU/CSU, aber dem Wirtschaftsrat und insbesondere
der F.D.P.
({28})
Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Abgeordneten Niebel das Wort.
Meine sehr verehrten Damen
und Herren, Kollege Dreßen hat soeben behauptet, wir,
die Opposition, seien verantwortlich für die Art und
Weise der Beratung dieses Gesetzentwurfes. Diese Behauptung weise ich mit aller Entschiedenheit zurück.
Für diesen Murks sind wir nicht verantwortlich.
({0})
Diese Verantwortung, Herr Kollege Dreßen, liegt einzig
bei der Regierungskoalition. Damit müssen Sie auch in
Zukunft leben; denn die jetzt mittlerweile, so glaube ich,
sechste Fassung dieses katastrophalen Gesetzentwurfes
wird mit Sicherheit nicht die letzte sein. Sie sind Meister
in der Nachbesserung. Das Problem ist bloß, daß
„nachbessern“ als Wort grundsätzlich impliziert, daß
etwas eigentlich Gutes noch besser gemacht wird. Wir
haben in dieser Debatte ständig erfahren, daß Murks
noch mehr verhunzt worden ist. Ich möchte Ihnen das an
einigen Beispielen erläutern. Ich sage sogar überspitzt,
warum wir nicht dafür verantwortlich sind:
Ich bin nicht dafür verantwortlich, daß Sie Millionärsgattinnen von der Steuer freistellen, daß Sie aber die
alleinerziehende Mutter, die nebenher Unterhalt bezieht,
in die Steuerpflicht nehmen.
({1})
Ich bin nicht dafür verantwortlich, daß die Nebenbeschäftigung von Beamten und privat Krankenversicherten den Arbeitgeber zehn Prozent weniger Lohnleistungen kostet, als das bei Sozialversicherungspflichtigen in
Nebenjobs der Fall ist. Das ist Ihre Verantwortung.
({2})
Ich bin nicht dafür verantwortlich - das gilt auch für
meine Kolleginnen und Kollegen -, daß Sie, Herr Kollege Dreßen, mit Ihrer Verfahrensmehrheit die parlamentarischen Rechte der Opposition ständig sträflich
mißachtet haben, daß Sie trotz substantieller Änderungen in der Gesetzesvorlage - die der Kollege Ostertag
im Ausschuß bestätigt hat - gesagt haben, es gebe keine
Veranlassung zu einer erneuten Anhörung, daß Sie sich
geweigert haben, exakte Finanzdaten abzugeben, und
statt dessen mit der Beendigung der Debatte reagiert haben - was dazu geführt hat, daß wichtige Fragen der
Opposition nicht geklärt werden konnten.
({3})
Ich bin auch nicht dafür verantwortlich, Herr Kollege
Dreßen, daß dieser Murks an Gesetz, der heute wahrscheinlich mit der Mehrheit der Koalition beschlossen
wird, dazu führt, daß Privathaushalte, die beispielsweise
eine Reinigungskraft für zwei Stunden in der Woche beschäftigen, mit dem exakt gleichen Verwaltungsaufwand überzogen werden wie Großbetriebe, die eine eigene Personalabteilung haben, die eine eigene Buchprüfung haben.
({4})
Die kleinen Leute, die zu Hause eine Hilfe beschäftigen,
werden von Ihnen ohne Übergangsfrist quasi gezwungen, in die Schwarzarbeit und in die Illegalität abzudriften.
Für all das sind wir nicht verantwortlich. Deswegen
sage ich auch heute noch einmal: Die F.D.P. ist die Partei der sozialen Verantwortung
({5})
- das gefällt Ihnen immer noch nicht; aber das lebt ja
auch von der Kunst der Wiederholung -, weil wir den
Menschen die Möglichkeit geben wollen, ihren Lebensunterhalt zumindest teilweise aus eigener Arbeit zu erwirtschaften, während Ihre Politik unsozial ist.
Vielen Dank.
({6})
Auf diese Kurzintervention kann der Kollege Peter Dreßen antworten.
Bitte schön.
Herr Kollege Niebel, wenn die
Partei der Besserverdienenden in der Zukunft die Partei
der sozial Schwachen sein will, habe ich nichts dagegen.
Dann treten wir eben miteinander in einen Wettstreit ein.
Nur, wir haben in den letzten 16 Jahren erfahren, daß
Sie permanent Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gekürzt
haben und daß Sie bei allen Schweinereien, bei denen es
darum ging, Rechte der Arbeitnehmer abzubauen, dabei waren.
({0})
Deswegen war von sozialer Verantwortung zumindest in
den letzten 16 Jahren nichts zu sehen. Ich bin aber gespannt, wie es in der Zukunft sein wird.
Ihr Vorgänger als wirtschaftspolitischer Sprecher hat
offen dafür plädiert, daß wir die Sozialversicherung am
besten abschaffen und alles privatisieren sollten. Das ist
die These, die Sie in den letzten 16 Jahren vertreten haben.
({1})
Deswegen wurde in diesem Bereich auch nichts geändert; denn es kam Ihnen natürlich entgegen, daß immer
weniger Geld in die Sozialversicherung hereinkam. Je
mehr Probleme die Sozialversicherung hatte, um so
mehr konnte Herr Lambsdorff mit seiner Privatisiererei
nach vorne treten. Weil Sie dieses Problem in den letzten 16 Jahren nicht gelöst haben, sind Sie natürlich mit
verantwortlich, daß wir jetzt schnell handeln müssen.
Wir haben dieses Gesetz daher schon jetzt vorgelegt; das
sind wir den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einfach schuldig.
Wenn ich diese Debatte um die Millionärsgattin höre,
({2})
dann muß ich Ihnen sagen: Auch die Frau des durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmers, die nur 630
DM verdient, arbeitet natürlich steuerfrei. Wir wollen
aber einmal sehen, wie viele Millionärsgattinnen dann
für 630 DM im Kaufhaus putzen oder hier den Saal in
Ordnung bringen.
({3})
Vielleicht macht das Ihre Frau oder der Mann von Frau
Schwaetzer, ich weiß es nicht.
Ich will damit nur sagen: In den letzten 16 Jahren ist
sehr vieles in der Sozialversicherung ausgeblutet. Dafür
tragen Sie die Verantwortung.
({4})
Bevor ich das Wort
weitergebe, will ich darauf hinweisen, daß mit der namentlichen Abstimmung gegen 17.25 Uhr zu rechnen
ist. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, sich darüber
hinaus auf eine weitere namentliche Abstimmung im
Laufe des Abends einzustellen.
Nun hat das Wort der Kollege Wolfgang Meckelburg
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zumindest eines dürfte
im Gesetzgebungsverfahren bei der Neuregelung der
630-Mark-Jobs klar geworden sein: Regieren ist keine
geringfügige Beschäftigung.
({0})
- Ob das noch Spaß macht - Sie sagen das -, weiß ich
nicht.
Zumindest sollten Sie die oben genannte Erkenntnis
langsam verinnerlichen. Was ich auf Grund des Verfahrens der letzten Wochen und Monate, auf Grund der
vielen Vorschläge, die gemacht wurden, überhaupt nicht
verstehen kann, ist, daß Sie hier in Lobhudelei ausbrechen, wenn man sich das Ergebnis dieser Beratungen
anschaut.
Ich sage es von vornherein: Wir werden diesen Gesetzentwurf ablehnen, weil die Regelung, die Sie jetzt
vorgelegt haben, zu mehr Bürokratie, zu sozialen Ungerechtigkeiten führt und ein Durcheinander bei der steuerlichen Behandlung bringt. Der Kollege Ramsauer hat
eben eine Reihe von Beispielen genannt. Sie haben kein
Konzept für den Niedriglohnsektor vorgelegt. Es wäre
wichtig gewesen, da einmal die Schallmauer der 630Mark-Jobs zu durchbrechen.
({1})
Da hätten wir Ihnen gern ein wenig mehr Zeit gegönnt.
Sie hätten nur den Mut haben müssen, dies einmal richtig anzupacken.
({2})
Das eigentliche Ziel, Herr Kollege Gilges, Eindämmung des Mißbrauchs bei den Billig-Jobs, wird sicherlich nicht erreicht.
Mit der heutigen Verabschiedung findet ein konzeptionsloser Prozeß seinen wenig ruhmreichen Abschluß.
Schon vor der Formulierung des Gesetzentwurfs gab es
ein Verwirrspiel der Vorschläge. Die Frage: „Wie viele
Vorschläge gab es eigentlich?“ ist heute häufig gestellt
worden. Während des Verfahrens gab es einen wirklichen Zickzackkurs. Bei uns zu Hause sagt man: Rin inne
Kartoffeln, raus ausse Kartoffeln.
({3})
Es war kaum nachvollziehbar, in welchem Tempo Sie
die Vorschläge geändert haben.
({4})
Die Anhörung hat ein niederschmetterndes Urteil
gebracht. Ich habe noch nie erlebt, daß es eine Anhörung
gab, bei der alle Beteiligten durchweg deutlich gesagt
haben: So geht es nicht. - Wir haben gesehen, wie die
stellvertretende Vorsitzende des DGB, Frau EngelenKiefer, bei den Antworten herumeierte, bis sie schließlich den Satz äußerte: Es ist ja wenigstens erwähnenswert, daß Sie sich bemühen, in der Frage weiterzukommen. So recht zufrieden war sie, glaube ich, an der Stelle
auch nicht.
({5})
Diese Anhörung war höchst peinlich. Sie hätten den Rat
des Kollegen Louven bei der Einbringung ernst nehmen
sollen: Nehmen Sie diesen Murks zurück! Sie hätten den
Mut haben müssen, sich mehr Zeit zu nehmen.
Meine Damen und Herren, es ist noch nicht zu spät.
Ziehen Sie diesen Maxi-Flop zurück! Er wird Ihnen in
den nächsten Monaten und Jahren Ärger bereiten. Darauf müssen Sie sich gefaßt machen.
({6})
Sie haben sich zumindest bemüht, in aller Hektik verfassungsrechtliche Grobschnitzer zu beseitigen. Das
hätte man auch vorher merken können, wenn man
gründlich vorberaten hätte. Dazu brauchten Sie die Anhörung und den Druck durch das verfassungsrechtliche
Gutachten des Landes Baden-Württemberg. Das ist keine Konzeptionsstrategie, die Sie in dieser Frage verfolgen; das ist eine Pannenvermeidungsstrategie, die hier
vorgelegt wird. Am Ende hat man den Eindruck, daß Sie
bei der Frage der geringfügigen Beschäftigung etwas
neu regeln wollen und daß Sie nicht genau wissen, was.
Es ist Ihnen egal, was; Hauptsache, es wird etwas getan.
Diesen Eindruck hat man inzwischen, weil Sie mitten im
Gesetzgebungsverfahren die Pferde wechseln. Sie haben
das in Hektik getan.
Ursprüngliche Varianten wurden umgestoßen: Erst
keine Rentenansprüche; dann doch; erst Mitbestimmungsregelungen, dann doch nicht. Für Mini-Jobber, die
nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert
sind, werden Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung dann auch nicht mehr gefordert. Sie haben Änderungen im Verfahren innerhalb von zwei Wochen gemacht, und dann wollen Sie auch noch weismachen, daß
jemand draußen in der Lage sein muß, das, was Sie in
Hektik fabrizieren und was daher unüberschaubar ist,
in allerschnellster Weise nachzuvollziehen. Ab 1. April
muß das umgesetzt werden. Es gibt verzweifelte Fragen:
Was wird denn da wirklich wie geregelt? - Ich habe die
Bitte an den Arbeitsminister, daß er, wenn er den Mut
hat, diesen Murks durchzusetzen, dann auch wenigstens
den Mut hat, schleunigst eine Broschüre herauszugeben,
damit die Leute vor Ort mit den Regelungen umgehen
können.
({7})
Wir haben zumindest versucht, die Phase der Vorbereitung zu verlängern, und wir haben gesagt: Laßt das
dann wenigstens am 1. Januar 2000 beginnen, damit etwas Zeit zur Vorbereitung bleibt. Nein, Sie befrachten
das Ganze mit Bürokratie in einem Rutsch.
({8})
Meine Damen und Herren, in einer ganzen Reihe von
Branchen herrschen Betroffenheit und Unverständnis,
zum Teil auch Verzweiflung. Wie soll dieses 630-MarkUngetüm umgesetzt werden - praktisch von heute auf
morgen? Die Zeitungsverleger sind eben angesprochen
worden. Die Frage, ob Sie da ein paar Jobs beseitigen,
interessiert mich nicht. Jedenfalls sind diejenigen, die da
betroffen sind, nicht diejenigen, die wir weghaben wollen. Ich sage es Ihnen einmal ganz deutlich, Frau Dükkert: Es geht nicht um die Frage, ob jemand die Zeitung
wöchentlich austrägt. Ich bin nicht der Leser von Periodicals. Ich möchte jeden Morgen meine Tageszeitung
haben und nicht eine Wochenlieferung am Samstag.
({9})
Das Hotel- und Gaststättengewerbe ist besonders
betroffen, weil hier der Anteil der nebenberuflich Tätigen überproportional ist und fast die Hälfte beträgt. Da
wird es Kostensteigerungen geben. Diese Regelung führt
in einer Phase, in der es für das Hotel- und Gaststättengewerbe gerade in die Sommerzeit geht, zu katastrophalen Veränderungen. Das alles haben Sie zu verantworten.
({10})
Es ist völlig richtig, daß Sie wegfallende Jobs in der
Schwarzarbeit wiederfinden werden. Dies ist das größte
Programm für Schwarzarbeit, das ich je erlebt habe, solange ich hier im Bundestag bin.
({11})
Meine Damen und Herren, ich will nicht versäumen,
einen Punkt anzusprechen, in dem ich mich wirklich
wundere. Sie wollen mit diesem Gesetz unter allen Umständen am 19. März den Bundesrat erreichen. Damit
ist der Druck zu erklären: Wir haben Nachtsitzungen
gemacht, Sondersitzungen in Haushaltswochen; eine
zweite Anhörung, die dringend notwendig gewesen wäre, ist uns verwehrt worden.
({12})
Sie wollen ganz einfach am 19. März den Bundesrat erreichen. Da wird es wirklich politisch unanständig. Sie
wollen nämlich mit Hilfe einer Landesregierung, die gerade abgewählt worden ist, diesen Murks noch zum Gesetz erheben.
({13})
Wieviel politischen Anstand haben Sie eigentlich noch?
({14})
Ich kann nachvollziehen, daß es inzwischen in Ihren
eigenen Reihen, meine Damen und Herren von der SPD,
junge Abgeordnete gibt, denen der Kragen platzt: „Abgeordnete sauer über des Kanzlers Alleingänge“.
Das muß sich inzwischen bei Ihnen verbreitet haben.
Man spürt ja, mit welcher Liebe Sie in die Ausschußsitzungen gehen. Da wird gesagt - so ein junger Kollege
der SPD, veröffentlicht im „Expreß“ vom 2. März -,
„daß die Arbeitsorganisation der neuen Regierung selbst
wenig mit dem Management einer modernen Industriegesellschaft zu tun hat.“
Recht hat er! Das ist nicht nur handwerklich schwierig; ich habe inzwischen den Eindruck, daß Sie das
Handwerk einfach nicht verstehen. Da wird gesagt diese Gefühle müssen Sie alle nachvollzogen haben,
meine Damen und Herren von der SPD -:
Die Fraktion durfte in den letzten Wochen viele
Entscheidungen nur noch absegnen.
Der junge Kollege Schneider von der SPD sagt:
Ich bin nicht dazu gewählt worden, in der Fraktion
alles abzunicken.
Er erwähnt nach fünf Monaten Regierungszeit unter
Kanzler Schröder die Bezeichnung „Kanzlerwahlverein“. Meine Damen und Herren von der SPD, wie weit
sind Sie als diskutierende Partei eigentlich in fünf Monaten Regierungszeit gekommen?
({15})
Meine Damen und Herren,
({16})
lassen Sie mich zum Schluß kommen.
({17})
- Wenn Sie beim Hereinkommen des Fraktionsvorsitzenden Schäuble so applaudieren, merke ich, daß der
Frust darüber, daß Sie ein Kanzlerwahlverein für Schröder sind, so tief sitzt, daß Sie schon Freude haben, wenn
Schäuble hier auftritt. Das war toll.
({18})
Meine Damen und Herren, ich spreche Rotgrün nicht
den Willen zu reformieren ab. Aber was wir bisher gerade im Sozialbereich erlebt haben, ist folgendes: Sie
bringen einen Gesetzentwurf ein; Sie deformieren damit
einen Sachverhalt.
({19})
Im Gesetzgebungsverfahren reparieren Sie das Ganze
dann. Am Ende, bei der Verabschiedung, nämlich heute,
blamieren Sie sich mit der ganzen Geschichte.
Das Motto der Regierungserklärung von Kanzler
Schröder vom 10. November habe ich jetzt wirklich verstanden. Sie war überschrieben: „Weil wir Deutschlands
Kraft vertrauen ...“. Seit heute weiß ich, was die drei
verheißungsvollen Pünktchen heißen: Deutschland
braucht viel Kraft und Mut und Selbstvertrauen, um das
zu verkraften, was Sie uns zumuten.
({20})
Als
letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun
Bundesminister Riester das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der Opposition, es gab so viel Aufregung. Deshalb möchte ich
Ihnen zu Beginn meiner Rede ein Zitat eines Mitglieds
der alten Regierung anbieten:
... mir paßt es nicht, wenn Arbeitgeber versicherungspflichtige Arbeitsplätze in mehrere sozialversicherungsfreie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufspalten. Das ist ... eine Kampfansage
an unseren Sozialstaat. ... Die Dummen sind bei einer solchen Entwicklung die treuen und ehrlichen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer; sie müssen um so
höhere Beiträge zahlen. Hier sind die Arbeitgeber
aufgefordert, Solidarität und Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern und der Sozialversicherung zu zeigen.
({0})
Das hat Horst Günther, der frühere Parlamentarische
Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, vor elf Monaten hier im Parlament erklärt.
Herr Günther hat das Problem erkannt. Deshalb vertrat
er in letzter Zeit auch immer Norbert Blüm in Fragen
der geringfügigen Beschäftigung.
Am 1. Oktober 1997 stellte Herr Günther im Deutschen Bundestag fest, daß die Ungleichbehandlung von
denen, die eine Hauptbeschäftigung mit 630-DM-Jobs
verbinden, und denen, die Überstunden fahren, nur - ich
zitiere - „schwer vermittelbar“ ist.
({1})
Am 29. Oktober sagte Norbert Blüms Mann für das
„Geringfügige“ zum gleichen Thema - ich zitiere ein
drittes und letztes Mal -:
Man kann es auch „Flucht aus der Sozialverantwortungspflicht“ nennen. Das beeinträchtigt selbstverständlich die Wettbewerbsfähigkeit und auch die
Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt. ... Es besteht ... Handlungsbedarf. Das ist völlig klar.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen
richtigen Erkenntnissen und diesen klaren Worten folgten leider keine Taten.
({2})
Die alte Bundesregierung hat sich der Herausforderung,
das Problem zu lösen, was in der Tat nicht leicht ist nämlich ordentliche Voraussetzungen bei der geringfügigen Beschäftigung herzustellen -, nicht gestellt. Wir
stellen uns der Herausforderung. Deshalb sind wir die
Reform der 630-Mark-Arbeitsverhältnisse angegangen. Wir schließen die Gerechtigkeitslücke, die die alte
Regelung mit sich bringt.
({3})
Diese Gerechtigkeitslücke klafft tief und breit, wie das
nach Jahren der Untätigkeit zwangsläufig ist.
Die Diskussion der letzten Wochen ist teilweise sehr
aufgeregt geführt worden. Deshalb will ich noch einmal
in aller Ruhe die Ziele nennen, die wir mit der Neuregelung verfolgen.
Erstens. Wir wollen die Kontrollmöglichkeiten bei
geringfügiger Beschäftigung verbessern und für mehr
Transparenz auf diesem Gebiet sorgen.
({4})
Zweitens. Wir wollen die Erosion der Beitragsbasis
der Sozialversicherung stoppen. Geringfügige Beschäftigung soll von der ersten Mark an sozialversichert sein.
({5})
Drittens wollen wir den vielen Frauen, die in solchen
Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, eine verbesserte
Alterssicherung ermöglichen.
Viertens wollen wir mittelfristig die Ausweitung dieser Beschäftigungsverhältnisse eindämmen.
Fünftens wollen wir die Menschen, die auf solche
Jobs wirklich angewiesen sind, nicht zusätzlich belasten.
Sechstens wollen wir eine weitere Aufteilung von
Arbeitsverhältnissen in mehrere 630-Mark-Jobs verhindern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Gesetzentwurf erreicht alle diese Ziele.
({6})
Mit unserem neuen Gesetzentwurf stoppen wir erstens
die Erosion der Sozialversicherung. Alle 630-Mark-Jobs
sind in Zukunft beitragspflichtig.
({7})
Der Arbeitgeber muß in Zukunft für geringfügig Beschäftigte 12 Prozent an die Rentenversicherung und 10
Prozent an die Krankenversicherung abführen, und zwar
von der ersten Mark an, so wie es im übrigen auch in
den USA der Fall ist.
Wenn der oder die geringfügig Beschäftigte nicht gesetzlich krankenversichert ist, muß der Arbeitgeber nur
den Rentenbeitrag zahlen. Mit dieser Ausnahme haben
wir unseren ursprünglichen Entwurf korrigiert und auf
Bedenken reagiert, die unter anderem in der Anhörung
geäußert worden sind. Ja, wir lassen uns eines Besseren
belehren; unsere Korrekturen beweisen das.
({8})
Ich bin der Auffassung, daß es kaum etwas Schlimmeres
als unbelehrbare Politiker gibt.
({9})
Im übrigen empfehle ich Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, nach dem Karlsruher Familienurteil und angesichts der anderen Urteile,
die uns noch ins Haus stehen, mehr Zurückhaltung in
der Frage der Verfassungswidrigkeit zu üben.
({10})
Herr
Bundesminister Riester, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niebel?
Ja.
Herr
Niebel, bitte schön.
Herr Minister, Sie haben gerade festgestellt, daß für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, kein Beitrag des Arbeitgebers geleistet werden muß. Dies trifft, wie wir
wissen, insbesondere für viele nebenbeschäftigte Beamte
zu, da sie nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung,
sondern in der Regel in der privaten Krankenversicherung
sind. Befürchten Sie nicht auch wie ich, daß bei mehreren
Bewerbern für eine Nebenbeschäftigung der beamtete
Bewerber gegenüber dem nichtbeamteten Bewerber bevorzugt wird, da er 10 Prozent billiger ist?
Ich befürchte das nicht, Herr Niebel,
möchte das aber auch nicht ganz ausschließen. Man befindet sich in einem Zielkonflikt. Ein Zielkonflikt ist,
daß wir nicht wollen, daß die- oder derjenige bevorzugt
wird, für den keine Krankenversicherungsbeiträge gezahlt werden müssen. Wir wollen andererseits aber dem
Einwand begegnen, daß in diesem Fall dem Beitrag keine Leistungsverpflichtung gegenübersteht. Außerdem
möchten wir nicht, daß für ein paar Mark ein volles
Krankenversicherungsverhältnis erbracht wird. Das wäre
zu Lasten der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten. In diesem Zielkonflikt haben wir uns für die
vorliegende Regelung entschlossen und halten sie für
richtig.
({0})
Wir haben unsere Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse in einem weiteren Punkt verbessert. Alle geringfügig Beschäftigten erhalten aus den
Beiträgen ihres Arbeitgebers von der ersten Mark an
Anspruch auf Altersrente. Damit wird die Alterssicherung dieser Menschen deutlich verbessert. Unsere Neuregelung ist flexibel. Geringfügig Beschäftigte, die den
Beitrag des Arbeitgebers auf den vollen Rentenbeitrag
aufstocken, erhalten das volle Leistungsspektrum der
gesamten Rentenversicherung. Das bedeutet: Über den
Anspruch auf Altersrente hinaus bekommen sie bei Bedarf auch Rehaleistungen und den Schutz bei Berufsund Erwerbsunfähigkeit.
({1})
- Frau Schwaetzer, mich wundert insbesondere die Kritik der F.D.P. Wollen Sie nun Flexibilität, wollen Sie die
Möglichkeit der Option, oder wollen Sie sie nicht? Mich
wundert außerdem - das muß ich Ihnen sagen - der
Hinweis auf die geringen Rentenansprüche. Wenn geringe Beiträge eingezahlt werden, liegt es in der Systematik dieser Kasse, daß man nur geringe Ansprüche
stellen kann.
({2})
Die laufenden Zitate gerade von Ihrer Seite halte ich für
ziemlich albern.
Wir wissen, daß überdurchschnittlich viele Frauen in
630-Mark-Jobs arbeiten. Für diese Frauen bedeutet die
neue Rentenregelung eine substantielle Verbesserung ihrer Alterssicherung. Dabei geht es nicht darum, daß ein
Rentenanspruch aus einem 630-Mark-Job aufgebaut
werden soll. Es geht vielmehr darum, Frauen die Möglichkeit zu geben, Beitragslücken zu schließen.
({3})
Mit der Neuregelung eröffnen wir für Frauen und natürlich auch für Männer in ähnlicher Situation diese Möglichkeiten.
Wir haben immer gesagt, daß wir diejenigen, die auf
die 630-Mark-Jobs angewiesen sind, nicht zusätzlich
belasten wollen. Deshalb sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse grundsätzlich steuerfrei. Allerdings
gibt es hiervon Ausnahmen. Aber diese Ausnahmen sind
gut begründet; denn sie sind systematisch. Wer einen
630-Mark-Job als Nebenbeschäftigung hat, muß darauf
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
({4})
- Wollen Sie etwa einen Handwerksgesellen, der ein
Bruttogehalt von 4 000 DM bezieht und außerhalb seines Betriebes 630 DM hinzuverdient, netto besserstellen
als denjenigen, der Überstunden macht und dadurch diesen Betrag hinzuverdient? Die beiden müssen doch
gleichgestellt werden.
({5})
Um zu empfinden, daß dies ungerecht ist, muß man
nicht einmal Sozialdemokrat sein. Das müßten auch Sie
empfinden.
({6})
Wer in mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mehr als 630 DM verdient, mußte schon bisher auf sein gesamtes Einkommen wie jeder andere Arbeitnehmer Steuern und Sozialabgaben zahlen.
({7})
Daran ändert sich gar nichts. Das ist auch so in Ordnung. Mit der Neuregelung belasten wir Menschen, die
auf diese Jobs wirklich angewiesen sind, nicht zusätzlich. Ich sage das sehr deutlich. Wer aber reguläre Beschäftigungsverhältnisse in mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufteilen will, wird sich das in
Zukunft sehr genau überlegen müssen, und das ist gut
so.
({8})
- Das war bisher schon verboten, Sie haben völlig recht.
Bisher war aber über die Pauschalierung und die Anonymisierung dieser Arbeitsverhältnisse der Grauzone
Tür und Tor geöffnet. Diese haben wir jetzt verbaut.
({9})
Mit der Steuerfreiheit für 630-Mark-Jobs bauen wir
den geringfügig Beschäftigten außerdem eine Brücke in
den ersten Arbeitsmarkt. Gerade Frauen finden nach
der Kindererziehung auf diesem Weg wieder eine Beschäftigung, aus der sich oft ein normales Arbeitsverhältnis entwickelt. Ich hoffe sehr, daß diese Brücke in
Zukunft von möglichst vielen überschritten wird, die
damit in ein normales Arbeitsverhältnis auf dem ersten
Arbeitsmarkt hineinkommen.
Wir haben uns auch zum Ziel gesetzt, die Kontrollmöglichkeiten bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zu verbessern und für mehr Transparenz auf
diesem Gebiet zu sorgen. Dieses Ziel erreichen wir dadurch, daß geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ab
sofort genauso wie alle anderen Beschäftigungsverhältnisse bei den Sozialversicherungsträgern anzumelden
sind. Damit wird dem Mißbrauch auf diesem Gebiet
wirksam vorgebeugt.
Um die Ausweitung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse mittelfristig einzudämmen, haben wir beschlossen, daß die 630-Mark-Grenze in Zukunft nicht
mehr erhöht wird. Wir finden auch: Die Angleichung
der Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland hat
mehr verdient als nur ein paar warme Worte. Deshalb
wird es in Zukunft bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen keinen Unterschied mehr zwischen
West- und Ostdeutschland geben. Die 630-Mark-Grenze
gilt deshalb in Zukunft auch in Ostdeutschland.
({10})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Neuregelung der 630-Mark-Jobs hat wichtige Ziele erreicht
und verdient daher auch die volle Zustimmung dieses
Hauses. Deshalb fordere ich Sie auf, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.
({11})
An die Adresse der Wirtschaft sage ich: Wer bisher
die Pauschalsteuer für die geringfügig Beschäftigten gezahlt hat, wird durch die Neuregelung nicht zusätzlich
belastet. Zusätzlich belastet werden nur diejenigen, die
die Pauschalsteuer auf die Beschäftigten abgewälzt haben. Deren Belastung ist auch richtig.
({12})
Es ist mir sehr wichtig, noch auf einen Punkt einzugehen. Nirgendwo erscheint mir die Kritik der Opposition so unsachlich wie beim Thema Schwarzarbeit.
Herr
Bundesminister Riester, einen Moment bitte. Liebe
Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, es folgt eine namentliche Abstimmung. Trotzdem bitte ich darum, Ruhe
zu bewahren, damit man den Ausführungen des Bundesministers folgen kann. Das gilt insbesondere für die
Regierungsbank, damit die Mitglieder der Regierung ihrem Kollegen zuhören können.
({0})
Ich sage Ihnen: Unsere Neuregelung wird
die Schwarzarbeit nicht ausweiten; denn wer in Zukunft einen 630-Mark-Job annimmt und diesen Job auch
registrieren läßt, hat automatisch Rentenansprüche. Die
geringfügig Beschäftigten wären schlecht beraten, wenn
sie auf diese Möglichkeit verzichteten.
({0})
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wer heute noch
schwarzarbeitet, hat in Zukunft einen Anreiz, legal zu
arbeiten; denn nur so kommt er in den Genuß von Leistungen.
({1})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen
die geringfügige Beschäftigung nicht abschaffen. Uns ist
sehr wohl bewußt, daß sie in manchen WirtschaftszweiBundesminister Walter Riester
gen gebraucht wird, weil sie einen flexiblen Arbeitseinsatz ermöglicht. Wir wissen auch, daß viele Menschen
sie brauchen und sie auch wollen. Deswegen wollen wir
sie nicht verhindern.
Aber wir wollen nicht, daß geringfügige Beschäftigungsverhältnisse mißbraucht werden. Wie lange noch
sollen Arbeitgeber benachteiligt werden, die sich nicht
auf Kosten anderer Wettbewerbsvorteile verschaffen,
indem sie Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen?
Wie lange noch soll der Erwerb von Rentenansprüchen
ein Privileg derjenigen bleiben, die mit ihrem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze liegen? Wie lange
noch sollen wir hinnehmen, daß Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer kraß ungleichbehandelt werden?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich fordere
Sie auf: Stimmen Sie einem Gesetz zu, das Ordnung auf
dem Arbeitsmarkt schafft und im besten Sinne ordnungspolitisch sinnvoll ist!
({2})
Stimmen Sie einem Gesetz zu, das die Alterssicherung
für viele Menschen spürbar verbessert! Stimmen Sie einem Gesetz zu, das Wahlfreiheit und Flexibilität ermöglicht! Stimmen Sie einem Gesetz zu, das die Solidargemeinschaft stärkt!
Danke schön.
({3})
Bevor
wir zur Abstimmung kommen, teile ich Ihnen mit, daß
drei Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung zur
Abstimmung zu Protokoll gegeben worden sind, näm-
lich von der Kollegin Annelie Buntenbach*) von der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, vom Kollegen Hans
Büttner**) von der SPD-Fraktion und vom Kollegen
Klaus Brähmig***) von der CDU/CSU-Fraktion.
Nach der namentlichen Abstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt werden wir den Tagesordnungspunkt
8 vorziehen, für den ebenfalls eine namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Deswegen bitte ich Sie,
den Plenarsaal nach der namentlichen Abstimmung
nicht zu verlassen. Zu Tagesordnungspunkt 8 ist vereinbart worden, daß alle Erklärungen zu Protokoll gegeben
werden,
({0})
so daß wir unmittelbar anschließend die nächste na-
mentliche Abstimmung vornehmen können. Gibt es da-
gegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung - Tagesord-
nungspunkt 6 - über den von den Fraktionen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzent-
***) Anlage 7
***) Anlage 8
***) Anlage 9
wurf zur Neuregelung der geringfügigen Beschäfti-
gungsverhältnisse, Drucksachen 14/280 und 14/441. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schußfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Beratung
ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen von
CDU/CSU, F.D.P. und PDS beschlossen.
Wir kommen jetzt zur
dritten Beratung
und Schlußabstimmung. Die Fraktionen der SPD,
CDU/CSU und F.D.P. verlangen namentliche Abstim-
mung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist erfolgt.
Dann eröffne ich die Abstimmung.
Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Das ist der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekanntgegeben.*)
Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der
Fraktion der CDU/CSU zur Förderung der Beschäftigung, zur Verbesserung der sozialen Sicherung und zur
Erhaltung der Flexibilisierung, Drucksache 14/441
Buchstabe b. Der Ausschuß empfiehlt, den Antrag auf
Drucksache 14/290 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlußempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer
enthält sich? - Damit ist diese Beschlußempfehlung mit
den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und
PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Berücksichtigung von Entlassungsentschädigungen im Arbeitsförderungsrecht ({1})
- Drucksache 14/394 ({2})
Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ({3})
- Drucksache 14/444 -
Berichterstattung:
Abg. Franz Thönnes
Es ist vereinbart, daß die Reden zu Protokoll gegeben
werden.**) - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.
*) Seite 2010 C
**) Anlage 10
Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung über
den von den Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die
Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der
Berücksichtigung von Entlassungsentschädigungen im
Arbeitsförderungsrecht, Drucksache 14/394. Der Aus-
schuß für Arbeit und Sozialordnung empfiehlt auf
Drucksache 14/444, den Gesetzentwurf unverändert an-
zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstim-
men? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in
zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis
90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. angenommen.
Dritte Beratung
und Schlußabstimmung. Die Fraktionen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen verlangen namentliche
Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. -
Das ist bereits geschehen. Ich eröffne die Abstim-
mung. -
Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Dann schließe
ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das
Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntge-
geben.*)
Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
W. Möllemann, Hildebrecht Braun ({4}),
Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der F.D.P.
9-Punkte-Konzept zur Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen
- Drucksache 14/335 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({5})
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion
der F.D.P. zehn Minuten erhalten soll. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache.
({6})
Bevor ich dem Kollegen Detlef Parr von der F.D.P.-
Fraktion das Wort erteile, bitte ich diejenigen Kollegin-
nen und Kollegen, die den Plenarsaal verlassen wollen,
dies zügig zu tun. Ansonsten bitte ich darum, die Ge-
spräche einzustellen und sich dem Sprecher zuzuwen-
den.
Herr Parr, Sie haben das Wort.
*) Seite 2012 B
Wenn die Kolleginnen und
Kollegen dem Thema Bildung als Zukunftsthema Aufmerksamkeit entgegenbringen wollen, dann bitte ich Sie
herzlich, hierzubleiben und nicht wegzulaufen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese
Woche war geprägt von heißen und hitzigen Steuerdebatten. Ich will die Argumente hier nicht wiederholen. Aber ein Ergebnis ist klar: Die Steuern werden nicht
einfacher. Die Steuern werden nicht gerechter. Vor
allem aber werden die Gesamtbelastungen für die Wirtschaft nicht niedriger. - Es besteht überhaupt kein
Zweifel, daß die Folgen auch auf den Ausbildungsmarkt
durchschlagen werden, weil sich die Rahmenbedingungen für die Unternehmen, für die Wirtschaft verschlechtern.
Nach unserer Überzeugung sind strukturelle Entlastungen auch auf dem Ausbildungsmarkt nur durch mehr
Wachstum und Beschäftigung möglich. Die Fortsetzung
der Ausbildungsmisere wird also durch die Entscheidungen dieser Tage vorprogrammiert; denn unter diesen
Rahmenbedingungen kann es keine Fülle von neuen
Ausbildungsplätzen geben. Dies muß ich feststellen,
auch wenn die Absicht der Bundesregierung zu begrüßen ist, etwas für die Auszubildenden zu tun.
Statt neu aufgelegter staatlicher Programme sind andere Wege nötig. An die erste Stelle gehört, daß wir eine
sicherere Grundlage für den Berufsbildungsweg unserer
jungen Menschen schaffen. In diesem Bereich stellen
wir fest, daß die Schulbildung in Deutschland nicht ausreichend ist. Dies wird durch zahlreiche nationale und
internationale Studien belegt. Ich erinnere an die
TIMMS-Studie, die Rückstände im deutschen Bildungssystem im Hinblick auf die Naturwissenschaften attestiert. Ich erinnere ferner an die Studie des Max-PlanckInstituts über die Bildungsverläufe im Jugendalter, die
die negative Entwicklung auf nationaler Ebene belegt.
All diese Studien stellen unserem Schulsystem ein
schlechtes Zeugnis aus. Solange wir diese Mißstände
nicht beheben, dürfen wir uns nicht wundern, daß Unternehmen zögern, Auszubildende in ihre Betriebe aufzunehmen. ´
Wir haben deswegen Verständnis für die Klagen der
ausbildenden Betriebe. Sie klagen über mangelnde
Grundkenntnisse ihrer Auszubildenden, zum Beispiel in
Rechnen, Schreiben und Lesen. Sie klagen über zuwenig
Persönlichkeitsbildung bezüglich der Sekundärtugenden
wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Pflichtbewußtsein
und Verantwortungsbewußtsein. Weiterhin klagen sie
über mangelnde Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit und praktische Anwendungsorientierung.
Typisch für die SPD-geführten Landesregierungen
ist, daß die aktuelle Diskussion, ob man wieder Kopfnoten in die Zeugnisse einführen soll, rigoros abgelehnt
wird. Ich weiß, daß Kopfnoten nach altem Muster natürlich ein alter Hut sind. Das ist keine Frage. Aber wir
müssen doch darüber nachdenken, ob nicht zu jedem
Zeugnis ein Beiblatt mit ungeschminkten Beurteilungen
des Verhaltens oder der Arbeitshaltung der einzelnen
jungen Menschen gehört. Das wäre äußerst hilfreich für
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
den individuellen Lernerfolg der jungen Menschen und
für ihre persönliche Weiterentwicklung.
({0})
Schmuse- und Kuscheleckenpädagogik in allen Ehren,
aber der Grundsatz „Wer fördern will, muß fordern“ gehört wieder ganz nach vorne gerückt.
Weitgehend überflüssig werden dann die Maßnahmen, die im Entwurf der Bundesregierung enthalten
sind, nämlich junge Menschen durch Streetworker zu
stabilisieren und für die Arbeitswelt zu motivieren. Man
muß sich einmal vorstellen, daß junge Menschen über
Streetworker stabilisiert und für die Arbeitswelt motiviert werden sollen. Es müßte doch eigentlich Motivation genug sein, für seinen eigenen Lebensunterhalt durch
Arbeit, Einsatz und intensives Lernen zu sorgen. Bei
entsprechender Motivation blieben weniger junge Menschen ohne schulischen Abschluß - sie sind nämlich
nicht dümmer geworden -, und wir bräuchten keine teuren Nachholprogramme oder sogenannte Brückenkurse.
Wie stellen wir uns die Verbesserungen auf dem
Ausbildungsmarkt vor? Ganz nach vorne gehört eine
intensivere Zusammenarbeit zwischen Schule und Betrieb. Um bessere Erkenntnisse der Ausbildungsmöglichkeiten zu erhalten, ist es wichtig, daß eine Verzahnung zwischen Schule und Betrieb stattfinden muß und
daß die jungen Menschen über die Anforderungen in
den Ausbildungsbetrieben etwas konkreter informiert
werden. Es gibt immerhin über 150 Ausbildungsberufe,
unter denen junge Menschen auswählen können. Man
kann sich heute eben nicht mehr auf einzelne Berufszweige, auf sogenannte Zuckerberufe, konzentrieren.
Man muß auch auf andere Berufsbereiche schauen,
wenn der Erstwunsch nicht erfüllt werden kann.
Die Beratung muß frühzeitiger ansetzen. Es ist einfach zu spät, wenn man sich erst zum Zeitpunkt der anstehenden Entscheidung fragt: Mache ich ein Studium
oder eine Ausbildung? Wir müssen unsere jungen Leute
früher über das informieren, was auf dem Arbeitsmarkt
geschieht. Dabei sollten wir - wir haben heute über den
Internationalen Frauentag diskutiert - auch die Chancen
der jungen Frauen berücksichtigen, Vorurteile abbauen
und das Spektrum der in den Blick genommenen Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen erweitern. Es gibt
nämlich nur ganz wenige frauen- oder männerspezifische Berufe.
({1})
Es ist sinnvoll, das erfolgreiche Konzept der Ausbildungsbörsen fortzuführen, die man aus den neuen Bundesländern kennt. Für prominente Unterstützung kann
man hier nur werben und Beispiele für erfolgreiche Berufslaufbahnen geben, die durch das duale System ermöglicht wurden. Ich denke, daß die Herren Gottschalk,
Becker und Westernhagen besser investiert hätten, wenn
sie in diesem Bereich und nicht im Bereich des Doppelpasses tätig geworden wären.
({2})
Neue spannende Berufsbilder müssen zügiger entwickelt werden, zum Beispiel in den Bereichen Kommunikation, Multimedia und Dienstleistungen. Hier gibt
es riesige Zukunftschancen.
({3})
Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Beispiel nennen: Ich habe am Freitag ein Kölner Telekommunikationsunternehmen besucht. Dieses Unternehmen beschäftigt sich mit der Entwicklung von Abrechnungssystemen, mit Low-cost-routing, also mit Wegweisern für das
günstige Telefonieren. Die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Unternehmen ist innerhalb eines Jahres von 18 auf
220 explodiert. Dies ist ein Beweis für die Bedeutung
kleiner und mittlerer Unternehmen.
In diesem Zusammenhang müssen wir auf die gestrige und heutige Debatte zurückkommen. Solche kleinen
und mittleren Betriebe bieten den Auszubildenden die
meisten Plätze an. Wenn wir an die Debatte über die
Steuerreform und die damit verbundenen Beschlüsse,
die wir getroffen haben, zurückdenken, dann muß man
feststellen, daß diese Beschlüsse fatale Auswirkungen
auf den Mittelstand haben, gegen Wachstum, gegen
mehr Beschäftigung und damit konsequenterweise auch
gegen mehr Ausbildungsplätze, gerichtet sind.
({4})
Stichwort „Teilung der Verantwortung der Betriebe“: Warum sollen nicht zwei Betriebe einen Auszubildenden ausbilden? - Wenn das gemacht wird, hätten
auch kleinere Unternehmen einen Anreiz, Ausbildungsplätze zu schaffen. Warum sollen sich nicht zwei Auszubildende freiwillig einen Ausbildungsplatz und damit
ihre Vergütung teilen? - Auch die Höhe der Vergütung
für die Ausbildung ist für manchen Betrieb ein Hinderungsgrund, überhaupt oder vermehrt auszubilden.
({5})
- Das sind keine alten Kamellen. Unsere Vorschläge
mögen zwar nicht üblich sein, aber wir wollen versuchen, sie durchsetzen. Es wären gute Beispiele für Flexibilisierung. Auch auf dem Ausbildungsmarkt ist Flexibilisierung ein ganz wichtiges Zauberwort.
Zudem brauchen wir modulare Ausbildungsgänge
und regionale Ausbilderkonferenzen. Auch das ist nicht
brandneu. Aber diese Angebote können ausgeweitet
werden.
Starre Vorschriften über die Ausbildungszeiten in der
Berufsschule müssen abgeschafft werden, damit die jungen Leute dann in den Betrieben anwesend sind, wenn
sie gebraucht werden.
({6})
In einigen Regionen herrscht ein Mangel an Ausbildungsplätzen, in anderen an qualifizierten Auszubildenden. Deshalb ist die Mobilität wichtig. Wir müssen bereits in der Schule den jungen Leuten vermitteln, daß sie
mobiler werden müssen. Sie dürfen nicht nur an der
Scholle hängen, sondern müssen bereit sein, ins Land
hinauszugehen. Das ist ein Plädoyer für ein Mobilitätsprogramm, in dessen Rahmen ein Austauschprogramm
mit Familienanbindung steht und Wohnheime nicht nur
für Studierende, sondern auch für Auszubildende angeboten werden können. Vielleicht könnten wir auch über
einen Informationspool dafür sorgen, daß die freien
Ausbildungsplätze schneller besetzt werden können.
({7})
- Das ist kein sehr qualifizierter Zwischenruf. Ich würde
mich mit Ihnen inhaltlich gerne auseinandersetzen. Das
geht aber auf diese Weise nicht.
({8})
Meine letzte Bemerkung. Mit diesem Programm der
Bundesregierung, das Sie vorgelegt haben, sind Sie weit
davon entfernt, tatsächlich hunderttausend Jugendliche
in Arbeit zu bringen. Es erweist sich bei näherem Hinsehen als Propagandaluftschloß, in dem mehr als
400 000 Jugendliche ohne Ausbildung und Beschäftigung bleiben. Selbst der kleine Teil der Ausbildungsplatzsuchenden, der von diesem Programm erfaßt wird,
wird nicht in Arbeit und Ausbildung gebracht, sondern
hauptsächlich auf die lange Versorgungsbank geschoben. Unmittelbar auf Beschäftigung zielen lediglich die
Lohnkostenzuschüsse zur Beschäftigung von arbeitslosen Jugendlichen. Es gibt gute Ansätze in diesem Programm. Aber es gibt bessere Ideen, die wir hier vorgeschlagen haben. Ich freue mich auf die Debatten im
Ausschuß
({9})
und hoffe, daß wir dann zu einer vernünftigen Lösung
kommen, die unseren jungen Leuten eine Zukunft in den
Betrieben bietet und Unternehmen ermuntert und nicht wie Sie es mit Ihren Beschlüssen zur Steuerreform getan
haben - abschreckt, auszubilden.
Danke.
({10})
Bevor
wir in der Debatte fortfahren, möchte ich Ihnen die von
den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten
Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekanntgeben.
Ich gebe zunächst das Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den von der SPD und dem Bündnis
90/Die Grünen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse bekannt. Abgebene Stimmen 567. Mit Ja haben
gestimmt 310 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 257,
Enthaltungen keine. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
({0})
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 564;
davon
ja: 308
nein: 256
Ja
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({1})
Klaus Barthel ({2})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({3})
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({4})
Bernhard Brinkmann
({5})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({6})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({7})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({8})
Harald Friese
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({9})
Angelika Graf ({10})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({11})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({12})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({13})
({14})
Frank Hofmann ({15})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({16})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({17})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({18})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({19})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({20})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({21})
Jutta Müller ({22})
Christian Müller ({23})
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann ({24})
Gerhard Neumann ({25})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
({26})
Birgit Roth ({27})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({28})
Ulla Schmidt ({29})
Silvia Schmidt ({30})
Dagmar Schmidt
({31})
Wilhelm Schmidt ({32})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({33})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({34})
Brigitte Schulte ({35})
Reinhard Schultz
({36})
Volkmar Schultz ({37})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Lothar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({38})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({39})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({40})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({41})
Jürgen Wieczorek ({42})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({43})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({44})
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({45})
Waltraud Wolff ({46})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({47})
Marieluise Beck ({48})
Volker Beck ({49})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({50})
Joseph Fischer ({51})
Katrin Dagmar GöringEckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({52})
Kerstin Müller ({53})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({54})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({55})
Werner Schulz ({56})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Ingeborg Voß
Helmut Wilhelm ({57})
Margareta Wolf ({58})
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({59})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler ({60})
Hartmut Büttner
({61})
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({62})
Axel Fischer ({63})
Dr. Gerhard Friedrich
({64})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({65})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({66})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({67})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
({68})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({69})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({70})
Eduard Lintner
Dr. Klaus Lippold
({71})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({72})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({73})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({74})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Meinolf Michels
Bernward Müller ({75})
Elmar Müller ({76})
Bernd Neumann ({77})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Dieter Pützhofen
Thomas Rachel
Peter Rauen
Christa Reichard ({78})
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({79})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({80})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({81})
Andreas Schmidt ({82})
Hans Peter Schmitz
({83})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({84})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({85})
Gerald Weiß ({86})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({87})
Hans-Otto Wilhelm ({88})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({89})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({90})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({91})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({92})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
PDS
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({93})
Rosel Neuhäuser
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({94})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung der Berücksichtigung von Entlassungsentschädigungen im Arbeitsförderungsrecht, Drucksachen 14/394 und 14/444 bekannt. Abgegebene Stimmen 567. Mit Ja haben gestimmt 337, mit Nein 230, Enthaltungen keine. Auch
dieser Gesetzentwurf ist damit angenommen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 567;
davon
ja: 337
nein: 230
Ja
SPD
Brigitte Adler
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel ({95})
Klaus Barthel ({96})
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding ({97})
Kurt Bodewig
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann ({98})
Bernhard Brinkmann
({99})
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner ({100})
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer ({101})
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich ({102})
Harald Friese
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf ({103})
Angelika Graf ({104})
Monika Griefahn
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
({105})
Hans-Joachim Hacker
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Reinhold Hiller ({106})
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann ({107})
({108})
Frank Hofmann ({109})
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung ({110})
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange ({111})
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
({112})
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß ({113})
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer ({114})
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller ({115})
Jutta Müller ({116})
Christian Müller ({117})
Franz Müntefering
Andrea Maria Nahles
Volker Neumann ({118})
Gerhard Neumann ({119})
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth ({120})
Birgit Roth ({121})
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
({122})
Ulla Schmidt ({123})
Silvia Schmidt ({124})
Dagmar Schmidt ({125})
Wilhelm Schmidt ({126})
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt ({127})
Olaf Scholz
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Richard Schuhmann
({128})
Brigitte Schulte ({129})
Reinhard Schultz
({130})
Volkmar Schultz ({131})
Ilse Schumann
Dr. R. Werner Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ernst Schwanhold
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie SonntagWolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Rüdiger Veit
Günter Verheugen
Simone Violka
Ute Vogt ({132})
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis ({133})
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen
({134})
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Hans-Joachim Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Helmut Wieczorek
({135})
Jürgen Wieczorek ({136})
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese ({137})
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer ({138})
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf ({139})
Waltraud Wolff ({140})
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann ({141})
Marieluise Beck ({142})
Volker Beck ({143})
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Andrea Fischer ({144})
Joseph Fischer ({145})
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
({146})
Kerstin Müller ({147})
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth ({148})
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt ({149})
Werner Schulz ({150})
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm ({151})
Margareta Wolf ({152})
PDS
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Carsten Hübner
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Manfred Müller ({153})
Rosel Neuhäuser
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
({154})
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Klaus Bühler ({155})
Hartmut Büttner
({156})
Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Dirk Fischer ({157})
Axel Fischer ({158})
Dr. Gerhard Friedrich
({159})
Dr. Hans-Peter Friedrich
({160})
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Gottfried Haschke
({161})
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser ({162})
({163})
Klaus-Jürgen Hedrich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Hubert Hüppe
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Dr. Dietmar Kansy
Manfred Kanther
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers
({164})
Dr. Norbert Lammert
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link ({165})
Dr. Klaus Lippold
({166})
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
({167})
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß ({168})
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
({169})
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Bernward Müller ({170})
Elmar Müller ({171})
Bernd Neumann ({172})
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Dieter Pützhofen
Thomas Rachel
Hans Raidel
Peter Rauen
Christa Reichard ({173})
Katherina Reiche
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Franz Romer
Hannelore Rönsch
({174})
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Dr. Jürgen Rüttgers
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Christian Schmidt ({175})
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
({176})
Andreas Schmidt ({177})
Hans Peter Schmitz
({178})
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard W. Schütze ({179})
Clemens Schwalbe
Dr. Christian SchwarzSchilling
Wilhelm-Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Bernd Siebert
Werner Siemann
Margarete Späte
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Andrea Voßhoff
Peter Weiß ({180})
Gerald Weiß ({181})
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese ({182})
Hans-Otto Wilhelm ({183})
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
({184})
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({185})
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Joachim Günther ({186})
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich Leonhard Kolb
Gudrun Kopp
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Günter Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
({187})
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Entschuldigt wegen Übernahme einer Verpflichtung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Parlamentarischen Versammlungen
des Europarates und der WEU, der NAV, der OSZE oder der IPU
Abgeordnete({188})
Lörcher, Christa, SPD von Schmude, Michael, CDU/CSU
Wir fahren jetzt in der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 7 fort. Das Wort hat der Kollege Walter
Hoffmann von der SPD-Fraktion.
({189})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag der
F.D.P.-Fraktion las, mußte ich zunächst einmal schmunzeln, anschließend den Kopf schütteln, und dann spürte
ich es: Mich laust die F.D.P.
({0})
Völlig verunsichert durch manchmal sehr qualifizierte Äußerungen Ihres bildungspolitischen Sprechers
Möllemann, versuchte ich beim Weiterlesen dieses Antrages, zu ergründen, ob Sie das Sofortprogramm überhaupt gelesen haben.
({1})
Am Ende angekommen, war ich zu der Überzeugung
gelangt: Sie haben es in der Tat nicht gelesen. Ich meine
aber, daß die Probleme von 500 000 jungen Menschen, die in unserem Land keinen Ausbildungs- und
Arbeitsplatz haben, viel zu ernst sind, als daß man
so fahrlässig und oberflächlich mit ihnen umgehen
dürfte.
({2})
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.,
beklagen in diesem Antrag, daß das Programm für
400 000 junge Menschen keine Arbeit und keine Ausbildung schaffe und Augenwischerei sei. Wir sagen:
100 000 Plätze durch dieses Programm sind ein ehrgeiziges Ziel bei einer Gruppe, die aus unterschiedlichen
Gründen die Perspektive Zukunft verloren hat.
({3})
Sie sagen: Streetworker, Beratung bei Entschuldung
und Wohnungsproblemen, die Vermittlung von Zusatzqualifikationen sowie des Hauptschulabschlusses
schaffen keine Arbeits- und Ausbildungsplätze. Welch
eine Erkenntnis! Viele junge Menschen haben aber gerade Schulden und Wohnungsprobleme. Ihnen fehlen
Qualifikationen und oft auch der Hauptschulabschluß.
Gerade deshalb bietet dieses Programm für 36 000 junge
Menschen Hilfen zur Behebung dieser Defizite an.
({4})
Völlig erstaunt aber war ich bei Ihrem 9-PunkteKonzept. Ich fühlte mich in die arbeitsmarkt- und bildungspolitische Diskussion der 80er Jahre zurückversetzt.
({5})
Sie fordern Ausbilderkonferenzen mit Betrieben, Berufsschulen und Werkstätten. Sie müßten eigentlich wissen, daß es dies seit Jahren in vielen Teilen der Republik
gibt.
({6})
Sie verlangen mehr Flexibilität in den Berufsschulen.
Diese Flexibilität gibt es bereits heute in vielfältiger
Form, zum Beispiel durch Blockunterricht.
({7})
Was hat es aber gebracht?
Sie fordern neue Berufe und die schnellere Schaffung
und Erneuerung von Ausbildungsordnungen. Tatsache
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
ist aber: Seit 1996 wurden 30 Berufe vollständig neu geschaffen, über 100 Ausbildungsordnungen modernisiert,
so daß eine ganze Reihe weiterer neuer Berufe entstanden ist,
({8})
und zwar binnen kürzester Zeit, in der Regel binnen
zwei Jahren. Ich sage Ihnen: Eine noch schnellere Entwicklung von Ausbildungsordnungen ist fachlich fahrlässig.
({9})
Sie fordern den Einsatz von Ausbildungsplatzentwicklern. Wir stellen im Einzelplan 30 des Bundeshaushaltes 19 Millionen DM exakt hierfür zur Verfügung.
({10})
Sie verlangen die direkte Ansprache der Betriebe
durch Gebietskörperschaften. Ich weiß, daß viele Städte
und Gemeinden, Kreise, aber auch Landesregierungen
dies bereits seit Jahren tun.
({11})
Ich denke, auch Sie wissen das. Im Rahmen unseres Sofortprogramms führen gerade auch in dieser Woche die
Arbeitsämter eine Aktion mit Betriebsbesuchen durch,
um wirklich alle Möglichkeiten auszuschöpfen.
({12})
Sie fordern die Übernahme der Verantwortung für die
Ausbildung eines Jugendlichen durch mehrere Betriebe.
In unserem Sofortprogramm ist die Förderung solcher
Ausbildungsverbünde explizit in Art. 2 § 4 der Richtlinien vorgesehen.
({13})
Ausbildungsbörsen - um noch einen Punkt zu nennen, der von Ihnen angesprochen wurde - gibt es, wie
Sie selber vorhin Gott sei Dank zugestanden haben, bereits seit den 80er Jahren. Sie sind in der Tat wirklich
nichts originell Neues.
Die Verbesserung der Beratung von Jugendlichen und
die Optimierung der Kooperation mit den Schulen werden an vielen Stellen durch dieses Programm unterstützt
und gefördert.
({14})
Ihre Forderung nach einem Mobilitätsprogramm
geht allerdings völlig an der Realität vorbei. Nach einer
Statistik der Bundesanstalt für Arbeit vom Januar dieses
Jahres gibt es nur in drei Bundesländern einen Überhang
von nicht besetzten Stellen gegenüber noch nicht vermittelten Bewerbern.
({15})
Das ist das eine. Zum anderen wird vor Ort - das müßten Sie eigentlich wissen - die Mobilität von Jugendlichen schon lange finanziell und organisatorisch unterstützt. Ich sage hier aber ganz deutlich: Es kann kein
ordnungspolitisches Ziel sein, Nomadenzüge durch das
gesamte Gebiet der Republik zu organisieren.
({16})
Weiterhin verlangen Sie einen bundesweiten Informationspool, durch den Auskunft über freie Plätze gegeben wird. Sie müßten eigentlich wissen, daß es das bereits gibt.
Ganz betroffen war ich über Ihren letzten Punkt, in
dem wir alle aufgefordert werden, persönlich in den
Wahlkreisen dafür einzutreten, daß zusätzliche Plätze
geschaffen werden. Ich bin sehr enttäuscht, daß Sie das
bis jetzt noch nicht gemacht haben.
({17})
Fast alles, was Sie fordern - ich konzentriere mich
jetzt wirklich auf Ihren Antrag -, ist bereits in vielen
Regionen der Republik tägliche Praxis. Unser Sofortprogramm hingegen ist eine zusätzliche - das möchte
ich betonen - Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Es ersetzt nicht - da haben Sie recht - eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Verantwortung der Tarifvertragsparteien und
eine gute Bildungspolitik. Daran arbeiten wir im Moment ganz eifrig und engagiert.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Programm
ist ein Angebot von zehn verschiedenen Maßnahmen an
insgesamt 100 000 junge Menschen mit einem Gesamtvolumen von 2 Milliarden DM. Den Akteuren vor Ort,
und niemand anderem, eröffnet es die Möglichkeit,
kreativ und mit viel Spielraum neue Wege zur Bekämpfung der Ausbildungsmisere zu suchen und auszuprobieren. Es ist, so meinen wir, ein Schritt in die richtige
Richtung.
({18})
Entscheidend für den Erfolg dieses Programmes - das
sage ich hier ganz deutlich -, ist allerdings die Umsetzung vor Ort, nicht allein durch die Arbeitsverwaltung, sondern durch alle, die ernsthaft mehr Ausbildungs- und Arbeitsstellen wollen. Dieses Programm ist
eine Aufforderung zum Handeln.
Es ist richtig: Natürlich gibt es Schwierigkeiten und
Probleme bei der Umsetzung. Ich bin auch der Auffassung, daß wir diese Schwierigkeiten und Probleme in
den nächsten Monaten kritisch aufarbeiten müssen, um
Korrekturen vor allen Dingen für das zweite Halbjahr
vornehmen zu können. Wenn aber Spitzenpolitiker im
Walter Hoffmann ({19})
Deutschen Bundestag feststellen, daß dieses Programm
darauf abzielt, junge Menschen ruhigzustellen,
({20})
dann ist die Wirkung verheerend, nicht nur weil die Betroffenen diskreditiert werden,
({21})
sondern weil nach außen der Eindruck entsteht, daß die
zynische Hoffnung gehegt wird, daß das Programm
scheitert.
({22})
Ich habe bis heute immer noch geglaubt, daß Herr
Schäuble sich für seine Äußerung vor diesem Hause und
gegenüber den Betroffenen entschuldigen oder sie zumindest klarstellen würde.
({23})
Allein eine Korrektur im Protokoll - ich habe das ja
nachgelesen - genügt bei einer solchen Äußerung in der
Tat nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P., ich
empfehle Ihnen: Ab mit diesem Antrag ins Archiv! Arbeiten Sie lieber konstruktiv und kritisch an der Umsetzung dieses Sofortprogrammes mit, wenn schon nicht im
Interesse der sozialdemokratisch-grünen Regierung,
dann wenigstens im Interesse der Betroffenen.
({24})
Herr
Kollege Hoffmann, ich beglückwünsche Sie zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag.
({0})
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege
Dr. Rainer Jork von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie
mich eingangs mit Genugtuung feststellen, daß wir
schon heute, Anfang März, darüber nachdenken, wie wir
die Ausbildungsplatzsituation wirksam verbessern können. Die Opposition hat früher um diese Jahreszeit Lehrstelleninteressenten mit Katastrophenprognosen zusätzlich verunsichert. Wir haben also eine neue Situation auch in der Opposition, Kollege Tauss.
Die F.D.P. stellt in ihrem Antrag fest, daß das Sofortprogramm der Regierung der Zielstellung einer wirksamen und nachhaltigen Verbesserung der Lehrstellensituation wohl nicht gerecht werden kann. Es wird Sie
nicht wundern, daß auch wir von der CDU/CSUFraktion das befürchten. Ich freue mich aber, daß nun
auch die neue Koalition, also die frühere Opposition,
versucht, konkret an die Probleme des Lehrstellenmarktes heranzugehen.
({0})
Lassen Sie mich allerdings gleich sagen: Ich habe
eher den Eindruck, daß es an wirklich neuen Ideen fehlt
und daß hier vor allem mit Geld und Reklame imponiert
wird. Mittels staatlicher Zuschüsse sollen 100 000 Jugendliche in Ausbildung und Qualifizierung Beschäftigung finden. Hoffentlich funktioniert das. Wir alle wollen das; davon können wir ausgehen. Ich habe erst heute
vom Arbeitsamt in Annaberg erfahren, daß das Geld bei
den eigentlichen Trägern der dualen Ausbildung, den
Betrieben, nicht ankommt. Wenn wir kritisch darüber
nachdenken wollen, Kollege Hoffmann, was zu tun ist:
An der Stelle müssen wir prüfen - ich bin Ihrer Meinung, daß das ein normaler Ablauf ist, wenn etwas Neues gemacht wird, wo etwas zu verbessern ist.
Sosehr ich den Antrag der F.D.P. in wesentlichen
Punkten - unabhängig davon, ob sie neu sind oder nicht
- unterstütze, finde ich doch, daß er einen ganz erheblichen Mangel aufweist.
({1})
Es geht nach wie vor um die kritische Situation in den
neuen Bundesländern. Diese kommt in dem Antrag
nicht vor.
({2})
Wir müssen wissen, daß das allgemeine Problem von
Strukturveränderungen, von Globalisierung und von
Innovationsdruck in den neuen Bundesländern von den
Schwierigkeiten beim Neuaufbau der Wirtschaft überlagert wird. Gleiche Verteilung der Mittel bei allen Programmen nützt nichts. Die besonderen Umstände in den
neuen Bundesländern verlangen nach besonderen Methoden und Instrumenten und insbesondere nach einer
spezifischen Abstimmung von Bundes- und Landesprogrammen.
Ich möchte noch einmal, wie früher schon, auf die
Hauptpunkte bei allen Maßnahmen hinweisen. Jede
Maßnahme zur Förderung von Lehrstellen muß sich an
drei Kriterien messen lassen: erstens an der Qualität der
Ausbildung. Damit hängt die Frage zusammen, welche
Lehrkräfte wie aktuell unterrichten können. Zweitens ist
der Praxiskontakt der Ausbildung wichtig. Nur dann ist
eine duale Berufsausbildung wirklich dual, wenn der
betriebliche Anteil repräsentiert wird. Drittens geht es
um die Eröffnung der Möglichkeit für die Lehrlinge,
nach der Lehrzeit eine dauerhafte Beschäftigung zu bekommen.
An diesen Kriterien müssen wir auch die Programme
der neuen Bundesregierung messen. Ich empfehle Ihnen,
das auch zu tun.
Die Förderung praxisnaher beruflicher Ausbildung
ist alleine mit Finanzierung nicht getan. Es besteht die
Gefahr der Theorielastigkeit. Erlerntes Wissen muß in
der Praxis und bei der späteren Arbeit anwendbar sein.
Die Maßnahmen der Bundesregierung mögen vielen Jugendlichen Zusatzqualifizierungen verschaffen. Ihnen
Walter Hoffmann ({3})
das Nachholen des Hauptschulabschlusses zu ermöglichen bringt sie aber eben nicht in eine praxisnahe Ausbildung und zukunftssichere Beschäftigung.
({4})
Die Auffassung, daß sich die Gesamtsituation auf
dem Lehrstellenmarkt vor allem durch staatlich finanzierte Förderprogramme verbessern läßt, ist ein Trugschluß. In Wirklichkeit ist eine strukturelle Entlastung
auf dem Ausbildungsmarkt nur dann zu erreichen, wenn
- das wurde eben gesagt - die Rahmenbedingungen
der Wirtschaft deutlich verbessert werden. Florierende
Unternehmen bilden schon im eigenen Interesse aus.
Kränkelnde können sich dies dagegen oft nicht leisten.
Es gilt also, eine gute Lehrstellenpolitik an die Arbeitsmarktpolitik zu koppeln. Mit anderen Worten: Mit Methoden, die zur Vermehrung von Arbeit führen, erreicht
man auch eine Vermehrung der Lehrstellenzahl.
({5})
Was ist also zu tun? Vor allem Handwerker und mittelständische Unternehmen, die das Gros der Ausbildungsleistungen erbringen, müssen steuerlich entlastet
werden. Die Zahlungsbereitschaft von Schuldnern, insbesondere in den neuen Ländern - das ist ein wichtiger
Punkt -, muß dringend verbessert werden. Öffentliche
Aufträge dürfen nicht nur nach den geringsten Kosten,
sondern müssen auch nach gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten vergeben werden. Oft steht hier die Zukunft von regionalen Betrieben auf dem Spiel. Das ist
ein besonderes Ostspezifikum.
Die Signale, die die rotgrüne Regierung mit ihrer verfehlten Steuer- und Abgabenpolitik setzt, sind verheerend.
({6})
Herr Tauss, ich zitiere einmal, was heute in einer Zeitung stand:
Immer mehr Unternehmen, auch solche, die der
rotgrünen Regierung bisher neutral und abwartend
gegenüberstanden, wenden sich mit Grausen ab,
verweigern neue Investitionen im Lande und verlagern Unternehmensanteile ins Ausland - mit entsprechenden Folgen für den Standort Deutschland.
Das führt auch zu Folgen im Lehrstellenbereich.
Ich wünsche mir, daß die neue Koalition ihre ideologischen Fesseln ablegt
({7})
und sich noch einmal mit den Maßnahmen der früheren
Bundesregierung zur Verbesserung der Lehrstellensituation befaßt. Ich beziehe mich auf die von Ihnen, Herr
Kollege Hoffmann, soeben gemachte Bemerkung, daß
wir nicht fahrlässig und oberflächlich umgehen sollen
mit dem, was erarbeitet worden ist. Sie haben ja gerne
zur Kenntnis genommen, wie die Methoden der früheren
Bundesregierung heute greifen.
Es geht vor allem - dazu möchte ich einige Punkte
aufzählen, die teilweise erledigt sind; aber noch nicht
alle; da besteht noch Handlungsbedarf ({8})
- auch Ihrerseits, Herr Hilsberg - um das zügige Schaffen neuer Berufsbilder und darum, neue Berufe voranzutreiben.
({9})
Es geht darum, die Überarbeitung von Ausbildungsordnungen zu sichern.
Es geht um die Verbesserung der Situation an Schulen. Darüber wurde soeben gesprochen.
({10})
- Genau, das ist Ländersache. - Es geht um eine Koordination von Bundes- und Länderprogrammen. Es geht
um eine rechtzeitige Beratung der Jugendlichen bei der
Wahl ihrer Ausbildungsplätze und um die Erhöhung der
Flexibilität der Angebote.
Mit der Aussage „Ländersache“ werden Sie nie ein
Problem lösen. Wenn eine Partei auf Landes- und Bundesebene Verantwortung hat, muß sie sich auf allen
Ebenen abstimmen und gemeinsam im Interesse der Jugendlichen ein Ziel verfolgen. Ich habe den Eindruck,
daß das vergessen wird. Mit sektoralem Denken und
Fragen nach der Zuständigkeit werden die bestehenden
Probleme nicht gelöst.
({11})
Ich empehle Ihnen sehr, daß Sie dort Ihre größere Verantwortung wahrnehmen. Das wollten Ihre Wähler.
Heute habe ich wiederholt gehört, was die Wähler von
Ihnen wollten, nämlich genau das.
Das „9-Punkte-Konzept“ der F.D.P. kann also schon
deshalb begrüßt werden, weil vernünftige Anregungen
aufgegriffen werden. Ich möchte auf einen Punkt eingehen, den ich zuletzt erwähnt habe: Es wird immer von
der modularen bzw. gestuften Ausbildung gesprochen.
Ich glaube, dieser Begriff ist nicht klar. Man sollte einmal sagen, was man darunter versteht. Ich habe mir dazu
etwas aufgeschrieben, auch um von Ihnen bei Gelegenheit, zum Beispiel im Ausschuß, kritisiert zu werden
oder um gemeinsam zu überlegen, ob dies so richtig ist.
Ich lese es einmal vor:
({12})
Ein Modul im dualen Ausbildungssystem ist eine
Lerneinheit, ein in sich abgeschlossener Qualifikationsbaustein, der zur Ausführung bestimmter praktischer
Arbeitsleistungen befähigt. Module können in allen Phasen der beruflichen Qualifizierung, von der Grundausbildung bis zur Weiterbildung, von Bedeutung sein und
bestimmte Zielgruppen besonders fördern. Sie sollen die
Kompatibilität zu bestimmten Berufsbildern sichern,
aber auch - entsprechend der modernen Produktionspraxis - effektiv nutzbare Teilqualifikationen sichern.
Mir ist klar, daß das Vorlesen einer Definiton problematisch ist. Daher denke ich, wir sollten später, zum
Beispiel im Ausschuß, darüber sprechen.
({13})
- Von mir. Es ist für Sie vielleicht ungewöhnlich, Herr
Tauss; aber auch als Politiker kann man sich Gedanken
machen. Auch in der Gewerkschaftszeitung des DGB
stehen dazu einige Gedanken. Aber hier habe ich mir
tatsächlich einmal eigene Gedanken gemacht.
Die Qualifikationspotentiale der Jugendlichen können
ausgeschöpft werden, wenn man mit diesen Modulen
arbeitet. Ihre Qualifikationsbedürfnisse sind zu berücksichtigen. Gleichzeitig wird den neuen Anforderungen
der Wirtschaft entsprochen. Die individuelle Leistungsfähigkeit der Lehrer und der in Weiterbildung befindlichen Facharbeiter wird dadurch besser berücksichtigt.
Auch praktisch Veranlagten bietet sich eine neue Möglichkeit.
Wir ostdeutschen CDU-Abgeordneten haben vor etwa zwei Jahren einen Maßnahmenkatalog im Ergebnis
einer Anhörung erarbeitet. Den Katalog habe ich schon
einmal vorgestellt.
({14})
- Wenn Sie jetzt fragen, Herr Hilsberg, ob es so etwas
gibt, dann muß ich sagen: Da wird einfach nicht zugehört. Es wäre ganz gut, wenn man im Parlament außer
dem Senden auch einmal den Empfang üben würde und
über das Gesagte nachdenkt. So etwas sollte es im Parlament geben.
({15})
Wir haben verschiedene Maßnahmen aufgeführt, die
- das sagte ich vorhin schon - teilweise in Angriff genommen worden sind oder noch angegangen werden
sollen. Ich nehme Ihre Anregungen und Ihre Verwirrung
gerne auf.
({16})
- Ich gebe Ihnen gerne einmal die Unterlagen, die wir
dazu erarbeitet haben und die ich überhaupt nicht lachhaft finde; denn es geht um junge Leute. Ich will einmal
zitieren, was Sie früher gesagt haben: Wenn man über
Arbeitsplätze für junge Leute und über deren Zukunft
redet, darf man nicht lachen. Dann darf man auch einmal
zuhören. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach.
({17})
Es ist kein Epochenwechsel, den Sie uns angeboten
haben, wenn man nicht zuhört und nicht gemeinsam
überlegt, was eigentlich zu tun ist.
({18})
Ich ersuche also die neue Bundesregierung, sich die
Vorschläge - ich erlaube mir, sie im Anschluß dem
Kollegen Catenhusen zu geben - einmal anzusehen, damit die Modernisierung der Berufsbildung vorangebracht wird.
Herr
Kollege Jork, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hilsberg?
Ja, klar.
Bitte
schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Jork, jenseits aller Polemik: Können Sie mir bestätigen, daß wir
mit unserem Programm gegen die Jugendarbeitslosigkeit
einen Betrag in Höhe von 2 Milliarden DM auf den Weg
gebracht haben und daß es die vorherige CDU/CSURegierung nicht ein einziges Mal geschafft hat, so etwas
auf den Weg zu bringen?
({0})
Ich freue mich
mit Ihnen, daß man eine solche Summe für die jungen
Leute bereitstellen kann.
({0})
In meiner Rede - vielleicht haben Sie zugehört - habe
ich das auch zum Ausdruck gebracht. Ich habe Sie nämlich am Anfang meiner Rede gelobt. Jetzt ist die Frage,
wie das Geld an welcher Stelle ankommt. Deshalb habe
ich - ich wiederhole mich - gesagt: Es muß an die Basis
kommen. Es muß dort ankommen, wo das duale System
tatsächlich funktioniert
({1})
und wo die jungen Leute nach den drei von mir genannten Kriterien auch in der Zukunft eine Chance haben, Arbeit zu finden. Allein mit Geld ist das nicht gemacht. Auch jetzt wiederhole ich mich: Es darf nicht nur
theorielastige betriebsferne Lehrgänge geben. Es muß
gesichert werden, daß kleine Betriebe und der Mittelstand - besonders in den neuen Bundesländern - das
Geld zur Verfügung gestellt bekommen, damit wir an
den Kern der Sache kommen.
({2})
Ich freue mich, wenn das klappt. Ich bin nämlich der
Meinung, daß wir die Probleme an vielen Stellen miteinander lösen können.
Herr
Kollege Jork, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage
der Kollegin Aigner?
Aber bitte.
Bitte
schön, Frau Aigner.
Herr Dr. Jork, können Sie
bestätigen, daß von diesen 2 Milliarden DM 600 Millionen aus dem Europäischen Sozialfonds kommt, die
normalerweise für Langzeitarbeitslose und besonders für
Frauen gedacht waren?
Frau Kollegin
Aigner, ich bin mir natürlich klar, daß die vom Kollegen
Hilsberg genannte Summe nicht ausschließlich von der
Bundesregierung kommt. Partner hat auch die frühere
Regierung gesucht. Sie sollten bloß nicht Leistungen für
sich in Anspruch nehmen, die andere erbringen.
({0})
Frau Kollegin Aigner, Herr Hoffmann hätte natürlich
erwähnen können, daß bereits funktionierende Methoden, die aus dem Reformprojekt „Berufliche Bildung“
der vorherigen Bundesregierung stammen übernommen
worden sind. Sie hätten einmal sagen können: Wir haben
etwas übernommen, das funktioniert. Für die betroffenen Lehrlinge - das auch zu Ihrer Frage, Frau Kollegin
Aigner - ist es schon ganz gut, wenn sie einmal sehen:
In der Politik wird sachlich miteinander umgegangen,
und es werden auch sinnvolle Maßnahmen gemeinsam
in Gang gesetzt.
({1})
Herr
Kollege Jork, erlauben Sie eine dritte Zwischenfrage der
Kollegin Gleicke?
Ja, wir können
jetzt gerne eine Fragestunde machen. Irgendwie muß ich
dann nur noch den Schluß finden. Es hängt alles an
Ihnen.
Bitte
schön, Frau Kollegin.
Herr Kollege Jork, das Programm für die 100 000 Jugendlichen sieht für 1999
2 Milliarden DM vor. Es wird im nächsten Haushaltsjahr
mit 1,1 Milliarden DM und auch danach noch teilweise
fortgesetzt werden. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, daß es in bezug auf alle Programme zu begrüßen ist, die Ansätze, auch zum Beispiel die der Europäischen Union, zusammenzuführen, um eine sinnvolle
Ausgestaltung der Programme zu erreichen und in dem
Sinne, wie Sie auf die Frage von Herrn Kollegen Hilsberg geantwortet haben, praxisorientiert Ausbildungsplätze zu schaffen?
Klar. Ich weiß
jetzt nicht, wo die Frage ist. Darauf zielte ja meine Bemerkung von vorhin. Ich kann nur darum bitten, daß Sie
mit den Mitteln, die Sie bereitstellen, die richtigen Stellen
erreichen, daß sie wirksam helfen und daß Sie sich überlegen, ob die drei Kriterien tatsächlich erfüllt werden.
({0})
- Ich freue mich, wenn das weiterhin der Fall ist. - Aber
bitte konterkarieren Sie Ihre Bemühungen nicht mit
einer schlimmen Steuerreform, die die Wirtschaft und
den Mittelstand an der Stelle trifft, wo es auch um Ausbildungsbereitschaft geht. Das haben wir heute gehört.
Was soll es, das mit viel Geld und wenig zielgerichtet
erreichen zu wollen, wenn man andererseits bewirkt, daß
Betriebe weggehen - ich rede jetzt von Großbetrieben,
die sowieso dazu gebracht werden müssen, mehr auszubilden; in dieser Frage sind wir uns einig -, wenn man
kleine Betriebe, den Mittelstand und das Handwerk sozusagen teilweise köpft oder wenn man nicht ausreichend Maßnahmen vorsieht, sie zu fördern. Das ist mein
Problem.
({1})
- Herr Tauss gibt mir das Signal, daß ich zum Schluß
kommen muß.
Ich wollte noch sagen - da teile ich Ihren Standpunkt,
Kollege Hoffmann -, daß Bundes- und Länderprogramme konform gehen müssen. Für uns in Sachsen ist es
zum Beispiel ganz wichtig, daß die Gemeinschaftsinitiative weiterläuft und daß regionale Spezifika berücksichtigt werden. Mecklenburg-Vorpommern ist eben
anders als Sachsen. Auch in Sachsen selbst gibt es Unterschiede. Man muß problem-, wirtschafts-, personenbezogen fördern. Das können die Länder sicher am besten. Ich bitte die Bundesregierung, diese Gemeinschaftsinitiative fortzuführen und mit den Ländern auf
geeignete Weise abzustimmen, wie man die Maßnahme
besonders wirksam einsetzt. Ich erspare es mir aus Zeitgründen, zu sagen - bei anderer Gelegenheit habe ich
das schon einmal vorgetragen -, welche Methoden dafür
eingesetzt werden können.
Ich darf vielleicht abschließend sagen: Hauruckprogramme reichen nicht; wir brauchen tiefgreifende Lösungen. Ich glaube, das ist auch Gegenstand der Diskussion gewesen. Wir brauchen eine deutliche Entlastung
der Wirtschaft, und wir brauchen ein konstruktives Miteinander zwischen Regierung und Opposition. In dem
Sinne - jetzt beziehe ich mich auf meine Eingangsbemerkung - finde ich es schon toll, daß wir heute nicht
nur Katastrophen an die Wand malen, sondern daß wir
überlegen, was wir machen können. Wir sind gern Ihre
Partner.
Ich mache, wie versprochen, dem Kollegen Catenhusen ein Geschenk, indem ich ihm das Protokoll übergebe. Die geschilderten Maßnahmen möchte ich als Anregung verstehen.
Danke.
({2})
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Hans-Josef
Fell von Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Liebe Kollegen und Kolleginnen von der F.D.P., es ist
für uns unverständlich, wieso - ich zitiere aus Ihrem
Antrag - „das Eingreifen der Bundesregierung das
schulpolitische Versagen der rotgrünen Landesregierungen deutlich“ macht.
({0})
Für die Bereitstellung von ausreichenden Ausbildungsplätzen ist noch immer die Wirtschaft - bei den entsprechenden politisch gesetzten Rahmenbedingungen - verantwortlich. Dies macht zum Beispiel auch der Gesetzentwurf der bündnisgrünen Fraktion aus der letzten Legislaturperiode deutlich.
({1})
Auch das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1980 ist,
was die Verantwortung der Wirtschaft für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen betrifft, schwerlich anders zu interpretieren.
In dieser Beziehung hat die F.D.P. in den letzten Jahren wahrlich keine Lorbeeren erstritten. Wo außer beim
ständigen Betonen und Einfordern von freiwilligen
Selbstverpflichtungen der Wirtschaft ohne größere Folgen und vor allem ohne größere Wirkungen waren denn
damals die Damen und Herren der F.D.P.?
({2})
Manche Kritikpunkte von Ihnen sind, was die Zahlen
und den Inhalt anbelangt, allerdings nicht unbedingt von
der Hand zu weisen. Es gibt strukturelle und auch qualitative Anlaufprobleme zum Beispiel bei der Umsetzung des Sofortprogrammes der jetzigen Bundesregierung. Aber nach 16 Jahren relativen Stillstands auf dem
Gebiet der Berufsausbildung kann nicht alles mit einem
großen Wurf auf einmal gelingen, zumal es auch um
strukturelle Probleme im System der dualen Berufsausbildung geht. Das Sofortprogramm kann nur ein Mosaikstein in diesem Komplex sein.
Eine strukturelle Entlastung auf dem Ausbildungsmarkt ist nicht allein durch mehr Wachstum und mehr
Beschäftigung, die immer wieder beschworen werden,
möglich. Die originär für Ausbildung Zuständigen verabschieden sich immer mehr aus ihrer Verantwortung.
Mittlerweile wird davon ausgegangen, daß nur noch zirka 20 Prozent der Betriebe ausbilden, die eigentlich
ausbilden könnten. Die Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenseite hat hierzu durchaus eigene Vorstellungen
in die Tarifverhandlungen eingebracht. Zum Beispiel hat
die ÖTV 1998 den freiwilligen Verzicht auf eine Anhebung der Ausbildungsvergütungen im Gegenzug zur Bereitstellung von mehr Ausbildungsplätzen vorgeschlagen. Die Arbeitgeber- und Arbeitgeberinnenseite ist es
jedoch, die ihre alten Gräben nicht oder nur sehr schwerfällig verläßt.
Meine Damen und Herren von der F.D.P., inwieweit
die Ausbildungsmisere - was für ein Wort - das fast alleinige Ergebnis der Schulpolitik sein soll, ist unklar
und wird sich schwerlich beweisen lassen. Bei allen Unzulänglichkeiten und Kritikpunkten am Bildungssystem
handelt es sich doch um das strukturelle Problem, daß
die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen verweigert
wird. Was wäre denn, wenn die auf die Berufsausbildung vorbereitenden Bildungsgänge hundertprozentig in
Ordnung wären? Gäbe es dann automatisch eine höhere
Ausbildungsbereitschaft seitens der dafür Zuständigen,
sprich: der Wirtschaft? Ist das nicht eher ein beliebiges
Mäntelchen - die Jugendlichen haben ein schlechtes
Bildungsniveau, sagt man -, das man anzieht, um von
eigenem Versagen ablenken zu können?
Was die von Ihnen eingeforderten regionalen Ausbildungskonferenzen betrifft, so gibt es diese schon.
({3})
Sie mögen in einigen Regionen unterschiedliche Namen
haben. Aber sie nur anders nennen zu wollen greift ja
wohl wirklich zu kurz
({4})
und spricht den dort Arbeitenden die Bemühungen und
auch die Resultate ab.
({5})
Allerdings - insoweit stimme ich Ihnen zu - sollten diese Ausbildungskonferenzen flächendeckend ausgedehnt
werden.
({6})
Nun zur ewigen Litanei über angebliche Ausbildungshemmnisse. Hat irgendeine Beseitigung solcher
vorgeblichen Hemmnisse durch die alte Bundesregierung, zum Beispiel durch die Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes, wirklich nachhaltige Wirkung gezeigt? Plakativ behauptet wurde dies immer. Die berufsbildungspolitischen Experten und Expertinnen sehen das
allerdings doch anders.
Bei der Forderung nach der Streichung des zweiten
Berufsschultages ging es der alten Bundesregierung in
Erfüllung der Bedingungen der Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen für eventuell mehr Ausbildungsplätze weniger um mehr Zeit für die betriebliche Qualifizierung als
um mehr Zeit für den produktiven Einsatz von Auszubildenden.
({7})
In vielen Handwerksbetrieben arbeiten Azubis im dritten
Lehrjahr bereits voll mit, während die Qualifizierung
nebenbei von Gesellen besorgt wird, die selbst zu arbeiten haben.
({8})
Die durchaus konservativ errechneten Angaben des
Bundesinstituts für Berufsbildung zu den enorm niedrigen Ausbildungskosten im Handwerk deuten darauf hin,
daß bereits heute in vielen Betrieben Azubis profitabel
sind.
({9})
Schlußfolgernd kann dem DGB-Bundesvorstand nur
zugestimmt werden, der schon 1996, zeitgleich mit der
Veröffentlichung des Ausbildungskonsenses NordrheinWestfalens, zutreffend festgestellt hat, daß die Kampagne
der Arbeitgeberseite gegen den zweiten Berufsschultag
lediglich darauf abziele, aus der Ausbildung Profit zu
schlagen;
({10})
es gehe hierbei keinesfalls um eine bessere Ausbildung.
Solches Sozialpartnerverhalten ist nicht nur unsozial, es
ist auch ökonomisch unsinnig.
({11})
Meine Damen und Herren von der F.D.P., Sie fordern
neue Berufsbilder. Ohne das Bundesinstitut für Berufsbildung in Bausch und Bogen loben zu wollen, muß ich
sagen, daß Berufsbilder statt früher in ungefähr acht Jahren jetzt in teilweise zwei bis drei Jahren realisiert werden. Das ist der richtige Weg. Er ist bereits jetzt erfolgreicher als der Weg, der in früheren Zeiten beschritten
wurde. Damit erübrigt sich Ihr Antrag auch in diesem
Punkt.
Herr
Kollege Fell, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Goldmann?
Aber gerne.
Bitte
schön, Herr Goldmann.
({0})
Ich komme jetzt
auf den zu sprechen, der das scheinbar richtig macht.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß die von Ihnen
eben scharf kritisierte Regelung der besonderen Stundenaufteilung mit dem sogenannten zweiten Berufsschultag eine Erfindung des damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Herrn Schröder, war? Wissen Sie, daß er für diese Regelung von allen in Niedersachsen an Ausbildung Beteiligten hoch gelobt worden
ist? Ist Ihnen ferner bekannt, daß diese spezielle Regelung nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten in
ihrem Bundestagswahlprogramm eigentlich eine bundeseinheitliche werden sollte?
Sie sehen, daß diese Forderung offensichtlich nicht mehr
aufrechterhalten wird. Auch die neue rotgrüne Bundesregierung kann Fehler der Vergangenheit einsehen und
sich zu neuen Erkenntnissen durchringen.
Herr
Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Jork?
Ja.
Herr Kollege,
können Sie sich vorstellen, daß ein Lehrling, der in
einem Betrieb arbeitet, Selbstbestätigung und Motivation dadurch findet, daß er nützliche Arbeit leistet und
das Gefühl bekommt, daß das Produkt, das er herstellt,
auch tatsächlich verkauft werden kann? Ich habe Mechaniker gelernt und als solcher gearbeitet. Es war für
mich ein tolles Erlebnis, als ich das erste Mal an eine
Maschine gehen konnte und wußte: Das Produkt ist
nützlich und wird verkauft. Das hat mir gefallen.
Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Das habe ich auch
überhaupt nicht kritisiert. Mir ging es um die Frage, ob
die Ausbildungsplatzsituation dadurch besser gestaltet
werden kann, daß man die Lehrlinge noch mehr in die
Arbeit hineintreibt. Es ging mir nicht um die Tatsache,
daß sie die Ausübung ihrer Tätigkeit erlernen müssen.
Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Es kommt auf das
Maß und die Forderungen an.
({0})
Der „geteilte“ Lehrling wurde in den letzten Jahren
- Sie wissen es - mehrfach gefordert. Damals hieß die
Devise der Firmen: Zwei Auszubildende arbeiten zum
Lohn für einen; drei teilen sich das Lehrgeld von zweien. Dieser Vorschlag, bar jeder ordnungspolitischen und
inhaltlichen Kenntnis, ist unter dem Begriff „Zweidrittelazubis“ ganz schnell zu den Akten gelegt worden. Zu
heftig waren die Bedenken hinsichtlich des Eingriffs in
die Tarifautonomie und eines qualitativen Abbruchs in
der beruflichen Ausbildung. Sie müssen zugeben: Das
war damals eine allgemeine Lachnummer.
Zu den geforderten Mobilitätsprogrammen: Sie
werden teilweise schon aufgelegt, zum Beispiel in Sachsen, wo das recht gut funktioniert. Allerdings haben sie
den Effekt, die Jugendlichen zu veranlassen, eine Region zu verlassen, in die sie dann vielleicht nicht mehr zurückkehren. Hier kann man trefflich darüber streiten, ob
es sinnvoll ist, von seinen sozialen und familiären Bindungen weggehen zu müssen, um ausgebildet zu werden. Die Verantwortung für die Bereitstellung von ausreichend vielen Ausbildungsstellen liegt eindeutig bei
der Wirtschaft; es handelt sich nicht um eine Art Selbstbeschaffungsprogramm der betroffenen Jugendlichen.
Herr
Kollege Fell, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage
des Kollegen Dr. Jork?
Ja.
Ich bitte
die Kolleginnen und Kollegen, an die fortgeschrittene
Zeit zu denken; denn viele wollen heute abend noch
nach Hause fahren.
({0})
Bitte schön, Herr Kollege Jork.
Danke, ich mache
es kurz.
Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß das
sächsische Mobilitätsprogramm so angelegt ist, daß man
das Geld zurückzahlen muß, wenn man nicht nach Hause zurückkommt, und daß das auch innerhalb von Sachsen wirkt?
Darauf eine ganz kurze Antwort: Die Problemlösung in
dieser Ausführungsbestimmung kommt dem von mir
kritisierten Punkt recht nahe. Wir müssen darauf achten,
daß dieses Problem des sozialen Herausreißens aus der
Gesellschaft prinzipiell gelöst wird. Das wollte ich anmahnen. Je mehr Mobilitätsprogramme man schafft, um
so schwieriger wird es natürlich, dieses Problem zu lösen.
Alles in allem kann man zu dem Antrag der F.D.P.
sagen: Der Berg kreißte und er gebar ein Mäuschen.
({0})
Wir vom Bündnis 90/Die Grünen halten an der Forderung der Verantwortungseinlösung durch die Wirtschaft hinsichtlich der Ausbildungsplatzsituation fest,
um die Strukturen wieder vom Kopf auf die Füße zu
stellen. Notfalls, wenn nicht eine umgehende Besserung
durch die Verantwortlichen geschaffen wird, muß die
Reformierung der Finanzen der Ausbildung mittels einer
Rahmengesetzgebung geregelt werden.
Der bündnisgrüne Vorschlag für eine Ausbildungsplatzumlagenfinanzierung könnte ein Weg zu mehr
Ausbildungsplätzen in der Bundesrepublik sein. Der
F.D.P.-Antrag dagegen würde nach unserem Dafürhalten den zukünftigen Anforderungen an einen Standortvorteil „Ausbildung und Qualifikation“ nicht genügen.
({1})
Daher bleibt die rotgrüne Bundesregierung bei ihrem
eingeschlagenen Weg. Das Sofortprogramm „100 000
Jobs für Jugendliche“ zeigt bereits Erfolge. Der Löwenanteil der Jugendlichen, die dieses Angebot wahrnehmen, entfällt auf die berufliche Nach- und Zusatzqualifizierung. Wir werden weitere Maßnahmen zur Schaffung
von Ausbildungsplätzen ergreifen.
Ich danke Ihnen.
({2})
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Maritta
Böttcher von der PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Zunächst möchte ich feststellen,
daß jede Überlegung, wie mehr Jugendliche in Ausbildung und Beschäftigung gebracht werden könnten, es
wert ist, ernst genommen zu werden, egal, von welcher
Seite des Hauses sie eingebracht wird. Die Forderungen,
neue flexible Berufsbilder zügiger zu entwickeln, verstärkt Ausbildungsplatzentwickler einzusetzen sowie die
Ausbildung in Module zu gliedern, enthalten durchaus
wertvolle Gedanken, die dazugehören, wenn wir das
Problem in Gänze lösen wollen. Insofern enthält der
vorliegende Antrag der F.D.P. sehr viel Überdenkenswertes, was, Herr Kollege Hoffmann, nicht einfach vom
Tisch gefegt werden darf.
({0})
- Nicht zu früh klatschen!
({1})
Daneben steht in diesem Antrag - Sie werden keine
andere Bewertung erwartet haben - eine Reihe von unverbindlichen Appellen , wodurch es insgesamt mehr als
zweifelhaft erscheint, daß dieses Konzept bei der Überwindung der akuten Ausbildungsmisere mehr leisten
kann als das Sofortprogramm der Regierungskoalition.
Die weitgehende Unverbindlichkeit in diesem Antrag
ist in erster Linie eine Folge davon, daß dieser lediglich
ein Anhängsel der „alten Leier“ ist, die da lautet: Wir
müssen die Arbeitgeber besserstellen, dann wird sich
alles andere, eben auch Ausbildung und Beschäftigung
junger Leute, schon irgendwie einstellen.
({2})
Die Gewerkschaften haben in den letzten Jahren die
gegenteilige Erfahrung gemacht und dies bei den Tarifverhandlungen, die gerade stattgefunden haben, sehr berechtigt zur Geltung gebracht.
Am Sofortprogramm der Regierung ist nicht so sehr,
wie das im F.D.P.-Antrag zu lesen ist, zu kritisieren, daß
es auch Maßnahmen enthält, die darauf abzielen, die
Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung
oder einer Beschäftigung beim Jugendlichen selbst zu
verbessern. Aus Sicht der PDS resultiert die abzusehende nur äußerst begrenzte Wirksamkeit dieses Maßnahmenkatalogs der Regierung aus folgendem:
Erstens. Mit dem Programm kann bestenfalls einem
Fünftel der offiziell registrierten Jugendlichen, die ohne
Ausbildung und Arbeit sind, meist nur vorübergehend
geholfen werden.
Zweitens. Entgegen der bekundeten Absicht der Initiatoren läuft das Programm in seiner praktischen Umsetzung vorrangig darauf hinaus, einen großen Teil der
einbezogenen Jugendlichen über einen quasi zweiten
Ausbildungsmarkt oder -sektor auf den Eintritt in den
zweiten Arbeitsmarkt mit all seinen Beengtheiten, Benachteiligungen und Unsicherheiten vorzubereiten.
Drittens. Diese sich bei den Arbeitsämtern abzeichnende Tendenz ist die Folge des grundsätzlichen Ansatzes: Mit dem Sofortprogramm versucht die Regierung
keinen prinzipiell neuen Einstieg bei der Lösung des Problems, sondern sie hat - mit einem angesichts der Haushaltslage durchaus anzuerkennenden und bemerkenswerten finanziellen Aufwand - solche Mittel und Methoden
in additiver Weise zusammengefaßt, die seit langem,
aber leider nur mit mäßigem Erfolg praktiziert werden.
Viertens halten wir es für eine Illusion, wenn die Regierung hofft, die mit ihrem Programm kurzfristig anvisierten Ziele im Rahmen des Bündnisses für Arbeit,
Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer zu sichern. Mit ihrer Erwartung, daß es im Rahmen dieses
Bündnisses zu entsprechenden Zusagen der Arbeitgeber
für mehr Ausbildung und Beschäftigung junger Leute
kommen wird, steht die Regierung allerdings dem Antrag sehr nahe, den die F.D.P. heute vorlegt.
Nach allen Erfahrungen der letzten Jahre wird die
Ausbildungsmisere nur durch eine Umlagefinanzierung
überwunden werden können.
({3})
Diese würde auf der Grundlage einer gerechten Kostenverteilung die Arbeitgeber verpflichten, jährlich die
Mittel zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, um
allen Jugendlichen des jeweiligen Jahrgangs einen entsprechenden Ausbildungsplatz anzubieten. Wir erwarten, daß der dazu von unserer Fraktion eingebrachte Gesetzentwurf in einer Weise diskutiert wird, bei der allein
die Interessen der betroffenen Jugendlichen im Vordergrund stehen.
({4})
Unser Entwurf läßt - das sage ich der F.D.P. - den kleinen und mittleren Unternehmen Gerechtigkeit widerfahren.
In diesem Zusammenhang habe ich mit Interesse zur
Kenntnis genommen, daß Andrea Nahles für die SPD im
April ebenfalls einen Gesetzentwurf zur Umlagefinanzierung in den Bundestag einbringen will. Daß sie allerdings auf aktuellere Zahlen warten will, erstaunt mich;
denn diese liegen seit Jahren vor und werden immer
größer.
Für die Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit ist
eine abgeschlossene Berufsausbildung eine wichtige
Voraussetzung. Das wird niemand hier im Hause bestreiten. Grundsätzlich kann dieses Problem jedoch nur
in dem Maße gelöst werden, wie mit Schritten zur generellen Neuverteilung der gesellschaftlichen Arbeit der
Raum geschaffen wird, der auch die jugendlichen Arbeitslosen aufnehmen kann.
Hier möchte ich in aller Kürze unsere Forderungen
nach Verkürzung der Wochen- und der Lebensarbeitszeit, nach Abbau der Überstunden, nach Ausdehnung einer existenzsichernden Altersteilzeitbeschäftigung und
nach einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor
mit Dauerarbeitsplätzen vor allem im sozialen und kulturellen Bereich sowie beim ökologischen Umbau in
Erinnerung rufen.
({5})
Den Antrag der F.D.P. lehnen wir als völlig unzureichend ab. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuß, und ich hoffe, daß wir in diesem Jahr zu einer
Lösung des gesamten Problems auf dem Ausbildungsmarkt kommen werden.
Danke.
({6})
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Ulrich Kasparick, SPD.
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich fasse mich kurz. Der
Tag ist fortgeschritten. Eines aber möchte ich doch zu
den Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P. sagen,
bevor wir in die Detaildiskussion im Ausschuß eintreten.
Ich stehe vor Ihnen als ein direkt gewählter Abgeordneter aus Ostdeutschland. Ich gehöre zu denjenigen, denen die Bevölkerung ein Mandat gegeben hat, weil sie
die Nase von Ihren Sprüchen voll hat.
({0})
Wir haben die Nase voll von Ihren Sprüchen nach dem
Motto „Wer fördern will, muß fordern“ oder „Leistung
muß sich wieder lohnen“. Wissen Sie: Wer sagt, dieses
Programm der Bundesregierung sei ein Propagandaluftschloß, der versündigt sich an den jungen Leuten im
Osten, die dringend auf Unterstützung angewiesen sind.
({1})
Ich werde das im Ausschuß noch vertiefen.
Nehmen Sie zur Kenntnis, daß Sie als F.D.P. im
Osten Deutschlands politisch keine Rolle mehr spielen.
({2})
Jetzt sitzen Sie hier als abgewählte Fraktion und überlegen sich, womit man denn die Regierung ärgern könnte,
zum Beispiel durch die Kritik an ihrem Sofortprogramm. Ich verstehe, daß die Opposition so etwas tut.
Ich sage Ihnen aber: Das Thema Jugendarbeitslosigkeit
ist das denkbar ungeeignetste Thema, um sich zu profilieren.
({3})
Ich will Ihnen nur ein paar Dinge sagen, die Sie
wahrscheinlich nicht wissen, weil Sie zu wenig im Osten
sind. Wir haben eine Arbeitslosigkeit, die zwischen 20
und 30 Prozent liegt. Auf den Dörfern ist die Arbeitslosigkeit oft höher.
({4})
Wir haben eine Abwanderungsbewegung aus den neuen
Ländern in die alten Länder, die größer ist als vor der
Wende. Über 1,5 Millionen Menschen haben die neuen
Länder verlassen.
({5})
Wir haben etwa 500 000 Pendler, die der Arbeit hinterherziehen, weil sie keine Arbeitsplätze im Osten finden.
Angesichts dessen verlangen Sie ein Mobilitätspaket.
Dieser Zynismus ist doch nicht mehr zu übertreffen.
({6})
Sie wissen genausogut wie wir: Dieses Projekt der
Bundesregierung ist ein Sofortprogramm, um die größte
Not zu lindern. Wenn Sie mit den Kolleginnen und
Kollegen von den Arbeitsämtern sprechen, dann werden
Sie sehen, daß die Mittel, die dringend benötigt werden,
auch tatsächlich abfließen. Wir haben schon am 26. Januar in der Region, die ich vertrete, mit dem Programm
angefangen, und die Mitarbeiter in den Arbeitsämtern
arbeiten bis spät in die Nacht, weil sie merken, daß es
ein gutes, weil flexibles Programm ist.
({7})
Es ist auch gut, daß die Bundesregierung 40 Prozent dieser Mittel für den Osten bereitgestellt hat. Sie tut dies,
weil sie die Not sieht, die - das wissen Sie - Sie uns
hinterlassen haben.
({8})
Ich danke an dieser Stelle den Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsämtern ausdrücklich, die im Hintergrund sehr emsig arbeiten, um dieses Projekt durchzusetzen.
({9})
Ich möchte Sie noch über etwas informieren, was Sie
wahrscheinlich auch nicht wissen. Ich komme aus einem
Bundesland, das mittlerweile im zweiten Jahr allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz angeboten hat,
({10})
obwohl die Kassen knapp sind. Sie aber bieten uns sogenannte innovative Lösungen an, die ich einfach nur als
peinlich bezeichnen kann.
Deshalb habe ich einen Vorschlag für die Kolleginnen und Kollegen von der F.D.P.-Fraktion. Ihre Fraktion
ist ja durch die Wahl sehr überschaubar geworden, und
Sie alle passen wohl in einen großen Reisebus. Ich lade
Sie ein, einen Bus zu mieten und zusammen mit mir
durch den Osten zu fahren. Dann zeige ich Ihnen einmal,
wie die Vorschläge ankommen, die Sie uns hier ernsthaft unterbreiten wollen.
({11})
Sie überschreiben Ihr Programm als ein „9-PunkteKonzept“. Ich war sehr neugierig, zu erfahren, worin das
Konzept bestehen soll. Nachdem sie abgewählt ist, hat
die F.D.P. ein Konzept, man höre!
({12})
- Wenn Sie ein Konzept vorlegen wollen, müssen Sie
sich aber ein bißchen mehr Mühe geben.
({13})
Was fordern Sie? Sie fordern Steuersenkungen.
({14})
Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
F.D.P., Sie haben das immer gefordert, aber wir haben
es heute beschlossen. Das unterscheidet uns.
({15})
Dann fordert die F.D.P., die Abgeordneten sollten in
ihren Wahlkreisen endlich ihre Arbeit machen, indem
sie sich um arbeitslose Jugendliche kümmern.
({16})
Das spricht Bände, was die Art angeht, wie Sie Ihr
Mandat ausfüllen. Für mich und für viele meiner Fraktionskollegen ist das eine Selbstverständlichkeit.
({17})
Zu dem Mobilitätsprogramm habe ich das Nötige gesagt. Ich halte die Formulierung für den blanken ZynisUlrich Kasparick
mus - ich wiederhole es -, weil Sie verkennen, daß
große Teile der Bevölkerung in Ostdeutschland schon
längst unterwegs sind, um der Arbeit und den Ausbildungsplätzen hinterherzuziehen.
({18})
Das sogenannte Konzept der F.D.P. ist kein Konzept
- meine Kollegen haben das schon gesagt -, weil alles,
was in ihm vorgeschlagen wird, schon praktiziert wird.
({19})
- Sie müssen einmal in meiner Biographie ein Stückchen weiter lesen.
({20})
Wenn Sie zur Verminderung der Jugendarbeitslosigkeit
wirklich etwas vorschlagen wollen, dann müssen Sie
sich mehr anstrengen; denn Ihr Antrag ist nicht das Papier wert, auf dem er steht.
Einen Punkt gibt es allerdings, für den das nicht gilt.
Sie schlagen unter Punkt 4 vor, daß die Maßnahmen der
Bundesregierung fortzusetzen sind. Damit haben Sie
recht.
({21})
Herr
Kasparick, ich beglückwünsche auch Sie zu Ihrer ersten
Rede im Deutschen Bundestag.
({0})
Das Wort hat nun die Kollegin Ilse Aigner von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ganz zu
Anfang möchte ich klarstellen, daß es unser aller Ziel ist
und auch sein muß, möglichst allen Jugendlichen, die
das wollen, einen Ausbildungsplatz zu vermitteln.
({0})
Ich freue mich für jeden einzelnen Jugendlichen, der
durch dieses Sofortprogramm einen Ausbildungsplatz
bekommt,
({1})
aber
({2})
es wird nichts an den strukturellen Problemen ändern.
Weil Ausbildungsplätze im dualen System - wie Sie
richtigerweise gesagt haben - ausschließlich von der
Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden, bildet eine
florierende Wirtschaft die Grundlage dazu. Ich möchte
jetzt nicht auf die ganzen wirtschaftsfeindlichen Maßnahmen der neuen Regierung eingehen, da sie bereits
mehrfach diskutiert wurden - wie zum Beispiel gestern
die sogenannte Ökosteuer und heute vormittag das sogenannte Steuerentlastungsgesetz.
Ich will aber auf eines hinweisen. Allein das ständige
Gezerre, das Hin und Her, die ständigen Nachbesserungen und die täglich wechselnden Erklärungen der neuen
Regierungsmitglieder haben die Stimmung in der Wirtschaft auf einen absoluten Tiefpunkt sinken lassen. Das
ist bestimmt nicht im Sinne von mehr Arbeits- und Ausbildungsplätzen.
({3})
Statt zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage beizutragen, führt Ihre Politik zur Verunsicherung bis hin zum
Schaden. Fragen Sie doch einmal einen Steuerberater
- ich war vor kurzem bei einem -, wie viele Investitionen, die unser Land so dringend bräuchte, wegen der
diffusen Lage zurückgestellt worden sind. Das spiegelt
sich gerade auch in den Arbeitslosenzahlen wider. Von
der versprochenen Million neuer Arbeitsplätze sehe ich
nichts, die halbe Million zusätzlicher Arbeitsloser seit
Oktober sehe ich sehr wohl.
({4})
Wir brauchen vernünftige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die eine positive konjunkturelle Entwicklung und besonders Investitionen begünstigen.
Kurzfristige Sofortprogramme sind reine Augenwischerei. Die Schaffung neuer und der Erhalt bestehender
Ausbildungsplätze hängen direkt mit der gesamtwirtschaftlichen Lage zusammen. Das kann man auch am
Stand von Gesamtarbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit bzw. an dem Verhältnis von noch nicht vermittelten Bewerbern zu offenen Stellen deutlich ablesen.
Ich möchte einmal auf Bayern hinweisen.
({5})
Bayern hat mit 5,3 Prozent bei den unter 20jährigen und
5,8 Prozent bei den unter 25jährigen die geringste Jugendarbeitslosigkeit. Ich darf Sie daran erinnern, daß der
frühere Ministerpräsident Schröder sein Land mit einer
Jugendarbeitslosigkeit verlassen hat, die über dem Bundesdurchschnitt liegt: 9,6 Prozent bei den unter
20jährigen und 13 Prozent bei den unter 25jährigen.
({6})
Ich frage mich, wo eigentlich der Beschäftigungspakt in
Niedersachsen war. Bayern hat das schon vor Jahren
gemacht. Vielleicht hat Schröder keine Zeit dazu gehabt.
Die wirtschaftliche Lage hat übrigens nicht allein mit
den sogenannten makroökonomischen Verhältnissen zu
tun, die im Wahlkampf immer als Ursachen für die Probleme dargestellt wurden, sondern gerade ganz wesentlich damit,
({7})
welche Wirtschaftspolitik in einem Land betrieben wird.
In Niedersachsen scheint die nicht ganz so erfolgreich
gewesen zu sein.
({8})
Um zu erreichen, daß Betriebe ausbilden wollen und
vor allem auch können, sind allerdings auch noch andere
Rahmenbedingungen wichtig. Dazu gehören geeignete
Berufsbilder, die möglichst schnell an die Realität angepaßt bzw. neu entwickelt werden müssen. Der beste
Beweis dafür sind die neu eingeführten Berufe im
Informations- und Kommunikationsbereich. Ich kann
Ihnen nur die Zahlen von Oberbayern nennen: Dort gab
es allein im letzten Jahr 993 neue Ausbildungsverträge.
Eine Riesenleistung!
({9})
Der Vorschlag der Kultusministerkonferenz vom
Oktober letzten Jahres, das gesamte Spektrum der Berufe auf acht - ich wiederhole: acht - Basisberufe zusammenzuschrumpfen, geht in die völlig falsche Richtung.
Bei uns gibt es derzeit 355 anerkannte Ausbildungsberufe. Allein im letzten Jahr wurden 34 neu geschaffen. Sie
wurden deshalb ins Leben gerufen, weil sie sich an den
Realitäten in der Wirtschaft orientieren und somit auch
eine Chance auf Weiterbeschäftigung bieten. Ein Konzept von acht Basisberufen halte ich für nicht durchführbar und für die betriebliche Realität völlig ignorierend. Mit diesem Konzept würden Sie mit Sicherheit
nicht mehr, sondern wesentlich weniger Ausbildungsplätze haben.
Ein weiteres Kriterium für die Bereitschaft von Betrieben, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, ist
die Frage: Wie häufig ist der oder die Auszubildende im
Betrieb? Hat der Betrieb überhaupt noch ausreichend
Zeit, die geforderten Lehrinhalte zu vermitteln?
Sehr geehrter Herr Fell, Sie sind Gymnasiallehrer.
Haben Sie schon einmal einen Betrieb mit einer Ausbildung durchlaufen? - Nicht. Ich habe selber eine Lehre
gemacht und weiß, was Ausbildung heißt.
({10})
Ich komme aus einem mittelständischen Handwerksbetrieb und stehe daher nach wie vor in engem Kontakt mit
Mittelständlern.
Als mit Abstand häufigster Grund wird angegeben,
daß die Lehrlinge zuwenig im Betrieb sind. Jetzt möchte
ich aber sagen: Es liegt nicht, wie immer behauptet wird,
an der Schule allein, sondern es liegt auch an anderen
Komponenten. Bei genauerem Nachfragen kommt man
dahinter.
Zum Teil hat es aber schon mit der Schulorganisation
vor Ort zu tun. Die Möglichkeit, beim Teilzeitunterricht
halbe Berufsschultage, die meistens zu einem ganzen
Tag Abwesenheit vom Betrieb führen, durch den halbjährlichen oder jährlichen Wechsel zwischen zwei und
einem ganzen Berufsschultag zu verhindern und damit
die Anwesenheit im Betrieb wesentlich zu steigern, liegt
in der Kompetenz der Länder. Sie hätten das in Ihren
Ländern schon lange einführen können.
({11})
Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Abwesenheit vom Betrieb scheint mir immer wieder der
Umfang der überbetrieblichen Ausbildung zu sein. Hier
müßten wir an die Wurzel gehen.
({12})
Die überbetriebliche Ausbildung wird verpflichtend angeboten, wenn die in den Ausbildungsordnungen festgelegten Lehrinhalte durch die Betriebe allein nicht
vermittelt werden können. Also ist doch die Frage, an
welchem Maßstab sich die Ausbildungsordnungen orientieren,
({13})
an einem durchschnittlichen mittelständischen Betrieb
oder an einem Großbetrieb mit eigener Lehrwerkstatt.
Ich meine, die Ausbildungsordnungen müssen sich mehr
an der Praxis, das heißt an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der ausbildenden Betriebe orientieren, die ja
auch die Mehrzahl der Ausbildungsplätze zur Verfügung
stellen.
Wir müssen auch die Frage stellen, ob das rasant
wachsende Wissen in der beruflichen Erstausbildung
überhaupt noch vermittelt werden kann.
Frau
Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Hoffmann?
Nein.
({0})
- Doch. Aber das ist meine erste Rede, und ich nehme
dasselbe Recht in Anspruch wie die Redner vorher.
({1})
Es ist die Frage, ob die Erstausbildung auch hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Auszubildenden das Erforderliche überhaupt noch leisten kann oder ob wir
nicht vermehrt zu einem lebenslangen Lernen übergehen
müssen.
Wir müssen auch die Frage stellen, ob innerhalb einer
Berufsgruppe nicht auch theoriegeminderte Berufsbilder
angeboten werden müssen.
({2})
Gerade für die Leistungsschwächeren wäre auf diese
Weise ein Einstieg ins Berufsleben zu schaffen. Dies ist
bisher immer an den Gewerkschaften gescheitert, weil
damit natürlich eine unterschiedliche Bezahlung verbunden ist.
({3})
Aber ich frage Sie: Was nützt es dem Jugendlichen,
wenn Sie diese auf dem Arbeitsmarkt benötigten Berufe
nur aus ideologischen Gründen blocken?
({4})
Aufbauend auf die Erstausbildung muß es natürlich
ein Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebot für
Fachkräfte geben, und zwar in einem verzahnten System
zwischen Erstausbildung und Weiterbildung auch unterhalb der Meister- und Technikerebene. In diesem Zusammenhang muß ich sagen: Ich finde es absolut skandalös, daß Herr Lafontaine gerade das Meister-BAföG
im Haushaltsentwurf um 40 Prozent gekürzt hat. Das ist
wirklich skandalös.
({5})
Sicherlich muß den Betrieben, insbesondere den
Großbetrieben, immer wieder klargemacht werden, daß
sich eine Investition in den eigenen Facharbeiternachwuchs von morgen lohnt und daß die Schaffung von regulären betrieblichen Ausbildungsplätzen letztlich auch
zur Aufgabe der Wirtschaft gehört.
Sehr geehrte Damen und Herren, vor allem Herr
Hoffmann, vielleicht können Sie mich aufklären: Meines
Wissens hat der DGB bis heute noch keinen einzigen
Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt. Ich glaube, das
wäre auch einmal eine gute Sache.
({6})
Ein wichtiges Kriterium für die Betriebe ist natürlich
auch die Ausbildungswilligkeit und Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen. Hier reicht es nicht zu versuchen,
mit einem Sofortprogramm Versäumnisse zu mildern,
die im mangelnden Schulsystem vor Ort liegen. Hierbei
dürfen nicht nur Symptome kuriert, sondern es müssen
die Ursachen angegangen werden.
({7})
In diesem Zusammenhang stellt sich nicht nur die
Frage nach der Sach- und Personalausstattung der
Schulen in den einzelnen Bundesländern, sondern auch
die Zielrichtung des Unterrichts muß hinterfragt werden.
({8})
Muß Schule nur Spaß machen, oder muß Schule in der
Erziehung nicht auch stärker auf die Vermittlung sogenannter Sekundärtugenden, wie Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft, Fleiß und Belastbarkeit, Beständigkeit und Pünktlichkeit, hin erziehen? Ich meine schon.
({9})
Zusammenfassend ist festzustellen, daß ein Strohfeuer an Programmen und Soforthilfemaßnahmen nicht
notwendig strukturelle Verbesserungen ersetzen kann.
Diese Veränderungen müssen von der inhaltlichen Ausgestaltung der beruflichen Bildung über die verstärkte
Orientierung an der betrieblichen Wirklichkeit bis hin
zur allgemeinen Wirtschaftspolitik erfolgen. Gerade im
letzten Punkt hat die neue Bundesregierung bewiesen,
daß es ihr nicht um die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland zugunsten von mehr Ausbildungsund Arbeitsplätzen geht.
({10})
Frau
Kollegin Aigner, ich darf auch Sie sehr herzlich zu Ihrer
ersten Rede im Deutschen Bundestag beglückwünschen.
({0})
Der Kollege Hoffmann hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. - Bitte schön, Herr Hoffmann, Sie
haben das Wort.
Frau Aigner,
Sie haben mich direkt mit der Frage angesprochen, ob
der DGB entsprechende Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt.
({0})
Ich bin hauptberuflich beim DGB in Südhessen beschäftigt. Ich will Sie darüber aufklären, daß wir in
Form eines Vereines in den letzten Jahren 48 behinderte
Jugendliche in Büroberufen - ich denke: mit großem Erfolg - ausbildet haben.
({1})
Wenn Sie die Entwicklung bundesweit verfolgen,
dann müssen Sie zugeben, daß die Kritik, die vor ein
paar Jahren zu Recht geäußert wurde, dahin gehend positive Auswirkungen gezeigt hat, daß mittlerweile viele
Hauptvorstände der Gewerkschaften direkt oder in Vereinsform intensiv ausbilden.
({2})
Als
letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der
Parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen das Wort. - Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Eines ist in dieser
Debatte sehr auffällig: Zum erstenmal sprechen die heuIlse Aigner
tigen Oppositionsfraktionen - im Unterschied zu den
letzten 16 Jahren - nicht mehr davon, daß die Lage auf
dem Ausbildungsmarkt eigentlich in Ordnung sei und
daß die Situation in Spanien und Portugal noch viel
schlimmer sei.
({0})
Die CDU/CSU-Fraktion, besonders die Kollegin Aigner,
beteiligt sich vielmehr - im Unterschied zu der F.D.P. zum erstenmal in Ansätzen an der Diskussion, welchen
Nachholbedarf wir in bezug auf die Struktur im Bereich
der beruflichen Bildung in Deutschland haben. Das ist
die Rückendeckung, die diese Regierung braucht, um
die überfälligen Strukturreformen anzupacken. Wir hoffen sehr, daß wir mit Ihnen, Frau Kollegin Aigner, und
vielleicht auch in Zukunft in anderer Weise mit der
F.D.P. in einen Streit um die besten Ideen hinsichtlich
der strukturellen Reformen eintreten können.
({1})
Es geht aber nicht an, die tatsächliche Situation, in
der sich heute junge arbeitslose Menschen befinden, zu
verdrängen und
({2})
der Bundesregierung zynischerweise, wie es im F.D.P.Antrag geschieht, wegen ihres Sofortprogramms Augenwischerei zu unterstellen. Vielleicht sollten Sie doch
einmal zur Kenntnis nehmen, daß in unserem Lande
450 000 bis 500 000 Menschen unter 25 Jahren, die
Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz haben oder die arbeitslos sind, einen Anspruch darauf haben, daß wir konkrete Maßnahmen und zwar jetzt - für die Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen und vor allem für mehr Beschäftigung dieser jungen Menschen ergreifen. Ich habe den Eindruck,
daß der eine oder andere von Ihnen diese Situation jetzt
durchaus begriffen hat.
Sie sollten auch nüchtern zur Kenntnis nehmen, daß
wir und auch die Betroffenen noch nicht ganz vergessen
haben, daß Sie diese Menschen sehr lange im Regen
stehen gelassen haben,
({3})
daß Sie durch Tatenlosigkeit in Bonn mutwillig dazu
beigetragen haben, daß Jugendarbeitslosigkeit erstmals
zu einem drängenden Problem in unserer Gesellschaft
geworden ist.
({4})
Sie sollten ferner zur Kenntnis nehmen, daß es 120 000
bis 140 000 junge Menschen in diesem Lande gibt, die
länger als ein halbes Jahr arbeitslos sind.
Ich will meinen Vorwurf des Zynismus an die F.D.P.
verdeutlichen. Können Sie sich eigentlich vorstellen,
was Sie den Betroffenen antun, wenn Sie der Regierung
vorwerfen, daß wir den jungen Menschen zum Beispiel
durch unser Programm helfen wollen, aus Verschuldung
und Obdachlosigkeit zu entkommen? Kennen Sie eigentlich die Situation nicht, in der die jungen Menschen
leben?
({5})
Jeder weiß, daß wir jungen Menschen, die längere Zeit
arbeitslos waren, aus ihrer Situation heraushelfen und
ihnen Brücken in Beschäftigung und Qualifikation
bauen müssen.
({6})
Diese Brücken denunzieren Sie hier mit den Begriffen „Unwirksamkeit“ und „Augenwischerei“. Dazu sage
ich Ihnen ganz deutlich: Diese Art des Verdrängens der
sozialen Situation von jungen arbeitslosen Menschen
lassen die Regierung und die Koalitionsfraktionen Ihnen
nicht durchgehen.
({7})
Es ist auch bezeichnend, daß Sie in Ihrem Antrag zur
Lösung der Probleme von arbeitslosen Jugendlichen
kein Wort sagen.
({8})
Die sind Ihnen völlig egal. Deshalb reduziert sich Ihr
Antrag nur auf einen - wenn auch wichtigen - Teilbereich, nämlich auf die Schaffung von Ausbildungsplätzen. Das ist in Ordnung. Aber Sie dürfen uns nicht
Augenwischerei vorwerfen, wenn wir uns auch um die
Jugendlichen kümmern, die heute bereits arbeitslos sind.
({9})
Nun zu den ausbildungsfördernden Maßnahmen des
Sofortprogramms: Hier tun wir das Notwendige, um allen jungen Menschen, die seit dem Vermittlungsjahr
1997/98 noch einen Ausbildungsplatz suchen, neue Perspektiven zu geben und Zukunftsängste zu nehmen. Wir
machen deutlich, daß wir - im Unterschied zur alten
Regierung - handeln und daß es nicht länger bei Sonntagsreden bleibt. Bereits im Januar dieses Jahres wurden
im Rahmen des Sofortprogramms 124 000 junge Leute
durch die Arbeitsämter gezielt angesprochen. Hier
mußte zum Teil nachgearbeitet werden, weil die anfängliche Resonanz nicht besonders toll war. Wir wissen
alle, daß es nicht einfach ist, junge arbeitslose Menschen
dazu zu bringen, sich den angebotenen Möglichkeiten zu
stellen. Immerhin haben schon gut 50 Prozent der angesprochenen jungen Menschen, also etwa 64 000, ein
konkretes Angebot von den Arbeitsämtern erhalten.
Innerhalb eines Monats haben fast 6 000 Jugendliche eine Maßnahme angetreten. Davon sind 42 Prozent Frauen. Sie wissen alle, daß die Arbeitsverwaltung etwa zwei
Monate zur Vorbereitung solcher Maßnahmen braucht.
Deshalb warten wir einmal in Ruhe ab, wie sich die Bilanz im März, April oder Mai dieses Jahres darstellen
wird. Sie wissen auch, daß sich Arbeitsverwalter, Träger
von Ausbildungsmaßnahmen und Unternehmen sehr
sorgfältig überlegen, ob sie in einem laufenden Ausbildungsjahr noch zusätzlich Ausbildungsplätze zur VerfüParl. Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen
gung stellen. Das braucht seine Zeit. Deshalb kann ich
Sie nur davor warnen, sich nach noch nicht einmal acht
Wochen nach Vorlage des Sofortprogramms an dem öffentlichen Gerede über die notwendige Hilfe für junge
Menschen zu beteiligen. Daß die F.D.P. das tut, wundert
uns, ehrlich gesagt, nicht besonders.
({10})
Es kommt hinzu, daß wir im Rahmen der ausbildungsfördernden Maßnahmen den Schwerpunkt natürlich auf Trainingsprogramme für Jugendliche legen,
die noch kurzfristig eine Ausbildungsstelle suchen. Bei
den Maßnahmen, die insbesondere den Jugendlichen zugute kommen sollen, die beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf arbeitslos geworden sind - auch
darum geht es in diesem Programm, im F.D.P.Programm natürlich nicht -, lag der Schwerpunkt bei der
Nach- und Zusatzqualifizierung. Mittlerweile gibt es
hier schon etwa 1 600 Teilnehmer.
Daß Sie Lohnkostenzuschüsse grundsätzlich für sinnvoll halten, verbindet uns. Deshalb ist es gut, daß wir
hier die Handlungsspielräume auf örtlicher Ebene vergrößern. Es ist auch richtig, daß wir hier Maßnahmen
der Sozialbetreuung integrieren, mit denen Jugendliche
angesprochen werden sollen, die nicht von sich aus nach
Angeboten des Arbeitsamtes suchen. Hiermit wurden
innerhalb von vier Wochen schon viele Jugendliche erreicht. Ich gehe davon aus, daß in einem halben Jahr
deutlicher sein wird, was machbar ist. Die Arbeitsverwaltung geht davon aus, daß schon im ersten Quartal
20 Prozent der gesamten Mittel abgesetzt sein werden.
Wir wissen genau - deshalb brauchen wir, Frau Aigner, an der Stelle auch gar nicht kontrovers zu diskutieren -, daß mit einem Sofortprogramm weder die strukturellen Probleme der Berufsausbildung noch die strukturellen Ursachen für den Ausbildungsplatzmangel gelöst
werden können.
({11})
Nur, der entscheidende Punkt ist: Wenn wir innerhalb
von hundert Tagen ein Programm auf den Weg bringen,
mit dem 20 Prozent der Betroffenen wirksam geholfen
werden kann, dann muß sich die F.D.P. fragen, ob sie ihren Vorwurf der Augenwischerei aufrechterhalten will.
Die Betroffenen werden sich für Ihren Zynismus bedanken, mit dem Sie diese Sache hier behandeln.
({12})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte
schön.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade Maßnahmen angesprochen, in
deren Rahmen sich Menschen für Jugendliche, die
schwer vermittelbar sind, durch persönliche Betreuung
engagieren sollten. Solche Maßnahmen werden bereits
durchgeführt und sollten durch das Programm ausgebaut
werden. Glauben Sie nicht, daß man das nicht auch über
die Länder vorantreiben müßte, so wie es zum Beispiel
gerade in Baden-Württemberg geschieht, wo über eine
neue Maßnahme, die des Jugendberufshelfers, diskutiert wird?
Halten Sie über die „Brückenkurse“ hinaus einen Jugendberufshelfer für sinnvoll, der sich, in Verlängerung
der Schulsozialarbeit, im besonderen der Berufsvorbereitungsjahre annimmt und sich in dieser Zeit gezielt um
diejenigen jungen Menschen kümmert, deren Ausbildungswilligkeit und Motivation zu verbessern ist?
Ich
sage Ihnen ganz deutlich: Ja, wir sollten diesen Wettstreit guter Ideen in den Bundesländern akzeptieren.
Sie wissen vielleicht, daß am nächsten Dienstag im
Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“ ein Meinungsaustausch zwischen Vertretern der Bundesregierung, den
Tarifpartnern und auch den Vertretern der Länder genau
zu der Frage, was konkret für die betroffenen Jugendlichen vor Ort getan werden kann, stattfinden wird. Diese
Bundesregierung ist - im Unterschied zur alten Regierung - zu diesem Gedankenaustausch bereit, um vorurteilslos gute Anregungen, die in einzelnen Ländern entwickelt werden, aufzunehmen und dafür zu sorgen, daß
auch zwischen den Bundesländern dieser Wettbewerb
fortgesetzt wird.
Nur, als Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen sage ich: Sie wissen, daß der Lehrstellenzuwachs in Nordrhein-Westfalen besonders groß war. In diesem Sinne
halte ich den Vorgang in Baden-Württemberg für diskussionswürdig. Ich weiß genau, daß auf der Länderebene die Art von Diskussion, wie die F.D.P. sie hier
anstößt, in der Regel gar nicht geführt wird, weil die
Betroffenheit von der realen Situation der Jugendlichen
die Landespolitiker davon abhält, solche Diskussionen
zu führen und solche Anträge zu stellen, wie die F.D.P.
es heute tut.
({0})
Im übrigen, Herr Parr, als früheres Mitglied der Landtagsfraktion der F.D.P. in Düsseldorf haben Sie sehr dazu beigetragen, daß die Popularität der F.D.P. bei Wahlen offenkundig immer weiter gestiegen ist.
Ich sage noch einmal ganz deutlich: Vieles von dem,
was Sie hier zum Rundfunk vorschlagen, ist okay. Sie
sagen: Wolfgang Clement macht eine prima Politik. Das
ist in Ordnung. Wenn Sie das in einem Jahr auch mit
Blick auf die Bundesregierung feststellen, dann sind wir
uns sicherlich wieder einig. Ich sehe deshalb Ihrer weiteren Begleitung unserer guten Aktion gelassen entgegen.
Das „Bündnis für Arbeit“ hat in einer eigenen Arbeitsgruppe Gespräche über die Zukunft der Berufsausbildung begonnen. Wir wollen diese Strukturdebatte
und diese Strukturreform voranbringen. Es geht uns natürlich auch um die Modernisierung bestehender und die
Schaffung neuer Ausbildungsberufe. Denken Sie nur
bitte daran: Die durchschnittliche Dauer beträgt in diesem Zusammenhang zur Zeit 11 Monate. Wenn der
Kollege Jork in seinem Antrag fordert, daß das innerhalb
von 12 Monaten erledigt werden soll, dann sage ich Ihnen: Okay, darin sind wir uns einig. Wir sind schon soweit, aber wir versuchen, noch weiter voranzukommen.
({1})
Es ist auch richtig: Über viele Dinge wie die Schaffung neuer Berufsbilder im IT-Bereich besteht unter allen Beteiligten hier Konsens. Sie brauchen uns nicht
vorzuwerfen, daß wir das nicht kapieren. Ich werfe Ihnen das auch nicht vor. Wenn die F.D.P. diese „Neuigkeit“ noch aufschreibt, dann ist das für eine Pressemitteilung vielleicht ausreichend, aber für einen Antrag im
Deutschen Bundestag etwas dürftig.
({2})
Wir sind uns darin einig, daß wir die Ausbildungsbereitschaft der Existenzgründer stärken müssen.
({3})
Das Thema, wie wir die Ausbildungsbereitschaft von
Ausländern stärken, die in Deutschland ein Unternehmen aufgebaut haben, verbindet uns. Wir sind uns auch
darüber im klaren, daß es bei der Modernisierung des
Systems der beruflichen Bildung darum geht, in Ostdeutschland das Bund-Länder-Sonderprogramm zu verlängern. Das machen wir. Die Verhandlungen darüber
haben am vergangenen Freitag begonnen.
Wir fördern auch weiterhin den Einsatz von Ausbildungsplatzentwicklern. Wir haben das Lehrstellenentwicklerprogramm deshalb zunächst bis zum Ende des
Jahres 2001 verlängert. Wir wollen dieses Programm
auch im Volumen ausweiten. So werden wir auch den
Haushalt für das Jahr 2000 anmelden. Ich sage deutlich:
Es bleibt dabei, daß diese Aufgabe in den alten Ländern
von den Kammern aus eigener Kraft wahrgenommen
werden muß. Das ist die originäre Arbeitsverteilung im
System der dualen beruflichen Bildung.
({4})
Ich möchte noch eine letzte Bemerkung machen, mit
der ich konstruktiv das aufnehme, was Frau Aigner gesagt hat. Ich glaube, es gibt einige Punkte, bei denen Sie
noch erstaunt sein werden, wie weit die Tarifpartner, die
Länder und die Bundesregierung auf dem Wege der Kooperation über das hinauskommen, was Sie in Ihrem
Antrag in etwas dürftiger Art auf den Tisch gelegt haben.
Auch wir wissen, daß wir ein Ausbildungssystem
brauchen, das sowohl Jugendlichen mit schlechteren
Startchancen als auch leistungsbereiteren Jugendlichen die Bandbreite der Qualifikation reicht vom Jugendlichen ohne Hauptschulabschluß bis zum Abiturienten adäquate und differenzierte Förderungs- und Ausbildungsangebote im System der dualen beruflichen Bildung macht. Dies und weitere Modernisierungsschritte
werden Gegenstand der Gespräche im „Bündnis für Arbeit“ sein, wenn es um Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit geht.
Meine Damen und Herren, das Wort von der Karawane könnte ich jetzt auch auf den Antrag der F.D.P.
anwenden. Die Defizite, die in den letzten Jahren im Bereich der strukturellen Entwicklung des dualen Systems
entstanden sind, werden wir konstruktiv mit allen Beteiligten angehen. Wenn sich die Opposition daran beteiligen will, ist sie herzlich dazu eingeladen.
Sind Sie, Herr Kollege Catenhusen, obwohl Sie am Ende Ihrer Rede angelangt sind, bereit, noch eine Frage des Kollegen Koppelin zu beantworten?
Eine
Frage vom Kollegen Koppelin natürlich ganz besonders
gerne. - Bitte schön.
Danke schön, Herr
Staatssekretär. - Es ist sehr löblich, was Sie, wie Sie angekündigt haben, noch alles in den Haushalt für das Jahr
2000 aufnehmen wollen. Wir hatten hier ja auch schon
eine Debatte über den Etat des Bildungsbereiches für
dieses Jahr. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, daß die Politiker Ihrer Koalition
den Bildungsetat heute im Haushaltsausschuß radikal
zusammengestrichen haben? Wären Sie bereit, mit der
F.D.P. zusammen dafür zu kämpfen,
({0})
daß zumindest mancher Ansatz, der aus unserer Sicht
positiv zu bewerten ist, doch noch wieder aufgenommen
wird? Wenn Sie das Ergebnis der heutigen Beratungen
im Haushaltsausschuß zu Ihrem Etat sehen würden, wären Sie entsetzt darüber, was dort alles zusammengestrichen worden ist. All das, was Sie hier bei der ersten Lesung versprochen haben, findet nun plötzlich nicht mehr
statt, weil die Koalitionspolitiker meinen, sie müßten einen bestimmten Betrag in Ihrem Etat einsparen. Sind Sie
bereit, das zur Kenntnis zu nehmen und mit uns Gespräche mit dem Ziel zu führen, den einen oder anderen Ansatz doch noch wieder aufzunehmen?
Herr
Kollege, Koordination und Abstimmung innerhalb dieser Bundesregierung und auch mit den Koalitionsfraktionen klappen sehr gut. Deshalb ist mir all das, was Sie
als Neuigkeit mitteilen wollen, natürlich bekannt.
Interessant ist, was mit dem Begriff „radikal“ umschrieben wird. Im Rahmen der Durchführung des
Haushaltsverfahrens war eine notwendige Operation
eine 1,5prozentige Einsparung, die allen Ressorts vorgegeben war. Von dieser ist der Etat des BundesministeriParl. Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen
ums für Bildung und Forschung ausgenommen worden.
Während der 16 Jahre, die Sie regierten, haben Sie es
bei den von Ihnen immer wieder vorgenommenen pauschalen Kürzungsaktionen nie geschafft, daß dieses Ministerium auch nur ein einziges Mal von pauschalen
Kürzungen ausgenommen wurde.
({0})
Zu dem von Ihnen als radikal bezeichneten Beschluß:
Es geht um - das ist schon ein wenig schmerzhaft 75 Millionen DM bei einem Haushaltsvolumen von
15 Milliarden DM. Deshalb sollten Sie bei der Wahl Ihrer Begriffe vielleicht eine Stufe niedriger greifen, sonst
wirken Sie bei dieser Debatte etwas lächerlich.
Ich sage Ihnen dazu aber auch: Die Kürzung ist zwar
sehr bedauerlich, aber das ändert nichts an zwei Tatsachen, an deren Umsetzung auch Sie persönlich beteiligt
waren - vielleicht sind Sie ja ein reuiger Umkehrer, der
durch die löbliche Absicht, uns zu helfen, die alten bösen Taten schnell vergessen machen will -: Erster Fakt
ist, daß Sie von 1994 bis 1998 den Forschungshaushalt
um 300 Millionen DM abgesenkt haben. Zweiter Fakt
ist, daß in der mittelfristigen Finanzplanung für 1999 bis
2002, an deren Entstehung Sie Mitverantwortung tragen,
ein Nullwachstum vorgesehen war.
Dieser Kampfesmut, uns jetzt bei den 75 Millionen
DM beizustehen, ist sehr lobenswert. Darüber freuen
wir uns natürlich auch. Es handelt sich bei der
Kürzung zwar um einen bedauerlichen Schritt, aber
die schwierigen finanzpolitischen Rahmenbedingungen
- das sage ich ganz deutlich -, die durch das Verfassungsgerichtsurteil noch verschärft wurden, erfordern
ein kluges Vorgehen aller. Ein Erfolg wäre es, bei den
Haushaltsberatungen für 2000 ein ähnliches Etatvolumen wie 1999 zu erreichen; das ist uns wichtiger als
der Kampf um diese 75 Millionen DM. Ich hoffe aber,
daß auch darüber auf Spitzenebene noch Gespräche
möglich sind.
Danke schön.
({1})
Ich schließe die
Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 14/335 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerda
Hasselfeldt, Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Harmonisierung der gastgewerblichen Mehrwertsteuersätze in der Europäischen Union
- Drucksache 14/294 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuß ({0})
Ausschuß für Wirtschaft und Technologie
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Tourismus
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Klaus Brähmig.
Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 19. Januar 1999
auf Drucksache 14/294 ihren Antrag zur Harmonisierung der gastgewerblichen Mehrwertsteuersätze in der
Europäischen Union eingebracht. Es stellt sich die Frage: Warum? Aus populistischen Gründen, wie uns die
Vertreter der Regierungskoalition gleich wahrscheinlich
glaubhaft machen wollen? Sicherlich nicht! Wir stehen
zu den guten und auch zu den weniger guten Entscheidungen der vergangenen Legislaturperiode.
Der Hauptgrund liegt darin, daß die CDU/CSUBundestagsfraktion in der Tourismus- und Dienstleistungsbranche einen der großen Hoffnungsträger bei
der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sieht. Sie sichert
bereits heute direkt und indirekt 2,5 Millionen Arbeitsplätze und 80 000 Ausbildungsplätze in Deutschland,
hat einen Anteil von zirka 8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt und erwirtschaftet einen Umsatz von zirka
230 Milliarden DM.
({0})
In meinem Wahlkreis, der Sächsischen Schweiz, sind
allein 8 340 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im
Tourismus- und Dienstleistungsbereich tätig. Das sind
immerhin 15 Prozent.
Das Potential für mehr Arbeit im Bereich Urlaub,
Reisen und Freizeit ist noch keineswegs voll ausgeschöpft. Die Voraussetzung für die Schaffung neuer,
nicht exportierbarer Arbeitsplätze im Gastgewerbe ist
aber, daß die stark mittelständisch geprägte Tourismusbranche in Deutschland Rahmenbedingungen vorfindet,
die es ihr erlauben, sich im globalen Wettbewerb gegen
die Mitbewerber zu behaupten.
Einen wichtigen Aspekt bei der Setzung wirtschaftsfreundlicher Rahmenbedingungen stellt meines Erachtens die gravierende Benachteiligung des deutschen
Gastgewerbes durch stark divergierende Mehrwertsteuersätze in der Europäischen Union dar.
({1})
- Ich werde dazu kommen. - Zu den Detailfragen der
Mehrwertsteuersätze wird nachfolgend mein Kollege
Klaus-Peter Willsch Stellung nehmen.
({2})
In Anbetracht der Tatsache, daß die deutsche Bundesregierung zur Zeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat,
ist es nur konsequent, die Bundesregierung aufzufordern, diesen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmer durch Verhandlungsgeschick auf europäischer
Ebene bzw. durch die Anwendung des reduzierten
Mehrwertsteuersatzes in der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen.
({3})
- So ist es.
Vertreter der rotgrünen Regierungskoalition werden
jetzt bestimmt fragen, warum die CDU/CSU dieses Ziel
nicht in ihrer Regierungsverantwortung durchgesetzt
hat,
({4})
vor allem vor dem Hintergrund einer Pressemitteilung
von Frau Irber vom 29. Januar 1999. Die Antwort ist
sehr einfach. Erstens. Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung wollte die Bürgerinnen und Bürger und die
deutschen Unternehmen durch eine große Steuerreform
auf einen Schlag um 30 Milliarden DM entlasten.
({5})
Zweitens. Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung
hat durch die Begrenzung der Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall und durch die Einführung eines demographischen Faktors in die Rentenberechnung die Wirtschaft um zweistellige Milliardenbeträge entlastet.
({6})
Drittens. Die CDU/CSU-geführte Bundesregierung
war es, die durch die Änderung des Kündigungsschutzes
eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes vorangetrieben
hat. Unter anderem haben die obengenannten Maßnahmen im letzten Jahr zu einer deutlichen Rückführung der
Arbeitslosigkeit beigetragen.
({7})
Dagegen hat die neue, die rotgrüne Bundesregierung
trotz aller Warnungen, auch der Tourismusspitzenverbände, ein mittelstandsfeindliches Jahressteuergesetz
verabschiedet, das zum Beispiel mit der Abschaffung
des Vorsteuerabzugs bei Geschäftsessen und Geschäftsreisen neue Belastungstatbestände für das Gastgewerbe
beinhaltet. Dies schwächt die Nachfrage nach geschäftlicher Bewirtung und geschäftlichen Reisen erheblich.
({8})
Die rotgrüne Bundesregierung hat gestern die ökologische Steuerreform abschließend durchgepeitscht, die
nach Schätzung der Tourismusbranche eine durchschnittliche zusätzliche Belastung von zirka 24 000 DM
pro Betrieb im Gastgewerbe bedeutet.
({9})
Die rotgrüne Bundesregierung hat heute gegen den
ausdrücklichen Einspruch der Branchenverbände die
Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse durchgesetzt. Auch hier werden die Unternehmen des Gastgewerbes zusätzlich belastet, sowohl
finanziell als auch durch mehr Bürokratie. Der Schwarzarbeit in der Gastronomie wird damit Tür und Tor geöffnet.
({10})
Die rotgrüne Bundesregierung hat zusätzlich die
obengenannten Reformen der CDU/CSU/F.D.P.Bundesregierung rückgängig gemacht bzw. ausgesetzt
und läßt sich dafür als sozialer Wohltäter feiern. So geht
es nicht! Die Zeche zahlen Mittelstand und die 4,5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland.
({11})
Festzustellen bleibt, daß die Zahl der Arbeitslosen
seit dem Amtsantritt von Gerhard Schröder um zirka
490 000 Personen angestiegen ist.
({12})
Hier zeigt sich sehr deutlich der fundamentale Unterschied im Politikansatz: Während die CDU/CSU das
mittelständisch geprägte Gastgewerbe entlastet hat und
weiterhin entlasten will,
({13})
damit zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, bittet die rotgrüne Bundesregierung die Neue Mitte zusätzlich zur
Kasse und erwartet danach von den Branchenvertretern
die Schaffung zusätzlicher Arbeits- und Ausbildungsplätze. Dies kann man nur als schlechten Witz auffassen.
Genau an dieser Stelle fragen sich interessierte Beobachter - zu denen ich mich zähle -: Was hat die neue
Regierung in 16 Jahren Oppositionszeit gemacht? Fehlanzeige!
({14})
Wo sind die durchdachten Konzepte, die uns vor der
Wahl versprochen wurden? - Fehlanzeige! Ihre bisherige Regierungspraxis zeigt - sei es am Beispiel der Ökosteuer, sei es am Beispiel der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung -, daß es sich hier nicht mehr um
handwerkliche Fehler handelt, sondern um grobe
Schnitzer - oder, besser gesagt: um Pleiten, Pech und
Pannen, die unsere Gesellschaft teuer zu stehen kommen.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie
nur 16 Wochen gebraucht haben, um 16 Jahre erfolgreiche und solide Regierungspolitik der CDU/CSU und
F.D.P. zugrunde zu richten.
({15})
Abschließend möchte ich ein letztes Argument gegen
den vorliegenden Antrag entkräften. Die von der
CDU/CSU vorgelegten Zahlen verdeutlichen, daß bei
der Anwendung eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes nur kurzzeitig mit Steuermindereinnahmen in
Höhe von zirka 1,3 Milliarden DM zu rechnen ist. Eine
durch die Anwendung eines reduzierten Mehrwert
steuersatzes gesteigerte Nachfrage nach gastgewerblichen Dienstleistungen aus dem In- und Ausland führt
aber zu einem Ausgleich durch erhöhte Steuereinnahmen.
Weiterhin würden die durch die Mehrwertsteuerermäßigung verursachten Steuermindereinnahmen bereits durch das Entstehen von 30 000 neuen Arbeitsplätzen und die damit verbundenen Mehreinnahmen an
Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen wieder ausgeglichen. Ich denke, hier ist von uns eine seriöse
Gegenfinanzierung vorgelegt worden.
({16})
Sehr geehrte Kollegen der SPD, liebe Frau Irber,
nachdem ich in der Ausgabe 5/1999 der Zeitschrift
„Fremdenverkehrswirtschaft International“ mit Freude
vernommen habe, daß auch Sie sich als niederbayerische
Abgeordnete - wie unser Kollege Ernst Hinsken vehement für eine Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes einsetzen, um Unternehmen aus Ihrem Wahlkreis
gegen die bevorteilte Konkurrenz aus Österreich zu
schützen, dürfte doch eine Lösung dieser Frage möglich
sein. Das Werben für den vorliegenden Antrag wird
Ihnen in Ihrer Partei besonders leicht fallen, da Ihr Parteivorsitzender und Finanzminister ja ein großer Verfechter der Nachfragepolitik ist. Jetzt kann Herr Lafontaine beweisen, wie ernst es ihm mit seinem Bekenntnis
zur Steigerung der Kaufkraft und zur Steigerung der
Nachfrage ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam in den zuständigen Ausschüssen eine Lösung
im Sinne der Arbeitslosen und des Mittelstandes im
Hotelgewerbe finden. Ich freue mich schon heute sehr
auf die Beratungen im Ausschuß und möchte mit einem
Zitat des Bundeswirtschaftsministers, Herrn Müller,
meine Rede schließen, der kürzlich sagte: Es gibt keine
linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine
richtige oder falsche. - Lassen Sie uns richtige Wirtschaftspolitik betreiben!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({17})
Das Wort für die
Bundesregierung hat die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Sagen Sie einmal, Herr Kollege
Brähmig, all das, was Sie soeben gesagt haben, haben
Sie doch wohl nicht ernst gemeint. Sie sind ja nun schon
in der dritten Wahlperiode hier im Deutschen Bundestag. Mir war zunächst gemeldet worden, der Kollege
Willsch spreche als erster. Dazu hätte ich dann gesagt,
daß man mit ihm jemanden ins Feuer geschickt hätte,
der nicht wisse, was diejenigen, die schon länger im
Bundestag sitzen, vorher getan haben.
({0})
Sie, Herr Brähmig, müßten aber eigentlich wissen, was
Sie vor unserer Regierungszeit getan haben. Sie sind
jetzt in der dritten Wahlperiode hier im Bundestag. Das,
was Sie da verbreitet haben, kann wirklich nicht ernst
gemeint gewesen sein.
({1})
- Herr Kollege Ramsauer, Sie sind für Ihre qualifizierten
Zurufe bekannt. Machen Sie ruhig so weiter.
({2})
- Herr Kollege Ramsauer, tun Sie das ruhig. Aber halten
Sie sich zurück! Ein weiterer Zuruf wie der in der vergangenen Woche gegenüber der Kollegin Kristin Heyne
würde für einen Aufstand der ehrenwerten Parlamentarierinnen und Parlamentarier in diesem Hause sorgen.
({3})
- Ich habe Ihren Zuruf gehört.
({4})
- Das dürfte nicht so schwer sein, Herr Kollege Ramsauer. Es gibt wirklich Grenzen.
Ich komme auf das zurück, was heute das Thema ist.
Herr Kollege Brähmig, Sie haben es gut gemeint. Das ist
in Ordnung. Ich kann das verstehen. Sie sind guten
Willens.
({5})
Aber Sie wissen genau, daß dieser Antrag, den Sie heute
vorlegen, nichts anderes ist als Populismus und Opportunismus.
({6})
Ich halte Ihnen das nicht als Person vor. Ich weiß, daß
Sie da persönlich sehr engagiert sind. Es ist aber, wie ich
gerade schon sagte, nichts anderes als Populismus und
Opportunismus. Sie haben nun wirklich jahrelang Zeit
gehabt, all Ihre guten Vorsätze umzusetzen.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Zahlen,
die im CDU/CSU-Antrag enthalten sind, nicht stimmen.
Es würden also, wenn wir den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Beherbergungsumsätze einführen würden,
Steuereinnahmeausfälle von rund 1,35 Milliarden DM
auftreten. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes
auf Gaststättenumsätze hätte Steuerausfälle von rund
3,15 Milliarden DM zur Folge.
({7})
- Ja, klar, das spielt bei uns keine Rolle mehr. - Bei uns
stimmen die Zahlen. In Ihrem Antrag sind sie falsch.
Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Hinsken?
Bitte, Herr Kollege Hinsken. Ich freue mich schon darauf.
Frau Staatssekretärin
Hendricks, würden Sie denn Ihren Kollegen, Herrn
Staatssekretär Mosdorf, auch als Populisten bezeichnen,
der - nur in andere Worte gekleidet - das gleiche gesagt
und gefordert hat - und zwar beim Tourismusgipfel auf
dem Petersberg vor wenigen Wochen -, was heute der
tourismuspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion,
Klaus Brähmig, ausgeführt hat?
Ich kann sehr wohl verstehen, daß auch die Wirtschaftspolitiker in unserer
Fraktion durchaus dieser Auffassung sein können. Ich
kann verstehen, daß auch die Tourismuspolitiker in unserer Fraktion dieser Auffassung sein können. Das alles
akzeptiere ich aus der jeweiligen fachlichen Sicht. Aus
finanzpolitischer Sicht - nicht nur aus finanzwirtschaftlicher Sicht, sondern auch aus Gründen der Steuersystematik und der Gleichbehandlung der am Wirtschaftsleben Teilhabenden - kann ich das jedoch nicht
unterstützen. Es hat natürlich auch haushaltswirtschaftliche Komponenten.
({0})
Der Vorwurf des Populismus richtet sich aber gegen
die Union in ihrer Gesamtheit, die in den letzten 16 Jahren nun wirklich genug Zeit hatte, alles Nötige zu tun.
Leider ist es jetzt zu spät. Was die Gaststättenumsätze
anbelangt, ist diese Art der steuerlichen Behandlung
nämlich EU-rechtlich seit 1993 gar nicht mehr möglich.
Sie hätten also schon sieben Jahre früher aufwachen
müssen.
({1})
Gestatten Sie eine
weitere Zusatzfrage des Kollegen Brähmig?
Bitte schön, Herr Kollege
Brähmig.
Frau Staatssekretärin,
wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie auch mitbekommen, daß ich in meiner Rede natürlich einiges an
Selbstkritik geübt habe. Allerdings akzeptiere ich das
Argument des Populismus, zumindest auf meine Person
und meine Arbeitsweise bezogen, weder hier noch im
Ausschuß. Die Kollegen der SPD wissen dies. Mit mir
kann man in der Sache diskutieren.
Sie werden doch letztendlich nicht bestreiten, daß
das, was ich gesagt habe, in der Sache begründet ist. Es
geht darum, daß eine eindeutige Wettbewerbsbenachteiligung des deutschen Hotellerie- und Gastronomiegewerbes vorhanden ist, und dies natürlich schwerpunktmäßig in den Grenzregionen Westdeutschlands
und Süddeutschlands. Diese Dinge trägt uns die Branche, diese Dinge tragen uns auch die betroffenen Kolleginnen und Kollegen - egal, welcher politischen Richtung sie angehören - ständig vor.
Ich will noch auf eines hinweisen,
({0})
weil Sie mir unterstellt haben, ich hätte hier mit falschen
Zahlen operiert: Ich habe ganz eindeutig von zirka
1,3 Milliarden DM gesprochen. Ich hätte natürlich auch
die 1,35 Milliarden, also die Zahl, die der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband sowie das Finanzministerium genannt haben, anziehen können. Ob diese Zahl in
den letzten Wochen nach oben oder nach unten revidiert
worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich will Ihnen abschließend noch sagen, daß die Tourismuspolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für
standortwichtige Entscheidungen - ob es nun um „duty
free“, um die Mehrwertsteuerproblematik oder um eines
der vielen weiteren anstehenden Probleme geht - an Ihrer Seite stehen. Das habe ich mehrfach erklärt.
Danke schön.
Herr Kollege Brähmig,
Sie haben es nicht einmal als Frage formuliert, aber das
ist auch nicht weiter wichtig. Ich kann mir die Frage ja
denken.
({0})
Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß es Wettbewerbsunterschiede zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und anderen Staaten der Europäischen
Union gibt. Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, daß es eben doch wichtiger ist, daß die Unterstützung den Unternehmen unmittelbar zugute kommt. Wie
Sie selbst wissen, ist doch klar, daß ein abgesenkter
Mehrwertsteuersatz natürlich zu einer Preissenkung führen muß und somit den Verbrauchern, in diesem Fall also den Gästen zugute kommt. Das kann man den Gästen
ja wünschen; das ist keine Frage. Aber um die Wettbewerbsposition der Unternehmen zu stärken, ist dieses
Mittel nicht so sehr geeignet; da ist es sozusagen ein
Durchlaufposten. Es geht wohl eher darum, eine vernünftige Unternehmenssteuerreform zu machen, so wie
wir sie noch in diesem Jahr vorbereiten werden.
({1})
Außerdem haben wir den Mittelstand durch unsere
Steuergesetzgebung, die wir heute beschlossen haben,
schon entlastet. Das nehmen Sie bitte zur Kenntnis, auch
wenn Sie eben noch einmal das Gegenteil behauptet
haben. Wir sind da auf dem richtigen Weg. Wir wollen,
daß die Unternehmen unmittelbar entlastet werden. Das
wird auch geschehen.
({2})
Einen Punkt darf ich noch anfügen. Es gibt in der Tat
noch vorübergehende Genehmigungen für einzelne Länder in der Europäischen Union für reduzierte Mehrwertsteuersätze. Wir werden mittelfristig dafür Sorge tragen,
daß sie angeglichen werden. Aber bitte erwarten Sie
auch nicht zuviel von der deutschen Präsidentschaft in
ihrem ersten halben Jahr. Wir kümmern uns auch um
den anderen Bereich, den Sie gerade noch angesprochen
haben - das ist der Bereich des Tax-free -, und das zusätzlich zu den großen Themen, die wir sowieso in der
Steuerpolitik in der Europäischen Union zu regeln haben. Wir tun das mit allem Engagement. Dieses Thema
jetzt, Anfang März, noch auf die Agenda der deutschen
Präsidentschaft setzen zu wollen ist einfach von den
Abläufen her, die in der Europäischen Union üblich und
möglich sind, ausgeschlossen. Das muß man ehrlicherweise sagen.
Ich will noch eine Zahl zurückweisen, die Sie sozusagen nur mitgeteilt haben. Sie haben gesagt, die Unternehmen der Tourismusbranche hätten dargelegt, sie
würden durch die ökologische Steuerreform im Schnitt
mit 24 000 DM pro Betrieb und Jahr zusätzlich belastet.
({3})
Ich habe es jetzt auf die Schnelle nicht nachgerechnet,
weil es in der Tat schwer ist, 2 Pfennig pro Kilowattstunde Strom in Relation zu 24 000 DM zu setzen.
Vielleicht kann mir jemand schnell helfen und mir sagen, wie viele Kilowattstunden Strom das sein müssen,
die dann in jedem dieser Betriebe pro Jahr verbraucht
werden sollen. Aber es muß eine ganz erhebliche Zahl
sein, weil 2 Pfennig in 24 000 DM unheimlich viele
Male hineingeht. Das kann ich sagen, auch ohne das
nachgerechnet zu haben. Diese Zahl kann wohl ernsthaft
nicht gemeint sein. Überprüfen Sie das einmal!
({4})
Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem Kollegen Ernst Hinsken.
Herr Präsident, ich
möchte gern das aufgreifen, was soeben Frau Staatssekretärin Hendricks zu der Problematik, die jetzt auf der
Tagesordnung steht, ausgeführt hat, und feststellen:
Nicht nur Ihr Kollege Mosdorf, sondern auch der Bundeswirtschaftsminister Müller steht einer Mehrwertsteuersenkung für das Beherbergungsgewerbe positiv
gegenüber.
({0})
Warum? Sie sind deshalb dafür, weil festgestellt werden
muß, daß hier das deutsche Gaststättengewerbe benachteiligt wird.
({1})
Es kann und darf doch nicht sein, daß dann, wenn jemand in Kehl am Rhein Urlaub macht, er pro Nacht mit
16 Prozent Mehrwertsteuer belastet wird und daß er,
wenn er über den Rhein fährt und auf Straßburger Gebiet ist, nur noch 5,5 Prozent Mehrwertsteuer zahlt.
Oder: Wenn jemand in Freilassing Urlaub macht, dann
zahlt er auch wieder 16 Prozent Mehrwertsteuer; fährt er
5 Kilometer über die Grenze weiter nach Salzburg, dann
zahlt er nur 10 Prozent. In Luxemburg sind es sage und
schreibe nur 3 Prozent, die bezahlt werden müssen. Es
ist doch nicht von der Hand zu weisen, daß das eine
wettbewerbliche Benachteiligung der deutschen Gastronomie ist.
({2})
Mir ist klar - Herr Kollege Kubatschka - daß, wenn es
zu einer EU-weiten Harmonisierung kommen soll, auch
die anderen Länder bereit sein müssen, hier mitzumachen.
({3})
Es kann doch nicht sein, daß 12 von den 15 EU-Staaten
bereits einen solch niedrigen Mehrwertsteuersatz, aber
3 Länder den vollen Mehrwertsteuersatz haben. Die
Bundesrepublik Deutschland ist mit 16 Prozent in der
Spitzengruppe dieser drei.
({4})
Das kann und darf nicht weiter hingenommen werden. Die Bundesrepublik Deutschland hat momentan die
EU-Ratspräsidentschaft inne, die es zu nutzen gilt.
Wenn die EU nicht in der Lage ist, Bewegung in die
Angelegenheit zu bringen, dann sind wir gezwungen damit Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen werden können; wir können keine Sonne aus Mallorca importieren, aber wir können billiger werden -, einen Beschluß zu fassen, der in die Richtung geht, daß es wieder
interessanter wird, Urlaub in Deutschland zu machen.
Wenn das nicht der Fall sein wird, wird sich gerade die
deutsche Hotellerie und Gastronomie auch weiterhin auf
dem Abstellgleis befinden.
Eine letzte Bemerkung. Kollege Brähmig hat bereits
darauf verwiesen -
Herr Kollege Hinsken, Sie haben noch genau sieben Sekunden.
({0})
Darum eine letzte Bemerkung, Herr Präsident.
Kollege Brähmig hat bereits darauf verwiesen: In
Irland hat man den Mehrwertsteuersatz gesenkt, und
siehe da, die Urlauber wurden mehr, das Angebot wurde
verstärkt angenommen, mit dem Ergebnis, daß die Senkung mehr als kompensiert wurde. Bitte tun Sie das
gleiche.
({0})
Eine Kurzintervention sollte eine Kurzintervention bleiben.
({0})
Ich verstehe das alles. Aber wir sollten uns jetzt schon
ein bißchen bemühen, auf die Zeit zu achten.
Die Frau Parlamentarische Staatssekretärin hat natürlich das Recht, darauf zu antworten. Bitte schön.
Herr Kollege Hinsken,
was an Ihnen so sympathisch ist, ist, daß Sie das alles
immer mit richtigem Engagement machen. Was Sie immer bleiben, ist Bäckermeister;
({0})
das ist keine Frage. Erst waren Sie mit allem Engagement Sozialpolitiker, dann kurzfristig mit allem Engagement Bauernpolitiker, und jetzt sind Sie Tourismuspolitiker, und Sie machen auch dies mit allem Engagement und mit allem Herzblut. Das ist wirklich sympathisch.
Aber auch, wenn man mit allem Herzblut eine Sache
verfolgt, muß man immer wieder nach rechts und links
gucken, um die Zusammenhänge in der Politik zu sehen.
Außerdem müssen Sie sich sagen lassen: Vielleicht haben Sie Ihr Herz für den Tourismus zu spät entdeckt.
Vielleicht wäre es Ihnen voriges Jahr noch gelungen,
Ihre Fraktion zu überzeugen.
({1})
Ich darf das von
hier oben leider nicht kommentieren. Deswegen gebe
ich sofort das Wort an den Kollegen Ernst Burgbacher
von der F.D.P.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in dieser
Woche einiges erlebt: gestern die Ökosteuer,
({0})
heute das Steuerentlastungsgesetz
({1})
und die Neuregelung der 630-DM-Jobs.
({2})
Meine Damen und Herren, ich fürchte, Sie haben in den
letzten beiden Tagen, gestern und heute, die Rechnung
im wahrsten Sinne des Wortes ohne den Wirt gemacht.
({3})
Denn ich fürchte, manche Gastwirte und Hoteliers werden diese Zeche nicht bezahlen können.
({4})
Auch zu dieser späten Stunde finde ich das überhaupt
nicht zum Lachen. Es reicht auch nicht, das mit den
Worten „Populismus“ und „Opportunismus“ abzutun,
wie Sie das getan haben, Frau Hendricks.
Wir sollten vielleicht doch noch einmal ein Stück in
die Materie einsteigen. Meine Fraktion, die F.D.P., hat
schon 1968, bei der Einführung der Mehrwertsteuer, den
reduzierten Steuersatz unter anderem für Hotellerie und
Gastronomie gefordert.
({5})
Wir haben diese Forderung ständig wiederholt. Sie ist
damals an der Großen Koalition gescheitert. Sie scheiterte inzwischen an den Finanzministern. Ich werde dazu
nachher einen ganz konkreten Fall nennen.
Wir sollten uns klarmachen, daß die Welt sich wandelt und daß wir heute in einer anderen Situation sind als
noch vor ein oder zwei Jahren. Wir haben den Euro. Mit
dem Euro ist auf einmal das Wechselkursrisiko entfallen,
({6})
und es gibt Preistransparenz. Die Preistransparenz führt
zu verschärftem Wettbewerb. Ich sage ganz klar: Wir
wollen diesen Wettbewerb und begreifen ihn als Chance. Nur müssen wir uns klarmachen: Der Geschäftsreisende, der Kurzurlauber, der Anbieter von Urlaubsreisen
wird jetzt vergleichen. Er wird sehen: Wo ist die Leistung? Wo ist der Preis? Dann wird er entscheiden, ob er
das Hotel in Offenburg oder in Straßburg mietet oder ob
er das Hotel in Maastricht oder in Aachen bucht. Das hat
sich mit dem Euro gewaltig gewandelt.
({7})
Die F.D.P. hat sich übrigens als einzige Partei immer
konsequent für den Euro ausgesprochen.
({8})
Die F.D.P. ist auch die einzige Partei des Wettbewerbs.
Wir nehmen ihn an. Deshalb weise ich hier Opportunismusvorwürfe zurück. Es geht nicht darum, einen Bereich zu subventionieren.
({9})
Vielmehr geht es darum, faire Wettbewerbsbedingungen
in Euroland zu schaffen.
({10})
Meine Damen und Herren, bei einem Nettopreis von
100 Euro zahle ich für das Zimmer in Deutschland
116 Euro, in Holland und Belgien 106 Euro, in Frankreich 105,50 Euro und schließlich in Luxemburg
103 Euro. Das muß man doch zur Kenntnis nehmen.
Hier besteht politischer Änderungsbedarf. Für die Leistungen haben die Unternehmen zu sorgen, und das
werden sie auch tun.
Meine Damen und Herren von der rotgrünen Mehrheit, Sie melken gestern und heute das Hotel- und Gaststättengewerbe schon gewaltig.
({11})
Zur Ökosteuer: Sehr geehrte Frau Hendricks, ich habe
im Ausschuß eine Rechnung am Beispiel eines Stuttgarter Hotels mit 100 Betten vorgelegt: jährliche Mehrbelastung durch die Ökosteuer 16 000 DM, jährliche
Entlastung bei der Rentenversicherung etwa 6 500 DM,
bleibt unter dem Strich eine zusätzliche Belastung von
etwa 10 000 DM. Mit dem 630-Mark-Gesetz gefährden
Sie Betriebe ganz massiv in ihrer Existenz, weil die Betriebe in der Hotellerie und in der Gastronomie mit Spitzen zu kämpfen haben. Die werden sie nicht mehr vernünftig abdecken können.
Sehr geehrte Frau Hendricks, die heute beschlossene
Regelung, daß die Vorsteuer auf Reisekosten für Unternehmen und deren Personal nicht mehr abziehbar ist,
bedeutet, daß Übernachtung und Essen für diese Personen 16 Prozent mehr kosten. Das wird zu ernsthaften
Problemen in der Gastronomie führen.
({12})
Ich will gar nicht auf die Trinkgeldbesteuerung eingehen. Vor der Wahl haben Sie noch davon gesprochen,
sie abzuschaffen. Damit haben wir nie gerechnet. Ich
glaube, der zentrale Denkfehler ist: Sie meinen, durch
höhere Steuersätze mehr Einnahmen zu bekommen. Das
Gegenteil ist richtig. Ich denke, ein niedrigerer Mehrwertsteuersatz kann in der Staatskasse mehr Wert bedeuten. Darauf sollten wir hinarbeiten.
({13})
Meine Damen und Herren, für die F.D.P.-Fraktion ist
der Abbau der Arbeitslosigkeit das höchste Ziel; er hat
oberste Priorität. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz von
7 Prozent kann vielleicht etwas dazu beitragen, daß der
Arbeitsplatzabbau, der mit den von Ihnen gestern und
heute beschlossenen Gesetzen verbunden ist, ein Stück
weit gebremst wird. Deshalb haben wir in der F.D.P.Fraktion beschlossen, dem Antrag zuzustimmen.
({14})
Daß er von der CDU/CSU kommt, stört uns nicht; denn
es geht um die Sache. Wir freuen uns, wenn wir irgendwo gleicher Meinung sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
der baden-württembergische Wirtschaftsminister, Walter
Döring, hat seit längerem einen Bundesratsvorstoß für
einen reduzierten Mehrwertsteuersatz geplant. Er scheiterte bisher am Finanzminister. Ich fordere Sie auf, zu
helfen, daß die Aktivitäten von dieser Seite erfolgreich
sind.
({15})
Meine Damen und Herren, ich halte die Situation im
Hotel- und Gaststättengewerbe wirklich für besorgniserregend. Lassen Sie uns in der heutigen Debatte und
in dem anschließenden Beratungsprozeß zusammen ein
Zeichen setzen, das uns in der Sache voranbringt!
Im Interesse der Beschäftigten in der Hotellerie hoffe ich, auf meiner Hotelrechnung bald lesen zu können: „In diesem Betrag sind 7 Prozent Mehrwertsteuer
enthalten.“ Vielleicht könnte man für die Abgeordneten, die heute zustimmen, einen Zusatzstempel machen:
„Sie haben damit Arbeitsplätze erhalten. Wir danken
Ihnen.“
({16})
Das Wort hat der
Kollege Klaus Müller vom Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Herr Präsident! Meine verehrten Damen
und Herren! Nach den vergangenen harten Wochen im
Finanzausschuß habe ich mich gefreut, daß mit diesem
Antrag der CDU/CSU der Urlaub zumindest auf dem
Papier etwas näher rückte.
Ihr Antrag fußt auf zwei Überlegungen. Erstens. Sie
sagen, das deutsche Gastgewerbe leide unter dem internationalen Wettbewerb. Besonders die Erhebung des
normalen Mehrwertsteuersatzes sei von Nachteil. Zweitens. Sie sagen, die Senkung des Mehrwertsteuersatzes
auf 7 Prozent, zumindest bis zu einer EU-einheitlichen
Regelung, sei das geeignete Instrument, zu einer Lösung
zu kommen.
Warum Ihr Antrag mehr nach einem Geschenk an das
Gastgewerbe riecht als nach einer durchdachten finanzpolitischen Lösung, zeigen folgende Aspekte.
({0})
Zur Lage des Gastgewerbes, wobei ich mich auf die
Situation der Beherbergung beschränken will - ich hoffe, damit den Kern Ihres Antrages zu treffen -, ist folgendes festzuhalten: Nach Angaben des Statistischen
Bundesamtes ist die Zahl der Gästeübernachtungen in
Deutschland im Sommerhalbjahr 1998 um 3 Prozent im
Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Deshalb konstatieren
Tourismusforscher: Das Problem sind nicht die Gästezahlen, sondern die - auch in Ihrem Antrag erwähnte hemmungslose Bauwut. Zwischen 1994 und 1996 wurde
die Zahl der Betten um 10 Prozent erhöht. Da wundert
es natürlich nicht, daß trotz Übernachtungszahlen, die
auf hohem Niveau stagnieren, die Auslastung spürbar
sinkt.
({1})
Gleichzeitig wird im „Handelsblatt“ von Dienstag dieser
Woche Herr Gerd Hesselmann, Präsident des Deutschen
Reisebüro- und Reiseveranstalterverbandes, mit den
Worten zitiert:
Die zweistelligen Zuwächse . . . lassen ein spürbares Wachstum erwarten.
Für die laufende Saison erwartet er ein Umsatzplus von
5 Prozent.
Das heißt, die Notwendigkeit „einer verstärkten politischen Unterstützung“ oder, anders formuliert, eines
neuen Subventionstatbestandes kann ich hier nicht erkennen. Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes erscheint mir hier nicht sinnvoll.
Sie gehen davon aus, daß die deutsche Hotelerie mit
dem 16prozentigen Satz einen besonderen Wettbewerbsnachteil zu verkraften hat.
({2})
Ich zitiere:
Die Umsatzsteuer ist bei den in Rede stehenden
Umsätzen nur einer von vielen preisbestimmenden
Faktoren und dürfte nicht für die Entscheidung ausschlaggebend sein, ob ein Urlaub zum Beispiel in
Spanien oder Deutschland verbracht wird.
Diese bestechende Analyse kommt nicht von mir, sondern vom damaligen Parlamentarischen Staatssekretär,
Herrn Hansgeorg Hauser, CDU/CSU, der den gestellten
Antrag seiner Fraktion klugerweise nicht namentlich
unterstützt hat. Der Gedanke des ermäßigten Satzes für
das Gastgewerbe ist nicht neu und wurde schon zu Ihren
Regierungszeiten von den Kolleginnen und Kollegen der
CDU/CSU abgelehnt. Darüber hinaus hat der Kollege
Hauser betont, daß das Hauptziel der damaligen Regierung im Juni 1997 die Haushaltskonsolidierung gewesen
sei und er daher keine Möglichkeiten sehen würde, von
der bisherigen umsatzsteuerlichen Behandlung der Hotelumsätze abzugehen. An dieser Aussage hat sich nur
eines geändert, nämlich die Regierungszusammensetzung. Die Aussage gilt weiter.
Bemerkenswert ist, daß diese Forderung weder im
Wahlprogramm der CDU noch in der Wahlplattform
von CDU und CSU enthalten ist. Sprich: Wären Sie
weiter in der Regierung geblieben, hätte dieser Antrag
niemals das Tageslicht erblickt.
Dank Herrn Hauser wissen wir, daß die Mehrwertsteuer nur einer der preisbestimmenden Faktoren ist.
Aber auch der Preis ist nur eines von vielen Kriterien bei
Reiseentscheidungen. Ein Löwenanteil am Deutschlandtourismus kommt mit 50 Prozent den Geschäftsreisen zu, sicherlich nicht das preissensibelste Segment.
Nach aktuellen Emnid-Umfragen kommt der Qualität
viel mehr Bedeutung zu als dem Preis. Besonders der
Faktor Sonne fällt dabei ins Gewicht. Nicht einmal jeder
fünfte Befragte bezeichnet den Preis als „etwas“ oder
„deutlich“ wichtig. Deshalb läßt sich also nicht unmittelbar eine besondere Belastung des deutschen Gastgewerbes ableiten.
Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten
Burgbacher?
Ja.
Herr Kollege Müller,
würden Sie mir erstens zustimmen, daß sich die Zahlen
des DHV, die Sie genannt haben, auf den weltweiten
Tourismus beziehen und überhaupt nichts mit der Auslastung in Deutschland zu tun haben? Würden Sie mir
zweitens zustimmen, daß für Geschäftsreisende der
Faktor Sonne eine relativ geringe Rolle spielt? Sie sagen, der Preis spiele keine Rolle. Würden Sie mir drittens zustimmen, daß sich der Preis dadurch, daß die
Mehrwertsteuer für diese Reisen nicht mehr abziehbar
ist, sehr stark erhöht und wir sehr wohl Einbrüche befürchten müssen?
Verehrter Kollege, so wie ich diesen Artikel
verstanden habe - ich denke, das „Handelsblatt“ ist eine
sehr präzise Informationsquelle -, wird hier vom deutschen Umsatz gesprochen. Wir werden das in den Finanzausschußberatungen noch einmal überprüfen, wir
haben dann viel Zeit, darüber zu reden.
Ich gehe davon aus, daß Geschäftsreisende genauso
wie Bundestagsabgeordnete auf Reisen in der Tat nicht
die Sonne genießen können. Ich glaube aber, daß für die
meisten Geschäftsreisenden - ich hatte das Vergnügen,
vor dem Einzug in den Bundestag in einer Firma bzw. in
einer Bank zu arbeiten - der Preis in der Regel nicht das
entscheidende Kriterium ist, sondern die Erreichbarkeit
und die Infrastruktur der Hotelanlage, das heißt die
Qualität. Für Privatreisende ist gemäß den Umfragen,
die uns vorliegen, nicht das preisliche Argument das
Entscheidende, sondern andere Faktoren, nämlich Naturqualität, das Angebot vor Ort, Sonne, Klima etc. Ich
kann nur sagen: In Schleswig-Holstein - da kenne ich
mich ein bißchen aus - ist das alles gegeben.
({0})
Sie begründen Ihre Forderung, das Gastgewerbe zu
entlasten, mit dem stark vertretenen Mittelstand und
den hohen Beschäftigungszahlen. Das ist sympathisch.
Ich frage Sie aber: Warum beschränken Sie Ihre Mittelstandsförderung auf das Gastgewerbe? Sollen arbeitsintensive Branchen gefördert werden, ist die Senkung des
Mehrwertsteuersatzes nicht der richtige Weg. Der richtige Weg - schließlich wollen wir konstruktiv nach vorn
diskutieren - heißt Senkung der Lohnnebenkosten.
({1})
Das ist ein Thema, das von Ihnen, liebe Opposition,
bisher sträflich vernachlässigt wurde. Mit dem Einstieg
in die ökologische Steuerreform haben wir gestern den
richtigen Schritt getan.
({2})
Aber damit soll es genug sein mit dem Herumgemäkel an dem mühsamen Antrag der Opposition. Kommen
wir zu den konstruktiven Vorschlägen: Erstens. Ihre Initiative, die Steuerpolitik auf EU-Ebene zu harmonisieren, findet bei uns hohe Sympathie. Zweitens gehen wir
mit Ihnen d'accord, die Lohnnebenkosten zu senken, um
damit auch das Tourismusgewerbe als arbeitsintensives
Gewerbe zu entlasten. Drittens. Familien, Geringverdiener und Mittelverdiener werden durch unsere Steuerreform, die wir heute morgen beschlossen haben, entlastet
und haben damit sicherlich die Möglichkeit, einen Teil
ihrer Mehreinnahmen in Reise und Urlaub zu stecken.
Auch in diesem Punkt gehen wir mit Ihnen absolut
d'accord. Die Frage der Unternehmenssteuerreform hat
bereits die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara
Hendricks angesprochen.
Last, but not least: Mit diesem Antrag erleben wir
eine ganz neue Qualität von Bündnissen, nämlich
schwarzrote Bündnisse. Dabei meine ich mit „rot“
nicht unseren verehrten Koalitionspartner, sondern ich
gehe eine Schattierung weiter. Das wird Ihnen gleich die
Kollegin Ehlert mitteilen. Es gibt eine Koalition von
CDU und PDS, weil die PDS just einen sehr ähnlich
lautenden Antrag im November 1998 eingebracht hat.
Ich fasse zusammen: Ihr Antrag zeugt von einer fehlenden finanz- und wirtschaftspolitischen Konzeption.
Die Problembeschreibung ist mangelhaft, die Instrumentenwahl unpassend, und das für eine nur vorübergehende Ermäßigung, die eigentlich doch bald wieder anders geregelt werden sollte. Das findet nicht unsere Zustimmung.
Vielen Dank.
({3})
Ich gebe das Wort
der Abgeordneten Heidemarie Ehlert, PDS.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Harmonisierung der Steuern in der Europäischen Union ist für die
nächsten Jahre ein Thema, bei dem es richtigerweise
endlich sichtbare Fortschritte geben muß. Unsere Gründe für eine Harmonisierung unterscheiden sich allerdings wesentlich von denen der CDU.
({0})
Deshalb möchte ich zumindest in aller Kürze auf eines verweisen: Im Interesse einer europäischen Entwicklung, die ökologisch, sozial und gerecht sein soll,
setzt sich die PDS-Fraktion für eine Wende in der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik der Europäischen
Union ein. Nach wie vor wirkt die in Maastricht vereinbarte, einseitig monetäre Orientierung der EU in die falsche Richtung. Wenn Markt und kapitalistische Konkurrenz für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in
Europa das entscheidende Gestaltungsprinzip sein sollen, dann können Sie doch nicht, wenn dieser Markt versagt, für das Gastgewerbe einseitig nach einer staatlichen Lösung rufen.
({1})
Eine Wende in dieser Politik und Steuerharmonisierung sind notwendig. An erster Stelle stehen für uns die
Harmonisierung der Einkommensteuer und der Unternehmenssteuern auf der Basis einer sozial gerechten Lastenverteilung für alle, für die Bürgerinnen und Bürger
und für die Wirtschaft. Anliegen einer sozialen Steuerharmonisierung muß sein, Steuerdumping und Steuerflucht zu unterbinden. Das gilt auch für Unternehmenssteuern. Unternehmensgewinne, die in soziokulturelle,
ökosoziale Projekte und zukunftsfähige Arbeitsplätze
fließen, sollten steuerlich begünstigt werden.
({2})
Die Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze wäre ein
weiterer wünschenswerter Schritt, falls er sich nicht an
der gegenwärtigen Obergrenze von 25 Prozent orientiert.
({3})
Die PDS-Fraktion hat im November einen Antrag
eingereicht, der die Bundesregierung auffordert, im Ecofin-Rat die Initiative zu einer Änderung des Anhangs H
der 6. Umsatzsteuerrichtlinie zu ergreifen, um die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf
arbeitsintensive Dienstleistungen, insbesondere auf Reparaturarbeiten im Handwerk zu ermöglichen. Diese
Dienstleistungen sind sehr arbeitsintensiv und somit
teuer. Deshalb wird der Neukauf der Reparatur vorgezogen, was unökologisch ist.
({4})
Bei einer entsprechenden Senkung des Mehrwertsteuersatzes hätten im Handwerk und im Dienstleistungsbereich zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können. Aber diesen Antrag haben Sie abgelehnt.
Jetzt hingegen, wo offensichtlich die vielgepriesenen
Marktmechanismen versagt haben, rufen Sie nach dem
Gesetzgeber und fordern einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die Beherbergung. Dazu hatten Sie 16 Jahre lang Zeit. Sie wollen neue Steuergeschenke für die
Wirtschaft. Die Arbeitsplätze benutzen Sie als Alibi für
Ihren Antrag.
({5})
Sie wissen sicherlich genausogut wie ich, daß gerade
auf Grund der bisherigen Steuervergünstigungen, die Sie
selbst eingeführt haben, in den letzten Jahren Hotels wie
Pilze aus dem Boden schossen, und zwar nicht nur in
traditionellen Tourismusgebieten. Die Hoteliers in den
neuen Bundesländern können dies sicherlich bestätigen.
Es muß gründlich geprüft werden, ob dieser Antrag die
Lobby derer bedienen soll, die auf Grund der Steuerabschreibungen häufig am Bedarf vorbei ins Gastgewerbe
investiert haben. Nur deshalb ist das Angebot größer als
die Nachfrage, und nicht anders herum.
Meine Herren, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihr Antrag nicht mit dessen Überschrift „Harmonisierung ...“ übereinstimmt. Zwar haben Sie noch
gestern in der Ökosteuer-Debatte eine Harmonisierung
gefordert; heute jedoch fordern Sie einen Alleingang
Deutschlands, statt die Bundesregierung aufzufordern,
sich im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft für eine
Harmonisierung der Umsatzsteuer einzusetzen.
({6})
Das würden wir unterstützen.
Deshalb empfehlen wir Überweisung an die Ausschüsse.
({7})
Das Wort hat der
Kollege Dieter Grasedieck von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! „Opposition ist die
Kunst, etwas zu versprechen, was die Regierung nicht
einlösen kann“, so sagen viele. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Sie haben diese
Kunst in einem Crashkurs, nämlich in nur drei Monaten,
erlernt.
Herr Hauser, der von Herrn Müller bereits zitiert
wurde, sagte am 30. September 1997 unter anderem:
Die Einführung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes
von 7 Prozent auf die Abgabe von Speisen und Getränken durch Hotels ist EG-rechtlich gar nicht zulässig.
Das bezog sich auf den ersten Punkt, die Speisen und
Getränke. Des weiteren sagte Herr Hauser:
Die Besteuerung der Beherbergungsumsätze wird
wegen der damit verbundenen Steuermindereinnahmen von rund 1,35 Milliarden DM und aus
steuersystematischen Gründen abgelehnt.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müller?
Bitte schön.
Herr Kollege, Sie haben in der Tat den seinerzeitigen Staatssekretär
Hauser richtig zitiert. Ich möchte hier ein Mißverständnis ausräumen. Die Beiträge der Kollegen aus den Regierungsfraktionen, in denen es heißt, es gehe hier um
Geschenke, machen deutlich, daß hier ein falscher Eindruck erweckt wird.
({0})
Ich erinnere noch einmal daran, daß 1993 im Zuge der
Einführung der EU-Mehrwertsteuerregime den damaligen Mitgliedsstaaten ausdrücklich genehmigt worden
war, für eine Übergangsfrist verminderte Steuersätze
beizubehalten. Deshalb nun die Aufforderung - ich frage Sie, ob Sie das unterstützen können - an die Bundesregierung, im Rahmen ihrer Präsidentschaft auf eine
Harmonisierung hinzuwirken, denn die Übergangszeit
für Länder wie Frankreich, Spanien, Portugal etc. war
nun lang genug, so daß endlich eine Harmonisierung
herbeigeführt werden könnte.
Herr Kollege, das ist für
uns eigentlich gar keine Frage. Wir sind natürlich mit
Ihnen einer Meinung, daß wir versuchen müssen, eine
solche Harmonisierung zu erreichen. Das ist aber seit
16 Jahren ein Problem. Auch Sie kennen das, aber leider
haben Sie das nicht gelöst. Wir werden darum kämpfen;
das ist für uns sonnenklar. Ich wollte aber an dieser
Stelle einmal auf den Widerspruch hinweisen: Sie wechseln die Kleider, und schon argumentieren Sie anders.
Das ist falsch, Herr Kollege.
({0})
Heute, anderthalb Jahre später, bringen Sie den Antrag ein, diesen Mehrwertsteuersatz zu senken. Die
Haushaltslage hat sich aber nicht verändert.
({1})
- Herr Hinsken, die Haushaltslage hat sich im Vergleich
von 1997 zu 1998 nicht verändert. Sie wissen doch ganz
genau, daß wir den Bürger wirklich entlasten. Wir gehen
mit der Steuerlast - gerechnet bis zum Jahre 2002 - um
20,5 Milliarden DM herunter.
({2})
Darüber haben wir heute morgen ausführlich gesprochen. Davon profitiert natürlich auch der Wirt, davon
profitiert auch der Hotelier. Sie von der CDU/CSU setzen doch absolut auf Populismus. Darum geht es in der
Hauptsache.
({3})
Der Antrag, den Sie heute stellen, ist ein Schauantrag in
Reinkultur.
Herr Brähmig, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten
den Antrag damals nicht gestellt, weil Ihre „große Steuerreform“ mit 35 Milliarden DM Entlastung folgen
sollte. Dann aber haben Sie ausgeführt, daß der Antrag,
den heute wir stellen, eigentlich gar nichts koste, weil
damit die Wirtschaft angekurbelt werde. Wenn das der
Fall ist, Herr Brähmig, dann ist ihre Aussage erstens ein
Widerspruch, und zweitens ist es dann doch so: Wenn es
heute nichts kostet, dann hat es doch auch früher nichts
gekostet. Dann hätten Sie den Antrag ruhig stellen können.
Genehmigen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brähmig?
Ja, bitte, Herr Kollege.
Herr Kollege Grasedieck, stimmen Sie mir zu, daß man Wirtschaftspolitik
und Finanzpolitik viel stärker ganzheitlich sehen muß
und das alles nicht nur aus finanzpolitischer Sicht betrachten darf? Ich glaube, unter der einseitigen Sichtweise leidet unser Land insgesamt. Ich will noch einmal sagen, daß wir in der Zeit, in der wir die Verantwortung
für die Bundesrepublik Deutschland hatten, diese gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge bei den Trägern
der politischen Verantwortung in vielen Fällen nicht so
herübergebracht haben, wie es für die Volkswirtschaft
dringend notwendig gewesen wäre.
Herr Brähmig, natürlich
benötigen wir den gesamtwirtschaftlichen und den gesamtfinanzpolitischen Ansatzpunkt. Das ist für uns gar
keine Frage. Aber wenn Sie das so sehen, dann hinken
Ihre Vergleiche absolut, und zwar insofern, als daß Sie
nur eine Steuerart herausgreifen. Sie führen nämlich
nicht auch die anderen Steuerarten an. Sie müssen aber
den Globalansatz sehen. Entscheidend ist: Was bezahlt
der Bürger vor Ort? Was bezahlt die Bürgerin vor Ort?
Was bezahlt der Betrieb vor Ort? In diesem Punkt sieht
es in Deutschland ganz gut aus. Im Vergleich mit allen
europäischen Ländern liegt unsere Steuerlast im unteren Drittel und ist damit ausgesprochen günstig, Herr
Brähmig. Auch das muß berücksichtigt werden. Sie dürfen nicht nur einen Faktor - also nicht nur die Mehrwertsteuer - herausgreifen.
({0})
Zurück zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren.
Sie fordern in Ihrem Antrag, grundsätzlich solle ein allgemeiner Steuersatz in der EU angestrebt werden. Sie
wissen doch ganz genau, daß wir den vereinbarten Mindeststeuersatz einhalten, und zwar exakt 16 Prozent, und
daß die Menschen in den anderen Länder viel mehr an
Mehrwertsteuer zahlen als wir in Deutschland.
({1})
Weiterhin schreiben Sie, Herr Hinsken, die Lohn- und
die Lohnnebenkosten führten zu hohen Hotelpreisen.
Das sagen Sie immer. Aber lediglich die Lohn- und
Lohnnebenkosten zu nennen, ist wieder nur eine Teilwahrheit. Im Hinblick auf die Lohnkosten ist das sogar
falsch, Herr Hinsken, denn damit liegen wir im Vergleich mit Gesamteuropa wieder im unteren Drittel. In
Frankreich, Schweden oder in Dänemark verdient man
mehr, um nur diese Länder als Beispiel zu nennen.
Vielleicht wissen Sie das auch.
Im Bereich der Lohnnebenkosten haben Sie in den
16 Jahren nichts unternommen. Wir haben darauf Wert
gelegt und Anträge gestellt, die Lohnnebenkosten zu
senken. Erst jetzt, mit der Senkung der Rentenbeiträge
von 20,3 Prozent auf 19,5 Prozent im Zuge der gestern
verabschiedeten Einführung der Ökosteuer, sind die
Lohnnebenkosten zum erstenmal gesenkt worden. Das
war ein richtiger Schritt und ein guter Ansatz.
({2})
Sie beklagen des weiteren, die Hotels seien nicht hinreichend ausgelastet. Wenn man das einmal regional
betrachtet, dann muß ich Ihnen sagen: Der Tourismus
blüht an Emscher und Lippe und wird im Revier weiterentwickelt. In manchen Teilen haben wir in den letzten
fünf oder sechs Jahren einen Zuwachs von 30 bis
40 Prozent verzeichnet. Als Beispiel könnte ich auch
meinen Wahlkreis mit aufführen.
({3})
- Herr Hinsken, jetzt möchte ich das erst einmal ausführen. Sie können Ihre Frage hinterher in einer Kurzintervention einbringen.
Grundsätzlich sollen Entlastungen bei den Umsatzsteuern dem Endverbraucher zugute kommen. Zur Zeit
gilt der reduzierte Mehrwertsteuersatz nur bei Lebensmitteln und Büchern, aus sozialem und kulturellen
Gründen. Wir werden das weiterhin beibehalten. Das ist
für uns - wie sicherlich auch für Sie - keine Frage.
Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung anzugreifen, Probleme zu überzeichnen, Initiativen zu entwickeln und Alternativen aufzuführen. Das ist richtig.
Sie aber legen gerade Ihre Regierungskleider ab und
sprechen schon mit einer anderen Zunge.
({4})
Auch in der Opposition muß der Politiker, die Politikerin glaubwürdig bleiben. Herr Schäuble wurde heute
in einem Zeitungsinterview mit den Worten zitiert: „Die
CDU will sich in der Opposition von Grund auf erneuern.“ Sie suchen Starts in Zukunftsprogramme, so erklärte Herr Schäuble. Der heutige CDU-Antrag war ein
absoluter Flop, ein Fehlstart.
({5})
Das Wort hat der
Abgeordnete Klaus-Peter Willsch, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte zunächst die Frau Staatssekretärin ansprechen, aber sie
scheint nicht mehr anwesend zu sein. Ich kann das
durchaus verstehen.
Ich wollte zum einen natürlich richtigstellen, daß hier
bei der CDU/CSU-Fraktion keine Ahnungslosen ins
Feuer geschickt werden, sondern daß das nach Sachkunde geht und danach, ob jemand etwas zum Thema zu sagen hat. Ich finde es zum anderen vor dem Hintergrund
dessen, was ich den Kanzler Schröder so ganz allein in
der europäischen Welt zum Thema Duty free sagen höre, ganz besonders interessant - die Frau Staatssekretärin kommt gerade wieder in den Saal -, daß Sie uns des
Opportunismus und des Populismus bei diesem Thema
zeihen.
({0})
Ich halte sehr viel von Steuersystematik und einer
klaren ordnungspolitischen Ausrichtung. Aber ich denke, daß man das nicht zum Dogma erheben darf angesichts der Tatsache, daß an diesem Punkt nationale Interessen wirklich kraß verletzt werden. Es geht doch in
unserem Antrag darum - Frau Ehlert, Ihnen würde ich
empfehlen, ihn erst einmal zu lesen, bevor Sie sich zu
Wort melden -, daß wir die Mehrwertsteuersätze in diesem Sektor harmonisieren. Das ist der erste Ansatz.
({1})
Wir haben die Ratspräsidentschaft. Bei der ganzen
Kraft, mit der unser Bundeskanzler herumläuft, sollte es
doch möglich sein, an diesem kleinen Punkt eine Harmonisierung zu erreichen. Wir sagen dann aber auch im
zweiten Schritt, daß wir es nicht länger hinnehmen wollen, daß hier das deutsche Gastronomie- und Hotelleriegewerbe kraß benachteiligt wird. Es ist doch nicht einzusehen, warum unser Gastgewerbe einen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent zahlen muß, wenn in 12 der
15 Ländern der Europäischen Union reduzierte Mehrwertsteuersätze angewendet werden. Es ist uns aus EUrechtlichen Gründen nicht untersagt, ebenfalls einen reduzierten Mehrwertsteuersatz anzuwenden.
({2})
Was hindert uns daran, unseren eigenen Hoteliers und
Gastronomen die niedrigen Sätze zugute kommen zu
lassen, wie das andere Regierungen in Europa tun?
Ich will zu der Rede von Herrn Müller, der leider
nicht mehr anwesend ist, noch kurz anmerken, daß wir
keinesfalls ein Patentrezept zur Belebung der deutschen Hotellerieszene und zur Steigerung der Belegungen der deutschen Hotels gefunden haben. Aber angesichts der von mir dargestellten Situation, daß in 12 von
15 Ländern der Europäischen Union andere Verhältnisse
bestehen und daß wir dementsprechend einen Nachteil
gegenüber ihnen haben, kann man doch nicht ernsthaft
davon sprechen, wir würden einen neuen Subventionstatbestand herbeiführen. Wir wollen faire Wettbewerbsbedingungen herbeiführen.
({3})
Daß der ehemalige Staatssekretär Hansgeorg Hauser
als Regierungsverantwortlicher die Situation in vergangenen Debatten anders beurteilt hat, könnte ich jetzt lokker abtun mit den Worten: Was schert mich das; ich bin
ja erst seit September dabei. - So einfach will ich es mir
aber nicht machen. Sie dürfen nicht vergessen, was wir
mit den Petersberger Beschlüssen auf den Weg gebracht hatten: eine Entlastung der Bürger und der Wirtschaft um 30 Milliarden DM und die Senkung aller
Steuersätze, vom Eingangssteuersatz bis hin zum Spitzensteuersatz, um ein Drittel. Wir haben in den letzten
Tagen beobachten müssen - traurig, traurig -, was Sie
daraus gemacht haben: Eine kümmerliche Reform ist
dabei herausgekommen. Wenn wir mit unserem großen
Wurf Erfolg gehabt hätten, dann wäre die Dringlichkeit
unseres heute gestellten Antrages nicht so hoch.
({4})
Es gibt in der Tat schwierige Rahmenbedingungen
innerhalb der deutschen Hotellerie. Auch ich weiß, daß
die Sonne bei uns weniger scheint als auf Mallorca oder
in Griechenland. Ich kann aber nicht erkennen, warum
es gerecht sein soll, daß der Gastronom in Straßburg, wo
die Sonne nur unwesentlich mehr als in Kehl scheint,
mit 5,5 Prozent dabei ist, aber unser Gastwirt mit
16 Prozent Mehrwertsteuer kalkulieren muß.
({5})
- Das kann man nicht erklären.
Auch der Einwand von Herrn Müller, bei Geschäftsreisen, die in der Tat ein wachsendes Segment sind,
spiele der Preis keine Rolle, trifft nicht zu. Ich weiß jetzt
nicht, ob es schon länger her ist, daß er im Bankbereich
gearbeitet hat. Ich jedenfalls war bis vor kurzem Bürgermeister einer Kurortgemeinde. Ich kann Ihnen bezüglich der Auslastung unserer Hotels sagen, daß heute
bei Geschäftsreisen sehr wohl auf den Preis geachtet
wird.
({6})
Die Frage, ob mit 7 oder 16 Prozent Umsatzsteuer gerechnet wird, kann für einen Auftrag entscheidend sein.
Viele Punkte sind von meinen Vorrednern bereits angesprochen worden. Deshalb will ich nur noch kurz betonen, daß wir für unsere Hotellerie- und Beherbergungswirtschaft einen Wettbewerbsnachteil beseitigen
wollen. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir das erreichen können.
Mit der Einführung des Euro ist der Währungsschleier weggezogen, und die Preise sind noch leichter
vergleichbar. Diese positive Entwicklung begrüßen wir.
Um so wichtiger ist es aber, daß unter gleichen Bedingungen gearbeitet werden kann. So richtet sich mein
Appell vor allen Dingen an die Regierungsfraktionen.
Sie haben ja gesagt, daß Sie nicht alles anders, aber vieles besser machen wollen. Wenn Sie sagen, wir hätten in
der Vergangenheit zu wenig getan, dann geben Sie sich
einen Ruck und helfen Sie dem Gastgewerbe.
Nach meinen Beobachtungen der letzten zwei Tage
habe ich aber die Befürchtung, daß das Spiel, das Sie in
diesem Hohen Haus gegenwärtig treiben, leider eher
darauf hinausläuft, die Belastbarkeit der Wirtschaft zu
testen.
({7})
Im Zusammenhang mit der Ökosteuer haben Sie, zunächst durch die vorgesehene Freistellung der Großverbraucher, später dann durch die Einführung eines reduzierten Satzes, gezeigt, daß Sie die Arbeitsplatzverluste
in Grenzen halten wollen. Sie wollen nicht gar so viele
Arbeitsplätze mit Ihren Vorhaben vernichten. Daher
denke ich, daß Sie gerade dem durch die Entscheidungen der letzten beiden Tage gebeutelten Bereich der
Hotellerie eine wirksame Hilfe bieten können.
Ich will Ihnen einmal die Situation in meinem Wahlkreis beschreiben. Gehen Sie einmal in ein typisches
Hotel im Rheingau. Was der Besitzer dort in den letzten
Tagen um die Ohren geschlagen bekommen hat, ist
enorm: 20 000 DM Mehrbelastung pro Jahr durch die
Ökosteuer. Sie halten die Entlastung bei der Rentenversicherung dagegen. Diese Entlastung schlägt bei ihm gar
nicht durch. Als Hotelier, als ein Unternehmer mit mitarbeitenden Familienangehörigen fragt er sich schon
heute, wie er eigentlich die Mitarbeiter für die anstehende Saison zusammenbekommen kann. Er fragt sich, ob
seine Nachbarin oder seine Bekannte, die bisher geholfen hat und sich ein kleines Zubrot hinzuverdient hat,
noch weiter unter den Bedingungen arbeiten wird, die
Sie für die 630-Mark-Jobs festgelegt haben. Sie haben in
den letzten Tagen hier dafür gesorgt, daß unser Hotelleriegewerbe wirklich zwei schwarze Tage erleben mußte.
({8})
Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, dann würden
Sie nach diesen schwarzen Tagen ein Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht für diesen Teil der Wirtschaft
setzen.
Ich danke Ihnen.
({9})
Das war die erste
Rede des Kollegen Willsch. Ich darf auch ihm dazu im
Namen des Hauses gratulieren.
({0})
Nun gebe ich für die SPD-Fraktion das Wort der
Kollegin Brunhilde Irber.
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen
von der CSU, Ihr Antrag ist ein Wunder ({0})
ein Wunder der Wandlungsfähigkeit. Vor allem ist Ihr
Antrag zum Wundern. Noch am 27. Juni 1998 - also
kurz vor der Wahl - hat der ehemalige Bundesfinanzminister Waigel, Ihr ehemaliger Parteivorsitzender, Herr
Hinsken, durch das Gesetz zur Änderung steuerlicher
Vorschriften, versteckt im Gesetz zur Ermittlung der
Daten für den Verteilungsschlüssel des Gemeindeanteils
am Umsatzsteueraufkommen, die Tür zu einem herabgesetzten Mehrwertsteuersatz für die Gaststätten zugeschlagen.
({1})
Er hat die Leistungen der Gastronomie zur Dienstleistung umdefiniert und damit verhindert, daß die Steuern
für diese gesenkt werden können. Deshalb kann sich Ihr
Antrag, den Sie heute stellen, nur auf die Hotellerie beziehen. Anders kann es nicht sein.
({2})
Dazu muß ich Ihnen sagen: Sie haben eine Senkung
16 Jahre nicht gewollt. Das ist nach dem, was Sie in den
letzten Wochen abgeliefert haben, auch kein Wunder.
Aber es ist unglaubwürdige Oppositionspolitik.
({3})
Ein weiterer Punkt. Natürlich ist Ihr Antrag auch ein
bißchen unlogisch. In ihm wird der internationale Wettbewerb und die Globalisierung herausgestellt, unter
dem das Gaststättengewerbe angeblich zu leiden habe.
Ich muß sagen: Das ist ein bißchen schwach;
({4})
denn eine Gaststätte in Kassel steht nicht im Wettbewerb zu einer Gaststätte in Barcelona und auch nicht,
sehr geehrter Herr Kollege Bürgermeister, zu einer in
Straßburg. Dort gibt es eine ganz andere Gästeklientel
als bei uns im Bayerischen Wald, als in der Fränkischen
oder Sächsischen Schweiz, Herr Brähmig.
({5})
Natürlich gibt es Wettbewerbsverzerrungen, aber
nur in den Grenzregionen und nicht im gesamten GastKlaus-Peter Willsch
stättengewerbe. Das Gaststättengewerbe kommt zwar
nicht in den Genuß des halbierten Mehrwertsteuersatzes.
Aber der Tourismus profitiert vom niedrigen Regelsteuersatz. Das muß man doch zur Kenntnis nehmen.
({6})
Die Take-aways werden auch bei uns nur mit 7 Prozent
besteuert. Das sollten Sie vielleicht auch berücksichtigen.
Ihr Antrag hat die Überschrift „Harmonisierung der
gastgewerblichen Mehrwertsteuersätze in der Europäischen Union“. Tatsächlich aber zielen Sie mit Ihrem
Antrag auf eine einseitige Rücknahme. Im Antrag steht,
daß der massive Zuwachs an Bettenkapazitäten durch
den Wettbewerb zu einem Rückgang der Zimmerpreise
und letztendlich auch zu vielen Konkursen geführt habe.
Wenn dieser Preisrückgang nicht zu einem Anstieg
der Übernachtungszahlen geführt hat, warum soll es
dann eine Steigerung der Anzahl der Übernachtungen
um bis zu 29 Prozent bei einer Absenkung des Mehrwertsteuersatzes um 9 Prozent geben? Das müssen Sie
mir erst einmal erklären.
({7})
In Musterrechnungen wird angenommen, daß der
Steuerausfall bei einer Steigerung der Zahl der Übernachtungen um nahezu 29 Prozent, vielleicht sogar
schon bei einer Steigerung um 14 Prozent, ausgeglichen
werden könnte. Diese Steigerungsraten sind Traumdaten. Wenn es dazu kommen würde, dann wäre das tatsächlich ein Wunder.
({8})
- Herr Hinsken, Irland lebt vom Urlaubstourismus, aber
nicht vom Geschäftsreisetourismus. Deutschland lebt zu
mehr als 50 Prozent vom Geschäftsreisetourismus. Sie
vergleichen Äpfel mit Birnen.
({9})
Wie ich sehe, möchte Herr Brähmig eine Zwischenfrage stellen. Herr Präsident, ich weiß nicht, ob Sie es
gestatten.
Ich danke Ihnen
sehr dafür, daß Sie so gut aufpassen.
({0})
Ich war gerade dabei, hier ein Stückchen Schokolade zu
verteilen. - Herr Kollege Brähmig.
Frau Kollegin Irber,
stimmen Sie mir erstens zu, daß Tourismus in der
Volkswirtschaft eine Querschnittsaufgabe ist? In diesem
Sinne habe ich die Beschreibung des Lebensweges unseres Kollegen Ernst Hinsken von Frau Staatssekretärin
Hendricks als ein Kompliment empfunden.
Stimmen Sie mir zweitens zu, daß wir nicht nur
diesen Antrag einbringen, sondern den gesamten Prozeß der Verbesserung des Tourismusstandortes
Deutschland im Auge haben? Den Antrag zur Verbesserung der Ausstattung mit Finanzmitteln der Deutschen
Zentrale für Tourismus, der eben diesem Ziel dient, haben Sie in dieser Woche im Ausschuß nicht als zustimmungswürdig angesehen. Ich wundere mich sehr darüber, wie Sie allein mit diesen zwei Anträgen - weitere
werden in den nächsten Wochen und Monaten folgen,
weil die SPD-Fraktion offensichtlich kein Tourismuskonzept hat ({0})
umgehen. Ich gehe davon aus, daß wir uns weiterhin mit
diesen Punkten auseinandersetzen werden.
Herr Kollege Brähmig, was
den Tourismus als Querschnittsaufgabe anbelangt,
gebe ich Ihnen recht. Ich werde im folgenden darauf
eingehen. Ich gebe Ihnen auch recht, was den Lebensweg des verdienten Herrn Kollegen Hinsken anbelangt. Das ist gar keine Frage. Die Frau Staatssekretärin
hat dies sehr liebenswürdig und sehr charmant unterstrichen.
Ihr gestriger Antrag auf Anhebung des Haushaltsansatzes der DZT ist wirklich mehr als lächerlich. Sie wissen haargenau, daß wir es während der letzten vier Monate zum erstenmal in der Geschichte des Tourismusausschusses im Deutschen Bundestag geschafft haben,
den Mittelansatz anzuheben, und zwar um 11 Prozent,
wohingegen Sie in Ihrem Haushaltsentwurf in der mittelfristigen Finanzplanung eine Absenkung auf
30 Millionen DM vorgesehen hatten. Wo leben Sie
denn? Ziehen Sie doch Ihren Antrag zurück! Sie blamieren sich damit doch nur.
({0})
Ich komme zur Querschnittsaufgabe. Die Probleme
im Gaststättengewerbe sind eine Querschnittsaufgabe.
Der Grund für diese Probleme liegt in erster Linie in den
ungünstigen Rahmenbedingungen in der Form von
Überregulierung und Arbeitszeiten, die in unserer Gesellschaft zunehmend nicht mehr akzeptiert werden, weil
niemand mehr gern abends und an den Wochenenden
arbeitet. Saisonarbeit verspricht keine runde Rentenbiographie und ist nicht besonders attraktiv. Dazu kommen
mangelnde Qualifizierung, eine ungenügende Kapitalausstattung bei Geschäftseröffnung und viele Ausbildungsabbrüche. Dies sind die Hauptprobleme der Gastronomie und Hotellerie.
Wir wollen durch eine neue Tourismuspolitik der
Bundesregierung, durch Priorität von Ausbildung,
Weiterbildung und Qualifizierung neue Akzente setzen,
Umweltaspekte und Nachhaltigkeit stärken, touristische
Leitbilder - Ihr Lieblingsthema - in den Regionen fördern, Produkte in den Regionen als Angebote erstellen
und dabei die typische Ausgestaltung der Regionen erhalten. Ich glaube, das ist ein tolles Programm.
({1})
Wenn wir in dieser Legislaturperiode nur die Hälfte
davon verwirklichen können, dann wäre das für das
Gewerbe klasse. In Europa ist es unsere Absicht, alle
Faktoren, nicht nur die Steuerfaktoren, zu harmonisieren. Dadurch werden wir den Tourismus nachhaltig fördern und das Hotel- und Gaststättengewerbe stärken.
Darüber hinaus wünschen wir uns von der Bundesregierung, Frau Staatssekretärin, daß sie den Vorschlag
der Kommission, die Mehrwertsteuer für arbeitsintensive Dienstleistungen versuchsweise zu senken,
ernsthaft prüft.
({2})
Damit kann im Zusammenhang einer europäischen
Harmonisierung der Steuersätze auch der Nachteil für
die Betriebe in den Grenzregionen aufgehoben werden.
({3})
Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
CDU/CSU, möchte ich nur noch eines sagen: Hätten Sie
den Antrag im letzten Jahr gestellt, wäre er mehr wert
gewesen.
Danke schön.
({4})
Ich schließe die
Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der
Vorlage auf Drucksache 14/294 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 4 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der PDS
Haltung der Bundesregierung zu dem am
11.02.1999 veröffentlichten Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen zur Verletzung des internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
durch die Bundesrepublik Deutschland
Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der
Abgeordneten Maritta Böttcher von der PDS-Fraktion.
Ich will darauf hinweisen, daß wir bei dieser Aktuellen
Stunde sehr auf die Einhaltung der Redezeiten achten
werden. Ich denke, das liegt im gemeinsamen Interesse.
Da wir das gegenüber allen Kollegen so halten werden,
ist das dann ja auch ein faires Verfahren.
Frau Böttcher, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Bericht eines UNO-Ausschusses, der die Einhaltung der
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte überprüft. Die Bundesrepublik Deutschland hat 1976 den
internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte unterzeichnet. Darin verpflichten sich
die Vertragsstaaten, nach und nach die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen. Die Verwirklichung der Rechte wird mittels Berichten überprüft, die der Ausschuß für wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte erstellt.
Der vorliegende Bericht dieses Ausschusses kritisiert
in nie dagewesener Komplexität und Schärfe die Innenund Sozialpolitik der Bundesrepublik. Der Bericht
spricht deutlich die Benachteiligung der Ostdeutschen
als Problem an und empfiehlt dringend, den Prozeß der
Integration zu beschleunigen. Wie der Bericht zeigt, ist
es kein Wunder, daß die Ostdeutschen mehrheitlich dazu
neigen, soziale Gerechtigkeit stärker zu betonen, da sie
in ihren sozialen und kulturellen Rechten eingeschränkter als die Westdeutschen sind.
Meine Damen und Herren, ich kann mir fast jeden
Punkt aus diesem Bericht herausgreifen und weiß genau,
daß die PDS genau dazu schon Anträge eingebracht oder
die Politik der alten Bundesregierung in dieser Hinsicht
kritisiert hat. Ich hoffe, Sie gehen nun nicht davon aus,
daß die PDS sogar in der Lage wäre, noch die UNO zu
unterwandern.
({0})
Vielleicht nehmen Sie die Kritik ja endlich ernst, wenn
sie von höheren Stellen formuliert wird. Eigentlich ist
mir egal, wem Sie glauben und wem nicht
({1})
- vielleicht hören Sie wenigstens zu -,
({2})
wenn die Damen und Herren von der CDU/CSU und
F.D.P. nur endlich anfangen, über die Versäumnisse ihrer Regierungspolitik gründlich nachzudenken, und SPD
und Grüne sich die Forderungen des Ausschusses für ihre Politik zu eigen machen.
({3})
Lassen Sie mich ein paar wenige Themen, die dem
Ausschuß Anlaß zur Besorgnis geben, benennen:
Erstens. Der Ausschuß bemerkt, daß noch keine Armutsgrenze festgelegt worden ist. Vielleicht erinnern Sie
sich an unseren Antrag zur Einführung einer sozialen
Grundsicherung, mit der jedem und jeder ein Einkommen gesichert werden soll, das sich an der EUDefinition von Armut orientiert.
Zweitens. Der Ausschuß ist besorgt über den Status
der Asylbewerberinnen und -bewerber auch hinsichtlich
ihrer wirtschaftlichen und gesundheitlichen Rechte, die
mit dem Asylbewerberleistungsgesetz wesentlich eingeschränkt wurden. Dessen Abschaffung wäre ein
Schritt, um den Forderungen des Ausschusses nachzukommen.
({4})
Drittens. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere die Verbesserung des Beschäftigungsniveaus in
Ostdeutschland, wird eingefordert. Vielleicht erinnern
Sie sich an geeigneter Stelle an die Vorschläge zur Einführung der Umlagefinanzierung und den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor.
({5})
Damit könnte wirklich ein Politikwechsel für mehr Ausbildung und Beschäftigung umgesetzt werden.
Viertens. Der Ausschuß fordert einen anderen Umgang mit ehemaligen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der DDR sowie mit ehemaligen Beschäftigten
im öffentlichen Dienst der DDR. Auch auf diese Problematik haben wir immer wieder aufmerksam gemacht.
Fünftens. Der Ausschußbericht kritisiert, daß Beamte
kein Streikrecht haben. Die PDS fordert schon lange die
Reformierung des Beamtenrechts in Form der Schaffung
eines einheitlichen Dienstrechts. Damit könnte auch das
Streikrecht gesichert werden.
Sechstens. Der Ausschuß fordert geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Studiengebühren. Das Verbot von Studiengebühren im HRG ist die einzige sichere
Möglichkeit, dieser Empfehlung nachzukommen. Einen
Staatsvertrag können die Länder kündigen. Hier sind
bundesweite Regelungen vonnöten.
Machen Sie sich bitte bei all diesen Punkten klar: Ich
rede hier nicht von verrückten sozialistischen Ideen. Ich
rede von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen
Rechten, die in einem internationalen Pakt festgeschrieben sind, den die Bundesrepublik schon lange vor der
Existenz der PDS unterzeichnet hat. Die Bundesrepublik
hat sich verpflichtet, geeignete Schritte hin zu diesen im
Pakt festgeschriebenen Rechten zu unternehmen und
nicht in die Gegenrichtung. Ist denn etwa die Regelung
über die Zumutbarkeit von Arbeit für Erwerbslose ein
Schritt in diese Richtung? Erwerbslose Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger müssen jede Arbeit, auch
unentlohnte, annehmen. Das widerspricht eindeutig dem
Pakt.
({6})
Ich verstehe, daß Sie die Vorschläge einer Oppositionspartei ablehnen müssen. Das gehört zum Geschäft.
Aber daß die Vereinten Nationen die Nichteinhaltung
von Verträgen in der vorliegenden Art und Weise feststellen müssen, ist diesem reichen Land doch wohl nicht
angemessen.
Ich erwarte Schritte, die dahin führen, daß die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in Zukunft
besser gesichert werden. Der Ausschuß hat die rotgrüne
Regierung mit reichlich Vertrauensvorschuß bedacht.
Ich hoffe, Sie werden ihn nicht enttäuschen.
({7})
Das Wort hat der
Abgeordnete Stephan Hilsberg, SPD.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich das Thema für
diese Aktuelle Stunde das erste Mal las, habe ich mich
erst ein bißchen gewundert und dann geärgert, geärgert
in zweierlei Hinsicht: zum einen darüber, daß die Situation vieler Menschen im Osten Deutschlands, gemessen
an den westdeutschen Verhältnissen, in der Tat miserabel, hundsmiserabel ist, und über manchen sozialen
Mißstand, den wir noch nicht haben ändern können, zum
anderen aber noch mehr über die billige und demagogische Tour, mit der Sie hier wieder versuchen, für sich
daraus Nutzen zu ziehen.
({0})
Mit Betroffenheitspathos in der Stimme wird darüber
hergezogen, daß ein UNO-Ausschuß die Bundesrepublik
Deutschland an den Pranger stellt. Man hat manchmal
das Gefühl, Sie ziehen einen richtigen Genuß daraus,
daß Sie plötzlich von dieser Seite Unterstützung erhalten
in Ihrer Art, immer nur - was Sie am besten können auf die miese Tour, ohne jeden konstruktiven Ansatz
Nutzen daraus zu ziehen, wie schlecht es den Menschen
an den verschiedensten Orten geht.
({1})
Um demagogischen Tricks entgegenzutreten und der
Wahrheit die Ehre zu geben, muß man ein bißchen aufklären. Da reicht das, was Sie hier gesagt haben, Frau
Böttcher, nicht aus. Es ist richtig: Es gibt einen Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
in der UNO. Das ist gut; das haben wir übrigens mit erkämpft. Er überprüft regelmäßig die Einhaltung des Sozialpaktes, den die Bundesrepublik übrigens unterschrieben hat, als die DDR noch lange nicht bereit war,
einen internationalen Pakt über Menschenrechte, den sie
zwar unterschrieben hatte, in der DDR rechtsgültig umzusetzen. Das ist die Wahrheit über die Situation.
({2})
Dieser Ausschuß verlangt von seinen Mitgliedstaaten,
die diesen Pakt unterschrieben haben und ihn einzuhalten gedenken, regelmäßig Berichte über die Lage in dem
jeweiligen Land. Dann wird darüber Rechenschaft abgegeben, wieweit das entsprechende Land den Pakt tatsächlich einhält oder wo noch Differenzen bestehen. Der
Bericht, der hier vorlag, ist über zweieinhalb Jahre alt.
Er stammt also noch aus der Zeit der alten Koalition von
CDU/CSU und F.D.P. Daß es daran viel zu kritisieren
gibt, ist ja wohl selbstverständlich.
Sie vergessen, dabei gleichzeitig zu erwähnen, daß in
demselben Ausschußbericht die Koalitionsvereinbarung
der neuen Bundesregierung positiv und sehr lobend herausgestellt wird.
({3})
Darauf sollte man einmal hinweisen. Sie vergessen, zu
erwähnen, daß wir ein Projekt zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit beschlossen haben und daß wir in
dieses Projekt 2 Milliarden DM hineinstecken. Sie vergessen, zu erwähnen, daß wir die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, und zwar die Maßnahmen im Bereich der
Qualifizierung und der Weiterbildung, insbesondere in
Ostdeutschland, verstetigt haben und weiter verstetigen
müssen, was auch richtig ist.
Man kann ja zum Beispiel über die Einführung von
Studiengebühren sprechen. Niemand in diesem Hause
will sie einführen. Das sage ich jetzt einfach einmal so;
denn das weiß ich auch von vielen Kollegen aus der
CDU. Aber wenn man schon in dieser anprangerischen
Art und Weise über Studiengebühren spricht, dann sollten Sie nicht vergessen, daß solch bewährte Sozialstaaten wie Dänemark oder Holland, wo es den Menschen
wirklich nicht schlechtgeht, Studiengebühren haben, ohne daß das große soziale Miseren hervorruft.
({4})
Das ist kein Plädoyer für die Einführung von Studiengebühren. Aber Sie sollten doch wenigstens der Wahrheit
die Ehre geben.
Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen: Es ist
richtig, daß insbesondere Ostdeutschland eine ehrlichere
Bestandsaufnahme braucht, als das in den letzten Jahren
von hier aus erfolgt ist. Das ist nämlich die Voraussetzung dafür, daß man die Menschen dazu bringt, an dem
Aufbau unseres Landes konstruktiv mitzuarbeiten. Dieser wird sehr lange dauern.
Aber in Veranstaltungen in Ostdeutschland, in denen
über die jetzige Situation gejammert wird, erlebe ich es
immer häufiger, daß Jugendliche fragen: „Wo leben wir
eigentlich?“ und sagen: „Ich kann inzwischen studieren,
wo ich will, und ich tue das auch. Ich reise durch Europa, was ich vorher nicht konnte. Ich habe eine phantastische Perspektive. Mir macht das Leben Spaß.“
Das ist etwas, was wir für Ostdeutschland erkämpft
haben, was Sie von der PDS ihnen nie hätten geben
können. Darauf können wir stolz sein. Das sind die Zukunftsaussichten, die wir haben. Deren Realisierung
wollen wir für alle erreichen. Ich sage Ihnen: Wir werden sie auch für alle erreichen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({5})
Das Wort hat der
Kollege Manfred Grund, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Falls wirklich einmal
ein deutscher Steuerzahler auf die Idee käme, zu fragen,
was aus seinen Steuern wird, die in den Beitrag einfließen, den die Bundesrepublik an die UNO leistet - das
sind pro Jahr 200 Millionen Dollar, also 300 Millionen
DM -, dann sollte man ihm den Bericht der UNOKommission, über den wir heute debattieren, nicht zeigen. Denn es könnte sein, daß er auf die Idee käme, seine Steuerlast anteilig um den Betrag zu mindern, der
bisher an die UNO gezahlt wird.
({0})
Denn in diesem Bericht - Kollege Hilsberg hat soeben davon gesprochen, daß eine Art Staatenranking
durchgeführt wird - wird ein Zerrbild von Deutschland
gezeichnet, und zwar ein Bild des häßlichen Deutschlands in der Welt. Man sollte ihn der Steuerzahlerin
bzw. dem Steuerzahler wirklich nicht zu lesen geben.
({1})
Man fragt sich, wie dieser Bericht zustande gekommen ist. Man fragt sich, was unsere Delegation bei der
UNO im Vorfeld der Abfasssung dieses Berichtes eigentlich getan hat. Man fragt sich: Wenn die Bundesrepublik Deutschland - ich komme noch auf Beispiele zu
sprechen - in diesem Bericht derart schlecht abschneidet, wie dann Länder wie Nordkorea oder Kuba abschneiden würden?
Es geht um den internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Grundlage für den
hier debattierten Bericht ist der dritte periodische Bericht, der übrigens nicht zweieinhalb Jahre alt ist, sondern maximal ein halbes oder ein Dreivierteljahr, Herr
Kollege Hilsberg. Grundlage des Berichtes vom
11. Februar 1999 sind Antworten auf Fragen, die von
der UNO gestellt worden sind und die die jetzige Bundesregierung sehr ordentlich beantwortet hat.
Im Vorfeld der Abfassung dieses Berichtes ist eine
hochrangige Delegation der jetzigen Regierung bei der
UNO gewesen und hat Rede und Antwort gestanden.
Frau Kollegin Mascher, ich nehme an, daß Sie an dieser
hochrangigen Delegation teilgenommen haben. Es ist
mir ein Rätsel, wie auf der Grundlage der Gespräche, die
Sie geführt haben, dieser Bericht zustande gekommen
ist.
Ich will einige Beispiele vortragen - über die Arbeitslosigkeit wurde bereits gesprochen -: Der Ausschuß
bemerkt mit Bestürzung, daß nur 12 Prozent der Angestellten des öffentlichen Dienstes auf dem Gebiet von
Wissenschaft und Technik der ehemaligen DDR einschließlich Lehrern, Wissenschaftlern und anderen
Fachleuten weiterbeschäftigt worden seien und daß die
übrigen ohne Arbeit oder angemessene Entschädigung
oder eine zufriedenstellende Rentenregelung auskommen müssen.
({2})
In dem Bericht äußert man sich besorgt über den
Status der Asylbewerber und über die mißliche Lage der
Roma und Sinti in Deutschland. Es wird bemerkt, daß
Beamte kein Streikrecht haben; man ist besonders besorgt über die Gewalt gegen Frauen in Deutschland, ist
bestürzt über den fortgesetzten Mißbrauch und die sexuelle Ausbeutung von Kindern in Deutschland. Auf die
Besorgnis über Studiengebühren ist hingewiesen worden. Der Bericht macht ebenso auf die alarmierende Anzahl von HIV- und Aidsopfern, auf die Notlage von Obdachlosen in Deutschland und auf die besonders schwierige Situation von Hausbesetzungen in Deutschland
aufmerksam. So geht es dann noch weiter.
Der Bericht kommt zu einigen Stellungnahmen. Ich
will nur einmal einige Dinge herausgreifen, die auch die
Kollegin von der PDS angesprochen hat. Ich möchte
einmal mit dem Staatsdienst beginnen: Ich habe vorgelesen, daß in dem Bericht davon ausgegangen wird, daß
12 Prozent der ehemaligen Staatsbediensteten einschließlich Lehrern im Staatsdienst verblieben sind. Die
anderen sind also ohne adäquate Rechte.
({3})
- Das steht in dem Bericht: einschließlich Lehrern. Dieser Eindruck wird ja auch permanent vermittelt.
Ich habe mir einmal die Zahlen des Thüringer Kultusministeriums besorgt. Dort hat es, wie in allen Kultusministerien der neuen Länder, eine Überprüfung auf
persönliche Eignung gegeben. Von 40 500 Bediensteten,
die sich 1990/91 auf persönliche Eignung haben überprüfen lassen, sind ganze 1 400 wegen mangelnder persönlicher Eignung gekündigt worden, davon 1 300 Lehrer, deren Mitarbeit in der Staatssicherheit nachgewiesen
worden ist. Diese 1 300 Lehrer sind aber nicht aus dem
Schuldienst gegangen: 350 waren zum Zeitpunkt der
Überprüfung wegen Vorruhestand - Altersübergangsregelung - schon ausgeschieden, 310 wurden weiterbeschäftigt, 250 schieden durch Auflösungsverträge aus.
270 Kündigungen mußten ausgesprochen werden, die
dann im Wege der Abfindung im wesentlichen auch
durchgeführt worden sind. Ganze 120 Lehrer sind dann
tatsächlich im Wege des Vergleiches ausgeschieden.
Das heißt: 120 von 40 000 Lehrern - dazu kann man
sich einmal die Prozentzahl ausrechnen. Wir alle wissen
ganz genau, wie groß die Anzahl derer ist, die weiterbeschäftigt werden.
Herr Präsident, ich sehe, daß meine Redezeit abgelaufen ist. Ich komme noch einmal wieder; ich habe mich
für eine weitere Rede eingetragen. Ich habe noch einiges
zu sagen. Also bis dahin.
({4})
Vielen Dank. Bisher
haben sich hinsichtlich der Redezeit alle an die Vorgaben gehalten.
Ich gebe das Wort jetzt der Kollegin Katrin GöringEckardt vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Grund, ich glaube schon, daß man einen Bericht, in dem
es um Menschenrechte geht - auch wenn wir in
Deutschland es in dieser Hinsicht in mancher Beziehung
besser haben als die Menschen in anderen Ländern -,
ernst nehmen sollte. Sie haben bei Ihrer Aufzählung
auch Beispiele genannt, bei denen ich nicht so ohne
weiteres sagen kann, wir sollten darüber hinweggehen.
Ich nenne beispielsweise die Situation der Asylbewerber
oder der Obdachlosen in Deutschland. Wenn man Menschenrechte anderswo einfordert, dann sollte man zu
Hause anfangen und sollte es ernst nehmen, wenn man
diesbezüglich Kritik bekommt. Auch wenn in diesem
Bericht - das haben Sie zum Teil ausgeführt; sicherlich
wird Frau Mascher das nachher noch einmal tun - einige
Ungereimtheiten und möglicherweise auch Fehler sind
und er sich auf die Politik der alten Regierung bezieht:
Der Bericht sagt ganz klar und deutlich, daß mit dem
Koalitionsvertrag der neuen Regierung auf diesem Gebiet sicherlich eine Menge an Verbesserungen stattfinden wird.
({0})
- Lassen Sie mich einfach weiterreden, dann reden wir
auch über Keil oder nicht Keil.
Es wundert mich schon, daß Sie einen solchen Bericht zum Anlaß nehmen, hier zum x-tenmal darauf zu
verweisen, was vermeintliche Leiden in Ostdeutschland
seien. Wissen Sie, warum mich das wundert? Nicht, weil
ich nicht weiß, wie die Situation dort ist - das weiß ich
sehr wohl. Ich weiß sehr wohl, daß es dort Benachteiligungen gibt. Ich weiß sehr wohl, daß die Entwicklung
noch lange nicht da angekommen ist, wo wir sie uns
wünschen. Es wundert mich auch nicht deswegen, weil
ich nicht wollte, daß sich die Situation nach und nach
angleicht. Ich weiß eben auch, daß eine ganze Reihe von
Entwicklungen stattgefunden haben. Ich gehe nicht davon aus, daß Sie all diese Entwicklungen schlecht finden. Ich weiß auch, daß das, was die neue Bundesregierung gerade in bezug auf Ostdeutschland vorhat und
zum Teil auch schon eingeleitet hat, deutliche Verbesserungen bringen wird.
Deswegen wundere ich mich, daß Sie diesen Bericht
zum Anlaß einer Debatte nehmen. Ich denke, daß Sie
damit nur eines bezwecken: nämlich die innere Einheit
immer weiter zu verhindern; denn nur das würde die
Existenzberechtigung der PDS auf Dauer garantieren.
Ich muß Ihnen also vorwerfen, weiterhin dafür zu sorgen, daß die innere Einheit nicht zustande kommt.
({1})
Wenn Sie auf den öffentlichen Dienst und auf Lehrerinnen und Lehrer verweisen, muß ich Ihnen ganz klar
sagen: Ich bin in diesem System in die Schule gegangen.
Ich habe gute und schlechte Lehrer gehabt, wie das sicherlich überall der Fall ist. Aber ich habe auch Lehrer
gehabt, die haben mich strammstehen und den Pioniergruß üben lassen. Ich möchte Ihnen ganz klar sagen: Es
geht um Lehrer mit politischen Funktionen und mit Vergangenheit in der Staatssicherheit, die davon betroffen
sind. Herr Grund hat ja sehr eindrücklich die Zahlenverhältnisse deutlich gemacht.
({2})
- Doch, es geht auch um Lehrer. Das steht in dem Bericht. Das wissen Sie auch.
Ich habe überhaupt keine Lust darauf, daß meine
Kinder, die mit diesen Lehrern, die in dem System sehr
viele Jahre gelehrt haben, zum Teil genug zu tun haben,
auch noch mit solch einer Art von Erziehungsmethoden
konfrontiert werden. Dazu habe ich keine Lust. Das
möchte ich ihnen gern ersparen.
({3})
Jetzt, Frau Böttcher, ganz zum Schluß würde ich Sie
gerne noch beim Wort nehmen, weil Sie sozusagen in
einer Doppelopposition sind. Sie sind ja in der Opposition zur alten und zur neuen Bundesregierung, wie Sie
auch nicht müde werden zu betonen. Ich würde Sie gerne fragen - Sie sagen, natürlich kann man etwas machen, und nennen hier den öffentlichen Beschäftigungssektor -, wie Sie denn da agieren, wo Sie nun tatsächlich
gestalten könnten.
Ich habe mir einmal angeschaut, wie das Ganze beispielsweise in Sachsen-Anhalt aussieht, wo Sie hinnehmen, daß das Kinderbetreuungsgesetz schmerzhafte
Qualitätseinbrüche erlangt, oder auch in MecklenburgVorpommern, wo nichts geschehen ist. Ich zitiere die
„Ostsee-Zeitung“ im Zusammenhang mit dem öffentlichen Beschäftigungssektor. Da müssen Sie sich fragen
lassen. Wir sind sehr gespannt, wie Sie dafür sorgen,
daß die Situation verbessert wird. Ich bin sehr, sehr
skeptisch, daß das tatsächlich gelingt, und wundere mich
auch deswegen, daß Sie nicht für die innere Einheit sorgen, sondern für die innere Spaltung.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat der
Abgeordnete Klaus Haupt, F.D.P.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die Stellungnahme des VN-Ausschusses ist
aus meiner Sicht alles andere als ein seriöses Papier. Ich
glaube auch - das möchte ich an einigen Beispielen beweisen -, daß sie sich auf einem sehr billigen Niveau
bewegt.
({0})
Der VN-Ausschuß unterstellt der deutschen Politik
eine pauschale Diskriminierung. Zum Beispiel wären die Zahl ist heute schon von Herrn Grund genannt worden - nur 12 Prozent der öffentlich Bediensteten im Bereich Wissenschaft und Technologie - einschließlich der
Lehrer - in Deutschland weiterbeschäftigt worden. Ich
war nach der Wende als stellvertretender Landrat für
Bildung verantwortlich. Ich habe die Bildungsstrukturen
in meinem Landkreis mitgeschaffen. Nach dieser Aussage wären die Schulen leer gewesen. Das ist schlicht
und einfach falsch.
({1})
Ich darf hier ganz deutlich sagen, daß der VNAusschuß geflissentlich auch übersieht, daß sich die Internationale Arbeitsorganisation, IAO, inzwischen sehr
positiv gerade über die Rechtsprechung zu dieser Thematik geäußert hat. Der Bericht des VN-Ausschusses
behauptet zum Beispiel auch, daß frühere DDRBedienstete ohne angemessene Entschädigung und zufriedenstellende Rentenregelungen auskommen mußten.
Nun kann man ja über das Rentenüberleitungsrecht geteilter Meinung sein. Aber eine solch pauschale Abqualifizierung des deutschen Rentenrechts offenbar doch lediglich die Inkompetenz dieses Ausschusses.
Der Ausschuß hat noch nicht einmal den Hauch von
Ahnung, besonders was die Verhältnisse im Osten
Deutschlands betrifft. Eine kühne These zum Beispiel:
Streikverbot für deutsche Beamte. Da muß ich sagen:
Der Ausschuß kennt den entsprechenden Passus im genannten Pakt selber nicht; denn dort steht ausdrücklich,
daß die Einschränkung des Streikrechts für Soldaten,
Polizei und öffentliche Bedienstete legitim ist.
Weiter suggeriert der Ausschuß, Deutschland treffe
nicht die international vorgeschriebenen Maßnahmen
gegen Kinderarbeit. Fakt ist doch, daß die Bundesrepublik Deutschland die Kriterien der IAO betreffend Kinderarbeit erfüllt. Die Liste solchen offensichtlichen Unfugs, den leider die PDS jetzt hier nutzen will, könnte
man fortsetzen.
({2})
Der VN-Ausschuß war offenbar nicht willens, die
von der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung gestellten Informationen zur Kenntnis zu nehmen. Ich sage
ganz ehrlich: Solch unseriöse Arbeit wird weder dem
Ansehen des Ausschusses noch der VN als Ganzes
nützlich sein.
({3})
Nun war für mich ganz interessant, daß der Ausschußbericht auch Positives enthielt, zum Beispiel in
Punkt 6: Der Ausschuß glaube, die neue Bundesregierung werde der Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer
und kultureller Rechte verstärkt Nachdruck verleihen.
({4})
In Punkt 25 heißt es sogar, schlußfolgernd aus der Regierungserklärung des Kanzlers, daß die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Rechte nun zu neuen Höhen
geführt würden; man empfiehlt eine rasche Umsetzung.
Nun denke ich: Was wir gestern und heute erlebt haben,
war ein Anschauungsunterricht über den Unterschied
zwischen Ankündigung und Realität, zwischen Schein
und Sein.
Gerade diese Maßnahmen sind wirklich nicht geeignet, günstig auf Arbeitsplätze im Osten zu wirken. Ich
denke nur an die Ökosteuer, das schamlose Abkassieren
der Bürger. Das schwächt durch die zunehmenden Kosten gerade die Wirtschaftskraft im Osten. Im Steuerentlastungsgesetz, das aus unserer Sicht ein Arbeitsplatzvernichtungsgesetz ist, wird der größte Arbeitgeber,
der größte Steuerzahler und der größte Ausbilder nicht
entlastet, sondern belastet. Das wird im Osten deutlich
zu Buche schlagen. Die Entscheidung über die 630Mark-Jobs heute nachmittag wird Schwarzarbeit fördern
und Arbeitsplätze vernichten.
({5})
Meine Damen und Herren von der PDS, ein Wort gestatten Sie mir noch. Ich halte das Papier für peinlich,
aber Ihr Vorgehen für noch peinlicher.
({6})
Ihre Partei ist nicht an Problemlösungen interessiert,
sondern an Stimmungsmache.
({7})
Sie lösen keine Probleme, Sie brauchen Probleme. Da
muß ich sagen: Wenn Sie so arbeiten, dann sind Sie
wirklich die Verweigerer der deutschen Einheit. Das
halte ich für bedauerlich.
({8})
Das Wort hat der
Abgeordnete Dr. Heinrich Fink, PDS-Fraktion.
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Es wurde in der bereits hitzigen Debatte von den Vorrednerinnen und Vorrednern betont, daß der Gegenstand
unserer Debatte der erste Bericht der Regierung Kohl ist,
der seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten
dem Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte der UNO vorgelegt worden ist. Ich möchte Sie
also gleich darauf aufmerksam machen, daß die Zitate,
die ich hier bringe, nicht aus einem PDSWahlprogramm stammen, sondern aus einem UNOBericht. Ich meine, daß wir schon Vertrauen zur UNO
haben sollten.
Ich möchte nicht verschweigen, was von der UNO
analysiert wurde. Es wurde ausdrücklich als Analyse
angesehen. Unter Punkt A der Einführung wird ausdrücklich betont, daß der Bericht von einer hochrangigen Delegation der neuen Bundesregierung vorgestellt
wurde. Der angebotene Dialog wird als offen und vorwärtsweisend gewürdigt. Das nicht von der neuen Bundesregierung erstellte Papier wird auch nicht der neuen
Bundesregierung angelastet. Die Regierungserklärung
Schröders wird ausdrücklich als Hoffnungszeichen gewürdigt und als Zeichen zukünftiger positiver Veränderungen verstanden.
Allerdings wird der Delegation mangelnde Fähigkeit
zu aktuellen Auskünften in entscheidenden Fragen zur
Last gelegt. Unter Punkt A 5 wird aufgeführt, daß die
Antworten auf Fragen zur Arbeitslosigkeit in den neuen
Ländern Genauigkeit und nähere Einzelheiten vermissen
ließen. Es fehlen also genaue Kenntnisse darüber, wie
viele Angehörige des öffentlichen Dienstes - damit sind
auch lehrende Fachkräfte Ostdeutschlands gemeint - wo
und weshalb von ihren Posten entfernt worden sind.
Kritisiert wird, daß die Delegation ebenfalls keine verbindlichen Auskünfte über die Anzahl der von Armut
betroffenen Menschen und über Sozialhilfeempfänger in
Deutschland machen konnte. Sie konnte mithin keine
Auskunft über die Verteilung von Armut im Verhältnis
von Ost und West geben.
Ich kann hier feststellen, daß die von der UNO geäußerten Punkte der Kritik an der Regierung Kohl genau
mit denen der außerparlamentarischen Bewegung der
Erfurter Erklärung von 1997 übereinstimmen, die eine
Bewegung für eine neue Regierung und eine neue Politik ist.
Unter Punkt 16 merkt der Ausschuß mit Bestürzung
an, daß nur 12 Prozent der in Wissenschaft und Technik
beschäftigten Angestellten des öffentlichen Dienstes die Lehrer sind also gar nicht mit einbezogen - weiterbeschäftigt worden sind.
({0})
Insgesamt waren von dem in dem Bericht kritisierten
Vorgehen mehr als 1 Million Menschen betroffen. Darunter waren zirka 20 Prozent der Lehrer und sogar
50 Prozent der Wissenschaftler an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen. An einzelnen Universitäten belief sich der Anteil der Entlassenen auf sage und
schreibe 80 Prozent der Mitarbeiter. Sogar die Internationale Arbeitsorganisation hat sich mit dem Problem
der nach der Vereinigung praktizierten Abwicklung von
Wissenschaftlern unter dem Aspekt der Diskriminierung
befaßt.
Ein weiteres Beispiel: Ohne dem ein übergroßes Gewicht beimessen zu wollen, sei hier angemerkt, daß von
2 172 Mitarbeitern des diplomatischen Dienstes ganze
vier Personen weiterbeschäftigt wurden.
Dann sei noch darauf hingewiesen, daß allein von der
Beschneidung der Renten, die auf berechtigten Sonderund Zusatzversorgungen beruhen, mehr als 1 Million
Menschen betroffen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnert
werden muß noch einmal an die Schritte, die zu diesem
Ergebnis führten. Die Katastrophe begann mit Art. 13
des Einigungsvertrages. Die meisten Arbeitnehmer verloren mit der Abwicklung der Institutionen und der dann
folgenden Zwangspause in der „Warteschleife“ ihre Arbeit. Für die anderen folgten sogenannte Bedarfskündigungen. Der Rest wurde im Rahmen fachlicher Evaluierungen herausgefiltert, wobei letztgenannter Prozeß dieses Attribut nur in sehr eingeschränktem Maße verdient.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Einigungsvertrag steht, daß nur abgewickelt werden kann,
was nicht wiederaufgebaut ist. Wir haben dagegen geklagt und sogar bis zum Oberverwaltungsgericht gewonnen.
Versuche, über Wiederbewerbungen einen Arbeitsplatz zu finden, wurden konterkariert. Dabei wurden
spezielle Fragebögen entwickelt, die unter den sonst erreichten Standards des Persönlichkeitsschutzes lagen.
Ich erinnere daran, daß der Minister für Wissenschaft
und Kultur des Freistaates Sachsen zwei Listen mit insgesamt 884 Namen vorwiegend ostdeutscher Naturwissenschaftler an alle Hochschulen des Landes mit dem
Vermerk verschickt hat, daß all diese Wissenschaftler
künftig von einer Anstellung an einer sächsischen Hochschule auszuschließen seien. Die Motive für diese Säuberung, die mit einer unglaublichen Diskriminierung
ostdeutscher Menschen einherging, sind vielgestaltig.
Herr Abgeordneter
Fink, ich muß darauf hinweisen, daß Sie leider der erste
Abgeordnete sind, der sich in dieser Aktuellen Stunde
nicht an die vorgegebene Redezeit hält.
Ich bitte um Entschuldigung.
Ich bitte Sie, zum
Schluß zu kommen.
Was ich deutlich machen
möchte, ist: Ich hoffe, daß die neue Regierung alles daransetzen wird, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Entwicklung auch in den neuen Bundesländern dergestalt zu fördern, daß die innere Einheit unseres Landes
endlich hergestellt wird.
({0})
Auch dies war eine
erste Rede im Deutschen Bundestag, zu der ich gratuliere.
({0})
Jetzt gebe ich das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin Ulrike Mascher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Grund hat gefragt: Wie ist dieser Bericht zustande gekommen? Vielleicht kann ich da ein bißchen aufklären. Am 23. und
24. November hat sich der Ausschuß der Vereinten
Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte mit dem dritten Bericht der Bundesrepublik
beschäftigt. Der Bericht, über den wir jetzt diskutieren,
geht auf diese Ausschußsitzung zurück.
An den Beratungen hat auch eine deutsche Delegation teilgenommen: Vertreter des Außen-, des Arbeitsund des Innenministeriums. Ich selber habe ihr nicht angehört, habe mich aber ausführlich erkundigt und kann
Ihnen deswegen sagen, daß der Dialog zwischen dem
Ausschuß und der deutschen Delegation in einer aufgeschlossenen Atmosphäre verlaufen ist. Die Mitglieder
des Ausschusses haben mehrmals begrüßt, daß die deutsche Delegation alle Fragen umfassend, verständlich und
auch selbstkritisch beantwortet hat. Die Ausschußmitglieder haben sich positiv zu den angekündigten Maßnahmen der neuen Bundesregierung geäußert, etwa im
Bereich der Rentenversicherung, der Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall oder der Ausländerpolitik.
({0})
Aber der schriftliche Bericht gibt diese Atmosphäre
leider nur teilweise wieder. Es werden weitere positive
Aspekte erwähnt. Dazu gehört auch der Hinweis auf die
Regierungserklärung von Gerhard Schröder am 10. November, aus der geschlossen wird, daß sich die Maßnahmen, die er da angekündigt hat, positiv auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Menschen in unserem Land auswirken.
Trotzdem verwundert es ein bißchen, daß der Ausschuß in einigen Teilen den Eindruck erweckt, als habe
er die vorgetragenen Informationen und die ausführlichen schriftlichen Vorlagen gar nicht oder nur sehr unzulänglich gewürdigt. Es ist das gute Recht dieses Ausschusses, Kritik und Besorgnis auszusprechen. Es gibt
aber ein paar Punkte - wegen der Kürze der Zeit möchte
ich Ihnen nur drei Beispiele nennen -, bei denen sich die
Bundesregierung fragt, was zwischen den mündlichen
Beratungen und der Verfassung des Berichtes tatsächlich stattgefunden hat.
Der Ausschuß fordert die Bundesregierung zum Beispiel auf, effektive Maßnahmen zur Regulierung der
Kinderarbeit in Übereinstimmung mit dem Pakt und den
einschlägigen Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation zu ergreifen.
({1})
Das verblüfft ein bißchen, weil die Berichte der Bundesregierung zu dem entsprechenden Übereinkommen der
Internationalen Arbeitsorganisation in den letzten zehn
Jahren niemals beanstandet wurden, und der Ausschuß
der Vereinten Nationen tauscht sich mit dem entsprechenden Ausschuß der Internationalen Arbeitsorganisation regelmäßig aus. Es kann nur eines richtig sein: Die
Internationale Arbeitsorganisation hat die Bundesrepublik seit zehn Jahren nicht beanstandet. Der UNODr. Heinrich Fink
Ausschuß beanstandet dies nun und fordert uns auf, uns
hier endlich korrekt zu verhalten.
Zwei andere Punkte betreffen die Fragen, um die es
in dieser Debatte eigentlich geht, nämlich die Fragen, in
welchem Umfang Staatsbedienstete der ehemaligen
DDR nach der deutschen Einheit in den öffentlichen
Dienst übernommen wurden und welche Leistungen sie
nach einem Verlust des Arbeitsplatzes erhalten haben.
Die Bundesregierung bedauert es sehr, daß der Ausschuß die Nichtübernahme solcher Beschäftigten nach
bestimmten Kriterien als eine Diskriminierung auf
Grund ihrer politischen Einstellung wertet. Wir werden
deshalb als Bundesregierung dem Ausschuß der Vereinten Nationen unseren Standpunkt nochmals ausführlich darlegen.
({2})
Ärgerlich ist in diesem Zusammenhang die Bemerkung des Ausschusses, die sich in Abs. 16 findet, daß
nur 12 Prozent der öffentlichen Bediensteten im Wissenschafts- und Technologiebereich der ehemaligen DDR
weiterbeschäftigt worden sind; das wurde hier schon
mehrmals angesprochen. Die Quelle hierfür ist offensichtlich eine Mitteilung einer Nichtregierungsorganisation, der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechten und der Menschenwürde. Leider hat der Ausschuß übersehen, daß sich diese Mitteilung vom Oktober
1998 auf das Jahr 1992 bezieht. Damals waren die Sonderkündigungstatbestände nach dem Einigungsvertrag
noch nicht höchstrichterlich entschieden. Außerdem waren Maßnahmen wie zum Beispiel die Schaffung von
außeruniversitären Einrichtungen im Sinne des Art. 91 b
GG - Herr Hilsberg kennt die ganze Geschichte - noch
nicht abgeschlossen. Durch solche Maßnahmen wurden
zum Beispiel im April 1993 12 500 Arbeitsplätze geschaffen. In diesem Zusammenhang stellt sich die 12Prozent-Regelung, die hier beanstandet wird, natürlich
völlig anders dar. Es kommt immer darauf an, welches
Stichjahr man wählt. Ich bedaure sehr, daß sich der Ausschuß der Vereinten Nationen auf eine so weit zurückliegende Zahl bezieht und nicht auf eine aktuelle.
Es verwundert in der Tat, wenn die Frage gestellt
wird, wie diese Menschen abgesichert worden sind,
nachdem sie ihren Arbeitsplatz verloren haben. Wir alle
wissen: Alle Bürger der ehemaligen DDR, die im Zuge
der deutschen Vereinigung ihren Arbeitsplatz verloren
haben oder nicht übernommen wurden, haben Anspruch
auf Arbeitslosengeld, auf Altersübergangsgeld und auf
Altersrente. Hier den Eindruck zu erwecken, sie seien
sozial ins Bodenlose gefallen, ist, so glaube ich, unverantwortlich und entspricht nicht den Tatsachen.
({3})
In dem Bericht wird darauf hingewiesen, daß sich ein
Gremium der Internationalen Arbeitsorganisation mit
diesem Komplex beschäftigt hat. Leider wird aber nicht
erwähnt, daß dieses Gremium der Internationalen Arbeitsorganisation das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. Juli 1997, in dem diese Sonderkündigungsmöglichkeiten als verfassungsrechtlich korrekt bezeichnet wurden, begrüßt hat. Hier wird der Eindruck
erweckt: Ein Gremium beschäftigt sich damit, vermutlich, weil es nicht korrekt ist. Die Tatsache aber, daß
dieses Gremium diese Sonderkündigungstatbestände als
verfassungsrechtlich einwandfrei bezeichnet hat, wird in
diesem Bericht nicht ausgeführt.
Die Bundesregierung muß ihren nächsten Bericht
über die Durchführung des Paktes bereits in diesem Jahr
vorlegen. Er wird von den beteiligten Bundesministerien
und den Ländergremien erstellt und wird sich auch mit
der Kritik des Ausschusses, über die wir heute hier diskutieren, ausführlich auseinandersetzen.
Wir sind selbstverständlich bereit, auch Anregungen
des Ausschusses daraufhin zu überprüfen, wie wir ihnen
folgen können.
Positiv ist, daß, anders als bei den vorangegangenen
Berichten, nun sinnvollerweise eine anerkannte Nichtregierungsorganisation an der Verfassung des Berichts
beteiligt wird, nämlich das Deutsche Forum Weltsozialgipfel. Ich hoffe, daß dann solche Ungereimtheiten wie
die Bezugnahme auf alte, weit zurückliegende Zahlen
und Unterlagen nicht mehr stattfinden, daß wir mit dem
nächsten Bericht vielleicht zufriedener sind und unser
eigenes Land darin besser wiedererkennen können.
Danke.
({4})
Das Wort hat der
Abgeordnete Arnold Vaatz, CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Es gibt natürlich in Deutschland
wie auch in allen anderen Ländern Etliches, was einem
nicht gefallen kann. Das ist ganz klar.
({0})
Dazu gehören die hohe Arbeitslosigkeit, die fortschreitende Kriminalität beispielsweise im Handel mit Frauen
aus Ländern, in denen die Verhältnisse wesentlich
schlechter sind als bei uns, zum Zwecke der Prostitution,
der sexuelle Mißbrauch von Kindern und viele andere
Dinge.
Deshalb ist es gut, daß es ein UNO-Gremium gibt,
das sich mit diesen Mißständen befaßt. Es ist auch gut,
daß ein solches UNO-Gremium nicht nur die Berichte
der Staaten liest, sondern auch Nichtregierungsorganisationen zu Wort kommen läßt, um das zu überprüfen,
was die Staaten berichten. So weit möchte ich bei der
Beurteilung der Sinnfälligkeit dieses Berichtes gehen.
Wenn aber jemand vom Mond oder vom Mars käme
und diesen Bericht läse, dann müßte er den Eindruck
haben, Deutschland sei eines der verkommensten
Staatsgebilde, die es auf der Welt gibt.
({1})
Der Sündenkatalog ist schon ausführlich angesprochen worden. Eine der Sünden, die dort angemerkt wird,
ist die schlechte Lage der Asylbewerber. Spätestens an
diesem Punkt muß der von außen Kommende natürlich
stutzen; denn das bedeutet doch, daß in die Hölle
Deutschland eine ganze Reihe von Menschen aus Ländern fliehen,
({2})
in denen es noch schlechter aussieht. Spätestens hier
hätte die UNO merken müssen, daß etwas nicht stimmt.
So sieht es auch mit den 12 Prozent noch Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst der DDR aus, und
denen, die angeblich aus politischen Gründen nicht
weiterbeschäftigt worden sind.
({3})
Ich kann es mir ersparen, zu erklären, was es mit der Seriosität dieser Bemerkung auf sich hat. Vielleicht muß
man aber auch einmal deutlich machen: Zu fordern, alle
Lehrer sollten in der Bundesrepublik Deutschland nach
dem Zusammenfall der DDR weiterbeschäftigt werden,
hieße, daß man an einen Lehrer in einer demokratischen
Gesellschaft mit Gewaltenteilung dieselben Qualifikationsanforderungen stellt wie an einen Lehrer in einer
Diktatur. Das ist aus Gründen der Sorgfaltspflicht gegenüber den Kindern ausgeschlossen.
Es ist vorhin bereits gesagt worden, was die Beschäftigung dieser Lehrer ausgemacht hat. Es ist auch etwas
zur Dimension der Geschichte gesagt worden. Ich kann
dazu nur sagen: Wir schulden unseren jungen Leuten
glaubwürdige Vorbilder. Wir schulden ihnen Menschen,
die sie anerkennen, wenn sie von ihnen aufs Leben vorbereitet werden. Dazu kann man nicht Personen verwenden, die für die Staatssicherheit andere Menschen an
eine Diktatur verraten haben.
({4})
Vorhin hat mit dem Kollegen Fink ein Beispiel für
eine solche Kündigung gesprochen. Herr Kollege Fink,
ich bin mit dem, was Ihnen an der Humboldt-Universität
widerfahren ist, zufrieden. Ich sage Ihnen ganz offen:
Wenn meine Kinder studieren, dann werde ich froh sein,
wenn es nahezu ausgeschlossen ist, daß sie auf Dozenten
treffen, die sich damals in einer solchen Weise zum
Diener eines totalitären Regimes gemacht haben.
({5})
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung
sollte in der Stellungnahme, die sie bis Juli abzugeben
hat, gegenüber der UNO deutlich machen, daß dieses
Bild von Deutschland falsch ist, und dazu beitragen, es
wieder geradezurücken. Die Gelegenheit hat sie. Ich
hoffe, sie hat an Ort und Stelle auch das entsprechende
Personal.
({6})
Das Wort hat der
Abgeordnete Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte
eigentlich zunächst mit Herrn Fink schimpfen; jetzt muß
ich leider aber erst einmal etwas zu Herrn Vaatz sagen.
Wir sollten die in dem Bericht enthaltene Passage
zum Asylrecht schon sehr ernst nehmen. Es ist in der Tat
ein Problem, wenn wir Asylbewerbern und Flüchtlingen
dann, wenn wir sie dulden, weil sie noch nicht anerkannt
sind, nicht die volle Krankenbehandlung gewähren und
bei der Zahnbehandlung Abstriche machen. Wenn wir
davon ausgehen, daß wir jedem Bürger und jeder Bürgerin in diesem Land eine bestimmte Grundversorgung
gewähren, dann haben auch Flüchtlinge diese verdient.
Ich hoffe, daß wir in der Koalition darüber sprechen
werden, auch an diesen Mißständen etwas zu ändern;
denn das, was im Asylbewerberleistungsgesetz steht, ist
eines humanitär orientierten Landes nicht würdig.
({0})
Es ist auch berechtigt, daß wir uns immer wieder fragen, was wir gegen sexuelle Gewalttaten und gegen
Frauenhandel machen können. Aber hier muß man sich
schon wundern, daß in dem Bericht nicht gesagt wird,
daß dieses Problem bei uns kein besonderes ist und es
sich auch von der Problemlage in unseren Nachbarländern nicht wesentlich unterscheidet.
Aber um diese Fragen ging es der PDS im Grunde gar
nicht. Es ging um die Frage, ob sie einen Keil in die
deutsche Bevölkerung treiben und die Teilung vertiefen
kann und ob sie erklären kann, daß den DDR-Bürgern
immer Ungerechtigkeiten widerfahren sind. Ihre Beispiele waren ja auch so vielsagend: der öffentliche
Dienst, die DDR-Diplomaten. Sie haben einfach nur referiert, was an falschen Zahlen in dem Bericht von 1992
enthalten ist, ohne einmal zu erwähnen, daß es vielleicht
auch gute Gründe dafür gab, bestimmte Leute - ich will
gar nicht von allen sprechen, die man entlassen hat - zu
entlassen. Gerade viele DDR-Diplomaten, die eine große politische Nähe zum System hatten und zum Teil für
das MfS gearbeitet haben, arbeiten heute zu Recht nicht
mehr für unsere Republik.
({1})
Ich bekenne auch ganz freimütig: Ich bin froh darüber, daß auch die Mitglieder des ehemaligen Staatsrates
der DDR und des ehemaligen Ministerrates der DDR
nicht mehr Mitglieder der Bundesregierung oder Repräsentanten unseres Staates sind.
({2})
Auch ist es ganz entscheidend, daß wir zumindest bei
denjenigen, die für das MfS berichtet haben, sagen, daß
diese im öffentlichen Dienst des Bundes, unserer Länder
und unserer Kommunen nichts verloren haben.
Die Themen, die die PDS hier in den letzten Wochen
aufgegriffen hat, weisen stets dieselbe Grundmelodie
auf: zuerst die Frage - das steht leider auch in dem Bericht einer Ihnen nahestehenden Organisation - der Entschädigung der nicht mehr im öffentlichen Dienst arbeitenden Menschen, dann die Forderung von Frau
Kenzler nach Amnestie und Entschädigung von Straftätern aus der DDR, die hier rechtmäßig verurteilt wurden.
Sie sollten nicht nur Strafnachlaß bekommen - man
kann immer darüber reden, ob man irgendwann einmal
einen Strich zieht; ich finde es gegenwärtig zu früh, aber
darüber darf man diskutieren -, sondern auch eine Entschädigung dafür, daß sie wegen ihrer Straftaten bestraft
wurden. Das ist einfach absurd, zeigt aber Ihre Geisteshaltung. Sie sind die DDR-Hoheitsträger-Gewerkschaft,
ein DDR-Traditionsverein, und wollen sich mit dem Unrecht der DDR nicht wirklich auseinandersetzen.
({3})
Das gleiche hat sich in der Diskussion um Ihre Einstellung von Herrn Rupp gezeigt. Ich bin gar nicht dagegen, daß man ehemaligen Spionen Strafen nachläßt und
versucht, ihnen auf ihrem Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu helfen. Aber daß Sie ihn ausgerechnet mit Außen- und Sicherheitsfragen betrauen wollten,
({4})
das war wirklich ein politischer Skandal. Das Beispiel
Ihres Bundesvorstandsmitglieds Benjamin, der den
Mauerbau gerechtfertigt hat, zeigt: Diese Linie geht
durch Ihre Partei hindurch. Sie wollen sich nicht der
Vergangenheitsaufarbeitung stellen. Die Bekenntnisse,
die Sie im Wahlkampf zum Grundgesetz abgegeben haben, waren und bleiben Lippenbekenntnisse. Auch das
ist uns in dieser Aktuellen Stunde durch die Redebeiträge von Ihrer Seite bestätigt worden.
({5})
Nun möchte der
Kollege Manfred Grund seine unterbrochene Rede fortsetzen. - Ich gebe Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne die
Gelegenheit nutzen, Frau Mascher für ihren vierten Bericht ein paar Anregungen mit auf den Weg zu geben.
In dem Ausschußbericht, den wir heute diskutieren,
wird auf eine bestehende Kluft zwischen den alten und
den neuen Bundesländern hingewiesen, die abzubauen
ist. Vielleicht gehen Sie in dem zukünftigen vierten Bericht einmal darauf ein, daß auch zehn Jahre nach der
Wiederherstellung der deutschen Einheit die Lebenserwartung in den neuen Bundesländern immer noch niedriger als in den alten Bundesländern ist! Untersuchen Sie
einmal, warum das so ist und ob das nicht etwas mit
Umweltvergiftung, mit schwerer körperlicher Arbeit,
aber auch mit Rationierung von Medizin in der ehemaligen DDR zu tun hat!
Außerdem möchte ich gerne etwas zum Thema „politisches“ Strafrecht sagen. Es ist angeklungen, daß viele, wahrscheinlich politisch motiviert, aus ihren Ämtern
und Positionen herausgedrängt worden sind. Ich will Ihnen einmal beispielhaft etwas zu zwei Prozessen vorlesen. Wir können uns dann ja einmal darüber unterhalten,
was tatsächlich ein politischer Prozeß gewesen ist.
Ich zitiere einmal:
Das Urteil erging nach Artikel 6 Abs. II der DDRVerfassung, „Boykotthetze gegen demokratische
Einrichtungen und Organisationen“. Verbunden mit
dem Urteil waren Sühnemaßnahmen …, die bestimmten, daß der Verurteilte alle Rentenansprüche
verloren hat, daß er kein öffentliches Amt, keinen
freien Beruf ausüben und keinen Betrieb kontrollieren dürfe, daß er nicht Mitglied einer Partei, kein
Lehrer oder Prediger sein dürfe und daß er alle
Vorrechte, inklusive des Führerscheins für ein
Auto, verloren habe.
Das ist einem Mann passiert - einem christlichen Demokraten und Gewerkschafter -, der als Zentrumspolitiker und als Gewerkschafter bei den Nazis eingesessen
hat und danach 1953/1954 von der SED wieder eingeknastet worden ist. So viel zu politischen Prozessen.
Ich zitiere jetzt aus der „Thüringer Allgemeinen“ über
einen Prozeß am Erfurter Landgericht - „Beobachtungen vom Todschlagsprozeß gegen ranghohe DDRGrenzoffiziere“:
Als der Zeuge Gisbert Greifzu ({0}) von seinen
Verletzungen durch die Splitterminen berichtet,
zischt in der zweiten Reihe ein untersetzter Zuhörer
mit Halbglatze „Rohrkrepierer“. Greifzu und sein
Freund wollten durch eine Rohrleitung kriechen,
waren an dieser Stelle jedoch beobachtet worden.
Die Umsitzenden finden die Bemerkung „einfach
klasse“.
Der Mutter eines 20jährigen Minentoten wurde
1984 lediglich mitgeteilt, daß ihr Sohn bei einer
Straftat ums Leben kam. „Genau so“, kommentiert
ein Mann mit Brille. „Es ging doch allen gut, wir
haben doch alles für die Jugend getan! … sind doch
selbst schuld.“
So viel zu politischem Strafrecht.
Vielleicht ist es interessant, einmal ein paar Zahlen
zur Regierungs- und Vereinigungskriminalität zu hören.
Insgesamt gab es 22 550 Ermittlungsverfahren. Davon
sind 21 776 eingestellt worden; 98 Prozent endeten also
mit Einstellung. Es gibt 211 rechtskräftige Verurteilungen - meist mit Freiheitsstrafen auf Bewährung. Gerade
21 Personen müssen ins Gefängnis.
({1})
Wenn man weiß, daß Mielke sogar die Untersuchungshaft noch entschädigend angerechnet worden ist, dann
fragt man sich, wie ein solcher Bericht zustande kommt.
Volker Beck ({2})
Ich will noch auf eines eingehen, das schon angesprochen worden ist, und zwar Altersabsicherung und
Rentenversicherung. Neben der Sozialversicherung der
ehemaligen DDR, der der Großteil der Werktätigen unterworfen war, weil er gar keine Chance hatte, sich anderweitig zu versichern, gab es 50 Zusatzversorgungssysteme und vier Sonderversorgungssysteme. Soweit tatsächlich Beiträge in diese Zusatz- und Sonderversorgungssysteme gezahlt worden sind, stehen diesen Beiträgen Leistungen gegenüber. Das führt dazu, daß jemand, der Mitglied in einem Sonder- und Zusatzversorgungssystem gewesen ist, heute im Durchschnitt 300
DM bis 500 DM mehr an Rente erhält als jemand - jetzt
Rentner -, der in der ehemaligen DDR normal sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. So viel zu der Diskriminierung, die uns hier vorgehalten wird.
({3})
- Frau Kollegin Mascher, ich würde Ihnen sehr empfehlen, dafür zu sorgen, daß dieses Zerrbild von
Deutschland, das übrigens von einer Nichtregierungsorganisation, die der PDS nahesteht, mit gezeichnet worden ist - diese Nichtregierungsorganisation ist offensichtlich auch noch vom Arbeitsamt gesponsert worden,
möglichst schnell aus der Welt geräumt wird.
({4})
Das Wort hat der
Kollege Engelbert Wistuba, SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meines Beitrages möchte ich mich bei der PDSFraktion für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde
recht herzlich bedanken. Die Kolleginnen und Kollegen,
die mich kennen, wissen, daß es mir an und für sich
nicht leicht fällt, mich bei der PDS für irgend etwas zu
bedanken. Aber sie gibt uns heute und hier die Möglichkeit, über die positive Beurteilung des Programms der
neuen Bundesregierung durch den Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen zu sprechen.
Wenn schon bei der Opposition in diesem Hause zumindest bei der Opposition auf der rechten Seite des
Saales - die ersten Schritte der neuen Regierung, zum
Beispiel die Verbesserung beim Kündigungsschutz, erwartungsgemäß nicht auf Zustimmung gestoßen sind, so
freut es mich doch, daß diese Maßnahmen bis nach New
York gedrungen sind und dort positive Resonanz gefunden haben.
({0})
Der Bericht mit der positiven Wertung ist vom 4. Dezember letzten Jahres, also exakt drei Monate alt. Die
Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben seitdem die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen,
sondern weitere Reformen im Geiste des Paktes vorangebracht. Als Wirtschaftspolitiker der SPD-Fraktion
möchte ich mein Augenmerk insbesondere auf einige
wirtschaftspolitische Maßnahmen richten, die für die
Realisierung des wichtigsten Zieles, nämlich die Schaffung von Arbeitsplätzen von Bedeutung sind.
Ich möchte nur an die gestern von uns verabschiedete
Ökosteuer erinnern. Zum 1. April werden die Lohnnebenkosten um 0,8 Prozent sinken; die Preise für Energie,
für die endlichen Ressourcen werden moderat steigen.
Diese Reform hat endlich die Abkehr von der scheinbar
automatischen und selbstverständlichen Regel eingeleitet - zumindest war dies in den letzten 16 Jahren so -,
nach der die Arbeit durch den Anstieg der Lohnnebenkosten kontinuierlich teurer wird.
Die Kritiker, die die Ökosteuer für nicht weitgehend
genug halten, seien daran erinnert, daß es sich bei dem
gestern verabschiedeten Paket nur um die erste Stufe
handelt. Weitere werden folgen.
({1})
Das Entscheidende ist, daß die Trendwende vollzogen
wurde. Die klare Botschaft unserer Politik ist: Bei uns
wird die Arbeitskraft nicht teurer, sondern billiger.
({2})
Ein weiteres Beispiel für unsere praktische, umweltfreundliche und zugleich innovationsorientierte Wirtschaftspolitik ist das von uns auf den Weg gebrachte
100 000-Dächer-Programm. Einerseits haben wir mit
diesem schnellen Handeln den notwendigen Anreiz für
die verbliebenen einheimischen Hersteller von photovoltaischen Zellen geschaffen, hier im Lande zu bleiben.
Andererseits werden durch dieses Programm, wenn es
ausgeschöpft wird - und die ersten Reaktionen deuten
auf eine große Nachfrage hin -, 2,5 Milliarden DM an
Investitionen mobilisiert.
({3})
Dies ist ein wertvoller Beitrag zur Sicherung bestehender bzw. Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Aber auf unserer Agenda stehen noch zahlreiche
Projekte. Zu den zentralen Reformprojekten, die wir uns
vorgenommen haben, gehört eine umfassende Unternehmenssteuerreform. Ich bin optimistisch, daß es uns
gelingt, eine einheitliche Unternehmensbesteuerung im
Bereich von 35 Prozent zu erreichen.
({4})
Während Sie von der Opposition jahrelang von der Senkung der Unternehmenssteuer gesprochen haben, nehmen wir sie ernsthaft in Angriff. Wir leisten damit einen
weiteren Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsposition
deutscher Unternehmen. Freuen würde es mich, wenn
diese Reform im Sommer abgeschlossen werden könnte.
Auch hier bin ich optimistisch.
Verehrte Damen und Herren, der Ausschuß des Wirtschafts- und Sozialrates ist der Ansicht, daß mit dem in
der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder
skizzierten Programm die wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Rechte vorangebracht werden. Er empfiehlt
daher ausdrücklich, daß - ich zitiere wörtlich - „die
neue Politik so bald wie möglich in die Tat umgesetzt
wird“.
({5})
Der Ausschuß des Wirtschafts- und Sozialrates der
Vereinten Nationen, die Bürgerinnen und Bürger dieses
Landes und auch Sie von der Opposition können sicher
sein, daß wir dieser Aufforderung weiter nachkommen
werden.
Danke.
({6})
Dies war die erste
Rede des Kollegen Wistuba. Dazu möchte ich Ihnen im
Namen des Hauses gratulieren.
({0})
Der vorgesehene Beitrag der Kollegin Vera Lengsfeld
wird zu Protokoll genommen?*)
({1})
Nun gebe ich der Kollegin Silvia Schmidt von der
SPD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu ei-
nigen Punkten des Berichtes des Wirtschafts- und Sozi-
alrates der Vereinten Nationen Stellung nehmen, die
mich als ostdeutsche Sozialpolitikerin besonders berührt
haben.
Ich freue mich darüber, daß der Ausschuß folgende
Punkte positiv festgestellt hat: Bildungs- und Trainings-
programme, um jungen Menschen im allgemeinen und
Frauen im besonderen, vor allem denen in den neuen
Ländern, zu helfen, eine Beschäftigung zu finden, die
Ausarbeitung eines Aktionsplans, der darauf gerichtet
ist, Frauen im Arbeitsprozeß gleiche Möglichkeiten zu
sichern, die Reform des Rentensystems, die Wiederein-
führung von Maßnahmen des Kündigungsschutzes und
auch die Zahlung von Krankengeld. Diese sozial- und
arbeitspolitischen Feststellungen des Wirtschafts- und
Sozialrates decken sich mit den Forderungen, die wir
schon als Opposition erhoben haben und die wir nun
umsetzen werden und zum Teil schon umgesetzt haben.
Wir bekämpfen mit unserem Sofortprogramm die Ju-
gendarbeitslosigkeit. Dieses Programm wird aktiv in den
Arbeitsämtern umgesetzt und von den Jugendlichen
auch angenommen. Allein im Arbeitsamt meines Wahl-
kreises Sangerhausen nehmen bereits 86,5 Prozent der
angesprochenen jungen Menschen an diesem Programm
teil. Dabei werden sie von Sozialarbeitern in einem
Zahlenverhältnis von 1 zu 10 begleitet. Daneben werden
Streetworker eingestellt, die sich ganz besonders um die
Jugendlichen bemühen, die abseits von der Gesellschaft
stehen und zum Teil unter Brücken leben.
*) Anlage 11
Von der Arbeitslosigkeit sind besonders Frauen betroffen. 52 Prozent der Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt
sind Frauen. Wir werden mit dem Aktionsprogramm
„Frau und Beruf“ den Frauen im Arbeitsprozeß gleiche
Rechte sichern. Dazu gehört ein effektives Gleichstellungsgesetz und eine gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen in der aktiven Arbeitsförderung.
({0})
Wir stellen der Bundesanstalt für Arbeit 105,2 Milliarden DM zur Verfügung. Das sind 2,7 Milliarden DM
mehr als im letzten Jahr. Damit werden 1999 200 000
Menschen eine Chance bekommen, im zweiten Arbeitsmarkt gefördert zu werden, davon 180 000 Menschen allein in Ostdeutschland.
({1})
Wir korrigieren die gravierenden sozialpolitischen
Fehlentscheidungen der alten Regierung. Wir werden
eine sozial gerechte Rentenstrukturreform durchführen.
Wir haben die Verschlechterung im Kündigungsschutz
korrigiert. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gilt
wieder ohne Einschränkung. Für alle, auch für Jugendliche, wird Zahnersatz kein Luxus, sondern Sachleistung.
- Wir schaffen mit diesen Korrekturen endlich wieder
mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Dies wird
auch vom Ausschuß gefordert. Darauf will ich näher
eingehen.
Der Ausschuß sieht die Gefahr, daß die unvollständige Integration von Ost- und Westdeutschland die umfassende Umsetzung des Paktes für wirtschaftliche, soziale
und kulturelle Rechte behindert. Die Gefahr ist begründet. Sie bleibt so lange bestehen, bis es zu einer vollständigen Angleichung der Arbeits- und Lebensbedingungen gekommen ist.
({2})
Meine Herren von der Opposition - ich will meine
Freude nicht verhehlen, Sie nach 16 Jahren der Regierung Kohl als Oppositionsmitglieder bezeichnen zu
können -,
({3})
für die schleppende Integration tragen vorwiegend Sie
die Verantwortung. Durch das nicht gehaltene Versprechen von den blühenden Landschaften und den Eindruck, der Aufbau Ost könne aus der Portokasse bezahlt
werden, haben Sie natürlich die entsprechende Wählerklientel verloren.
({4})
Ich habe bewußt nicht gesagt, daß Sie die ausschließliche Verantwortung tragen. Ich weiß, daß es weitere
Gründe gibt, die das Zusammenwachsen von Ost und
West schwierig gestalten, und daß die alte Bundesregierung nicht für alles die Schuld trägt. Wir werden hier
alles versuchen, um weiterzukommen. Wir stabilisieren
die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Bundesländern auf
hohem Niveau. Das Stop-and-go der vergangenen Jahre
hat endlich ein Ende.
({5})
- Vielleicht bei Ihnen.
({6})
Wir stellen rund 146 Milliarden DM an Bundeszuweisungen für den Aufbau Ost bereit. Das sind rund
12 Milliarden DM mehr als im Vorjahr. Die Investitionszuweisungen mit 6,6 Milliarden DM werden verstetigt. Wir haben den Aufbau Ost zur Chefsache gemacht.
Staatsminister Schwanitz sitzt direkt beim Bundeskanzler.
({7})
Ich bin optimistisch, daß sich die Bedenken des Ausschusses in diesen Punkten nicht bewahrheiten werden.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen: Der
Aufsetzungsantrag ist Ausdruck typischer PDSKlientelpolitik. Sie versuchen damit, sich zum Anwalt
von Pionierleitern, FDJ-Sekretären und von Staatsbürgerkundelehrern zu machen, die Marxismus-Leninismus
unterrichtet haben.
({8})
Die Befürchtung, die in Punkt 16 des Berichts des
UNO-Ausschusses geäußert wird, in den neuen Ländern
seien Lehrer aus politischen Gründen entlassen worden,
ist nicht ganz richtig. Es gab IMs und Parteisekretäre. In
Sachsen-Anhalt arbeiten 1999 ungefähr 14 000 Lehrer
weniger als 1992. Der Abbau ist ausschließlich eine
Folge der sinkenden Schülerzahlen und der Strukturveränderungen. Der restliche Abbau geschah nicht durch
Kündigungen, sondern durch sozial verträgliche Lösungen. Ich verweise auf den Tarifvertrag von 1997 für
Sachsen-Anhalt. In Sachsen-Anhalt geht man davon aus,
daß 90 Prozent der jetzt dort tätigen Lehrer auch schon
in der DDR unterrichtet haben. Das kann ich nur bestätigen: In unserer Schule arbeiten noch sehr viele Lehrer,
die ihr früheres SED-Parteibuch gegen das der PDS eingetauscht haben. Wer also behauptet, Lehrer seien aus
politischen Gründen entlassen worden, verkennt die Tatsachen.
Ich danke.
({9})
Das Wort hat der
Kollege Edelbert Richter von der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zum Punkt 16
des Textes des UN-Ausschusses noch etwas sagen, obwohl schon Verschiedenes dazu gesagt worden ist. Ich
möchte an die Adresse der PDS sagen: schlechte Kritik.
Es ist mehrfach gesagt worden, daß nur 12 Prozent
der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes auf dem Gebiet
von Wissenschaft und Technik der ehemaligen DDR
weiterbeschäftigt worden seien. Das ist einfach Unsinn.
({0})
- Auch das ist Unsinn. - Am offensichtlichsten ist das
bei den Lehrern zu erkennen. Auch das ist hier schon einigermaßen deutlich geworden. Aber das wichtigste ist,
daß Sie mit solchen falschen Zahlenangaben Ihr eigenes,
an sich berechtigtes Anliegen diskreditieren.
({1})
- Da gibt es einen Schleichweg, über den ich jetzt nichts
weiter sagen möchte.
Ich möchte auf etwas ganz anderes hinaus: Schon
die richtigen Zahlen sind doch schlimm genug. Wir
brauchen doch deswegen nicht zu behaupten, daß nur
12 Prozent der ehemaligen DDR-Mitarbeiter weiterbeschäftigt worden seien. Von den Mitarbeitern der ehemaligen Akademieeinrichtungen sind weniger als
50 Prozent weiterbeschäftigt worden - das ist doch
schon aussagekräftig genug -, davon viele nur auf der
Basis von Zeitverträgen oder Drittmitteleinwerbungen.
An den Hochschulen ist das wissenschaftliche Personal
im Durchschnitt um etwa 60 Prozent reduziert worden.
Das ist doch auch aussagekräftig genug. Die schlimmste
mir bekannte Zahl betrifft die Industrieforschung. Hier
sind 80 Prozent des Personals verlorengegangen, und
zwar nicht - das ist der nächste Punkt - aus unmittelbar
politischen, sondern aus ökonomischen Gründen.
Damit komme ich zu einem weiteren Einwand gegen
den Text des UN-Ausschusses. Es ist auch nicht wahr,
daß die Mehrheit der Betroffenen eher aus politischen so steht es dort wörtlich - als aus fachlichen oder wirtschaftlichen Gründen aus Ihren Positionen entlassen
wurde. Die Mehrheit ist gerade aus unmittelbar wirtschaftlichen oder finanziellen Gründen entlassen worden, nämlich auf Grund des „losgelassenen“ Marktes.
Sofern der Markt damals allerdings von der Politik „losgelassen“ worden ist, waren die Entlassungen indirekt
die Folge einer verkehrten Wirtschaftspolitik. Darauf
müßte man doch eigentlich hinweisen.
({2})
Sie waren eben nicht die Folge politischer Diskriminierung. Wer die Abwicklung von ideologisch belasteten
Instituten oder Personen derart in den Vordergrund
rückt, der verstellt gerade den Blick auf die viel
schwerwiegenderen Verluste, die aus wirtschaftspolitischen Ursachen eingetreten sind. Mit denen müssen wir
uns beschäftigen. Für dieses Ausmaß an Verlusten - an
dieser Stelle muß ich mich der heutigen Opposition zuwenden - trägt die alte Bundesregierung die Verantwortung. Für mich persönlich ist das ein ganz wesentliSilvia Schmidt
cher Grund gewesen, mich in diesen Fragen zu engagieren.
({3})
Ich darf daran erinnern, daß die damalige SPDOpposition Ihre Wiedervereinigungspolitik - das wird
inzwischen manchmal vergessen - von Anfang an und
dann immer wieder kritisiert hat, allerdings mit dürftigem Erfolg. Unsere Forderung in bezug auf die Treuhandpolitik - sie steht hier im Hintergrund - hieß zum
Beispiel: Sanierung vor Privatisierung. Wäre man dieser
Forderung gefolgt, dann wäre ein großer Teil des Forschungspotentials erhalten worden.
Schon zu Beginn des Abbaus dieses Potentials - ich
habe das noch einmal nachgelesen - hat im Februar
1991 der damalige forschungspolitische Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion - fast prophetisch, wie man
heute sagen muß - im Titel einer Presseerklärung erklärt:
Neue Bundesländer: Todesurteil für die Forschung
ist gefällt.
Damit man es nicht vergißt, möchte ich noch einmal
betonen, daß das im Februar 1991 gesagt worden ist. Ein
Zwischenbericht des BMFT zeigte damals nämlich die
völlige Konzeptionslosigkeit der Bundesregierung in
dieser Frage.
Ich erinnere etwas unbescheiden daran, daß ich mich
seit 1992 leidenschaftlich für die ostdeutsche Forschung
eingesetzt habe.
({4})
Inzwischen stellt sich allerdings die Frage - auch darüber müssen wir reden -, inwieweit die Prozesse von
damals nun noch rückgängig gemacht werden können.
Das ist die eigentliche Frage. Es nützt uns nichts, wenn
wir immer wieder von dem sprechen, was vorher passiert ist. Wir müssen wissen, wie es nun weitergehen
soll. Wenn ich an einzelne Schicksale von Wissenschaftlern denke, dann tut es mir selber sehr weh, sagen
zu müssen, daß bestimmte Prozesse, die gelaufen sind,
nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Dennoch können Sie unserem Haushalt für das Jahr
1999 entnehmen, daß wir uns redlich bemüht haben, einiges wiedergutzumachen. Wir werden das weiterhin
tun. Wir haben die Forschungs- und Entwicklungsausgaben für Ostdeutschland beträchtlich gesteigert. Ich
hoffe, daß das auch im nächsten Haushalt wieder gelingt.
Zur PDS gewandt, möchte ich sagen: Ich finde es
schade, daß wir nicht auf die eigentlichen Fragen zu
sprechen gekommen sind. Ich habe es versucht, aber die
Zeit von fünf Minuten ist zu kurz. Mit dem uns vorliegenden Text konnte man nicht sehr viel weiterkommen.
Danke schön.
({5})
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung
des Elften Buches Sozialgesetzbuch - 4. SGB
XI-Änderungsgesetz ({0})
- Drucksache 14/407 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Gesundheit ({1})
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuß gemäߧ 96 GO
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war für
die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Dagegen
gab es auch keinen Widerspruch. Allerdings haben die
Kollegen Regina Schmidt-Zadel, SPD, Eva-Maria Kors,
CDU/CSU, Detlef Parr, F.D.P., und Frau Bundesmini-
ster Andrea Fischer ihre Reden zu Protokoll gegeben*),
so daß in dieser Aussprache lediglich der Kollege Ilja
Seifert von der PDS-Fraktion als Redner angemeldet ist.
Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich muß mich wohl nicht dafür entschuldi-
gen, keine schriftliche Rede vorbereitet zu haben. Ich
denke, das Thema ist wichtig genug. Ich hatte mich ei-
gentlich auf eine lebhafte Debatte gefreut.
Es geht heute immerhin darum, einen Minischritt aus
der Sackgasse der Pflegeversicherung gutzuheißen. Ich
möchte das ausdrücklich hervorheben, damit wir wenig-
stens dahin kommen, daß Tages- und Kurzzeitpflegeein-
richtungen in Zukunft zumindest bei der Stufe II und III
der Pflegeversicherung genauso wie stationäre Einrich-
tungen bezahlt werden.
Allerdings wäre schon ein wesentlich größerer Schritt
vonnöten. Wir stehen vor dem Beginn einer europawei-
ten Sozialunion. Dazu gehört auch, daß die Situation
von Menschen mit den verschiedensten Behinderungen,
die auf assistierende Begleitung angewiesen sind, we-
sentlich verbessert werden muß. Als erster Schritt wäre
das Sozialsystem insgesamt zu demokratisieren. Für
Deutschland heißt das, daß die Alleinherrschaft der Kas-
sen, unterstützt durch den MDK, also den Medizinischen
Dienst der Krankenversicherungen, und die Spitzenver-
bände der Pflegekassen, zu brechen ist und die Behin-
dertenorganisationen und andere Selbsthilfeorganisatio-
nen in die Organisation der assistierenden Begleitung
einzubeziehen sind.
Außerdem geht es darum, schnell den veralteten, aus-
schließlich somatisch definierten Pflegebegriff zu strei-
chen und durch einen Begriff zu ersetzen, der von be-
gleitender Assistenz in jeder Situation ausgeht. Nur dann
wird die Menschenwürde gewahrt, wenn man zum Bei-
*) Anlage 12
spiel auch im Zustand der Demenz ernst genommen und
nicht als reiner „Satt-und-sauber-Pflegefall“ betrachtet
wird.
({0})
Ebenso müssen auch Geld- und Sachleistungen
endlich gleichgestellt werden. Es kann doch nicht sein,
daß jemand, der seine Assistenz selbst organisiert, wesentlich weniger Geld bekommt als jemand, der sich irgendwelchen professionell betriebenen Pflegeeinrichtungen anvertraut, wo die Menschen häufig eher verwaltet als versorgt werden.
Deshalb ist die Debatte, die von dieser kleinen Gesetzesänderung ausgeht, sehr wichtig. Ich kann Sie alle nur
einladen: Greifen Sie die Vorschläge der Behindertenund Selbsthilfeorganisationen auf! Lassen Sie uns an
diese Sache menschenwürdiger herangehen, indem wir
die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen! Dann
werden alle gemeinsam etwas davon haben, nicht nur
die, die unmittelbar betroffen sind, sondern auch die, die
die Arbeit leisten. Insgesamt wird die Gesellschaft dadurch reicher. Ich bin gerne bereit, die Diskussion fortzuführen. Wir werden unsere Vorschläge demnächst in
kompakter Form einbringen. Ich denke, daß wir dann
alle zusammen etwas erreichen können, was für Menschen mit und ohne Behinderung von Vorteil ist.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche mir, daß wir eine grundsätzliche Diskussion führen
werden.
({1})
Ich schließe die
Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 14/407 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Haushaltsausschuß soll den Gesetzentwurf gemäß § 96 der Geschäftsordnung erhalten. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so
beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 - den letzten für
heute - auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Kersten
Naumann, Eva-Maria Bulling-Schröter, Rolf
Kutzmutz und der Fraktion der PDS
Verlängerung der Pachtverträge für ehemals
volkseigene Flächen
- Drucksache 14/291 Überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0})
Rechtsausschuß
Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länder
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der PDS fünf Minuten erhält. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Kersten Naumann, PDS.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren Abgeordnete! Der Kabinettsausschuß „Neue Länder“ hat in der gemeinsamen Sitzung
mit dem Landeskabinett von Mecklenburg-Vorpommern
am 17. Februar in Schwerin den Beschluß gefaßt - ich
zitiere -:
Inhaber von landwirtschaftlichen Betrieben können
ab sofort bei der BVVG eine Verlängerung der
Pachtverträge auf 18 Jahre beantragen.
({0})
Diese Entscheidung stützt sich auf die gültige Treuhandrichtlinie von 1993, in der es hinsichtlich der
Pachtdauer heißt:
Sie beträgt bis zu 12 Jahre und kann verlängert
werden.
Die PDS stimmt den SPD-Agrarministern von
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zu, die
davon sprechen, daß dies ein wichtiges Signal für die
Planungssicherheit der Landwirte ist, und damit die im
PDS-Antrag gegebene Begründung unterstützen. Wir
freuen uns darüber, daß die Regierungskoalition in diesem Falle bei ihrer politischen Linie aus der Zeit vor den
Bundestagswahlen geblieben ist.
({1})
Denn es macht gerade im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Agenda 2000 sehr wohl etwas für den
Bauern, der handeln und investieren will, aus, ob er planungstechnisch über zwölf oder 18 Jahre Sicherheit verfügt. Wir sehen in dieser Entscheidung einen Hoffnungsschimmer, um zu einer Lösung bei einem der
kompliziertesten Probleme der deutschen Einheit, der
Bodenfrage, zu kommen. Wir vermuten sogar, daß der
zu beratende PDS-Antrag diese Entscheidung beschleunigt hat.
Die Bundesregierung hat jetzt grünes Licht gegeben.
Das ist die Voraussetzung für eine Vorwärtsbewegung.
Nun muß aber zügig durchgestartet werden. Für den
Start wird jedoch die notwendige Arbeitsanweisung an
die BVVG, die noch immer nicht vorliegt, von entscheidender Bedeutung sein. Denn woher können wir
gewiß sein, daß an der nächsten Kreuzung nicht wieder
nach rechts abgebogen wird? Diese Gefahr ist sehr groß.
Unsere Sorge wird dabei durch Meldungen genährt wie
„Es wird keinen Automatismus geben“ und „Über weitere Kriterien wird derzeit nachgedacht“.
Natürlich ist es eine Selbstverständlichkeit, daß eine
Verlängerung der Pacht die Erfüllung der bisherigen
Pachtbedingungen und vor allem die ordnungsgemäßen
Pachtzahlungen voraussetzt. Wenn daran gedacht ist,
zum Beispiel weitere Regelungen über die umweltgerechte Bodennutzung aufzunehmen, dann findet das die
Zustimmung der PDS. Wenn allerdings Klauseln beabsichtigt sind, durch die auf die bisherigen Pächter politischer Druck ausgeübt werden soll, dann muß mit unserem energischen Widerstand gerechnet werden.
({2})
Die PDS fordert deshalb in Umsetzung ihres Antrages, daß die „Arbeitsanweisung für die BVVG“ zum
Gegenstand der Beratung im Ernährungsausschuß gemacht wird. Wir mußten in der Vergangenheit oft die
Erfahrung machen, daß die Beschlüsse des Bundestages
auf dem Verwaltungswege mißachtet werden. Ich erinnere hier nur an den Streit um die Privatisierung von
Naturschutzflächen.
Die öffentliche parlamentarische Behandlung der
Pachtregelungen erscheint uns aus einem speziellen
Grund besonders dringlich. Nach Auffassung von Albrecht Wendenburg, dem stellvertretenden Vorsitzenden
der Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen, verstößt die
Pachtvertragsverlängerung gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Zugleich fordert er jedoch, daß eine Pachtverlängerung ausschließlich das Ergebnis eines Kompromisses mit den früheren Eigentümern sein kann.
Aber die Bodenreform ist historisch anerkannt und verbrieftes Recht. Daran müssen wir, auch wenn es den
Alteigentümern nicht paßt, leider immer wieder erinnern.
({3})
Sie ist Bestandteil eines Einigungsvertrages zweier deutscher Staaten.
Sowohl die alte als auch die neue Bundesregierung
haben das Bodenreformproblem in Brüssel nicht im Sinne des Einigungsvertrages gelöst. Beide Bundesregierungen gingen und gehen den Weg des geringsten Widerstandes und lehnten bzw. lehnen eine Behandlung im
Ministerrat ab, obwohl klar ist, daß der Umgang mit der
Bodenreform eine Angelegenheit der deutschen Wiedervereinigung ist.
Das Thema der Pachtverlängerung ist nicht von dem
weiteren Umgang mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zu trennen. Was man dazu von
der Bundesregierung hört, erfüllt uns mit großer Sorge.
Diese Sorge wird durch die wieder zunehmenden Aktivitäten der Alteigentümer, nicht nur bezüglich der
Pachtverträge, verstärkt.
Meine Herren von der CDU/CSU, selbst Ihr sächsischer Landwirtschaftsminister fordert inzwischen die
Bundesregierung auf, gegen die Entscheidung der
Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Wir geben dem SPD-Landwirtschaftsminister
Fritsch aus Brandenburg vorbehaltlos recht, der kurzfristige Lösungen einfordert. Wir teilen seinen Standpunkt,
„qualifiziert, tragfähig und im Interesse der ostdeutschen
Bodennutzer“ zu handeln.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen deutlich machen, daß es
über alle Parteigrenzen hinweg Zustimmung zu unserem
Antrag und der inzwischen getroffenen Entscheidung
des Kabinettsausschusses „Neue Länder“ gibt. Mit Bedauern möchte ich äußern: Eigentlich wäre es notwendig, heute sofort über diesen Antrag abzustimmen. Doch
angesichts der nur wenigen Abgeordneten, die hier sitzen, wäre das sicher unfair denjenigen gegenüber, die
nicht da sind, weil doch jeder von uns sagen können
soll: Ja, auch ich habe im Interesse der Bäuerinnen und
Bauern einer Verlängerung der Pachtverträge auf
18 Jahre zugestimmt.
Danke schön.
({4})
Das Wort hat der
Kollege Karsten Schönfeld, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Frau Kollegin Naumann, Sie haben
zu Recht auf die Entscheidung des Kabinettsausschusses
vom 17. Februar in Schwerin hingewiesen, daß die langfristigen Pachtverträge für ehemals volkseigene Flächen
auf 18 Jahre verlängert werden sollen. Sie haben ebenso
zu Recht darauf hingewiesen, daß wir damit eine Forderung aus der Zeit vor der Bundestagswahl in die Tat
umgesetzt haben. So sind wir von der SPD nun einmal:
Das, was wir versprechen, lösen wir dann, wenn wir dazu in die Lage versetzt werden, auch ein.
({0})
In einem Punkt, Frau Naumann, haben Sie allerdings
nicht recht: Ich kann Ihnen sagen, daß gestern vom
Bundesfinanzministerium die entsprechende Anweisung
an die BVVG gegeben wurde,
({1})
so daß die Behandlung des jetzigen Tagesordnungspunktes zwar wichtig ist, wir dazu aber keinen Beschluß
mehr fassen müssen.
({2})
Die Bundesregierung hat sehr schnell auf die von der
Europäischen Kommission geforderte Korrektur des
Flächenerwerbsprogrammes für die ostdeutsche Landwirtschaft reagiert. Der früheren Bundesregierung war
es nicht gelungen, der Europäischen Kommission in
Brüssel Sinn und Zweck des Flächenerwerbsprogrammes klarzumachen. Wir hatten bereits 1997 Bundeskanzler Kohl aufgefordert, wegen des zunehmenden
Widerstands der EU-Kommission gegen Teile des Flächenerwerbsprogrammes tätig zu werden.
Die SPD ist immer dafür eingetreten, den landwirtschaftlichen Betrieben in Ostdeutschland die notwendige
Sicherheit für anstehende Investitionsentscheidungen zu
geben.
({3})
Die SPD-Bundestagsfraktion hat deshalb in der letzten
Legislaturperiode den Antrag gestellt, langfristige
Pachtverträge für ehemalige volkseigene Flächen auf
18 Jahre zu verlängern. Wir haben dies, wie schon gesagt, in die Tat umgesetzt.
({4})
Es ging ja immerhin um eine Nutzfläche von fast
1 Million Hektar. Betroffen sind vor allem die Länder
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und SachsenAnhalt. Betroffen sind Wiedereinrichter, Neueinrichter
und - mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent an den
langfristigen Verpachtungen - juristische Personen.
Ich denke, wir haben mit der Verlängerung der
Pachtverträge eine gute Entscheidung getroffen. Den
Betrieben - egal, welcher Eigentumsform - ist damit eine entsprechende Planungssicherheit ermöglicht worden.
Das trägt dazu bei, daß hier für die ostdeutschen landwirtschaftlichen Betriebe eine entsprechende Chancengleichheit gegeben ist.
Dies ist ebenso ein geeignetes Mittel, die Bedenken
der EU-Kommission gegen den vergünstigten Flächenerwerb auszuräumen. Wichtig ist es jetzt, eine schnelle
Anpassung des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vorzunehmen, um endgültig auf die Beanstandungen aus Brüssel zu reagieren. Im Unterschied
zur abgewählten Kohl-Regierung wird die SPD-geführte
Bundesregierung alles tun, um auch weiterhin den
Landwirten in Ostdeutschland den Flächenerwerb zu
ermäßigten Preisen zu ermöglichen.
({5})
Ich stelle abschließend fest: Die ostdeutsche Landwirtschaft kann sich auf die SPD und auf die neue Bundesregierung verlassen.
Vielen Dank.
({6})
Ich bitte um Verständnis, daß ich Ihre Zwischenfrage nicht zulassen
kann. Der Redner hat bereits das Rednerpult verlassen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Gottfried Haschke,
CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Langfristige Pachtverträge für Grund und Boden
wünscht sich jeder Bauer und jeder landwirtschaftliche
Unternehmer, um die notwendige Planungssicherheit für
seinen Betrieb zu haben. 80 Prozent langfristige Pachtverträge fordert jede Bank in den neuen Ländern im
Rahmen der Vergabe von Krediten für Investitionen in
der Landwirtschaft. Die Banken sind in der Regel mit
Pachtverträgen für 12 Jahre zufrieden.
Die Pachtflächen der Landwirtschaftsbetriebe bei uns
in den neuen Ländern setzen sich natürlich unterschiedlich zusammen. Alle Betriebe bewirtschaften Privatflächen. Nicht alle Betriebe hatten aber bisher Zugriff auf
Treuhandflächen, jetzt BVVG-Flächen genannt.
({0})
Es gibt nicht in jedem Dorf Treuhandflächen. Das ist
und bleibt ein Kritikpunkt der Bauern im Osten. Ich
spreche nicht nur für private Bauern. Auch juristische
Betriebe dürfen, wenn nötig, zusätzliche Flächen günstig
erwerben. Sie haben in ihrem Einzugsgebiet aber keine
und sind deshalb benachteiligt. Die Bauern klagen an
dieser Stelle über Chancenungleichheit.
Die Umstrukturierung der Landwirtschaft in den
neuen Bundesländern ist noch nicht ganz abgeschlossen,
obwohl dies verschiedentlich behauptet wird.
({1})
Ein Beispiel: Ein Junglandwirt, der seine Ausbildung
abgeschlossen und von seinem Großvater vielleicht 10,
20 oder 30 Hektar geerbt hat, hat zu wenig für den Beginn. Wie soll er also beginnen, wenn er nicht von irgendwoher weitere Flächen zupachten kann?
Das Pachtgeschehen ist in der Vergangenheit nicht
immer seriös gelaufen. Es ist ganz klar: Wer den Zugriff
hatte und Bescheid wußte, hat die Zeit genutzt und hat
daher jetzt Vorteile gegenüber dem, der zusätzliche Flächen erwerben muß - zum Beispiel wenn er neu beginnt
- oder in einem Ort wohnt, in dem es keine Treuhandflächen gibt; dort muß dieser nämlich ganz andere Preise
bezahlen.
Es gibt im ganzen Pachtgeschehen der Vergangenheit
natürlich - auch das müssen wir an dieser Stelle, wenn
wir über Pachtverträge reden, erwähnen - Dinge, die unseriös und sittenwidrig gelaufen sind.
({2})
Zum Beispiel sind Pachtverträge mit einer Laufzeit von
25 Jahren mit unkundigen Personen, denen man dann
Versprechungen gemacht hat - manchmal zwischen
Tür und Angel -, abgeschlossen worden. Ich will nicht
sagen, daß diejenigen, die die Verträge angeboten
haben, nur Leute waren, die aus den neuen Bundesländern kamen. Vielmehr kamen sie von überall her.
Das ärgert natürlich unsere Bauern in den neuen Bundesländern.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle sagen: Es wäre
durchaus richtig, sich das gesamte Pachtgeschehen noch
einmal anzuschauen und dort, wo es notwendig ist, noch
etwas zu korrigieren; denn sonst ist die Situation für
Neuanfänger untragbar, und es wäre für manch einen
unmöglich, in der Zukunft zu bestehen.
Wir wissen auch, daß es für unseriöse Leute viele
Tricks gibt, um mit allen möglichen Mitteln jetzt bestehende Pachtverträge an sich zu ziehen. Ich glaube, hier
muß in erster Linie die BVVG aufpassen, daß das
Pachtland nicht den Leuten verlorengeht, die es am notwendigsten brauchen und die der Verlust am meisten
treffen würde, also den Bürgern aus den neuen Bundesländern.
Wir sind durchaus dafür, die Existenzsicherung zu
gewähren und den Betrieben bei Investitionen auf alle
Fälle die Pachtverträge zu verlängern.
({3})
Aber ich muß dazusagen: Dies darf nicht flächendekkend und hundertprozentig geschehen. Man muß sich im
Einzelfall anschauen, ob es sich bei einem Betrieb lohnt
oder nicht. Man muß natürlich auch solche Betriebe berücksichtigen, die dringend aufgestockt werden müssen;
dabei müssen in erster Linie Neuanfänger bedacht werden. Man muß verhindern, daß die Treuhandflächen in
unseriöse Hände gelangen.
Wir haben natürlich jetzt schon durch das Bürgerliche
Gesetzbuch die Möglichkeit, die Existenz zu sichern.
Aber ich muß ganz offen sagen: Unsere Bauern sind
natürlich noch sehr unkundig darin, sich das zu erstreiten. Man kann ihnen die Flächen nicht so ohne weiteres
wegnehmen, wenn dann die Existenz des Betriebes nicht
mehr gewährleistet wäre. Wir haben aber schon eine
Möglichkeit: Nach dem „Bohl-Papier“ sind ehemals
volkseigene Flächen im Regelfall zwölf Jahre zu verpachten. Es ist festgeschrieben, daß die Pächter das
Recht auf eine Verlängerung der Verträge haben, zum
Beispiel bei Investitionen. Eine neue gesetzliche Regelung ist da praktisch nicht erforderlich. Darüber hinaus
ist im EALG auch festgelegt, daß Pächter Rückgabeflächen, die für Alteigentümer in Frage kommen,
18 Jahre nutzen dürfen. Des weiteren hat der Einspruch
der Europäischen Union gegen das EALG nichts mit der
Verpachtung zu tun. Vielmehr wird der ermäßigte Verkaufspreis der Flächen beanstandet, und die Begünstigungen werden als Wettbewerbsverzerrungen angesehen. Schließlich wird, wie wir es hier gehört haben, die
langfristige Verpachtung auch von der neuen Regierung
unterstützt. Die CDU/CSU ist für längerfristige Verpachtung, aber sie ist gegen die Verpachtung aller Flächen über einen Zeitraum von 18 Jahren hinaus.
Ich glaube, Ökosteuergesetz, Steuerreform, Agenda
2000 gefährden unmittelbar die Existenz vieler Landwirtschaftsbetriebe.
({4})
Ich finde es unverantwortlich: Noch nie hat eine Regierung so rücksichtslos gegen die Bauern in Deutschland
entschieden wie in diesen Tagen.
({5})
Ich gebe das Wort
der Kollegin Steffi Lemke, Bündnis 90/Die Grünen.
Verehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Frau Naumann, ich verstehe ja, daß bestimmte Klischees
sorgfältig gepflegt werden müssen, so beispielsweise das
der PDS als Retter der ostdeutschen Landwirtschaft.
Bloß, Sie müssen aufpassen: Wenn manche Prozesse
überholt sind, sollte man irgendwann auch einmal ein
Einsehen haben und beispielsweise diesen Antrag, der
inzwischen schlicht und einfach überholt ist, vielleicht
für erledigt erklären.
({0})
Die Aspekte, die Sie in Ihrem Antrag ansprechen,
sind ja nicht neu. Wir diskutieren hier im Bundestag und
auch in der Öffentlichkeit - mindestens in Ostdeutschland - seit mehreren Jahren über einen Interessenausgleich im ländlichen Raum der neuen Bundesländer. Ich
denke, daß wir uns in den nächsten Monaten vor allem
unter diesem Aspekt mit dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz beschäftigen werden. Dazu eine
Aktuelle Stunde zu beantragen, das haben Sie leider
verpaßt, so daß ich denke, daß wir uns heute auf Ihren
Antrag beschränken sollten.
Frau Kollegin Lemke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Naumann?
Aber
bitte.
Frau Lemke, erstens ist
das keine Aktuelle Stunde, und zweitens habe ich folgende Bitte: Sind Sie von den Regierungsparteien bereit,
uns diese Anweisung kurzfristig zur Verfügung zu stellen? Wie ich von Herrn Schönfeld hörte, ist sie gestern
verabschiedet worden. Sollte sie den Anforderungen
entsprechen, die wir in unserem Antrag formuliert haben, dann sind wir auch bereit, diesen Antrag zurückzuziehen.
({0})
Ich
habe nicht gesagt, daß wir uns momentan in einer Aktuellen Stunde befinden. Ich habe Sie darauf hingewiesen,
daß Sie es leider verpaßt haben, zum EALG eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Aber damit habe ich kein
Problem.
Ich gehe davon aus, daß das Finanzministerium Ihnen
diese Arbeitsanweisung zur Verfügung stellen wird.
({0})
- Sie können sie auch auf kurzem Wege von Kollege zu
Kollegin bekommen. Dann können wir den Antrag heute
abend noch für erledigt erklären, und ich bekomme meinen Zug noch. Aber Herr Heinrich möchte wahrscheinlich auch noch das Wort ergreifen.
Zurück zur Lage, die ernst ist. Ich denke, wir haben
schon dadurch eine schwierige Situation für die ostdeutsche Landwirtschaft, daß die EU-Kommission das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz in Frage
gestellt hat. Gerade deshalb war im Bereich der Flächenverpachtung dringender Handlungsbedarf gegeben.
Gottfried Haschke ({1})
Deshalb, Herr Haschke, haben wir uns nicht auf den
Weg einer Gesetzesänderung gemacht. Das ist in der Tat
nicht nötig, wie Sie angemerkt haben. Vielmehr haben
wir gesagt: Wir regeln das auf dem unbürokratischen,
einfachen Weg einer Arbeitsanweisung. Das reicht momentan völlig aus, da die gesetzlichen Grundlagen vorhanden sind, aber bei der BVVG bisher eine etwas andere Praxis üblich war. Hier wollten wir durch die Arbeitsanweisung unterstützend eingreifen. Es ist uns ein sehr
wichtiges Ziel - wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben -, den ostdeutschen Landwirtschaftsbetrieben
Planungssicherheit zu geben.
({2})
Herr Haschke, es ist nicht richtig, daß das EALG und
die Verpachtung der Flächen nichts miteinander zu tun
hätten. Sie haben sehrwohl etwas miteinander zu tun,
weil durch die EALG-Entscheidung Verunsicherung
entstanden ist. Wir stehen jetzt vor einer Novellierung;
das heißt, diese Rechtsunsicherheit wird noch eine
Weile anhalten, ehe wir zu einer vernünftigen Lösung
kommen. Deshalb wollten wir wenigstens in diesem
Punkt ein Signal an die Öffentlichkeit, ein Signal an die
Betriebe, die momentan im Osten wirtschaften, geben:
daß wir sie unterstützen, daß sie sich auf die rotgrüne
Bundesregierung verlassen können.
Frau Naumann, Sie haben gesagt, die Bundesregierung hätte den Weg der Klage beschreiten sollen.
Ich halte das für den völlig falschen Weg. Wir hätten
uns in langwierige Rechtsstreitigkeiten mit der EUKommission begeben. Weil wir befürchten müssen, daß
es letztendlich doch darauf hinausgelaufen wäre, ist es
vernünftig, im Einvernehmen zu einer Lösung zu kommen, die für alle Betriebe verträglich ist, und einen Ausgleich zwischen den Interessengruppen herbeizuführen.
Ein entsprechender Vorschlag wird momentan in den
Ministerien erarbeitet. Ich bin zuversichtlich, daß wir zu
einer vernünftigen Lösung kommen werden.
({3})
Zu den Pachtverträgen. Der Kollege Schönfeld hat
die Kernpunkte der Arbeitsanweisung schon dargestellt.
Sie sind der Öffentlichkeit seit der Konferenz in Schwerin im wesentlichen bekannt. Ich denke, wir haben hier
eine sehr praktikable Lösung gefunden, indem man die
Bedenken, die auch von der CDU vorgetragen worden
sind, durchaus ernstgenommen hat. Es gibt keinen Automatismus in der Pachtverlängerung. Es wird geprüft,
ob der Pächter im Vorfeld korrekt gehandelt hat, das
heißt, ob er seiner Zahlungsverpflichtung nachgekommen ist. Er muß einen Antrag stellen; es gibt keine automatische Verlängerung der Pachtverträge. Das ist ein
deutliches Zeichen dafür, daß wir die Situation in Ostdeutschland, wo die Betriebe nur 8 Prozent Eigenflächen
haben, ernst nehmen. Die Pachtsicherheit für die Betriebe, an die eine gewisse Kreditwürdigkeit gebunden ist,
wird verdeutlicht.
({4})
Die neue Regelung der Bundesregierung festigt die
Rechtsposition der jetzigen Pächter. Es wird jetzt bereits
vor dem Verkauf der Flächen die Verlängerung möglich
gemacht, die auch bisher schon möglich gewesen wäre.
Wir wollten die Praxis beschleunigen. Das wird jetzt
umgesetzt. Wenn uns die PDS in dieser Arbeit unterstützt, indem sie den Antrag zurückzieht, und wenn wir
dann im Agrarausschuß für andere, wichtige Diskussionen mehr Zeit haben und auch hier im Plenum die wirklich aktuellen Debatten der Landwirtschaft führen können, dann freuen wir uns natürlich besonders.
({5})
Das Wort hat der
Kollege Ulrich Heinrich, F.D.P.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine sehr
delikate Diskussion, die hier geführt wird; denn es geht
nach meinem Dafürhalten auch sehr stark um Eigentum. Es geht um das EALG, wo wir einen Verkaufsstopp haben, und es geht um die Entscheidung der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung hat nach
dem, was ich heute von Ihnen gehört habe, wohl nicht
die Absicht, dagegen Klage zu erheben, weil das aller
Voraussicht nach aussichtslos wäre. Ich teile diese Meinung übrigens.
Trotz allem hat natürlich der Verkaufsstopp etwas mit
dem zu tun, was wir heute diskutieren. Ich wundere
mich besonders stark darüber, daß man - wie wir gerade
von der Kollegin Lemke gehört haben - mit der langfristigen Verpachtung möglichst noch vor dem Verkauf
Fakten schaffen will. Wer es mit dem EALG wirklich
ernst meint, wer Wiedereinrichter, Neueinrichter zum
Zuge kommen lassen will, der darf natürlich nicht durch
langfristige Pachtverträge Fakten schaffen, so daß solche
Flächenerwerbsprogramme mehr oder weniger ins Leere
laufen.
({0})
Pacht kommt vor Kauf. Langfristige Pachtverträge
sind zu berücksichtigen. Ich möchte den Landwirt sehen,
der jetzt in ein Flächenerwerbsprogramm einsteigt. Bisher ist ja nur sehr wenig verkauft worden. Der Verkauf
war sehr schleppend. Der Stopp gilt seit Dezember, seit
der Entscheidung der Kommission. Seitdem ist überhaupt kein Verkauf mehr getätigt worden. Wer jetzt versucht, mit der langfristigen Verpachtung Fakten zu
schaffen, der hält sehr wenig von Privatisierung.
({1})
Ich habe allergrößtes Interesse daran, daß die Privatisierung dieses BVVG-Landes ordentlich und in aller
Ruhe stattfinden kann. Deshalb meine ich, daß die Bundesregierung jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf
vorlegen sollte, der die Bedenken der Kommission ausräumt. Die Beihilfehöhe darf nicht über 35 Prozent hinaus angehoben werden; so sieht die Kommission es vor.
Vor allen Dingen muß auch die Stichtagsregel vom
3. Oktober 1990 außer Kraft gesetzt werden. Das ist eine
klare Vorgabe.
Dementsprechend erwarte ich von der Bundesregierung, daß sie einen Gesetzentwurf vorlegt. Ich unterstütze ihn. Ich plädiere auch für eine sehr zügige Beratung.
Wir wollen, daß das Flächenerwerbsprogramm sehr
schnell umgesetzt werden kann, damit die Möglichkeiten, Eigentum zu erwerben, geschaffen werden können,
die man mit dem Gesetzentwurf ursprünglich im Auge
hatte. Ich bin nicht bereit, einer Verlängerung zuzustimmen. Offensichtlich kann eine solche auf dem Verwaltungswege erreicht werden. Da haben wir dann keine
Mitwirkungsrechte mehr. Wenn das so ist, dann müssen
wir das hinnehmen. Die Mehrheiten im Hause sind
ohnehin klar. Das muß ich nach den eben gehaltenen
Reden erneut zur Kenntnis nehmen.
An die Antragsteller der PDS gerichtet: Wir brauchen
keine neue Diskussion. Wir müssen über die neue
Eigentumsregelung nicht noch einmal nachdenken. Sie
ist im EALG geregelt. Darüber brauchen wir nicht neu
nachzudenken. Wir brauchen auch nicht über neue Mitwirkungsrechte der Bundesländer nachzudenken. Diese
Mitwirkungsrechte der Bundesländer, die über den Bundesrat eine Veränderung des ursprünglichen Gesetzentwurfs bewirkt haben, haben zu der Entscheidung der
Europäischen Kommission geführt. Das muß man sich
vergegenwärtigen.
Insofern halte ich das, was hier vorgesehen wird, für
eigentumsfeindlich. Mir wäre es lieber, wir könnten das
Flächenerwerbsprogramm fortsetzen und die notwendigen Verpachtungen vornehmen, und zwar so, wie wir
das ursprünglich vorgesehen hatten.
Herzlichen Dank.
({2})
Das Wort für die
Bundesregierung hat der Staatsminister im Kanzleramt,
Rolf Schwanitz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst
will ich mich bei dem Antragsteller bedanken, unabhängig davon, ob das Haus entscheidet, daß der Antrag
vielleicht als erledigt anzusehen ist. Es ist aus der Sicht
der Bundesregierung schon ein außergewöhnliches und
ein erfreuliches Ereignis, wenn die Regierung, bevor die
Opposition ihre Wünsche formuliert und das Parlament
beschließt, den Vollzug melden kann.
({0})
Das ist schon ordentlich. Es ist selten; das gebe ich zu.
Ich will das aber erwähnen.
Herr Staatsminister,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten
Claus?
Bitte schön.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß dieser Antrag schon einmal vor drei Wochen
auf der vorläufigen Tagesordnung des Bundestages
stand und dessen Behandlung nur an einem Fristproblem
gescheitert ist? Das ist damals übrigens erstmals an einem Fristproblem gescheitert. Wir verzichten ansonsten
darauf, diese Dinge vorzuhalten. Ist es richtig, daß er
drei Wochen, bevor Sie nach Schwerin gekommen sind,
schon auf der Tagesordnung stand? Oder ist das falsch?
Herr Kollege, das will ich gar nicht in Abrede stellen.
Sie können sicher sein, daß die Verlängerung der Pachtverträge, so wie die Bundesregierung das beschlossen
und angewiesen hat, kein Prozeß ist, den man in zwei
Tagen entscheidet. Sie können sicher sein, daß wir an
diesem Thema schon längere Zeit arbeiten.
({0})
In der Tat ist die Verlängerung der Pachtverträge eine
Forderung, die uns nicht erst seit drei oder vier Wochen
bewegt;
({1})
die Antragsteller haben das in ihrem Antrag erwähnt.
Die Sozialdemokraten haben in der letzten Legislaturperiode diesen Vorschlag vor dem Hintergrund des
Prüfverfahrens, das es in der EU gab, und der daraus
folgenden Verunsicherungen im ländlichen Raum in
Ostdeutschland gemacht. Ich erinnere mich noch sehr
gut daran, daß von der damaligen Koalition, der heutigen Opposition, Stimmen kamen wie „völlig unnötig“,
„nicht realisierbar“ oder „nicht angebracht“.
({2})
Wenn Herr Haschke heute hier formuliert hat, die
Pachtverträge sollen verlängert werden, dann freue ich
mich darüber. Das zeigt mir, daß bei der neuen Opposition ein Stück Bewegung in das Thema gekommen ist.
Mich freut das sehr. In der Tat: Die Blockade ist vom
Tisch, wir haben das entschieden. Ich glaube, das tut der
Sache auch gut.
({3})
Meine Damen und Herren, es gibt in der Tat neuen
Handlungsdruck - das ist von verschiedenen Rednern
erwähnt worden -: Die Europäische Kommission hat am
20. Januar entschieden, daß das Flächenerwerbsprogramm nach dem EALG beanstandet wird, und zwar
im wesentlichen aus zwei Gründen. Zum einen wurde
die Regelung zur sogenannten Ortsansässigkeit - der
3. Oktober 1990 war der Stichtag - als Verstoß gegen
das Diskriminierungsverbot angesehen; zum zweiten
wurde der Umfang der Vergünstigungen, den es beim
Flächenerwerb in der alten Konstellation gab, vor dem
Hintergrund der zulässigen Beihilfehöhe beanstandet.
Deswegen sage ich ausdrücklich: Die Verlängerung
der Pachtverträge ist wichtig, sie ist das richtige Signal.
Denn selbstverständlich hat diese Entscheidung Verunsicherung bei den ostdeutschen Bauern verursacht. Wir
wollen diese Verunsicherung beseitigen und brauchen
deswegen eine klare Entscheidung mit unmittelbarem
Bezug auf diese Beanstandung.
({4})
Ich will noch zwei Hinweise zum Antrag geben, auch
wenn er sich vielleicht als erledigt herausstellen sollte.
Es ist im Begründungsteil des Antrages der Wunsch
enthalten, neue Pachtverträge abzuschließen. Meine
Damen und Herren von der PDS, ich bitte, diese Forderung noch einmal sorgsam zu überlegen. Alle, die sich
mit der Materie in den letzten Jahren beschäftigt haben,
können eigentlich nur zu dem Schluß kommen, daß,
wenn man es politisch fördern würde, neue Pachtverträge abzuschließen, genau das Gegenteil von dem eintreten würde, was wir eigentlich wollen, nämlich nicht zu
verunsichern und für Ruhe bei den Betroffenen zu sorgen. Es gäbe einen Aufschrei bei den ostdeutschen Bauern, wenn man mit neuen Pachtverträgen die Pachtverhältnisse gestalten wollte.
Ein weiterer Punkt, der im Antrag steht, erscheint mir
völlig unangebracht; ich möchte ihn deswegen erwähnen. Es wird gefordert - auch der Kollege von der
F.D.P. hat darauf hingewiesen -, daß der Privatisierungsumfang bei dieser Gelegenheit noch einmal
überdacht werden solle. Ich sage für die Bundesregierung ganz klar: Wir wollen die Privatisierung. Ich
bin übrigens fest davon überzeugt: Die ostdeutschen
Bauern wollen den Erwerb der Fläche; sie wollen nicht
im Pachtverhältnis verbleiben. Das ist ganz entscheidend. In dieser Frage, meine Damen und Herren
von der Opposition, liegt Ihr Antrag völlig neben der
Erwartungshaltung der ostdeutschen Bauern. Ich glaube, Sie müssen noch einmal kritisch auf das Papier
schauen.
Wir werden eine sorgsame Analyse der Beanstandungen der EU-Kommission vornehmen.
({5})
- Herr Grund, ich stehe gleich zur Verfügung. - Wir
werden die beiden tragenden Säulen, die beim EALG
und beim Flächenerwerbsprogramm, das wir 1994 verabschiedet haben, inhaltlich bestimmend waren, nämlich
auf der einen Seite die Gewährung von Ausgleichsleistungen in Kombination mit einem begünstigten Flächenerwerb und auf der anderen Seite die Chancengleichheit der ostdeutschen Bauern, bei der Neuregelung
zur Geschäftsgrundlage machen. Ich bin sicher, daß das
bei den ostdeutschen Bauern auf breite Zustimmung stoßen wird. Wir werden zügig handeln, so daß auch das
Thema Verkaufsstopp - da bin ich zuversichtlich - in
absehbarer Zeit vom Tisch kommt.
({6})
Zu einer Zwischenfrage der Kollege Grund.
Danke schön, Herr
Kollege Schwanitz. - Das war eigentlich meine Frage. Sie hatten zu Recht gesagt, die ostdeutschen Bauern
wollen nicht im Pachtvertrag, auch nicht im langfristigen, verbleiben. Vielmehr besteht ein großes Interesse, Flächen zu erwerben. Bis wann wird die Bundesregierung etwas vorlegen, das es den Bauern ermöglicht, zu erwerben und nicht im Pachtvertrag zu verbleiben?
Sie können davon ausgehen, daß wir an der Materie zügig arbeiten. Zur Zeit befinden wir uns in bezug auf den
Entwurf in der Ressortabstimmung. Wir werden das
selbstverständlich bald angehen und das Parlament damit befassen; denn wir haben ein gemeinsames Interesse
daran, daß die beanstandete Regelung wieder in ein übliches Verfahren hineingenommen wird und eine Beruhigung derjenigen erfolgt, die durch langfristige Pachtverträge gesichert sind, und wir in der Tat zum Flächenerwerb zurückkehren können.
({0})
Gestatten Sie eine
weitere Zwischenfrage, diesmal von der Kollegin Naumann?
Bitte schön.
Ich weiß nicht, von welchem Antrag Sie sprechen. In unserem Antrag ist nicht
von neuen Pachtverträgen die Rede.
({0})
Darin geht es ausschließlich um die Verlängerung. Dieser Antrag ist der Antrag von vor drei Wochen, er sagt
nichts zu neuen Pachtverträgen. Möchten Sie ihn sehen?
Der Beschluß steht am Anfang: „Der Bundestag
wolle beschließen:“
({1})
- Er sprach von dem, was wir fordern. Das steht aber
nicht in dem Beschluß, und auf ihn beziehen wir uns.
Ich meine die Verlängerung der Pachtverträge auf
18 Jahre.
Manchmal tut die Regelung des Bundestages, daß die
Begründung nicht mit beschlossen wird, auch der Geschäftslage gut. Das trifft auch für Ihren Antrag zu. Im
letzten Absatz der Begründung sprechen Sie von neuen
Pachtverträgen. Ich habe das gelesen, weil ich auch Ihre
Begründung lese. Insofern glaube ich, daß auch die Beanstandung richtig ist.
Herzlichen Dank.
({0})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache
14/291 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Sie sind damit einverstanden? Dann ist
die Überweisung so beschlossen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich
danke Ihnen, daß Sie bei dieser Debatte so lange ausgeharrt haben. Ich wünsche nunmehr Ihnen allen im Plenum, auf der Tribüne und in der Lobby ein schönes
Wochenende.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 17. März 1999, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.