Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettsitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Reform
der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr
2000. Außerdem hat sich das Kabinett mit der Aufstellung des Haushaltsplanes 2000 befaßt.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Gesundheit, Andrea Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat heute den Gesetzentwurf zur Reform der
gesetzlichen Krankenversicherung verabschiedet. Mit
diesem Gesetzentwurf soll die Beitragssatzstabilität der
gesetzlichen Krankenversicherung bei zugleich hohem
Leistungsniveau unseres deutschen Gesundheitssystems
auf Dauer gewährleistet werden. Der Gesetzentwurf
setzt dabei vor allen Dingen auf eine Strukturveränderung, die es allen Beteiligten ermöglichen soll, besser
und in neuen Versorgungsformen zusammenzuarbeiten.
Es soll dabei die Möglichkeit eröffnet werden, daß die
Grenzen zwischen dem stationären und dem ambulanten
Bereich, die bislang sehr stark abgegrenzt sind, durchlässiger werden. Außerdem stärken wir die Rechte von
Patientinnen und Patienten.
Der Gesetzentwurf sieht dazu eine Vielzahl von Bestimmungen vor, die der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen einen hohen Stellenwert einräumen. Es werden neue Formen der Zusammenarbeit geschaffen, zum
Beispiel indem integrierte Versorgungsformen ermöglicht werden. Hier geht es darum, daß Fachärzte verschiedener Fachrichtungen zur Versorgung von Kranken
zusammenarbeiten können, aber auch darum, daß neue,
den ambulanten und stationären Bereich übergreifende
Versorgungsformen geschaffen werden können.
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, die
Krankenhäuser durch veränderte Finanzierungsformen
für eine Veränderung in die Zukunft hinein fit zu machen. Hier geht es vor allen Dingen um ein neues Preissystem in den Krankenhäusern. Der Gesetzentwurf erteilt den Organen der Selbstverwaltung den Auftrag, ein
solches neues Preissystem zu entwickeln. Darüber hinaus soll durch eine Veränderung der Finanzierung der
Investitionen mit einer allmählichen Verlagerung der
Verantwortung von den Bundesländern auf die Krankenkassen erreicht werden, daß die Krankenhäuser mehr
Flexibilität bei der Planung ihrer Infrastruktur haben.
Dafür sieht der Gesetzentwurf einen relativ langen Zeitraum vor, weil es hier immerhin um beträchtliche Beträge geht, die von den heute verantwortlichen Ländern auf
die Krankenkassen zu übertragen sind; es braucht Zeit,
die dafür erforderlichen Mittel zu erwirtschaften.
Ich will hier aus gegebenem Anlaß darauf hinweisen,
daß bei dieser Übertragung der Finanzierungsverantwortung für die Investitionen in Krankenhäusern nicht
daran gedacht ist, die Bundesländer vollständig aus der
politischen Verantwortung für die Krankenhausplanung
zu entlassen. Vielmehr ist vorgesehen, daß die Länder
gemeinsam mit den Kassen und den Krankenhäusern
darüber entscheiden, welchen Rahmen sie für die Krankenhausplanung setzen, welche Struktur gebraucht wird.
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, auf verschiedenen Wegen eine Stärkung der Funktion des
Hausarztes zu erreichen. Es ist uns ein großes Anliegen,
daß den Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung in verstärktem Maß Hausärzte als Lotsen durch
das immer komplexer werdende System zur Verfügung
stehen. Dafür muß die Rolle des Hausarztes gegenüber
dem heute erreichten Zustand wieder gestärkt werden.
Wir wollen dies vor allen Dingen durch eine Sicherung
der Honorarbedingungen für die Hausärzte und durch
verbesserte Weiterbildung der Hausärzte erreichen, wozu der Gesetzentwurf vorsieht, bereits bestehende Regelungen weiterzuentwickeln.
Wir werden, was die Grundausbildung von Ärzten
anbelangt, im Bereich der Allgemeinarztbildung weitere
Anstrengungen unternehmen müssen. Regelungen dazu
wird ein anderes Gesetz treffen.
Von all diesen Maßnahmen, die ich jetzt in diesem
kurzen Beitrag sicherlich nur kursorisch benennen kann,
erwarten wir, daß durch eine verstärkte Qualitätssicherung und durch verbesserte Zusammenarbeit die umfangreichen Ressourcen, die wir unserem Gesundheitswesen durch die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stellen, besser als bislang genutzt werden können und daß wir deswegen auch bei
stabilen Beitragssätzen weiterhin das hohe Versorgungsniveau unserer Bevölkerung halten können.
Ich danke Ihnen.
Ich bitte zunächst
Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Wer wünscht das Wort? - Kollege
Seifert, bitte.
Frau Ministerin, ich danke Ihnen für diesen kurzen Abriß. Leider sind die meisten
Kolleginnen und Kollegen des Gesundheitsausschusses
nicht anwesend, weil sie noch bei der Anhörung sind, so
daß sich viele Fragen jetzt gar nicht stellen lassen. Vielleicht erlauben Sie mir, zumindest zwei Fragen zu stellen.
Erstens. Wie wollen Sie die Situation in den Krankenhäusern im Osten, die bekanntermaßen besonders in
der Bredouille sind, lösen?
Zweitens. Eine Frage in bezug auf das Hausarztsystem, das Sie stärken wollen. Können Sie nähere Auskünfte darüber geben, wie Sie dieses Honorarsystem gestalten wollen? Wie können die Hausärzte ein Interesse
daran gewinnen, gegebenenfalls Patientinnen und Patienten zu überweisen? Sie sollen ja die Übersicht behalten und nicht nur die Verantwortung tragen.
Bitte schön, Frau
Ministerin.
Herr Kollege Seifert, was die Lage der Krankenhäuser
im Osten anbelangt, insbesondere, was dieses Jahr anbetrifft, sind wir zur Zeit im Gespräch sowohl mit den
Krankenhausgesellschaften als auch mit den Krankenkassen. Es gibt dort noch Unstimmigkeiten unter den
Beteiligten über die Datengrundlage. Wir sind aber sehr
zuversichtlich, daß wir in absehbarer Zeit eine Einigung
in der Frage erzielen werden, ob es für die Krankenhäuser in Ostdeutschland gesonderter Maßnahmen auch jenseits dieses Reformgesetzes in diesem Jahr bedarf, um
deren Finanzen für das laufende Jahr sicherzustellen.
Zur Frage des Hausarztsystems und des Interesses des
Hausarztes, seinen Patienten dann, wenn es not tut,
weiterzugeben. Ich denke, dieses Interesse wird man nur
auf verschiedenen Wegen erreichen können.
Insgesamt finde ich es wichtig, sich klarzumachen,
daß es sich bei der Stärkung des Hausarztes, von der wir
sprechen, um einen Prozeß handelt. Das soll nicht mit
dem 1. Januar 2000 verordnet werden. Deswegen wird
es auch weiterhin bei der freien Arztwahl bleiben.
Bei der Frage, bis wann der Hausarzt der richtige Ansprechpartner für den Patienten ist und wann dies ein
anderer Arzt sein muß, sind meiner Meinung nach die
integrierten Versorgungsformen ein ganz zentraler
Punkt. Dort kann über genau dieses Problem gesprochen
werden, und dort kann es Absprachen zwischen den beteiligten Ärzten geben.
Ich glaube, diese integrierten Versorgungsformen
werden insbesondere in dem Bereich der Behandlung
von chronisch Kranken sehr bedeutsam sein können,
weil dort häufig ein sehr komplexer Krankheitsverlauf
die gute Zusammenarbeit von verschiedenen Ärztinnen
und Ärzten verlangt. Wenn man das in einer Art neuem
Versorgungsnetz organisierte, müßte damit eigentlich
auch die heute noch vorhandene Angst der Ärzte entfallen, durch eine Überweisung den betreffenden Patienten
auf Dauer zu verlieren. Es geht uns darum, daß der Patient zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, daß der eine
Arzt ihn dann abgibt, wenn es not tut, ihn aber auch zurücknimmt, wenn es wieder sinnvoll ist.
Ich glaube schon, daß das Verhältnis der Inanspruchnahme von Leistungen des Hausarztes und von Leistungen des niedergelassenen Facharztes wieder ins Lot
kommen könnte.
Wir erwarten auch einiges von den Vorgaben, die wir
der ärztlichen Selbstverwaltung gemacht haben, zum
Beispiel die Honorierung von Hausärzten dadurch zu sichern, daß es einen fest verfügbaren Topf für die Hausärzte gibt, der nicht von den anderen Ärztegruppen in
Anspruch genommen werden kann. Wir hoffen, daß wir
damit etwas mehr Ruhe in diesen innerärztlichen Verteilungskampf bringen. Die Ausfüllung dessen wird
wieder Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung sein.
Aber wir hoffen, daß wir dadurch auch an diesem Punkt
einen richtigen Anreiz setzen können.
Eine Nachfrage des
Kollegen Seifert.
Frau Ministerin, ich möchte
Ihren Gedanken zu den chronisch kranken Menschen
gern noch einmal aufgreifen; dort ist ja die Angst, was
den Hausarzt angeht, weit verbreitet: Sieht denn Ihr Gesetzentwurf vor, daß zum Beispiel auch ein Spezialist
für Diabetes oder etwas anderes die Hausarztfunktion
übernehmen kann? Wenn ja, wie soll das funktionieren?
Für viele Menschen mit chronischen Krankheiten wäre
eine solche Regelung sehr, sehr wichtig.
Herr Kollege Seifert, ich fürchte, da ist zum Teil auch
ein Mißverständnis in der öffentlichen Debatte entstanden. Unser Gesetzentwurf enthält keinerlei Vorschrift,
wer zu welchem Arzt zu gehen hat und wo er eventuell
nicht hingehen darf. Wenn wir von einer Stärkung des
Hausarztes sprechen, dann meinen wir damit, daß es
Sinn macht - das zeigen die internationalen Erfahrungen
und auch die Erfahrungen der Menschen in Ostdeutschland -, daß ich mich als Patientin einer Ärztin meines
Vertrauens anvertraue, die dann auch kompetenter als
ich entscheiden kann, wo ein Facharzt besser ist als sie.
Habe ich aber zum Beispiel Diabetes und habe eine Diabetologin gefunden, die eine andere Grundausbildung
als Allgemeinmedizin hat, und komme ich mit dieser
Fachärztin wunderbar zurecht, dann brauche ich sie
nicht zu wechseln, dann ist sie sozusagen die Lotsin, von
der ich vorhin gesprochen habe.
Es geht - ich sage es noch einmal deutlich - nicht um
eine Einschränkung der freien Arztwahl, sondern es geht
darum, daß wir die Arbeitsbedingungen für die Hausärzte verbessern wollen, so daß es dort aus der Perspektive von Ärzten auch andere Möglichkeiten gibt. Aus der
Perspektive von Patientinnen und Patienten soll jeder die
Möglichkeit haben, sich den Arzt oder die Ärztin zu
wählen, den oder die er für sich als richtig empfindet.
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Wolf.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir wissen
alle, daß der medizinisch-technische Fortschritt immer
mehr voranschreitet. Wie läßt sich das mit dem von Ihnen vorgesehenen Globalbudget vereinbaren?
Der Begriff des Globalbudgets hat ja verschiedene
Aspekte. Einer davon ist, daß wir sagen: Die Ausgaben,
die wir in die solidarisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung geben, sollen jedes Jahr so steigen, wie
auch die Löhne steigen. Bei stabilem Beitragssatz werden also höhere Löhne entsprechend mehr Geld in die
gesetzliche Krankenversicherung bringen. Nur damit
man sich die Größenordnung klarmachen kann: Wenn
zum Beispiel im nächsten Jahr in Deutschland alle Löhne um zwei Prozent steigen würden, wären das fünf
Milliarden DM mehr für die gesetzliche Krankenversicherung.
Daß einiges von dem, was es inzwischen an medizinisch-technischem Fortschritt gibt, ausgesprochen kostspielig ist, ist unbestritten und könnte eventuell auch eine stärkere Preisentwicklung haben, als sie sich in den
Löhnen ausdrückt. Deswegen ist es so wichtig, daß wir
im Rahmen des Gesetzentwurfs versuchen, über Qualitätssicherung und Leitlinien für die Therapierung mehr
Gewißheit über das, was man im Gesundheitswesen
macht, hineinzubringen.
Es geht im Grunde darum, dem gesamten Gesundheitswesen Mittel zu einer ständigen kritischen Selbstüberprüfung dessen an die Hand zu geben, was sie machen. Wir dürfen nicht immer nur auf das, was es bislang schon gibt, etwas Neues draufsatteln, sondern wir
müssen das Neue daraufhin überprüfen, ob es besser ist
und ob man dadurch Altes ersetzen kann. Es geht also
nicht darum, unbegrenzt immer nur Neues zu entwikkeln, sondern es geht darum, dieses Neue sehr gut zu
überprüfen und das System einem ständigen Erneuerungsprozeß auszusetzen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß man mit einer
solchen Steigerung, die der Lohnsteigerung entsprechen
soll, und mit diesem Überprüfungsprozeß den medizinischen Fortschritt im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, so er denn sinnvoll ist, auch in Zukunft
gewährleisten kann.
Nächste Frage, Herr
Kollege Lohmann.
Frau Ministerin, Sie haben eben - ich möchte darauf zurückkommen - im Zusammenhang mit dem Vorhaben
der Stärkung des Hausarztsystems auch die materielle
Seite angesprochen. Es ist offensichtlich beabsichtigt,
auch für diesen Bereich mehr Mittel zur Verfügung zu
stellen. Eben ist hier schon die Frage nach dem Globalbudget gestellt worden. Ich möchte sie gern vertiefen.
Wenn sowieso in diesem Jahr wahrscheinlich mit Defiziten zu rechnen ist - die Gründe will ich jetzt nicht
diskutieren - und andererseits wegen der engen Anbindung an die Grundlohnsumme, die sich ja nach menschlichem Ermessen nur sehr bescheiden entwickeln wird,
beim Globalbudget in den nächsten Jahren keine großen
Steigerungen möglich sind, müßten Sie dann nicht auch
sagen, daß das gesamte Honorarbudget der Ärzteschaft
eine Neuaufteilung erfahren soll, nämlich daß die Hausärzte, wie Sie dies wünschen, mehr bekommen, die
Fachärzte aber wohl weniger als bisher bekommen, und
das, obwohl durch die EBM-Neuordnung und durch
Verschiebungen auch schon in der Vergangenheit eine
Besserstellung der sprechenden Medizin zu Lasten der
Apparatemedizin stattgefunden hat?
Ja, Herr Kollege Lohmann, es geht um eine solche Verschiebung, weil wir davon ausgehen, daß bei einer sinnvollen Arbeitsteilung im ambulanten Bereich der Anteil
der hausärztlichen Versorgung mas o menos bei 60 Prozent und der der fachärztlichen Versorgung bei 40 Prozent liegt. Dies ist nicht unbedingt in allen Bezirken der
Kassenärztlichen Vereinigung der Fall. Die Steigerungen sind, wie Sie selbst gesagt haben, begrenzt. Deswegen geht es selbstverständlich auch um die Verteilungsfrage.
Allerdings hat sich bei den Versuchen der letzten Jahre, zu einer anderen Bewertung zu kommen - die auch
im Rahmen der ärztlichen Selbstverwaltung unternommen wurden -, erwiesen, daß das, was als Stärkung der
hausärztlichen Versorgung gedacht war, auch von seiten
der Fachärzte als eine weitere Abrechnungsmöglichkeit
genutzt wurde. Wir sehen deshalb eine Abgrenzung der
Töpfe vor. Weiterhin sollen verbindliche Regelungen
dazu führen, daß die unterschiedlichen EBM für die Bereiche der fachärztlichen und der hausärztlichen Versorgung nicht miteinander vermischt werden.
Man wird keine endgültige Lösung finden können,
die alle zufriedenstellt. Ich glaube, daß man nur versuBundesministerin Andrea Fischer
chen kann, in diesem - wie wir alle wissen - sehr
schwierigen Konflikt zwischen den verschiedenen
Gruppen etwas mehr Angemessenheit der Vergütung
herzustellen. Dafür sind wir aber auch darauf angewiesen, daß die ärztliche Selbstverwaltung dies entsprechend unterstützt, wie dies derzeit schon in der ärztlichen Selbstverwaltung unter dem Stichwort EBM 2000
diskutiert wird.
Kollegin SchmidtZadel.
Frau Ministerin, in
der Diskussion um das Gesundheitswesen melden sich
sehr viele Gruppen zu Wort. Nach dem erklärten Willen
des Ministeriums, aber auch der Fraktionen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen sollen die Patientinnen und
Patienten im Mittelpunkt der Gesundheitsreform stehen,
die oft viel zu kurz kommen. Welchen Nutzen haben die
Regelungen des Kabinettsentwurfes für die Patientinnen
und Patienten? Ich wäre dankbar, wenn Sie das einmal
näher erläutern könnten.
Frau Kollegin Schmidt-Zadel, ich denke, man kann an
verschiedenen Stellen unseres Gesetzentwurfes festmachen, wie wir versuchen wollen, die Position von Patientinnen und Patienten zu stärken. Ich habe vorhin im
Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Seifert
schon darauf hingewiesen, daß wir in den nächsten Jahren - das hat mit dem demographischen Wandel, also
mit dem Alter der Patientinnen und Patienten zu tun eine wachsende Zahl von Menschen mit chronischen
und Mehrfacherkrankungen bekommen. Dafür bedarf es
neuer Versorgungsformen mit besserer Zusammenarbeit.
Gerade für Patientinnen und Patienten mit komplizierten
Krankheitsverläufen wird die Stärkung ihrer Position ein
ganz wichtiger Aspekt sein.
Ich bin auch ganz persönlich davon überzeugt, daß
für die Patientinnen und Patienten etwas zu gewinnen
ist, wenn es uns gelingt, die Position von Hausärzten
wieder zu stärken und den Patientinnen und Patienten
wieder das Vertrauen zu geben, daß es Sinn macht, sich
dem Hausarzt als Lotsen anzuvertrauen.
Ein weiterer Punkt ist, daß wir erste Schritte in Richtung einer Stärkung von Patientenrechten gehen wollen.
Die beiden Fraktionen, die die Regierung stellen, haben
sich vorgenommen, ein eigenständiges Patientenschutzgesetz in Angriff zu nehmen, wobei man das nicht alles
in ein Gesetz packen kann. Aber wir haben schon im
vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen, daß zum Beispiel die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten sollen,
Patienten bei Behandlungsfehlern zu unterstützen. Ich
denke, das ist für viele, die sich in diesem Bereich
alleingelassen fühlen, ein ganz wichtiger Aspekt.
Ich halte es auch für ein ganz wichtiges Signal, daß
wir sehr stark über die Eigenverantwortung von Patientinnen und Patienten sprechen. Das wird aber aus unserer Perspektive mit Selbsthilfe und Gesundheitsförderung buchstabiert, wobei wir, aus den Erfahrungen der
letzten Jahre lernend, mit entsprechend hohen Qualitätsmaßstäben neue Möglichkeiten eröffnen wollen, daß
Selbsthilfe und Gesundheitsförderung betrieben werden.
Das ist zunächst einmal eine positive Botschaft für Patientinnen und Patienten, aber sie bedeutet natürlich auch,
daß wir etwas von ihnen verlangen, nämlich daß sie sich
um ihre eigene Gesundheit kümmern.
Das Wort erhält Herr
Kollege Heil.
Frau Ministerin, unser System
leidet im wesentlichen unter der starken Abschottung
der Versorgungsstrukturen, sowohl was Wirtschaftlichkeitsreserven betrifft als auch was die Zielgenauigkeit
im Interesse von Patientinnen und Patienten betrifft.
Können Sie uns erläutern, in welcher Weise der Kabinettsentwurf in dieser Richtung eine positive Veränderung bringt, das heißt, die Verzahnung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung beispielsweise fördert?
Da ich hier niemanden langweilen will, sage ich noch
einmal stichwortartig, daß die Versorgungsverträge, von
denen ich gerade sprach, vom ambulanten in den stationären Bereich hineinragen sollen. Das wird gerade bei
komplizierten Krankheitsverläufen der Fall sein. Wir
haben deswegen auch vorgeschlagen, daß die Krankenhäuser die Möglichkeit erhalten sollen, sich bei hochspezialisierten Krankheiten an der ambulanten Betreuung zu beteiligen, wenn die Krankenhäuser dafür gut
geeignet sind. Das wird durch entsprechende Vereinbarungen zwischen dem ambulanten Bereich und dem stationären Bereich zu gewährleisten sein.
Wir haben es hier mit einem sehr konfliktträchtigen
Feld zu tun, weil alle Beteiligten sich ein wenig besorgt
fragen, in welche Art von Wettbewerb sie damit getrieben werden. Wir haben dafür eine, wie ich meine, bedachtsame Lösung gefunden, indem wir sagen: Man
muß genau vereinbaren, wofür die Krankenhäuser dies
dürfen und wo die Grenze ist. Denn wir wollten hier
auch nicht die Interessen des niedergelassenen Sektors
verletzen.
Wir wollen sozusagen beim Übergang zwischen
Krankenhaus und ambulanter Betreuung mehr Flexibilität erreichen, indem wir dort neue Fristen einführen.
Ich denke, daß es gerade dieser Übergang ist, wo es häufig noch hakt. Alle, die in Krankenhäusern arbeiten, wissen, daß die Entlassung häufig daran scheitert, daß die
nachstationäre Betreuung nicht unbedingt gewährleistet
ist.
Wir wollen auf der anderen Seite aber auch den Katalog mit ambulanten Operationen erneuern und modernisieren, um klarzustellen, wann ein Krankenhausaufenthalt gar nicht mehr notwendig ist. Ein wichtiger
Punkt ist auch, daß wir bei den Notfallambulanzen durch
Verträge, die mit dem niedergelassenen Bereich vereinbart werden können, erreichen wollen, daß unnötige
Einweisungen ins Krankenhaus infolge eines Notfalls
entfallen.
Es ist immer eine Frage der Perspektive, ob es viel
oder wenig ist, was wir hier tun, gerade weil dieser Bereich zwischen allen Seiten so konfliktträchtig ist. Das
hat eine lange Vorgeschichte. Es gibt ja Ursachen für
diese strikte Trennung zwischen ambulant und stationär
bei uns. Deshalb sind wir hier bedachtsam vorgegangen
und arbeiten auch mit diesen Katalogen. Ich glaube, daß
das ein guter Kompromiß ist, mit dem wir aber auf jeden
Fall mit dem Vorhaben weiterkommen, daß wir die
Sektorengrenze zwischen dem ambulanten und dem stationären Bereich durchlässiger machen wollen.
Kollegin GöringEckardt, bitte.
Frau Ministerin, über den vorliegenden Gesetzentwurf - von den Eckpunkten über den Arbeits- bis hin
zum Referentenentwurf - ist schon sehr lange diskutiert
worden. Ich würde Sie gerne fragen, welche Punkte sich
nach dieser Diskussion im Kabinettsentwurf geändert
haben, beispielsweise welche Modellvorhaben in den
Kabinettsentwurf eingearbeitet worden sind.
Frau Ministerin, ich
möchte Sie bitten, sich etwas kürzer zu fassen. Es liegen
noch eine ganze Reihe von Fragen vor.
Ich denke schon, daß nach dem umfangreichen Diskussionsprozeß klar wird, daß sich an den Eckpunkten, die
ich eingangs beschrieben habe, nichts geändert hat.
Vielmehr wurde manches während dieser Diskussionszeit konkreter gemacht bzw. modifiziert, nicht zuletzt
auf Grund von Einwendungen, die wir von anderer Seite
erhalten haben.
Wir haben vorgesehen, in verschiedenen Bereichen
modellhaft vorzugehen, zum Beispiel in bezug auf die
unabhängige Patientenberatung, die finanziert werden
kann. Ebenso wie wir die Möglichkeit eröffnet haben,
daß die integrierte Versorgung zu einem Teil der Regelversorgung werden kann, soll sie auch weiterhin in Modellversuchen fortentwickelt werden können. - Damit
beende ich - denn der Präsident schaut schon vorwurfsvoll - meine Antwort.
Kollege Schuster,
bitte.
Frau Ministerin, ich
gehe davon aus, daß wir in der nächsten Woche die
eigentliche inhaltliche Debatte in aller Deutlichkeit miteinander führen werden. Deswegen möchte ich mich auf
einen ganz anderen Aspekt beschränken. Sie wissen
selbst, daß das Gesundheitsversorgungssystem ein vermintes System ist. Manche sprechen von einem Haifischbecken. Ihr Vorgänger kann davon ein Lied singen.
Nun wird in der Öffentlichkeit der nach meinem Verständnis wahrheitswidrige Eindruck erweckt, als ob Ihr
Haus nicht bereit wäre, während des weiteren Verfahrens die Interessentengruppierungen zu einem Dialog
einzuladen. Könnten Sie uns bitte darstellen, wie Sie Ihre Dialogbereitschaft mit den entsprechenden Lobbygruppen organisieren wollen und daß Sie dialogwillig
sind.
Herr Kollege Schuster, teilweise war es ja der Presse zu
entnehmen, daß ich den Dialog mit niemandem aus dem
Bereich des Gesundheitswesens scheue. Aber grundsätzlich ist zu sagen: An den drei verschiedenen Etappen, die der Gesetzentwurf jetzt hinter sich hat, können
zumindest diejenigen, die sich in der Gesundheitspolitik
gut auskennen, erkennen, daß es Bewegung gegeben hat.
Ergebnisse aus Gesprächen sind sicherlich in den jetzt
vorliegenden Gesetzentwurf mit eingeflossen. Es hat also entgegen landläufiger Darstellung erheblich mehr
Gespräche gegeben.
Wir werden am kommenden Sonntag eine große
Kampagne eröffnen, die „Dialog Gesundheit“ heißt und
die ganz wesentlich darin besteht, daß ich mich persönlich, daß sich weitere Mitglieder meines Hauses, aber
selbstverständlich auch Abgeordnete der Koalitionsfraktionen der öffentlichen Debatte stellen. Das wird übrigens eine Debatte nicht nur mit den Leistungserbringern sein - so wichtig die im Gesundheitswesen sind -,
sondern natürlich auch mit Patientinnen und Patienten,
die eine Menge an Fragen bezüglich dessen haben, was
wir im Gesundheitsbereich vorhaben. Das heißt, wir
werden sozusagen über Land ziehen, mit den Menschen
sprechen und alle Möglichkeiten wahrnehmen, die es
gibt.
Ich will bei dieser Gelegenheit feststellen: Dieser Gesetzentwurf wird mit Sicherheit von den Parlamentariern
während der Beratungen verändert werden. Da werden
solche Debatten mit einfließen. Ich habe mich immer
gewundert, wie aufgeregt über erste Entwürfe dieses
Gesetzentwurfes gesprochen wurde, als sei das nicht der
Auftakt zu einem langen Beratungsprozeß. Den werden
wir jetzt in eine organisierte Form überführen.
Herr Kollege Pfaff.
Frau Ministerin, stimmen
Sie mir zu - ich frage dies im Hinblick auf die vom
Kollegen Lohmann gestellte Frage -, daß zwar einige
Reformen des Vergütungssystems im ambulantärztlichen Bereich die zuwendungsorientierte Medizin
stärken sollten, daß aber trotz dieser Reformschritte der
Ärzteschaft noch eine sehr große Ungleichheit in der
Verteilung der Einkommen besteht, die von der Sache
her nicht zu rechtfertigen ist, und daß der Hausarzt in
seiner Funktion auf jeden Fall gestärkt werden muß?
Herr Kollege Pfaff, da stimme ich Ihnen zu. Das ist einer der Gründe dafür, warum wir die von mir soeben
schon beschriebenen Maßnahmen ergriffen haben und
warum versucht wurde, diesbezügliche Signale an die
ärztliche Selbstverwaltung zu senden.
Ich bin mir nicht sicher, ob da schon das letzte Wort
gesprochen ist. Wir haben dem Sachverständigenrat für
das Gesundheitswesen den Auftrag gegeben, sich noch
einmal genau mit den Vergütungsstrukturen zu beschäftigen, weil wir wissen, daß diese eine starke Anreizwirkung und einen starken Einfluß darauf haben, wie behandelt wird und wie das Verhältnis zwischen den verschiedenen Arztgruppen ist. Wir hoffen, daß wir durch
dieses Gutachten Anregungen bekommen, wie weiter zu
verfahren ist. Das ist etwas, was wir im Einklang mit der
ärztlichen Selbstverwaltung machen müssen. Aber die
relativ stiefmütterliche Behandlung der Hausärzte
möchten wir gerne überwinden.
Kollege Holetschek,
bitte.
Frau Ministerin,
warum sind Sie in Ihrem Gesetzentwurf im Bereich Kuren weit hinter dem zurückgeblieben, was Sie zu Oppositionszeiten gefordert haben und was auch der Freistaat
Bayern gefordert hat, und warum haben Sie zudem mit
dem Globalbudget ein Instrument geschaffen, das in diesem Bereich wieder zu Kürzungen führen wird?
Herr Kollege Holetschek, so ganz mag ich mir den
Schuh nicht anziehen, wir täten im Bereich der Kuren
nicht genug. Zugegebenermaßen werden wir nicht zu
dem Status quo vor der Reform der Regierung, die unter
anderem von Ihrer Partei gestellt wurde, zurückkehren.
Das können wir nicht. Ich finde auch, es würde die
Grundlage für weitere Gespräche in der Gesundheitspolitik verbessern, wenn wir gegenseitig anerkennen
würden, daß die Bewältigung der Finanzprobleme in der
Gesundheitspolitik eine ständige Aufgabe ist. Diese
hatten Sie zu leisten, als Sie die Regierung stellten, respektive mein Vorgänger, und diese habe auch ich zu
leisten.
Ich glaube, daß die Wege, die wir zur Stärkung der
Rehabilitation, insbesondere der ambulanten Rehabilitation, eingeschlagen haben, moderat sind, so daß man sie
mit dem Ziel der Beitragssatzstabilität in Einklang bringen kann. Sie werden mit Sicherheit die Lage in den
Kurorten deutlich entspannen - dies zu dem strukturpolitischen Argument. Angesichts dessen, was die Vorgängerregierung im Bereich der Kuren gemacht hätte,
braucht man uns nicht den Vorwurf zu machen, wir täten da nicht genug.
Es hat sich noch eine
ganze Reihe von Fragestellern gemeldet. Ich will nur
darauf hinweisen, daß, wenn wir die Regierungsbefragung verlängern, die Fragestunde um diese Zeit verkürzt
wird.
Zudem gibt es Fragen, die sich an andere Mitglieder
des Kabinetts richten. Es liegt in Ihrem Ermessen, ob
wir noch weitere 10 oder 15 Minuten beim Bereich der
Gesundheitsministerin bleiben oder ob wir das Thema
wechseln. Wer zieht seine Fragen zurück? So können
wir am einfachsten vorgehen. - Dann ist der nächste der
Kollege Dörflinger.
Frau Bundesministerin, Sie hatten angekündigt, vom bislang geltenden
dualistischen Prinzip der Krankenhausfinanzierung zur
monistischen Finanzierung übergehen zu wollen. Ich
frage Sie: Können Sie mir erklären, wer den finanziellen
Beitrag erbringen soll - und aus welchen Mitteln -, der
bisher von den Bundesländern erbracht wurde, angesichts der Tatsache, daß die gesetzliche Krankenversicherung Beitragssatzstabilität gewährleisten soll?
Einer der Gründe, warum wir für den Übergang zur monistischen Finanzierung einen relativ langen Zeitraum
vorgesehen haben, ist, daß wir Zeit brauchen. Wir brauchen Zeit, bis die Wirtschaftlichkeitsreserven in den
Krankenhäusern erschlossen werden. Wir brauchen Zeit,
um das Preissystem in den Krankenhäusern so umzustellen, daß es eher der betriebswirtschaftlichen Wahrheit entspricht als das heutige. Für diejenigen, die die
Krankenhäuser zu organisieren haben, wird dies ein
wichtiger Anhaltspunkt dafür sein, wie man die Krankenhäuser für die Zukunft fit macht.
Zum Teil wird es eine Gegenfinanzierung seitens der
Länder geben. Diese soll in einigen Jahren über die
Steuerfinanzierung von sogenannten versicherungsfremden Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
einsetzen.
Ich glaube, daß wir auf dem richtigen Weg sind, beides zu gewährleisten. Ich bin der Überzeugung, daß wir
mit der monistischen Finanzierung eine zukunftsgerechte Finanzierung haben. Es macht ökonomisch Sinn,
daß diejenigen, die für den laufenden Betrieb verantwortlich sind, auch über die Investitionen in den Krankenhäusern mit entscheiden können, was heute nicht der
Fall ist.
Kollege Koppelin.
Frau Ministerin, ist mein
Eindruck auf Grund der vielen Fragen aus den Koalitionsfraktionen an Sie richtig, daß die Koalitionsfraktionen anscheinend überhaupt nicht an diesem Gesetzentwurf beteiligt oder darüber informiert gewesen sind?
Denn sonst würden ja nicht so viele Fragen kommen.
({0})
Ist darüber hinaus mein Eindruck richtig, daß die Koalitionsfraktionen von diesem Gesetzentwurf aus Ihrem
Hause anscheinend völlig überrascht worden sind? Oder
könnte mein Eindruck richtig sein, daß Sie von den
Koalitionsfraktionen so intensiv befragt werden und daß
Ihre Antworten so lang sind, um zu vermeiden, daß
Bundesminister Eichel hier spricht, was ich natürlich
verstehen könnte?
({1})
Herr Kollege Koppelin, es mag sein, daß Sie in den
letzten drei Monaten nicht Zeitung gelesen haben und
deswegen von diesem Gesetzentwurf überrascht worden
sind.
({0})
- Aber Herr Kollege Koppelin, jetzt machen Sie sich
doch nicht weniger klug, als Sie sind. Ich glaube, man
muß nicht Mitglied einer der beiden Fraktionen, die die
Regierung stellen, sein, damit man in den letzten Wochen und Monaten mitbekommen konnte, daß wir eine
sehr lebhafte und ausführliche Auseinandersetzung und
Debatte über diesen Gesetzentwurf hatten. Sie können
davon ausgehen, daß die Fraktionen bestens informiert
sind. Gleichwohl ist es natürlich ein ausführliches Projekt von einem Gesetzesvorhaben mit sehr vielen Facetten. Ich meine, daß es auch für Mitglieder von Fraktionen in diesem Haus, die die Regierung stellen, zu ihrer
guten parlamentarischen Pflicht gehört, die Ministerin,
die sie prinzipiell unterstützen, in dieser Angelegenheit
zu befragen.
({1})
Das Parlament kann sich heute alle Zeit der Welt nehmen, meinen Kollegen Eichel und andere ebenfalls zu
befragen.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, als letzten Fragesteller in der Regierungsbefragung rufe ich den Kollegen Michelbach auf, der
eine Frage an den Finanzminister angemeldet hat.
Herr Bundesfinanzminister, meine Frage geht dahin, welche Auswirkungen die steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung auf die Konjunktur und die Ziele der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit haben. Ist es nicht absolut Gift
für mehr Wachstum und Beschäftigung, wenn Sie jetzt
neue Ökosteuerstufenbelastungen schaffen,
({0})
bei der halbherzigen Reduzierung der Unternehmensteuersätze
({1})
gleichzeitig weitere Gegenfinanzierungen vornehmen,
die degressive Abschreibung von 30 auf 20 Prozent verschlechtern und damit Liquidität und Investitionsmöglichkeiten weiter zu Lasten der Arbeitsplätze einschränken?
Herr Minister Eichel,
bitte.
Herr
Abgeordneter, was die Bewertung betrifft, so beziehe
ich mich auf den Bericht, den Sie heute im „Handelsblatt“ über die Ausführungen des Chefvolkswirts der
Dresdner Bank, Herrn Friderichs, lesen können, der die
von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen genau
entgegen dem beurteilt, wie Sie sie eben beurteilt haben,
nämlich außerordentlich positiv.
({0})
Zweitens ist es grundfalsch, was Sie gesagt haben.
Die Bundesregierung hat bereits mit der geltenden Einkommensteuerreform, die die größte jemals veranstaltete
Einkommensteuerreform in der Geschichte der Bundesrepublik ist,
({1})
für diese Wahlperiode eine Entlastung am unteren Ende
der Einkommensteuerskala von 6 Punkten - das ist extrem wichtig für den Arbeitsmarkt; das wird bis 2002 in
drei Stufen erreicht -, das heißt nachhaltig von 36 Milliarden DM, beschlossen.
Was die Unternehmensteuerreform betrifft, so hat das
Kabinett heute die Eckpunkte beschlossen, auf deren
Basis jetzt die notwendigen Planspiele angestellt werden. Von da aus werden wir im Herbst ins Gesetzgebungsverfahren kommen. Es geht an dieser Stelle um
eine Nettoentlastung von 8 Milliarden DM im Entstehungsjahr, und es geht um einen Körperschaftsteuersatz
von 25 Prozent.
({2})
- Natürlich zuzüglich der Gewerbesteuer. Sie können
einen nach unten offenen Wettbewerb veranstalten. Wir
liegen - die Unternehmen sind sehr froh darüber - mit
einem solchen Steuerrecht im europäischen Vergleich an
dieser Stelle systematisch hervorragend und, was den
Steuersatz betrifft, im unteren Bereich der Mitte. Das ist
die Situation. Das heißt, Deutschland positioniert sich
mit einem solchen Unternehmensteuerrecht in Europa
hervorragend.
({3})
Das sind massive Verbesserungen der Rahmenbedingungen sowohl für die Investitionen und damit für die
Angebotsseite wie auch für die Nachfrageseite, für die
Arbeitnehmer genauso wie für die Unternehmen. Deswegen haben wir auch die enormen Anstrengungen
eines 30-Milliarden-DM-Sparpakets unternommen, damit wir mit diesen Steuersenkungen Vorteile sowohl für
die Arbeitnehmer wie für den reinvestierten Gewinn und
damit wesentlich bessere Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung schaffen können.
({4})
Da wir schon deutlich über die Zeit der Regierungsbefragung sind, beende
ich die Regierungsbefragung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 14/1189, 14/1201 Zunächst behandeln wir zwei Dringliche Fragen des
Kollegen Koppelin zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung der Fragen hat Staatssekretär Steinmeier das Wort.
Wir kommen zur ersten Dringlichen Frage des Kollegen Koppelin:
Treffen verschiedene Pressemeldungen zu, wonach Bundeskanzler Gerhard Schröder sich vom Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, persönlich
desavouiert gefühlt hat und dieses gegenüber dem Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, deutlich gemacht hat?
Herr Koppelin, Sie hatten gefragt,
ob sich der Bundeskanzler durch Äußerungen des Bundesumweltministers - wörtlich - desavouiert gefühlt
habe. Ich will Ihnen dazu antworten: Pressemeldungen,
die dieses behaupten, treffen nicht zu.
({0})
Nachfrage.
Darf ich fragen, ob auch
die Pressemitteilungen nicht zutreffen, daß Herr Bundesaußenminister Fischer ins Kanzleramt bestellt wurde,
um die Angelegenheit mit ihm zu bereden?
Der Bundesaußenminister wird regelmäßig nicht ins Kanzleramt bestellt, sondern er folgt
dann, wenn er eingeladen wird, in der Regel dieser Einladung.
({0})
Es hat in der Tat in der letzten Zeit eine Reihe von
Gesprächsanlässen gegeben.
({1})
Eine weitere Nachfrage.
Vielen Dank für den
Hinweis, daß es diese Gespräche gegeben hat. Da anscheinend so viele Falschmeldungen in den Medien waren, darf ich Sie fragen, wie der richtige Ablauf und der
richtige Gesprächsinhalt gewesen sind. Dann wären
auch die Medien richtig informiert und müßten nicht
weiter falsch berichten.
Über interne Gespräche zwischen
dem Bundeskanzler und dem Außenminister, die zur
internen Meinungs- und Willensbildung der Bundesregierung gehören, will ich in dieser Stunde hier nichts
zum Ausdruck bringen.
({0})
Ich rufe die zweite
Dringliche Frage des Kollegen Koppelin auf:
Aus welchen Gründen hat Bundeskanzler Gerhard Schröder
zu den koalitionsinternen Diskussionen in der ZDF-Sendung am
20. Juni 1999 „Berlin direkt“ erklärt: „Ich kann das nicht laufen
lassen“, und was genau will Bundeskanzler Gerhard Schröder so
nicht mehr weiterlaufen lassen?
Die zweite Frage bezieht sich auf die
Sendung „Berlin direkt“ am 20. Juni 1999, in der der
Bundeskanzler den Satz geäußert hat: „Ich kann das so
nicht laufen lassen.“
Herr Abgeordneter Koppelin, es gab vor dieser Sendung in der Tat einen koalitionsinternen Streit, eine
koalitionsinterne Auseinandersetzung um die Zukunft
der Alterssicherung. Diese wurde sehr zum Bedauern
des Bundeskanzlers auch öffentlich ausgetragen.
Da die Zukunft der Alterssicherung, die Eckpunkte
der Rentenreform zu einem Reformpaket gehören, mit
dem sich das Kabinett heute vormittag befaßt hat - dazu
gehören der Haushalt 2000, der Familienlastenausgleich
und die Reform der Unternehmensteuer; das klang gerade in dem Beitrag von Herrn Finanzminister Eichel an -,
schien es untunlich, daß diese Auseinandersetzungen
oder Meinungsdifferenzen öffentlich ausgetragen wurden. Dem Bundeskanzler kam es darauf an, daß die
Vorlagen, die dazu in Erarbeitung befindlich waren, in
einem ordentlichen Abstimmungsverfahren abgearbeitet
und dann demnächst dem parlamentarischen Verfahren
zugeführt werden.
({0})
Kollege Koppelin.
Da der Bundeskanzler
gesagt hat, daß er das so nicht weiterlaufen lassen kann,
möchte ich fragen, ob Sie etwas zu folgender AFPMeldung sagen können:
Knapp drei Stunden saßen die Koalitionäre am
Montag abend zusammen, doppelt so lange wie geplant.
Dagegen ist nichts zu sagen.
An irgendeiner Stelle des Gesprächs soll Schröder
sehr laut geworden sein, hieß es am Morgen danach
in Bonn.
Präsident Wolfgang Thierse
Können Sie mir sagen, an welcher Stelle der Bundeskanzler besonders laut geworden ist und worum es dabei
ging? War es das, von dem er meinte, daß er das so nicht
weiterlaufen lassen könnte?
({0})
Ich kann das nicht bestätigen.
({0})
Können Sie das Treffen
nicht bestätigen, oder können Sie nicht bestätigen, daß
der Bundeskanzler laut geworden ist?
Herr Abgeordneter, ich bin nicht Zuschauer der Sendung „Berlin direkt“ gewesen. Ich habe
mir also aus den Medien den Zusammenhang zusammensuchen müssen, und ich habe gerade versucht, das
darzulegen. Ich bin auch nicht Zuhörer eines Gesprächs
gewesen, über dessen genauen Verlauf Sie Informationen hören wollen. Ich bin also nicht in der Lage, das
weiter zu kommentieren.
Wir kommen damit
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
({0})
Ich rufe die hierzu vorliegende Frage 1 des Kollegen
Paul Laufs auf:
Welches sind die Gründe, die den Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz zu der Feststellung veranlaßten, im
Endlager Morsleben würden keine Einlagerungen mehr vorgenommen werden?
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung.
Herr Kollege Laufs, Sie haben nach dem Endlager Morsleben gefragt. Der Präsident des Bundesamtes
für Strahlenschutz hat in einer Presseerklärung vom
21. Mai dieses Jahres mitgeteilt, es solle zu keiner Wiederaufnahme der Einlagerung weiterer Abfälle in das
ERAM kommen. Das Bundesamt für Strahlenschutz
halte die weitere Einlagerung für nicht mehr vertretbar.
Nach dem derzeitigen Stand der Überprüfung der Langzeitsicherheitsbewertung sei es mit dem Vorsorgegedanken nicht vereinbar, weitere Fakten zu schaffen.
Diese Auffassung des Präsidenten des Bundesamtes
für Strahlenschutz ist auch die Auffassung des Bundesumweltministeriums.
Kollege Laufs.
Frau Staatssekretärin,
welche neuen fachlichen Erkenntnisse liegen tatsächlich
im einzelnen vor, die die Feststellung rechtfertigen, die
Langzeitsicherheit von Morsleben sei nicht mehr gewährleistet?
Die Langzeitsicherheit war ja immer eine der
Begründungen dafür, daß das Lager in Morsleben überhaupt betrieben werden konnte. Es gibt neuere Hinweise
und Untersuchungen vor allen Dingen im Hinblick auf
das Isolationsvermögen und auf die Gasproduktion aus
den Abfallgebinden. Diese Aspekte sind bei den bisherigen Langzeituntersuchungen nur unzureichend berücksichtigt worden. Deshalb müssen diese in die jetzigen
Langzeituntersuchungen mit einbezogen werden. Sie
wissen, daß die GRS hier im Auftrag des Bundesamtes
für Strahlenschutz Untersuchungen vornimmt.
Kollege Laufs.
Frau Staatssekretärin,
was tut die Bundesregierung in Konsequenz ihrer Entscheidung hinsichtlich der noch bestehenden beträchtlichen, vertraglich abgesicherten Einlagerungsverpflichtungen sowie hinsichtlich der Entwicklung von Sozialplänen angesichts der nun anstehenden Kündigungen in
Morsleben?
Dieser Einlagerungsstopp ist vor allen Dingen
eine Konsequenz aus der Langzeituntersuchung. Sie
wissen, daß es für die Entsorgung des radioaktiven
Mülls zur Zeit genügend Zwischenlagerkapazitäten gibt
und daß die Bundesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung festgehalten hat, daß das bisherige Endlagerkonzept gescheitert ist, und deswegen eine Kommission ins
Leben gerufen hat, die darüber berät und überhaupt erst
einmal Kriterien für eine mögliche Endlagerung festlegt.
Zu den in Ihrer Frage implizierten Verpflichtungen zur
Einlagerung ist zu sagen, daß die Grundlage für diese
Verpflichtungen die Langzeitsicherheit gewesen ist.
Deswegen entstehen aus dem Einlagerungsstopp keine
Schadenersatzansprüche.
Danke schön.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung. Es liegen hierzu zwei Fragen vor.
Ich rufe zunächst die Frage 2 des Kollegen Irmer auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu dem von der
Weltbank geplanten Projekt in Höhe von 334 Mio. US-Dollar
ein, mit dem die Ansiedlung von ca. 62 000 Han-Chinesen und
anderen nicht-tibetischen Volksgruppen im Tsaidam-Becken im
Nordosten von Tibet finanziert werden soll?
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Eid zur Verfügung.
Hochgeschätzter Kollege Irmer, Sie haben
nach der Haltung der Bundesregierung zu einem von der
Weltbank in China geplanten Projekt gefragt. Die Bundesregierung drängt darauf, daß die Beschlußfassung
über die Finanzierung des Vorhabens „China - Armutsbekämpfung in der Westprovinz“ im Direktorium der
Weltbank angesichts der von vielen Seiten geäußerten
Kritik verschoben wird, um so Gelegenheit für eine eingehende Prüfung der beanstandeten Mängel zu erhalten.
Die nun beim Inspection Panel der Weltbank beantragte
Untersuchung wird daher von der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt. Wenn eine Überprüfung des Projekts
vor einer Beschlußfassung nicht möglich ist, kann die
Bundesregierung diesem Projekt nicht zustimmen.
Kollege Irmer.
Höchstgeschätzte Frau Staatssekretärin,
({0})
darf ich Sie zusätzlich fragen, ob die Bundesregierung
auch der Auffassung ist, daß dieses Projekt der chinesischen Seite dazu dienen soll, die kulturelle Identität der
Tibetaner weiter zu unterminieren?
Das ist der Inhalt Ihrer nächsten Frage. Ich
werde darauf noch zu sprechen kommen.
Dann rufe ich die
Frage 3 des Abgeordneten Ulrich Irmer auf:
Befindet sich nach Auffassung der Bundesregierung die Tatsache, daß durch die Ansiedlung der Anteil der Tibeter in der
Region auf 9 % reduziert werden würde, im Einklang sowohl
mit dem von der Bundesregierung unterstützten Anspruch der
Tibeter auf weitreichende kulturelle Autonomie als auch mit den
Statuten der Weltbank, wonach bei Ansiedlungsprojekten ortsansässige Bevölkerungsgruppen nicht beeinträchtigt werden dürfen?
Nach Angaben der Weltbank verringert
sich der Anteil der Tibeter auf Kreisebene, und zwar im
Kreis Dulan, von 22,7 Prozent auf 14 Prozent und auf
Bezirksebene von 11,1 Prozent auf 10,3 Prozent. Im eigentlichen Projektgebiet hingegen steigt der Anteil von
null Prozent auf 14 Prozent. Ob das Vorhaben eine Beeinträchtigung der ortsansässigen Bevölkerungsgruppen
zur Folge haben wird - es leben zur Zeit rund 4 000
Menschen in dem Projektgebiet; davon sind rund
70 Prozent Mongolen -, kann auf der Basis der bisher
vorliegenden Unterlagen nicht ausreichend beurteilt
werden.
Unabhängig davon unterstützt die Bundesregierung
auf jeden Fall den Anspruch der Tibeter auf Erhaltung
ihrer kulturellen Identität.
Herr Kollege Irmer.
Frau Staatssekretärin, habe ich
Sie richtig verstanden - ({0})
- Also, Herr Kollege! - Die Abstimmung in der Weltbank soll wohl morgen erfolgen. Wird die Bundesregierung das Projekt ablehnen, wenn der Aufschub nicht erreicht werden kann?
Das haben Sie richtig verstanden, wir
werden nicht zustimmen.
Herr Irmer, eine Zusatzfrage.
Die Frau Staatssekretärin hat
zu meiner zweiten Frage meines Erachtens noch nicht in
vollem Umfang Stellung genommen.
Doch.
Daher habe ich zu meiner
zweiten Frage noch zwei Zusatzfragen.
Bitte, Herr Kollege
Irmer.
Inwieweit, Frau Staatssekretärin, ist die entwicklungspolitische Zielrichtung des Projekts der Besiedlung bevölkerungsarmer Regionen
zwecks Aufbau von Infrastruktur für Industrialisierung
mit den entwicklungspolitischen Leitlinien der Bundesregierung vereinbar?
Herr Kollege Irmer, soweit mir bekannt
ist, ist dieses Projekt ein armutsorientiertes Projekt. Es
geht vordringlich darum, die Lebensverhältnisse der dort
lebenden Menschen zu verbessern. Es geht nicht in erster Linie um Industrialisierung.
Meine zweite Zusatzfrage:
Welche ökologischen Auswirkungen wird die Durchführung des Projekts „Landwirtschaftliche Urbarmachung“
auf die wüstenähnliche Region haben? Wie beurteilt die
Bundesregierung diese?
Präsident Wolfgang Thierse
Die Untersuchung, die es dazu bisher gab,
halten wir für nicht ausreichend. Deswegen begrüßen
wir, daß die in den USA ansässige Nichtregierungsorganisation der Tibeter beantragt hat, daß das Inspektionspanel noch einmal eine Untersuchung durchführt.
Wir würden es begrüßen, wenn da ganz besonders die
sozialen und ökologischen Konsequenzen unter die Lupe genommen würden. Wir erhoffen uns davon mehr Informationen über die ökologischen Auswirkungen.
Wir kommen zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz.
Die Frage des Kollegen Beck ({0}) wird schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Hierzu liegen zwei
Fragen des Kollegen Heinrich vor. Da ich den Kollegen
Heinrich nicht sehe, entfällt die Beantwortung. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Dr. Michael Naumann
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Hans-Joachim Otto
({1}) auf:
Mit welchen konkreten Auswirkungen auf die Anzahl von
Fremdsprachenprogrammen, Studios und Mitarbeitern bei der
Deutschen Welle rechnet die Bundesregierung, sofern die Mittelfristige Finanzplanung des Beauftragten der Bundesregierung
für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Staatsminister
Dr. Michael Naumann, für diesen Sender realisiert würde, worin
kumulierte Kürzungen bis zum Jahre 2003 in Höhe von fast
300 Mio. DM vorgesehen sein sollen?
Bitte schön, Herr Naumann.
Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, liegen
fast zwei Jahrzehnte einer kontinuierlich wachsenden
Nettoverschuldung des Bundes bei gleichzeitiger Versilberung - so muß man das wirklich nennen - des Familienbesitzes hinter uns. Eine Konsolidierung des Haushaltes ist absolut unabdingbar. Wie Sie der Presse dieser
Tage entnehmen können, wird sie auch von den Ihrer
Partei nahestehenden Kreisen begrüßt, und zwar zu
Recht; denn das Vertrauen in die Solidität unseres
Haushalts muß nunmehr wiederhergestellt werden.
({0})
Das sage ich Ihnen auch als ehemaliger Geschäftsführer
eines mittelständischen Betriebes.
Ebenfalls bekannt ist, daß der Bundesminister der
Finanzen auf einen unabweisbaren Konsolidierungsbedarf hingewiesen hat, und zwar im Haushalt 2000 in
einer Höhe von 32 Milliarden DM, der bis 2003 auf eine
Höhe von 50 Milliarden DM ansteigen wird. Er hat dann
die Bundesminister gebeten, Konsolidierungsmaßnahmen vorzubereiten. Das haben alle Mitglieder des Kabinetts getan, auch ich. Von dieser Sparauflage ist der Etat
des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien im Haushaltsjahr 2000
mit einer Summe von rund 132 Millionen DM betroffen.
Das entspricht einer Sparauflage von 7,42 Prozent. Diese Sparauflage wird bis zum Haushaltsjahr 2003 auf eine
Summe von etwa 220 Millionen DM - rund 12,4 Prozent des Ansatzes - ansteigen. Ausgangsbasis für diese
Berechnung ist der Plafond des Haushaltsansatzes 1999.
Die Deutsche Welle hat mit einem Finanzvolumen
von zirka 600 Millionen DM einen Anteil von einem
Drittel an meinem Gesamthaushalt. Es ist daher unabweisbar, die Deutsche Welle an den Konsolidierungsmaßnahmen in den Haushaltsjahren 2000 bis 2003 zu
beteiligen.
Die Bundeszuschüsse zum Betriebshaushalt der
Deutschen Welle sinken in der Finanzplanung bis zum
Haushaltsjahr 2000 entsprechend den prozentualen jährlichen Kürzungen des Haushalts des Beauftragten der
Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und
der Medien. Dies bedeutet im einzelnen: Im Jahr 2000
beträgt die geplante Kürzung - natürlich vor Beschluß
durch den Bundestag - rund 44,6 Millionen DM, im Jahr
2001 rund 56,5 Millionen DM, im Jahr 2002 rund 63,7
Millionen DM und im Jahre 2003 rund 73,9 Millionen
DM. Diese Berechnungen gehen jeweils vom Haushaltsansatz 1999 aus. Die Zuschüsse für Investitionen bleiben
in den Haushaltsjahren 2000 bis 2003 mit 19 Millionen DM konstant.
Die Rundfunkanstalt wird mit Hilfe ihrer eigenen
Gremien entscheiden müssen, wie und mit welchen
konkreten Auswirkungen im einzelnen die Kürzungen
umgesetzt werden. Dabei werden angesichts der Größenordnung der Einsparungen in den kommenden Jahren auch einschneidende strukturelle Maßnahmen von
der Leitung des Hauses in Betracht gezogen werden
müssen. Lassen Sie mich gleich vorbeugend sagen: Dies
ist kein Eingriff in die Informations- und Pressefreiheit
der Deutschen Welle, sondern eine Maßnahme - ich
weise ausdrücklich darauf hin -, die die Haushaltspolitik
der letzten 16 Jahre erforderlich macht.
({1})
Kollege Otto, eine
Zusatzfrage.
Herr
Staatsminister, bei jeder Änderung, die von der Bundesregierung in der mittelfristigen Finanzplanung vorgenommen wird, muß man sich auch Gedanken über die
Konsequenzen machen. Halten Sie die vom ARDVorsitzenden Voß vorgenommene Einschätzung, nämlich daß Ihre mittelfristige Finanzplanung zu betriebsbedingten Kündigungen von 200 festangestellten Mitarbeitern der Deutschen Welle führen könne und daß die
Deutsche Welle mehrere ihrer bislang gesendeten 35
fremdsprachigen Programme einstellen müsse, für realistisch?
Herr Abgeordneter Otto, bereits bei den vor3858
angegangenen, ebenso schmerzhaften Haushaltskürzungen hat der von Ihnen angesprochene Intendant darauf
hingewiesen, daß Hunderte von freien festen Mitarbeitern, aber auch von angestellten Redakteuren auf Grund
des neuen Ansatzes des Haushaltsjahres 1999 gekündigt
werden müßten. Soweit mir bekannt ist, ist keinem einzigen gekündigt worden.
({0})
Der derzeitige Vorsitzende der ARD, der Intendant
Voß, spricht sicherlich nicht für alle Intendanten der
ARD. Auf alle Fälle muß er sich mit der Tatsache auseinandersetzen, daß es seit Jahren Bemühungen gibt,
eine synergetische Kooperation zwischen den öffentlichrechtlichen Anstalten ARD und ZDF auf der einen Seite
und der Deutschen Welle auf der anderen Seite herzustellen. Der Sachverhalt, daß diese Kooperation bisher
offenkundig an vielerlei Unwilligkeiten der Beteiligten
zu scheitern droht, ist sicherlich in Anschlag zu bringen,
wenn wir gleichzeitig Ermahnungen von einem Intendanten erhalten, der in dieser Sache eher für alle Journalisten, aber nicht unbedingt für die Anstalt der Deutschen Welle spricht.
Herr Kollege Otto,
Ihre zweite Zusatzfrage. Danach Herr Lammert mit einer Frage.
Herr
Staatsminister, halten Sie den auf einer Tagung aller Intendanten der ARD geäußerten Vorwurf des ARDIntendanten Voß für berechtigt, der heute veröffentlicht
wurde und folgenden Wortlaut hat:
Der ARD-Vorsitzende Peter Voß erklärte, er habe
den Eindruck, daß die Bundesregierung an einer
deutschen TV-Berichterstattung im Ausland kein
Interesse habe oder aber die Last dieser Aufgabe
auf die Landesrundfunkanstalten der ARD abwälzen wolle. Während alle anderen großen Industrienationen des Westens ihre Auslandssender ausbauten, sei damit die Bundesrepublik der einzige Staat,
der seine Berichterstattung reduziere.
Herr Staatsminister, ich gebe Ihnen Gelegenheit, zu
diesem Vorwurf Stellung zu nehmen.
({0})
Das können Sie aber
gar nicht machen. Sie können ihm eine Frage stellen.
Was halten Sie von diesem Vorwurf?
Schon besser, Herr
Kollege.
Herr Abgeordneter Otto, ich halte von diesem Vorwurf herzlich wenig und will Ihnen auch erklären, warum. Erstens gibt es ja schon seit Jahren - so
nehme ich einmal an -, auf jeden Fall aber, seitdem ich
im Amt bin, Gespräche zwischen ARD und ZDF und
der Deutschen Welle über Kooperation auf dem Gebiet
der TV-Sendungen. Ich begrüße das, warte allerdings
nunmehr, wie viele andere, auf Ergebnisse.
Der ARD-Vorsitzende Voß hat sicherlich eine fruchtbare Aufgabe, die ich als Rechtsaufsicht der Deutschen
Welle gerne und mit Enthusiasmus begleiten möchte.
Bisher habe ich aber noch keine konkreten Ergebnisse
gesehen.
Zweitens nimmt die Bundesregierung selbstverständlich den Auftrag ernst - das ist ja auch Teil unserer Koalitionsvereinbarung -, die mediale Außenrepräsentanz
der Bundesrepublik zu verstärken und zu verbessern.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine
Anmerkung. Wir reden über Finanzvolumen, die in Relation zu den Bemühungen anderer Länder gesetzt werden müssen. Wenn ich feststelle, daß die Voice of America mit 53 - also nicht 35, wie bei uns - Rundfunksprachen, mit 12 Fernsehsprachen, mit 23 Internetsprachen
und mit 1 100 Mitarbeitern einen fast genau so großen
Haushalt wie die Deutsche Welle hat, dann muß ich sagen: Die Strukturdiskussionen, die auf uns zukommen,
müssen sich auch an den Vergleichszahlen anderer Institutionen messen lassen.
({0})
Es reicht nicht, darauf hinzuweisen, daß man nicht Äpfel
mit Birnen vergleichen könne. In diesem Zusammenhang ist Amerika ein „big apple“ - und wir zahlen für
unsere Außenrepräsentation fast dasselbe.
Eine Frage von
Herrn Dr. Lammert, bitte.
Herr Kollege
Naumann, gibt es nach Ihrer Auffassung ernsthaft keinen Zusammenhang zwischen der Mittelausstattung der
Deutschen Welle auf der einen Seite und dem Grundrecht auf Informationsfreiheit bzw. der Erledigung des
gesetzlichen Auftrages dieses Senders auf der anderen
Seite? Wenn es doch irgendeinen Zusammenhang geben
sollte, von welchem Maß an Haushaltskürzungen an,
vermuten Sie, treten solche Wirkungen ein?
Herr Lammert, selbstverständlich gibt es
diesen Zusammenhang.
({0})
Das wird doch von niemandem bestritten. Die Frage ist
ganz einfach: Wie gestaltet der Intendant seinen Auftrag? Es ist nicht die Aufgabe des Bundesbeauftragten,
Programmvorschläge zu machen. Vielmehr muß der InStaatsminister Dr. Michael Naumann
tendant in Zusammenarbeit mit den Gremien die nunmehr vorgegebenen und - ich gebe es ja zu - schwierigen Einsparungsmaßnahmen realisieren, ohne daß dieser
Auftrag verletzt wird.
({1})
Vor dem Hintergrund der eben genannten Vergleichszahlen wird das so schwer auch nicht fallen.
Ich danke dem
Herrn Staatsminister für die Beantwortung der Fragen.
Nunmehr steht Herr Staatssekretär Steinmeier für die
Beantwortung zur Verfügung.
({0})
- Herr Hörster, zur Geschäftsordnung bitte.
Frau Präsidentin, ich
beantrage namens meiner Fraktion die Herbeirufung von
Herrn Bundesminister Hombach zur Beantwortung des
ihn betreffenden Fragenkomplexes.
Ich weiß zwar, daß eine Reihe von Kolleginnen und
Kollegen aus der SPD-Fraktion mit dem Erscheinungsbild von Herrn Bundesminister Hombach nicht einverstanden sind
({0})
und voraussichtlich deswegen seiner Herbeirufung widersprechen werden. Aber ich bin der Auffassung, daß
es Herrn Staatssekretär Steinmeier nicht zuzumuten ist,
fortdauernd Fragen zu beantworten, die Herrn Bundesminister Hombach betreffen - zumal die Kenntnisse, die
Herr Steinmeier erlangt hat, wiederum nur von Herrn
Hombach stammen können. Das birgt das Risiko, daß
sich Fehler einschleichen, für die Herr Steinmeier den
Kopf hinhalten muß, obwohl Herr Hombach eigentlich
dafür verantwortlich ist.
Deswegen fände ich es gut, wenn Herr Hombach hier
zugegen wäre und für die Beantwortung der Fragen geradestünde.
({1})
Das war ein Antrag
zur Geschäftsordnung. Möchte jemand etwas dazu sagen? - Frau Kollegin Kastner, bitte sehr.
Herr Kollege Hörster, wir
bedanken uns von unserer Seite recht herzlich für die
Fürsorge Ihrerseits.
({0})
Ich möchte darauf hinweisen, daß es während Ihrer
Regierungszeit Herr Bohl war, der die Fragen des Parlaments zur Plutoniumaffäre beantwortet hat, und zwar
aus guten Gründen:
({1})
weil Herr Schmidbauer wegen Befangenheit nicht antworten sollte. Insofern ist das guter parlamentarischer
Brauch.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß wir
nach Durchsicht der Fragen - sicherlich hat sie jeder
gelesen - feststellen müssen: Die Fragen sind von so geringer Substanz, daß sie durchaus von Staatssekretär
Steinmeier beantwortet werden können.
({2})
Ich sage es noch einmal: Ihre Fragen sind von so geringer Substanz, daß die Gefahr, daß Herr Steinmeier sie
nicht beantworten kann, nicht gegeben ist.
Herr Hörster, was Sie machen, ist zwar legitim als
Opposition - völlig richtig -, aber auch in Ihren Reihen
wird das inzwischen eindeutig als Störung des Parlamentsbetriebes empfunden.
({3})
Im Augenblick sind viele Ausschüsse tätig. Wir haben
Signale aus Ihren Reihen, die darauf hindeuten, daß sich
Ihre Kolleginnen und Kollegen in solche Geschäftsordnungsspielchen nicht mehr einbinden lassen. Wir lehnen
den Antrag ab.
({4})
Wir kommen zur
Abstimmung. Wer dem Geschäftsordnungsantrag von
Herrn Hörster folgen möchte, den bitte ich um das
Handzeichen. - Gegenprobe! - Damit ist der Antrag abgelehnt.
({0})
Wir kommen zur Frage 8:
Ist die in der Presse wiedergegebene Aussage des Steuerberaters von Bundesminister Bodo Hombach zutreffend, Bodo
Hombach habe für seinen Hausbau einen Zinssatz von 7 Prozent
bei zehn Jahren Laufzeit erhalten - an den Effektivzins erinnerte
sich der Steuerberater nicht genau -, der „leicht über dem normalen Satz“ gewesen sei ({1}), und wenn ja, wie erklärt Bundesminister Bodo Hombach, daß dieser Zinssatz noch unterhalb der niedrigsten Effektivzinssätze lag, die die Bundesbank in einer Übersicht entsprechender Kredite für das Jahr 1986 ausweist?
Zur Ermutigung möchte ich Herrn Dr. Steinmeier sagen: Das war von unserer Kollegin Susanne Kastner als
Kompliment gedacht.
({2})
Wir sind bei Frage 8 des Kollegen Norbert Geis. Bitte
sehr, Herr Staatssekretär.
Meine Damen und Herren, nachdem
Frau Kastner ihre Erwartung an meine Antwort so gemindert hat, hoffe ich, noch schlüssiger als sonst antworten zu können.
Zu Ihrer Frage, Herr Abgeordneter Geis, die sich auf
den Unterschied zwischen dem im Zusammenhang mit
dem Hausbau des Bundesministers Bodo Hombach vereinbarten Zinssatz von 7 Prozent bei zehn Jahren Laufzeit und dem üblichen Effektivzinssatz bezieht, antworte
ich wie folgt: Die WestLB hat mehrfach bestätigt, auch
als Reaktion auf den genannten Presseartikel, daß der
Bundesminister Bodo Hombach gewährte Kredit sich
sowohl vom Volumen als auch von den Konditionen her
in dem Rahmen bewegte, der für Tausende von Immobilienkunden der WestLB galt. Auch Angebote anderer
Banken, die der Steuerberater von Herrn Bundesminister
Hombach eingeholt hat, lagen auf einem vergleichbaren
Niveau.
Die Angabe des Effektivzinssatzes war seinerzeit ich erinnere daran, das war alles 1986 - noch nicht üblich und erforderlich; daher ist er im Darlehensvertrag
nicht angegeben. Der Effektivzins war aber schon damals in der Regel höher als der Nominalzins. Deshalb
sind weder die vereinbarten Konditionen mit Blick auf
die Aussage der WestLB unüblich gewesen, noch ist Ihre insoweit getroffene Feststellung deshalb erstaunlich.
Herr Kollege Geis,
eine erste Zusatzfrage.
Hat Bundesminister Bodo Hombach mit einem Mitglied des Vorstandes der
Westdeutschen Landesbank oder einem leitenden Angestellten Gespräche über die Gewährung des Darlehens,
über die Abwicklung und über die Auszahlung des Darlehens geführt, und wenn ja, mit wem?
Das entzieht sich meiner Kenntnis.
({0})
Ich weiß nicht, mit wem Herr Hombach damals die
Zinsverhandlungen geführt hat.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Geis?
Keine.
Dann kommt die
Frage 9 des Kollegen Norbert Geis:
Ist es zutreffend, daß die Kosten für den Hausbau von Bodo
Hombach beim Richtfest im August 1986 die Millionengrenze
längst überschritten hatten ({0}), und wenn ja, wie setzten sich die Kosten zusammen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Abgeordneter Geis, Ihre Frage
richtet sich darauf, ob zum Zeitpunkt des Richtfestes im
August 1986 die Millionengrenze bei den Kosten des
Hausbaus bereits überschritten war.
Dieses Richtfest fand nicht im August 1986 statt. Der
Keller war zu diesem Zeitpunkt im Rohbau fertiggestellt. Der Rohbau des Erdgeschosses hatte gerade erst
begonnen. Schon diese Abläufe zeigen, daß die zitierte
Behauptung nicht stimmen kann. Alle Rechnungen und
Zahlungsvorgänge lagen den Gutachtern vor, wurden
von diesen zeitlich geordnet und gewertet. Im August
1986 war danach die Millionengrenze keineswegs
„längst überschritten“. Allerdings liefen zu diesem Zeitpunkt Nachkalkulationen, denen zufolge am Bauende
die Millionengrenze überschritten werden würde. Bundesminister Bodo Hombach hat daher zeitgerecht eine
Nachfinanzierung durch Erhöhung des Kreditvolumens
vorgenommen.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege Geis, bitte.
Hat Herr Bundesminister
Bodo Hombach nach dem Richtfest - um es nicht auf
das Jahr 1986 festzulegen - den damaligen Landesschatzmeister der SPD, Fritz Ziegler, um Hilfe bei der
weiteren Durchführung seines Hausbaus gebeten, und
inwieweit wurde sodann Herr Fritz Ziegler für Herrn
Hombach tätig, insbesondere in bezug auf die VEBA?
Mir ist bekannt, daß Bundesminister
Bodo Hombach und Fritz Ziegler sich kennen. Ob sie
bei ihren Begegnungen auch darüber gesprochen haben,
weiß ich nicht.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Hörster.
Nein, Frau Präsidentin, ich habe einen Antrag zur Geschäftsordnung. Ich
möchte meinen Antrag von vorhin wiederholen, weil die
Antworten, die Herr Steinmeier uns geben kann, belegen, daß er nicht in der Lage ist, aus eigener Kenntnis
die Fragen des Parlamentes zu beantworten.
({0})
Von daher bitte ich erneut darum, darüber abzustimmen,
Herrn Bundesminister Bodo Hombach herbeizurufen.
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Frau Kollegin
Kastner, bitte sehr.
Frau Präsidentin! Das ist
ein wiederholter Antrag. Deswegen beantrage ich die
Unterbrechung der Fragestunde.
Ich hätte sonst ebenfalls für Unterbrechung plädiert. Ich frage die
CDU/CSU-Fraktion, ob sie diesen Antrag zu wiederholen wünscht.
({0})
Wenn das der Fall ist, dann unterbreche ich die Sitzung
für eine Viertelstunde. Um 14.30 Uhr treffen wir uns
wieder. ({1})
- Da es Zweifel darüber gibt, ob ich die Sitzung unterbrechen durfte oder nicht, berufe ich hiermit den Ältestenrat ein. Wir treffen uns um 14.30 Uhr zu einer Sitzung des Ältestenrates. Danach gibt es eine Fraktionssitzung der SPD. Sie können sich darauf einrichten, daß
wir eine gute Stunde in Verzug kommen werden.
Um 14.30 Uhr trifft sich also der Ältestenrat.
({2})
Die unterbrochene
Sitzung wird fortgesetzt.
Der Abgeordnete Hörster hatte den Geschäftsordnungsantrag eingebracht, Herrn Minister Hombach ins
Parlament zu bitten.
Ich lasse jetzt über diesen Geschäftsordnungsantrag
abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit.
Damit ist der Antrag des Kollegen Hörster abgelehnt.
Wir fahren mit der Fragestunde fort. Wir waren bei
der Frage 9 des Kollegen Norbert Geis. Herr Staatssekretär Steinmeier steht zur Beantwortung zur Verfügung.
Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter
Geis! Nach meiner Erinnerung war die eingangs gestellte Frage 9 im Grunde beantwortet.
Herr Abgeordneter Geis, ich würde gerne auf Ihre erste Zusatzfrage zurückkommen, die zum Inhalt hatte, ob
Minister Hombach persönlich Verhandlungen über Kreditverträge mit Mitgliedern des Vorstands der Westdeutschen Landesbank geführt hat. Ich habe eben nachsuchen lassen: Die Antwort auf diese Frage ist bereits in
der schriftlichen Antwort auf die Kleine Anfrage der
Abgeordneten Pofalla, Brauksiepe, Geis und weiterer
Abgeordneter vom 19. Mai enthalten. Wir haben in der
Antwort zu Ziffer 24 ausgeführt:
Die Verhandlungen mit der WestLB hat für Bundesminister Bodo Hombach dessen Steuerberater,
Herr Dr. Lein, geführt. Herr Dr. Lein hatte zuvor
Angebote bei mehreren Banken eingeholt. Sie lagen bei vergleichbaren Konditionen. Herr Dr. Lein
hat weder mit dem Präsidenten der WestLB noch
mit einem anderen Vorstandsmitglied über das
Darlehen für Bundesminister Hombach gesprochen.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Geis.
Meine Frage ging dahin,
ob auch Herr Bundesminister Hombach mit Vertretern
der Landesbank - Vorstand oder leitende Angestellte über die Abwicklung, über die Gewährung und über die
Rückzahlung des dort beantragten Darlehens gesprochen
hat, nicht nur sein Steuerberater.
In diese Richtung gingen auch schon
die schriftlich beantworteten Fragen. Aus den Antworten
entnehme ich, daß Minister Hombach damals keine
eigenen Verhandlungen mit Vorstandsmitgliedern geführt hat.
Eine weitere Zusatzfrage? - Nein.
Dann kommen wir zu Frage 10 des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme:
Hat Bundesminister Bodo Hombach für den Monat Oktober
1998 neben seinen Amtsbezügen als Bundesminister und seiner
Abgeordnetenentschädigung als Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalen Amtsbezüge als Minister für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes NordrheinWestfalen erhalten?
Herr Staatssekretär, bitte.
Die Frage richtet sich darauf, ob
Herr Hombach neben seinen Amtsbezügen als Bundesminister weiter Amtsbezüge als Minister für Wirtschaft
und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes
Nordrhein-Westfalen erhalten hat.
Die Antwort lautet: Ja. Bundesminister Bodo Hombach hat für den Monat Oktober 1998 gemäß § 7 des
Landesministergesetzes von Nordrhein-Westfalen Amtsbezüge als Bundesminister erhalten. Bei seiner Nachfrage hat man ihn auf die rechtliche Korrektheit hingewiesen. Ein Verzicht auf eines der Amtsgehälter war
rechtlich nicht möglich. Für die von ihm erwartete Verrechnung fehle - so war die Auskunft, die ihm damals
gegeben worden ist - eine rechtliche Grundlage. Er
hat daraufhin erklärt, einen entsprechenden Betrag seinen freiwilligen Spenden zuzuführen, und hat dies auch
tatsächlich getan, zuletzt durch eine Spende für die
Hochwassergeschädigten in der Größenordnung von
10 000 DM.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege Fromme.
Herr Staatssekretär, gilt das auch für die Monate November und
Dezember 1998 sowie für Januar 1999?
Nach den mir vorliegenden Unterlagen sind Amtsbezüge, soweit sie in der Frage angesprochen sind, nur für den Monat Oktober gezahlt worden.
Ihre Zusatzfrage richtet sich, glaube ich, eher auf die
Frage der Diäten, die schon einmal gestellt und beantwortet worden ist. Dazu habe ich hier im Parlament
schon einmal ausgeführt, daß auch für die hälftigen
Diäten entsprechende Spenden - sogar über das netto
von ihm Erhaltene hinaus - abgeführt worden sind.
Zweite Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Sind die
Diäten, die Aufwandsentschädigungen steuerfrei gezahlt
oder versteuert worden?
Das kann ich Ihnen nicht beantworten.
Damit kommen wir
zur Frage 11 des Kollegen Fromme:
Hat Bundesminister Bodo Hombach in seiner Zeit als Bundesminister Aufwandsentschädigung auf Grund seines Landtagsmandats und Übergangsgelder nach seinem Ausscheiden als
Landtagsabgeordneter erhalten?
({0})
Herr Staatssekretär.
Frage 11 richtet sich darauf, ob
Bundesminister Hombach in seiner Zeit als Bundesminister Aufwandsentschädigung auf Grund seines Landtagsmandats und Übergangsgelder nach seinem Ausscheiden als Landtagsabgeordneter erhalten hat.
Herr Bundesminister Hombach hat selber mehrfach in
der Öffentlichkeit dargestellt - nach meiner Erinnerung
habe ich auch hier im Parlament dazu bereits Stellung
genommen -, daß er auf Wunsch des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen sein Landtagsmandat bis
zum Ablauf des Jahres 1998 beibehalten hat, um die
Haushaltsberatungen begleiten zu können.
Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Landtag des
Landes Nordrhein-Westfalen erhielt er die in § 6 des
Abgeordnetengesetzes Nordrhein-Westfalen zur Abdekkung der durch sein Landtagsmandat veranlaßten Aufwendungen vorgesehenen Geld- und Sachleistungen.
Die Fahrkostenpauschale hat er im Hinblick auf seinen
ihm als Bundesminister zustehenden Dienstwagen zurückgezahlt.
Die erworbenen Ansprüche auf Übergangsgeld aus
seinem Landtagsmandat wurden mit dem neuen Einkommen verrechnet. Ergebnis: Es wurde kein Pfennig
ausgezahlt.
Zusatzfrage, Herr
Kollege?
Danke.
Vielen Dank.
Damit kommen wir zur Frage 12 des Kollegen Ronald Pofalla:
Ist der Bundesregierung nicht bekannt, mit Ablauf welchen
Kalendertages die Immunität und das Mandat von Bundesminister Bodo Hombach als Abgeordneter des Landtages NordrheinWestfalen endeten, wie aus ihren Antworten vom 19. März 1999
({0}) und vom 19. Mai 1999 ({1}) zu schließen ist?
Herr Staatssekretär, bitte.
Herr Abgeordneter Pofalla, ich
glaube, diese Frage habe ich hier auch schon einmal beantwortet. Sie richtet sich darauf, ob Immunität und
Mandat von Herrn Hombach am 31. Dezember1998
oder zu einem anderen Zeitpunkt endeten. Meine Antwort erneut: Wir haben den bisherigen, in Ihrer Frage
zitierten Ausführungen nichts hinzuzufügen.
Ob die Immunität und das Mandat von Bundesminister Hombach nach seinem Erklärungswillen zum Ablauf des 31. Dezember 1998 endeten, ob die Rücküberweisung der Diäten und der Kostenpauschale für den
Monat Januar an die Landeskasse dabei Auswirkungen
hat oder ob die Immunität 24 Stunden später, mit Ablauf
des 1. Januar 1999, endete, können nur die zuständigen
Behörden in Nordrhein-Westfalen feststellen.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Herr Staatssekretär,
Sie haben auf meine Fragen in der Tat in der Fragestunde vom 21. April 1999 geantwortet, aber Sie haben die
Frage nach der Immunität nur mit der Aussage beantwortet, an welchem Tag Herr Hombach was erklärt hat,
damit aber offengelassen -
Herr Kollege, wir
sind in der Fragestunde, nicht in der Debatte.
Ja, ich stelle jetzt die
Frage, ob der Bundesregierung nicht bekannt war, daß
im Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen ich könnte Ihnen die genaue Quelle angeben - zum
Zeitpunkt der Beantwortung dieser Frage bereits veröffentlicht war, daß das Mandat von Herrn Hombach am
1. Januar 1999 endet.
Herr Pofalla, nach meiner Erinnerung habe ich am 19. Mai - ich habe das Protokoll hier,
es steht kein Datum darauf - auf eine ähnliche Frage
von Ihnen unter anderem wie folgt geantwortet - ich
mache es kurz, um diesen Punkt zu erfassen -:
Er hat dazu in das vorbereitete Formular das Datum
1. Januar 1999 eingetragen. Nach dem der Mandatsaufgabe zugrunde liegenden Erklärungswillen
endete seine Immunität als Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags mit dem Ablauf des
31. Dezember 1998, nach dem Inhalt möglicherweise jedoch erst 24 Stunden später.
Die Bundesregierung kann dazu jetzt keine abweichende Bewertung abgeben.
Zusatzfrage, Herr
Kollege.
Das bezieht sich jetzt
auf das Wort „möglicherweise“: Im Amtsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen ist der genaue Zeitpunkt festgelegt, an dem das Mandat von Herrn Hombach endete.
Wieso antwortet dann die Bundesregierung „möglicherweise“?
Sie weisen darauf hin, daß das
Amtsblatt etwas anderes zum Ausdruck bringt?
Nein, ich weise darauf
hin, daß Sie eine Formulierung unter Verwendung des
Wortes „möglicherweise“ im Blick auf das Ende des
Mandats gebraucht haben, obwohl die amtlichen Mitteilungen des Landes Nordrhein-Westfalen darüber definitiv Auskunft geben.
Dann muß ich bekennen, daß ich die
Ausführungen aus diesem Amtsblatt bisher nicht zur
Kenntnis nehmen konnte.
Ich gebe es Ihnen
gleich.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Wir kommen zu Frage 13 des Kollegen Eckart von Klaeden:
Welche rechtlichen Vereinbarungen bestanden zwischen der
Veba bzw. dem Bauleiter von Bodo Hombachs Hausbau und
Bodo Hombach betreffend die Leistungen für den Hausbau von
Bodo Hombach, und ist es zutreffend, daß der Bauleiter „vertragsgemäß nach üblichen Sätzen“ bezahlt wurde ({0})?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
({1})
- Der Herr Staatssekretär hat das Wort zur Beantwortung der Fragen, Herr Kollege. Wir wollen fortfahren in
der Fragestunde.
Herr Abgeordneter von Klaeden, Ihre Frage richtete sich auf die vertraglichen Verbindungen mit dem Bauleiter Herrn Hombachs und mit Herrn
Hombach selbst.
({0})
Zwischen der BWB Wohnstättenbau und -betriebsgesellschaft mbH und Herrn Bundesminister Hombach bestand ein Vertrag, der die zeit- und leistungsanteilige
wirtschaftliche und technische Betreuung des Bauvorhabens betraf.
({1})
Die Bezahlung erfolgte pauschal in Anlehnung an die
Gebührenordnung und gemäß einer Vereinbarung über
die Arbeitsteilung zwischen Architekt und dem Bauleiter. Die Details sind im C & L-Gutachten aufgeführt,
und nach meiner Erinnerung habe ich dieses hier auch
schon einmal ausgeführt.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden, bitte
sehr.
Herr Staatssekretär, um den Vorgang ein wenig zu präzisieren: Dem Nachrichtenmagazin „Focus“ vom 8. Februar
1999 entnehme ich, daß die VEBA Herrn Hombach
15 000 DM für diese Tätigkeit des Bauleiters in Rechnung gestellt hat. Können Sie erstens diesen Vorgang
bestätigen, und können Sie zweitens erläutern oder Auskunft geben, welche Leistungen dem Vertrag exakt zu
Grunde lagen?
Ich habe keinen Anhaltspunkt dafür,
Herr von Klaeden, daß diesem Vertragsverhältnis, dem
Bauleitervertrag, unübliche Vereinbarungen zu Grunde
lagen. Insofern gehe ich davon aus, daß es das Entgelt
für seine Bauleiterleistungen war.
({0})
Nun kommen wir
zur Frage 14 des Kollegen von Klaeden:
Ist die in der Presse wiedergegebene Aussage des Bauleiters
von Bodo Hombach zutreffend, daß „Herr Hombach definitiv in
den tatsächlichen Kostenrahmen eingebunden war“ und er ihm
die zu erwartende Mehrarbeit „persönlich mitgeteilt“ habe
({0})?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Die Frage des Abgeordneten von
Klaeden richtet sich darauf, ob Herr Hombach definitiv
in den tatsächlichen Kostenrahmen eingebunden war,
wie es in einer Aussage des Bauleiters heißt, die wiederum in der Presse wiedergegeben wird. Unsere Antwort:
Herr Bundesminister Hombach hat nachweislich alle
Rechnungen bezahlt, die ausweislich der Gutachten den
tatsächlich entstandenen Kosten beim Hausbau entsprachen. Insofern - und auf nichts anderes kann sich die
Frage richten - war er in den Kostenrahmen eingebunden. Er hat sich über die Kostenentwicklung informieren
lassen. Wenn es zwischen Architekt und Bauleiter Konflikte gab, hat sich Bundesminister Hombach in aller
Regel für die kostensparenden Vorschläge des Bauleiters - ich erwähnte das hier in einer anderen Sitzung
unter Verweis auf das Gutachten - entschieden.
Herr Kollege von
Klaeden, die erste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich beziehe mich auf einen Bericht des „Spiegel“
vom 8. Juni 1998. Hat der Bauleiter von Herrn Bodo
Hombach, Herr Hans Hebers, den Hombachschen Hausbau von Anfang an betreut, und, wenn nicht, wann ist er
von Herrn Hombach mit dieser Aufgabe betraut worden?
Könnten Sie den Anfang der Frage
wiederholen?
Der Anfang der
Frage ist, ob der Bauleiter, Herr Hans Hebers, von Anfang an den Hausbau betreut hat oder erst später mit der
Betreuung beauftragt worden ist.
Nach meiner Erinnerung an frühere
Ausführungen, die ich nach entsprechender Vorbereitung auf diese Frage bereits gemacht habe, ist der Bauleiter erst im Laufe des Baus mit seiner Aufgabe beauftragt worden.
({0})
Die zweite Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.
Können Sie das
genaue Datum nennen?
({0})
Nein.
Wenigstens den
Monat?
Nein.
Wir kommen damit
zur Frage 15 des Kollegen Dr. Ralf Brauksiepe:
Ist aus der Antwort der Bundesregierung vom 19. Mai 1999
({0}) zu schließen,
daß nach dem Inhalt der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft
Bochum in der sog. Veba Immobilien-Affäre zwar nicht Zeugen,
wohl aber Beschuldigte behaupten, daß Bodo Hombach im Zuge
seines Hausbaus um Vergünstigungen bat oder er mit Beschuldigten darüber gesprochen hat?
Herr Staatssekretär, bitte.
Die Frage des Herrn Abgeordneten
Brauksiepe richtet sich darauf, ob sich aus dem Inhalt
der Ermittlungsakten ergibt, daß Bodo Hombach im Zuge seines Hausbaus um Vergünstigungen gebeten hat
oder mit Beschuldigten in dem Strafverfahren, das in
Nordrhein-Westfalen anhängig ist, gesprochen hat. Unsere Antwort lautet: Nein. Nach den Erkenntnissen, die
Bundesminister Bodo Hombach aus der Akteneinsicht
durch seinen Anwalt gewonnen hat, haben weder Zeugen noch Beschuldigte behauptet, daß Bundesminister
Bodo Hombach jemals um Vergünstigungen gebeten
habe, diese ihm angeboten worden seien oder mit ihm
jemals darüber gesprochen worden sei.
Die erste Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, es geht hier ja um die schriftliche Beantwortung
von Fragen, die aus meiner Sicht wiederum weitere Fragen aufwerfen. Sie sagen in dem Zusammenhang unter
anderem, Herr Hombach habe die Akteneinsicht in dieser Sache seinem Rechtsanwalt überlassen. Ist daraus zu
schließen, daß Herrn Hombach ursprünglich persönliche
Akteneinsicht gewährt bzw. angeboten worden ist?
Da ich selbst Jurist bin, Herr Abgeordneter Brauksiepe, und ein bißchen Erfahrung habe,
finde ich darin nichts Ungewöhnliches, so daß es von
seiten der Bundesregierung erklärungsbedürftig wäre.
({0})
Die zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
In Ihrer Antwort
verweisen Sie darauf, daß der Antrag auf Akteneinsicht
in bezug auf die hier behandelten Ermittlungsakten mit
dem berechtigten Interesse von Bundesminister Bodo
Hombach an Akteneinsicht begründet worden ist. In
einem Artikel in der „Rheinischen Post“ vom letzten
Wochenende wird die Staatsanwaltschaft Bochum dahin
gehend zitiert, daß der Name Hombach in den besagten
Akten nicht auftauche. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
({0})
Die Zeitungsberichte sind hier vielfach zitiert worden, die bei jedem öffentlich Angeschuldigten das berechtigte Interesse wecken, im laufenden
Strafverfahren durch einen Anwalt nachsehen zu lassen,
ob es Anlaß für die öffentliche Berichterstattung gibt.
({0})
Nun kommen wir
zur Frage 16 des Kollegen Dr. Ralf Brauksiepe. - Einen
Moment bitte. Zu dieser spannenden Sache - Frage 15 möchte der Kollege Profalla noch eine Frage stellen. Ich weiß, Herr Hörster, das ist wieder ungebührlich.
({0})
Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie hatten auf die Frage des Kollegen Brauksiepe geantwortet, es gebe keinen Beschuldigten, der die Behauptung aufstelle, daß es im Zusammenhang mit dem
Hausbau Verfehlungen gegeben habe. Gibt es möglicherweise Angeschuldigte oder gar Angeklagte, die diese Behauptung aufstellen?
Sie weisen auf den prozessualen
Unterschied hin. Dafür habe ich jedes Verständnis der
Welt. In der Frage ging es - das war die Unterscheidung
- um Zeugen oder Beschuldigte. Ich gebe Ihnen recht:
Man hätte Zeugen oder Angeschuldigte sagen müssen.
Meine Frage war, ob
es Angeschuldigte oder Angeklagte gibt, die diese Behauptung aufstellen.
({0})
Nein.
Nun rufe ich Frage 16 des Kollegen Dr. Ralf Brauksiepe auf:
Inwieweit vermitteln ausweislich dieser Akten die Aussagen
von Zeugen und Beschuldigten ein Bild, das im Hinblick auf den
Hausbau von Bodo Hombach mit dem tatsächlichen Geschehensablauf nicht übereinstimmt, und inwieweit geben diese Aussagen Aufschluß darüber, daß Kosten für Leistungen für den
Hausbau von Bodo Hombach auf zum Veba-Konzern gehörende
Unternehmen bzw. deren Projekte verlagert worden sein sollen?
Herr Staatssekretär, bitte.
Der Abgeordnete Brauksiepe fragt
nach, inwieweit sich aus den Akten ein Bild ergibt, das
im Hinblick auf den Hausbau von Bodo Hombach mit
dem tatsächlichen Geschehensablauf nicht übereinstimmt. Unsere Antwort: Die Fragen beziehen sich auf
die Akten eines laufenden Meineidverfahrens - hier
eben mehrfach erwähnt - gegen einen Dritten vor einem
Gericht des Landes Nordrhein-Westfalen. Vor diesem
Hintergrund nimmt die Bundesregierung davon Abstand, diese Frage detailliert zu beantworten. Herr Bundesminister Hombach hat aber durch seine Rechnungen
und Zahlungsbelege sowie durch die Feststellungen in
zwei Gutachten, die wir hier vorgetragen haben, aus unserer Sicht zweifelsfrei bewiesen, daß er alle im Zusammenhang mit seinem Hausbau entstandenen Kosten
selbst bezahlt hat.
Nun folgt die erste
Zusatzfrage des Kollegen Brauksiepe.
Herr Staatssekretär, können Sie dann zumindest sagen, ob Herr Bundesminister Hombach auch nach der Einsichtnahme in
die Ermittlungsakten bei seiner früher einmal zitierten
Äußerung bleibt, daß die bisher vorliegenden Gutachten
für ihn einen „Freispruch erster Klasse“ bedeuteten?
Er hat keinen Anlaß, von dieser
Aussage abzuweichen.
Die zweite Zusatzfrage des Kollegen Brauksiepe.
Hat denn Herr
Bundesminister Hombach nach der Akteneinsicht eine
Stellungnahme zu den Erkenntnissen aus diesen Akten
abgegeben und, wenn ja, welchen Inhalts?
({0})
Meines Wissens nicht. Ich kenne
eine solche Stellungnahme nicht, insbesondere keine,
die gegenüber der Öffentlichkeit abgegeben wurde.
Nun rufe ich die
Frage 17 des Kollegen Volker Kauder auf:
Wie ist die Behauptung von Bundesminister Bodo Hombach,
er habe „alle angefallenen Baukosten für sein Haus ausnahmslos
selbst bezahlt“ ({0}) vereinbar mit
seiner späteren Aussage, daß Kosten für Sicherheitsmaßnahmen
in seinem Haus von seinem damaligen Arbeitgeber übernommen
worden seien ({1}), und wie hoch waren
die Kosten für diese Sicherheitsmaßnahmen?
Ich darf mir die Bemerkung erlauben, daß es nicht
notwendigerweise sinnvoll sein muß, Zusatzfragen zu
stellen.
({2})
Das durfte ich sagen, Herr Hörster.
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
Die Frage richtet sich auf einen
vermeintlichen Widerspruch, der sich daraus ergibt, daß
Herr Bundesminister Hombach zum Ausdruck gebracht
hat, daß er die Baukosten für sein Haus ausnahmslos
selbst bezahlt hat, und einer ebenfalls von ihm gemachten Aussage, daß Kosten für Sicherheitsmaßnahmen in
seinem Haus von seinem damaligen Arbeitgeber bezahlt
worden sind. Unsere Antwort: Herr Bundesminister Bodo Hombach hat die Baukosten für sein Haus selbst bezahlt. Das ist belegt und gutachterlich bestätigt. Die am
Haus von Bundesminister Bodo Hombach ausgeführten
Sicherungsmaßnahmen wurden auf Grund seiner damaligen beruflichen Tätigkeit von den Sicherheitsbehörden
für notwendig erachtet. Die daraus entstandenen Kosten
wurden daher von seinem damaligen Arbeitgeber übernommen. Wesentlich war dabei eine bei der Polizei aufgeschaltete Alarm- und Überfallmeldeanlage. Den Gutachtern waren bei ihren Schlußfolgerungen die vom Arbeitgeber finanzierten Sicherheitsmaßnahmen bekannt.
Da hier auch aktuelle sicherheitsrelevante Fragen
tangiert sind, sehe ich davon ab, dazu weitere Äußerungen zu machen.
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Kauder.
Herr Staatssekretär, lagen der C & L Deutsche Revision vor Erstellung des
Gutachtens vom 10. Juni 1998 auch die Belege des damaligen Arbeitgebers von Herrn Hombach über die
übernommenen Kosten für die eingebauten Sicherheitsmaßnahmen vor? Wenn nein, wie erklärt sich Herr
Hombach die Feststellung der C & L Deutsche Revision
in diesem Gutachten, es hätten sich „keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß andere als die durch die vorgenannten Unterlagen belegten Arbeiten zur Errichtung
des Gebäudes geleistet wurden“?
Ich sehe auch darin keinen Widerspruch, Herr Abgeordneter, weil die C & L nach meiner
Erinnerung - auch darüber haben wir in diesem Parlament bereits gesprochen - davon ausgegangen ist, daß
diese Kosten nicht zu den von ihnen untersuchten Kosten gehören. Nach meiner Erinnerung lagen aber damals die Belege schon vor und sind von C & L gesehen
worden.
Wir kommen zur
Frage 18 des Kollegen Kauder:
Wie erklärt Bundesminister Bodo Hombach, daß er laut
Süddeutscher Zeitung vom 8. Februar 1999 ausweislich der vorgelegten Zahlungsnachweise für Rechnungen im Zusammenhang mit seinem Hausbau „für einen 200 Quadratmeter großen
Garten und die Pflasterung“ 154 459,40 DM überwiesen haben
soll, die C & L Deutsche Revision hingegen in ihrem Gutachten
vom 10. März 1999 Kosten für Grünflächen und Bepflanzung
für 300 Quadratmeter zugrunde gelegt hat?
Herr Staatssekretär, bitte.
Die Frage 18 bezieht sich auf die
Größe des Gartens.
({0})
Unsere Antwort: Der Garten von Bundesminister Bodo
Hombach ist tatsächlich zirka 200 Quadratmeter groß.
({1})
In dem C & L-Gutachten sind unter der Kostengruppe
„500/Außenanlagen“ die Gelände- und Verkehrsflächen
außerhalb des Bauwerks, also vor, neben und hinter dem
Bauwerk, erfaßt. Insgesamt sind dafür Kosten - so das
Gutachten - von 163 000 DM angefallen. Diese Fläche
wird im Gutachten als Bezugsfläche bezeichnet. Der eigentliche Garten von zirka 200 Quadratmetern, die Fläche neben dem Bauwerk und die gepflasterten Flächen
ergeben zusammen 300 Quadratmeter Bezugsfläche.
({2})
Die erste Zusatzfrage des Kollegen Kauder.
Frau Präsidentin, ich
bitte, eine Klarstellung im Hinblick auf meine Frage
machen zu dürfen.
Bitte sehr.
Der Herr Staatssekretär
hat erklärt, es gehe um die Größe des Gartens. Diese inhaltliche Zusammenfassung meiner Frage ist nicht zutreffend. Es ging nicht um die Größe des Gartens, sonStaatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier
dern es ging um das Verhältnis der Größe des Gartens
zu den ausgewiesenen Kosten.
Wollen Sie nun eine
Zusatzfrage stellen? - Bitte sehr.
Wieso belaufen sich
die Kosten für die Fensterarbeiten an Herrn Bodo Hombachs Haus laut Gutachten vom März 1999 auf rund
86 000 DM, während im „Stern“ mitgeteilt wurde, daß
auf Grund einer eindeutig vorliegenden Rechnung nur
Kosten in Höhe von 78 483 DM entstanden sind?
({0})
Ich kann diese Frage aus eigener
Kenntnis im Augenblick nicht beantworten, bin aber
gern bereit, Ihnen schriftlich die Begründung dafür
nachzureichen.
Die zweite Zusatzfrage des Kollegen Kauder.
Herr Staatssekretär,
haben Sie zur Vorbereitung der Antworten, die Sie heute
geben, mit Herrn Minister Hombach über diese Fragen
gesprochen?
({0})
Ich lasse diese Frage
nicht zu, weil sie nicht zum Sachverhalt gehört. Die Frage, wie sich ein Minister auf eine solche Fragestunde
vorbereitet, sollte nicht Gegenstand der Fragestunde des
Bundestages sein.
Damit kommen wir zur Frage 19 der Kollegin Andrea
Voßhoff:
Hält Bundeskanzler Gerhard Schröder den Bundesminister
und Chef des Bundeskanzleramtes Bodo Hombach für seine
Aufgaben als Chef des Bundeskanzleramtes für geeignet, nachdem die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 19. Mai 1999
auf eine Kleine Anfrage ({0}) erklärt hat, daß
Bundesminister Bodo Hombach als Zeitpunkt der Niederlegung
seines Landtagsmandates den 31. Dezember 1998 erklären
wollte, er dies aber tatsächlich nicht erklärte?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
Die Frage richtet sich danach, ob der
Bundeskanzler Herrn Minister Hombach nach wie vor
als Chef des Bundeskanzleramtes für geeignet hält,
nachdem die Bundesregierung erklärt hat, daß Bundesminister Bodo Hombach als Zeitpunkt der Niederlegung
seines Landtagsmandats den 31. Dezember 1998 erklären wollte, er dies aber tatsächlich nicht erklärte. Diesen
Vorgang hatten wir vorhin bei der Beantwortung einer
anderen Frage behandelt. Unsere Antwort lautet: Ja. Der
Bundeskanzler hat mehrfach betont, daß Bundesminister
Hombach sein volles und uneingeschränktes Vertrauen
genießt.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Auf Grund dieser
Angabe des Herrn Hombach gehe ich davon aus, daß
ihm noch im Januar dieses Jahres Abgeordnetenentschädigung gezahlt wurde. Sie haben in der Fragestunde vom
21. April 1999 dazu geäußert, daß die für den Monat Januar gezahlte Entschädigung zurückgezahlt worden sei.
Können Sie mir mitteilen - falls es jetzt nicht mündlich
möglich ist, dann möglicherweise schriftlich -, wann er
diese Entschädigung zurückgezahlt hat?
Das will ich gerne tun.
Dann kommen wir
zur Frage 20 der Kollegin Andrea Voßhoff:
Welche Konsequenzen zieht Bundeskanzler Gerhard Schröder
aus den Ergebnissen der Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen
Akten der sog. Veba-Immobilien-Affäre durch den Rechtsanwalt
von Bundesminister Bodo Hombach, wonach die in den Akten
enthaltenen Aussagen von Zeugen und Beschuldigten ein anderes Bild über das Hausbaugeschehen von Bundesminister Bodo
Hombach vermitteln, als es Bundesminister Bodo Hombach für
richtig hält?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Die Frage richtet sich darauf, welche
Konsequenzen der Bundeskanzler aus den Ergebnissen
der Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Akten der
sogenannten Veba-Immobilien-Affäre usw. zieht. Unsere Antwort lautet: Keine. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Bundeskanzler selbst keine Akteneinsicht
genommen hat. Das ging bereits aus meinen Antworten
hervor, die ich zur vorletzten Frage gegeben habe. Der
Bundeskanzler weiß aber, daß niemand vor falschen Anschuldigungen gefeit ist. Er weiß auch, daß Bundesminister Hombach durch Einholung von Gutachten die Vorwürfe im Detail widerlegt hat.
Die erste Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Können Sie mir sagen, wann Bundeskanzler Schröder Kenntnis - sei es direkt oder indirekt - von dem Inhalt der Ermittlungsakten
der Staatsanwaltschaft Bochum erhielt?
Das kann ich Ihnen nicht mit Tag
und Datum sagen. Aber es hat - davon gehe ich aus Volker Kauder
nach der Einsichtnahme durch den Rechtsanwalt von
Herrn Hombach und nach der Übermittlung der Ergebnisse dieser Akteneinsichtnahme zwischen Herrn Hombach und dem Bundeskanzler irgendwann ein Gespräch
stattgefunden.
Die zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Wann war Bundeskanzler Schröder erstmals mit den Vorgängen bezüglich
des Hausbaus von Herrn Hombach befaßt?
Zum Zeitpunkt, als dies im vergangenen Jahr erstmals durch die Presse ging.
Herr Staatssekretär
Steinmeier, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung ist Staatsminister Ludger
Volmer anwesend.
Die Fragen 21 und 22 werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 23 des Kollegen Werner Siemann:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß es Kräfte
in der Bundesrepublik Jugoslawien gibt, die darauf hinwirken,
daß Präsident Milosevic sein Amt niederlegt, und wie bewertet
die Bundesregierung die Erfolgsaussichten?
Herr Staatsminister, bitte.
Herr Kollege Siemann, Sie fragten, inwieweit wir
Erkenntnisse über oppositionelle Bestrebungen in Belgrad haben. Unsere Antwort lautet: Die Heilige Bischofssynode der Serbisch-Orthodoxen Kirche hat in einer Erklärung vom 15. Juni 1999 Präsident Milosevic
und die gegenwärtige Regierung Jugoslawiens aufgefordert, sich im Interesse des Volkes und seiner Rettung
zum Rücktritt zu entschließen. Der montenegrinische
Präsident Milo Djukanovic hat in den letzten Wochen
wiederholt erklärt, daß eine Fortführung der Politik von
Präsident Milosevic den Fortbestand der Bundesrepublik
Jugoslawien gefährde. Dieser Auffassung haben sich
zahlreiche montenegrinische Politiker ebenso wie Vertreter der demokratischen Opposition in Serbien angeschlossen.
Die Bundesregierung betrachtet diese Meinungsäußerungen als Ausdruck wachsender Unzufriedenheit in der
Bundesrepublik Jugoslawien mit den Ergebnissen der
Politik von Präsident Milosevic.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte sehr.
Herr Staatsminister,
gibt es konkrete Erkenntnisse der Bundesregierung darüber, wer Milosevic tatsächlich, wenn er einmal nicht
mehr an der Regierung wäre, nachfolgen könnte?
Solche Erkenntnisse haben wir nicht. Die Bundesregierung sowie alle anderen westlichen Staaten versuchen, den Kontakt zu Oppositionspolitikern so weit zu
entwickeln und auszubauen, daß in diesem Kreise über
kurz oder lang eine alternative Führungsfigur für Serbien und Jugoslawien aufgebaut werden kann.
Dann kommen wir
zur Frage 24 des Kollegen Siemann:
Was unternimmt die Bundesregierung, um zu erreichen, daß
der jugoslawische Präsident Milosevic sein Amt aufgibt?
Herr Staatsminister, bitte.
Herr Siemann, Sie fragen danach, was die Bundesregierung unternimmt, damit Milosevic sein Amt aufgibt. Das habe ich im Grunde schon mitbeantwortet. Die
Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit den westlichen Partnern dafür ein, den politischen Meinungsbildungsprozeß in der Bundesrepublik Jugoslawien dahin
gehend zu beeinflussen, daß sich dort die Überzeugung
von der Notwendigkeit eines Wechsels der politischen
Führung durchsetzt. Dies könnte man im einzelnen ausführen. Ich möchte Sie bitten, Ihre Kollegen aus dem
Auswärtigen Ausschuß über Einzelheiten zu befragen,
denn wir haben heute morgen im Auswärtigen Ausschuß
sehr ausführlich über dieses Thema gesprochen.
Die Frage 25 wird
schriftlich beantwortet.
Herr Staatsminister, wir bedanken uns für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. SonntagWolgast zur Verfügung.
Die Frage 26 wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 27 des Kollegen Norbert
Barthle:
Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr durch das
sogenannte „Jahr-2000-Problem“ für die Bundesrepublik
Deutschland, insbesondere auch hinsichtlich der Computer und
Datenverarbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, und
hat die Bundesregierung das Erforderliche unternommen, um
mögliche Sicherheitsrisiken im Bereich der öffentlichen Verwaltung auszuschließen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege
Barthle, Sie fragten danach, wie die Bundesregierung
die Gefahr durch das sogenannte Jahr-2000-Problem für
die Bundesrepublik einschätze, insbesondere hinsichtlich der Computer und der Datenverarbeitungssysteme
in der öffentlichen Verwaltung. Sie fragten auch, ob die
Bundesregierung das Erforderliche unternommen habe,
um mögliche Risiken im Bereich der öffentlichen Verwaltung auszuschließen.
Die Bundesregierung antwortet darauf wie folgt: Die
Bundesregierung hat seit 1996 auf verschiedenen Ebenen Organisationsstrukturen zur Behandlung des Jahr2000-Problems eingerichtet, wie zum Beispiel die interministerielle Task-force beim Wirtschaftsministerium
und den ebenfalls beim Wirtschaftsministerium angesiedelten Sachverständigenkreis. Die Bundesverwaltung
stimmt die erforderlichen Maßnahmen unter Federführung des BMI im sogenannten Interministeriellen Koordinierungsausschuß für Informationstechnik, IMKA, ab.
Bund und Länder kooperieren in den einschlägigen Arbeitskreisen der Innenministerkonferenz, im „Kooperationsausschuß ADV Bund/Länder/Kommunaler Bereich“ und in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Jahr
2000“ der Senats- und Staatskanzleien der Länder.
Die Bundesverwaltung wird hinsichtlich der technischen Systeme den Jahrtausendwechsel voraussichtlich
ohne nennenswerte Beeinträchtigungen bewältigen.
Durch Einrichtung von Notfallprogrammen und Bereitschaftsdiensten sind ungeachtet dessen Vorkehrungen
gegen Ausfälle getroffen worden.
Weitere Einzelheiten, unter anderem zum Vorbereitungsstand in den Landes- und Kommunalverwaltungen,
sind - Sie werden sich erinnern - im Fortschrittsbericht
der Bundesregierung zum Jahr-2000-Problem, der am
21. April dieses Jahres vom Kabinett angenommen wurde, ausführlich dargestellt.
So weit die Antwort auf diese Frage des Kollegen
Barthle.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte.
Frau Staatssekretärin,
ich danke für die sehr informative Beantwortung und
habe nur eine kleine Nachfrage: Gelten die Aussagen
bezüglich der IMKA für alle Zuständigkeitsbereiche inklusive Polizei, Verteidigung und Verkehr?
So ist es; dies wird
für alle Ressorts ausgesprochen. Wo noch Koordinierungsbedarf besteht, sind die Arbeitsgruppen weiter
tätig. Die Arbeiten werden aber zu gegebener Zeit, auf
jeden Fall rechtzeitig vor dem bewußten Datum, dem
1. Januar 2000, abgeschlossen sein.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 28 des Kollegen Dr. Martin
Mayer auf:
Bis wann ist die Bundesregierung in der Lage, den Abgeordneten die Antworten auf schriftliche Fragen an die Bundesregierung auf Wunsch auch über elektronische Post
({0}) zuzusenden?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege
Mayer, Sie fragten danach, bis wann die Bundesregierung in der Lage sei, den Abgeordneten die Antworten
auf schriftliche Fragen an die Bundesregierung auf
Wunsch auch über elektronische Post, E-Mail, zuzusenden. Ich erinnere mich, daß wir diese Thematik in der
letzten Legislaturperiode in der Enquete-Kommission
„Zukunft der Medien“ öfter behandelt haben.
Die Bundesregierung antwortet wie folgt: Da die Ministerien und obersten Bundesbehörden über E-Mail erreichbar sind, sehen wir keine Hinderungsgründe dafür,
Abgeordneten ab sofort die Antworten auf schriftliche
Fragen an die Bundesregierung auf Wunsch auch über
elektronische Post, also in Form von E-Mails zuzusenden. Ich nehme Ihre Frage aber zum Anlaß, mit den
Ressorts einen Termin abzustimmen, ab dem dieser zusätzliche Kommunikationsweg wirklich allen offensteht.
Über das Ergebnis werden wir dem Deutschen Bundestag berichten.
Die erste Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte sehr.
Frau
Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß bisher zwar
freundlicherweise Disketten mitgeschickt wurden, daß
es aber nicht möglich war, die Antworten per E-Mail zu
erhalten, und daß damit letztlich eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Bundesregierung
besteht, die einerseits von jedem Schüler verlangt, daß
er mit E-Mails umgehen kann, selber aber nicht in der
Lage ist, derartige E-Mails zu versenden?
Von diesen Problemen haben wir gehört. Das war auch Anlaß, noch
einmal zu sagen, daß mit allen Ressorts abgestimmt
werden muß, wo diese Kommunikationswege noch
stocken. Ich kann nur für unser Haus, das Bundesministerium des Innern, und für die oberen Behörden, die
uns nachgeordnet sind, sagen, daß dies ab sofort möglich ist.
Die zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Können Sie ein Beispiel benennen, daß einem Abgeordneten schon eine Antwort per E-Mail übermittelt worden
ist?
Wollen Sie jetzt
den Namen eines Kollegen wissen?
Nein, ich möchte wissen, ob schon vor meiner Frage jemals einem Abgeordneten eine Antwort per E-Mail
übermittelt worden ist.
Wir werden
dies prüfen und Ihnen dann eine Antwort zukommen
lassen.
Ich danke der Frau
Staatssekretärin Dr. Sonntag-Wolgast für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staatssekretärin Barbara Hendricks zur
Verfügung.
Die Frage 29 wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe also die Frage 30 des Kollegen Matthäus
Strebl auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, das Erziehungsgeld zu kürzen, um den Kinderfreibetrag anzuheben,
und plant die Bundesregierung, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nur durch die Anhebung des Kinderfreibetrags
zu erfüllen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Strebl, heute
hat die Bundesregierung die Eckwerte des Konzepts zur
gesetzgeberischen Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vorgelegt. Zur Entlastung der
Familien wird die Bundesregierung den Entwurf eines
Familienentlastungsgesetzes erarbeiten, der unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts folgende Maßnahmen enthalten wird: In einer ersten Stufe wird ein einheitlicher Betreuungsfreibetrag
von 3 024 DM für Kinder bis 16 Jahre zusätzlich zum
bisherigen Kinderfreibetrag unter Anrechnung des Kindergeldes eingeführt. Der bisher mögliche Abzug von
Kinderbetreuungskosten entfällt. Das Kindergeld für erste und zweite Kinder wird um 20 DM von 250 DM auf
270 DM monatlich angehoben.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen,
daß die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung
somit dafür sorgen, daß innerhalb von nur zwölf Monaten das Kindergeld für erste und zweite Kinder um 50
DM steigt.
({0})
Mit diesen Verbesserungen wird den Anforderungen
des Familienurteils des Bundesverfassungsgerichts für
die Jahre 2000 und 2001 voll und ganz Rechnung getragen.
Der Ansatz für das Erziehungsgeld im Bundeshaushalt 2000 ist in der gleichen Höhe ausgebracht wie für
das Jahr 1999. Eine Kürzung des Erziehungsgeldes findet nicht statt.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 31 wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zur Frage 32 des Kollegen Strobl:
Plant die Bundesregierung die Streichung der steuerlichen
Absetzbarkeit der Bewirtungsspesen, und wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik des Hotel- und Gaststättenverbandes,
daß durch eine solche Maßnahme „einer noch halbwegs funktionierenden Branche der Dolchstoß versetzt würde“ ({0})?
Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.
Nein.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 33 wird schriftlich beantwortet.
Damit bedanken wir uns bei der Frau Staatssekretärin
Hendricks für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fragen 34, 35, 36, 39, 40 und 41 werden schriftlich beantwortet.
Die Fragen 37 und 38 wurden zurückgezogen.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen ist die Kollegin Staatssekretärin
Ulrike Mascher anwesend.
Die Fragen 42 und 43 des Kollegen Johannes Singhammer sowie die Frage 44 des Kollegen Dietrich
Austermann werden schriftlich beantwortet.
Nun kommen wir zur Frage 45 der Kollegin Birgit
Schnieber-Jastram:
Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, daß es seit
Januar 1999 keine neuen Angaben über die Entwicklung der
Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland gibt und die Fortschreibung der monatlichen Entwicklung
der Zahl der Erwerbstätigen zuletzt im Februar 1999 erfolgte?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Kollegin Schnieber-Jastram, die neue Datenerfassungs- und
-übermittlungsverordnung wurde am 10. Februar 1998
im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Mit ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1999 haben sich beim allgemeinen
Meldeverfahren zur Sozialversicherung Verzögerungen
und Fehler im Datenfluß eingestellt. In erster Linie ist
dies auf den Umstand zurückzuführen, daß viele Arbeitgeber auch nach dem Stichtag 1. Januar 1999 noch das
alte Meldeverfahren angewendet haben.
Dies hat dazu geführt, daß nach anfänglich völligem
Stillstand bisher nur etwa 60 Prozent der ansonsten üblichen Datenmenge bei der Bundesanstalt für Arbeit eingegangen ist und somit eine Auswertung des Datenmaterials nur unplausible Ergebnisse liefern würde. Da jedoch die monatlichen Schätzungen des Statistischen
Bundesamtes zu den Erwerbstätigen, insbesondere für
den Jahreswechsel, in hohem Maße auf den Ergebnissen
der Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit
beruhen, konnten diese für Januar 1999 nicht mehr ermittelt und veröffentlicht werden.
Den Wunsch nach
einer Zusatzfrage gibt es nicht.
Die Frage 46 wird schriftlich beantwortet.
Frau Kollegin Mascher, damit sind Sie aus der Beantwortung für heute schon entlassen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht Frau Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 47 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke auf. - Er ist nicht da. Damit brauchen wir die
Frage nicht zu behandeln. Das gilt auch für die Frage 48
des Kollegen Wolfgang Gehrcke. Es wird verfahren, wie
in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich rufe die Frage 49 des Kollegen Klaus Rose auf:
Welche Zukunft sieht die Bundesregierung für die Standortbekleidungskammern der Bundeswehr, und welche Möglichkeiten sieht sie insbesondere für den Fortbestand der Standortbekleidungskammer in Kirchham?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Herr Kollege Rose, als
jemand, der auf diesem Gebiet fachlich besonders versiert ist - schließlich sind Sie mein Vorgänger in diesem
Amt gewesen -, haben Sie nach der Aufgabe der Standortbekleidungskammern, vor allem nach der Regelung
für die Standortbekleidungskammer in Kirchham, gefragt. Sie wissen, daß die Standortbekleidungskammern
ihre Aufgabe im wesentlichen darin sehen, Berufs- und
Zeitsoldaten, Wehrpflichtige und Reservisten der Bundeswehr ein- und auszukleiden. Diese Aufgabe werden
sie natürlich auch in der Zukunft wahrnehmen.
Der Bundesrechnungshof hat aber bei einer Überprüfung festgestellt, daß einige Standortbekleidungskammern wegen zu geringer Auslastung mit anderen Standortbekleidungskammern zusammengelegt werden sollten. - Sie kennen dieses Gutachten, weil Sie damals im
Verteidigungsministerium dafür zuständig waren. - Die
Standortbekleidungskammer Kirchham in Passau gehört
zu diesen vom Rechnungshof genannten kleinsten
Kammern. Nach seinen Empfehlungen sind Standortbekleidungskammern nur dann gerechtfertigt, wenn mindestens 2 700 Ein- und Auskleidungen jährlich stattfinden und darüber hinaus eine Versorgungsstärke von zirka 2 300 Soldaten nicht unterschritten wird.
Beide Voraussetzungen sind - leider - für den Standort Kirchham bei weitem nicht gegeben. In Kirchham
sind nur zirka 600 Soldaten stationiert, und im vergangenen Jahr waren es lediglich 1 300 Reservisten und
Rekruten, die aus- und eingekleidet worden sind. Im
Zuge der Reorganisation der Territorialen Wehrverwaltung und der Neuorganisation der Standortbekleidungskammern wäre deshalb ein Fortbestand der Standortbekleidungskammer Kirchham in Passau wirtschaftlich
nicht gerechtfertigt. Es ist deshalb geplant - Sie werden
das sicherlich bedauern -, ihre Aufgaben der Standortbekleidungskammer in Bogen zu übertragen.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
als Mitglied einer Bundesregierung, die unter dem
Motto, nicht alles anders, aber vieles besser machen zu
wollen, angetreten ist, frage ich Sie, ob Sie es im Interesse der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an diesem Standort nicht besser machen möchten. Diese setzen alle ihre Hoffnungen in die neue Bundesregierung.
Sehr geehrter Herr Kollege Rose, natürlich bemüht sich eine neue Bundesregierung, vieles besser zu machen. Aber Sie wissen, daß die
Rechnungshöfe unabhängig von Regierung und Parlament arbeiten. Der Bundesrechnungshof hat natürlich
die Aufgabe, darauf zu achten, daß die Mittel der Steuerzahler sinnvoll ausgegeben werden. So ist es verständlich, daß wir aufgefordert werden, kleine Einheiten
zu überprüfen und gegebenenfalls mit größeren zusammenzulegen.
Ich persönlich habe eine große Sympathie für kleinere Einheiten, weil die persönliche Betreuung und der
Umgang mit den Menschen dort besser möglich sind. In
diesem Fall werden wir uns aber, wie auch unsere Vorgängerregierung, dem Sachzwang zu beugen haben.
Der Wunsch nach
einer zweiten Zusatzfrage besteht nicht.
Ich rufe die Frage 50 des Kollegen Rose auf:
Sieht die Bundesregierung bei der bisherigen Vorgehensweise zur Auflösung von Standortbekleidungskammern einen
Verstoß gegen die Grundsätze des Bundespersonalvertretungsgesetzes, besonders gegen die §§ 72 und 78?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Rose, nach
§ 78 Abs. 1 Nr. 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes hat der Personalrat unter anderem bei der Auflösung,
Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oder
wesentlichen Teilen von ihnen mitzuwirken. Die Standortbekleidungskammern sind organisatorischer Bestandteil der Standortverwaltung. Um den „wesentlichen
Teil“ einer Dienststelle handelt es sich nach dem Gesetz
nur dann, wenn dieser Teil in organisatorischer und
räumlicher Hinsicht eine gewisse Selbständigkeit besitzt
und seine Aufgabenstellung für die gesamte Dienststelle
von prägender Bedeutung ist. Seine Auflösung muß die
Restdienststelle, hier also die Standortverwaltung, derParl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
maßen verändern, daß sie sich als Folge der Organisationsmaßnahmen zu einer in ihrem Wesen anderen
Dienststelle wandelt. Diese Rechtsauffassung wird - wie
Sie schon an der Sprache erkennen können - durch die
höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gestützt.
Die Standortbekleidungskammer ist danach nicht
„wesentlicher Teil“ der Standortverwaltung, denn die
Aufgabenstellung der Standortbekleidungskammer ist
für die Gesamtdienststelle nicht von prägender Bedeutung. Sie ist lediglich Bestandteil des Teilsachgebiets III
2, „Bekleidung“. Bei der organisatorischen Auflösung
von Standortbekleidungskammern oder bei der Zusammenlegung mit anderen Dienststellen ist daher die Mitwirkung des Personalrats unter Beachtung der Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes nicht
vorgesehen. Allerdings ist der Personalrat bei Personalmaßnahmen im Rahmen der Mitbestimmung zu beteiligen.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? - Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
mir ist die Meinung der ÖTV immer wichtig: Da sie mir
geschrieben hat, daß hier ein Verstoß gegen das Personalvertretungsgesetz bzw. sonstige Bestimmungen gegeben ist, frage ich Sie, ob ich Ihrer Antwort entnehmen
und der ÖTV mit Ihrer Erlaubnis mitteilen darf, daß die
jetzige Bundesregierung nicht der Meinung ist, daß hier
gegen Grundsätze des Personalvertretungsgesetzes gehandelt wird.
Ihnen wird die ÖTV das
natürlich nicht glauben. Sie pflegt aber selbstverständlich auch engen Kontakt mit dieser Bundesregierung,
mit dem Bundesminister der Verteidigung, Herrn Rudolf
Scharping, dem die ÖTV Straubing selbst geschrieben
hat, und mit der vor Ihnen stehenden Kollegin, die sich
besonders um die Vertretung der Arbeitnehmer bemüht.
Natürlich haben wir alles geprüft. Ich kann festhalten,
daß eine sozial verträgliche Regelung für die Inhaber der
elf Dienstposten - davon sind vier Halbtagskräfte - gesucht wird. Ein Mitarbeiter scheidet am 30. Juni 1999
aus. Die anderen sollen sozial verträglich auf derzeit
freien und freiwerdenden Dienstposten in Kirchham
untergebracht werden. Wir haben im Rahmen unserer
Möglichkeiten alles getan, damit es nicht zu einem
Ortswechsel, sondern nur zu einem Arbeitsplatzwechsel
kommt.
Noch eine Zusatzfrage? - Bitte sehr, Herr Kollege Rose.
Frau Staatssekretärin,
wären Sie so nett, zur Kenntnis zu nehmen, daß die
ÖTV zwar dem Minister geschrieben und auch Abschriften dieses Briefes an mehrere Abgeordnete verschiedener Fraktionen des Deutschen Bundestages
geschickt hat, sich aber nur der Abgeordnete der CSU
dieser Frage angenommen hat?
Das erkenne ich, lieber
Kollege Rose, gerne an. Nach den vielen Jahren der Zusammenarbeit im Parlament geniere ich mich nicht, zu
sagen, daß Sie sich in der Zeit, in der wir zusammen im
Haushaltsausschuß des Bundestages tätig waren, ganz
besonders der sozialen Belange der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer angenommen haben. Ich finde das
sehr erfreulich. Ich kann den Arbeitnehmervertretern zu
„ihrem“ Abgeordneten nur gratulieren und hoffe, daß
sich die anderen Abgeordneten, wenn sie es denn noch
nicht getan haben, daran ein Beispiel nehmen.
Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur
Beantwortung ist Herr Staatssekretär Scheffler anwesend.
Ich rufe die Frage 51 des Kollegen Hans-Joachim
Fuchtel auf. - Ich stelle fest, daß der Abgeordnete nicht
da ist. Somit wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Das gilt auch für die Frage 52.
Die Fragen 53 und 54 werden schriftlich beantwortet.
Nun kommen wir zur Frage 55 des Kollegen Wolfgang Dehnel:
Beabsichtigt die Bundesregierung, ein besonderes Programm
zur Finanzierung des kommunalen Straßenbaus in den neuen
Bundesländern zu erarbeiten, und wenn ja, würde dieses mit
Mitteln aus dem Bundeshaushalt finanziert werden?
Herr Staatssekretär, bitte.
Werter Kollege Dehnel, Sie fragen, ob die Bundesregierung bei einem Programm zur Finanzierung des kommunalen Straßenbaus hilfreich zur Seite stehen kann.
Darauf möchte ich antworten, daß der Bund nach dem
Grundgesetz die Regelungskompetenz für Bundesfernstraßen, nicht aber für den kommunalen Straßenbau hat.
Die Erarbeitung eines besonderen Bauprogramms für
kommunale Straßen ist ihm deshalb verwehrt. Den jeweiligen Straßenbaulastträgern obliegen Planung und
Finanzierung ihrer Straßenbauvorhaben in eigener Verantwortung. Einer Finanzierung von kommunalen Straßenbauvorhaben durch den Bundeshaushalt steht Art.
104 a des Grundgesetzes entgegen.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? - Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
es ist mir bekannt, daß normalerweise die Landesregierungen bzw. die Kommunen verantwortlich sind. Aber
Ihnen ist ja auch bekannt, daß die Kommunen in den
neuen Bundesländern noch enorme Zahlungsschwierigkeiten haben und noch nicht die finanziellen Mittel aufbringen können wie die Altbundesländer. Ihnen ist auch
bekannt, daß die Kommunen gerade in den neuen Bundesländern Unterstützung brauchen, da sie enorme
Schwierigkeiten mit Brücken und Straßen haben, die
über 100 Jahre alt sind und auf Grund des seit ihrem Bau
verzehnfachten Verkehrs enormen Belastungen ausgesetzt sind. Ist Ihnen bekannt, daß die vorherige Bundesregierung die Kommunen in den neuen Bundesländern
deshalb mit mehreren 100 Millionen DM unterstützt
hat? Meine Mutter hat immer gesagt: Wo ein Wille ist,
ist auch ein Weg. - Sieht auch die Bundesregierung
einen Weg, dort zu helfen?
Werter Kollege Dehnel, mir ist natürlich bekannt, inwieweit die alte Bundesregierung in den vergangenen
acht Jahren die Finanzierung entsprechend der Gesetzeslage unterstützt hat.
Sie haben mehrere Punkte angesprochen, zum Beispiel die Finanzierung von Straßenbrücken bzw. Brükken über Schienenverkehrsanlagen. Sie wissen, daß sich
gerade die Abgeordneten aus den neuen Ländern, gemeinsam mit dem Berichterstatter der SPD-Fraktion in
der vergangenen Legislaturperiode, Herrn Lothar Ibrügger, der jetzt Parlamentarischer Staatssekretär ist, parteiübergreifend dafür eingesetzt haben, daß das Eisenbahnkreuzungsgesetz hier zur Anwendung kommt und daß
die entsprechenden Maßnahmen - so eine Regelung
seitens der alten Bundesregierung - vom Bund, von
der DB AG, aber auch von den Ländern gefördert werden.
Das, was Sie angesprochen haben, ist natürlich keine
Schenkung. Wir haben mehrere Förderinstrumente, um
den Kommunen in dem Bereich zu helfen, zum Beispiel
die Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, die auch die neue Bundesregierung trotz fehlenden
Gesetzesrahmens für 1999 und auch für 2000 auf hohem
Niveau eingeplant hat. Diese Förderung wird also kontinuierlich fortgesetzt. Wir müssen aber mit Blick auf den
Haushalt 2000 abwarten, wie wir zusätzliche Maßnahmen fördern. Doch noch einmal: Es gab auch in der alten Bundesregierung keine Schenkungen. Alles hatte
den entsprechenden gesetzlichen Hintergrund.
Zusatzfrage, Herr
Kollege, bitte sehr.
Trifft es zu, daß die
Bundesregierung ein Brückensanierungsprogramm gerade für besonders betroffene Regionen plant bzw. ausarbeiten läßt?
Der Finanzrahmen des Bundes ist beschränkt, auch nach
der heutigen Sitzung des Kabinetts. Wir müssen den
endgültigen Haushalt abwarten, der nach der Sommerpause vorliegen wird und vom Parlament bestätigt werden muß.
Sie wissen, daß wir die Verkehrsprojekte „Deutsche
Einheit“, Maßnahmen im Vordringlichen Bedarf - seien
es Schienenverkehrsprojekte, seien es Bundesfernstraßenprojekte, bei denen wir eine erhebliche Unterfinanzierung haben - und durch erste Spatenstiche schon eingeleitete Maßnahmen finanziell absichern. Dann könnten die Länder einen entsprechenden Antrag stellen.
Dann könnte man sich weiter darüber unterhalten. Natürlich gibt es Finanzengpässe. Aber auch Art. 104 a des
Grundgesetzes ist zu beachten.
Die Frage 56 wird
schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 57.
Ich rufe die Frage 58 des Kollegen Bernward Müller
auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Europäische Union für den Aufbau von transeuropäischen Verkehrsnetzen zusätzlich weitere Mittel bereitstellen könnte, wenn die EU
aus dem Strukturfonds bereits mit 3 Mrd. DM Verkehrsprojekte
in den neuen Bundesländern fördert, die nicht zu den transeuropäischen Netzen zählen?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
Ihre Frage möchte ich wie folgt beantworten: Die Bundesregierung sieht keinen Widerspruch in der Aufstockung
der TEN-Mittel - also der Mittel für die transeuropäischen Verkehrsnetze - für den Zeitraum 2000 bis 2006
auf insgesamt 4 Milliarden Euro und der möglichen
Förderung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben aus EUStrukturfondsmitteln, da jeweils unterschiedliche EURechtsgrundlagen gelten. Vorhaben des transeuropäischen Verkehrsnetzes sind nur ein möglicher Förderschwerpunkt, an dem sich der Europäische Fonds für regionale Entwicklung in den Ziel-1-Gebieten beteiligen
kann.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß die von
der Bundesregierung beabsichtigte Förderung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben des Bundes im Rahmen der
EU-Strukturfonds überwiegend transeuropäische Projekte umfaßt und in Deutschland erstmalig ab dem Jahr
2000 erfolgen soll. Eine positive Entscheidung der EGKommission ist natürlich Voraussetzung.
Zusatzfrage, Herr
Kollege, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, bisher wurden Mittel des Europäischen Strukturfonds für Projekte, die nicht zu den transeuropäischen
Verkehrsnetzen gehörten, den Ländern überwiesen. Das
ist diesmal nicht der Fall. Sie entziehen den Ländern
damit finanzielle Mittel. Sind dafür Kompensationen aus
dem Bundeshaushalt vorgesehen?
Mir ist nicht bekannt - das möchte ich ausdrücklich zurückweisen -, daß den Ländern, insbesondere den neuen
Bundesländern, Mittel entzogen werden. Die entsprechenden Projekte werden fortgeschrieben. Es werden
sogar neue Projekte ins Leben gerufen. Ich darf nur das
Beispiel des Flughafens Berlin/Brandenburg nennen, der
in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans eingestellt worden ist.
Die alte Bundesregierung hatte für dieses Projekt weder in der kurzfristigen noch in der mittelfristigen Finanzplanung - bis zum Jahr 2007 keine einzige Mark
vorgesehen. Insofern sind die jetzigen Mittel aus dem
Bundeshaushalt zusätzliche Mittel. Ich möchte betonen,
daß mit der Entscheidung des Bundeskabinetts vom 26.
Mai 1999 erstmals ein Grundsatzbeschluß zur Aufstellung eines Bundesprogramms „Verkehrsinfrastruktur in
Ziel-1-Gebieten“ verabschiedet wurde. Im Rahmen dieses Beschlusses werden zusätzliche Mittel, nämlich 3
Milliarden DM, aus dem entsprechenden EU-Topf herangezogen.
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
Sie haben bestätigt, daß der Europäische Rat zusätzliche
Mittel für transeuropäische Verkehrsnetze zur Verfügung stellt. Wie erklären Sie dann, daß ein planfestgestelltes Projekt in Deutschland, das zu den transeuropäischen Verkehrsnetzen gehört und das baureif ist, nämlich die ICE-Strecke zwischen Nürnberg und Erfurt, zurückgestellt wird - mit der Perspektive, daß Ende nächsten Jahres der Planfeststellungsbeschluß verfällt, obwohl der Europäische Rat zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt?
Gemäß Art. 1 stellen die Leitlinien über die transeuropäischen Netze nur einen allgemeinen Bezugsrahmen
dar, durch den die Maßnahmen der Mitgliedstaaten und
gegebenenfalls die gemeinschaftlichen Maßnahmen, die
auf die Durchführung von Vorhaben von gemeinsamem
Interesse zur Sicherstellung der Kohärenz, der Verknüpfung und der Interoperabilität des transeuropäischen
Verkehrsnetzes sowie auf den Zugang zu diesem Netz
ausgerichtet sind, gefördert werden sollen.
Mir ist auch bekannt, was der Verkehrsausschuß des
Bundesrates heute entschieden hat und wie seine Empfehlung an den Bundesrat lautet. Mir ist nicht bekannt,
daß die Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der
Minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
das transeuropäische Netz Malmö - Verona grundsätzlich in Frage stellt. Hier könnte es einen qualifizierten Zwischenschritt geben. Insofern hält auch diese
Bundesregierung an dem transeuropäischen Vorhaben
fest.
Ich rufe die Frage 59
der Kollegin Claudia Nolte auf. - Sie ist nicht da. Es
wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich rufe die Frage 60 der Kollegin Vera Lengsfeld
auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß der EUFördermittelanteil für grenzüberschreitende transeuropäische
Verkehrsnetze bis zu 20 Prozent betragen kann, und wenn nicht,
wie hoch ist der maximal mögliche Förderbetrag der EU?
Herr Staatssekretär, bitte.
Die
Frage, ob der EU-Fördermittelanteil für grenzüberschreitende transeuropäische Verkehrsnetze bis zu 20
Prozent betragen kann, beantworte ich mit einem klaren
Nein. Der Fördersatz für transeuropäische Projekte beträgt auch nach der am 7. Juli 1999 vom Europäischen
Rat verabschiedeten Änderung der TEN-Zuschußverordnung grundsätzlich 10 Prozent bei Investitionen und
50 Prozent bei Studien.
Lediglich der Zuschuß für Investitionen in satellitengestützte Ortungs- und Navigationssysteme kann gemäß
den TEN-Leitlinien ab dem Jahr 2003 nach jeweiliger
Zustimmung durch die Mitgliedstaaten auf bis zu 20
Prozent erhöht werden. Für den durch die Bundesregierung immer unterstützen Vorschlag der EU-Kommission, grenzüberschreitende TEN-Projekte mit bis zu
20 Prozent zu fördern, gab es im Europäischen Rat keine
Mehrheit.
Zusatzfrage, Frau
Kollegin? - Nein.
Dann rufe ich die Frage 61 des Kollegen Manfred
Grund auf:
Wie viele Fördermittel der Europäischen Union kann die
Bundesregierung für die Realisierung der Hochgeschwindigkeitsschienenverbindung „Verona-München-Erfurt-Halle/Leipzig-Berlin-Malmö“ auf deutschem Boden ({0}) einsetzen, und welche Mittel stehen für
alle transeuropäischen Verkehrswege insgesamt zur Verfügung?
Wenn Sie, Kollege Grund, gestatten, dann möchte ich
die Fragen 61 und 62 im Zusammenhang beantworten.
Geht das in Ordnung? - Dann rufe ich auch die Frage 62 des Kollegen
Grund auf:
Hält die Bundesregierung die vom Europäischen Rat vorgeschlagene Möglichkeit einer öffentlich-privaten Mischfinanzierung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8 für realisierbar?
Die
Förderhöchstsätze der EU belaufen sich bei Investitionen in Verkehrsinfrastrukturvorhaben auf maximal
10 Prozent im Rahmen der Haushaltslinie „Transeuropäische Netze“ und 75 Prozent der zuschußfähigen öffentlichen Gesamtausgaben im Rahmen der EUStrukturförderung. Eine gemischte Förderung für gleiche Projekte oder Teilprojekte ist in der Regel ausgeschlossen.
Für das VDE-Projekt Nr. 8 wurden zwischen 1995
und 1999 durch die EU-Kommission aus der Haushaltslinie TEN insgesamt 91,1 Millionen Euro als Investitionszuschüsse bewilligt. Davon entfallen 15,5 Millionen Euro auf das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“,
und zwar in diesem Fall auf das Teilprojekt 8.1 Nürnberg-Erfurt. Aussagen über mögliche Beantragungen
weiterer Zuschüsse können erst nach erneuter Abstimmung getroffen werden. Insgesamt sieht die EUFinanzplanung 4,6 Milliarden Euro für TEN-Vorhaben
im Zeitraum 2000-2006 vor, davon rund 90 Prozent für
Verkehrsvorhaben. Eine Bezifferung der Mittel für
TEN-Vorhaben aus den EU-Strukturfonds ist der Bundesregierung nicht möglich.
Auf die Frage 62 antworte ich: Eine öffentlich-private
Finanzierung des VDE-Projektes Nr. 8 hält die Bundesregierung für nicht realistisch.
Herr Kollege Grund,
Ihre erste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie sprachen davon, daß 15,5 Millionen Euro für den
Abschnitt 8.1, Nürnberg-Erfurt, des Verkehrsprojektes
ausgegeben worden sind. Können Sie ausschließen, daß
diese 15,5 Millionen Euro bei dem von Ihnen so genannten qualifizierten Zwischenschritt qualifiziert in den
Sand gesetzt worden sind?
Das muß ich zurückweisen. Wenn die Verbindung Erfurt mit der Bündelungstrasse südlich von Erfurt denn so
kommt, ist das ein qualifizierter Zwischenschritt. Die
Entscheidung dazu ist überhaupt noch nicht getroffen.
Es wurde überhaupt nichts in den Sand gesetzt. Wie
vom Kanzler und von Minister Franz Müntefering angekündigt, wird es keine Investruine geben. Zur Verdeutlichung will ich Ihnen sagen, wie sich die 91,1 Millionen
Euro zusammensetzen: Wittenberg-Bitterfeld mit ausgezahlten 17,43 Millionen Euro, Elbequerung bei
Wittenberg mit ausgezahlten 3,88 Millionen Euro, Gröbers-Leipzig mit ausgezahlten 6,40 Millionen Euro,
Bündelungsabschnitt mit ausgezahlten 6,20 Millionen
Euro und Knoten Berlin - der gehört auch dazu; das
wird immer wieder verschwiegen - mit ausgezahlten
10,00 Millionen Euro. Bisher handelt es sich um eine
Inanspruchnahme von insgesamt 43,91 Millionen Euro.
Die insgesamt bewilligten Mittel belaufen sich auf
91,10 Millionen Euro.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Grund? - Bitte.
Herr Staatssekretär,
bisher sind wir immer mit der Aussage, daß dann das
Kabinett beschlossen habe und dem Bundestag weitere
Erkenntnisse vorgelegt werden würden, was die transeuropäischen Netze, aber auch die Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ betrifft, auf den 30. Juni vertröstet
worden. Nun sind wir so weit: Der Bundeskanzler ist
heute auf der Bundespressekonferenz gewesen; der
Haushalt 2000 liegt in groben Zügen vor. Welche Auswirkungen hat der Haushalt 2000 auf das Verkehrsprojekt 8.1 Nürnberg-Erfurt?
Sie
haben das Datum 30. Juni genannt. Anfang Juli werden
wir entscheiden. Da der Haushalt in den einzelnen Ressorts gerade erst abgestimmt worden ist, können Sie
nicht verlangen, daß die finanziellen Entscheidungen für
die verkehrspolitischen Projekte heute schon vorliegen.
Anfang Juli werden wir die Entscheidung der Bundesregierung dem Parlament vorlegen.
Eine weitere Zusatzfrage? - Herr Kollege, bitte sehr.
Aber das Parlament
tritt Anfang Juli nicht mehr zusammen. Heißt das, daß
Sie das dem Parlament erst nach der Sommerpause mitteilen werden?
Wir werden das nicht nach der Sommerpause machen.
Vielmehr liegen die entsprechenden Veröffentlichungen
Anfang Juli vor.
Keine weiteren Zusatzfragen mehr. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zur Zukunft der
sozialen Sicherungssysteme
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Karl-Josef Laumann, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die, so
glaube ich, seit Jahren wichtigste Aktuelle Stunde im
Bereich der Sozialpolitik, geht es doch heute darum,
über Wählertäuschung und Rentenbetrug zu reden.
Ich habe bis vor wenigen Wochen geglaubt, daß es
hier im Deutschen Bundestag unter Sozialpolitikern
Übereinstimmung dahin gehend gibt, daß die SozialverParl. Staatssekretär Siegfried Scheffler
sicherung etwas Wichtiges in diesem Lande ist, daß die
Sozialversicherung davon lebt, daß Menschen Beiträge
zahlen - oft über viele Jahrzehnte - und sie sich darauf
verlassen können, daß in der Frage, was mit diesen Beiträgen geschieht, fest vereinbarte Spielregeln gelten.
({0})
Das stimmt seit heute nicht mehr: Herr Riester - die
Regierung - kappt die anstehende Rentenerhöhung in
der Art eines Handstreiches schlicht und ergreifend um
75 Prozent.
({1})
Das heißt, daß Sie einem Rentner, der nach dem jetzigen
System 2 000 DM Rente bekommt, eine Rentenerhöhung von 102 DM streichen. Das ist für jemanden, der
2 000 DM Rente bekommt, eine Menge Geld.
({2})
Ich glaube, es stellt einen Systembruch und einen
Vertrauensbruch dar, wenn man Rentenerhöhungen nach
Gutsherrenart vornimmt, wenn man eingreift, ohne dafür
ein fest vereinbartes Muster zu haben.
({3})
Wir müssen zurückfinden - wie es bei Norbert Blüm
war - zu einer Sozialpolitik, in der sich Moral und
Klugheit miteinander verbinden.
({4})
Beides kann ich in Ihrer Sozialpolitik, Herr Riester, zur
Zeit nicht finden: Da wird im Bundestagswahlkampf in
einer riesigen Kampagne der demographische Faktor in
der Rentenformel der alten Regierung als unsozial bezeichnet.
Da wird in einer riesigen Kampagne der Gewerkschaften für Arbeit und Gerechtigkeit die Rentenreform
von Norbert Blüm angegriffen. Damals trugen Sie, Herr
Riester, als zweitwichtigster Mann der IG Metall für
diese Aktion persönlich Verantwortung. Kaum sind Sie
acht Monate im Amt, da setzen Sie eine Rentenniveauabsenkung um 5 Prozent innerhalb von zwei Jahren außerhalb der bestehenden Systematik - durch. Ich weiß
nicht, wie Sie sich als Gewerkschafter noch im Spiegel
anschauen können.
({5})
Da wird im Deutschen Bundestag eine Ökosteuer
verabschiedet. Wir haben damals in der Debatte um die
Ökosteuer gesagt, daß damit insbesondere die Rentner
belastet würden. Gucken Sie, meine Damen und Herren
SPD-Sozialpolitiker, sich einmal die Protokolle an!
({6})
Damals haben Sie gesagt: Ja, natürlich werden die Rentner belastet. Aber dafür, daß wir den Sozialversicherungsbeitrag senken, bekommen die Rentner ein Jahr
später eine stärkere Rentenerhöhung.
({7})
Jetzt kappen Sie die Rentenerhöhung, aber die Belastung
der Rentner durch die Ökosteuer bleibt.
Da erklärt der Bundeskanzler am 17. Februar 1999
anläßlich des Politischen Aschermittwochs in Bayern:
Ich stehe dafür, daß die Rente auch in Zukunft so steigt
wie die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer.
({8})
Auch der Bundeskanzler steht nicht mehr. Allerdings
war ich schon immer der Meinung, daß er nicht steht.
({9})
Nettoanpassung bedeutet für Riester und Schröder:
Gemäß den Nettolöhnen passen wir an, wenn die Löhne
wenig steigen. Steigen die Löhne stärker, machen wir
Inflationsausgleich. Wer so willkürlich arbeitet, ist dabei, das Sozialversicherungssystem kaputtzumachen.
({10})
Ich glaube, es wird höchste Zeit, daß dieser Dilettantismus, dieses Chaos und die Täuschungen, die im Arbeitsministerium mit Walter Riester Einzug gehalten haben, aufhören.
({11})
Und noch eines: Über viele Jahrzehnte war es in diesem Lande Tradition, in der Rentenpolitik die scharfe
parteipolitische Auseinandersetzung möglichst zu vermeiden.
({12})
Aber wer vor einer Strukturreform solch einen „Rentenklau“ begeht, kann auf die Unterstützung der Opposition
bei der Strukturreform nicht mehr rechnen. Denn wir
werden nicht bereit sein, uns mit Rentendieben an einen
Tisch zu setzen.
({13})
Das Wort hat nun
die Kollegin Angelika Krüger-Leißner, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist
schon verwunderlich, welchen Aktionismus die CDU/
CSU-Fraktion in Sachen Renten in den letzten Wochen
entwickelt hat.
({0})
Die letzte Aktuelle Stunde auf Ihren Antrag hin ist gerade erst zwei Wochen her. Hätten Sie doch nur in den
letzten 16 Jahren die gleiche Energie in die Erarbeitung
einer umfassenden Reform der sozialen Sicherungssysteme gesteckt!
({1})
Aber von Ihnen kam nur die Antwort: Die Renten sind
sicher. - Aber sicher war doch nur, daß zum einen die
Beiträge zur Rentenversicherung stiegen und zum anderen die Rentenleistungen sanken.
({2})
Mittlerweile weiß auch der letzte in unserem Lande,
daß wir aus der großen Verschuldungsfalle nur mit gemeinsamen Kraftanstrengungen wieder herauskommen.
Denn wenn jede vierte Mark für den Schuldendienst
statt für aktive Arbeitsmarktpolitik oder soziale Sicherung ausgegeben wird, ist das zutiefst ungesund.
({3})
Diese Entwicklung der letzten Jahre hat die Bürgerinnen und Bürger, ob alt oder jung, ob in Ost oder
West, verunsichert. Sie erwarten zu Recht, daß verantwortliche Politiker auf die drängendsten Fragen nach sozialer Sicherung für das Alter klare Antworten geben,
die langfristig und umfassend wirken werden, und nicht
noch Ängste schüren.
Dabei wollen wir am Generationenvertrag in unserer
Gesellschaft festhalten. Wir brauchen auf der einen Seite
die Solidarität der Jüngeren für die Älteren; aber auf der
anderen Seite brauchen die Jungen auch die Solidarität
der Älteren. Dieser Generationenvertrag kann aber nur
wirken, wenn auch die veränderte Situation in Deutschland Beachtung findet, angefangen bei der demographischen Entwicklung über die viel zu hohe Arbeitslosigkeit bis hin zu den Anstrengungen um die innere Einheit
in Deutschland auch im sozialen Bereich.
Auf die veränderte Arbeits- und Einkommenssituation vieler Menschen in unserem Lande - Sie wissen
selbst, daß wir eine Rentnerin oder einen Rentner, die
oder der 45 Jahre lang in einem Vollzeitjob gearbeitet
hat, heute nur noch selten finden - müssen wir eine zeitgemäße Antwort für die Zukunft finden. Das neue Altersvorsorgepaket, das Bundesminister Riester vorgeschlagen hat, ist für mich eine solche ernsthafte und
ehrliche Antwort auf die Fragen der Zeit.
({4})
Ich will Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn
Sie jetzt zuhören, sagen, warum das für mich der Fall ist.
Erstens. Ein wichtiger Bestandteil dieser strukturellen
Reform ist die Stabilisierung der ersten Säule unserer
Alterssicherung, nämlich der solidarischen und umlagenfinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung. Daran
wollen wir festhalten.
({5})
Wir wollen sie aber - das ist der Unterschied - zukünftig durch Beitragssicherheit auf lange Sicht und durch
das Halten des Rentenniveaus berechenbarer machen.
({6})
Ich denke, das ist eine ganz wichtige Information für unsere jetzigen Rentnerinnen und Rentner. Für die Rentenhöhe der nächsten Jahre nennen wir ihnen auch klare
und ehrliche Zahlen, anders als Herr Laumann.
Angesichts dessen halten ich es für unverantwortlich,
hier von einer Rentenkürzung zu sprechen. Ich verschweige nicht: Wir brauchen auch die Solidarität unserer älteren Bürger, wenn wir von ihnen in den nächsten
zwei Jahren einfordern, einen geringeren Rentenanstieg
hinzunehmen, nämlich in der Höhe der Preissteigerung.
Das werden im nächsten Jahr 0,7 Prozent und im folgenden Jahr 1,6 Prozent sein.
({7})
2002 wird die Anpassung wieder nach den Nettolöhnen
erfolgen.
Zweitens geben wir auch der jungen Generation eine
ehrliche Antwort, wenn wir ihr sagen, daß die erste
Säule allein nicht ausreichen wird, um den Lebensstandard im Rentenalter zu sichern. Hier wird eine zusätzliche Eigenvorsorge in Ergänzung zu den bestehenden
Systemen notwendig werden. Viele tun das ohnehin
schon. Hier werden wir aber auch Anreize und Angebote
für Menschen mit unterschiedlichem Einkommen entwickeln müssen.
({8})
Drittens werden wir mit der Einführung einer bedarfsorientierten und steuerfinanzierten sozialen Grundsicherung im Alter endlich in diesem Lande einen wirkungsvollen Beitrag gegen Altersarmut leisten. Der entwürdigende Weg zum Sozialamt wird für die Älteren
dann der Vergangenheit angehören.
Viertens werden gerade Frauen, die den größten Anteil an der Altersarmut tragen, von der neuen Altersvorsorge profitieren und eine eigenständige Absicherung
nach ihrer Wahl erhalten können.
({9})
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit? Wir sind in der Aktuellen
Stunde.
Wie bitte?
Sie haben keine Redezeit mehr; es tut mir furchtbar leid. Einen Schlußsatz
gestatte ich Ihnen noch.
Ein Schlußwort,
ja.
Wir brauchen in Zukunft eine ehrliche Antwort auf
diese Fragen der Zeit.
({0})
Soziale Grundsicherung können wir nur durch gemeinsames Handeln sichern. Dazu gehört eine gerechte Lastenverteilung zwischen Alt und Jung. Um diese Wahrheit kommen wir nicht herum.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
ich würde mir wünschen, daß Sie an dieser herausragenden politischen Aufgabe,
({2})
die vor uns steht, mitarbeiten und daß Sie - das erwarten
unsere Bürger, und zwar von allen Politikern - einen
Beitrag leisten, dem ich die Überschrift „Koalition der
Vernunft“ geben möchte.
Frau Kollegin, Ihre
Redezeit ist beendet.
({0})
Das Wort hat nun Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer,
F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann es wirklich
nur mit einem Wort sagen: Die Rentenpolitik von Herrn
Riester und der sie tragenden Koalition ist ein Skandal.
({0})
Erst - das muß man wirklich so formulieren - erschleichen Sie sich im September des letzten Jahres
einen Wahlsieg mit Versprechen an die Rentner.
({1})
Sie haben den Rentnern versprochen, daß Sie alles zurücknehmen wollen, was die alte Koalition an verläßlichen, für die Rentner berechenbaren, zwischen den Generationen sehr sorgfältig verteilten Belastungen eingeführt hat. Das haben Sie den Rentnern versprochen. Und
was tun Sie? - Sie kürzen auf einen Schlag das Rentenniveau von heute 70 Prozent auf 66 Prozent im übernächsten Jahr.
Das, meine Damen und Herren, muß wirklich jeder
Vernünftige einen Wählerbetrug nennen, und das ist ein
Skandal.
({2})
Frau Krüger-Leißner, ich kann mir vorstellen, daß es
Ihnen nicht leichtgefallen ist, dies alles zu verteidigen,
denn so sehr können Sie Ihren eigenen Wahlkampf im
Gedächtnis nicht ausgeblendet haben, genau wie alle
anderen Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen. Das kann einfach gar nicht sein.
({3})
Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und Ehrlichkeit
einfordern, dann sollten Sie sagen: Jawohl, es war ein
Fehler, daß der Demographiefaktor der alten Koalition
zu Beginn Ihrer Regierungszeit zurückgenommen worden ist.
({4})
Das ist der eigentliche Fehler. Damit haben Sie einen
guten Teil des Chaos in der Rentenversicherung produziert, von dem Sie jetzt behaupten, daß Sie es wieder beseitigen müßten.
({5})
Kanzler Schröder hat im Wahlkampf starke Worte
gebraucht. Unanständig sei es, was wir von den Rentnern und natürlich auch von den Beitragszahlern verlangten. Was wir von den Rentnern verlangt haben, war
deutlich weniger als das, was Sie ihnen jetzt auf einen
Schlag in den nächsten Wochen aufoktroyieren.
({6})
Das war viel weniger. Deswegen kann ich nur sagen:
Was Sie machen, ist unanständig. Was wir gemacht haben, war eine verläßliche, eine berechenbare Rentenreform, und Sie hätten besser daran getan, sie nicht auszusetzen.
Ich zitiere jetzt einmal Herrn Kollegen Dreßler, heute
nachzulesen in der Zeitung.
({7})
- Er kommt schon gar nicht mehr zu diesen Debatten. Er hat in einer Journalistenrunde gesagt:
Wenn Blüm sich das getraut hätte,
was wir jetzt machen,
hätte die SPD den Dritten Weltkrieg ausgerufen.
Das sagt Ihr eigener Kollege, das ist seine Einschätzung.
({8})
Meine Damen und Herren, lügen Sie sich nicht selbst
etwas in die Tasche, sondern sagen Sie: Es war ein Fehler, wie wir in dieser Legislaturperiode begonnen haben!
Es hat einmal einen Arbeitsminister Arendt gegeben,
der vor der Wahl eine Rentenerhöhung angekündigt
hatte, die er nach der Wahl wieder kassieren mußte. Der
Mann trat zurück.
({9})
Der Mann hatte Rückgrat, und ich denke, er könnte
Herrn Riester als Beispiel dienen.
({10})
Die Koalition absolviert gerade in Sachen Renten den
Lernprozeß nach Art der Echternacher Springprozession. Das kennen wir ja schon von einer ganzen Reihe anderer Themen. Aber da gibt es wenigstens ein begrüßenswertes Ergebnis: Herr Riester verzichtet auf die
Zwangsbeiträge zur privaten Vorsorge. Dieser Zwang,
meine Damen und Herren, hätte in der Tat die wichtige
zweite Säule der Altersversorgung neben der gesetzlichen Rentenversicherung, die private Vorsorge, diskreditiert. Deswegen war es gut, daß das jetzt offensichtlich
vom Tisch ist. Es durch einen Tariffonds zu ersetzen ist
allerdings so, wie den Teufel mit Beelzebub auszutreiben. Deswegen hoffe ich sehr, daß dieses nicht Platz
greifen wird.
Was Sie uns bei der privaten Vorsorge damals vorgehalten haben, wovon Sie aber offensichtlich nicht begriffen haben, daß Sie es jetzt auch tun müssen, ist die Notwendigkeit einer Steuersenkung, damit vor allen Dingen
Familien mit kleinem Einkommen das Geld haben, private Vorsorge zu betreiben. Wir haben das damals gemacht.
({11})
Wir haben eine Steuerreform mit einer Tarifsenkung
für alle gemacht und vor allen Dingen mit einer starken
Absenkung des Eingangsteuersatzes - das ist der entscheidende Punkt -,
({12})
damit auch Bezieher kleiner Einkommen die Möglichkeit haben, Geld für private Vorsorge abzuzweigen. Ich
kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie das nicht tun, wenn
Sie das nicht endlich anpacken - aber das haben Sie ja
nicht vor -, werden Sie auch hier neben dem Ziel landen.
({13})
Meine Damen und Herren, die ganze Konfusion, die
Sie mit Ihren Rentenbeschlüssen vorführen, ruiniert die
gesetzliche Altersvorsorge, und das ist wirklich ein Problem. Alte Menschen brauchen Verläßlichkeit und keine
kassierten Wahlversprechen.
Ich danke Ihnen.
({14})
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Thea Dückert, Bündnis 90/Die Grünen.
Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! Veränderung braucht Mut, und Realitäten anzuerkennen braucht auch Mut. Den haben wir in den
letzten Tagen bewiesen.
({0})
- Ja, das ist so. Ehrlichkeit und Mut haben wir in den
letzten Tagen bewiesen.
({1})
Das vorgelegte Sparpaket ist das ehrgeizigste, was die
Bundesrepublik jemals gesehen hat: 30 Milliarden DM
im ersten Schritt, 150 Milliarden DM Einsparungen in
vier Jahren. Es ist völlig klar, daß das sehr schwierige
Einschnitte mit sich bringt, und zwar für alle Haushalte
gleichermaßen, natürlich auch für den Sozialhaushalt.
Das bedeutet jetzt für die Renten, aber auch für die anderen Alterseinkommen, zum Beispiel für die Pensionen, daß die Rentenanpassung in den nächsten zwei Jahren entlang der Inflationsrate laufen wird.
({2})
- Aber Frau Schwaetzer zum Beispiel oder Herr Laumann, wir sollten doch die Kirche im Dorf lassen, der
Ehrlichkeit halber. Meine Damen und Herren, wir haben
zum 1. Juli die Renten erhöht. Das wird jetzt eintreten.
In den nächsten zwei Jahren wird die Rentenerhöhung
entlang der Inflationsrate erfolgen. Das ist in der Summe
dessen, was bei den Rentnerinnen und Rentnern ankommt, mehr als das, was Sie nach Ihrem Blümschen
Konzept in den drei Jahren erbracht hätten.
({3})
Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, wenn
Sie hier von der Rentenlüge reden.
({4})
Gleichzeitig, trotz dieser Sparanstrengungen, wird das
Kindergeld erhöht, wird der Kinderfreibetrag erhöht,
gehen wir in der Bildung voran.
Das zeigt eines: Wir nehmen die Verantwortung für
die zukünftigen Generationen ernst. Wir handeln über
den Tag hinaus, und wir stellen uns deshalb auch einer
schwierigen Debatte.
Meine Damen und Herren, Sie hören es: Die CDU
und die F.D.P. schreien am lautesten. Das ist nicht verwunderlich. Sie spielen sich plötzlich als die Rächer der
Enterbten auf.
({5})
Sie sind es doch, die das Erbe der jungen Generation fast
verspielt hatten.
({6})
Sie sind es doch, die die Erosion der Sozialkassen zu
verantworten haben! Deswegen, meine Damen und Herren, gehen wir einen anderen Kurs: den Kurs der Konsolidierung und der Reform des Sozialstaates. Damit
werden wir die Zustimmung zum Sozialstaat wieder zurückgewinnen.
({7})
Unser Ziel ist die Zukunftssicherung. Das lohnt jeder
Anstrengung.
({8})
Wir wollen die Handlungsfähigkeit des Sozialstaates zurückgewinnen, und zwar ohne Mehrwertsteuererhöhung
und mit Entlastung der kinderreichen Familien und der
kleinen Einkommen.
({9})
- Wieso? Das haben wir gerade auf den Tisch gelegt,
meine Damen und Herren.
({10})
In keinem politischen Bereich kann so weitergemacht
werden, wie die alte Bundesregierung gehandelt hat, und
zwar auf Grund Ihrer Erblast, aber auch auf Grund der
gesellschaftlichen Veränderungen. Dies gilt auch für
die Sozial- und für die Rentenpolitik. Wir haben den
Beitrag zu den Renten bereits gesenkt. Die jetzige Verringerung der Rentenanpassung und auch der übrigen
Alterseinkommen ist ein schwieriger Schritt, aber er ist
ein erster wichtiger Schritt hin zu einer Rentenstrukturreform.
({11})
Wir orientieren uns an der Inflationsrate, und zwar
auch deshalb, weil es nicht möglich ist, das, was notwendig ist und was uns das Bundesverfassungsgericht
zu Recht aufgegeben hat, nämlich die Verbesserung des
Familienausgleichs, an die Rentnerinnen und die Rentner weiterzugeben. Die Lasten des Systems selbst, die
verlängerten Rentenlaufzeiten durch den veränderten
Altersaufbau unserer Gesellschaft müssen von allen Generationen, von den Rentnerinnen und Rentnern und von
der jungen Generation, gemeinsam getragen werden.
({12})
Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich
sage Ihnen: Der beherzte Schritt von Herrn Riester in
den Haushalt 2000, der hier einer erheblichen Kritik
ausgesetzt ist, findet auch deshalb unsere Unterstützung.
({13})
Aber mir ist es auch wichtig, daß wir jetzt die notwendige Strukturreform des Rentensystems ganz in Ruhe angehen. Wichtige Punkte sind genannt worden. Wir
unterstützen sie voll.
Frau Kollegin,
kommen Sie bitte zum Schluß!
Ich komme zum Schluß. - Dies sind der Aufbau der privaten Altersvorsorge, der engagierte Versuch, die Rente
für die junge Generation armutsfest zu machen, der engagierte Versuch, eine eigenständige Altersabsicherung
für Frauen aufzubauen.
Sie sollen aber
trotzdem zum Schluß kommen.
({0})
Dies sind Schritte einer Sozialpolitik, einer Reform, die
wir auf dem Sparkonzept aufbauen, das wir heute von
der Bundesregierung vorgelegt bekommen haben.
Danke schön.
({0})
Das Wort hat nun
die Kollegin Dr. Knake- Werner, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Dükkert, den von Ihnen so häufig bemühten kleinen Leuten
vors Schienbein zu treten verlangt offenbar nicht soviel
Mut. Aber darauf komme ich gleich noch zurück.
Ich will mich zunächst an die Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite wenden. Ich finde es abenteuerlich, daß Sie sich heute Sorgen um die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme und um das Rentensystem
machen. Wenn wir dieses Thema heute diskutieren,
dann liegt der Grund dafür ja wohl darin, daß die Sozialversicherungssysteme und insbesondere das Rentensystem Finanzierungsprobleme haben. Diese sind bekanntermaßen nicht vom Himmel gefallen. Die finanzielle
Ebbe in den sozialen Kassen ist ja wohl eindeutig politisch verursacht, und die Verantwortung dafür tragen
immer noch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Rechten.
({0})
- Nein. Lenken Sie nicht ab! Das ist Tobak von vor zehn
Jahren. Wir beschäftigen uns jetzt mit dem, was aktuell
ist.
Ich kann Ihnen nur sagen: Vieles, was diese Koalition heute an Lasten zu schultern hat, haben CDU/CSU
und F.D.P. während ihrer Regierungszeit mit verursacht.
({1})
Ich will Sie nur an einige Ihrer Fehlleistungen erinnern:
Sie haben es nicht geschafft, die Massenarbeitslosigkeit
einzudämmen,
({2})
und damit dazu beigetragen, daß es immer weniger Beitragszahler und Beitragszahlerinnen gibt und immer
mehr Leistungen verlangt worden sind. Sie haben nicht
damit aufgehört, die immense Ausweitung geringfügiger
Beschäftigung einzudämmen, und damit den Sozialkassen einen enormen Verlust zugemutet. Sie haben nicht
die Flucht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aus
den Sozialkassen gestoppt. Schließlich haben Sie die
Kosten der deutschen Einheit allein den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern übergehäuft, obwohl Sie sehr
genau wußten, daß das ein Problem ist, das aus Steuern
hätte finanziert werden müssen, weil es im Interesse der
Allgemeinheit lag.
Sie haben sich aus dieser ganzen Misere über Jahre
hinausgelogen, indem Sie Sozialleistungen gekürzt haben und Beiträge erhöht haben, nämlich über die jetzt
vorhandenen 40 Prozent. Sie wissen genau, daß das eine
Kostenspirale ohne Ende war und keine Lösung der
Probleme bedeutet.
Das Schwierige ist jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, daß Sie leider auf dem besten
Weg sind, die Fehler der Vorgängerregierung zu wiederholen und die Weichen für ein zukunftsfähiges soziales Sicherungssystem falsch zu stellen. Das ist eben
alter Wein in neuen Schläuchen, wenn auch Ihnen nichts
anderes einfällt, als soziale Risiken zu privatisieren, Sozialleistungen zu kürzen und die Unternehmer mit weiteren Steuergeschenken zu beglücken. Mit sozialer Gerechtigkeit hat das nun wirklich nichts zu tun. Aber das
hatten Sie sozusagen zu Ihrem Wahlkampfslogan gemacht.
Wie weit muß eigentlich die Schere - ich möchte Sie
daran wirklich noch einmal erinnern - zwischen explodierenden Gewinnen und sinkenden Unternehmensteuern noch auseinandergehen, ehe die SPD und auch die
Bündnisgrünen darüber nachdenken, daß es vorrangig
kein Ausgabenproblem, sondern vor allem ein Einnahmeproblem ist, was die sozialen Sicherungssysteme im
Moment haben? Wer gerecht ausgeben will, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, der muß auch
gerecht einnehmen. Es gibt nun einmal keinen dritten
Weg.
Daß Sie von der Erkenntnis, daß es sich hier um ein
Einnahmeproblem handelt, relativ weit weg sind, zeigen
allerdings schon Ihre Rentenpläne. Rentenerhöhungen
nach Kassenlage zu machen schafft in der Tat Rechtsunsicherheit und ist ein wirklicher Betrug an den Rentnerinnen und Rentnern. Wenn Sie heute sagen, Sie setzen
die Nettobezogenheit der Rente nur für zwei Jahre aus,
dann sage ich Ihnen auch: Das hilft Ihnen überhaupt
nichts, weil allein schon diese zwei Jahre dazu beitragen, daß das Rentenniveau auf Dauer auf etwa 67 Prozent abgesenkt wird. Das geht zu Lasten der kleinen
Rentenbezieherinnen und Rentenbezieher. Das wissen
Sie ganz genau. Deshalb ist dieser Weg einfach sozial
unakzeptabel.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, sich ernsthaft um die Einnahmenseite zu kümmern
heißt, vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß Menschen
wieder in Arbeit kommen und Beiträge zahlen können.
Das kann zum Beispiel durch den Abbau von Überstunden, durch Arbeitszeitverkürzung, durch Schaffung neuer Arbeit in einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor erreicht werden. Das sind alles Vorschläge,
die Sie selber mit uns in der Vergangenheit diskutiert
haben und die Sie jetzt im Bündnis für Arbeit auf die
lange Bank schieben.
Sich um die Einnahmeseite zu kümmern heißt, die
Beitragspflicht dadurch auszuweiten, daß Freiberufler,
Selbständige, Beamte, Abgeordnete und Minister einbezogen werden. Wenn man die Einnahmeseite verbessern
will, bedeutet das, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen, und das heißt vor allen Dingen, die Arbeitgeberbeiträge, so wie wir es seit Jahren hier vorschlagen, auf
eine neue Grundlage zu stellen und als Wertschöpfungsabgabe zu konzipieren, die Beiträge also nicht länger
nach der Lohnsumme zu berechnen, sondern die Arbeitgeber nach ihrer wirklichen wirtschaftlichen Leistungskraft heranzuziehen.
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ich komme zum
Schluß. - Wenn Sie es uns nicht glauben wollen, dann
erinnern Sie sich an Ihren Kollegen Ehrenberg. Er hat
noch mehr gute Vorschläge, was die Einnahmeseite angeht.
Frau Kollegin, Sie
müssen bitte zum Schluß kommen.
Ich möchte Sie
daran erinnern: Sie wollten die Umverteilung von oben
nach unten. Das war Ihr Wahlkampfslogan. Damit haben
Sie Wahlen gewonnen. Erinnern Sie sich daran! Sonst
geht es demnächst in die Hose.
({0})
Das Wort hat der
Kollege Kurt Bodewig, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte
Kolleginnen und Kollegen! Sie haben es vielleicht schon
festgestellt: Die öffentliche Berichterstattung verändert
sich. Die Schlagzeilen der letzten Woche sind sehr differenziert geworden.
({0})
Sie lesen in der „SZ“: Eichels großer Wurf. Man kann
feststellen, daß es sehr wohl eine intensive Debatte darüber gibt, ob ein Staat, eine Gesellschaft, noch handlungsfähig ist.
({1})
- Sie, Frau Schwaetzer, haben etwas mit der Handlungsfähigkeit zu tun, mit der wir uns im Moment herumschlagen. Denn Sie von der Opposition sind diejenigen,
die die Fesseln, die es zur Zeit in der Finanzpolitik gibt,
verursacht haben.
({2})
Das kann man auch mit Zahlen belegen. Ihre Leistung in den letzten 16 Jahren: Eine vorherige Verschuldung von rund 300 Milliarden DM stieg auf 1,5 Billionen DM. Im jetzigen Haushalt sind Zinsen in Höhe von
82 Milliarden DM zu zahlen. Das ist der zweitgrößte
Etatposten des Bundes. Dies führt zu einer Zinssteuerlastquote von 25 Prozent. - Das ist das, was Sie durch
Ihre Politik verursacht haben.
({3})
Unser Angebot an die Gesellschaft ist das Gegenteil:
Wir setzen Ihre fahrlässige Verschuldung nicht mehr
fort. Wir führen vielmehr eine Haushaltskonsolidierung
durch und versuchen, für die zukünftigen Generationen
erneut Spielräume zu entwickeln. Wir senken das Haushaltsvolumen, wir senken die Nettokreditaufnahme, und
wir senken die Neuverschuldung.
({4})
Obwohl wir dies tun, schaffen wir es gleichzeitig, eine aktive Arbeitsmarktpolitik auf dem Niveau dieses
Jahres auch in den nächsten Jahren fortzusetzen. Das
muß man uns erst einmal nachmachen!
({5})
Es ist nämlich keine leichte Übung, ein so wichtiges und
funktionales Programm wie das gegen die Jugendarbeitslosigkeit auch im kommenden Jahr fortzusetzen.
Darauf können wir stolz sein, und wir sind es auch.
Jetzt sage ich etwas zur Legendenbildung der PDS,
daß wir das Einnahmenproblem nicht sehen würden.
Natürlich ist die Arbeitsmarktpolitik das Leitziel der
rotgrünen Koalition. Es ist unser Leitziel, Beschäftigung
herzustellen, weil dies eine direkte Auswirkung auf die
sozialen Sicherungssysteme hat. Aber - auch das ist klar
- es besteht das Problem, daß wir zur Zeit ganz enge
Spielräume haben. Wir versuchen, der Gesellschaft ein
Angebot zu machen, nämlich einen neuen Generationenpakt abzuschließen. Ich fand, daß es Bundesminister
Walter Riester in der Fernsehsendung von Sabine Christiansen sehr gut formuliert hat: Wir wollen ein zukunftsfähiges Konzept und keine Übertünchung bis zur
nächsten Wahl. Wir wollen etwas, was dauerhaft trägt.
Dazu haben wir uns mit unserem Vorsorgeprogramm
auf die demographische Entwicklung auf andere Weise
eingestellt, als Sie es mit Ihrem Demographiefaktor vorhatten, auf den ich gleich noch zu sprechen komme. Wir
wollen nicht die Probleme auf zukünftige Generationen
verschieben, sondern wir wollen, daß Generationensolidarität wechselseitig ausgeübt wird.
({6})
Wir leisten dazu auch als Gesellschaft einen Beitrag, indem wir mit einer steuerfinanzierten bedarfsorientierten
sozialen Grundsicherung sozusagen die Basis für dieses
Konzept schaffen.
({7})
Wir lösen darüber hinaus die Probleme der Hinterbliebenenversorgung im Sinne einer freiheitlichen Gesellschaft. Wir bieten drei Modelle an; die Kollegin
Krüger-Leißner hat sie im einzelnen beschrieben. Dies
ist ein Zeichen dafür, daß wir mit diesem Altersvorsorgekonzept sehr wohl Angebote machen. Ich glaube, daß
diese Angebote an- und wahrgenommen werden. Auch
die Neuordnung der BU- und EU-Renten spielt hierbei
eine wichtige Rolle.
Angesichts meiner kurzen Redezeit will ich nun die
vierte Säule der Altersvorsorge beschreiben, eine Säule,
mit der Sie sich von der Opposition sehr intensiv und
mit großer Lautmalerei auseinandergesetzt haben. Ich
kann Ihnen nur sagen: Das stand in unserem Wahlprogramm.
({8})
Wir wollen als vierte Säule die Eigenvorsorge einführen.
Wir werden damit ein höheres Versorgungsniveau gewährleisten.
Ich will Ihnen die entsprechenden Zahlen nennen:
Von 32 Millionen versicherungspflichtigen Arbeitnehmern verfügen bereits zirka 70 Prozent über eine zusätzliche Altersversorgung. Das besagt eine EmnidUmfrage, die Sie kennen. Wir möchten, daß auch die
restlichen 30 Prozent unserer Gesellschaft eine zusätzliche Versorgung haben. Das hat etwas mit gesellschaftlicher Gleichheit in den Chancen zu tun.
Wir bieten als neue Lösung eine kapitalgedeckte private Altersvorsorge an, die zusätzlich begünstigt wird.
Auch das ist ein Angebot, das für den einzelnen Arbeitnehmer bzw. die einzelne Arbeitnehmerin ganz entscheidend ist. Wir sagen darüber hinaus: Wir wollen,
daß diese private Vorsorge freiwillig bleibt. Aber wir
werden sie so ausgestalten, daß wir eine hohe Quote der
Vorsorge erreichen werden. Das liegt vor allem im Interesse der jüngeren Generation.
Nun komme ich konkret zu Ihrer Kritik. Da behauptet
der Kollege Laumann, den ich sonst sehr schätze, wir
würden das Rentenniveau um 5 Prozent absenken. Sie
glauben wohl den Leserbriefen und Schlagzeilen, die Sie
selbst produzieren. - Ich zeige Ihnen die Entwicklung
auf: Das Rentenniveau wird von 70,1 Prozent über 68,5
Prozent, 67,6 Prozent, 66,3 Prozent, dann wieder ansteigend über 67,8 Prozent auf 67,3 Prozent bis zum Jahr
2030 sinken. Das Rentenniveau ist dann um 3 Prozent
höher als unter Beibehaltung Ihres demographischen
Faktors. Unser Ansatz hat vor allem eine andere Wirkung: Wir werden jetzt sozusagen eine Basis dafür
schaffen, daß die nächsten Generationen nicht überproportional belastet werden.
({9})
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit. Wir sind in einer Aktuellen
Stunde.
Gut, ich gehe nicht auf die
Zwischenrufe ein und rede zu Ende. Ich will ja nicht
übermäßig überziehen.
Sie dürfen gar nicht
überziehen, Herr Kollege. Wir sind in einer Aktuellen
Stunde.
Gut, ich will gar nicht überziehen. - Ich habe mit dem Zukunftskonzept 2000 begonnen und will damit auch enden. Die Ausgangsbasis
all unserer politischen Entscheidungen haben Sie zu verantworten. Ich möchte gerne den Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes, Hilgers, zitieren; denn ich
glaube, treffender als er kann man es nicht ausdrücken.
Er sagte:
Den von den Herren Kohl und Waigel hinterlassenen Schuldenberg kann ich nur als Gewalt gegen
Kinder und Kindeskinder bezeichnen.
Dem kann ich nichts hinzufügen, außer daß wir wieder
Zukunft schaffen.
Vielen Dank.
({0})
Jetzt hat die Kollegin Birgit Schnieber-Jastram, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
({0})
Wenn ich
Sie in Aufregung versetzen kann, Herr Andres, freut
mich das.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Im Verlaufe der Debatte hatte ich manchmal den Eindruck, Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden. Als Sie
diese Regierung übernommen haben, ist mir schon klar
gewesen, daß Sie nicht mit Geld umgehen können. Sie
können ganz ruhig sein; das wird sich sehr bald zeigen.
({0})
Daß Sie aber mit den Menschen so umgehen würden,
wie Sie es zur Zeit tun, daß Sie sie in schlimmster Art
und Weise belügen werden, hätte ich mir in diesem wesentlichen Feld der Sozialpolitik wirklich nicht vorstellen können.
({1})
Liebe Frau Dückert, was Sie eben über die Renten
gesagt haben, ist wirklich unglaublich. Nach Ihren Plänen werden die Renten jetzt sturzflutartig abgesenkt: Innerhalb von zwei Jahren - das schien hier nicht klar zu
sein - soll das Rentenniveau von 70 Prozent auf 64 Prozent sinken. Unter Beibehaltung unseres demographischen Faktors wäre ein solches Rentenniveau erst in
15 Jahren erreicht worden. - Nach Ihren Plänen soll zum
1. Juli 2001 eine Rentenanpassung von schätzungsweise
1,6 Prozent erfolgen. Unter Zugrundelegung des demographischen Faktors wäre die Anpassung mit 3,5 Prozent mehr als doppelt so hoch gewesen.
({2})
Um einmal konkret zu werden und für die Leute, die
Rente beziehen, verständlich: Statt einer Rentenanpassung in 2001 von 73 DM nach unserer Variante bekommen die Rentner von Ihnen noch 33 DM. Sie belasten
die Rentner noch viel, viel mehr, als es unsere Pläne je
vorgesehen hätten. Das ist die Wahrheit.
({3})
Allein Ihre Rentenkürzungen bedeuten für den Standardrentner im nächsten Jahr - da können Sie reden, so
lange Sie wollen; Sie müssen sich an das erinnern, was
Sie beschlossen haben - einen Verlust von mehr als
100 DM pro Monat. Hinzu kommen noch einige andere
Sachen: 20 DM pro Monat für die Ökosteuer, von den
weiteren Stufen der Ökosteuer noch gar nicht zu reden.
- Das ist für die Rentner eine Ohrfeige. Sie belügen und
betrügen sie und nehmen ihnen im durchschnittlichen
Rentnerleben 20 000 DM.
({4})
Was Sie hier machen - ich muß einmal an die Sozialpolitiker appellieren -, grenzt an Selbstverleugnung. Sie
tragen mit lachendem Gesicht ein Konzept vor, das Sie
draußen nicht mehr werden vertreten wollen. Das wird
die Situation sein.
({5})
Ich will Ihnen noch etwas sagen: Sie haben begonnen, den Rentenkonsens, den wir viele Jahre gepflegt
haben, aufzukündigen.
({6})
Sie betreiben dieses Spielchen beliebig weiter. Wir haben und werden in den nächsten Jahren eine politische
Diskussion um die Rente führen müssen - und dies haben Sie zu verantworten. Ich sage Ihnen: Niemand wird
es uns allen danken. Ein ganz schlimmer Akt der Willkür ist das.
({7})
Dieses Konzept ist nicht das Konzept eines Arbeitsministers, ist nicht das Konzept eines Sozialministers. Es
ist überhaupt kein Konzept, und es ist schon gar nicht
das Konzept eines Ministers, der hier angetreten ist, um
etwas für Arbeitnehmer und für Arbeitslose zu tun. Dieser Minister verpaßt allen einen Tritt in den Hintern. Sie
lügen und betrügen nach Strich und Faden. Ich scheue
mich keine Sekunde, dies hier laut zu sagen.
({8})
Es muß erlaubt sein, einmal ein paar Fragen zu den
Plänen zu stellen. Was bringt dieses Papier, was bringen
diese Pläne für den Arbeitsmarkt? Nichts! Niemand
sagt, es bringt etwas für den Arbeitsmarkt. Was bringt
dieses Papier, was bringen diese Pläne für eine wirkliche
Modernisierung des Sozialstaats? Sie haben keine Pläne!
Die letzte Frage: Welches gesellschaftspolitische Bild
steht eigentlich hinter Ihrer Politik?
({9})
- Raubrittertum. - Offenbarungseid auf der ganzen Linie.
Ich will hier gerne noch einmal sagen, welche Leitlinien wir für notwendig halten: Flexibilität und Stabilität
müssen die Leitlinien sein. Rechte, Pflichten und Nachhaltigkeit sind unsere Leitlinien. Aber was ist Ihr Konzept? Sie verlangen Flexibilität und signalisieren das
Ende der Stabilität und der Berechenbarkeit. Das ist ein
schwerer Vorwurf. Renten- und Arbeitslosengelder nach
Kassenlage, das ist nicht unser Konzept, sondern das
haben Sie alleine zu verantworten.
Herr Schröder, Sie haben gestern abend den Jungen
Chancen und den Alten Sicherheit versprochen.
({10})
Im Sprücheklopfen sind Sie immer gut. Aber Sie verbauen jungen Menschen die Chancen und nehmen den
Alten die Sicherheit. Noch einmal: Sie belügen und betrügen die Menschen nach Strich und Faden. Dies ist
nicht unser Konzept.
({11})
Ein Letztes. Was Sie mit den Menschen im Osten
machen, sehr geehrter Herr Minister, ist schon mehr als
eine Katastrophe. Sie nehmen ihnen wirklich die letzte
Hoffnung, daß es im Osten am Ende besser werden
könnte. Was Sie unter „Aufbau Ost“ verkaufen, ist ein
Abbau Ost. Das werden Sie zu verantworten haben,
auch bei allen Wahlen, die bevorstehen.
({12})
Nun hat das Wort
die Kollegin Gudrun Schaich-Walch, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihre Bemerkung
zum Osten aufgreifen: Was Sie im Osten hinterlassen
haben, sind fast 2 Milliarden DM Schulden der gesetzlichen Krankenversicherung
({0})
- so ist es -, um deren Sanierung wir uns in den nächsten Tagen und Wochen kümmern werden.
({1})
Sie haben in der gesetzlichen Krankenversicherung in
zehn Jahren nichts anderes gemacht, als die Zuzahlungen für Patientinnen und Patienten einseitig zu erhöhen,
und das in einer Größenordnung von über 20 Milliarden
DM. Sie haben gesagt, Sie wollten damit die Eigenverantwortung stärken. Aber statt die Eigenverantwortung
zu stärken, haben Sie alles abgebaut, was wir im Bereich
der Selbsthilfe und Prävention hatten.
({2})
Sie haben sich schützend vor Ihre Klientel, die Apotheker- und die Ärzteschaft, und im letzten Jahr bis zum
Geht-nicht-mehr vor die Zahnärzteschaft gestellt, was
dazu beigetragen hat, daß wir im letzten Jahr Einbrüche
von über 30 Prozent in der zahnärztlichen Versorgung
und in der Prothetik hatten und Zahnlabors in den Untergang getrieben worden sind. Das war Ihre Klientelpolitik, die immer zu Lasten von Versicherten ging.
Aber an Strukturreformen haben Sie sich nicht herangetraut.
({3})
Mit den Zuzahlungserhöhungen haben wir nach der
Wahl Schluß gemacht. Wir werden dafür sorgen, daß die
GKV wieder das wird, was sie einmal war: ein solidarisch finanziertes Vollversicherungssystem für alle.
({4})
Das wird uns auch im Osten gelingen. Wenn Sie immer
glauben, „Vollkaskomentalität“ sei etwas Schlechtes,
muß ich Ihnen sagen: Die Menschen in diesem Land
zahlen unglaublich hohe Beiträge zur Krankenversicherung. Sie leisten auf Grund Ihrer Politik unheimlich hohe Zuzahlungen. Das hat sich nicht in der Verbesserung
der Qualität der Versorgung niedergeschlagen, bei weitem nicht. Für diese Verbesserung der Qualität werden
wir letztendlich sorgen. Wir werden dazu beitragen, daß
wieder das geschieht, was sich gehört, daß Prävention
betrieben wird, denn Krankheit verhindern ist besser als
Krankheit heilen.
({5})
Wir werden dafür sorgen, daß es eine Positivliste für
Medikamente geben wird, deren nachgewiesener therapeutischer Nutzen zur qualitativen Verbesserung der
Arzneimittelversorgung beiträgt. Wir werden das unselige Nebeneinander von stationärer und ambulanter Versorgung, das nur dazu geführt hat, daß es Doppeluntersuchungen gab und Menschen zum Teil mehr Belastungen als notwendig ertragen haben, beseitigen. Wir
werden dafür sorgen, daß es ein Versorgungssystem
gibt, das sich an den Patienten und nicht an den verschiedenen Sektoren orientiert.
({6})
Wir wollen, daß alle besser zusammenarbeiten können, die in diesem Leistungsbereich arbeiten.
Ich möchte Ihnen jetzt noch etwas zur Pflegeversicherung sagen. Sie haben am Ende der letzten Wahlperiode nicht einmal mehr die Kraft gehabt, mit uns gemeinsam notwendige Verbesserungen in der Pflegeversicherung zu beschließen. Wir waren schon ziemlich
weit, und dann haben Sie den Ausstieg vorgenommen,
weil Sie, F.D.P. und CDU/CSU, so zerstritten waren,
daß Sie nicht einmal ein paar wenige Dinge für Pflegebedürftige organisieren konnten. Deshalb werden wir
das in dieser und der nächsten Woche verändern.
Es wird dafür gesorgt werden, daß es im teilstationären Bereich Leistungsverbesserungen gibt. Es wird dafür
gesorgt werden, daß Pflichtpflegeeinsätze, mit denen die
Qualität der Versorgung, wenn zu Hause gepflegt wird,
kontrolliert wird, verbessert werden. Es wird dafür gesorgt, daß sie nicht mehr von den Einnahmen der Pflegebedürftigen getragen werden müssen, sondern von der
Pflegekasse übernommen werden.
Wir werden auch dafür sorgen, daß Müttern, die geschieden sind und pflegebedürftige Kinder betreuen, das
Pflegegeld nicht mehr auf ihren Unterhalt angerechnet
wird. Wir werden auch dafür sorgen, daß im Bereich
von Verhinderungsfällen in der Pflege der Betrag von
2 800 DM voll ausgeschöpft werden kann.
Für diese wenigen Möglichkeiten waren Sie nicht
mehr zu gewinnen.
({7})
Wir werden sie jetzt beschließen. Ich hoffe, Sie können sie mitbeschließen. Wir machen das in einem verantwortbaren Schritt.
({8})
- Über die Problematik der Demenzkranken werden wir
weiterhin diskutieren.
Wir gehen jetzt die ersten Schritte. Wir gehen sie verantwortungsvoll, und wir werden auch noch weitere
Probleme lösen.
({9})
Jetzt hat das Wort
die Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die
Grünen.
({0})
Ich wundere mich nur darüber, daß Sie zwei
Vertreter der Regierungskoalition nacheinander hören
möchten. Ich rede hier natürlich gern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
freue mich, daß wir heute über die Zukunft der sozialen
Sicherungssysteme debattieren. Allerdings - das muß
ich gestehen - hätte es mich noch mehr erfreut, wenn
Sie einmal während Ihrer Regierungszeit diese Zukunftsfrage gestellt hätten, statt sich immer nur durchzuwursteln.
({0})
Genau das ist die Ausgangslage unserer heutigen Debatte. Die Bankrotterklärung der alten Regierung vor der
Verantwortung gegenüber den heute Jungen hat doch
erst dazu geführt, daß heute über Systemreform und Einsparungen gesprochen werden muß. Bei dem Einschnitt,
den wir jetzt mit der Haushaltskonsolidierung vorhaben,
geht es nicht darum, daß man einfach einmal einspart,
sondern es geht um einen ersten, wichtigen und sehr
mutigen Schritt zu einer generationenverträglichen
Rentenpolitik.
Wer hat denn die umlagefinanzierte Altersvorsorge so
in Mißkredit gebracht? Wer ist das gewesen? Natürlich
haben die Angehörigen meiner Generation keinerlei
Vertrauen mehr, daß sie aus dem System, in das sie in
der Vergangenheit immer mehr einzahlen mußten, auch
später adäquat etwas herausbekommen werden. Hier
brauchen wir neue Wege, und die werden wir gehen.
Das ist der Hintergrund für das, was wir sagen: Neben der solidarisch finanzierten Rente brauchen wir
noch andere Elemente, in die das Vertrauen der heutigen
jungen Generation auch tatsächlich gesetzt wird.
({1})
Deswegen wollen wir bei einer privaten Zusatzvorsorge
für stärkere steuerliche Bevorteilung sorgen und mit
dem Kleinklein der Vergangenheit - hier mal ein kleiner
Steuervorteil und dort mal etwas drauflegen, hier mal
ein Bausparvertrag und dort eine Lebensversicherung aufhören. Wir brauchen ein kompaktes Konzept, das die
Leute sehr viel stärker in Richtung auf diesen Bereich
führt. Ich denke übrigens, daß wir in Zukunft ganz neue
Entwicklungen bei den Tarifverhandlungen erleben
werden, zum Beispiel in Form der Beteiligung der Arbeitgeber an solchen Modellen.
({2})
Eine zentrale Frage für Bündnis 90/Die Grünen bleibt
die Herstellung der Generationengerechtigkeit. Um das
zu erreichen, ist das Verhältnis von Renten auf der einen
Seite und den verfügbaren Einkommen der im Erwerbsleben stehenden Generation auf der anderen Seite endlich vertretbar zu gestalten.
({3})
Erst wenn das gegeben ist, erhöht sich wieder die Akzeptanz der umlagefinanzierten Altersvorsorge. Mit dem
jetzt getätigten Einschnitt haben wir einen ersten Schritt
getan.
({4})
Ich finde, die Vorschläge zu einer langfristig angelegten
Reform, die Bundesminister Riester vorgelegt hat, sind
es wert, diskutiert zu werden. Wir werden das mit der
notwendigen Offenheit und Transparenz tun. Darauf
können Sie sich verlassen.
({5})
Neben dem fairen Ausgleich zwischen den Generationen ist es natürlich wichtig, daß auch die Versorgung
im Alter sozial abgesichert wird. Deswegen bin ich unheimlich froh, daß zum erstenmal die Einführung einer
bedarfsorientierten Grundsicherung ins Haus steht, die
mit Pauschalen arbeitet. Damit machen wir die Betroffenen nicht mehr wie in der Vergangenheit zu Bettlern,
und verschämter und offener Altersarmut wird damit
endlich ein Ende bereitet.
({6})
Meine Damen und Herren, wir machen Schluß mit
der Vogel-Strauß-Politik der alten Regierung. Wenn Sie
den Kopf endlich aus dem Sand gehoben haben, sehen
Sie sich genau an, was Sie angerichtet haben. Sie wären
es der jungen Generation eigentlich schuldig gewesen,
ihr Handlungsspielräume für politische und gesellschaftliche Veränderungen in der Zukunft zu lassen. Um
diese zu ermöglichen, gehört es sich neben der Reform
des Altervorsorgesystems auch, daß wir unseren Haushalt insgesamt nicht auf Kosten unserer Kinder und
Kindeskinder finanzieren und das Gesundheitssystem
zukunftssicher gestalten. Daß wir heute schon an morgen denken, mag Sie ob Ihrer Versäumnisse ärgern. Das
ist aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt notwendig. Dafür werden wir mit modernen Konzepten und
der Ehrlichkeit, die Fairneß zwischen den Generationen
verlangt, sorgen.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat nun
der Kollege Matthäus Strebl, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Riester, wer Ihre Politik erlebt, der lernt,
Norbert Blüm zu lieben.
({0})
Erst setzen Sie ein fein abgestimmtes, sozialverträgliches Rentenkonzept außer Kraft, dann fahren Sie einen
Crash-Kurs gegen die Betroffenen.
({1})
- Die Wahrheit können Sie wohl nicht hören.
Vor der Wahl hat die SPD gesagt, die nettolohnbezogene Rente bleibt erhalten, nach der Wahl setzen Sie auf
den Gedächtnisschwund der Rentnerinnen und Rentner.
So nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren der
Regierungskoalition!
({2})
Ihr Wahlbetrug besteht nicht darin, daß Sie sich bemühen, etwas zu tun, Herr Minister. Ihr Wahlbetrug drückt
sich in einer Gerechtigkeitslüge aus. Was Sie hier vorlegen, ist Lichtjahre von Gerechtigkeit entfernt. Unter
Norbert Blüm war die Rente sicher und auf Zukunft
ausgelegt: sicher vor Manipulationen - bewirkt durch
die Abkehr von der Nettoanpassung -, sicher davor, als
Reservekasse des Finanzministers mißbraucht zu werden, sicher vor Systemveränderern, die statt Generationensolidarität eine Grundrente mit Almosencharakter
basteln wollen.
Unser Sozialstaat ist kein Lazarettwagen für die Versehrten. Er sorgt vielmehr für organisierte Solidarität
zwischen den Generationen und für die Wahrnehmung
von Eigenverantwortung. Blüms Konzept war glasklar:
Durch den demographischen Faktor sollten die Rentensteigerungen in den nächsten 30 Jahren so abgeflacht
werden, daß sich die Rente auf einem Niveau von 64
Prozent stabilisiert und die Beitragszahler geschont werden. Hinzunehmen muß man das neue Vermögensbeteiligungsgesetz, das eigenverantwortliche Eigenvorsorge
fördert. Durch die zum 1. Januar in Kraft getretenen
neuen Regelungen zur Vermögensbildung besteht die
Chance, parallel zur Rentenreform mit Bausparen und
Produktivsparen individuell, betrieblich oder tariflich
eine zusätzliche Einkommensquelle für die Alterssicherung zu erschließen.
Rentenreform und Vermögensbeteiligung waren zwei
Seiten der gleichen Medaille. Wir hätten uns die Vermögensbeteiligung wesentlich früher gewünscht. Ulf
Fink, ehemaliger DGB-Vize, kann bestätigen, daß den
Gewerkschaften der Investivlohn schon Anfang der 90er
Jahre im Rahmen des Solidarpaktes für die deutsche
Einheit angeboten wurde. Es war die IG Metall mit
Franz Steinkühler, die immer wieder abgewehrt hat. Das
war wirklich Hochverrat an den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern. Seit 1992 steigen die Kapitaleinkünfte
fünfmal so schnell wie die Einkünfte aus Arbeit. Das hat
einen klaren Grund, nämlich den technischen Fortschritt.
Mit dem Investivlohn hätten Sie eine intelligente Lohnpolitik gemacht und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an den Gewinnen beteiligt. Es ist schon ein
Treppenwitz der Geschichte, daß gerade Franz Steinkühler, der dieses Konzept verhinderte, später über Insiderwissen im Börsengeschäft stolperte. So ist das im
Leben, wenn man den Arbeitnehmern reines Wasser
predigt und selbst im Sekt badet.
Herr Riester, Sie stehen in einer schlechten Tradition.
Zuerst wollten Sie eine Zwangsabgabe für die Rente ab
60 ohne Arbeitgeberbeteiligung, nach dem Motto: Laßt
die Arbeitnehmer die Entlassungen nur selbst finanzieren. Nun wollen Sie eine ergänzende private Rentenversicherung zentralistisch regeln. Das ist der alte Ballonmützen-Sozialismus: alles von oben, zentral verordnet so, wie in der ehemaligen DDR Rentenpolitik gemacht
worden ist.
({3})
Sehr geehrter Herr Riester, wir, die CDU/CSU, wollen den Rentenkonsens. Wir sind zu Gesprächen mit Ihnen bereit. Berufen Sie einen Rentengipfel ein! Verlassen Sie das Rotstiftmilieu! Lieber Herr Riester, sorgen
Sie für ein vernünftiges Klima, indem Sie Ihre Eckdaten
zur Rentenmanipulation vom Tisch nehmen! Sonst heißt
es in diesem Sommer: Es riestert und eichelt ohne Ruh,
Leute, näht euch bloß die Taschen zu!
({4})
Nun hat das Wort
die Bundesministerin für Gesundheit, Andrea Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie wollten
doch heute mit uns über die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme diskutieren. Nun erleben wir hier aber eine rückwärtsgewandte Debatte, die sich mit unserem
Wahlkampf aus dem letzten Jahr auseinandersetzt.
({0})
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie sich nicht ungerechtfertigterweise zu Sprechern unserer Wählerinnen
und Wähler machen, wenn Sie behaupten, wir hätten irgend etwas erschlichen. Ich glaube schon, daß die Leute
gewußt haben, wen sie wählen. Wir werden das mit unseren Wählerinnen und Wählern selber ausmachen. Dafür brauchen wir Sie nicht.
({1})
Ich glaube, wir haben auch in diesem Hause schon
niveauvollere Debatten über Sozialpolitik geführt. Ich
erkläre mir einen Teil der Aufgeregtheit, die ich in dieser Diskussion gespürt habe, auch dadurch, daß Sie im
Grunde natürlich genau wissen - bei aller Selbstkritik,
die diese Regierung in den ersten Monaten ihrer Amtszeit zu üben hat -,
({2})
daß das alles Ihre Hinterlassenschaft ist. Wir haben historisch hohe Beiträge zu den Sozialversicherungen. Wir
haben eine historisch hohe Staatsverschuldung.
({3})
Das zwingt uns in einen außerordentlich schmerzhaften
Prozeß.
({4})
- Ich rede einfach weiter. Falls es Sie stört, daß ich hier
vorne rede, während Sie sich miteinander unterhalten,
lassen Sie es mich wissen.
({5})
In diesem Prozeß werden wir auf der Ausgabenseite,
auf der Einnahmenseite und auch innerhalb der Systeme
dazu gezwungen, etwas zu verändern. Ich finde, Sie alle
sollten sich nicht als weniger schlau ausgeben, als Sie
eigentlich sind.
Zur Einnahmenseite. Wir haben bei einem Sozialversicherungssystem wie dem unseren, das die Beiträge an
die Löhne koppelt, immer das Problem, daß die Folgen
für den Arbeitsmarkt um so gravierender sind, je höher
die Beiträge sind. Das übt einen ganz starken Zwang
aus. Diesen Zwang haben Sie alle in den letzten Jahren
auch schon gespürt. Tun Sie doch nicht so, als hätten wir
es zum erstenmal mit diesem Problem zu tun.
Ich halte es unter diesen Umständen für richtig und
notwendig - dies ist eine gebotene Modernisierung -,
daß wir uns über die Ökosteuern um eine Verlagerung
der Finanzierung durch Beiträge, die an die Löhne gebunden sind, hin zu einer Finanzierung durch höhere indirekte Steuern bemühen. Wir werden das nur in einem
begrenzten Umfang machen können. Aber ich meine
schon - das zeigt auch der Blick auf das europäische
Ausland -, daß eine solche Verlagerung von Finanzierung sinnvoll ist und positive Wirkungen auf den Arbeitsmarkt hat, einmal ganz abgesehen davon, daß diese
stetige Erhöhung auch eine Lenkungswirkung hat.
({6})
Sie haben vorhin gefordert, wir müßten die Familien
entlasten. Ich rate Ihnen - das alles ist erst heute veröffentlicht worden; ich gebe zu, daß das vielleicht ein bißchen kurzfristig war -, schauen Sie sich noch einmal genau an, was wir vorhaben. Wir wollen die Eingangssteuersätze, die für die Familien und andere Menschen mit
niedrigem Einkommen bedeutsam sind, senken.
({7})
- Frau Schwaetzer, das ist doch nicht Ihr Ernst. Diese
Art von Zwischenrufen ist nicht mehr satisfaktionsfähig.
Es geht also um eine Senkung der Eingangssteuersätze und um eine Erhöhung des Kindergeldes. Den ersten
Schritt dazu haben wir bereits gemacht, ein zweiter ist
geplant. Es wird einen höheren Kinderfreibetrag geben.
Das sind alles notwendige Maßnahmen. Mit Verlaub
möchte ich dazu anmerken: Die Tatsache, daß wir diese
Maßnahmen jetzt durchführen müssen und nicht mehr
frei entscheiden können, was wir Gutes für die Familien
tun, liegt darin begründet, daß das Bundesverfassungsgericht uns ins Stammbuch geschrieben hat, was wir
umsetzen müssen. Das hat es auf Grund Ihrer Versäumnisse in den letzten Jahren entschieden.
({8})
Alle Maßnahmen, die wir durchführen müssen, verursachen für den Staatshaushalt Einnahmeausfälle. Das erhöht den Zwang zur Konsolidierung des Staatshaushalts
und macht damit die Dinge schwieriger.
Ich möchte auf einen anderen Punkt zu sprechen
kommen. Ich erinnere mich daran, was Sie während Ihrer Regierungszeit gefordert haben und was Sie jetzt in
der Opposition fordern. Auch wir versuchen, Systeme
wie zum Beispiel das Gesundheitswesen, die schwierig
sind und bei denen wir keine rabiaten Kürzungen vornehmen können, durch Qualitätssteigerung zielgenauer
und effizienter zu machen. Sie dagegen schlagen sich
einfach auf die Seite derjenigen, die sagen: Es muß mehr
Geld ins System. Sie tun dabei so, als gäbe es das Problem mit den Sozialversicherungsbeiträgen nicht. Sie
tun so, als könnten diese Beiträge unbegrenzt erhöht
werden. Ich finde, auch von der Opposition kann
man intellektuelle Redlichkeit in solchen Debatten verlangen.
({9})
Wir müssen uns nicht nur um die Einnahmen und die
Umverteilung im System kümmern, sondern auch die
Ausgaben begrenzen. Wenn wir das nicht tun, dann wird
es jedes Jahr schlimmer, die Handlungsfähigkeit des
Staates wird auf Dauer vollständig lahmgelegt. Das
können wir gegenüber den Generationen der Kinder und
Enkelkinder nicht verantworten.
({10})
Wir bekennen uns auch dazu, daß wir im Rahmen dieses
wirklich schmerzhaften Konsolidierungsprozesses - Sie
wissen ganz genau, welchen großen Anteil der Sozialhaushalt am gesamten Bundeshaushalt hat - auch Maßnahmen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme ergreifen müssen. Darum kommt man nicht herum. Natürlich verlangen wir auch von den Rentnerinnen und
Rentnern einen Beitrag. Dazu bekennen wir uns. Ich
kann mich dazu ehrlich bekennen, weil ich mit dieser
Aussage auch schon im letzten Jahr Wahlkampf gemacht habe.
({11})
Herr Blüm, ich habe Sie auch schon früher gegen
Vorwürfe, ein Rentendieb zu sein, verteidigt. Dieser
Vorwurf war bei Ihnen nicht gerechtfertigt. Sie haben
sich das Geld nie in die eigene Tasche gesteckt. Das
würde ich unter einem Dieb verstehen. Es ging vielmehr
immer um die Frage der Beitragssatzhöhe und der Begrenzung der Ausgaben. Es gibt schließlich Leute, die
diese Renten bezahlen müssen. Vor diesem Hintergrund
hat es auch der Kollege Riester überhaupt nicht verdient,
mit den Begriffen tituliert zu werden, die ich in der heutigen Debatte gehört habe.
({12})
Wir leisten einen Beitrag zum Generationenausgleich.
Wir können über den richtigen Weg reden. Aber gerade
wenn Sie uns die ganze Zeit entgegenhalten, daß Sie mit
der Einführung des Demographiefaktors in dieselbe
Richtung wie wir gedacht haben - ({13})
- Das ist doch ein Riesenunterschied. Sie können mit
uns ernsthaft eine Debatte darüber führen, was systematisch besser ist und welche Wirkung durch welchen
Faktor erzielt wird. Aber heute haben Sie keine Debatte
über den richtigen Weg geführt. Sie wollten Panik machen, indem Sie aberwitzige Zahlen in die heutige Debatte geworfen haben, die jenseits aller fachlichen Erörterungen waren. Damit haben Sie sich für mich für diese
Debatte disqualifiziert. Ich bin zwar der Meinung, daß
der Zwischenruf zu einer parlamentarischen Debatte gehört. Aber wenn Sie von der F.D.P. immer nur krakeelen, dann muß ich feststellen, daß es Sie offenbar einen
Scheißdreck zu interessieren scheint, was ich hier zu sagen habe. Sie wollen sich nur selber produzieren. Das
entspricht nicht der Kultur des parlamentarischen Zwischenrufs. Das möchte ich Ihnen ausdrücklich sagen.
({14})
Ich beharre darauf, daß Sie mit uns keine vernünftige
Debatte über den richtigen Weg führen wollen. Sie
wollen einfach nur Panik machen. Sie wollen eine Debatte führen, die an den tatsächlichen Fakten völlig vorbeigeht. Sie wissen selber, daß bezüglich der Generationengerechtigkeit ein Ausgleich zwischen Jung und Alt
gefunden werden muß und daß auch Sie diesen Ausgleich - nur auf einem anderen Wege als dem unsrigen gesucht haben. Dieser Ausgleich ist notwendig.
({15})
Es ist in der Tat so,
daß es bei den Zwischenrufen manchmal laut schallt.
Darauf wollte ich nur hingewiesen haben.
Jetzt hat der Kollege Andreas Storm, CDU/CSUFraktion, das Wort.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Mit der Einigung der KoaliBundesministerin Andrea Fischer
tion auf die Eckpunkte der Ökosteuerreform sollte gestern abend der vorläufige Höhepunkt des Bonner Rententheaters eingeleitet werden. Unter dem Motto „Tanken für die Rente“ soll der Benzinpreis in den nächsten
vier Jahren auf etwa 2 DM klettern. Dafür wird im Gegenzug der Rentenversicherungsbeitrag bis zum Jahr
2003 um 2,3 Prozentpunkte gesenkt. So verkündeten es
jedenfalls gestern abend die Herren Struck und
Schlauch. Allerdings hatten die Herren von der Kanzlerrunde ihre Rechnung offenbar ohne den Taschenrechner
gemacht; denn beim Nachrechnen zeigt sich, daß der
Rentenversicherungsbeitrag gar nicht um 2,3 Prozentpunkte, sondern allenfalls um 1 Prozentpunkt gesenkt
werden kann.
({0})
Sie hatten sich in der Eile mal eben um die Kleinigkeit
von 20 Milliarden DM verrechnet. Das Ziel der Koalitionsvereinbarung, die Sozialversicherungsbeiträge unter
die Marke von 40 Prozent zu senken, wird also entgegen
der frohen Botschaft von gestern abend auch im Jahr
2003 klar verfehlt. Das ist eine glatte Milchmädchenrechnung, Herr Riester.
({1})
Herr Bundesarbeitsminister, aus der Sicht der Beitrags- und Steuerzahler entpuppt sich Ihr in der letzten
Woche vorgestelltes Jahrhundertprojekt als ein dreistufiges reines Abkassiermodell.
({2})
Nachdem unter dem Motto „Tanken für die Rente“ die
Benzinpreise schon in der ersten Stufe auf etwa 2 DM
steigen sollen, wollen Sie in der zweiten Stufe einen
Vorsorgebeitrag von 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens
für eine ergänzende private Altersrente einführen. In der
dritten Stufe steigt dann der Beitragssatz für die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung von 19 Prozent auf über 23 Prozent nach dem Jahr 2030 an.
({3})
Da die Arbeitnehmer die Privatversicherung
({4})
alleine finanzieren müssen, hat das zur Folge, daß der
Arbeitnehmeranteil für die Alterssicherung nach Ihren
Plänen, Herr Riester, sogar noch höher ist als bei Beibehaltung der bisherigen Regelungen.
({5})
Nach dem Riester-Modell läge er im Jahre 2030 bei 14
Prozent des Bruttoeinkommens: 11,5 Prozent als Arbeitnehmerbeitrag für die gesetzliche Rentenversicherung
und 2,5 Prozent als Vorsorgebeitrag für die Privatrente.
Ohne die Riester-Reform würde sich der Arbeitnehmerbeitrag im Jahr 2030 hingegen lediglich auf 13 Prozent
des Bruttoeinkommens belaufen.
({6})
Die Versicherten werden also durch Ihre Reform nicht
entlastet, sondern massiv belastet.
({7})
Der Sinn einer Teilkapitaldeckung, der gerade in einer
langfristigen Entlastung der Beitragszahler besteht, wird
beim schnell gestrickten Riester-Modell völlig verfehlt.
Geradezu grotesk wirken die rotgrünen Diskussionen
der letzten Tage, ob an Stelle einer obligatorischen Zusatzversorgung der Weg zu mehr Eigenvorsorge auf
freiwilliger Basis mit Hilfe von Steueranreizen verwirklicht werden kann. Zeitgleich diskutieren Sie tagelang
über eine massive steuerliche Belastung der Erträge von
Kapitallebensversicherungen. Dann wird die Entscheidung über beide Fragen auf den Herbst vertagt. Meine
Damen und Herren, dieses Schauspiel grenzt schon an
sozialpolitischen Zynismus.
({8})
Herr Minister, Sie haben aus den handwerklichen
Fehlern der ersten acht Monate Ihrer Amtszeit nichts,
aber auch gar nichts gelernt. Ihr Versuch, mit der heißen
Nadel eine auf mehr als drei Jahrzehnte angelegte
Strukturreform der Alterssicherung als Nebenprodukt
einer kurzfristigen Sanierung des Bundeshaushalts zu
betreiben, muß als bereits im Ansatz kläglich gescheitert
betrachtet werden.
({9})
Das ist übrigens auch nicht verwunderlich, denn Sie haben weder die Rentenversicherungsträger noch Ihren eigenen Wissenschaftlichen Beirat an den Vorbereitungen
der angeblichen Jahrhundertreform beteiligt.
({10})
Die bittere Bilanz der letzten Tage lautet: Die Rentner
werden von Ihnen als Sparschweine mißbraucht und um
ihre Rentenerhöhung betrogen.
({11})
Der Benzinpreis steigt auf 2 DM. Arbeitslose - um es
einmal in der Sprache von Herrn Dreßler zu sagen, den
ich heute übrigens vermisse ({12})
werden durch die Absenkung ihrer Leistungsbezüge im
Alter in die Armut getrieben. Dafür dürfen sich die Betroffenen ihre Sozialhilfe dann künftig bei der Rentenkasse abholen. Wie tief ist die deutsche Sozialdemokratie eigentlich gesunken?
({13})
Herr Riester, Ihre Zeit ist abgelaufen. Machen Sie den
Weg frei! Es ist höchste Zeit für einen rentenpolitischen
Neubeginn in diesem Land.
({14})
Nun erteile ich dem
Kollegen Franz Thönnes, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Es ist das gute Recht der
Opposition, die amtierende Bundesregierung nach ihrer
Haltung zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme zu
befragen.
({0})
Schließlich sind diese solidarischen Einrichtungen eine
der wichtigsten Säulen unseres demokratischen und sozialen Rechtsstaates. Es ist aber nicht das Recht der Opposition, so zu tun, als habe sie zu ihren Regierungszeiten diese sozialen Sicherungssysteme wie ihren Augapfel gehütet und vor Schaden bewahrt.
({1})
Ganz im Gegenteil haben Sie dieses Feld der Politik als
beliebigen und willkommenen Verschiebebahnhof einer
unsozialen Verteilungspolitik von unten nach oben vor
dem Hintergrund Ihrer desolaten Finanz- und Haushaltspolitik betrachtet. Theo Waigel hat nur noch Löcher
gestopft und nichts mehr gestaltet. Norbert Blüm hat
Büttenreden über die angebliche Sicherheit der Renten
gehalten und sich in Rundschreiben an die eigene Fraktion damit gebrüstet, 98 Milliarden DM in der Rentenund Arbeitslosenversicherung gespart zu haben. Das ist
die Realität gewesen.
({2})
Dafür haben die Menschen Ihnen die Quittung gegeben. Sie haben den Märchenvorlesungen keinen Glauben
mehr geschenkt. Sie haben sich für eine neue Politik, für
Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit entschieden. Das
war eine gute Entscheidung in diesem Land.
({3})
Die sozialen Sicherungssysteme stehen immer im Zusammenhang mit dem Haushalt. Sie haben es nahezu
perfekt verstanden, die wahre finanzpolitische Lage
durch die von Ihnen vorgenommenen Privatisierungen
zu verschleiern. Das Dreifache des Haushaltsvolumens
haben wir mittlerweile an Schulden. 25 Pfennig von jeder Steuermark gehen in die Schuldentilgung, sind also
Zinslasten. All diese Gelder fehlen uns, wenn wir Zukunft vernünftig gestalten wollen.
({4})
Sie haben die Gestaltungsspielräume der Demokratie erheblich beschnitten. Deswegen ist es gut, daß wir jetzt
wieder eine Regierung haben, die mit ihrer Politik der
Modernisierung, der Haushaltskonsolidierung und der
Wahrung der sozialen Gerechtigkeit der Demokratie
endlich wieder die Luft zum Atmen gibt.
({5})
Sie haben den Menschen das Geld in einer Art und
Weise aus der Tasche gezogen, daß sie sich schon beim
Wort „Reform“ ans Portemonnaie gepackt haben, weil
sie wußten: Die wollen uns wieder ans Geld.
({6})
Das war bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall so,
das war bei der Zuzahlung bei Krankheit und Kuren so,
ebenso wie beim Schlechtwettergeld, und ging hinein
bis in die Arbeitsmarktpolitik.
Vor der Rente haben Sie ebenfalls nicht haltgemacht:
Sie haben die Altersgrenzen vorgezogen, Sie haben die
Altersgrenzen für Frauen und Arbeitslose erhöht, Sie
haben die Anerkennung der Ausbildungszeiten reduziert
und im weiteren Verlauf die Arbeits- und Berufsunfähigkeitsrenten nahezu abgeschafft. Und Sie waren es,
die das Rentenniveau einseitig auf 64 Prozent gekürzt
haben. Ihre Kürzungen würden die Rentnerinnen und
Rentner in vielen Bereichen zu Sozialhilfeempfängern
machen.
({7})
Wir haben versprochen, das zu korrigieren, und das
haben wir gehalten. Wir haben versprochen, in die Rentenversicherung dauerhafte Solidarität hineinzutragen,
damit die Menschen im Alter einen angemessenen Lebensstandard haben. Das haben wir versprochen, und
das haben wir gehalten.
({8})
Wir schaffen eine neue Basis für einen Generationenvertrag, indem die Solidarität der Älteren für die Jüngeren da ist und die Solidarität der Jüngeren für die Älteren. Das haben wir versprochen, und das haben wir gehalten.
({9})
Wir haben versprochen, eine eigenständige Alterssicherung für die Frau und eine soziale Grundsicherung
einzuführen, damit die Rente im Bedarfsfall so gestaltet
ist, daß Armut im Alter verhindert und die Inanspruchnahme der Sozialhilfe vermieden wird. Das haben wir
versprochen, und das halten wir jetzt auch.
({10})
Was wir nun abverlangen, ist, daß die Älteren für
zwei Jahre ein Stück weit Solidarität mit den Jüngeren
üben, damit die Jüngeren morgen Solidarität mit den
Älteren üben können, damit wir Investitionen in die aktive Arbeitsmarktpolitik vornehmen können, damit wir
100 000 Arbeits- und Qualifizierungsplätze für junge
Menschen schaffen können, damit wir in Forschung und
Bildung investieren können. Das ist praktizierte solidarische Altersversorgung in dieser Gesellschaft und macht
endlich Schluß mit Ihrem unsäglichen Reparaturbetrieb.
({11})
Glauben Sie nicht, daß die Menschen schon in diesem
Jahr gemerkt haben, daß sie mehr Rente bekommen?
Die Erhöhung war fast doppelt so hoch im Vergleich zu
dem, wenn Ihr unsäglicher Demographiefaktor jetzt
schon zugeschlagen hätte. Die Menschen merken das
ganz deutlich.
({12})
Das Geschrei der Opposition wird verhallen.
({13})
Im Norden sagt man: „Die schlimmsten Gegner der Elche waren früher selber welche“ - mit dem feinen Unterschied, daß Sie zu einer wirksamen, zeitgemäßen, zukunftssicheren und sozial ausgewogenen Rentenreform
nicht fähig waren. Unser Konzept entspricht diesen
Kriterien.
Wenn Sie nun als außerparlamentarische Opposition
wieder mit einer Unterschriftenkampagne daherkommen, so ist der „Süddeutschen Zeitung“ zuzustimmen,
die heute in ihren Kommentaren schreibt:
Mit solchen Aktionen ist man aber nicht stark, sondern nur lautstark. Und hinter dem Getöse der Union verbirgt sich Verlegenheit und Neid - weil angepackt wird, was schon in Unions-Regierungszeiten angepackt gehört hätte. Neid ist im übrigen die
aufrichtigste Form der Anerkennung.
Mit dem Reformprogramm hat die rot-grüne Regierung die letzte Chance wahrgenommen, das Land
ökonomisch auf Zukunftskurs zu bringen.
Der „Süddeutschen Zeitung“ ist uneingeschränkt zuzustimmen.
({14})
Jetzt hat der Kollege
Dr. Hermann Kues, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
({0})
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst
kurz auf Frau Ministerin Fischer eingehen.
Ich habe mir überlegt, weshalb Sie hier vorne am Pult
so aufgeregt agieren. Man sollte sich als Mitglied der
Regierung - da sitzen Sie eigentlich am längeren Hebel
- überlegen, wie man sich gegenüber dem Parlament
verhält. Ich weiß, was dahintersteckt. Sie vermuten
wahrscheinlich, daß Sie mit Ihrer Gesundheitsreform
gegen den Baum fahren. und das macht Sie so nervös.
Sie werden - das vermute ich jedenfalls - die erste Ministerin sein, der eine Reform gelingt, die nicht nur auf
eine Verschlechterung der Leistungen, sondern gleichzeitig auch auf eine Erhöhung der Beiträge hinausläuft.
Das hat noch niemand geschafft.
({0})
Sie operieren mit dem Wort „ehrlich“. Wenn Sie ehrlich wären, dann würden Sie den Menschen sagen - Sie
wissen das mit Sicherheit -, daß ein höheres medizinisches Leistungsniveau und neue Herausforderungen auf
Grund der demographischen Veränderungen Geld kosten. In diesem Sinne täuschen Sie jetzt schon wieder
die Menschen, wider besseres Wissen. Davon werden
Sie eingeholt.
({1})
Sie haben ganz stolz gesagt, Sie hätten die Zuzahlungen abgeschafft, wie im Wahlkampf versprochen. - Das
haben Sie nicht gemacht: „wie versprochen“. Sie haben
sie reduziert. Sie nehmen aber jetzt 30 Prozent der Arzneimittel aus der Verschreibungsmöglichkeit heraus. Die
Menschen müssen nichts mehr zuzahlen? Sie müssen bei
den 30 Prozent alles bezahlen; das ist mit Sicherheit
nicht gerechter.
({2})
Herr Minister Riester, Sie haben in den letzten Wochen ein Kapital verspielt, ohne das ein Arbeits- und Sozialminister nach meiner festen Überzeugung nicht klarkommt. Das Kapital heißt: Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit.
Ich hatte in einer gewissen Phase Ihrer Regierungstätigkeit sogar ein gewisses Mitleid mit Ihnen,
({3})
weil Ihre Pläne im Bundeskanzleramt ständig durchkreuzt wurden. Das hat sich aus verschiedenen Gründen
ein bißchen gelegt. Ein Grund war ein Interview mit Ihnen, das ich in der „Bild“-Zeitung vom 19. Juni gelesen
habe. Wir sollten uns einmal überlegen, mit welchen
Worten wir umgehen. Es heißt da wörtlich:
Ich betrüge niemanden! Im Gegensatz zu meinem
Vorgänger Norbert Blüm sage ich die Wahrheit …
({4})
Ich finde, Sie sollten das hier zurücknehmen. Ich empfinde das angesichts dessen, was Sie sich in den vergangenen Wochen geleistet haben, als eine Unverschämtheit
und Ungehörigkeit.
({5})
Ich habe Ihnen schon einige Male vorgehalten, daß
Sie in einem sehr frühen Interview einmal gesagt haben
- ich vereinfache das jetzt; wir haben uns darüber schon
unterhalten -, daß Sie sich eigentlich nicht für die Langzeitarbeitslosen interessieren. Daraufhin haben Sie gesagt, das sei von mir falsch dargestellt. Jetzt stelle ich
fest, daß Sie 7 Milliarden DM an Mitteln für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen streichen. Das
heißt, auch hier wird Ihr Interview praktisch wahr. Das
empfinde ich als eine Zumutung gegenüber der deutschen Öffentlichkeit.
({6})
Ich habe ein Papier mitgebracht, von dem ich nicht
vergessen habe, daß wir hier damit konfrontiert worden
sind, auch von der jetzt amtierenden Präsidentin. Es ist
das Papier der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen
Lage. Mit einzelnen Aussagen haben Sie uns im Wahlkampf durchaus gejagt.
Ich habe damals auch hier schon gesagt: Es ist nicht
in Ordnung, wenn man lediglich Rosinen herauspickt;
man muß das vielmehr im Gesamtzusammenhang sehen.
Ich habe von Ihnen keine Bezugnahme auf dieses Papier
in den letzten Wochen wahrgenommen. Sie haben die
kirchlichen Gruppen, die Wohlfahrtsverbände, die KAB,
die Kolpinggruppen, die Christliche Arbeiterjugend, die
sich auf Sie verlassen haben, als Sie daraus zitiert haben,
systematisch hinters Licht geführt.
({7})
Ich zitiere jetzt aus der Nummer 187, wo es heißt und das ist wichtig -:
… die Diskussion über die Finanzierungsfragen des
Sozialstaates nicht nur quantitativ als finanzpolitische Spardebatte zu führen, sondern vor allem als
gesellschaftspolitische Gestaltungsdebatte.
({8})
- Nein, nein. Sie wollten das Rentenkonzept Ende des
Jahres vorlegen. Sie wollten es in aller Ruhe vorbereiten. Es kommt jetzt in Verbindung mit den Aktionen
von Herrn Eichel Stück für Stück heraus, weil er die 30
Milliarden DM Mehrausgaben aus dem letzten Haushalt
Schritt für Schritt zu kassieren versucht.
({9})
Das heißt also, Sie begründen alles nur finanztechnisch, weil Sie kein gesellschaftspolitisches Konzept haben. Das ist Ihr Problem.
({10})
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluß, bitte.
Herr Minister Riester, Sie sollten ehrlich zu sich selbst sein. Wenn Sie
ehrlich zu sich selbst wären, dann würden Sie feststellen, daß das eingetreten ist, was ich Ihnen zu Beginn der
Legislaturperiode einmal gesagt habe: Sie laufen in die
falsche Richtung, und das geht schief. Das ist so, als
wenn Sie morgens aufstehen, sich das Hemd zuzuknöpfen versuchen, und der erste Knopf sitzt nicht; dann passen alle anderen auch nicht.
({0})
Nun erteile ich dem
Bundesarbeitsminister Walter Riester das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Eine Aktuelle Stunde zur Zukunft
unserer Sicherungssysteme - was hätte man daraus machen können!
Jetzt habe ich mir über eine Stunde lang die Debatte
angehört und frage mich, wie wir in den Dialog kommen
können, den ich eigentlich suche. Ich habe Ihnen sehr
früh angeboten, daß ich gerade in diesem Bereich mit
Ihnen zusammenarbeiten möchte. Ich biete es weiterhin
an. Aber dann müssen wir uns über einige Dinge klarwerden.
({0})
- Bitte, wir machen doch eine Aktuelle Stunde. Wir
wollen doch versuchen, uns zu verstehen. Wir wollen in
der schwierigen Frage, wenn es geht, zusammenarbeiten.
({1})
- Sie sagen: „Ein bißchen Vergangenheitskritik wäre
ganz gut.“ Ich will damit kurz einsteigen.
({2})
Wir standen vor der schwierigen Situation, daß die
Rentenversicherungsbeiträge von 1993 bis 1997 von
17,5 Prozent auf 20,3 Prozent angestiegen sind. 1997
haben wir die damalige Regierung noch bei der Anhebung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt unterstützt, der auch in die Rentenversicherung eingeflossen
ist. In diesen vier Jahren kam es zu einer Kostensteigerung in der Rentenversicherung von 57 Milliarden DM,
zu einem Ansteigen der Lohnnebenkosten von 57 Milliarden DM nur durch die Kostensteigerung in der Rentenversicherung. Nun, Norbert Blüm, lag das sicherlich
nicht an den jährlichen Ausgaben für die Rentner; denn
in diesen sechs Jahren stieg nur in einem Jahr die Rente
stärker als die Inflationsrate. 1994 war das. War das
vielleicht zufällig ein Wahljahr?
({3})
Daran kann es also nicht gelegen haben. In der Situation
haben wir übernommen. Das werfe ich nicht vor. Ich sehe durchaus die Probleme, vor denen wir stehen.
Das Lösungsangebot, das uns dann offeriert worden
ist, war, einen jährlichen Abschlag der Rentenanhebung
vorzunehmen. „Demographiefaktor“ nennt sich das.
({4})
Das als Angebot, lieber Norbert Blüm, ist zu wenig. Wir
brauchen ein Rentensystem, das einerseits zukunftssicher ist und das andererseits bei den Entwicklungen, die
noch auf uns zukommen, auch armutsfest ist.
({5})
Was haben wir gemacht? Wir haben als erstes das
Rentenversicherungssystem von allen Lasten befreit, für
die keine beitragsgedeckten Einnahmen da waren. Das
war ein schwieriger Schritt. Es sind, auf das Jahr bezoDr. Hermann Kues
gen, 24 Milliarden DM, um die wir die Rentenversicherung entlastet haben.
Zweiter Schritt: Wir beiden waren uns einig, Norbert
Blüm, daß es ein völlig unvertretbarer Zustand ist, daß
6 Millionen Menschen versicherungsfrei arbeiten. Wir
waren uns einig!
({6})
Wir haben das korrigiert. Das waren wichtige Grundvoraussetzungen.
Jetzt kommen die nächsten Schritte, die wir angehen:
Das System muß zukunftssicher und armutssicher werden.
({7})
- Ich habe im Wahlkampf nichts anderes als das gesagt,
was ich auch heute sage; davon dürfen Sie ausgehen.
({8})
Ich habe im Wahlkampf nichts anderes erzählt, und ich
habe auch hier in den Debatten immer wieder auf die
Probleme des Rentenversicherungssystems hingewiesen.
Ich habe angesichts der Situation den Menschen noch
nie erklärt, die Rente sei sicher. Norbert Blüm, da unterscheiden wir beide uns in der Tat.
({9})
Deswegen gehe ich an diese Frage heran.
Was machen wir? Wir gehen die Rentenreform nicht
so an, wie sie meist diskutiert worden ist: Bekommen
wir die Leistungen und die Beiträge in dem Zeitraum bis
2005, 2010 stabil? Nein, wir sagen: Wir möchten es
ausweiten bis zu dem schwierigsten Punkt, dem das System ausgesetzt ist, nämlich bis zum Jahr 2030, wo wir
auf dem Gipfelpunkt der demographischen Entwicklung
stehen werden. Das ist der schwierigste Punkt, und bis
dahin muß es ausgeweitet werden. Wir sagen: Wir bekommen es hin, für die Rentner innerhalb des Rentenversicherungssystems ein im wesentlichen stabiles Leistungsniveau von 67 Prozent zu halten. Wir sagen aber
darüber hinaus auch denjenigen, die aktiv arbeiten: Wir
möchten sicherstellen, daß der Beitrag bis etwa zum Jahr
2012 unter 19 Prozent bleibt und dann bis 2020 nicht auf
über 20 Prozent steigt. Das ist sehr, sehr ehrgeizig. Dafür bringen wir Leistungen ein.
Wir bringen als erstes ein - das haben wir gesagt zusätzliche Mittel aus der Ökosteuer, um den Beitrag
abzusenken und - was noch viel wichtiger ist - um ihn
stabil zu halten. Wir wollen als zweites für die jetzt aktiv
Arbeitenden die Voraussetzung dafür schaffen, daß zusätzlich Eigenvorsorge geleistet werden kann. Das, Herr
Storm - das wissen Sie genau -, kann man nicht mit
dem paritätisch finanzierten System vergleichen; das ist
ein anderer Aufbau. Dieser Aufbau ist eigentlich auch
dazu da, das Versorgungsniveau insgesamt höher zu
halten. 67 Prozent sind ein ehrgeiziges Versorgungsniveau innerhalb des Rentenversicherungssystems. Aber
ich denke, es ist wichtig - auch für die zukünftige Generation -, daß wir das Vorsorgeniveau höher halten.
({10})
Dritter Punkt: Wir sagen dem Rentner, daß auch er
sich an der Zukunftssicherung des Systems, seines Systems, beteiligen soll. Wir sagen, für zwei Jahre - und es
ist sicherlich nicht bequem, das zu sagen - bekommt er
einen Ausgleich im Rahmen der Preissteigerungsrate.
Das ist sein Beitrag. Und wir sagen ihm klar: Anschließend wird die Anhebung der Renten wieder jeweils entsprechend der Steigerung des Lohn- und Gehaltsniveaus
erfolgen. Das ist eine faire Aussage.
Ich biete Ihnen an, daß wir an diesen Eckpunkten
gemeinsam arbeiten.
({11})
Ich denke, das haben nicht nur die Rentner, sondern
auch die Aktiven verdient. Sie werden nicht darauf hinweisen können, daß ich in dieser Frage jemals anders
argumentiert habe.
({12})
- Ich habe im Wahlkampf das gleiche gesagt, was ich
jetzt sage, und daran lasse ich mich auch messen. Ich
denke, das ist ein Programm, an dem man arbeiten kann.
Ich stelle mir vor, daß man so in eine Debatte über die
Zukunftssicherung unseres sozialen Rentensystems hineingehen müßte. Ich lade Sie ein, an dieser Plattform
mitzuarbeiten und diese Reform bis zum Ende dieses
Jahres mit auszuarbeiten, so daß wir sie im nächsten
Jahr gemeinsam in die Gesetzgebung einbringen können.
Herzlichen Dank.
({13})
Vereinbarungsgemäß sind wir jetzt eigentlich am Schluß der Aktuellen
Stunde angelangt. Aber die CDU/CSU-Fraktion möchte
von der Möglichkeit der Geschäftsordnung Gebrauch
machen und Herrn Schäuble sprechen lassen. Damit
folgt eine weitere Runde, in der jeder Fraktion noch
einmal fünf Minuten zustehen.
Ich erteile Herrn Schäuble das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr
Minister Riester, wenn wir einen Dialog führen wollen,
ist es gut, wenn wir die Debatten so gestalten, daß der
zuständige Minister nicht als letzter redet. Denn eigentlich hat in der parlamentarischen Demokratie immer das
Parlament das letzte Wort.
({0})
Ich will in Ruhe ganz wenige Bemerkungen machen,
so wie das Thema - im Interesse der Generationen insgesamt, der jüngeren wir der älteren - es erfordert.
Herr Minister Riester, wenn Sie einen Dialog anbieten, hätte ich es für gut gehalten, wenn Sie sich für Ihre
von Hermann Kues wiedergegebenen Äußerungen bei
Norbert Blüm einfach entschuldigt hätten. Das hätte
manches leichter gemacht.
({1})
Ich sage Ihnen: Bringen Sie es in Ordnung! Das macht
es uns wieder leichter, die Debatten so zu führen, wie es
dem Gegenstand angemessen ist.
Nun kommt der nächste Punkt. Wir haben uns
schwergetan, die Rentenformel zu ändern und einen demographischen Faktor einzuführen. - Ich weiß es, denn
ich war dabei. Das meiste geschah in meinem Arbeitszimmer. - Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie
können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Wenn
man genau hinschaut, wird man bei der Veränderung im
Altersaufbau unserer Bevölkerung und bei der Veränderung in den Erwerbsbiographien, bei den längeren Rentenlaufzeiten, ohne einen demographischen Faktor in der
Rentenversicherung nicht auskommen.
({2})
Deswegen habe ich es besonders bedauert, daß Sie heute
in Ihrer Pressekonferenz angekündigt haben, daß Sie ihn
dauerhaft streichen wollen. Ich mache darauf aufmerksam: Bundeskanzler Schröder hat noch vor wenigen
Wochen - ich habe das Zitat jetzt nicht bei mir; aber ich
bringe es morgen mit, wenn es bestritten wird - öffentlich gesagt, man werde auf Dauer ohne einen demographischen Faktor nicht auskommen. Und wo er recht hat,
hat er recht.
Wir halten einen demographischen Faktor in der
Rentenversicherung für unausweichlich, und wir halten
ihn für den besseren Weg, weil man sich langfristig darauf einstellen und verlassen kann. Nur aus Verläßlichkeit entsteht Vertrauen. Dies ist besser, als kurzfristig,
weil die Rentenanpassung besonders hoch ausfallen
wird, zu sagen: Jetzt machen wir schnell einmal einen
Kaufkraftausgleich, und in zwei Jahren kommen wir vielleicht - wieder darauf zurück. Denn wenn man einmal davon abweicht, verletzt man Vertrauen. Das ist der
grundlegende Fehler, den Sie jetzt machen.
({3})
Ihr Angebot zum Dialog oder zur Kooperation wird
natürlich erschwert, wenn Sie am Anfang die Grundlage
für langfristiges Vertrauen in die Verläßlichkeit der
Rentenversicherung zerstören. Das ist Ihr Fehler.
({4})
Machen Sie es rückgängig! Noch ist es nicht zu spät.
Zum Dialog, zur Kooperation sind wir bereit. Aber ich
definiere die Grundlagen, wie wir Vertrauen schaffen.
Es geht doch nicht um einen Streit darüber, ob man Reformen braucht, um die Renten langfristig sicher zu
machen. Es gibt nicht die Alternative, gar nichts zu
tun. Aber die kurzfristige Manipulation ist das Schlechteste.
Was Sie darüber hinaus liefern, sind Ablenkungsgefechte. Entweder ist die Zwangsabgabe eine Zwangsabgabe. Dann können Sie sie von mir aus in das Rentenniveau einrechnen. Aber jetzt haben Sie die Zwangsabgabe gerade wieder aufgegeben. Die freiwillige Eigenvorsorge haben Sie bisher auch nicht in das Rentenniveau eingerechnet.
Sonst müßten wir wirklich die Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung insgesamt ein wenig verändern. Herr
Riester, das macht keinen Sinn.
Zu der Geschichte mit der Grundrente für die Alterssicherung: Wir haben noch 1,5 Prozent Rentner, die
Sozialhilfe beziehen. Der Anteil der Sozialhilfeempfänger an der älteren Generation ist am meisten zurückgegangen, ein Erfolg unserer Rentenpolitik in den zurückliegenden Jahren. Deswegen ist dies das am wenigsten
dringende Problem.
({5})
Nein, was wir brauchen, ist eine langfristige Sicherung der Rentenversicherung durch einen demographischen Faktor, durch die Frage, in welchem Maße wir mit
Kapitalstockbildung zusätzliche Elemente schaffen. Das
geht besser freiwillig, in der vierten Säule, als innerhalb
der Umlage. Darüber hinaus brauchen wir die Reform
der Hinterbliebenenversicherung. Das hatten wir uns für
diese Legislaturperiode vorgenommen. Dazu liegt, wenn
ich richtig informiert bin, seit Mai das Datenmaterial
vor.
Ich schlage Ihnen vor: Kehren Sie zu einer langfristig
berechenbaren und verläßlichen Rentenpolitik zurück!
Gehen Sie die Reform der Hinterbliebenenversorgung
an, und nehmen Sie Abstand davon, mit kurzfristigen
Manipulationen Haushaltslöcher zu stopfen und sonst
gar nichts!
({6})
Nun hat die Kollegin
Höll, PDS-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Da Sie hier ausführlich auf den demographischen Faktor verwiesen haben, möchte ich
noch einmal daran erinnern, daß die PDS-Gruppe bereits
in den vergangenen Jahren fundiert nachgewiesen hat,
daß diese Diskussion von Ihnen angezettelt wurde, um
eine Rentensenkung herbeizuführen.
Nach unseren Berechnungen, und nicht nur nach unseren, ist eine solche Rentensenkung, die Einführung
eines demographischen Faktors, weder in dieser Form
noch in der anderen Form notwendig. Es gibt andere
Möglichkeiten. Ich nenne hier nur noch einmal die VerDr. Wolfgang Schäuble
breiterung der Bemessungsgrundlage oder das Durchforsten des Rentensystems nach versicherungsfremden Leistungen wie dem Mutterschaftsgeld.
Sie haben mit dem Vorschlag von Herrn Eichel - das
muß man leider betonen - einen tatsächlichen Bruch in
der Behandlung der Renten. Sie machen die Renten mit
Ihrem Vorschlag zur Verfügungsmasse des Finanzministers. Es ist vielleicht nicht ganz zufällig, daß das von
der Planung her für die nächsten zwei Jahre ist und dann
für die nächsten Bundestagswahlen die Rückkehr zum
bewährten System der Anbindung an die Nettolohnentwicklung erfolgen soll. Scheinbar ist das dann wieder
völlig normal. In Wirklichkeit aber - ich wiederhole,
was meine Kollegin Frau Knaake-Werner gesagt hat erfolgt durch die Aushebelung des Prinzips eine Senkung, weil zwei Jahre der Nettolohnanpassung fehlen.
Es geht eben nicht einfach weiter, sondern diese zwei
Jahre fehlen. Ihre Zielstellung, die Renten damit zu senken, werden Sie erreicht haben, und Sie werden dann
versuchen, es der Bevölkerung anders zu verkaufen.
({0})
Ich möchte noch einen dritten Punkt erwähnen. Mit
diesem Vorschlag setzen Sie im Jahre 10 der deutschen
Einheit ein völlig verfehltes Zeichen, denn zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West wäre es
endlich notwendig, auch bei der Angleichung der Rentenpunkte voranzukommen, da das nicht einfach mit der
Nettolohnentwicklung erfolgt. Wenn Sie das System
schon brechen, hätten Sie es positiv brechen sollen, um
die Angleichung der Rentenpunkte, die bekanntermaßen
im Osten derzeit bei 37 DM und im Westen bei 46 DM
liegen, hier tatsächlich voranzutreiben und dann vielleicht auch endlich die Möglichkeit zu nutzen, wirklich
einmal in Eile und nicht in Ruhe die bestehenden Lükken im Überleitungssystem zu schließen.
Solche Lücken existieren immer noch, zum Beispiel
für Tänzerinnen und Tänzer aus der ehemaligen DDR.
Es ist eine kleine Berufsgruppe - knapp 600 Personen
sind davon betroffen -, aber bisher haben Sie das auch
nicht in die Hand genommen. Das betrifft Lehrerinnen
und Lehrer, das betrifft auch Polizistinnen und Angehörige der ehemaligen Volksarmee,
({1})
aber auch Bundeswehrangehörige, die aus der Volksarmee kommen.
Ich möchte noch ein Letztes sagen, da die Ökosteuer
im Zusammenhang mit den Renten auch eine Rolle
spielt. Vor zwei Monaten wurde die Ökosteuer hier verabschiedet. Bei dieser Diskussion haben Sie versichert,
sie sei zwar eine Mehrbelastung, aber Rentnerinnen und
Rentner würden nicht richtig belastet, weil sie insofern
einen Ausgleich bekommen, als die Sozialversicherungsbeiträge um 0,4 Prozentpunkte gesenkt würden.
Das war damals die Begründung. Und jetzt? Es gibt keine Anbindung an die Nettolohnentwicklung mehr. Damit haben Sie Ihr Wort in dieser Beziehung gebrochen.
({2})
Wenn ich dann noch die Tickermeldungen des gestrigen Tages heranziehe, so entstehen bei mir schon eine
Reihe von Fragen. Ich zitiere einmal. Frau Kristin Heyne erklärte laut „dpa“, daß die Pläne des Bundesfinanzministeriums in den nächsten Jahren auf eine jährliche
Absenkung der Rentenbeiträge um 0,4 Prozentpunkte
hinausliefen. Nach früheren Angaben müßte dazu die
Mineralölsteuer zwischen dem Jahre 2000 und 2003 um
viermal 8 Pfennig angehoben werden. - Also: Senkung
der Rentenbeiträge und Mineralölsteuererhöhung.
Aber an anderer Stelle ist zu lesen - auch das ist interessant -, daß zu den Reformplänen des Herrn Riester
die bedarfsabhängige Grundsicherung und der Einstieg
in die eigenständige Altersvorsorge gehören. Dies begrüßen wir sehr. Wir würden es auch begrüßen, wenn
man, wie angekündigt, die ungerechten Kürzungen
bei der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente nicht
nur abmildern, sondern auch wirklich zurücknehmen
würde.
({3})
Dazu braucht man Geld. Das zusätzliche Geld soll
auch wieder durch die Ökosteuer eingenommen werden.
Wozu wollen Sie die Einnahmen aus der Ökosteuer
überhaupt einsetzen? Dies sind Unklarheiten in Ihrer Finanzplanung.
Momentan ist für die Bevölkerung nur klar, daß die
Renten bei Ihnen genauso zum Spielball werden wie bei
der früheren Regierung. Sie scheuen sich, eine tatsächliche Strukturreform anzugehen, eine Reform, die eine
Stärkung des Solidarprinzips beinhalten würde, verbunden mit der Umsetzung des Vorschlags, daß auch Freiberufler, Abgeordnete, Ministerinnen und Staatssekretäre in die Rentenversicherungskassen einzahlen und daß
dann eine stärkere Belebung des solidarischen Prinzipes
tatsächlich erfolgen könnte.
Aus diesem Grunde lehnen wir die Vorschläge, die
hier gemacht wurden, kategorisch ab und hoffen auf
großen Widerstand aus der Bevölkerung.
Ich danke Ihnen.
({4})
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Frau Dr. Schwaetzer, F.D.P.Fraktion.
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es nachvollziehen, daß es für die jetzige Regierungskoalition nicht
ganz einfach ist, sich der eigenen Vergangenheit zu
stellen. Trotzdem, denke ich, werden Sie akzeptieren
und akzeptieren müssen, daß die Opposition Sie darauf
hinweist.
Ich möchte betonen, daß für uns der Demographiefaktor, den die frühere Koalition eingeführt hatte, die
sozial gerechtere Lösung ist,
({0})
weil sie für Rentner und jüngere Generationen verläßliche Bedingungen schafft.
({1})
Nichts brauchen Rentner mehr als Verläßlichkeit.
({2})
Die Abschaffung dieses Demographiefaktors hat die
Rentenversicherung dieses Jahr in zusätzliche finanzielle
Probleme gestürzt.
({3})
Darüber spricht Herr Riester überhaupt nicht. Wenn Sie
ihn nicht abgeschafft hätten, wäre ein Teil dessen, was
Sie jetzt bei den alten Menschen machen, nicht nötig.
Ich will nicht polemisch werden; aber dies ist ein Raubzug. Die konnten sich nicht darauf einstellen. Sie haben
ihnen vor der Wahl etwas anderes versprochen. Jetzt
kassieren Sie ab. Die Rentner können dies nicht ausgleichen.
({4})
Damit ist Ihre Lösung das sozial Ungerechteste, was
man den Rentnern antun kann.
({5})
Diese Art, mit Rentnern umzugehen, werden Sie allein
verantworten müssen.
Ansonsten habe ich schon mehrfach betont, daß wir
es begrüßen würden, wenn wir hier im Hause, was die
Zukunft der Rente angeht, endlich wieder zu einem
Konsens zurückkommen könnten. Aber dazu, sehr geehrter Herr Arbeitsminister, möchte ich Berechnungen
nicht nur von den Beamten des Arbeitsministeriums hören - erst einmal möchte ich natürlich statt irgendwelcher Presseerklärungen, die Sie in Hintergrundgesprächen abgegeben haben, etwas Schriftliches haben -,
sondern auch vom Verband der Rentenversicherungsträger.
({6})
Wir haben in der Vergangenheit bei Norbert Blüm schon
oft genug erlebt, daß das Arbeitsministerium nicht ganz
mit dem übereinstimmte, was die Wissenschaftler sagten.
({7})
- Die Rechner im Arbeitsministerium sind immer noch
die gleichen.
({8})
Deswegen hätten wir gerne eine Gegenrechnung vom
VDR.
Es klingt ja sehr gut, wenn Sie sagen, Sie wollten die
Rente armutsfest machen.
({9})
- Herr Andres, wenn Sie die Rente mit der Sozialhilfe
vermischen, dann degradieren Sie die Rentenversicherung, die beitragsbezogen und leistungsbezogen ist.
({10})
Sie müssen andere Lösungen finden, wenn Sie nicht
das System der gesetzlichen Rentenversicherung weiter
diskreditieren wollen, wie es in den letzten Wochen
schon der Fall war.
({11})
Ich kann nur dringend empfehlen, an einer anderen
Stelle anzusetzen, nämlich die Sozialhilfe zu einem
Bürgergeld weiterzuentwickeln. Dann bleiben die beiden Systeme weiterhin getrennt. Trotzdem aber erreichen Sie das, was wir alle für richtig halten, nämlich daß
alte Menschen nicht zum Sozialamt gehen müssen. Damit halten Sie das System der Beitrags- und Leistungsbezogenheit in der Rentenversicherung aufrecht.
({12})
Ich begrüße es, daß die Kollegin Ulla Schmidt - das
war das erste Mal, daß ich das aus dem Mund einer Sozialdemokratin oder eines Sozialdemokraten gehört habe
- gesagt hat, die umlagefinanzierte Rentenversicherung
könne den Lebensstandard nicht mehr absichern. Das ist
heute nachzulesen. Das ist eine tolle Erkenntnis. Wenn
Sie uns deswegen in den vergangenen Jahren nicht so
angepöbelt hätten, könnte ich diese Erkenntnis leichter
verdauen. Vor diesem Hintergrund aber ist es schon
schwer erträglich.
Trotzdem akzeptieren wir das: Die umlagefinanzierte
Rente wird den Lebensstandard nicht mehr absichern
können. Je eher wir uns darauf einstellen und bei der
Steuerreform das tun, was notwendig ist, damit private
Vorsorge betrieben werden kann, um so besser ist es.
Im übrigen, Frau Fischer, soll der Eingangssteuersatz,
jetzt, wenn ich es richtig im Kopf habe, auf 19 Prozent
abgesenkt werden. In unserem Konzept lag der Eingangssteuersatz bei 15 Prozent.
({13})
Das hätte die kleiner Einkommen wirklich entlastet, und
das ist es, was notwendig ist.
({14})
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns auf den
Boden der Sachlichkeit zurückkehren! Kehren Sie zurück auf den Boden der Verläßlichkeit der Rentenversicherung! Dann sind wir zum Gespräch bereit.
({15})
Jetzt erteile ich dem
Kollegen Adolf Ostertag, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Nachdem die Debatte
wieder eröffnet ist, möchte ich auf die Schlußworte von
Herrn Schäuble eingehen. Herr Schäuble, Sie haben gesagt, mit dem, was wir den Menschen in diesem Land
zumuten, würden wir eine kurzfristige Manipulation betreiben, insbesondere bei der Rente.
({0})
In den Medien haben Sie sich teilweise noch drastischer
ausgedrückt. - Dies müssen wir mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Das, was jetzt ansteht, erfolgt insbesondere aus drei Aspekten:
Erstens. Wir beschäftigen uns mit den gigantischen
Erblasten, die wir aus Ihrer Regentschaft der letzten Jahre übernommen haben.
({1})
Es handelt sich nicht um kurzfristige Manipulationen;
wir müssen Erblasten bewältigen, und zwar nicht nur bei
der Rente.
Die Regierung hat ein Konzept zur Konsolidierung
des Haushalts beschlossen. Mit diesem Haushalt werden
wir in einem ersten Schritt zu einem erheblichen Teil
das aufarbeiten, was Sie uns hinterlassen haben. Die
mittelfristige Finanzplanung beinhaltet 30 Milliarden
DM im ersten Haushalt, im Haushalt für das Jahr 2000,
und insgesamt 150 Milliarden DM; dies ist heute schon
gesagt worden. Das sind die Erblasten Ihrer Regierung.
({2})
Im Bereich der Rente wurde in den letzten 16 Jahren,
in Ihrer gesamten Koalitionszeit, ein Katalog von Maßnahmen ergriffen, den vollständig aufzuzählen ich mir
schenke: von der Beteiligung der Rentner an der Krankenversicherung im Jahr 1983 über die Anrechnungsmodelle bis hin zur Reduzierung der Anerkennung der
Ausbildungszeiten. Sie kennen diesen Katalog, müssen
sich aber dazu bekennen. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Wenn man in der Opposition ist - und das sind Sie
seit einigen Monaten -, sollte man sich zu dem bekennen, was man hinterlassen hat, was man bei den Systemen der sozialen Sicherung angerichtet hat.
({3})
Wenn wir jetzt beginnen, unsere Konzepte umzusetzen, dann sollten Sie einmal in Ihre Programme schauen,
was Sie gefordert haben, und vergleichen, was Sie gemacht haben.
({4})
Sie sollten nicht nur schimpfen. Herr Schäuble hat eben
in einem sachlichen Ton hier argumentiert. Ich dachte,
daß es in der Debatte nun vielleicht doch noch eine
sachliche Argumentation gibt. Aber angesichts dessen,
was Sie hier an Zwischenrufen machen, muß man zweifeln, ob Sie das, was Sie gesagt haben, ernst meinen.
Lesen Sie wirklich einmal die Konzepte aus Ihrem
Wahlkampf nach,
({5})
und schauen Sie sorgfältig, was Sie gemacht haben. Ich
glaube, dann werden Sie zu dem Ergebnis kommen, daß
die neue Regierung angefangen hat, Strukturreformen zu
machen. Das sind keine kurzfristigen Manipulationen,
wie Sie sagen. Wir gehen auf dem Arbeitsmarkt an
Strukturreformen heran. Wir werden morgen hier ein erstes Gesetz zur Arbeitsförderung verabschieden,
({6})
das deutlich macht, daß es um Strukturreformen geht,
und wir werden mit dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz, das diesen Namen verdient,
({7})
einen zweiten Schritt machen. Außerdem werden wir
eine Gesundheitsstrukturreform - ich glaube, dazu ist
heute genug gesagt worden - und eine Rentenstrukturreform durchführen.
Dazu bedarf es zweier Schritte. Einmal werden wir
einen Haushalt der Solidarität vorlegen, der alle Bevölkerungsgruppen einschließt. Die Rentner werden in den
nächsten zwei Jahren, in denen wir ihnen abverlangen,
daß sie mit einem Inflationsausgleich zufrieden sind,
immer noch mehr bekommen, als sie in den letzten Jahren von Ihnen bekommen haben.
({8})
Das muß man doch einmal sagen; das sind Fakten.
Wir werden in diesem Haushalt, der in den nächsten
Wochen debattiert wird, auch von den anderen Bevölkerungsgruppen Solidarität einfordern. Wir haben in unseren Aussagen im Wahlkampf und natürlich auch in der
Koalitionsvereinbarung ganz klare Ziele formuliert, wie
wir mit der Modernisierung des Sozialstaates umgehen.
({9})
Dabei nimmt die Rente mit den größten Teil ein.
({10})
Sie wissen ganz genau: Wir wollen bei der Modernisierung der Systeme der sozialen Sicherung nicht nur die
Rente modernisieren, sondern auch die anderen Bereiche, die ich angesprochen habe, und wir werden das in
den nächsten Wochen und Monaten auch umsetzen.
({11})
Wir haben bei der Rente Strukturreformen und keine
kurzfristigen Manipulationen angesagt. Ich glaube, was
an ersten Eckpunkten für eine Rentenstrukturreform
vorgelegt worden ist, entspricht dem, was wir den
Wählerinnen und Wählern versprochen haben, nämlich
daß das Ganze langfristig angelegt und über die nächsten Jahrzehnte wirksam ist. Darauf können sich die
Rentnerinnen und Rentner verlassen - im Gegensatz zu
den Verunsicherungen, die Sie die letzten Jahre betrieben haben.
Kommen Sie zum
Schluß, Herr Kollege.
Es gibt keinen „Raubzug“,
wie Frau Schwaetzer das eben gesagt hat, sondern wir
arbeiten ganz solide an den Eckpunkten der Koalitionsvereinbarung zum Rentenkonzept. Es wird in der gesetzlichen Krankenversicherung, bei der Arbeitsmarktpolitik und bei der Rente Schritt für Schritt weitergehen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluß.
Ich kann nur wiederholen,
was der Arbeitsminister hier gesagt hat. Er hat die Opposition eingeladen, an Strukturreformen mitzuarbeiten.
Wenn Sie sich auf diesen Pfad begeben, können wir eine
sachliche Diskussion führen.
({0})
Unsere Vorschläge liegen vor. Überdenken Sie die Haltung, die Sie hier an den Tag gelegt haben: überwiegend
geschrien. Arbeiten Sie mit! Ich glaube, dann kommen
wir in dieser Gesellschaft ein Stückchen voran.
({1})
Wir sind damit am
Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 24. Juni 1999,
9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.