Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie alle zur ersten Sitzung nach der parlamentarischen Weihnachtspause und wünsche Ihnen ein
gutes Jahr 2000.
({0})
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Neufassung der politischen
Grundsätze der Bundesregierung für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Siegmar
Mosdorf.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat auf ihrer heutigen Kabinettssitzung eine
Neufassung der aus dem April 1982 stammenden politischen Grundsätze für Exporte von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern beschlossen.
Die Fassung dieser Grundsätze war bisher vertraulich
eingestuft. Sie wurde unter Mitwirkung einer Kollegin
und eines Kollegen der beiden Koalitionsparteien, der
Kollegin Roth und des Kollegen Erler, in den letzten
Wochen erarbeitet. Die vereinbarte Vertraulichkeit wurde mit dem heutigen Kabinettsbeschluss aufgehoben.
Die Neufassung der Grundsätze wird heute noch, und
zwar direkt im Anschluss an diese Regierungsbefragung,
den Vorsitzenden der zuständigen Bundestagsausschüsse zugesandt. Sie wird in den nächsten Tagen im „Bulletin“ der Bundesregierung und im Bundesanzeiger veröffentlicht. Damit wird dem Gebot der Transparenz sowohl gegenüber dem Parlament als auch gegenüber der
betroffenen Wirtschaft in schneller Weise Rechnung getragen.
Lassen Sie mich nun die Hintergründe für die vorgenommene Neufassung sowie die wichtigsten Änderungen im Vergleich zu den alten Grundsätzen kurz erläutern. Der Änderungsbedarf ergab sich aus der Koalitionsvereinbarung zur Rüstungsexportpolitik. Ich darf zitieren:
Der nationale deutsche Rüstungsexport außerhalb
der NATO und der EU wird restriktiv gehandhabt.
Bei Rüstungsexportentscheidungen wird der Menschenrechtsstatus möglicher Empfängerländer als
zusätzliches Entscheidungskriterium eingeführt.
Außerdem wurden in der Neufassung der Grundsätze
zwischenzeitlich eingetretene Entwicklungen auf europäischer Ebene berücksichtigt.
Die EU hatte im Juni 1998 einen Verhaltenskodex für
Waffenausfuhren beschlossen. Er enthält acht Kriterien,
die bei der Entscheidung über Rüstungsexportvorhaben
durch die jeweilige Regierung zu beachten sind. Dieser
Verhaltenskodex soll allen EU-Regierungen als ein politisch verbindlicher Maßstab bei der Entscheidung über
einzelne Rüstungsexportvorhaben dienen. Leider ist es
der Bundesregierung bislang nicht gelungen, diesem
Kodex in der Europäischen Union auch eine stärkere juristische Verbindlichkeit zu geben. Die Bundesregierung
wird sich jedoch weiterhin in allen Institutionen auf europäischer und internationaler Ebene für eine Rechtsverbindlichkeit dieses Kodex oder vergleichbarer Regelungen einsetzen. Dadurch, dass die Bundesregierung in
ihren neuen Grundsätzen festlegt, dass die Bestimmungen des EU-Verhaltenskodex integraler Bestandteil ihrer
Rüstungsexportpolitik sind, macht sie unter anderem
auch für unsere EU-Partner deutlich, dass sie den Kodex
für sich als verbindlich anerkennt.
Für die Koalitionsparteien war es besonders wichtig,
den Menschenrechtsaspekt in den neuen Grundsätzen
stärker zu verankern. Diesem Aspekt wurde nunmehr
breite Geltung verschafft. Er ist bei der Prüfung, ob ein
Exportvorhaben genehmigt werden kann, in jedem Einzelfall zu beachten. In den bisherigen Grundsätzen war
dieser Aspekt nicht ausdrücklich festgeschrieben, wenngleich er bei der Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls mit berücksichtigt wurde. Nunmehr findet sich dieser Aspekt als wesentliches Entscheidungskriterium in dem vorangestellten allgemeinen Teil der
Grundsätze, der sich auf Rüstungsexporte in alle Länder
bezieht. Aufgrund dieser Neuregelung sind Genehmigungen für Rüstungsausfuhren dann grundsätzlich ausgeschlossen, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass
das betreffende Rüstungsgut zu internen Repressionszwecken oder zu sonstigen fortdauernden, systematischen Menschenverletzungen missbraucht wird.
Darüber hinaus wird unabhängig von der Art des
Rüstungsguts die Menschenrechtslage des Empfängerlandes für die Entscheidung über ein Ausfuhrvorhaben
generell eine wichtige Bedeutung haben. Die Bundesregierung ist damit über die einschlägige Bestimmung des
EU-Verhaltenskodex hinausgegangen. Eine solche restriktivere nationale Festlegung steht auch im Einklang
mit dem EU-Verhaltenskodex, der eine derartige Entscheidung grundsätzlich zulässt.
Im Anschluss an den hier dargelegten allgemeinen
Teil folgt in den Grundsätzen die Differenzierung der
Ausfuhrvorhaben nach Empfängerländern. Auf der einen Seite stehen die NATO-, EU-Staaten und die Staaten, die einen den NATO-Staaten gleichgestellten Status
genießen, nämlich die Schweiz, Japan, Australien und
Neuseeland. Auf der anderen Seite stehen alle übrigen
Staaten, die so genannten Drittländer. Diese Aufteilung
hat sich bewährt. Sie bedeutet, dass Rüstungsgüterausfuhren in NATO- und EU-Staaten in aller Regel genehmigt werden. Für Ausfuhren in Drittländer kann dies
nicht gelten. Hier ist in jedem Einzelfall sehr sorgfältig
zu prüfen, ob eine Genehmigung in Betracht kommen
kann.
Bei der Prüfung von möglichen Rüstungsexporten in
Länder außerhalb des NATO/EU-Bereichs spielen neben
dem erwähnten Menschenrechtskriterium weitere Aspekte eine wichtige Rolle: Es sind die innere und äußere
Lage des jeweiligen Empfängerlandes sowie die nachhaltige Entwicklung in diesem Land zu berücksichtigen.
Dies entspricht auch den Kriterien des EU-Verhaltenskodex. Die Möglichkeiten für eine ausnahmsweise
erteilte Genehmigung von deutschen Rüstungsexporten
in Drittländer sind mit den neuen Grundsätzen eingegrenzt worden. Dies entspricht der erklärten Absicht der
Bundesregierung, ihre Exportpolitik außerhalb der NATO und der EU restriktiv zu gestalten.
Auch in den neuen Grundsätzen misst die Bundesregierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
deutscher wehrtechnischer Unternehmen mit Unternehmen aus dem NATO/EU-Bereich große Bedeutung bei.
Dies wird deutlich, indem sie weiterhin ihr besonderes
Interesse am Erhalt der Kooperationsfähigkeit der deutschen Industrie betont.
Auf europäischer Ebene sind seit einiger Zeit umfassende Restrukturierungs- und Kooperationsbemühungen
im Gange. Die Bundesregierung verfolgt diese Maßnahmen mit großer Aufmerksamkeit und unterstützt sie
im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie haben zum Ziel,
verstärkt auf eine europäische Verteidigungspolitik hinzuwirken. Neben einer noch stärkeren militärischen Zusammenarbeit zählt hierzu zweifellos auch eine europäische Zusammenarbeit auf Unternehmensebene, die Beschaffungen und die Versorgung der Streitkräfte der
NATO/EU-Mitglieder betrifft. Eine derartige Entwicklung kann nicht allein von den Unternehmen des europäischen Marktes vorangetrieben werden. Es ist notwendig, dass die europäischen Regierungen die entsprechenden Rahmenbedingungen für eine verstärkte
und verbesserte grenzüberschreitende Zusammenarbeit
schaffen.
Mit den neuen Grundsätzen trägt die Bundesregierung nunmehr ihrer erklärten Absicht einer restriktiven
Rüstungsexportpolitik außerhalb der NATO und der EU
Rechnung, ohne ihr Interesse am Erhalt einer leistungsfähigen deutschen Industrie gerade auch im europäischen Kontext zu gefährden. Die Bundesregierung signalisiert dadurch, dass sie in ihren Grundsätzen der Kooperation weiterhin breiten Raum einräumt, ihr großes
Interesse an der Erhaltung bestehender Kooperationsvereinbarungen und am Abschluss entsprechender neuer
Abkommen. Sollten in der Folgezeit Meinungsunterschiede zwischen den an einer Kooperation beteiligten
Regierungen über Ausfuhren in Drittländer auftreten,
müssen diese dann auf dem Konsultationswege erörtert
werden. Dabei wird die Bundesregierung die Bedeutung,
die sie den Menschenrechtsaspekten beimisst, besonders
betonen.
Die Bundesregierung verpflichtet sich mit den neuen
Grundsätzen auch dazu, dem Bundestag jährlich einen
Rüstungsexportbericht vorzulegen. Damit beabsichtigt
sie, für eine größere Transparenz in diesem Politikbereich zu sorgen. Der erste Rüstungsexportbericht wird
noch das Kalenderjahr 1998 betreffen und kann voraussichtlich in wenigen Wochen vorgelegt werden.
Zusammenfassend möchte ich noch einmal betonen,
dass die Neufassung der politischen Grundsätze der
Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern einen notwendigen Kompromiss der zum Teil widerstreitenden außen-, sicherheits-,
wirtschafts-, entwicklungs- und menschenrechtspolitischen Vorstellungen der Bundesregierung darstellt. In
den Grundsätzen hat sich die Bundesregierung zum Teil
festgelegt, unter welchen Bedingungen sie eine Ausfuhrgenehmigung grundsätzlich versagen wird. Sie bewahrt sich aber auch ihren Beurteilungs- und Ermessensspielraum, um nach Abwägung aller Aspekte zu einer ausgewogenen Lösung im jeweiligen Einzelfall zu
kommen. Ich glaube, dass sich das hier erreichte Ergebnis sehen lassen kann.
Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, dass ich einen Augenblick länger gebraucht habe, um diese Grundsätze vor dem Parlament zu erläutern.
Wir sind alle an einer möglichst umfassenden Information interessiert. Ich
danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage des Kollegen Siemann auf.
Vizepräsident Rudolf Seiters
Herr Staatssekretär,
welche Auswirkungen haben die restriktiven Rüstungsexportrichtlinien auf die deutsche Industrie? In welchem
Umfang können davon Arbeitsplätze betroffen sein?
Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass
durch die Neuregelung Kernfähigkeiten der deutschen
Rüstungsindustrie unwiederbringlich verloren gehen
können?
({0})
Herr Kollege, die Bundesregierung ist sich bewusst, dass es sich
hierbei um Grundsätze handelt, die den verschiedenen
Aspekten gerecht werden müssen. Ich habe sie am
Schluss ausdrücklich genannt. Wir sind der Auffassung,
dass wir mit diesen Grundsätzen sicherstellen, dass die
Bundesregierung und damit die Bundesrepublik
Deutschland auch im Gesamtkonzept der Sicherheitspolitik der europäischen Staaten ihre notwendigen sicherheitspolitischen Entscheidungen treffen kann, und dass
von dieser Regelung auch die notwendigen Voraussetzungen ökonomischer Art betroffen sein werden.
Herr Kollege
Koppelin.
Herr Staatssekretär, beurteile ich es richtig, dass nach dem, was Sie jetzt vorgetragen haben, die Türkei - den Fall kennen wir alle nicht nur den Testpanzer bekommen konnte, sondern
demnächst auch, wenn sie sie bestellt, diese Panzer erhalten würde? Oder gibt es nach diesen Richtlinien Bedenken?
({0})
Herr
Koppelin, Sie sind immer sehr weit vorausschauend.
Das kann man ja auch von jemandem erwarten, der an
der Küste lebt.
Herr Koppelin, Sie werden Verständnis dafür haben,
dass ich mich nicht zu Fragen äußern kann, die erst am
Ende des Jahres beurteilt werden können. Das ist klar.
Bei der Entscheidung, die anstehen könnte - sie steht
noch nicht an; das ist eine Entscheidung der türkischen
Regierung -,werden wir nach diesen Grundsätzen verfahren.
Zusatzfrage.
In diesem Zusammenhang eine weitere Frage. Ich habe kürzlich an einer Veranstaltung teilgenommen, bei der die deutsche Wehrtechnik vertreten war. Unter anderem war auch der Bundesverteidigungsminister dort. Dort hat er auf Befragen
erklärt - es gab Klagen, was Rüstungsexporte angeht -,
im letzten Jahr habe diese Koalition mehr Rüstungsexporte genehmigt als die alte Koalition in vier Jahren.
Wie kommentieren Sie das?
Ich danke
Ihnen zunächst einmal dafür, dass Sie in diesem Parlament von einer Veranstaltung berichten, die Sie besucht
haben. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich die von
Ihnen wiedergegebene Stellungnahme des Bundesverteidigungsministers nicht kommentieren möchte.
Herr Kollege Erler.
Herr Staatssekretär, teilen Sie
meine Meinung, dass diese Neufassung der politischen
Grundsätze nicht nur einen wichtigen Schritt der Europäisierung, der europäischen Anpassung unserer Richtlinien darstellt, nachdem in den alten Richtlinien von
1982 das Wort Menschenrechte überhaupt nicht vorgekommen ist?
({0})
Teilen Sie meine Meinung, dass bei den für Deutschland
in der Tat unverzichtbaren Kooperationen mit europäischen und anderen Partnern eine wichtige Balance gefunden worden ist? Dies gilt für die Balance zwischen
der notwendigen Beachtung von Menschenrechtskriterien und - durch die Betonung des besonderen Interesses
der Bundesrepublik an diesen Kooperationen - dem
Hinweis darauf, dass es nicht angeht, dass solche Kooperationen ohne jede Einwirkungsmöglichkeit auf zu
treffende Entscheidungen bei Rüstungsexporten niedergeschrieben worden sind? Teilen Sie meine Meinung,
dass eine gute Balance zwischen diesen beiden europäisch sehr wichtigen Interessen, nämlich Rüstungskooperation auf der einen Seite und strikten Kriterien, was
Menschenrechte angeht, auf der anderen Seite, gefunden
worden ist?
({1})
- Der Staatssekretär hat meine Frage schon verstanden.
Herr
Koppelin, ich muss Ihnen sagen, dass ich so komplizierte Fragen gewohnt bin.
({0})
Komplex denkende Menschen haben auch komplizierte
Fragen.
Es ist nicht so einfach, wie Sie denken. Herr Erler hat
nämlich zwei Punkte angesprochen, die, wie ich glaube,
von großer qualitativer Bedeutung sind.
Erstens. Der Code of conduct - das weiß jeder hier
im Haus - ist eine europäische Verabredung. Aufgrund
fehlender Formalisierung und Rechtsfassung sind die
rechtlichen Möglichkeiten bisher eher begrenzt gewesen. Die Bundesregierung macht nun mit diesen Grundsätzen klar, dass sie sich diesen Code of conduct zu Eigen macht und damit tatsächlich in ihr nationales politisches Handeln übernimmt. Das haben bisher keineswegs
alle europäischen Staaten getan. Das ist der eine Punkt.
Zweitens. Ich darf daran erinnern, dass es Ende der
60er- bzw. Anfang der 70er-Jahre einen so genannten
Spannungserlass gab. Dieser wurde vor dem Hintergrund der damaligen Konstellation des Ost-West-Gegensatzes erlassen. Die Welt hat sich aber verändert. Deshalb wurde auch zu Recht eine Debatte und Diskussion
darüber geführt, mit welchem Konzept Europa insgesamt auf diese Frage reagiert. Dafür gibt es nun wichtige
Grundsätze: erstens in Bezug auf die Menschenrechte,
zweitens aber auch bezüglich der Spielräume für Kooperationen. Das darf man nicht unterschätzen. Für Europa
sind beide Punkte wichtig. Wir brauchen Zielvorgaben
für die nationale Politik, aber auch für Kooperationen,
wenn wir wirklich eine europäische Sicherheitspolitik
realisieren wollen.
Herr Kollege Gehrcke.
Herr Staatssekretär,
kann ich aus dem aus meiner Sicht begrüßenswerten
Umstand, dass die Bundesregierung die Richtlinien veröffentlicht, schließen, dass künftig auch die Gründe für
Einzelentscheidungen transparent gemacht werden? Dadurch könnte der Verdacht, dass etwas anderes als sachfremde Gründe eine Rolle gespielt habe - Koffer, Bimbes oder wie auch immer man es neudeutsch nennt -,
minimiert werden.
Darf ich zweitens daraus schlussfolgern, dass auch
eine parlamentarische Erörterung der Richtlinien demzufolge durchaus im Interesse der Bundesregierung wäre?
Herr Gehrcke, Sie können davon ausgehen, dass die Bundesregierung allergrößtes Interesse daran hat, nur solche Entscheidungen zu treffen, die auch Transparenz erlauben.
Damit machen wir klar, dass wir Entscheidungen treffen
wollen, die wir auch vermitteln können. Diese Grundsätze in Zukunft zu beachten wird die Aufgabe der Bundesregierung sein. Ob sich das Parlament damit beschäftigt, ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann. Ich
bitte Sie um Verständnis. Dies muss das Parlament
selbst entscheiden.
Herr Kollege Fritz.
Herr Staatssekretär,
stimmen Sie mit mir überein, dass die Aussage des Kollegen Erler falsch ist, dass in den Richtlinien der Bundesregierung für den Rüstungsexport aus dem Jahre
1982 - damals noch unter der Verantwortung der Regierung Schmidt - das Wort „Menschenrechte“ nicht vorkommt? Recht hätte er gehabt, wenn er gesagt hätte, es
stünde nur in der Präambel.
Geben Sie mir auch Recht, dass die Änderungen, die
Sie uns jetzt erläutert haben, anschließend in solchem
Maße wieder relativiert werden, dass in der Praxis im
Prinzip kein Unterschied zu den bisher bestehenden
Richtlinien vorhanden ist und dass die Regierung auch
nach den bestehenden Richtlinien, wenn sie es denn gewollt hätte, jederzeit und bei jedem Einzelfall in der Lage gewesen wäre, die Menschenrechtslage als ausschlaggebenden Beurteilungstatbestand für eine Entscheidung zugrunde zu legen?
Herr Präsident, lassen Sie mich noch eine zweite Frage anfügen: Angesichts Ihrer Einschätzung, Herr Staatssekretär, dass man sich mit dieser Neufassung dem Code
of conduct in der Europäischen Union sozusagen viel
stärker verpflichte und rechtlich abgesicherten Verfahren innerhalb der EU ein Stück näher komme, möchte
ich Sie fragen, ob Sie denn glauben, dass diese Neugestaltung der Richtlinien tatsächlich ein essenzieller Beitrag dazu ist, dass den Erfordernissen Rechnung getragen wird, die wir brauchen, wenn es eine gemeinsame
europäische Rüstungsexportkontrolle im Kriegswaffenbereich geben soll. Im Dual-use-Bereich sind wir ja viel
weiter.
Herr Kollege Fritz,
bitte kommen Sie zum Ende Ihrer Frage.
Ich möchte in diesem
Zusammenhang drei Aspekte nennen: erstens eine gemeinsame europäische Rüstungsexportpolitik, zweitens
eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die
auch in Fragen der außenpolitischen und strategischen
Interessen zu einer gemeinsamen Politik führen muss,
und drittens eine gemeinsame Politik zur Verringerung
des Rüstungsexportdrucks auf die Unternehmen, damit
in Europa endlich das Überangebot abgebaut wird und
wir schon dadurch gemeinsam zu einer umwelt-, menschenrechts- und friedensverträglichen Exportpolitik in
Europa kommen.
Herr Kollege Fritz, zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass die besondere Herausarbeitung und Betonung der Menschenrechte - der Begriff „Menschenrechte“ ist im Text expressis verbis erwähnt - aus meiner Sicht ein wichtiger
Fortschritt ist und dass es mit diesen Grundsätzen
gleichzeitig auch sehr präzise Abgrenzungen in Bezug
auf NATO- und EU-Staaten sowie auf Drittländer gibt.
Sie wissen, dass wir in früheren Jahren einmal eine andere Handhabung hatten, die die ASEAN-Staaten betraf.
({0})
- Nein, auch in diesem Bereich. Deshalb bin ich davon
überzeugt, dass die Grundsätze, die wir jetzt formuliert
haben, präziser und klarer sind.
Zur europäischen Entwicklung: Ich halte es für gut,
dass die Bundesrepublik mit einer solchen Vorlage die
laufende europäische Diskussion über gemeinsame Verfahrensweisen befördert. Der Code of conduct ist, wie
gesagt, verabredet; aber was die unmittelbare Anwendung und Umsetzung angeht, tun sich manche noch
schwer. Wir sind jetzt diejenigen, die sehr präzise Vorgaben gemacht haben. Sowohl unter Menschenrechtsaspekten als auch im Hinblick auf Kooperationsmöglichkeiten werden diese politische Grundsätze in Europa
sehr hilfreich sein. Insoweit wäre es auch angemessen,
wenn die Opposition einen so großen Fortschritt einmal
anerkennte.
({1})
Frau Kollegin Beer.
Herr
Staatssekretär, ich schaue jetzt doch einmal ein bisschen
nach vorne. Es wird eine Konferenz zur Überprüfung
des Code of conduct geben, über den Sie eben Ausführungen gemacht haben. Verfügt die Bundesregierung bereits über Planungen, um eine Verbindlichkeit des Code
of conduct für die Europäische Union zu erreichen?
Eine zweite Frage möchte ich anfügen: Sie haben gesagt, dass der Export und natürlich auch die Frage des
Reexportes zukünftig unter Berücksichtigung der Situation der Menschenrechte im Empfängerland beurteilt
werden. Welche Kriterien werden zur Entscheidung herangezogen? Sind es die Lageberichte des Auswärtigen
Amtes? Aufgrund welcher Informationen wird man eine
Entscheidung über die Situation im Empfängerland treffen?
Frau Kollegin Beer, erstens werden wir unser Verhalten in Bezug
auf die Realisierung, Umsetzung und Handhabung des
Code of conduct in Zukunft an diesen Grundsätzen orientieren.
Ich habe eben bei der Unterscheidung deutlich gemacht,
dass diese Grundsätze im Grunde genommen präziser
anwendbar sind und dabei auch hilfreicher sind, was die
Nachfolgeberatungen angeht. Das wird unsere Grundlage sein.
Zur zweiten Frage. Natürlich wird die Bundesregierung alle ihr zur Verfügung stehenden Informationen
nutzen, um eine solche Situation zu beurteilen. Sie wissen, dass in den Grundsätzen auch die Aspekte hinsichtlich der Entwicklung des Landes und der Dimension
dieser Exporte im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt
und zu entwicklungspolitischen Initiativen und Aktivitäten enthalten sind. All diese Informationen müssen berücksichtigt werden. Wir werden sie nutzen, um die Lage des jeweiligen Landes beurteilen zu können.
Herr Kollege Irmer.
Herr Präsident, ich würde dem
Staatssekretär gern die Frage stellen, wie man die Beitrittskandidaten zur EU und zur NATO behandelt. Gehören sie tendenziell eher in die Gruppe der EU- und der
NATO-Mitglieder oder eher in die Kategorie der Drittstaaten?
Nachdem Sie nun so unglaubliche Fortschritte erzielt
haben, für die Sie unser Lob erheischen, möchte ich in
diesem Zusammenhang noch eine weitere Frage anschließen: Wäre die Entscheidung über den Export des
Testpanzers in die Türkei anders ausgefallen, wenn es
Ihre neuen gloriosen Richtlinien seinerzeit schon gegeben hätte?
Schließlich möchte ich wissen, was denn passiert,
wenn eine Gemeinschaftsproduktion, wie zum Beispiel
der Eurofighter, von einem Land angefordert wird, das
nicht der NATO angehört? Wer entscheidet in diesen
Fällen? Werden sich die mitproduzierenden Länder diesen neuen Richtlinien der Bundesregierung unterwerfen,
oder werden sie tun, was sie für richtig halten?
({0})
Herr Irmer,
da Sie ein erfahrener Außenpolitiker sind und deshalb
schon mehrfach mit den Fragen zu tun hatten, die Sie
uns jetzt stellen, will ich Ihnen nur sagen, dass es selbstverständlich ist - das wird auch in den Grundsätzen
klar -, dass wir uns die Einzelfälle genau ansehen müssen. Übrigens haben Sie selbst die These immer vertreten, dass man den Einzelfall unter verschiedenen Aspekten sehr genau anschauen muss. In Bezug auf die komplexen Rüstungsproduktionen, die es im Rahmen internationaler Kooperationen gibt, an denen mehrere Staaten
beteiligt sind, sehen diese Grundsätze vor, dass man die
konsultativen Möglichkeiten nutzt, die wir haben.
Wenn ich beispielsweise an die WTO-Verhandlungen
und an die WIPO-Verhandlungen denke, dann muss ich
sagen: Es ist völlig klar, dass wir zunächst einmal eigene
Grundsätze haben müssen, bevor wir in diesem internationalen Konzert mit anderen Partnern zusammen zu
übereinstimmenden Positionen kommen können, die
dann Auswirkungen haben. Wir können natürlich nicht
sagen: Wir haben unsere Grundsätze; nach denen habt
ihr zu verfahren. - Wir müssen vielmehr im Rahmen eines konsultativen Prozesses gemeinsam handeln.
Dass dieses Vorgehen immer notwendiger wird,
ist darauf zurückzuführen, dass sich auch in diesem
Sektor die Globalisierung immer deutlicher vollzieht
und damit hinsichtlich einzelner Produkte immer mehr
internationale Kooperationen stattfinden. Wir können
daher nicht ex cathedra allein entscheiden, wir können
nur nach unseren Grundsätzen verfahren, indem wir unsere konsultativen Möglichkeiten nutzen und mit den
Partnern darüber reden.
Mir liegen noch
Wünsche nach vier Fragen vor, zwei aus dem Bereich
der Koalition und zwei aus dem Bereich der Opposition.
Diese Fragen möchte ich noch zulassen. Danach gehen
wir zur Fragestunde über. - Herr Kollege Nachtwei.
Herr Staatssekretär, in der Öffentlichkeit wird das Menschenrechtskriterium vielfach als bloß moralisches Kriterium interpretiert und von manchen so genannten Realisten abgewertet. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass
dieses so genannte moralische Kriterium zugleich auch
von eminenter sicherheitspolitischer Bedeutung für uns
ist? Es ist für unsere sicherheitspolitischen Interessen
sehr bedeutsam, ob Rüstungsexporte in Regionen, in denen die Menschenrechte nicht eingehalten werden, sicherheitspolitische Probleme schaffen.
Herr Kollege Nachtwei, zunächst tue ich mich immer schwer, vor
das Wort „Moral“ das Wort „so genannt“ zu setzen. Insofern teile ich Ihren kritischen Unterton.
Zweitens: Wenn es richtig ist, dass die These, die Fukuyama einmal im Zusammenhang mit den Worten vom
Ende der Geschichte formuliert hat, nicht zutrifft, sondern dass wir pausenlos weitere Konflikte haben, und
zwar oftmals regionale Konflikte haben werden, dann
müssen wir uns natürlich mit der Frage beschäftigen,
wie man mit diesen Konflikten umgeht. Insofern teile
ich Ihre Ansicht, dass wir auch unter Sicherheitsaspekten sehr genau schauen müssen, wohin bestimmte Exporte gehen und welche Konstellationen und welche Bedingungen dort herrschen. Sie haben Recht, dies hat
nicht nur etwas mit dem Land und mit unserer moralischen Verantwortung zu tun, sondern - dies ist durchaus
richtig - es hat auch etwas, ich sage es mal so: mit unseren eigenen direkten Interessen, mit unseren eigenen sicherheitspolitischen Bedürfnissen zu tun. Insofern gibt
es einen inneren Zusammenhang zwischen dieser moralisch motivierten Fragestellung und sicherheitspolitischen Fragestellungen, die sich immer wieder stellen,
vor allen Dingen auch in den regionalen Konflikten, mit
denen wir jetzt zunehmend konfrontiert sind.
Herr Kollege
Nolting.
Herr Staatssekretär, wird denn nach den neuen Richtlinien der
deutsch-französische Hubschrauber „Tiger“ an die Türkei zu Testzwecken geliefert oder würde er nach den
neuen Kriterien nicht mehr geliefert?
Herr Kollege Nolting, Sie wissen, dass wir Einzelfragen im Bundessicherheitsrat beraten, und die unterliegen der Vertraulichkeit.
({0})
Aber ich meine, es gibt ja auch wieder Zeiten, wo Sie
wieder - ({1})
- Ich glaube, es dauert noch eine Weile, Sie müssen sich
noch ein bisschen gedulden - aber jetzt im Ernst:
({2})
- Nein, Herr Staatssekretär, da ist gar nichts mehr verlässlich; dem kann ich nur zustimmen. Es ist sehr volatil,
wie man neuerdings so sagt, auch in den Parteienlandschaften.
Wie gesagt, diese politischen Grundsätze, die das
Kabinett beschlossen hat und die die Bundesregierung
jetzt auch zur Grundlage ihrer Entscheidungen macht,
werden Kooperation ermöglichen. Aber zugleich wird
natürlich bei diesen Kooperationen diese Frage berücksichtigt. Wie sich dies im Einzelfall darstellt, werden wir
in den gegebenen Situationen sehen, wenn deutsche Unternehmen mit entsprechenden Aufträgen gefordert sind.
Herr Kollege
Zumkley.
Herr Staatssekretär, teilt die
Bundesregierung meine Auffassung, dass die wehrtechnische Industrie einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung
von Sicherheits- und Verteidigungspolitik leistet und
dass die jetzt getroffene Entscheidung zum Rüstungsexport diesen Beitrag prinzipiell nicht schmälert?
Herr Kollege Zumkley, das mögen manche, die schon ein bisschen länger hier sitzen, ja so abtun; aber das ist natürlich
in dem Moment eine ernsthafte Frage, in dem sich der
Ost-West-Systemgegensatz so nicht mehr darstellt,
wenn sich Europa selber verteidigen muss.
Deshalb ist die Frage: „Haben wir die Verteidigungsfähigkeit?“ auch eine wichtige Frage bei dieser Erörterung der Grundsätze gewesen. Gleichzeitig ist ein wichtiger Aspekt gewesen, wie man in Zeiten, in denen Europa selber verteidigungsfähig sein will und es aus eigener Kraft schaffen will, dies sozusagen auch industriepolitisch, ökonomisch, verlässlich und nachhaltig ermöglicht. Auch deshalb waren diese Grundsätze notwendig,
weil sie Klarheit schaffen.
Die Wirtschaft braucht oftmals an vielen Stellen keine direkte Hilfe oder so etwas, aber sie braucht Klarheit;
und diese Grundsätze sorgen für Klarheit, sowohl in der
Menschenrechtsfrage als auch in der Frage der Kooperation.
Herr Kollege
Hirche.
Herr Staatssekretär, im Anschluss an Ihre Aussage und die freundliche Erläuterung, die der Kollege Erler gegeben hat, dass es sich um
eine Angleichung der Richtlinien an die anderer europäischer Länder handele, stelle ich die Frage, ob sich die
Rüstungsexportpraxis an die Praxis Frankreichs und
Englands angleicht.
Ich habe
dem Kollegen heute Morgen im Wirtschaftsausschuss
sehr herzlich zu seiner Wahl zum energiepolitischen
Sprecher der F.D.P.-Fraktion gratuliert und möchte die
Frage mit dem nötigen Respekt beantworten.
Es gibt Differenzen in den nationalen Exportpolitiken, auch in den Nachbarländern - das wissen wir. Der
Code of conduct war ein Kompromiss, der hilft. Was wir
jetzt machen, ist im Grunde eine Präzisierung sowohl
der Grundsätze als auch des Handlungsrahmens. Wir
haben alles Interesse daran, dass diese Grundsätze - das
war Ihre Frage - in einem europäischen Kontext realisiert werden. Das können wir aber von Berlin aus nicht
bestimmen. Wir können nur, wie das bei internationalen
Verabredungen immer der Fall ist, zunächst in unserem
Land Klarheit schaffen. Das ist mit diesen Grundsätzen
geschehen. Jetzt kann man über den Weg der Konsultation darüber reden, ob man in Europa zu solchen Grundsätzen, auch zu solchen Verfahrensweisen, kommt, weil
klar ist, dass es keinen asynchronen Wettbewerb zwischen den jeweiligen Nachbarländern geben darf.
Herr Präsident, darf ich eine
Zusatzfrage stellen? -
Herr Staatssekretär, heißt Angleichung an andere europäische Länder, dass sich Deutschland in Richtung
Großbritannien und Frankreich bewegt? Oder heißt es,
dass Sie eine Position bestimmen und erwarten, dass
sich alle anderen Ihrer Position anschließen?
({0})
Herr
Hirche, ich will noch einmal ausdrücklich sagen: Begriffe wie Angleichung oder Anpassung sind nicht angemessen. Wir haben eine eigene Positionsbestimmung
vorgenommen. Es geht nicht darum, dass wir uns anpassen oder angleichen. Es geht vielmehr darum, dass wir
unsere Positionsbestimmung jetzt mit den europäischen
Partnern auf der Grundlage des Code of conduct zu realisieren versuchen, dass wir aber auch mit den europäischen Partnern sprechen.
Hier geht es nicht um die Haltung: Hier stehe ich und
kann nicht anders, macht, was Ihr wollt. Das geht nicht.
Es geht auch nicht um die Haltung des Anpassens. Es
geht darum, dass - das wissen Sie aus den internationalen Wirtschaftsverträgen -, wenn man internationale Vereinbarungen haben will, man zunächst einmal
selber Grundsätze formulieren muss. Das ist hiermit geschehen. Auf dieser Grundlage werden wir hier Verantwortung tragen. Aber gleichzeitig werden wir mit den
europäischen Partnern darüber reden, wie der Code of
conduct in diesem Sinne umgesetzt werden kann.
Herr Kollege
Rossmanith, Sie haben das Wort zu einer letzten Frage.
Es sah allerdings so aus, als ob Sie Ihre Wortmeldung
zurückgezogen hätten.
Herr Präsident,
ich habe meine Wortmeldung nicht zurückgezogen, sondern ich habe mich versehentlich ein zweites Mal gemeldet.
Herr Staatssekretär, angesichts der erfreulichen Tatsache des Wegfalls des Ost-West-Konflikts hat sich in
der wehrtechnischen Industrie ein massiver Abbau der
Arbeitsplätze von etwa 270 000 auf jetzt 80 000, 90 000,
- zeitweilig sogar nur noch 70 000 - Arbeitsplätze eingestellt. Teilen Sie deshalb meine Meinung, dass die
Bundesrepublik Deutschland eine eigene wehrtechnische Industrie benötigt und dass für die Systemfähigkeit
in weiten Bereichen der wehrtechnischen Industrie natürlich eine Exportfähigkeit mitgegeben werden sollte,
die nicht Einschränkungen unterliegen darf, damit die
deutsche wehrtechnische Industrie im Exportmarkt nicht
hoffnungslos zum Beispiel unseren Partnern Frankreich
oder Großbritannien unterlegen ist?
Herr Kollege Rossmanith, zunächst ist es richtig, dass die Auflösung des Ost-West-Systemgegensatzes zu einer fundamentalen Veränderung auch dieser Branchenstruktur geführt hat. Allerdings muss ich an dieser Stelle ebenfalls
anerkennen, dass die Wirtschaft selber diesen Strukturwandel nicht nur betrieben, sondern auch bewältigt hat.
Sie wissen, wovon ich rede. Ich sage das auch als Koordinator. Es gibt Branchen, die inzwischen mehr Arbeitsplätze in angrenzenden Bereichen aufgebaut haben,
als sie vorher im rein wehrtechnischen Bereich hatten,
weil die vorhandenen Ingenieurqualitäten für neue Produkte und zivile Ansätze genutzt worden sind. Da ist eine Menge passiert.
Wir können nur froh sein, dass der Strukturwandel in
diesem sehr sensiblen Sektor nicht in Brüchen vollzogen
worden ist. Ich denke etwa an die Debatte, die wir Mitte
der 90er-Jahre zum Thema „Dolores“ hatten, bei dem es
um viele Tausend Menschen ging. Wenn man sich anParl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf
schaut, wie die Airbus-Familie heute dasteht und was in
diesem Bereich passiert ist, stellt man einen großen Erfolg fest. Man muss positiv würdigen, dass da vonseiten
der Wirtschaft, teilweise flankiert durch die Politik, ein
aktiver Strukturwandel betrieben worden ist.
Herr Rossmanith, zu Ihrer zweiten Frage, nationale
wehrtechnische Industrie. Ich weiß, dass Sie die internationalen Zusammenhänge eigentlich richtig erkennen.
Aber ich glaube, dass die alte Vorstellung, wir bräuchten
eine nationale wehrtechnische Industrie, der heutigen internationalen Entwicklung im Grunde nicht mehr gerecht wird. Wenn wir eine europäische Verteidigungsund Sicherheitspolitik erreichen wollen, brauchen wir
entsprechende ökonomische Kapazitäten und Potenziale;
das ist völlig klar. Bei jedem ökonomischen Potenzial
spielen „economies of scale“ und die Frage eine Rolle,
ab wann ich über Prototypen hinaus etwas erreichen
kann.
Genau deshalb geht es nicht mehr nur um nationale
wehrtechnische Industrie, sondern um die Frage: Wie
kann der Kontinent Europa insgesamt, auch durch Kooperationen, Handlungsfähigkeit erlangen? Das ist ein
wichtiger Punkt, in dem sich die Debatte vielleicht von
der Debatte der letzten Jahre unterscheidet. Für uns ist
unter dem Aspekt des Primats der Politik wichtig, dass
man zunächst einmal eine europapolitische und sicherheitspolitische Vorstellung hat, bevor man konkrete
flankierende industriepolitische Maßnahmen ergreift.
Auch in dieser Hinsicht sind diese Grundsätze hilfreich.
Ich bin übrigens fest davon überzeugt, dass diese
Grundsätze nicht nur hinsichtlich des klaren Akzents der
Menschenrechte, sondern auch hinsichtlich der Möglichkeiten der Flexibilität bei den Kooperationen in zwei
wichtigen Bereichen Fortschritte erzielen, welche auch
von den Menschen anerkannt werden, die nicht wollen,
dass wir uns auf diesen Bereich konzentrieren, die aber
gleichzeitig sehen, dass wir eigene Handlungsfähigkeit
für unsere Sicherheitsinteressen brauchen.
({0})
Ich lasse die Zusatzfrage zu.
Ich bedanke
mich, Herr Präsident.
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht gerade aufgrund
der Situation, die Sie geschildert haben, die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Regelung, um unsere
deutsche wehrtechnische Industrie handlungsfähig und
vertragsfähig hinsichtlich der europäischen Nachbarländer zu machen? Denn natürlich besteht eine Verflechtung; man kann in den allermeisten Bereichen nicht
mehr von einer reinen nationalen wehrtechnischen Industrie sprechen, sodass die Kooperation mit den Industriezweigen in anderen Staaten erforderlich ist. Aber gerade deshalb ist es notwendig - das haben auch andere
Fragesteller schon dargelegt -, dass hier eine europäische Regelung angestrebt wird.
({0})
Herr
Rossmanith, ich sage noch einmal: Es ist tatsächlich so,
dass die Kooperationen zwischen europäischen Unternehmen in der Praxis deutlich zunehmen. Ich glaube,
dass die Grundsätze, die wir jetzt gefasst haben, die
Rahmenbedingungen sehr präzise abstecken.
Was Ihre Frage zu Europa insgesamt angeht, will ich
wiederholen: Für uns hat der Code of conduct eine große
Bedeutung; wir nehmen ihn sehr ernst. Deshalb spielt er
hier eine große Rolle. Wir sind auch dafür, dass die
Grundsätze in der Linie in Europa insgesamt verfolgt
werden, sodass man dann eine Plattform hat, auf der
man gemeinsam operieren kann.
Ich danke Ihnen,
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Mosdorf. - Damit
beende ich die Regierungsbefragung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde ({0})
-Drucksache 14/2507 Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes auf. Die Fragen 1 und 2 des Kollegen Austermann werden schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung
steht der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf
Körper zur Verfügung. Den Fragesteller, den Kollegen
Hans-Peter Uhl, sehe ich jedoch nicht. Es wird also mit
der Frage 3 verfahren, wie in der Geschäftsordnung
vorgesehen. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Körper, dass Sie hier gewesen sind.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie auf. Die Fragen 4
und 5 der Kollegin Cornelia Pieper werden schriftlich
beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht
die Parlamentarische Staatssekretärin Christa Nickels
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf:
Welche Maßnahmen sind aus Sicht des Bundesministeriums
für Gesundheit erforderlich, um eine am 10. Dezember 1999
vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ({1}) getroffene Entscheidung zum Ausschluss der Balneo-Phototherapie als vertragsärztliche Leistung der gesetzlichen Krankenkassen für an Schuppenflechte chronisch Erkrankte nicht in
Kraft treten zu lassen und zu gewährleisten, dass die genannte
Therapie zu den bisherigen Bedingungen für die chronisch
Kranken zur Verfügung steht?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege Dr. Seifert,
der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat
dem Bundesministerium für Gesundheit den genannten
Beschluss zur Balneo-Phototherapie gemäß § 94 Abs. 1
Fünftes Buch Sozialgesetzbuch vorgelegt. Die Prüfung,
ob der genannte Beschluss nach dieser Vorschrift zu beanstanden ist, ist noch nicht abgeschlossen. Die Prüffrist
endet am 21. Februar 2000.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich
muss vermuten, dass Sie mir jetzt noch nicht sagen können, wie die Prüfung ausgeht. Deshalb möchte ich Sie
zumindest nach Ihrer persönlichen Meinung fragen, ob
Sie nicht glauben, dass es wichtig ist, dass Menschen,
die an Schuppenflechte erkrankt sind und die keinen
entsprechend großen Geldbeutel haben, die Lichttherapie auch weiterhin in Anspruch nehmen können, indem
die Krankenkassen die Kosten der Therapie übernehmen, sodass sie nicht in Bräunungsstudios gehen müssen?
Herr Kollege Dr. Seifert,
es gibt ja unterschiedliche Therapien, Basistherapien,
aber auch verschiedene differenzierte und abgestufte
Therapien, die von dem jeweiligen Arzt in Absprache
mit seinen Patienten verordnet werden können. Es ist
nicht so, dass die von Ihnen konkret angesprochene Therapie die einzige Therapieform wäre. Es steht ein großes
Spektrum an Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, die
vonseiten des Arztes sachgerecht verordnet werden können. Es gibt zudem einen sehr hohen Erkenntniszuwachs. Von daher gesehen stellt sich die Frage, die Sie
mir gestellt haben, nicht.
Bezogen auf die Therapieform, nach der Sie fragen,
ist es so, dass das Prüfverfahren noch läuft. Es handelt
sich um eine sehr facettenreiche Prüfung; denn es gibt das wissen Sie - nur wenige Urteile. Die wenigen, die es
gibt, lassen jedoch keine genaue Stoßrichtung erkennen.
Von daher gesehen muss man intensiv prüfen. Sobald
die Prüfungen abgeschlossen sind bzw. sobald die Frist
abgelaufen ist - Sie sind ja Mitglied des Gesundheitsausschusses; Sie wissen das also -, können Sie sich
selbstverständlich noch einmal an uns wenden. Dann
werden wir Ihnen das Ergebnis dieser Prüfung mitteilen.
Aber während eines laufenden Verfahrens kann man zu
einem möglichen Ergebnis nichts sagen. Das gehört sich
nicht.
Die Fragen 7 und 8
der Kollegin Gudrun Kopp werden schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht der Staatsminister Dr.
Christoph Zöpel zur Verfügung.
Die Fragen 9 und 10 des Kollegen Hartmut Koschyk
werden schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich die Frage 11 des Kollegen Werner
Siemann auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage einer Studie
der Stiftung Wissenschaft und Politik ({0}),
wonach ein deutscher Alleingang im Rüstungsexport die nachhaltige Erschütterung eines wesentlichen Fundaments einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bedeutet, im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundessicherheitsrates vom 22. Dezember 1999 über die Grundlagen einer restriktiven nationalen Rüstungskontrollpolitik?
Herr Staatsminister, bitte.
Herr Kollege, die abstrakte Feststellung der
von Ihnen angesprochenen Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik hat keinen Realitätsbezug. Sie meinen
aber vermutlich - dahin geht wohl Ihr Interesse -, ob es
einen Bezug dieser abstrakten Behauptung zu den soeben erörterten neuen Grundsätzen gibt. Hier kann man
feststellen: Die neuen Grundsätze machen diese abstrakte Hypothese obsolet.
Sinn der Neufassung der politischen Grundsätze für
Rüstungsexporte ist es auch, diese Richtlinien stärker in
den hier schon erörterten EU-Kodex für Waffenausfuhren einzubinden. Der EG-Vertrag - auch das mag interessant sein - sieht in Art. 296 vor, dass die Einzelstaaten berechtigt sind, nationale Regelungen zu treffen.
Alle EU-Mitgliedstaaten haben davon Gebrauch gemacht. Wir befinden uns also völlig in Übereinstimmung mit der EU.
Die Praxis aber vollzieht sich nur in Grenzen in Anwendung derartiger Richtlinien; sie vollzieht sich im
Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. In dem Institutionengefüge, das schon
entstanden ist, existiert eine gemeinsame Arbeitsgruppe
konventionelle Rüstungsexporte, in der die konkrete Politik abgesprochen und abgesichert wird. Es gibt noch
das Wassenaar Arrangement, nach dem die EU-Staaten
schon mit anderen, zum Beispiel mit Russland, in dieser
Frage zusammenarbeiten. Das ist ein großer Fortschritt
gegenüber der Cocom-Zeit.
Bei sämtlichen Überlegungen, auch in Bezug auf die
Rüstungszusammenarbeit mit den größeren Mitgliedstaaten, hat die Bundesregierung kontinuierlich im Auge, dass die auch bei uns existierenden Vorstellungen
von Menschenrechten - es ist ja nicht so, als gäbe es
woanders keine - einbezogen werden. Momentan arbeiten wir an einem Letter of intent über die gemeinsame
Rüstungsproduktion mit den großen Rüstungsproduzenten in der EU. - So viel zur Praxis.
Ich habe schon zu Beginn gesagt, dass die Ausführungen der Stiftung Wissenschaft und Politik wenig
Realitätsbezug haben. Die gemeinsame Sicherheitspolitik wird gerade erst entwickelt. Das Jahr 1999, erst unter
deutschem, dann unter finnischem Vorsitz, war ein Jahr
großer Fortschritte im Bereich dieser gemeinsamen Politik. Aber wir haben uns auf ein Institutionengefüge verständigt. Das Jahr 2000, unter portugiesischem und das erscheint auch geeignet - französischem Vorsitz,
wird ein Jahr sein, in dem man sich über Inhalte dieser
Politik verständigt. Dazu gehört sicherlich eine gemeinParl. Staatssekretärin Christa Nickels
same Rüstungsproduktion, die den Verteidigungszielen
der Europäischen Union entspricht. Die Realität geeigneter zu gestalten - das ist es, worum sich die Bundesregierung bemüht.
Danke schön.
Zusatzfrage des
Kollegen Siemann.
Sie sehen also durch
die unilaterale Neuregelung der Rüstungsexportrichtlinien keine Gefährdung für die grenzüberschreitende Arbeitsteilung und Effizienzsteigerung der europäischen
Rüstungszusammenarbeit, wenn ich das, was Sie eben
gesagt haben, zugrunde lege.
Nein, wir sehen dies nicht so.
Lassen Sie es mich wiederholen: Zusätzlich zu dem
europäischen Kontext gibt es in allen EU-Staaten unilaterale Regelungen. Wir benehmen uns also ganz normal.
Dann macht es Sinn, darüber zu reden, was die Ziele
der Rüstung sind. Ich glaube, das sollte man wirklich
ansprechen. Wir sind uns einig, dass die NATO und in
Zusammenarbeit damit auch die Europäische Union die
Waffen brauchen, die nach gründlicher Analyse der verteidigungspolitischen Gegebenheiten notwendig sind.
Diese Analysen müssen innerhalb der NATO- und der
EU-Staaten erstellt werden. Nach unserer Auffassung
sollte dies möglichst durch Rüstungskooperationen geschehen. Darüber hinaus waren in der Vergangenheit die
europäischen Regierungen, auch frühere Bundesregierungen, der Auffassung, dass der Export von Rüstungsgütern an und für sich nichts Gutes ist. Das will ich
deutlich sagen. Es gibt kein Interesse daran, dass in dieser Welt Waffen eingesetzt werden. Man sollte die dafür
aufgebrachten Mittel - von wem auch immer - in die
Entwicklungszusammenarbeit umlenken. Das heißt: Von
der Zielsetzung her ist der Waffenexport um des Friedens willen restriktiv zu gestalten; und das tun wir.
Es gibt Feinheiten, die sich nur durch Kooperationen
regeln lassen. Das ist es, worum wir uns bemühen. Ich
glaube, das läuft ganz ordentlich, sowohl bei den 14
Partnern als auch bei uns.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Lothar Ibrügger zur Verfügung.
Die Fragen 12 und 13 des Kollegen Wolfgang Börnsen werden schriftlich beantwortet. Das Gleiche gilt für
die Frage 14 des Kollegen Hollerith.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Renate Blank auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich jetzt auch die mittelfränkischen SPD-Landtagsabgeordneten unabhängig vom Bau
der ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt für die rasche Verwirklichung
der S-Bahn-Strecke Nürnberg-Forchheim - nachdem die Zurückstellung der ICE-Trasse das vorläufige Aus für die dringend
benötigte und verkehrlich sinnvolle S-Bahn-Verbindung bedeutet - einsetzen?
Erlauben Sie, Herr Präsident und Frau Kollegin Blank, dass
ich die beiden Fragen im Zusammenhang beantworte?
Dann rufe ich auch
Frage 16 auf:
Ist die Bundesregierung nun bereit, eine schnelle S-BahnRealisierung mit finanzieller Bundesbeteiligung zu ermöglichen?
Zunächst zu Frage 15: An die Bundesregierung ist von verschiedenen Seiten, unter anderem auch aus dem parlamentarischen Raum, das Interesse an einer raschen
Verwirklichung des S-Bahn-Projektes NürnbergErlangen-Forchheim herangetragen worden.
Die Antwort auf Frage 16 lautet: Das Vorhaben SBahn Nürnberg, zweite Baustufe, NürnbergHauptbahnhof-Erlangen-Forchheim, ist in das Bundesprogramm nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 1999 bis 2003 mit Gesamtkosten von
385,64 Millionen DM und einer ersten Förderrate in
Höhe von 1 Million DM im Jahr 2001 bedingt aufgenommen, Kategorie c.
Dies bedeutet, dass der Bund grundsätzlich bereit ist,
das Vorhaben im GVFG-Bundesprogramm nach Maßgabe der verfügbaren finanziellen Mittel zu fördern,
wenn die Fördervoraussetzungen nach § 3 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes erfüllt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, Frau Kollegin Blank, dass
das Land die entsprechenden Verkehrsleistungen bestellt.
Die notwendigen Planungen werden von der Deutschen Bahn AG, dem Freistaat Bayern und der Region
unter Beteiligung des Bundes abgestimmt und durchgeführt. Dabei ist den geänderten Voraussetzungen Rechnung zu tragen, die sich aus der Entscheidung, am Verkehrsprojekt Deutsche Einheit - VDE - 8.1, Ausbau-/
Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt, festzuhalten, es jedoch
zu einem späteren Zeitpunkt zu realisieren, ergeben haben. Es wird nach Möglichkeiten gesucht, das S-BahnVorhaben als eigenständiges Projekt zeitnah zu verwirklichen, ohne die spätere Realisierung des VDE 8.1 zu erschweren, und zu vermeiden, dass Investitionen verloren
gehen. Ziel der Arbeiten ist daher die zeitnahe Realisierung des S-Bahn-Vorhabens als ein eigenständiges Projekt.
Zusatzfrage, Frau
Kollegin Blank.
Herr Staatssekretär, diese Worte klingen besser als die vom August vergangenen Jahres. Ich freue mich sehr darüber. Sie können sich
vorstellen, dass wir in der Region sehr erfreut darüber
sind. Sie sprechen von „zeitnah“ und davon, dass das
Projekt abgekoppelt werden soll. Können Sie in etwa
sagen, was für Sie „zeitnah“ bedeutet? Es geht ja hier
um die Bundeszuschüsse, und ferner geht es darum,
mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern.
Frau
Kollegin Blank, ich habe ja schon erwähnt: Wir sprechen über das Programm 1999 bis 2003. Dort ist das
Vorhaben ja bedingt aufgenommen worden. „Zeitnah“
heißt für mich und heißt aus Sicht der Bundesregierung,
die ja nicht alleine entscheidet: Es hängt vor allem davon ab, dass der Freistaat Bayern, die Deutsche Bahn
AG und die beteiligte Region sich verständigen. Die
Voraussetzungen habe ich genannt. Wir bleiben bei der
Auffassung: Wir wollen eine Verbesserung der S-BahnBedienung im Raum Nürnberg, und das so schnell, wie
es uns möglich ist. Aber die Voraussetzungen müssen
erfüllt sein.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist
Ihnen bekannt, dass an dieser S-Bahn-Strecke natürlich
auch das besagte Verkehrsprojekt Deutsche Einheit
hängt und dass es insbesondere um einen zeitnahen
Ausbau der Strecke von Nürnberg nach Fürth geht?
Denn in der Region und speziell in der Stadt Fürth müssen ja auch Vorleistungen für diese S-Bahn-Strecke erbracht werden. Deshalb erklärt sich meine Hartnäckigkeit, und ich möchte nachfragen: Ist der Bund bereit,
wenn das Land Bayern sich mit der Region verständigt das Land Bayern hat ja die Zustimmung schon signalisiert -, sich im Rahmen der Mittel - über 100 Millionen
DM für diese Großprojekte - so schnell wie möglich zu
beteiligen?
Frau
Kollegin Blank, für den Bund habe ich die grundsätzliche Zustimmung ja schon signalisiert.
Wir kommen zur
Frage 17 des Kollegen Hans-Joachim Otto:
Was veranlasst die Bundesregierung zu der Ansicht, es widerspräche der „Ein-China-Politik“, wenn der privatwirtschaftlich organisierten China Airlines Verkehrsrechte in Deutschland
eingeräumt würden?
Auch
hier, Herr Präsident, lieber Kollege Otto, bitte ich darum, beide Fragen zusammen beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch
noch die Frage 18 des Kollegen Otto auf:
Wie steht die Bundesregierung zu einer Zulassung der China-Airlines mit ihrem Code CI angesichts der Tatsache, dass
diese unter ihrem Code CI Italien, die Niederlande und sogar
Hongkong anfliegen darf?
Die
Bundesregierung ist der Ansicht, dass die Einräumung
von Verkehrsrechten in Deutschland an privatwirtschaftlich organisierte Fluggesellschaften per se nicht gegen
ihre „Ein-China-Politik“ verstoßen kann. Sie gesteht
solche Verkehrsrechte unter Berücksichtigung der Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland und der
deutschen Fluggesellschaften zu.
Zu Ihrer zweiten Frage. Gemäß den bestehenden Vereinbarungen sind für Linienflüge zwischen Taiwan und
der Bundesrepublik Deutschland die beiden Fluggesellschaften Mandarin Airlines und Condor designiert. Dies
wurde in einem Notenwechsel zwischen der Botschaft in
Peking und dem Außenministerium der Volksrepublik
China vom 3./4. Juni 1993 bestätigt. Condor übt seine
Verkehrsrechte derzeit nicht aus. Änderungen der bestehenden Vereinbarungslage würden einen erneuten Notenwechsel erforderlich machen. Vor dem Hintergrund
der jüngsten Spannungen in der Taiwan-Straße sieht die
Bundesregierung derzeit keine Möglichkeit, eine solche
Änderung herbeizuführen.
Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär Ibrügger, ist Ihnen bekannt, dass - unabhängig von den von Ihnen geschilderten Spannungen
zwischen Taiwan und der Volksrepublik China - die
Niederlande und Italien diese Verkehrsrechte einräumen, auch unter der Codebezeichnung CI, was für die
Fluggesellschaft sehr wichtig ist? Wie lässt sich das überhaupt vereinbaren mit der Tatsache, dass es sogar die
Volksrepublik China zulässt, dass Flugzeuge der taiwanischen China-Airlines nach Hongkong fliegen? Wie
lässt sich das miteinander vereinbaren und inwiefern
gibt es Bedenken angesichts bestehender Spannungen
zwischen Taiwan und China?
Herr
Kollege, die Beziehungen zwischen Taiwan und der
Volksrepublik China muss ich in diesem Parlament sicherlich nicht vortragen. Wir sind uns alle bewusst, dass
auch das Verhältnis der Mitgliedstaaten der UNO zur
Volksrepublik China bestimmt ist von dem inneren Verhältnis zwischen Taiwan und der Volksrepublik China.
Dies hat sich seit Jahrzehnten auf Handelsverträge und
Abkommen ausgewirkt, wie ich es Ihnen erläutert habe,
beispielsweise auch auf den Notenwechsel, den die Regierung Kohl im Jahr 1994 veranlasst hatte.
An der grundsätzlichen Beurteilung der Situation um den Empfindsamkeiten Genüge zu leisten, die wir zu
beachten haben - hat sich nichts geändert. Wenn Italien
oder die Niederlande zu solchen Ergebnissen gekommen
sind, vermute ich - in gleicher Weise ist das in der Vergangenheit auch in der Bundesrepublik Deutschland geschehen -, dass die Verantwortlichen in Taiwan aufgefordert waren, sich mit der Volksrepublik China darüber
zu verständigen, ob sie so verfahren können.
Genauso wurde auch bei der Bundesrepublik
Deutschland verfahren, als es 1994 um die Genehmigung und die Designierung der beiden Fluglinien ging.
Dies wurde in Abstimmung und nach Rückfragen gemeinschaftlich mit der Volksrepublik China verabredet.
Ein gleiches Vorgehen erwarten wir hier.
Eine weitere Zusatzfrage.
Eine eher
praktische verkehrspolitische Frage: Es bedurfte seinerzeit, als die Condor nach Taipeh flog, keiner großartigen
Vereinbarung mit der Volksrepublik China, dass sie den
Code der Lufthansa benutzen konnte. Ich frage mich:
Wollen Sie uns ernsthaft erklären, dass die Verwendung
des Codes von China-Airlines für Flüge der MandarinAirlines nach Deutschland tatsächlich einer Vereinbarung mit der Volksrepublik China bedarf? Ist es nicht
wenigstens möglich, dass die deutschen Behörden der
Mandarin-Airlines die Verwendung des Codes ermöglichen, der außerordentlich wichtig ist?
Herr
Kollege, ich wiederhole hier meine Aussage: Ja, es war
so. Auch die Designierung von Condor und MandarinAirlines beruhte auf einem Notenwechsel zwischen der
Volksrepublik China und der Bundesrepublik Deutschland.
({0})
- Ich beziehe mich auf die Genehmigung, diese beiden
Fluggesellschaften überhaupt zu designieren. Dies - ich
wiederhole es - beruhte auf einem Notenwechsel. Im internationalen Luftverkehr braucht man grundsätzlich
entsprechende vertragliche Regelungen, weil das auf
völkerrechtlichen Bedingungen beruht.
Wenn Sie jetzt von „praktischen Abläufen“ im Flugverkehr sprechen, dann fällt dies nicht unmittelbar in die
Zuständigkeit der Bundesregierung. Wir werden Sie,
wenn Sie das belegen, gerne auch darüber informieren,
wie die Verwendung von Code-Bezeichnungen in der
Vergangenheit geregelt wurde. Das betrifft zum Beispiel
auch Veränderungen, die aufgrund von Allianzen, Fusionen oder Ähnlichem bei Fluggesellschaften zustande
gekommen sind. Wir werden Ihnen eine schriftliche
Antwort auf diese praktische Frage gerne nachreichen.
Die Frage 19 des
Kollegen Hans-Peter Uhl wird - ebenso wie seine
Frage 3 - entsprechend den Richtlinien für die Fragestunde behandelt.
Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Norbert Hauser
auf:
Ist durch den Umzug der Bundesregierung und der meisten
Bundesministerien nach Berlin die Zusammenarbeit zwischen
den einzelnen Dienststellen erschwert worden und welche
Schwierigkeiten gibt es bei der Zusammenarbeit zwischen den
nach Berlin gezogenen und den in Bonn verbliebenen Ministerien?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. Herr Staatssekretär Ibrügger, ich danke Ihnen.
Herr Kollege Hauser, bei einem derartig komplizierten
Großprojekt wie der Verlagerung von Parlament und
Regierung nach Berlin wäre es nicht überraschend,
wenn am Anfang gewisse Schwierigkeiten aufträten. Eine Verlagerung und gleichzeitige Dislozierung der Bundesregierung auf zwei 600 Kilometer entfernte Standorte
ist eine völlig neue Situation, auf die man sich einstellen
muss.
Umso befriedigender ist es, dass die Ressorts nunmehr übereinstimmend mitgeteilt haben, dass es keine
nennenswerten Erschwernisse bei der Zusammenarbeit
zwischen Berlin und Bonn gibt. Auch der Aktentransport kann inzwischen ohne zeitliche Verzögerung über
Nacht erfolgen. Resterschwernisse, die sich aus der noch
nicht vollständigen Einzelverlagerung oder der Unterbringung in nur vorübergehend genutzten Standorten ergeben, werden mit dem Umzugsabschluss bereinigt
werden müssen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank. Ich bin froh, dass Sie den Ablauf, den ich ansonsten genauso einschätze wie Sie, etwas günstiger darstellen, als das gemeinhin in den Veröffentlichungen geschieht.
Ich möchte Sie fragen: Inwieweit hat es durch die
Umzugsmaßnahmen Personalfluktuationen gegeben?
Dabei beziehe ich mich nicht nur auf die Personalfluktuationen, die durch den Wechsel zu Tauschbehörden entstanden sind. Das ist klar, diese Zahlen sind auch bekannt. Hat es aber darüber hinaus Personalfluktuationen
durch den Umzug gegeben, und wie haben sich diese vorausgesetzt, sie haben stattgefunden - auf die Arbeit
ausgewirkt?
Ich
beginne mit den Mitarbeitern der Tauschbehörden, die
auch Sie angesprochen haben. Erfreulicherweise ist es
so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den
Tauschbehörden ihre neuen Aufgaben mit sehr viel EnParl. Staatssekretär Lothar Ibrügger
gagement wahrnehmen und uns aus den einzelnen Häusern nicht von Schwierigkeiten berichtet wurde.
Darüber hinaus haben sich Biografien in Einzelfällen
verändert. Einige Mitarbeiter, die sich entschieden hatten, in Berlin oder Bonn zu arbeiten, haben diese Entscheidung noch einmal hinterfragt. Ich kann aber dabei
nicht von nennenswerten Zahlen berichten. Ich kenne
nicht die inneren Organisationsangelegenheiten aller
Häuser; deshalb müsste eine so spezielle Frage gesondert geklärt werden. Aus meinem eigenen Haus weiß ich
aber, dass es in Einzelfällen neue Entscheidungen gegeben hat, die man respektieren und berücksichtigen sollte,
wenn es geht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es steht noch eine Reihe von Umzugsmaßnahmen aus, weil die entsprechenden Gebäude noch nicht
hergerichtet sind und die Abteilungen daher noch nicht
umziehen konnten. Sehen Sie bei diesen Umzugsmaßnahmen noch Schwierigkeiten auf die Häuser zukommen, oder glauben Sie, dass sich das Bild ähnlich erfreulich oder möglicherweise sogar besser darstellen wird,
wenn die Umzugsmaßnahmen abgeschlossen sein werden?
Ich
könnte mir vorstellen, dass wir das Bild verbessert darstellen können, weil man aus den Erfahrungen, die man
in der ersten Umzugswelle gemacht hat, Konsequenzen
ziehen kann und dadurch den einen oder anderen Fehler
nicht mehr macht.
Ich rufe die Frage
21 des Kollegen Hauser auf:
Inwieweit ist die technische/elektronische Infrastruktur geeignet, den reibungslosen Arbeitsablauf zwischen den Bundesministerien zu gewährleisten und welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um die Kommunikation zwischen
Bundesministerien zu verbessern?
Herr Kollege Hauser, die Einrichtung des Informationsverbundes Berlin-Bonn - wir kürzen ihn mit
IVBB ab - trägt nach Einschätzung der Ressorts zu einer
deutlichen Arbeitserleichterung bei und unterstützt die
Arbeitsabläufe sowie die Kommunikation sowohl zwischen den Bundesministerien als auch zwischen den verschiedenen Standorten.
Diese informationstechnische Unterstützung wird
kontinuierlich weiterentwickelt. Das Bundesministerium
des Innern treibt den weiteren Ausbau von Diensten und
Anwendungen voran, wie zum Beispiel im Bereich der
Videokonferenztechnik und des Dokumentenaustausches.
Neben der kontinuierlichen Weiterentwicklung und
Verbesserung der Infrastruktur wird insbesondere auch
das Intranet, die internen Informationsdienste des Bundes, ausgebaut. Mit zunehmender Erfahrung wird es zu
einer weiteren Intensivierung der vorhandenen Anwendungen kommen. Im Zusammenspiel mit der Ablauforganisation kann sich so aus unserer Sicht eine neue
Kommunikationskultur herausbilden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Kollege,
Ihnen ist wahrscheinlich bekannt, dass das Bundesverwaltungsamt das Produkt „favorite office flow“ entwickelt hat, welches eine digitale Aktenführung ermöglicht
und die Kommunikation zwischen den Standorten - völlig unabhängig von der Frage des Regierungsumzuges verbessern kann. Dieses Produkt wird zurzeit zwischen
Rodenkirchen und Nürnberg im Zusammenhang mit den
BAföG-Darlehen von 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angewandt. Gibt es Pläne, dieses Produkt breitflächig in den Ministerien einzuführen, oder sind die
Überlegungen insoweit noch nicht begonnen oder noch
nicht abgeschlossen?
Ich
beziehe mich in meiner Antwort auf die elektronische
Vorgangsbearbeitung, die Sie angesprochen haben. Hier
sieht die Bundesregierung erhebliche Potenziale. Sie
verfolgt eine unter organisatorischen Gesichtspunkten
schrittweise Einführung und hat hierzu bereits mit verschiedenen Pilotversuchen begonnen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Der Bundesrechnungshof hat am 12. Juni 1999 einen ersten Bericht
veröffentlicht, der - wie ich glaube - entweder auf einen
Kabinettsbeschluss oder sogar auf einen Beschluss dieses Hauses aus dem Jahre 1996 zurückgeht. Dieser Bericht spricht sich dafür aus, den Umzug von Bonn nach
Berlin auch dazu zu nutzen, sich Gedanken über die
Strukturen in den Häusern, über den Zuschnitt von Referaten und über ähnliche Dinge zu machen.
Es ist davon auszugehen, dass wir in diesem Jahr oder
Anfang des nächsten Jahres einen weiteren Bericht erhalten. Inwieweit gibt es Überlegungen, auf dem Wege,
wie er hier angedacht ist, zu schlankeren Formen, zu
Konzentrationen zu kommen, oder können Sie dazu
noch keine konkreten Angaben machen?
Es
fällt mir insofern schwer, Angaben zu machen, weil es
sich um die inneren Angelegenheiten der einzelnen Häuser handelt, über die ich in der Vorbereitung auf diese
Fragestunde nicht im Detail informiert worden bin.
Wenn Sie Interesse haben, müsste man diese Frage in
einer weiteren Abfrage an die Häuser weitergeben. Die
Antwort würden wir Ihnen dann gegebenenfalls mitteilen. Aber, wie gesagt, es handelt sich hier wahrscheinlich um Entwicklungen, die in jedem Haus unterschiedlich ablaufen.
Ich danke Ihnen,
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatsekretärin Dr. Barbara Hendricks zur
Verfügung.
Ich rufe Frage 22 des Kollegen Jochen-Konrad
Fromme auf:
Kann man aus der Tatsache, dass im Konzept für die Unternehmenssteuerreform die Steuermehreinnahmen aus der Veränderung der AfA-Tabellen zur Gegenfinanzierung nur noch mit
3,5 Milliarden DM bezeichnet werden, während der zuständige
Abteilungsleiter den Effekt der im Sommer 1999 zur Anhörung
versandten Tabellen noch mit 13 bis 15 Milliarden DM bestätigt
hat, den Schluss ziehen, dass die Bundesregierung die im Sommer 1999 den Wirtschaftsverbänden zur Anhörung übersandten
neuen AfA-Tabellen zurückziehen oder so stark verändern wird,
dass die Steuermehreinnahmen auf 3,5 Milliarden DM beschränkt werden?
Herr Kollege Fromme,
der Schluss kann so nicht gezogen werden. Im Übrigen
trifft es auch nicht zu, dass der zuständige Abteilungsleiter den Effekt der im Sommer 1999 als Entwurf versandten AfA-Tabelle mit 13 bis 15 Milliarden DM bestätigt
hätte. Er hat lediglich die von Seiten der Wirtschaft genannten Zahlen aufgegriffen und ausgeführt, dass eine
Anhebung der Nutzungsdauer um durchschnittlich 65
vom Hundert, wie von der Wirtschaft angegeben, nicht
beabsichtigt sei. Steuermehreinnahmen von 3,5 Milliarden DM sind eine vorsichtige Schätzung.
Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der
Länder haben Anfang Dezember 1999 beschlossen, die
von ihren Fachleuten unter Beachtung der im Urteil des
Bundesfinanzhofes von 19. November 1997 aufgestellten Grundsätze zur Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes bisher ermittelte technische
Nutzungsdauer einzelner Wirtschaftsgüter auch unter
Berücksichtigung der Stellungnahmen der Verbände
noch einmal eingehend zu prüfen. Angestrebt wird dabei
eine Verbreiterung der Datenbasis, um realistische Nutzungsdauern zu ermitteln. Mit einem Ergebnis ist nicht
vor Spätsommer dieses Jahres zu rechnen.
Eine Zusatzfrage?
Frau Staatssekretärin, bedeutet das, dass neue AfA-Tabellen in diesem Jahr nicht mehr in Kraft treten werden?
Nein, wir gehen davon
aus, dass neue AfA-Tabellen erst zum Jahre 2001 in
Kraft treten werden.
Eine weitere Zusatzfrage?
Müssten
Sie, wenn Sie das Volumen von 14 Milliarden DM auf
3, 4 oder 5 Milliarden DM herunterschrauben wollen,
nicht neue Tabellen erarbeiten?
Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir dies auf einer breiteren Datenbasis ermitteln wollen. Die von Teilen der Wirtschaft geschätzten
14, 15 oder wie viel Milliarden DM auch immer gingen
davon aus, dass eine durchschnittliche Nutzungsdauerverlängerung um etwa 65 Prozent zugrunde gelegt sei;
rein rechnerisch hätte das gestimmt. Wir gehen rechnerisch und im Sinne einer vorsichtigen Schätzannahme
von einer durchschnittlichen Verlängerung der Nutzungsdauern verteilt über alle Wirtschaftsgüter um rund
10 Prozent aus.
Ich rufe die Frage
23 des Kollegen Fromme auf:
Wenn ja, in welchen Punkten werden die Änderungen vorgenommen?
Herr Kollege Fromme,
die Antwort erübrigt sich.
Herzlichen Dank.
Die Fragen und 24
und 25 des Kollegen Hans Michelbach werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe nun die Frage 26 des Kollegen Peter Dreßen
auf:
Welche steuerlichen Möglichkeiten wird die Bundesregierung ergreifen, um den vom Orkan „Lothar“ geschädigten Privatwaldbesitzern zu helfen, und gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, die einmalig hohen Gewinne, die in diesem und vielleicht im nächsten Jahr entstehen, auf mehrere Jahre zu verteilen, da spätestens in zwei Jahren nur noch Verluste entstehen
werden?
Nach Auffassung der
Bundesregierung werden die derzeit bestehenden steuerrechtlichen Vorschriften in ihrer Gesamtheit als ausreichend erachtet, die durch den Orkan „Lothar“ betroffenen Privatwaldbesitzer zu unterstützen. In diesem Zusammenhang weise ich auf die Sonderregelung des
§ 34 b Einkommensteuergesetz hin, nach der bei
Holznutzungen infolge höherer Gewalt außerhalb des
Nutzungssatzes, so genannten Kalamitätsnutzungen das ist die einzige Ausnahme, die wir im Einkommensteuergesetz haben -, reduzierte Steuersätze angewandt
werden. Dies ist geltendes Recht.
Außerdem gilt nach § 5 Abs. 1 Forstschäden-Ausgleichsgesetz im Wirtschaftsjahr einer Einschlagsbeschränkung für jegliche Kalamitätsnutzungen der niedrigste Steuersatz des § 34 b Abs. 3 Einkommensteuergesetz. Dieser niedrigste Steuersatz beträgt ein Viertel des
Normalsatzes und wird, wie erwähnt, unter der Bedingung gewährt, dass eine Beschränkung des Holzeinschlags entsprechend § 1 Forstschäden-Ausgleichsgesetz
vorgenommen wird.
Das Land Baden-Württemberg bereitet im Übrigen
mit Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zurzeit eine entsprechende Bundesratsinitiative vor,
der nach unserem Dafürhalten nichts entgegensteht. Mit
anderen Worten: Es wird dann zu einem Steuersatz von
einem Viertel des Normalsteuersatzes kommen.
Darüber hinaus werden weitere Progressionsnachteile
durch die Verteilungsregelung des § 4 a Abs. 2 Nr. 1
Einkommensteuergesetz insofern erheblich abgemildert,
als die Gewinne eines bei Forstwirten in der Regel vom
Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres schon
immer auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt werden.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, gibt es
einen Hilfsfonds der Bundesregierung für solche Schäden, von denen die Waldbesitzer gerade in Südbaden
sehr stark betroffen sind? Manche Existenz wird unter
Umständen schlichtweg vernichtet. Das Land BadenWürttemberg hat 100 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Gibt es etwas Ähnliches bei der Bundesregierung?
Nein. Bei regionalen Katastrophen sind die jeweiligen Länder zuständig. Insofern ist es folgerichtig, dass das Land BadenWürttemberg einen Einmalbetrag zur Verfügung stellt.
Dies ist nicht Aufgabe des Bundes.
Ich danke Ihnen,
Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Dreßen, Sie können gleich stehen bleiben. Denn beim nächsten Geschäftsbereich wird Ihre
Frage 27 als erste aufgerufen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Die
Fragen werden vom Parlamentarischen Staatssekretär
Dr. Gerald Thalheim beantwortet.
Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Peter Dreßen auf:
Welche finanziellen Hilfen kann die Bundesregierung den
vom Orkan „Lothar“ stark betroffenen Waldbesitzern gewähren,
und ist es zum Beispiel möglich, die dringend notwendigen
Nasslager zur Vermeidung von Borkenkäfern finanziell zu fördern?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Sehr geehrter Herr Kollege Dreßen, zu den
steuerlichen Möglichkeiten hat sich das Bundesfinanzministerium bereits geäußert.
Wichtig ist die von Ihnen angesprochene Begrenzung
von Sekundärschäden zum Beispiel durch Borkenkäfer.
Hierzu ist eine zügige Beseitigung des Sturmholzes aus
dem Wald erforderlich, wobei die ganze Logistikkette
von der Aufarbeitung bis zu Abfuhr und Lagerung funktionieren muss. Baden-Württemberg ist bereits bei der
Koordination des überregionalen Waldarbeiter- und Maschineneinsatzes aktiv geworden und wird von anderen
Bundesländern personell und technisch unterstützt.
Das vom Bundeslandwirtschaftsministerium angeregte Sonderkreditprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank ermöglicht die Finanzierung von forstlichen
Lohnunternehmen, Maschinen und Betriebsmitteln, und
das bei erheblich niedrigeren Marktzinsen als 1990. Das
Bundeslandwirtschaftsministerium hat sich auch bereits
für vermehrte Transportkapazitäten eingesetzt.
Die Aufnahmefähigkeit des Holzmarktes hat sich in
letzter Zeit glücklicherweise positiv entwickelt. Deshalb
hat Bundesminister Funke ein verstärktes Holzmarketing
der Forst- und Holzwirtschaft mit dem Holzabsatzfonds
im In- und Ausland angeregt. Bezüglich der Entwicklung des Holzmarktes sind jedoch noch keine verlässlichen Einschätzungen möglich. Insbesondere durch die
erheblichen Schäden in Frankreich und der Schweiz
dürfte es zu einem spürbaren Druck auf den Holzmarkt
kommen. Aus diesem Grunde hat die Bundesregierung
Kontakt zur französischen Regierung aufgenommen, um
zu einem konzertierten Vorgehen auf der europäischen
Ebene zu kommen. Eine weitere Abstimmung wird auf
dem Agrarrat in der kommenden Woche erfolgen.
Für die Einlagerung von Rohholz in Nasslagern sollten zuerst die nach den Sturmwürfen von 1990 auch
vom Bund mit erheblichen Mitteln geförderten Lagerplätze und Anlagen genutzt werden. Die Anlage von
zusätzlichen Holzlagerplätzen kann im Rahmen der
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“ gefördert werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, besteht die
Möglichkeit, die erhöhten Transportkosten, die jetzt dadurch entstehen, dass in anderen Bundesländern die
Hiebsätze nach unten gefahren werden und dass die
Transportunternehmen ihre Lkws von Norddeutschland
nach Süddeutschland fahren lassen, zu bezuschussen oder steuerlich zu begünstigen?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Diese Möglichkeit besteht nicht. Bei der Beantwortung darf ich auf die Frage, die die Kollegin
Hendricks bereits beantwortet hat, eingehen. Die Situation stellt sich so dar, dass die Schäden im Wesentlichen
auf Baden-Württemberg begrenzt sind. Damit fällt die
Verantwortung - vor allem im rechtlichen Sinne - dem
Bundesland Baden-Württemberg zu.
Natürlich sehen auch wir das Ausmaß der Schäden.
Ich werde bei der Beantwortung der folgenden Frage
noch darauf eingehen. Aus diesem Grunde hat sich Bundeslandwirtschaftsminister Funke bereits in der ersten
Woche dieses Jahres unmittelbar in den Schadensregionen umgeschaut. Er hat ein Kreditprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank angeregt.
Im Übrigen sei noch darauf hingewiesen, dass es
nicht sinnvoll ist, Transporte zu bezuschussen, weil diese in stärkerem Maße der Holzindustrie zugute kommen.
Das Ziel muss vielmehr sein, die Hilfe vor allen Dingen
auf die betroffenen Forstwirtschaftsbetriebe zu konzentrieren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dann, wenn
die Hilfe falsch organisiert wird, im Wesentlichen nur
die Sägewerke und andere nicht betroffene Betriebe die
Nutznießer von niedrigen Holzpreisen sind.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben
Recht: Der Bundeslandwirtschaftsminister hat aufgrund
meiner Einladung am 7. Januar 2000 die Stadt Lahr besucht. Er hat dort gesehen, welche Riesenschäden insbesondere der Forstwirtschaft, aber auch im Privatwald
entstanden sind. Können Sie kurz zusammenfassen, was
die Bundesregierung unternommen hat, um in den wichtigsten Fällen zu helfen, und welche Möglichkeiten das
Landwirtschaftsministerium hat, um die Schäden so gering wie möglich zu halten bzw. Hilfe zu leisten?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Ohne eine Wertung vornehmen zu wollen, wiederhole ich: Als Erstes ist das Land Baden-Württemberg
gefordert. Entsprechende Maßnahmen sind vom dortigen Kabinett bereits beschlossen worden. Es seien in der
Reihenfolge auch die steuerlichen Regelungen erwähnt,
die Steuerausfälle für den Bund und damit auch eine finanzielle Mitbeteiligung des Bundes bedeuten.
Das Kreditprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank wird unmittelbar den betroffenen Waldbesitzern
helfen. Dann gibt es die Maßnahmen des ForstschädenAusgleichsgesetzes. Um Zeit zu gewinnen, muss das
Land Baden-Württemberg die Initiative ergreifen. Auch
die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich die schnelle Umsetzung der Maßnahmen des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes.
Des Weiteren gibt es im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zum Beispiel die Möglichkeit, in Nasslagerplätzen Rohholz einzulagern, um dem Befall durch Forstschädlinge vorzubeugen. Die Einrichtung entsprechender Lagerplätze kann durch Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe finanziert werden. Im Laufe dieses Jahres müssen wir prüfen, ob eventuell freiwerdende Mittel
aus der Gemeinschaftsaufgabe dem Land BadenWürttemberg zur Verfügung gestellt werden können.
Ich möchte an dieser Stelle auch an die Solidarität der
nicht betroffenen Bundesländer appellieren. Eine solche
Solidarität wäre kein singulärer Fall. Dies hat es bereits
in der Vergangenheit zum Beispiel bei Hochwasserschäden und ähnlichen Katastrophen gegeben.
Des Weiteren müssen alle Programme - auch die, die
von Baden-Württemberg beschlossen worden sind - in
Brüssel notifiziert werden. Das heißt, sie müssen von
der Bundesregierung nach Brüssel weitergeleitet werden. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen,
dass die Programme - wer hier schnell hilft, hilft besonders gut - schnell notifiziert werden.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Heinz Wiese.
Herr Staatssekretär, das Land Baden-Württemberg ist schon vor einigen Jahren von einem fürchterlichen Orkan heimgesucht worden. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass besonders der Vermeidung der von Ihnen erwähnten Sekundärschäden eine große Bedeutung zukommt. Glauben Sie nicht, dass über die Bekämpfung der Borkenkäfer, der Buchdrucker und vor allem der Kupferstecher
durch die Einrichtung von Nasslagern hinaus auch Maßnahmen, die mit einer chemischen Bekämpfung oder
dergleichen betrieben werden, unterstützt werden sollten? Es gibt inzwischen gerade in diesem Bereich neue
Erkenntnisse, wie man Sekundärschäden vorbeugen
kann. Sie wissen, man kann den Borkenkäfer nicht vermeiden; vielmehr kann man nur die explosionsartige
Vermehrung des Borkenkäfers wirksam bekämpfen.
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Herr Kollege, das Entscheidende ist doch, dass
jetzt erst einmal die umgestürzten und abgebrochenen
Bäume aus dem Wald geräumt werden. Dort muss der
Schwerpunkt der Maßnahmen liegen. Es gibt in erheblichem Umfang auch Unterstützung durch Waldarbeiter
aus den anderen Bundesländern. Es ist besonders darauf
hinzuweisen, dass es sich nicht um ein professionelles
Fällen handelt; vielmehr müssen Schadensgebiete aufgearbeitet werden, was Professionalität bei den Forstarbeitern zur Voraussetzung hat; das heißt, es werden
Menschen benötigt, die ihr Handwerk verstehen. Darin
besteht der eine Teil der Maßnahmen.
Man muss das - wenn ich diesen Begriff gebrauchen
darf - „geerntete“ Holz am Ende auch lagern und vor einem um sich greifenden Schädlingsbefall schützen. Das
ist am günstigsten über die Nasslagerung möglich. Diese
ist aufwendig; man braucht sehr viel Wasser. Aber bereits beim Sturm „Wiebke“ sind 1990 Nasslagerplätze auch damals aus den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe
gefördert - eingerichtet worden. Diese Nasslagerplätze
muss man jetzt wieder nutzen bzw. man muss auch neue
Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
anlegen. Auch dafür könnten die Mittel verwendet werden.
Die Entscheidung über eine chemische Bekämpfung
von Holzschädlingen liegt bei den betroffenen Landwirten vor Ort. Es können selbstverständlich nur die dafür
zugelassenen Mittel verwendet werden. Ich wiederhole:
Die Entscheidung liegt bei den betroffenen Waldbauern.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Peter Weiß ({0}) auf:
Welche Hilfen hat die Bundesregierung eingeleitet bzw. wird
sie einleiten, um die immensen Schäden, die der Orkan „Lothar“
am 26. Dezember 1999 vor allem in den Wäldern Süddeutschlands angerichtet hat, zu beheben und um die geschädigten
Waldbesitzer zu unterstützen?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Herr Kollege Weiß, die Orkane vom 26. und
28. Dezember 1999 haben in weiten Gebieten Europas
Schäden angerichtet. Die schwersten Waldschäden hat
Frankreich mit 115 Millionen Kubikmeter Holzanfall zu
beklagen, gefolgt von Deutschland mit 27 Millionen
Kubikmeter Holzanfall und der Schweiz mit 11 Millionen Kubikmeter. Dänemark mit 3,5 Millionen Kubikmeter und Schweden mit 8 Millionen Kubikmeter waren
bereits am 3. Dezember 1999 vom Orkan „Anatol“ betroffen. In Deutschland konzentrieren sich die vom Orkan „Lothar“ am 26. Dezember 1999 angerichteten
Schäden im Wesentlichen auf Baden-Württemberg mit
23,5 Millionen Kubikmeter. Die angefallenen Holzmengen sind hier sogar größer als bei den Stürmen „Vivian“
und „Wiebke“ im Jahre 1990. Damals waren es rund
15 Millionen Kubikmeter.
In geringerem Umfang sind Bayern mit 3 Millionen
Kubikmeter sowie Rheinland-Pfalz und andere Länder
betroffen. Der Schaden betrifft nicht nur das Ökosystem
Wald, sondern auch viele Forstbetriebe in Südwestdeutschland existenziell. Das erhöhte Holzangebot hat
zudem Auswirkungen auf den europäischen Holzmarkt.
Als Erstes ist die Solidarität der Forstbetriebe in den
nicht betroffenen Gebieten durch Zurückhaltung beim
normalen Holzeinschlag gefragt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat in dieser Hinsicht eine Zusage
der Bundesforstverwaltung. Bund und Länder bemühen
sich, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die
Forstbetriebe nach den Sturmschäden möglichst rasch zu
verbessern. Hierzu wurde ein ganzes Bündel von Maßnahmen angeschoben.
Die gesetzlichen Schwellenwerte für eine erhebliche
und überregionale Marktstörung nach dem Forstschäden-Ausgleichsgesetz sind durch die Schäden in BadenWürttemberg überschritten. Dort wird derzeit eine Bundesratsinitiative zur Beschränkung des ordentlichen
Holzeinschlages für die Holzartengruppen Fichte und
Buche vorbereitet. Die Anwendung des ForstschädenAusgleichsgesetzes durch den Bund bedingt auch steuerliche Erleichterungen, zu denen bereits die Kollegin
Hendricks in ihrer Antwort auf Frage 26 Auskunft gegeben hat. Auf Anregung des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat die Landwirtschaftliche Rentenbank bereits
ihr Sonderkreditprogramm „Landwirtschaft“ mit um
rund 1 Prozentpunkt vergünstigten Krediten für die Beseitigung orkanbedingter Waldschäden sowie für die
Wiederaufforstung erweitert.
Die Anlage von Holzlagerplätzen und die Wiederaufforstung von Sturmflächen kann im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur
und des Küstenschutzes“ gefördert werden. Darüber hinausgehende Möglichkeiten bieten die Entwicklungspläne nach der EAGFL-Verordnung zur ländlichen Entwicklung. Weiterhin hat sich das BML beim Bundesverkehrsministerium unterstützend für verkehrsrechtliche Ausnahmen in den Ländern in Form einer Heraufsetzung der Beladungsgrenze und einer Zulassung von
Transporten an Sonn- und Feiertagen eingesetzt, damit
die Holzabfuhr nicht zu einem Engpass bei der Schadensaufarbeitung wird. Zudem hat das BML die Deutsche Bahn gebeten, Kapazitäten für verstärkte Holztransporte bereitzuhalten. Insoweit hat die Bundesregierung direkt nach dem Orkan die erforderlichen Sofortmaßnahmen eingeleitet.
Das weitere Vorgehen wird sich an den im Zuge der
Schadensaufarbeitung ergebenden Problemen orientieren. Dabei sind auch die regionalen und wirtschaftlichen
Unterschiede, die sich seit 1990 ergeben haben, zu berücksichtigen.
Eine Zusatzfrage?
Herr
Staatssekretär, Sie haben ja zu Recht auf das Forstschäden-Ausgleichsgesetz hingewiesen, zu dem die Landesregierung von Baden-Württemberg gestern eine Bundesratsinitiative beschlossen hat, um die notwendige Verordnung in Gang zu setzen. Da angesichts der bestehenden Situation auf der einen Seite in den nächsten Monaten mit einem massiven Preisverfall zu rechnen ist, auf
der anderen Seite aufgrund der großen Schwierigkeiten,
die vor allen Dingen in den Steillagen des Schwarzwaldes bei der Aufarbeitung und Sicherung des Holzes
bestehen, zu erwarten ist, dass in einem hohen Maße
Kosten entstehen, die ansonsten bei einer normalen
Waldbewirtschaftung nicht entstehen würden, besteht
vor allen Dingen für viele Privatwaldbesitzer das Problem, dass voraussichtlich kein Gewinn zu erwirtschaften
sein wird. Sehen Sie über steuerliche Maßnahmen im
Rahmen des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes hinaus
Möglichkeiten, in starkem Maße betroffenen Privatwaldbesitzern zum Beispiel eine zinslose Stundung von
Steuerschulden oder die Herabsetzung von Steuervorauszahlungen bereits jetzt und ab sofort zu gewähren?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Ich muss auf die bereits gegebenen Antworten
verweisen. Wir müssen jetzt abwarten, wie sich am Ende tatsächlich die Preise auf dem Holzmarkt entwickeln
werden, zumal das - ich habe schon darauf hingewiesen - natürlich auch mit dem hohen Schadensvolumen,
Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
das sich in Frankreich ergeben hat, zusammenhängt. Wir
müssen jetzt einerseits diese Entwicklungen und andererseits die Umsetzung der Hilfsmaßnahmen abwarten.
Sollte sich eine Situation ergeben, wie Sie sie geschildert haben, kann zu gegebenem Zeitpunkt auch darüber
noch einmal gesprochen werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, Sie haben auf das Sonderkreditprogramm
der Rentenkasse hingewiesen, die um 1 Prozentpunkt
verbilligte Kredite anbietet. Da wir zurzeit beobachten
müssen, dass vor allen Dingen die Privatwaldbesitzer
die angebotenen Hilfen, insbesondere von Firmen mit
entsprechenden Aufbereitungsgeräten, deswegen nicht
in Anspruch nehmen, weil sie nicht wissen, wie sie diese
Maßnahmen finanzieren bzw. refinanzieren sollen,
möchte ich Sie fragen, ob es vorstellbar wäre, für diesen
besonders betroffenen Personenkreis ein Programm mit
zinslosen Krediten aufzulegen?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Auch hier muss ich auf die gegebenen Antworten verweisen. Wir müssen jetzt abwarten, wie sich die
Preise tatsächlich entwickeln werden. Im Übrigen tritt
eine solche Situation nicht zum ersten Mal auf; eine vergleichbare Situation gab es bereits 1990. Damals hat
sich gezeigt, dass Kreditprogramme durchaus hilfreich
waren, da seinerzeit die Marktzinsen wesentlich höher
als heute waren. Schon aufgrund der Marktzinsen ist ich habe in meiner Antwort schon darauf verwiesen heute eine günstigere Situation zu verzeichnen.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.
Herr
Staatssekretär, Sie haben gesagt, der Bundeslandwirtschaftsminister sei bei der Begutachtung der Sturmschäden in Baden-Württemberg zugegen gewesen. Ist Ihnen
nicht klar, dass viele Betriebe durch diese Sturmschäden
in viel stärkerem Ausmaß betroffen sind, als es bei vergleichbaren Katastrophen bisher der Fall war? Wollen
Sie diesen Betrieben angesichts der schwierigen Situation, in der viele Betriebsleiter nicht mehr wissen, wie es
weitergeht, lediglich sagen, dass 1 Prozentpunkt Zinsverbilligung ausreicht? Wollen Sie angesichts des Ausmaßes der Katastrophe darauf verweisen, dass es sich
nur um regionale Schäden handelt? Nach meiner Auffassung sind „regionale Schäden“ nicht solche, die sich
auf ein ganzes Bundesland erstrecken, sondern solche,
die auf eine Region begrenzt sind. Hier sind über das
Land Baden-Württemberg hinaus sogar weitere Landstriche betroffen.
Herr Kollege Ronsöhr - Heinrich-Wilhelm Ronsöhr ({0}): Erfordert
dies nicht ein Bund-Länder-Programm und ein Stück finanzielle Solidarität des Bundes?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Nein, Herr Kollege, das erfordert es nicht. Aus
dem Zahlenüberblick, den ich gegeben habe, ging ganz
eindeutig hervor, dass sich die Schäden fast ausschließlich auf das Land Baden-Württemberg konzentrieren.
Aus diesem Grunde ist an erster Stelle das Land BadenWürttemberg gefordert, im Hinblick auf die schwierige
Situation der Waldbauern, die in unterschiedlichem Maße von den Auswirkungen des Sturms betroffen sind einige sind ganz extrem davon betroffen -, Hilfen zu leisten. Wir gehen davon aus, dass das Programm, das die
baden-württembergische Landesregierung aufgelegt hat,
für die Entscheidung über das Volumen maßgeblich
war. Hier liegt also zunächst die Verantwortung.
Auf der anderen Seite sehen wir natürlich auch beim
Bund eine Verantwortung. Ich verzichte aber darauf, all
das, was der Bund flankierend unternommen hat, noch
einmal aufzulisten.
Hinzu kommt ein Weiteres: Aus einer Tickermeldung
der Nachrichtenagentur „AFP“ vom heutigen Tage geht
hervor, dass die Europäische Union die Absicht hat, ein
Programm in Höhe von 15,6 Milliarden DM aufzulegen.
Ich weiß hierüber auch nicht mehr als das, was in der
Meldung der Nachrichtenagentur steht. In meiner Antwort habe ich aber bereits darauf verwiesen, dass in der
nächsten Woche im Agrarrat darüber gesprochen werden soll. Ich gehe davon aus, dass letztendlich auch aus
der Europäischen Union finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den Betroffenen unter die Arme zu greifen.
Auf der anderen Seite - das ist die Lehre aus vergleichbaren Ereignissen in der Vergangenheit - verteilen
sich die Schadensauswirkungen auf einen längeren Zeitraum. Jetzt kommt es darauf an, genau zu bewerten, um
welche Auswirkungen es sich handelt und wie die Schäden in der nächsten Zeit ausgeglichen werden können.
Wie gesagt, die Europäische Union wird hier vermutlich
Unterstützung geben. In der Meldung heißt es, dass
Deutschland 3 Milliarden Euro, verteilt auf die nächsten
sieben Jahre, erhalten soll. Das ist eine ansehnliche
Summe, die allen Betroffenen in Baden-Württemberg
helfen wird.
({1})
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Peter Dreßen.
Herr Staatssekretär, können
Sie sich vorstellen, dass in allerkürzester Zeit Staatssekretäre aus dem Verteidigungsministerium, aus dem Arbeitsministerium und aus Ihrem Ministerium zusammentreten und gemeinsam darüber nachdenken, wie man
unbürokratisch helfen kann? Das VerteidigungsministeParl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim
rium habe ich deswegen erwähnt, weil unter Umständen
Truppen bei den notwendigen Aufräumarbeiten im Wald
helfen könnten. Frage: Ist so etwas möglich?
Der andere Punkt ist, dass Sie zur Aufarbeitung
Facharbeiter brauchen. Das bedeutet, dass Facharbeiter
aus Tschechien und Polen benötigt werden, die diese
Arbeit verrichten können. Sie können nicht einfach Arbeitslose einsetzen, weil es dann mehr Unfälle geben
würde. Wir brauchen also Facharbeiter.
Wäre es angesichts der schwierigen Situation, die wir
in Südbaden haben, nicht an der Zeit, dass all diese Fragen auf Staatssekretärsebene erörtert werden und dass
man dann vielleicht noch zusätzliche Hilfen auflegen
kann, die vielleicht gar nicht so viel Geld kosten würden?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Aus den hier bereits mehrfach dargelegten
Gründen müsste für eine solche Gesprächsrunde die Initiative vom Land Baden-Württemberg ausgehen. Ich
wiederhole: Nach den Regeln, die wir in der Bundesrepublik haben, ist bei einem solchen regionalen Schadensfall als Erstes die Landesregierung, in diesem Fall
die Landesregierung von Baden-Württemberg, gefragt.
Was die Hilfe von Forstarbeitern anbelangt, ist meines Wissens in wenigen Tagen schon viel passiert. Es
wurde eine ganze Reihe von Forstarbeitern aus den anderen Ländern in Baden-Württemberg eingesetzt. Wir
haben über unser Haus entsprechende Fragen gestellt.
Die Antwort war - es ging konkret um die Frage, ob
möglicherweise aus dem Land Brandenburg eine
„Amtshilfe auf Forstarbeiterebene“ geleistet werden
soll -, dass im Grunde genommen keine weiteren Arbeitskräfte gebraucht werden.
Ich wiederhole an dieser Stelle: Die Qualifikationen,
die gerade bei der Beseitigung von Sturmschäden notwendig sind, erlauben es nicht, jemandem ohne Ausbildung eine Axt und eine Säge in die Hand zu drücken
und ihm zu sagen: Mach mit und hilf hier! Qualifikation
ist erforderlich, letztendlich auch, um wertvolles Holz
aus dem Wald zu bergen, das sich verkaufen lässt. Es
geht nämlich nicht nur darum, die umgestürzten Bäume
wegzuräumen.
Eine Zusatzfrage
der Kollegin Annette Widmann-Mauz.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin die Aussage getroffen, dass es
sich bei den Sturmschäden, die zum größten Teil auf
dem Gebiet von Baden-Württemberg zu finden sind,
hauptsächlich um ein Problem des Landes BadenWürttemberg und nicht um ein nationales Problem handelt. Daher verwundert es schon sehr, wenn Sie in Ihren
bisherigen Antworten auf die nationale Dimension zumindest hinweisen.
Sie verweisen zum einen auf die Amtshilfen aus anderen Bundesländern, die notwendig sein könnten, zum
anderen aber auch auf die Auswirkungen auf die Gewinne der Privatwaldbesitzer, die sich durch den Preisverfall aufgrund der Holzschwemme aus Frankreich ergeben. Mich würde schon interessieren, was die Bundesregierung konkret tut, um den Preisverfall angesichts der
zu erwartenden Holzschwemme aus Frankreich zu stoppen. Sie haben vorhin davon gesprochen, dass es eine
Kontaktaufnahme mit Frankreich gegeben habe. Gibt es
bereits Erkenntnisse? Können Sie uns darüber bitte berichten?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Es hat ein Gespräch im Bundeslandwirtschaftsministerium mit den obersten Vertretern der
französischen Forstverwaltung gegeben. In dem Gespräch ist im Wesentlichen die Meinung geäußert worden, dass es für Frankreich angesichts seiner unterschiedlichen ländlichen Struktur und seiner unterschiedlichen Struktur in der Forstverwaltung sehr schwer werden wird, in kürzester Zeit eine Aufarbeitung vorzunehmen.
Letztendlich ist es unsere Auffassung, dass auch die
Hilfen, die auf europäischer Ebene beschlossen werden
sollen - ich habe bereits die entsprechende Tickermeldung zitiert -, in diese Richtung weisen. Die Maßnahmen bezüglich des Marktes werden erst notwendig,
wenn das Holz auf den Markt kommt. Speziell in Frankreich gibt es zurzeit sehr große Probleme, das Holz so
aus den Wäldern zu holen, dass es aufgearbeitet werden
kann.
Zur Unterstützung durch den Bund: Es ist eindeutig
so, dass als Erstes das Land Baden-Württemberg gefordert ist, weil sich der Schaden auf dieses Land konzentriert. Die Landesregierung hat ja entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Das heißt aber im Umkehrschluss
nicht, dass sich der Bund nicht an den Maßnahmen beteiligt. Ich habe bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen genannt. Wir müssen jetzt abwarten, welche konkreten Hilfen sich aus dem Programm ableiten lassen,
das auf Brüsseler Ebene aufgelegt werden soll. In der
kommenden Woche wird sich der Bundeslandwirtschaftsminister im Agrarrat für eine länderübergreifende
Regelung einsetzen, damit es nicht zu gravierenden
Auswirkungen auf dem europäischen Holzmarkt kommt.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Thomas Strobl.
Herr Staatssekretär,
was tut die Bundesregierung, um möglichst schnell und
komplikationslos Waldfacharbeiter aus Nicht-EULändern für die Aufarbeitung des Sturmholzes zuzulassen?
({0})
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Nach meinen Informationen gibt es in dieser
Richtung kaum Bedarf. Ich habe ja die Initiative genannt. Die Nachfrage, ob Unterstützung aus Brandenburg gewünscht wird, ist am Ende abschlägig beschieden worden. Insofern wiederhole ich meine Aussagen,
dass es im Wesentlichen darauf ankommt, dass hoch
qualifiziertes Personal hier zur Verfügung gestellt wird.
Wenn Sie im Übrigen darauf abstellen: Die Saisonarbeiterregelung lässt sich auf diese Dinge nicht anwenden.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Heinz Wiese.
Herr Staatssekretär, ich möchte noch auf die Tickermeldung zurückkommen; ich habe sie in Händen: Sie haben darauf
hingewiesen, dass Deutschland 3 Milliarden Euro aus
einem Fonds der EU bekommt. Aber es kommt dabei,
glaube ich, nicht deutlich genug heraus, aus welchem
Fonds dieses Geld dann genommen wird. Es sollte nicht
der Eindruck entstehen, dass es sich um ein Sonderprogramm handelt. Hier steht eindeutig nachzulesen:
Das Geld wird im Rahmen der so genannten Regionalhilfe aus dem Strukturfonds der Europäischen
Union... gezahlt.
Also muss man da schon, meine ich, differenzieren.
Teilen Sie diese Einschätzung?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Ich habe ja bewusst dargestellt, dass meine
Aussagen sich hier auf eine Tickermeldung beziehen.
Ich gehe davon aus, dass in der nächsten Woche im Agrarrat auch in diesem Bereich Konkreteres diskutiert
wird. Ich habe dies vor allen Dingen als Argument dafür
angesehen, dass wir jetzt abwarten müssen, wie sich die
auf Baden-Württemberger Ebene und auf Bundesebene
beschlossenen Maßnahmen konkret auswirken und welche Mittel am Ende aus diesem Programm tatsächlich
zur Verfügung stehen, unabhängig davon, wo die konkreten Finanzierungsquellen sein werden.
Da das Programm auf sieben Jahre angelegt ist, gehe
ich davon aus - aber das ist meine persönliche Meinung,
dass dieses Geld aus freien Mitteln der Strukturfonds zur
Verfügung gestellt wird.
Im Übrigen hat die Gemeinschaftsaufgabe nach den
Förderrichtlinien zu einem Teil durchaus auf solche Ereignisse zu reagieren, speziell im Forstbereich. Es wäre
also nichts Ungewöhnliches, dass dann innerhalb der
Grundprogramme auch in diesem Bereich eine Schwerpunktsetzung erfolgen kann.
Noch eine Zusatzfrage des Kollegen Straubinger.
Herr Staatssekretär,
wird sich die Bundesregierung denn zumindest dafür
einsetzen, dass Sondermittel bereitgestellt werden?
({0})
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Natürlich werden wir uns dafür einsetzen, dass
diese Mittel, wenn schon die Europäische Union am Ende auch aufgrund des Umfanges dieser Schäden Mittel
zur Verfügung stellt, schwerpunktmäßig nach Deutschland fließen, also auch nach Baden-Württemberg, weil
dieses Bundesland am stärksten betroffen ist. Davon
können Sie ausgehen, zumal wenn die Tickermeldung,
die hier schon mehrfach zitiert wurde, stimmt und wenn
sich am gleichen Tag die deutsche Haushaltskommissarin Michaele Schreyer vor Ort informiert. Ich denke,
wenn sie sich die Schäden vor Ort ansieht, wird sie auch
mit dem Bewusstsein nach Brüssel zurückkehren, dass
dieses europäische Geld genau hier einzusetzen ist.
({1})
Ich rufe die Frage
29 des Kollegen Peter Weiß:
Ist die Bundesregierng bereit, zur Behebung der durch den
Orkan „Lothar“ verursachten Schäden ein Bund-LänderSonderprogram aufzulegen?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Kollege Weiß, zu dem von Ihnen angesprochenen Bund-Länder-Sonderprogramm ist zunächst darauf
hinzuweisen, dass Hilfen in Katastrophenfällen
grundsätzlich in den alleinigen Zuständigkeitsbereich
der Länder fallen. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind
die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise
Bundesbeteiligung im Gegensatz zu den Sturmwürfen
von 1990 nicht gegeben, da sich die Orkanschäden
regional begrenzt in Süddeutschland konzentrieren.
Im Übrigen verweise ich auf die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, an der der Bund mit 1,7 Milliarden DM beteiligt ist, die auch forstliche Maßnahmen beinhaltet, unter
anderem Maßnahmen zur Beseitigung von Schäden im
Wald.
Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass die Konferenz der Amtschefs der Länder-Landwirtschaftsministerien am 16. Januar 2000 in Berlin einstimmig,
das heißt, auch mit den Stimmen aller sozialdemokratisch regierten Landesregierungen, an die Bundesregierung die Bitte gerichtet hat, ein Bund-LänderSonderprogramm „Orkanschäden“ mit 60-prozentiger
Finanzierung durch den Bund aufzunehmen? Hierbei
sollen insbesondere Maßnahmen im Privat- und Kommunalwald bezuschusst werden, nämlich bei der Sturmholzkonservierung, der Wiederaufforstung, der
Wegeinstandsetzung, bei Liquiditätshilfen für Forstbetriebe, beim Forstschutz und bei der Förderung der Umsetzung von Arbeitskräften aus von Sturmschäden nicht
betroffenen Gebieten in die Schadensgebiete. Wie verhält sich die Bundesregierung hinsichtlich dieser Aufforderung seitens der Amtschefs sämtlicher deutscher
Bundesländer?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Für ein solches Programm - das wissen Sie gibt es im Haushalt überhaupt keinen Titel und keine
Voraussetzung. Das ist die rein haushaltstechnische Seite. Ich möchte noch einmal wiederholen: Im Rahmen der
Gemeinschaftsaufgabe, bei der der Bund Mittel in Höhe
von 1,7 Milliarden DM zur Verfügung stellt, ist die Aufarbeitung von Forstschäden ein wichtiger Teil. Gerade
für Baden-Württemberg ist da etwas vorgesehen. Es ist
sogar so, dass dort eine Notifizierung recht einfach würde. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite habe ich
schon mehrfach auf dem ganzen Strauß von Maßnahmen
hingewiesen.
Wenn die Amtschefs hier deutlich ihre Solidarität bekannt haben, dann gehe ich davon aus, dass sie ihrer Solidarität auch insoweit Rechnung tragen werden, dass
sie, wenn am Ende des Jahres freie Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe vorhanden sind, diese ganz bewusst
dem Land Baden-Württemberg zur Verfügung stellen,
was in der Vergangenheit bei ähnlichen Schadensereignissen bereits praktiziert worden ist.
Ein letzter Punkt. Ich habe bereits mehrfach auf das
von Brüssel beabsichtigte Programm aufgrund der Tickermeldung hingewiesen. Wenn man sich allein das
Finanzvolumen vor Augen führt, das die Europäische
Union hier beabsichtigt, muss man sich die Frage stellen: Was wäre darüber hinaus noch an Unterstützung
notwendig? Ich wiederhole noch einmal: Wir haben sehr
viele Maßnahmen beschlossen. Jetzt muss abgewartet
werden, wie diese wirken. Wenn noch Handlungsbedarf
besteht, dann kann man sich zu gegebener Zeit noch
einmal darüber unterhalten.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr
Staatssekretär, nachdem Sie bei der Beantwortung mehrerer Fragen darauf hingewiesen haben, dass Sie eine
Bundeszuständigkeit nicht sehen, möchte ich Sie noch
einmal herzlich bitten, darzulegen, wie sich die Bundeszuständigkeit oder die Nichtzuständigkeit aus Ihrer Sicht
definiert.
({0})
Es sind drei Bundesländer betroffen: hauptsächlich Baden-Württemberg, aber auch Bayern und RheinlandPfalz. Das Schadensausmaß ist aber doppelt so groß wie
vor zehn Jahren bei „Wiebke“.
Herr Kollege, bitte
beschränken Sie sich auf die Frage.
Jawohl. Müsste für die Beurteilung, ob der Bund mit einem Sonderprogramm helfend eingreifen muß, nicht die Frage
beantwortet werden, welches Schadensausmaß wir zu
beklagen haben?
Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär beim
Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten: Ich darf hier bereits gegebene Antworten noch
einmal wiederholen. Wenn ich sage, der Bund sei nicht
zuständig, dann ist das die rechtliche Seite der ganzen
Geschichte. Dass wir sehr wohl unsere Verantwortung
wahrzunehmen haben, lässt sich allein aus den Tatsachen ableiten, dass sich der Bundesminister sofort vor
Ort informiert hat, dass er die Initiative ergriffen hat, das
Kreditprogramm der Landwirtschaftlichen Rentenbank
zu unterstützen, dass wir die Landesregierung BadenWürttemberg bei der Umsetzung des ForstschädenAusgleichsgesetzes unterstützen werden, dass wir die
Landesregierung Baden-Württemberg bei der Notifizierung der ganzen Programme unterstützen werden, dass
wir den Kontakt zur französischen Regierung aufgenommen haben, um die Auswirkungen auf dem Holzmarkt in verträglichen Grenzen zu halten, und dass sich
der Bundesminister im Agrarrat nächste Woche für eine
überregionale Regulierung der Schäden einsetzen wird,
auch in dem Sinne, dass die Mittel aus der Europäischen
Union, die diese dankenswerterweise zur Verfügung
stellen will, ganz konzentriert für die Behebung der
Schäden eingesetzt werden.
({0})
Damit sind wir am
Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Thalheim.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike
Mascher zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Ilja Seifert auf:
Welche Gründe liegen dafür vor, dass die in der Antwort der
Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesministerium für
Arbeit und Sozialordnung, Ulrike Mascher, vom 26. Oktober
1999 auf meine schriftliche Frage in Drucksache 14/1933 an
mich gegebene Zusicherung, dass die Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes ({0}) „möglichst noch vor Jahresende erlassen und dem
Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werden soll“, nicht eingehalte wurde, und für wann ist nunmehr mit dem In-Kraft-Treten
der Verordnung zu rechnen?
Peter Weiß ({1})
Herr Dr. Seifert, die Bundesregierung hat in der Antwort vom 26.
Oktober 1999 nicht zugesichert, dass die Verordnung
zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes, die
Werkstätten-Mitwirkungsverordnung, vor dem Jahresende erlassen und dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werde. In der Antwort vom 26. Oktober habe ich
darauf hingewiesen, dass der vorliegende Entwurf mit
den Beteiligten noch einmal erörtert und abgestimmt
und die Verordnung möglichst noch vor Jahresende
1999 erlassen und dem Bundesrat zur Zustimmung
zugeleitet werden solle. Dies musste leider, entgegen der
ursprünglichen Absicht des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, wegen vorrangiger Arbeiten am
SGB IX und an der angekündigten Gesetzesinitiative zur
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter
Menschen zurückgestellt werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung bemüht sich, die noch
notwendigen Abstimmungen rasch vorzunehmen und
das Verfahren alsbald abzuschließen.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Seifert.
Frau Staatssekretärin, Sie
werden mir glauben, dass ich es selbstverständlich für
richtig halte, dass das BMA am SGB IX und vor allem
an der Verringerung der Massenarbeitslosigkeit unter
Schwerbehinderten arbeitet; das ist keine Frage. Der
weitgehend abgestimmte Entwurf der WerkstättenMitwirkungsverordnung liegt jedoch schon seit Sommer
vergangenen Jahres vor. Deshalb war meine Frage, zu
welchen inhaltlichen Punkten es jetzt noch Abstimmungsbedarf gibt, wodurch es so lange dauert. Mich
würde schon interessieren, an welchen Punkten der
Entwurf scheitern könnte.
Die Mutmaßung, dass der Entwurf scheitern könnte, wäre völlig
falsch. Es besteht noch Bedarf nach Abstimmung mit einigen Trägern. Ich denke, wir sollten im Interesse des
Erfolges dieser Werkstätten-Mitwirkungsverordnung das
Abstimmungsverfahren ordentlich zu Ende bringen;
denn ich würde es bedauern, wenn die Umsetzung dieser
Verordnung durch fehlende Abstimmung beeinträchtigt
würde.
Eine zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, auf die
Gefahr hin, dass das wieder nicht ganz klappt, möchte
ich Sie um die Angabe eines ungefähren Zeithorizonts
bitten, zu dem damit gerechnet werden kann, dass die
notwendigen Abstimmungen trotz aller sonstigen Arbeiten, die in Ihrem großen Ministerium geleistet werden
müssen, abgeschlossen sind, sodass man mit dem InKraft-Setzen dieser Verordnung, die wirklich gebraucht
wird, rechnen kann.
Herr Dr. Seifert, nachdem ich mit meiner Einschätzung bei Ihrer
letzten Frage so wenig Glück hatte, möchte ich um Verständnis bitten, dass ich mich jetzt hier nicht festlege,
wann wir zu einem Ergebnis kommen. Ich kann Ihnen
aber versichern, dass ich mich auch persönlich dafür engagiere, dass wir das Ganze rasch abschließen können.
Ich rufe die Frage
31 des Kollegen Heinz Schemken auf:
Wie beurteilt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den Umstand, dass nun doch beim Holzmann-Konzern circa 3 000 Arbeitnehmer entlassen werden?
Herr Kollege
Schemken, die Bundesregierung hat am 15. Dezember
1999 dem Haushaltsausschuss und dem Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages
über das Restrukturierungskonzept für die Philipp
Holzmann AG und die damit verbundenen Arbeitsplatzeffekte berichtet. Sie hat darüber hinaus im Rahmen der
Aktuellen Stunde zu beschäftigungspolitischen Aspekten des Konzepts Stellung genommen. Das von allen Beteiligten - Aktionären, Vorstand und Betriebsrat der Philipp Holzmann AG sowie den Gläubigerbanken - getragene Restrukturierungskonzept, das unter anderem die
Veräußerung von Beteiligungs- und Tochtergesellschaften beinhaltet, sieht einen Abbau der Unternehmenskapazität im Inland um gut ein Drittel vor. Der Personalabbau beim verbleibenden inländischen Konzern um
circa 3 000 ist damit Teil der von den Beteiligten gemeinsam getragenen Neustrukturierung des Unternehmens.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Schemken.
Frau Staatssekretärin, hat sich die Bundesregierung im Hinblick darauf,
dass Steuermittel eingesetzt werden - natürlich mit dem
Ziel, die bedrohten Arbeitsplätze zu sichern; dies ist zu
begrüßen -, abgesichert? Denn es liegen ja von unterschiedlichen Seiten Meldungen vor, dass insbesondere
in den Beteiligungsgesellschaften und in den Niederlassungen im Ausland weitere 3 000 Arbeitsplätze infrage gestellt werden. Welche Sicherung gibt es für die, die
damit rechnen durften, dass die Rettungsaktion auch
wirklich ein Sanierungskonzept ist?
({0})
Die Bundesregierung stützt sich auf dieses Sanierungskonzept und
geht davon aus, dass es so, wie es vorgesehen wurde,
auch umgesetzt wird und dass die Mittel, die von der
Bundesregierung zur Verfügung gestellt werden, zur Sicherung der Arbeitsplätze genutzt werden. Darauf werde
ich in der Beantwortung Ihrer zweiten Frage näher eingehen, in der Sie danach fragen, was hinsichtlich der
Arbeitsplätze geschehen wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, wie beurteilt die Bundesregierung die Ausführungen
des Wettbewerbskommissars Mario Monti, der ja erklärt
hat, dass seiner Meinung nach dieser Restrukturierungsplan nicht dazu führt, diesen Konzern zu retten? Teilt
die Bundesregierung diese Meinung vor dem Hintergrund des möglichen Einspruchs gegen diese Rettungsaktion, der von Brüssel noch zu erwarten ist?
Die Bundesregierung teilt die Meinung des EU-Kommissars Monti
nicht. Die EU-Kommission hat gestern ein förmliches
Prüfverfahren für die von der Bundesregierung zugesagten Hilfen für die Philipp Holzmann AG eingeleitet. Wir
müssen jetzt das Ergebnis dieses Verfahrens abwarten.
Nun rufe ich die
Frage 32 des Kollegen Schemken auf:
Wie sieht der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung
dies im Hinblick auf die Stützungsaktion durch die öffentliche
Hand, die den betroffenen Beschäftigten galt, und wie wird die
angekündigte Beschäftigungs- und Qualifikationsgesellschaft finanziert?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Schemken, die Bundesregierung begrüßt, dass allen Arbeitnehmern, die von einer Kündigung betroffen sein werden, die Möglichkeit der Aufnahme in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft angeboten wird.
Diese Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft
bzw. die dort beschäftigten Arbeitnehmer werden sowohl aus Mitteln des Unternehmens als auch aus Mitteln
der Bundesanstalt für Arbeit finanziert.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, vor dem Hintergrund, dass Arbeitslosen diese Brücke in den ersten Arbeitsmarkt geschaffen wird - das ist
sicherlich zu begrüßen -, frage ich denn doch, inwieweit
angesichts der Verpflichtung gegenüber den Arbeitnehmern das Missmanagement der Banken und des Konzerns stärker berücksichtigt werden sollte. Denn die Tatsache, dass in diesem Zusammenhang 200 Millionen
DM von den Beitragszahlern aufgebracht werden müssen und dass ein sehr viel geringerer Betrag vom Unternehmen selbst beigesteuert wird, scheint mir im Hinblick auf die außerordentliche Misswirtschaft in diesem
Unternehmen gegenüber den Beitragszahlern nicht gerechtfertigt zu sein, sosehr ich diese Maßnahmen zugunsten der Arbeitslosen begrüße.
Für Sozialpolitiker sollten im Zentrum zunächst die Maßnahmen für
die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer stehen.
Ein anderer Punkt ist , wie man damit umgeht, was Sie
als Missmanagement bezeichnen. Soweit es sich um ein
nicht besonders erfolgreiches Management handelt,
kennen wir in unserer Rechtsordnung keine Sanktionen.
Soweit es sich um rechtlich relevantes Fehlverhalten
handelt, muss es entsprechend geahndet werden.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege? - Bitte.
Wird untersucht und
rechtlich stringent verfolgt, was im Rahmen der Möglichkeiten der Arbeitsverwaltung - das Unternehmen in
Haftung und dafür Konkursausfallgelder in Anspruch zu
nehmen - unternommen werden kann?
Wir werden
das rechtlich stringent verfolgen. Ich kann Ihnen aber
noch kein Ergebnis mitteilen.
Nun rufe ich die
Frage 33 des Kollegen Max Straubinger auf:
Wie hoch ist der zu erwartende Mehraufwand für Kommunen und karitative Verbände durch die neue Sozialversicherungspflicht für Aufwandsentschädigungen bei ehrenamtlich Tätigen, wie z.B. bei Führungskräften bei der freiwilligen Feuerwehr oder Führungskräften in karitativen Einrichtungen ({0}), gegenüber der früheren
Pauschalversteuerungsmöglichkeit?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege
Straubinger, bei den angesprochenen Tätigkeiten für die
freiwillige Feuerwehr oder für karitative Einrichtungen
in den Kommunen handelt es sich in der Regel um Nebenbeschäftigungen, die nach dem Melderecht der Sozialversicherung nicht gesondert erfasst werden.
Für Personen, die eine Aufwandsentschädigung bis
zur Höhe des steuerlichen Freibetrags erhalten, wird überhaupt keine Meldung abgegeben. Da die Anzahl der
betroffenen Personen aus diesen Gründen nicht bekannt
ist, lässt sich keine Aussage über mögliche Änderungen
des Aufwandes für die Kommunen und karitativen Verbände treffen.
Nur zu Ihrer Information, aber sicher wissen Sie dies:
Soweit es sich um nebenberufliche Tätigkeiten im Sinne
von § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes - dies
wird umgangssprachlich als Übungsleiterpauschale bezeichnet - handelt, sind ab dem Jahr 2000 Einnahmen
bis 3 600 DM pro Kalenderjahr steuerfrei; der Betrag
pro Monat ist von 200 DM auf 300 DM angehoben worden. Auf diesen Betrag werden auch keine Sozialversicherungsbeiträge erhoben. Nach der bisherigen Regelung waren es nur 2 400 DM pro Kalenderjahr.
Erste Zusatzfrage,
bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, Ihrer Antwort entnehme ich, dass Sie nicht die Auffassung der Bundesversicherungsanstalt, der Landesversicherungsanstalten und der Spitzenverbände der Krankenkassen vertreten, die sich in der Sitzung am 16. und
17. November 1999 darauf geeinigt haben, dass es sich
bei den Kreisbrandräten, Stadtbrandräten, Kreisbrandinspektoren und Feuerwehrdienstleistenden um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit den Kommunen
handelt und deshalb für die Aufwandsentschädigungen
eine Sozialversicherungspflicht besteht.
Herr Straubinger, da muss ich passen. Der Vorgang, den Sie gerade dargestellt haben, ist mir nicht bekannt. Ich kann Ihnen deshalb keine sachgerechte Antwort geben. Ich bitte
um Ihr Verständnis; ich werde Ihnen die Antwort
schriftlich mitteilen.
Zweite Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung aufgrund ihrer Auffassung bereit, im Rahmen ihrer
Aufsichtspflicht und sonstigen Möglichkeiten auf die
Versicherungsanstalten hinzuwirken, dass es nicht zu einer Sozialversicherungspflicht, die von diesen Anstalten
bejaht wird, kommt?
Herr Straubinger, ich werde diesen Vorgang prüfen lassen. Ich
kann jetzt keine Erklärungen dazu abgeben. Ich bitte um
Ihr Verständnis.
Dann rufe ich die
Frage 34 des Kollegen Straubinger auf:
Ist nach Ansicht der Bundesregierung zu erwarten, dass
durch diese zusätzliche Kostenbelastung das ehrenamtliche Engagement bei den freiwilligen Feuerwehren bzw. den karitativen
Einrichtungen nachlässt?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, dass das ehrenamtliche
Engagement bei der freiwilligen Feuerwehr und bei karitativen Einrichtungen nachlässt.
Erste Zusatzfrage,
bitte.
Frau Staatssekretärin, angesichts Ihrer vorhergehenden Antwort habe ich
keine andere Antwort erwartet. Gehen wir aber einmal
davon aus, dass sich die Auffassung der Bundesversicherungsanstalt, der Landesversicherungsanstalten und
der Spitzenverbände der Krankenkassen durchsetzt und
damit ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bejaht
wird. Kann dies nicht große Auswirkungen auf die Ausübung und Übernahme eines solchen Ehrenamtes haben? Denn zum Beispiel dürften Rechtsanwälte, die hier
sicherlich engagiert sind, Nebentätigkeiten nicht durchführen, und möglicherweise sind viele Personen nicht
bereit, solche Formalien und Hindernisse auf sich zu
nehmen.
Herr Straubinger, bei der Bedeutung zum Beispiel der freiwilligen
Feuerwehr würde ich das sehr bedauern. Ich denke, wir
müssen dies sorgfältig prüfen. Im Moment wäre es spekulativ, auf Ihre Vermutungen zu antworten.
Nun rufe ich die
Frage 35 der Kollegin Birgit Schnieber-Jastram auf:
Welche Gesetzesänderungen plant die Bundesregierung in
Umsetzung der gemeinsamen Erklärung der Spitzenvertreter von
Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften im Bündnis
für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vom 9. Januar
2000, um ein vorzeitiges Ausscheiden langfristig Versicherter
aus dem Erwerbsleben zu ermöglichen, für den Fall, dass die Tarifvertragsparteien in künftigen Tarifverhandlungen in diese
Richtung zielende Vereinbarungen treffen sollten?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Kollegin
Schnieber-Jastram, die Bundesregierung wird sorgfältig
beobachten, ob und in welcher Form die Tarifpartner in
künftigen Tarifverhandlungen Vereinbarungen zur Umsetzung der in der gemeinsamen Erklärung des „Bündnisses für Arbeit“ angesprochenen Möglichkeiten für ein
beschäftigungswirksames vorzeitiges Ausscheiden älterer Arbeitnehmer treffen werden. Werden Tarifvereinbarungen mit dieser Zielsetzung getroffen und führen diese
Vereinbarungen, wie in der gemeinsamen Erklärung gefordert, zu keinen zusätzlichen Belastungen für die Sozialversicherungen, dann wird die Bundesregierung
rechtzeitig prüfen, welche gesetzgeberischen Konsequenzen sich daraus ergeben, und dem Gesetzgeber, also
dem Bundestag, entsprechende Vorschläge vorlegen.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 36 der Kollegin SchnieberJastram auf:
Ist von der gemeinsamen Erklärung der Spitzenvertreter von
Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften im Rahmen
des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vom 9. Januar 2000 auch die Möglichkeit der Einführung
des Modells der „Rente mit 60“ umfasst?
Frau Schnieber-Jastram, in der gemeinsamen Erklärung werden die
Tarifpartner aufgefordert - so wörtlich -, „differenzierte
und branchenbezogene“ Regelungen anzustreben. Berücksichtigt man ferner, dass die gemeinsame Erklärung
auch auf das Erfordernis der Finanzneutralität solcher
Regelungen für die Sozialversicherung hinweist - ich
habe das schon in meiner Antwort auf Ihre erste Frage
angesprochen -, dann kann es nicht Aufgabe der Bundesregierung sein, jetzt eine Vorauswahl an denkbaren
Möglichkeiten für ein beschäftigungswirksames vorzeitiges Ausscheiden älterer Arbeitnehmer zu treffen.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Frau
Staatssekretärin, wie beurteilt die Bundesregierung in
diesem Zusammenhang Empfehlungen der Europäischen Kommission und das Gutachten des Sachverständigenrates zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung, in denen sehr deutlich steht, dass Regelungen, die den Vorruhestand begünstigen, vermieden
werden sollten?
Die Gesprächspartner im Rahmen des „Bündnisses für Arbeit“
haben sich ja dafür ausgesprochen, dass Möglichkeiten
geschaffen werden sollen, damit ältere Arbeitnehmer
vorzeitig ausscheiden können. Das soll bei hoher Differenzierung zwischen Branchen und Regionen erfolgen;
das soll finanzneutral für die Rentenversicherung erfolgen. Ich denke, wir sollten abwarten, was sich in diesem
Bereich in den Tarifverträgen tatsächlich realisieren
lässt.
Eine weitere Zwischenfrage? - Bitte sehr.
Frau
Staatssekretärin, hält die Bundesregierung ein Ausscheiden älterer Arbeitnehmer, eine Vorruhestandsregelung auf welche Art und Weise auch immer - wirklich für
möglich, ohne dass die Rentenversicherungsträger damit
belastet werden?
Das ist die
Voraussetzung dafür, dass die Bundesregierung entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen schafft.
Nun kommt die Frage 37 des Abgeordneten Thomas Strobl:
Welche Gesetzesänderungen will die Bundesregierung in
Umsetzung der gemeinsamen Erklärung im Bündnis für Arbeit,
Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vom 9. Januar 2000 im
Rahmen des Altersteilzeitgesetzes vornehmen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Herr Kollege
Strobl, ich darf die beiden von Ihnen gestellten Fragen
vielleicht zusammen beantworten?
Sind Sie einverstanden? - Dann rufe ich auch die Frage 38 des Abgeordneten Thomas Strobl auf:
Welche der von der Bundesregierung im Rahmen der Sitzung des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit am 9. Januar 2000 in Aussicht gestellten Gesetzesänderungen sollen befristet gelten und über welchen Zeitraum soll
sich diese Befristung erstrecken?
Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.
Die Bundesregierung prüft derzeit, welche Änderungen am Altersteilzeitgesetz zur Verwirklichung der in der gemeinsamen Erklärung des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung
und Wettbewerbsfähigkeit vereinbarten Ziele in Betracht
kommen. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.
Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich mich zum jetzigen Zeitpunkt zu den Details noch nicht äußern kann.
Sie haben noch danach gefragt, welche Änderungen
im Altersteilzeitgesetz zum 1. Januar 2000 wirksam
werden. Die wichtigsten Punkte sind, dass teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Altersteilzeit gehen können, dass bei der Wiederbesetzung
einer Stelle für kleine und mittlere Betriebe Erleichterungen in Bezug auf die Förderung durch das Arbeitsamt geschaffen wurden, sodass kleine und mittlere
Unternehmen mit bis zu 50 Arbeitnehmern auch dann
Fördergelder vom Arbeitsamt erhalten, wenn sie mit den
neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht konkret
die durch Altersteilzeit frei gewordene Stelle neu besetzen, sondern sie vielmehr an anderer Stelle im Unternehmen einsetzen. Das war immer wieder eine Forderung von kleinen und mittleren Unternehmen, damit sie
die Möglichkeiten der Altersteilzeit für ihre Beschäftigten auch nutzen können. Bei Arbeitgebern mit mehr als
50 Beschäftigten ist nunmehr der Nachweis einer Umsetzungskette zwischen Mitarbeitern in Altersteilzeit und
den neu eingestellten Kräften nicht mehr zwingend erforderlich. Förderleistungen können bereits dann bezahlt
werden, wenn für einen in Altersteilzeit gehenden Mitarbeiter ein anderer in seinen Aufgabenbereich nachrückt und im selben Funktionsbereich eines Unternehmens jemand eingestellt wird.
Ich denke, das ist der Versuch, das etwas weniger bürokratisch zu gestalten und den Beschäftigten die Chancen der Altersteilzeit weiter zu öffnen.
Keine Zusatzfrage
des Kollegen Strobl. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin
Mascher.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Brigitte
Schulte zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 39 der Kollegin Angelika Volquartz auf:
Trifft es zu, dass die Wehrbereichsverwaltungen in Kiel und
in Hannover zu einer gemeinsamen Wehrbereichsverwaltung in
Hannover zusammengelegt werden sollen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin,
es gibt keine Absichten des Bundesverteidigungsministeriums oder gar des Verteidigungsministers, die Wehrbereichsverwaltungen Kiel und Hannover zusammenzulegen.
Unruhe entsteht wahrscheinlich durch die Tatsache,
dass der Bundesrechnungshof - noch zurzeit der alten
Regierung, aber auch danach - die Organisation und den
Personalbedarf der Wehrbereichsverwaltung V, Stuttgart, und der Wehrbereichsverwaltung VI, München, untersucht. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Aufgaben künftig von einer Wehrbereichsverwaltung wahrgenommen werden könnten. In seiner Prüfungsmitteilung vom 29. März 1999 schlägt er vor, die beiden
Dienststellen zusammenzulegen. Seine Ankündigung,
weitere Prüfungen vorzunehmen, hat der Bundesrechnungshof bisher weder inhaltlich noch zeitlich konkretisiert. Wir haben daran auch kein Interesse.
Da die bestehende Behördenstruktur mit sieben
Wehrbereichsverwaltungen angesichts der Größe unseres Landes derzeit den Anforderungen an die Verwaltung der Bundeswehr sowie den Interessen der Länder
am besten entspricht und da wir zwar eine schlankere
Verwaltung, nicht aber eine zentralere Verwaltung haben möchten, wurde dem Vorschlag des Bundesrechnungshofs unter eingehender Darstellung der vielfältigen
fachlichen, verfahrensökonomischen und personalpolitischen Gründe ausdrücklich widersprochen.
Der Bundesrechnungshof beabsichtigt allerdings, die
Angelegenheit zum Gegenstand eines Bemerkungsverfahrens nach § 97 der Bundeshaushaltsordnung zu machen. Somit wird das Thema im Rechnungsprüfungsausschuss diskutiert werden. Ich gehe davon aus, dass ich
die Angelegenheit dort selbst vertreten kann.
Ich weiß, dass daher Unruhe auch in anderen Wehrbereichsverwaltungen herrscht. Aber es gibt keinerlei
Absichten, die Wehrbereichsverwaltungen in Kiel und
Hannover zusammenzulegen.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin? - Bitte sehr.
Kann ich daraus
schließen, dass der Bundeskanzler der gleichen Meinung
ist wie der Verteidigungsminister?
Der Bundeskanzler ist
zwar ein sehr belesener und viel wissender Mann, aber
er wird sich nicht in die Belange der einzelnen Ministerien einschalten,
({0})
solange nicht einmal Pläne darüber vorliegen.
Wir haben das, was Sie vermuten, auch nicht vor.
Denn unsere Vorstellung ist nicht, dass es sinnvoll ist,
die Wehrbereichsverwaltungen zu zentrieren. Sie wissen
ja selbst, wie groß der Wehrbereich I ist, der Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und - das flächenmäßig
große - Schleswig-Holstein umfasst, und Sie wissen
auch, wie groß Niedersachsen und Bremen sind.
Vorstellungen darüber, wie man die Struktur verändern kann, hat es schon in der alten Regierung gegeben
und die gibt es auch in der neuen Regierung. Es gibt
auch neue Vorstellungen hinsichtlich der Aufgaben, die
die Wehrbereichsverwaltungen und die Standortverwaltungen erfüllen sollen. Aber es gibt keinerlei Absichten
hinsichtlich einer Zusammenlegung dieser beiden
Wehrbereichsverwaltungen. Deswegen kann der Bundeskanzler gar nicht davon sprechen.
Zweite Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Kann ich daraus
schließen, dass der Standort Kiel gesichert ist?
Wenn ich das zu bestimmen hätte, könnten Sie das daraus schließen. Aber Sie
wissen, dass wir eine Kommission unter Leitung von
Richard von Weizsäcker eingesetzt haben, die sich Gedanken macht über die Struktur und die Größe der Bundeswehr. Diese Kommission wird im März eine Vorlage
machen. Darin spielt natürlich auch die Aufgabe der zivilen Verwaltung eine Rolle. Aber Sie werden mir zustimmen, Frau Kollegin: Wir werden die Bundeswehr
nicht auf einige wenige Standorte zentrieren. Deswegen
ist es sinnvoll, dass auch die zivile Verwaltung dezentral
arbeitet. Ich gehe davon aus, dass die Wehrbereichsverwaltung in Kiel erhalten bleibt.
Nun rufe ich die
Frage 40 der Kollegin Angelika Volquartz auf:
Ist diese Frage zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder
und Ministerpräsidentin Heide Simonis oder zwischen anderen
Mitgliedern der Bundesregierung und der Landesregierung
Schleswig-Holstein erörtert worden?
Frau Staatssekretärin.
Diese Frage kann ich mit
einem schlichten Nein beantworten. Wenn es solche
Pläne nicht gegeben hat, dann können Bundeskanzler
Gerhard Schröder und Ministerpräsidentin Heide Simonis - Gleiches gilt für andere Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierung - das nicht erörtert haben.
Eine Zusatzfrage? Nein.
Dann rufe ich die Frage 41 des Kollegen Werner
Siemann auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung das derzeitige System der
vorzeitigen Zurruhesetzung von Berufssoldaten und welche Pläne zur Neuregelung liegen vor?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
Herr Kollege Siemann,
das Personalstärkegesetz vom 31. Dezember 1991 hat
Berufsoffizieren und Berufsunteroffizieren von 1992 bis
1994 auf Antrag bei Vorliegen bestimmter altersmäßiger
Voraussetzungen eine vorzeitige Zurruhesetzung ermöglicht. Darüber hinaus sind die besonderen Altersgrenzen
für Berufssoldaten im Zeitraum von 1993 bis 1998 um
ein Jahr herabgesetzt worden. Wie Sie wissen, ging es
darum, dass wir bei der Reduzierung des Personalumfangs der Bundeswehr auch die Altersstruktur vernünftig
regeln.
Seit Auslaufen dieser Regelung, die ja noch von der
alten Bundesregierung beschlossen und, wie ich meine,
von uns mitgetragen worden ist, kann ein Berufssoldat
seine vorzeitige Entlassung nur auf der Grundlage des
nach wie vor geltenden § 46 Abs. 3 des Soldatengesetzes verlangen. Nach dieser Regelung hängt der frühestmögliche Zeitpunkt der Entlassung des Soldaten von der
Dauer seiner Ausbildung oder seines Studiums ab. Er
erhält keine Versorgungsbezüge, sondern wird in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert.
Das System entsprach bzw. entspricht den Anforderungen. Es gibt deshalb zurzeit auch keinen Grund, an
eine Neuregelung zu denken.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege?
Nein.
Damit sind wir am
Ende der Fragestunde.
Es folgt um 15.30 Uhr eine Aktuelle Stunde. Bis dahin unterbreche ich die Sitzung.
({0})
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zur Verwendung und Verfassungsmäßigkeit der Benzinund Stromsteuererhöhungen zum 1. Januar
2000 sowie den beschlossenen weiteren Steuererhöhungsstufen
Ich weise darauf hin, dass die Redezeit in der Aktuellen Stunde auf fünf Minuten begrenzt ist.
Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Kollegen
Seiffert das Wort.
Frau Präsidentin! Meine
verehrten Damen und Herren! Gegen unseren eindringlichen Rat und gegen jede ökologische und ökonomische
Vernunft hat die rot-grüne Regierung ihren Ökosteuerirrweg fortgesetzt.
({0})
Wir haben im Finanzausschuss und im Plenum des
Deutschen Bundestages mit großem Nachdruck vor den
Folgen dieser ausschließlich ideologisch veranlassten
Benzin- und Strompreiserhöhung gewarnt.
({1})
Wir haben zuletzt bei der Verabschiedung im Deutschen Bundestag auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser ungerechtfertigten Steuererhöhungen deutlich
angesprochen.
({2})
Sie haben das, was insbesondere in den Gutachten
der Herren Professoren Schön und Herdegen ausführlich
dargelegt worden ist und was dort zu Verfassungsverstößen gesagt worden ist, in den Wind geschlagen.
Es hat Sie nicht interessiert, dass mit diesen Steuererhöhungen allgemeine Verfassungsprinzipien verletzt
und die Grundrechte der Unternehmen auf Gleichheit
und Berufsfreiheit ziemlich offensichtlich verletzt worden sind.
Bis heute haben Sie keine Genehmigung der EU für
die vorgesehenen Ausnahme- und Subventionstatbestände.
({3})
Es ist handwerklich schlampig und unverantwortlich,
aufgrund eines solchen schon zum 1. Januar 2000 nur
teilweise in Kraft getretenen Gesetzes bei den Bürgern
abzukassieren.
({4})
Vizepräsidentin Anke Fuchs
Sie haben den Autofahrern zum neuen Jahr ein schönes Geschenk gemacht: Innerhalb weniger Tage ist der
Benzinpreis um bis zu 20 Pfennig geklettert.
({5})
Natürlich hat die Ökosteuer dabei nur 6 bis 7 Pfennig
ausgemacht.
Aber Sie brauchen sich doch nicht zu wundern, wenn
die Mineralölkonzerne versuchen, im Windschatten dieser Ökosteuererhöhung weitere Preiserhöhungen durchzusetzen. Ich sage Ihnen jetzt schon, das wird auch bei
den nächsten drei Stufen so sein. Sie haben dies zu verantworten.
({6}) -
Lachen bei Abgeordneten der SPD)
Ich halte es für besonders scheinheilig, wenn sich darüber gerade der Umweltminister lautstark aufregt. Der
Herr Trittin müsste sich doch darüber freuen; denn so
kann er schneller als bisher gedacht sein nie aufgegebenes Ziel, 5 DM für den Liter Benzin zu verlangen, erreichen.
({7})
Aber das, was Sie den Menschen, die als Pendler auf ihr
Auto angewiesen sind und all denen, die nicht auf
Dienstwagen zurückgreifen können, damit antun, hätten
Sie sich vorher überlegen müssen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viel kostet es denn zurzeit?
Das, was Rot-Grün mit der Ökosteuer praktiziert, ist Politik gegen die Menschen im ländlichen Raum.
({8})
Auch all diejenigen, die auf den ÖPNV und die Bahn
angewiesen sind, strafen Sie ab. Sie von der SPD haben
mich verhöhnt, als ich am 11. November letzten Jahres
die Folgen der Strom- und Benzinsteuererhöhungen für
die Bahn und die Omnibusse erläutert habe. Mittlerweile
beklagt sich der Bahnchef Herr Mehdorn in der „Bild
am Sonntag“ vom 9. Januar dieses Jahres - Zitat -, dass
der anerkannt umweltfreundlichste Verkehrsträger, nämlich die Deutsche Bahn, bestraft wird und dass dies doch
nicht im Sinne derer sein könne, die ökologisches Handeln fördern wollen.
Sie wundern sich, wenn landauf, landab die Fahrpreise im ÖPNV erhöht werden. Dass Sie die Einnahmen
aus der Ökosteuer nicht für die Verbesserung der Straßenverhältnisse oder für eine wirklich spürbare Senkung
der Rentenversicherungsbeiträge, sondern zum Stopfen
von Haushaltslöchern verwenden, erhöht die Verärgerung der Menschen.
({9})
In den rot-grünen Reihen wundert man sich auch darüber, dass die Ökosteuer zu einer weiteren kräftigen Erhöhung der Wohnnebenkosten führt. Damit treffen Sie
besonders all diejenigen, die es sich am wenigsten leisten können: alte Menschen, sozial Schwache und Familien mit Kindern.
({10})
Die Ökosteuer frisst sämtliche Entlastungen, die sich
durch die Liberalisierung der Strommärkte ergeben haben.
({11})
- Ich habe nicht von den Lohnnebenkosten, sondern von
den Wohnnebenkosten gesprochen.
({12})
- Sie, Herr Schlauch, sollten nicht lautstark dazwischenrufen, sondern besser zuhören.
({13})
Dies gilt im Übrigen auch für die Kommunen. In allen Bereichen, die auf Energie angewiesen sind - vom
Schwimmbad bis zu den Sporthallen und Kläranlagen,vergrößern sich entweder die Defizite oder die Beiträge
und Gebühren erhöhen sich. Dies trifft insbesondere die
finanzschwachen Gemeinden, auch in den neuen Bundesländern.
Im Übrigen wirkt sich die Ökosteuer in Ostdeutschland geradezu zynisch aus. Die Angleichung der Löhne
in Ost und West ist längst noch nicht erreicht und wird
wohl so schnell auch nicht möglich sein. Der Pendleranteil ist in den neuen Ländern besonders hoch. Die Arbeitswege sind dort oft länger als im Westen. Die Ökosteuer belastet also den Standort Ostdeutschland und
wird ihn weiter benachteiligen, statt ihm zu helfen.
({14})
Dass für viele Bereiche der Wirtschaft, insbesondere
für den Handel, für die Landwirtschaft und für die Betriebe des Güterkraftverkehrs, die Energiesteuererhöhungen existenzgefährdend sind, ist eine traurige Tatsache. Es ist schlimm, dass Sie dies ignorieren.
Für den weiteren Verlust von Arbeitsplätzen trägt diese
rot-grüne Regierung, tragen Sie von SPD und Grünen
mit die Verantwortung. Deshalb fordern wir Sie mit
Nachdruck auf: Stoppen Sie wenigstens die weiteren
Stufen dieser Ökosteuerreform,
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
- bevor diese vom Bundesverfassungsgericht einkassiert wird und bevor Sie
dem Wirtschaftsstandort Deutschland und den Menschen noch weiteren Schaden zufügen!
Danke schön.
({0})
Das Wort hat der
Staatssekretär Karl Diller.
Frau Präsidentin! Es fällt schwer, dem
Kollegen Seiffert zuzuhören, wenn er durch eine Ansammlung von wilden Rundumschlägen, Halbwahrheiten und glatten Unwahrheiten versucht, einen Popanz
aufzubauen.
({0})
Ich möchte das deutlich sagen, Herr Kollege Seiffert:
Ich fordere Sie auf, Ihre unwahren Behauptungen zurückzunehmen.
({1})
Erstens. Das, was wir durch die Ökosteuer einnehmen,
wird mitnichten zum Stopfen von Haushaltslöchern
verwendet, sondern kommt ausschließlich der Rentenversicherung zugute.
({2})
Zweitens. Es wird behauptet, wir hätten eine Preissteigerung ausgelöst. Im Unterschied zu Ihnen wohne
ich an der Grenze zu Luxemburg. In Luxemburg gibt es
keine Ökosteuer. Gleichwohl sind aufgrund des Kursverhältnisses zwischen Dollar und Euro und aufgrund
der damit zusammenhängenden Verteuerungen sowie
aufgrund des Funktionierens des Ölkartells auch in Luxemburg - parallel zu unseren Preisen - die Benzinpreise entsprechend drastisch gestiegen.
({3})
Wir bitten, das sorgfältig auseinander zu halten.
Im Übrigen wollen Sie sich jetzt offenkundig aktiv
daran beteiligen, sich auch inhaltlich von Ihrem Fraktionsvorsitzenden zu distanzieren. Ihr - noch amtierender
- Fraktionsvorsitzender hat gesagt:
({4})
Der Einsatz des Faktors Arbeit muss durch eine
Senkung der Lohnzusatzkosten relativ verbilligt
werden, der Energie- und Rohstoffverbrauch durch
eine schrittweise Anpassung der Energiepreise relativ verteuert werden. Beides muss zu einer aufkommensneutralen Lösung intelligent verbunden
werden. So lautet die Aufgabe.
Wörtliches Zitat von Herrn Schäuble,
({5})
vorgetragen am 20. September 1997 in Ingolstadt während eines Grundsatzreferats. Exakt das setzen wir mit
unserer Ökosteuer jetzt um.
({6})
Wir haben erreicht, dass mit der ersten Stufe der Beitragssatz in der Rentenversicherung um
0,8 Prozentpunkte gesunken ist. Damit konnten die
Lohnnebenkosten von 42,3 Prozent auf 41,5 Prozent gesenkt werden und der Faktor Arbeit wurde entlastet. Mit
dem Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform in vier maßvollen Schritten - 6 Pfennig pro Liter
Kraftstoff und einem halben Pfennig pro Kilowatt Strom
- wollen wir unsere Anstrengungen fortsetzen. Wir wollen dazu kommen, dass der Beitragssatz in der Rentenversicherung um einen weiteren Prozentpunkt gesenkt
werden kann. Das ist unsere Zielsetzung. Wir werden
das erreichen und wir werden uns von dem, was Sie sagen, nicht beirren lassen.
({7})
Verschiedene Interessenverbände haben nun angekündigt, gegen die Ökosteuer Verfassungsbeschwerde
einzulegen. Dem Vernehmen nach ist inzwischen eine
erste beim Verfassungsgericht eingegangen. Es ist aber
noch völlig offen, ob überhaupt und - falls ja - wann
das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung auffordert, zu dieser Verfassungsbeschwerde eine Stellungnahme abzugeben.
Uns sind die Bedenken der Branchenvertreter bekannt. Wir bewerten die Erfolgsaussichten dieser Beschwerde als ganz gering; denn es handelt sich sowohl
bei der Mineralölsteuer als auch bei der Stromsteuer um
Verbrauchsteuern im Sinne des Art. 106 Abs. 1
Nr. 2 des Grundgesetzes, für die dem Bund gemäß
Art. 105 Abs. 2 die Gesetzgebungskompetenz zusteht.
An dieser Stelle möchte ich als Fußnote noch erwähnen:
Ihre Regierungskoalition hat einmal zugunsten der Rentenversicherung die Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt angehoben.
({8})
Die Verbrauchsteuereigenschaft der Mineralölsteuer
ist von der Rechtsprechung anerkannt. Auch für die
Stromsteuer gilt nichts anderes. Die Belastung soll über
den Strompreis vom Letztverbraucher getragen werden;
somit ist sie auf Überwälzung angelegt. Die verfassungsrechtlich erforderliche Möglichkeit der Überwälzung der Stromsteuer durch den Stromversorger ist gegeben.
Auch die Verwendung des Steueraufkommens für die
Senkung der Rentenversicherungsbeiträge stellt die
grundsätzliche Ausrichtung der Stromsteuer auf Überwälzung auf den Letztverbraucher nicht infrage. Das
Aufkommen fließt zwar zunächst in den BundeshausHeinz Seiffert
halt, aber es geht voll - das unterstreiche ich noch einmal - in die Rentenkasse ein.
Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, neben der
Einnahmeerzielung mit Steuern auch außerfiskalische
Zielsetzungen zu verfolgen, beispielsweise in diesem
Fall die Entlastung der Arbeitskosten zulasten der Energiekosten. Die finanzpolitische Entscheidung ist eine
freie Entscheidung des Gesetzgebers und hat auf die verfassungsrechtliche Einordnung der Regelungen als Steuern keinen Einfluss. Mit dem Konzept der ökologischen
Steuerreform stellt sich die Bundesregierung ihrer umweltpolitischen Verantwortung für die künftige Generation. Wir senden auch positive Signale für den Arbeitsmarkt.
({9})
Sie waren der Meinung, auf das verfassungsrechtliche
Gutachten der Professoren Schön und Herdegen eingehen zu müssen. Die Ausführungen der Gutachter sind
aus verfassungsrechtlicher Sicht unserer Auffassung
nach nicht haltbar. In dem Gutachten werden nämlich
zahlreiche ganz entlegene Aufsätze und politische Statements angeführt. Die maßgebende Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts wird jedoch nicht einmal ansatzweise hinreichend ausgewertet. Dies gilt insbesondere für die weit reichende wirtschaftspolitische Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers. Deswegen: Wir sind
guten Mutes, das Richtige zu tun, und wir vertrauen auf
die Unterstützung der Koalitionsfraktionen.
({10})
Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Otto Solms, F.D.P.-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
({0})
Mit dem Begriff Ökosteuer diffamieren Sie den Begriff
der Ökologie.
({1})
Ökologisch ist an dieser Steuer gar nichts. Wenn Sie einen ehrlichen Begriff hätten wählen wollen, hätten Sie
sie Rentensteuer nennen müssen, denn es handelt sich
um eine Steuererhöhung zur Finanzierung der Rentenversicherung.
({2})
- Das wäre ehrlich, aber das ist nicht Ihre Absicht. - Sie
versuchen Ihre wahre Absicht mit dem Begriff Ökosteuer zu verschleiern.
({3})
Diese Ökosteuer ist handwerklich schon schlecht gemacht und in mehreren Punkten rechts- bzw. verfassungswidrig.
({4})
Erstens ist es doch eindeutig so, dass aufgrund der
Ausnahmeregelungen Unternehmen unterschiedlich entlastet werden, obwohl sie gleich hohen Energieverbrauch haben. Das produzierende Gewerbe erfährt
eine relative Entlastung, das Dienstleistungsgewerbe,
welches gleichwohl hohe Energielasten zu tragen hat,
erfährt diese Entlastung nicht. Gleiches wird ungleich
besteuert. Das ist ausgesprochen verfassungswidrig. Das
werden Sie ändern müssen und Sie werden es, wie man
schon hört, vermutlich ja auch ändern.
({5})
Das Zweite ist die Zweckbindung für die Finanzierung der Rentenversicherung. Sie haben sie ja nicht ins
Gesetz geschrieben, weil Sie wissen, dass das verfassungswidrig ist, aber Sie haben damit eine politische
Zweckbindung verbunden,
({6})
die so eindeutig ist, dass es zumindest verfassungspolitisch unakzeptabel ist, was Sie da machen,
({7})
unabhängig davon, dass es in der Sache völlig verfehlt
ist, auf diese Weise einschneidende Maßnahmen im Zuge einer Rentenreform umgehen zu wollen, um sich an
den Konsequenzen vorbeizumogeln.
Drittens hatten Sie zugesagt - das steht ja in Ihrem
Gesetz drin -, dass die beihilferechtliche Genehmigung
von europäischer Seite erteilt sein muss, bevor es in
Kraft tritt.
({8})
Ich habe nicht gehört, dass diese Genehmigung erteilt
worden sei. Gleichwohl haben Sie dieses Gesetz InKraft-Treten lassen. Dies scheint mir zumindest europarechtlich
({9})
nicht einwandfrei zu sein.
({10})
Auch hier möchten wir hören, wie die Bundesregierung
diesen Zusammenhang beurteilt.
Schließlich ist diese Ökosteuer auch noch ausgesprochen ungerecht, weil sie die Betroffenen völlig ungleich
belastet: Hausfrauen, Rentner, Beamte, Schüler, Studenten, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose haben überhaupt nichts von der Entlastung.
({11})
Sie müssen zusätzliche Kosten tragen, ohne einen Pfennig Entlastung aufgrund geringerer Beiträge zur Rentenversicherung zu bekommen. Darüber hinaus belasten Sie
die Leute - das sind mit die Fleißigsten in unserem Lande -, die es auf sich nehmen, weite Strecken zwischen
Wohnung und Arbeitsstätte zurückzulegen, um arbeiten
zu können.
({12})
Diese belasten Sie überproportional. Um im RheinMain-Gebiet, der Region, aus der ich komme, arbeiten
zu können, pendeln die Menschen teilweise über 100 Kilometer hin und 100 Kilometer zurück.
({13})
Deren Entlastung ist überhaupt nicht adäquat. So belasten Sie gerade die Fleißigsten unter den Arbeitnehmern überproportional. Das ist ebenfalls sozial ungerecht.
({14})
Für mich ist es das Groteskeste,
({15})
dass Sie ja viel vernünftigere Ideen haben. Man muss
dafür ja nur einmal in das Wahlprogramm der Grünen
oder in den Koalitionsvertrag schauen, denn selbst die
Grünen haben ja überlegt, ob es nicht sinnvoll wäre, im
Gegenzug die Kfz-Steuer zu senken oder abzuschaffen.
Diesen Vorschlag hat die F.D.P. schon vor 20 Jahren
formuliert. Warum haben Sie es nicht getan?
({16})
Die SPD hat im Koalitionsvertrag festgelegt, dass die
Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige
Entfernungspauschale umgewandelt werden soll. Das ist
ebenfalls ein sehr vernünftiger Vorschlag. Beide Vorschläge haben wir hier im letzten Jahr in Form eines Gesetzentwurfes eingebracht. Sie haben ihn mit Ihrer
Mehrheit abgelehnt. Das ist kein ehrliches Verhalten,
zumal das ja im Wahlprogramm steht.
Sie könnten dieses falsche Gesetz jetzt noch in der
Form korrigieren, dass Sie die Kfz-Steuer bei der nächsten Anhebung im gleichen Volumen senken. Dann würden nämlich die gleichen Personengruppen entlastet, die
Sie mit der Ökosteuer belasten. Trotzdem bliebe ein
ökologischer Anreiz erhalten.
({17})
Ich sehe es Ihnen ja an, dass Sie diese Vorschläge für
richtig halten,
({18})
aber leider konnten Sie sich nicht darauf einigen.
Wenn das nicht der Fall wäre, wäre ja das, was in Ihrem
Wahlprogramm steht, überflüssig.
({19})
Herr Schlauch, Sie reden ja nach mir: Sagen Sie ehrlich, dass Sie das Wahlprogramm falsch formuliert haben, oder bekennen Sie sich zu Ihrem Wahlprogramm
und verhalten sich auch hier im Bundestag so. Davor
können Sie sich dann nicht drücken.
({20})
Diese so genannte Ökosteuer, diese Rentensteuer
bringt viele Nachteile und Ungerechtigkeiten mit sich,
aber keine Vorteile, erst recht keine ökologischen. Deshalb ist sie abzulehnen. Zumindest darf man Sie auffordern, sie in der Weise, wie ich vorgeschlagen habe, zu
korrigieren.
Vielen Dank.
({21})
Ich erteile dem Vorsitzenden der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Rezzo
Schlauch, das Wort.
Herr Kollege Solms, ich bekenne mich nicht
({0})
zum Wahlprogramm und ich bekenne mich nicht zur
Ökosteuer, weil ich mich im Deutschen Bundestag nicht
bekenne. Man bekennt sich in der Kirche; ein Bekenntnis gibt es im religiösen Kontext. Ich kann nur sagen:
Ich glaube,
({1})
nachdem Sie an der Tankstelle etwas zu viel Benzin eingeatmet haben, sind Ihre Sinne vernebelt.
({2})
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass Sie das gilt auch für viele aus der CDU -, in der Haushaltsberatung 1995 die Ökosteuer als eine durchaus gute Idee
bezeichnet und gesagt haben, man müsse daran denken,
sie einzuführen. Allerdings haben Sie diesbezüglich
nichts getan; das gilt für die gesamte damalige Koalition.
Es gibt Legionen von Zitaten des Herrn Schäuble zur
Ökosteuer. Beispielsweise hat er gesagt, dass es „ökoDr. Hermann Otto Solms
nomisch und ökologisch sinnvoller ist, im Mix der Produktionsfaktoren menschliche Arbeit billiger zu machen
und im Gegenzug den Verbrauch von Rohstoffen und
Energie zu verteuern“, also genau den Zusammenhang
herzustellen, den wir hergestellt haben. Damit ist Herr
Schäuble ebenfalls für eine Energiesteuer eingetreten.
({3})
Oder denken Sie an die ehemalige Umweltministerin
Merkel! Sie hat auf der Rio-Nachfolgekonferenz in Berlin die Vertreter der anderen Nationen von der Einführung einer Ökosteuer überzeugen wollen. Sie hat sich
aber mit ihrer richtigen Idee der Ökosteuer nicht gegen
BDI, BASF, F.D.P., CSU und Herrn Kohl durchgesetzt.
Sie hat sich in Kioto im Land der aufgehenden Sonne das habe ich mir von unseren Delegationsteilnehmern
erzählen lassen ({4})
die Nächte um die Ohren geschlagen, um die anderen
Industrieländer von der Ökosteuer zu überzeugen. Heute
aber wollen Sie alle davon nichts mehr wissen. Ich verstehe nicht, woher dieser Sinneswandel kommt.
({5})
Meine Damen und Herren von der CDU, 30 Jahre
Ökobewegung, 30 Jahre das Bewusstsein der Begrenztheit der natürlichen Lebensgrundlagen und die zunehmende Bereitschaft der Menschen, sich umweltbewusst
zu verhalten, sind an Ihnen spurlos vorübergegangen.
({6})
Das geht so weit, dass Ihr Spitzenkandidat Rühe in
Schleswig-Holstein davon redet, er möchte eine zehnjährige Pause für die Umwelt. Angesichts dessen kann
ich Sie nur fragen: Glauben Sie, Herr Seiffert, dass auch
der Schwarzwald, der halb am Boden liegt, eine zehnjährige Pause will? Ich glaube es nicht.
({7})
Man darf Politik nicht nur bis zum Ende des Tages
gestalten. Der Orkan „Lothar“ war ja nicht nur eine ökologische Katastrophe, sondern auch eine ökonomische
Katastrophe. Allein die Waldschäden machen
1,5 Milliarden DM aus. Sie aber diskreditieren den Gedanken, den Ressourcenverbrauch über den Preis zu
vermindern. Das kann ich nicht nachvollziehen.
({8})
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich
lasse Sie da überhaupt nicht heraus. Ich bin nicht deshalb zornig - ({9})
- Hören Sie doch auf, Herr Voralpen ...! Wie war das
noch? Ich sage es jetzt nicht.
({10})
Ich bin nicht deshalb zornig, Herr Seiffert, weil diese
Kampagne gegen die Grünen und gegen wen auch immer gerichtet ist, sondern deshalb, weil sich Ihre Kampagne gegen den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und gegen die Bewahrung der Schöpfung richtet.
Das ist die Wahrheit!
({11})
Wenn Sie es nicht glauben, dann lassen Sie es sich
von den deutschen Bischöfen sagen. Die haben völlig
richtig formuliert: Die Menschheit hat nur Zukunft,
wenn die Schöpfung Zukunft hat. - Sie aber haben den
Umweltgedanken und den Erhalt der Schöpfung vollkommen aus Ihrer Gedankenwelt getilgt. Sie bedienen
nur noch billige Stimmungen, die es in der Bevölkerung
natürlich gibt. Ich gebe Ihnen gerne darin Recht, dass
man sich damit auseinander setzen muss, aber nicht so,
wie Sie es tun.
({12})
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist abgelaufen.
Zum Schluss. Herr Seiffert, wer selbst keinerlei Konzepte vorlegt - das haben Sie weder in Ihrer Regierungszeit
noch in der Opposition getan -, der hat meiner Meinung
nach das Recht auf eine seriöse Diskussion verwirkt. Ihr
Beitrag hat daran nichts geändert. Ich lade Sie ein, am
nächsten Montag zusammen mit mir den Schwarzwald
zu besuchen und Ihre Anhänger vor Ort zu befragen, die
mit Sicherheit von der Ökosteuer eine andere Meinung
haben als Sie.
Danke schön.
({0})
Liege Kolleginnen
und Kollegen, ich denke, der Begriff Brüllaffe ist nicht
ganz parlamentarisch.
({0}) - Zuruf von der
CDU/CSU: Nicht ganz!)
- Ich möchte mit diesem Hinweis sanft ankündigen, dass
ich diesen Begriff das nächste Mal rügen werde.
({1})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Christine Ostrowski.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Abgesehen von dem Begriff
Brüllaffe gibt es ein altes Sprichwort, Herr Schlauch,
das heißt: Wer schreit, dem fehlt es an Argumenten.
({0})
Jetzt komme ich zum Thema. Wer kraft seiner Mehrheit und taub für jegliches Argument eine zutiefst unsoziale Ökosteuer beschließt, der es an ökologischer Lenkungswirkung mangelt,
({1})
der muss sich nicht wundern, wenn Betroffene den
Rechtsweg beschreiten. Ganz so ohne sind die Klagen
nämlich nicht, die in Vorbereitung sind oder die in
Karlsruhe schon vorliegen.
({2})
- Brüllen Sie einmal nicht! Vielleicht schaffen Sie das
ja!
Es geht doch erstens um die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Die Ökosteuer verletzt natürlich den
Gleichheitsgrundsatz; denn manche sind privilegiert und
manche nicht.
({3})
Man muss nicht Mathematikprofessor sein, um dies
festzustellen. Manche Regierungspolitiker scheinen aber
nicht einmal mehr das kleine Einmaleins beherrschen zu
können.
({4})
In Karlsruhe - auch das muss ich sagen - klagen
Verbände, die Macht, Einfluss und Geld haben, um
Rechtsanwälte zu bezahlen und Gutachten erstellen zu
lassen. Ihnen geht es natürlich darum, dass sie entweder
in den Genuss der gleichen Vergünstigung wie andere
Industriebranchen kommen oder dass die Ökosteuer alle
Industriezweige gleichermaßen belastet.
Wer aber in Karlsruhe nicht klagt, sind die Studentin
Frau Schulze, die Rentnerin Frau Müller und der Sozialhilfeempfänger Herr Meier. Sie haben nämlich weder
Macht und Einfluss noch Geld, um Rechtsanwälte zu
bezahlen.
({5}))
Diese Bevölkerungsgruppen gehören aber hinsichtlich
der Ökosteuer zu den unterprivilegiertesten Gruppen.
Sie zahlen nämlich diese Steuer zu 100 Prozent, ihre
Entlastung ist aber gleich null. Das ist Fakt; man braucht
gar nicht darum herumzureden.
Unterprivilegiert, meine Damen und Herren von der
Koalition, sind auch Familien mit geringem Einkommen. Rechnet man nämlich, falls Sie das noch können,
Steuererhöhung und die Entlastung durch das Sinken der
Rentenversicherungsbeiträge gegen, dann weiß man,
dass Familien mit drei Kindern und einem Pkw umso
mehr belastet werden, je weniger sie verdienen. Eine
dreiköpfige Familie mit einem Auto müsste monatlich
mindestens 7.500 DM sozialversicherungspflichtiges
Einkommen haben, um in den Genuss einer Entlastung
zu kommen.
Um auch das noch einzuflechten: Diese Familie kann
nicht auf ihr Auto verzichten, solange Mutter oder Vater
noch in Lohn und Brot stehen; denn fast alle, die einen
Beruf ausüben, sind darauf angewiesen, von Ort zu Ort
oder sogar von Land zu Land zu pendeln. Ich muss Ihnen nichts über den ÖPNV in der Fläche und seine Tarife erzählen. Der Hinweis, man könne ja vom Auto auf
den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, zeigt keine Alternative auf; denn auch der öffentliche Nahverkehr wird
netto - und zwar steigend - durch die Ökosteuer belastet.
({6})
- Wenn Sie die Antworten der Bundesregierung nachlesen würden, dann würden Sie die Zahlen kennen: 1999
betrug die Nettobelastung 26 Millionen DM; im Jahre
2003 wird sie 151 Millionen DM betragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind die
energieintensiven Unternehmen im produzierenden Gewerbe,die Sie privilegieren - Herr Schlauch, man hat
wahrhaftig den Eindruck, weil Sie hier so gebrüllt haben, dass es Ihnen bei dieser Ökosteuer nicht um die
Umwelt geht, sondern um Geldeinnahmen -, die Sie bevorteilen; denn diese bekommen durch die Möglichkeiten,die das Gesetz bietet, 96 Prozent der Stromsteuer,
die über 1000 DM hinaus zu zahlen ist, rückerstattet und
partizipieren gleichzeitig unbegrenzt an der Senkung der
Lohnnebenkosten. Kleine und mittelständische Betriebe,
die um 1000 DM herumpendeln, gucken in den Mond.
Wo ist da, bitte schön, der Gleichheitsgrundsatz beachtet?
({7})
Die Nettoentlastung der Wirtschaft, meine Damen
und Herren, beträgt schon in der ersten Stufe zirka
3 Milliarden Mark und wird auf zweistellige Milliardensummen anwachsen. Die Steuer - so sagen Experten wird letzten Endes zu mehr als zwei Dritteln von privaten Haushalten aufgebracht, aber nur ein Drittel wird
über die Senkung der Rentenbeiträge dorthin zurückfließen. Vor dem Grundgesetz sind alle gleich? - Ich denke,
das ist hier nicht der Fall, meine Damen und Herren.
({8})
Jetzt erteile ich das
Wort dem Kollegen Ludwig Eich, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere Verfassung schützt die Grund7392
lagen unseres Lebens, schützt die Natur. Ich möchte gerade bei dieser Debatte den Art. 20 a hier zitieren:
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die
künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen
Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende
Gewalt und Rechtssprechung.
Die Regierungsmehrheit von SPD und Grünen folgt
somit mit der sozialökologischen Steuerreform dem
Auftrag der Verfassung, diese Reform ist also nicht etwa
gegen sie gerichtet. Und nicht nur das: Mit dieser Politik
befindet sich die Regierung Schröder auch im Einklang
mit den allermeisten europäischen Staaten.
Wir wollen unsere Umwelt schützen, indem wir den
Ge- und Verbrauch der Umwelt maßvoll und vorhersehbar verteuern. Das heißt, auch mit dem marktwirtschaftichen Instrument des Preises wollen wir gemäß unserer
Verfassung und im Einklang mit unseren europäischen
Nachbarn unsere Lebensgrundlagen schützen, meine
Damen und Herren.
({0})
Die Reform der ökologischen Besteuerung ist aber auch
deswegen eine sinnvolle Maßnahme, weil gleichzeitig
jede so eingenommene Mark an die Bürger über die
Rentenkasse zurückgegeben wird.
({1})
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU
und der F.D.P., ich weiß nicht, ob Sie es vergessen haben:
({2})
Einer Ihrer größten und schwerwiegendsten Fehler war
es, dass Sie die deutsche Einheit über Sozialkassen finanziert haben.
({3})
Wir wissen, dass dies ein unglaublicher Fehler war. Sie
haben es politisch zu verantworten, dass in den letzten
Jahren die Rentenbeiträge in diesem Umfang gestiegen
sind. Sie haben es zu verantworten, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem Lohn und ihrem
Gehalt immer weniger in der Tasche hatten.
({4})
Sie mit Ihrer Politik haben es zu verantworten, dass der
Wirtschaftsstandort Deutschland durch die hohen Lohnnebenkosten geschädigt wurde.
({5})
Und nun schafft es diese neue Mehrheit im deutschen
Bundestag, die Rentenkassen mit der ökologischen Besteuerung von allen versicherungsfremden Leistungen
der Regierung Kohl zu befreien und darüber hinaus die
Beiträge zu senken.
({6})
Das ist eine erfolgreiche Reformpolitik, meine Damen
und Herren: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
behalten mehr Lohn und Gehalt, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft steigt. Und nicht zuletzt verfolgen wir mit dieser Reform auch die Ziele unserer Verfassung.
Die sozialökologische Steuerreform, die seit über
zehn Jahren diskutiert wird - das muss ich einräumen -,
hatte von Anfang an ein Akzeptanzproblem. Das hat
damit zu tun, dass die Bürgerinnen und Bürger einfach
nicht glauben, dass der Staat das Geld, das er einmal
vereinnahmt hat, wieder zurückgibt.
({7})
Wenn wir die Erhöhung der Mineralölsteuer der vergangenen Jahre anschauen,
({8})
dann kann man dieses Misstrauen in staatliches Handeln
der Bürgerinnen und Bürger verstehen. CDU/CSU und
F.D.P. haben die Mineralölsteuer zwischen 1989 und
1994 um 50 Pfennig erhöht.
({9})
Dadurch stieg die Belastung der Bürger um rund
20 Milliarden DM, meine Damen und Herren. Sie haben
den Bürgern davon keinen einzigen Pfennig zurückgegeben. Ich verstehe nicht, wie Sie die Stirn haben,
hier eine solche Debatte zu führen.
({10})
Meine Damen und Herren, Sie haben in der Rohölpreiserhöhung der Mineralölkonzerne einen willkommenen Anlass gesehen - und Sie haben ihn genutzt davon parteipolitisch zu profitieren, denn sonst hat die
Diskussion überhaupt keinen Sinn. Sie bauen auf Misstrauen und Sie bauen auf die Vergesslichkeit der Bürger.
Aber Sie werden damit erfolglos sein, denn die Menschen verstehen immer mehr, dass wir unsere Industriegesellschaft ökologisch umbauen müssen. Das hat etwas
mit unserer Zukunft zu tun.
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ich fasse zusammen. Das Ziel
der sozialökologischen Steuerreform ist ein behutsamer
Umgang mit unseren Lebensgrundlagen. Sie sorgt dafür,
dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr von ihrem Gehalt und ihrem Lohn behalten. Die Einnahmen
aus dieser Reform fließen über die Rentenkasse an alle
Bürgerinnen und Bürger zurück. Eine solche Reformpolitik braucht dieses Land. Denn wir fördern damit auch
eine wichtige technische Innovation, meine Damen und
Herren.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin erstaunt, wie
leichtfertig manche mit der Wahrheit und bestimmten
Stichwörtern umgehen, die mit der Ökosteuer zusammenhängen.
({0})
Ich mache eine ganz einfache Rechnung auf - insbesondere für den Parlamentarischen Staatssekretär -, die
bestätigt, dass die Ökosteuer unsozial, umweltschädlich,
ungerecht und zukunftsfeindlich ist.
({1})
Seit dem Regierungswechsel hat sich - durch Entscheidungen der rot-grünen Koalition bedingt - das Benzin,
der Diesel usw. um 15 Pfennig verteuert.
({2})
- Die Mehrwertsteuer dazugerechnet.- Bis zum Jahre
2003 gibt es eine weitere Entwicklung, die bedeutet,
dass sich das Ganze um 35 Pfennig erhöht.
({3})
- Ich komme gleich darauf zurück, Herr Kollege
Schlauch.
Das heißt unter dem Strich: 35 Milliarden DM kassiert der Staat zusätzlich im Jahre 2003 ein. Der Rentenversicherungsbeitrag - Ihre Aussage ging ursprünglich
in die Richtung: Wenn ich die Ökosteuer erhöhe, senke
ich im gleichen Zuge den Rentenbeitrag - im Jahre 2003
wird statt 20,2 Punkte - das war unser Plan 19,2 Punkte betragen. Das ist 1 Prozentpunkt weniger.
Das heißt, dass Sie 35 Milliarden DM kassieren, um den
Rentenbeitrag um 1 Prozentpunkt abzusenken. Mir kann
doch keiner erzählen, dass das den Bürgern netto zurückgegeben wird. Sehen Sie sich das doch konkret an!
Herr Diller zum Beispiel spricht nicht mehr von der Absenkung des Rentenbeitrages, sondern er sagt, dass es
voll in die Rentenkasse geht. Das mag sein. Das liegt
aber daran, dass Sie im Verlauf des letzten Jahres aus
verschiedenen Gründen den Zuschuss des Bundes an die
Rentenkasse erhöht haben. Sie haben ein neues Fass
aufgemacht. Jetzt überlegen Sie, wie Sie die Löcher in
dem Fass stopfen können. Genau das ist der entscheidende Punkt.
({4})
Die Ökosteuer ist auch wirtschaftsfeindlich. Sagen
Sie jetzt bitte nicht, die Beträge, über die wir sprechen,
seien viel zu hoch. Frau Kollegin Mehl hat gesagt, 2 DM
seien erst der Anfang. Herr Steenblock, der Umweltminister von Schleswig-Holstein, hat schon 1995 gefordert,
es müssten 5 DM erreicht werden, in Sprüngen von 30
Pfennig pro Jahr. Verniedlichen Sie doch nicht Ihre tatsächlichen Absichten, sondern schauen Sie sich die Situation an! Ich sage, das Ganze ist umweltschädlich, sozial ungerecht und zukunftsfeindlich.
Ich will das auch begründen. Herr Schlauch, Sie haben sich so um den Schwarzwald bemüht. Ich frage
mich: Weshalb belasten Sie mit der Ökosteuer gerade
die Landwirtschaft mit 600 Millionen DM im Jahr? Das
trifft doch auch die Waldbauern, diejenigen, die mit der
Hege und Pflege im Schwarzwald beschäftigt sind.
Weshalb belasten Sie eigentlich die Träger erneuerbarer
Energien - Sonne, Wind, Biomasse usw. - mit der Ökosteuer? Sie sagen, Sie gleichen das aus und stellen
200 Millionen DM im Haushalt zur Verfügung.
Im Haushalt 1999 haben Sie von den 200 Millionen DM
165 Millionen DM wieder einkassiert und im nächsten
Jahr machen Sie das genauso. Sie geben weniger für erneuerbare Energien aus, als wir das in unserer Zeit getan
haben.
({5})
- Das ist ein Faktum. Schauen Sie sich die Haushaltsbilanz für das letzte Jahr an. Unter unserer Regierung ist
Deutschland Weltmeister bei der Wind- und Solarzellenproduktion geworden. Die Erhöhung der Mineralölsteuer, übrigens mit der Zustimmung der SPD, ist im
Wesentlichen veranlasst worden, um die Bahnreform
durchführen zu können.
({6})
Die Bahnreform haben wir durchgeführt, um den regionalisierten Bahnverkehr zu verbessern und attraktiver zu
machen. Das heißt, wir haben dafür gesorgt, dass mehr
Leute die Bahn benutzen. Wofür sorgen Sie? Der Kollege Seiffert hat es gesagt: Sie sorgen dafür, dass das
Bahnfahren teurer wird. Das ist Ihre Umweltpolitik!
({7})
Sie können sich auch nicht damit herausreden, dass
Sie sagen: Wir begünstigen dafür andere, die Energiefresser werden besonders gut behandelt; wer sich umweltfreundlich verhält, wird bestraft. Was machen Sie
denn, wenn die Leute sagen: Bei einem Benzinpreis von
5 DM fahre ich nie wieder Auto? Wie bekommen Sie
dann das Geld für Ihre Rentenversicherung zusammen?
Geld zu kassieren und damit ein bestimmtes Verhalten
zu erzwingen ist, glaube ich, ziemlich töricht. Das hat
mit Vernunft nicht mehr viel zu tun.
Ich nenne die Steuer deshalb zukunftsfeindlich, weil
sie die neuen Energien bestraft. Was Sie hier machen, ist
plumpe Ökozockerei.
({8})
Das hat nichts mit einer Verbesserung der Situation der
Umwelt zu tun.
Sie können das auch erkennen, wenn Sie die Frage
stellen: Wie wirkt sich die Bahnreform eigentlich in den
einzelnen Bundesländern aus? Was bekommt BadenWürttemberg, was bekommt Niedersachsen, was bekommt Schleswig-Holstein aus dem Topf, den wir damals geschaffen haben, um eine Verbesserung für umweltfreundliche Energieträger zu erreichen? Herr Mehdorn ist hier deutlich zitiert worden.
Schauen wir einmal, wie sich das beim einzelnen
Bürger konkret auswirkt. Welche zusätzliche Belastung
hat er durch die Ökozockerei, die Sie veranlasst haben?
Im Jahr etwa 800 DM. Die Entlastung durch den Rentenversicherungsbeitrag beträgt etwa 300 DM. Das
heißt, unter dem Strich haben die Leute, wenn ich richtig
gerechnet habe, Mehrkosten von 500 DM im Jahr.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Jawohl, das
mache ich. - Wenn Sie das durch die Anzahl der Monate
teilen, können Sie das auf den Lohn umrechnen und
feststellen, dass das eine plumpe Plünderei unter dem
Deckmantel des Umweltschutzes ist. Das hat mit wirtschaftlicher Vernunft oder Sozialpolitik nichts zu tun,
weil Sie natürlich die Schwachen treffen.
Herr Kollege, die
Redezeit. Wir sind in der Aktuellen Stunde.
Letzter Satz,
Frau Präsidentin.
Sie treffen die sozial Schwachen: die Rentner, die
Sozialhilfeempfänger, die Studenten, die Beamten, die
Pensionäre und die Pendler. Deswegen ist Ihre Politik
schädlich für die Umwelt sowie für die Fläche und muss
abgelehnt werden.
({0})
Das Wort hat nun
der Kollege Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Herr Austermann, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann frage
ich mich wirklich, welche Berater Sie in Sachen Finanzen haben. Sie ziehen hier Sachen zusammen, die überhaupt nicht zusammengehören.
Ich will Ihnen einmal die Zahlen nennen. Sie müssen
die gesamte Steuerreform betrachten, einschließlich des
Kindergeldes und der ökologischen Steuerreform.
({0})
Auch von Herrn Solms kam hier das Argument, die
kleinen Leute würden über den Löffel balbiert. Das
klingt aus Ihrem Munde besonders berufen. Die F.D.P.
als Partei der kleinen Leute - das glaubt Ihnen doch kein
Mensch.
({1})
Die Realität sieht in der Gesamtschau folgendermaßen aus. Wenn Sie sich eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit einem Jahreseinkommen
von 60 000 DM brutto anschauen, also eine gute Durchschnittsfamilie, stellen Sie fest: Sie wird erstens durch
die Reform der Lohn- und Einkommensteuer entlastet,
zweitens bekommt sie mehr Kindergeld, drittens sinken
ihre Rentenversicherungsbeiträge und viertens steigen
moderat die Energiekosten, wenn man nicht spart. Alles
in allem hat die Familie monatlich 170 DM mehr im
Warenkorb. Damit kann man einkaufen; das ist viel
Geld.
({2})
Zum zweiten Punkt, zur Verfassungsmäßigkeit. Das
„Handelsblatt“ - Herr Solms, das ist doch sicherlich Ihr
Leib- und Magenblatt - hat geschrieben, die Verfassungsklage habe überhaupt keine Chance. Das wissen
Sie besser als ich. Das betrifft vor allen Dingen den Bereich der Spediteure. Die Mineralölsteuer bzw. die Dieselsteuer wird doch gar nicht gespreizt. Die Preise, die
wir in Deutschland haben, liegen im Vergleich zu den
anderen Preisen in Europa nach wie vor im unteren Drittel. Malen Sie doch nicht den Teufel an die Wand! Das
stimmt doch alles vorne und hinten nicht!
({3})
Ausgerechnet Sie haben während der Beratungen über die ökologische Steuerreform tausenderlei Ausnahmetatbestände gefordert. Wenn wir dem gefolgt wären,
hätten wir 20 000 neue Finanzbeamte einstellen müssen.
Das ist doch die Realität.
({4})
Jetzt klagen Sie darüber, dass es zu viele Ausnahmen
gibt.
({5})
Eines kann nur richtig sein: Entweder man verlangt
mehr Ausnahmen, so wie Sie das getan haben, oder man
klagt darüber, dass es zu viele gibt. Beides zusammen
geht nicht.
In Sachen umweltpolitischer Glaubwürdigkeit erwarte ich von der F.D.P. sowieso nicht viel.
({6})
Seit Gerhart Baum und Hans-Dietrich Genscher nicht
mehr im Bundestag sind, passiert bei Ihnen in dieser
Richtung überhaupt nichts mehr.
({7})
Nun möchte ich auf die CDU/CSU eingehen. Denn
die CDU/CSU nimmt für sich - zumindest zum Teil - in
Anspruch, eine Partei zu sein, der die Bewahrung der
Schöpfung ein Herzensanliegen ist.
({8})
Da muss man einmal genauer nachfragen: Wo sind denn
Ihre Leute, die im Hinblick auf die ökologische Steuerreform immer eine positive Einstellung hatten? Wo ist
Herr Repnik? Wo ist Herr Schäuble? Wo ist Frau
Merkel? Ich verstehe, dass sie nicht hier sind. Die haben
im Moment andere Probleme. Das ist klar. Aber die
müssten eigentlich, wenn sie ehrlich wären, sich hier
und heute positiv zur ökologischen Steuerreform bekennen.
({9})
Sie haben doch Personen wie Gruhl aus dem Parlament
geekelt. Vielleicht erinnern Sie sich noch an sein Buch
„Ein Planet wird geplündert“, das in den 70er-Jahren erschienen ist. Das alles ist spurlos an Ihnen vorbeigegangen. Leute wie Herrn Töpfer haben Sie weggeekelt.
Die Ökologie hat bei der CDU/CSU keine Chance. Das
ist die Wahrheit.
({10})
Nun zur Glaubwürdigkeit. Es ist schon merkwürdig,
dass ausgerechnet die CDU/CSU in diesem Zusammenhang die Stimme erhebt. Sie haben in den 90er-Jahren
erstens die Mineralölsteuer - darauf wurde bereits
mehrmals hingewiesen - mehrfach angehoben. Zweitens
sind die Lohnnebenkosten ständig gestiegen.
({11})
Um sie - drittens - nicht weiter ansteigen zu lassen, haben Sie sogar die Mehrwertsteuer erhöht. Sie haben
doch jedes moralische Recht verwirkt, über diese Steuerbelastung zu klagen.
({12})
Auch auf Ihren letzten Punkt, darauf, was Sie im Zusammenhang mit der Rente gesagt haben, möchte ich
kurz eingehen: Sie wissen ja, wir haben die Themen Arbeit und Umwelt verknüpft. Es ist vollkommen richtig Herr Solms, Sie haben dies beklagt -, dass dies nicht im
Gesetz steht. Wir sind der Meinung, dass das Budgetrecht das Königsrecht des Parlaments ist. Das Parlament
bestimmt darüber, wie öffentliche Mittel, die eingenommen werden, verwendet werden. Das ist so. Der politische Wille dieser Regierung bzw. der beiden Koalitionsfraktionen ist es, dass diese beiden Themen miteinander verkoppelt werden. Wir wollen, dass der Energieverbrauch teurer wird, damit mit Energie sparsamer umgegangen wird, und wir wollen im Gegenzug die Mittel
aus der in diesem Zusammenhang erhobenen Steuer
verwenden, um den Faktor Arbeit durch die Senkung der
Lohnnebenkosten billiger zu machen. Es geht darum,
zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Das müssten
eigentlich auch Sie verstehen.
({13})
Jetzt noch einmal zu den genannten Zahlen - Herr
Austermann, auch Sie haben Zahlen genannt; Sie haben
dies auch in der „Zeit“ zu lancieren versucht -: Das,
was behauptet worden ist, stimmt vorne und hinten
nicht. Sie wissen doch selber, dass sich das Rentensystem in einer gewissen Dynamik befindet. Das heißt, für
den Fall, dass wir nichts dagegen unternehmen, würden
die Rentenversicherungsbeiträge steigen. Die Wahrheit
ist - das hat Herr Staatssekretär Diller gerade angesprochen -, dass die Einnahmen aus der Ökosteuer 1 : 1 in
die Rentenversicherung fließen, und zwar im Rahmen
der Absenkung der Lohnnebenkosten von 20,3 Prozent von dem Niveau also, das bestand, als wir an die Regierung kamen - auf heute 19,3 Prozent. Im Rentensystem
existiert eine Dynamik. Diese Dynamik müssen wir
stoppen. Deshalb brauchen wir eine vernünftige Rentenreform. Das ist völlig klar. Darüber sind wir uns doch
einig.
Es geht darum, das Rentenversicherungssystem wetterfest zu machen. Es geht darum, es um eine private
Vorsorge zu ergänzen. Dafür stehen wir und dafür setzen wir uns ein. Sie können sicher sein, dass wir die
Dinge nicht so treiben lassen, wie dies im Moment geschieht.
Summa summarum: Das, was Sie hier tun, ist nichts
anderes als ein billiges Ablenkungsmanöver. Sie versuchen von Ihren Problemen abzulenken. Das ist nachvollziehbar; das ist sogar legitim. Aber durchkommen werden Sie damit nicht. Da bin ich sicher.
({14})
Jetzt hat die Kollegin Monika Ganseforth, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr
geehrte Damen und Herren! Die ökosoziale Steuerreform ist ein Instrument, mit dem wir für Probleme, die
in unserer Gesellschaft bestehen, Lösungen anbieten. In
diesem Zusammenhang gibt es zwei Aspekte: Der eine
ist der Schutz der Umwelt bzw. die Vernichtung unserer
Lebensgrundlagen. Der zweite ist die hohe Arbeitslosigkeit.
Die ökosoziale Steuerreform ist jedoch weder ein Instrument, das alle Probleme der Welt löst - manchmal
habe ich den Eindruck, daran soll sie gemessen werden - noch ist sie - das sage ich zur linken Seite dieses
Hauses - an allen Problemen und Ungerechtigkeiten, die
es in der Welt gibt, schuld. Sie ist ein Instrument, das
den Charme hat, marktwirtschaftlich zu sein.
({0})
Natürlich haben wir zum Schutz der Lebensgrundlagen noch andere Instrumente, zum Beispiel das 100 000Dächer-Programm, die Kampagne „Solar - na klar!“, die
Energieeinsparverordnung, die Mittel, die in der Forschungsförderung für erneuerbare Energien eingesetzt
werden, das Stromeinspeisegesetz usw.
({1})
Ein wichtiges Instrument aber ist das Preisinstrument.
Sie wissen, dass in unserer bundesrepublikanischen Gesellschaft das Bewusstsein für ökologisches Verhalten
groß ist. Sie wissen aber auch, dass die Menschen immer
wieder schimpfen und sagen: Wer sich bei uns umweltgerecht verhält, der ist der Dumme, der muss mehr bezahlen. Es lohnt sich nicht. - Mit der öko-sozialen Steuerreform wollen wir gegensteuern. Wir wollen erreichen, dass sich ökologisches Verhalten rechnet,
({2})
dass also diejenigen, die sich entsprechend verhalten,
dies in ihrem Portemonnaie spüren.
({3})
Das geht nur über eine Erhöhung der Energiepreise.
Wir haben dies in kleinen, maßvollen Schritten, die
vorhersehbar sind, angelegt; denn wir wollen, dass sich
die Produktionsbedingungen ändern, dass Investitionsentscheidungen in die richtige Richtung gehen und dass
die Zukunftsprodukte so entwickelt werden, dass sie
weniger Energie verbrauchen. - Das ist das eine Problem.
Das zweite Problem ist die Arbeitslosigkeit. Die hohen Lohnnebenkosten stellen ein Hindernis für Einstellungen dar. Sie führen dazu, dass immer mehr Arbeit
wegrationalisiert wird, dass Roboter gebaut werden. Wir
wollen gegensteuern. Die Produktivitätssteigerungen
sollen nicht in Richtung Wegrationalisierung von Arbeit
gehen, sondern in Richtung Minderung des Energieverbrauchs. Diesen Wandel zu vollziehen haben Sie während Ihrer Regierungszeit nicht geschafft.
({4})
Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht noch - wie
im sozialen Bereich und bei den Lohnnebenkosten - andere Instrumente gibt und Reformen nicht notwendig
sind. Aber gewinnen werden die Firmen, die arbeitsintensiv produzieren, zum Beispiel das Handwerk. Übrigens: Der öffentliche Personennahverkehr ist unterm
Strich ein Gewinner; denn die Personalkostenentlastungen sind höher als die Belastungen durch den Energieverbrauch.
({5})
Auch im ÖPNV gibt es Sparpotenziale, die umgesetzt
werden müssen. Insofern ist das ein wichtiger Schritt.
Ich will Ihnen einmal vor Augen führen, was Sie gesagt haben, als Sie noch nicht so opportunistisch waren,
nämlich als Sie um Wählerstimmen gekämpft haben. Im
Zukunftsprogramm der CDU für den Bundestagswahlkampf 1998 haben Sie genau das vertreten, was ich hier
gesagt habe
({6})
- Herr Austermann und Herr Seiffert müssen doch darüber informiert gewesen sein -:
Unser Steuer- und Abgabensystem macht gerade
das besonders teuer, wovon wir gegenwärtig im
Überfluss haben: Arbeit. Dagegen ist das, woran
wir sparen müssen, eher zu billig zu haben: Energie- und Rohstoffeinsatz.
Genauso ist es. - Sie haben weiter gesagt:
Dieses Ungleichgewicht müssen wir wieder stärker
ins Lot bringen, wenn wir unseren beiden Hauptzielen, mehr Beschäftigung und weniger Umweltbelastung, näher kommen wollen.
Das haben Sie gesagt; damit sind Sie vor die Wählerinnen und Wähler getreten. Wir machen dies.
Ich glaube, Sie unterschätzen die Bürgerinnen und
Bürger. Sie wissen, auch wenn sie für Energie nicht gerne mehr bezahlen, dass dies ein richtiger Schritt ist und
dazu führt, dass derjenige, der Energie spart, sein Portemonnaie entlasten kann, und derjenige, der Energie
quast, dies bezahlen muss. Das ist auch in Ordnung. Ich
bin davon überzeugt - das weiß ich aus vielen Gesprächen -, dass die Bürgerinnen und Bürger dies akzeptieren. Sie wissen, dass es so weitergehen muss.
Sie von der CDU haben natürlich andere Probleme
und wollen davon ablenken.
({7})
Ich glaube nicht, dass Sie so Mehrheiten bekommen
werden und die Menschen davon abbringen können, unser Ökosteuerkonzept, ein marktwirtschaftliches Instrument, zu durchschauen. Wie ich bereits sagte: Es soll
nicht derjenige der Dumme sein, der sich umweltfreundlich verhält.
Schönen Dank.
({8})
Das Wort hat nun
der Kollege Hans Michelbach, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Das
Ökosteuergesetz entpuppt sich als abstruses Sammelsurium aus Ideologie, Illusion, Dirigismus und Willkür.
({0})
Die Ökosteuer ist für Verbraucher preissteigernd und
unsozial und für die Wirtschaft ungerecht und wettbewerbsverzerrend. Die Ökosteuer hat zu unsozialen Preissteigerungen geführt; das müssen Sie doch einmal zur
Kenntnis nehmen. Insbesondere den kleinen Mann und
den ländlichen Raum trifft dies hart.
({1})
Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen.
({2})
Die Ökosteuer beinhaltet eine ungerechte Wettbewerbsverzerrung, weil die größten Energieverbraucher
von der Steuerpflicht befreit werden und ermäßigte
Steuersätze eingeräumt bekommen, während viele Betriebe und private Haushalte stärker belastet werden.
Das bringen Sie mit diesem Gesetz nicht zusammen.
Hören Sie einmal, Sie Öko-Schlauch - ich gebe ja zu,
dass Sie eher dem C-Schlauch bei meiner Feuerwehr
ähneln -:
({3})
Wie kommen Sie eigentlich dazu, den Benzinpreis auf 2
DM pro Liter hochzutreiben und gleichzeitig die als
umweltschädlich bekannte Kohle steuerfrei zu stellen?
({4})
Diese Logik muss mir einmal jemand erklären. Das ist
Ihre Ökologie; das ist Ihr ökologisches Umdenken und
nichts anderes. Das ist eine Fehlleitung und eine Fehllogik. Das kann ich Ihnen nur deutlich sagen.
Unter dem Deckmantel der Schonung von Ressourcen findet eine gigantische Geldbeschaffungsmaßnahme
für die Rentenversicherung statt.
({5})
Die Senkung der Lohnnebenkosten wird durch die Steuererhöhungen konterkariert. Damit werden keine neuen
Arbeitsplätze geschaffen. Wenn ich in meinem Betrieb
letzten Endes zehn Pfennig weniger Lohnnebenkosten
pro Stunde habe, aber es gleichzeitig erhebliche Kostensteigerungen durch die Ökosteuer gibt, dann kann ich
keine neuen Arbeitsplätze schaffen
Das ist die Fehlannahme, die es in diesem Gesetz gibt.
Die Ökopreistreiberei ist eben kein marktwirtschaftliches, sondern ein ungeeignetes Instrument zur Senkung
der Sozialversicherungsbeiträge.
({6})
Es hat nicht im Entferntesten etwas mit Ökologie zu tun.
Inzwischen stellen aber auch viele Rechtsgutachten
die Verfassungsmäßigkeit des Ökosteuergesetzes in Frage. Ich sehe Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz,
die Finanzverfassung, das staatsrechtliche Verfahren
und auch gegen das EU-Recht.
({7})
Zum Gleichheitsgrundsatz. Die Aufkommens- und
Belastungsneutralität für die Wirtschaft und die
Verbraucher ist durchgängig nicht gewahrt. Die Freistellungs- und Ermäßigungstatbestände sind lenkungspolitisch kontraproduktiv. Wie kommen Sie eigentlich dazu
anzunehmen, dass die Teilung der Wirtschaft in zwei
Gruppen eine richtige Maßnahme ist? Ich kann im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz einen Verstoß gegen
Art. 3, Art. 12 und Art. 14 des Grundgesetzes deutlich
feststellen.
({8})
Sie haben mit diesem Gesetz den an verschiedener Stelle
niedergelegten Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes
verletzt.
Auch Prinzipien der Finanzverfassung haben Sie verletzt, die besagen, dass Bedürfnisse des Staates nur dann
durch Steuern gedeckt werden dürfen, wenn dabei die
Leistungsfähigkeit seiner Bürger Berücksichtigung findet.
({9})
Diese Prinzipien der Finanzverfassung sehen ebenfalls
eindeutig vor, dass eine neue Steuerart nur mit einer
Zweidrittelmehrheit eingeführt werden darf. Die Ökosteuer ist ja keine endbesteuernde Verbrauchsteuer.
Vielmehr haben Sie eine neue Steuerart eingeführt, die
Sie nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Deutschen
Bundestag hätten beschließen dürfen.
Ich kann Ihnen klar sagen: Insbesondere das staatsrechtliche Verfahren, das Sie hier angewendet haben, schreit
zum Himmel.
({10})
Sie haben letzten Endes die Notifikation der EUKommission in der zweiten und dritten Lesung immer
vorausgesetzt. Der Bundestag hat den Beschluss gefasst
und der Bundespräsident hat die Unterschrift unter das
entsprechende Gesetz gesetzt - und das, obwohl Sie verschwiegen haben, dass es keine Notifikation der beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission
gibt.
Gleichzeitig haben Sie - mit einem Brief am
20. Dezember an die Oberfinanzdirektion - diese Ökosteuer in weiten Teilen einfach ausgesetzt. Wenn ein
Gesetz in weiten Teilen nicht administrierbar ist, dann
ist es rechtsungültig - ein Rechtszustand, den Sie so
nicht verantworten können.
({11})
Ich kann Ihnen abschließend nur sagen: Die Bundesregierung sollte nicht nur Teile des Gesetzes einfrieren,
wie es Herr Eichel am 20. Dezember getan hat, sondern
es gänzlich zurücknehmen, bevor es das Bundesverfassungsgericht tun wird. Das Ökosteuergesetz, Herr
Schlauch, ist rot-grüne Gesetzgebung bei Fallobst:
({12})
Wenn die Dummheiten reif sind, fallen sie von selbst.
({13})
Das Wort hat nun
der Kollege Christoph Matschie, SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie müssen unter einer
gigantischen Verdrängung leiden, wenn Sie hier von
„Willkür“, „Geldbeschaffung“ und „Ökozockerei“ reden.
({0})
Ich möchte Sie nur an ein paar Fakten erinnern. Ich
weiß, es tut manchmal weh, an Fakten erinnert zu werden, aber ich kann es Ihnen nicht ganz ersparen. Ich beziehe mich einmal auf die Jahre seit 1989. Januar 1989:
Erhöhung der Mineralölsteuer um 9 Pfennig;
({1})
Januar 1991: Erhöhung der Mineralölsteuer um
3 Pfennig; Juli 1991: Erhöhung der Mineralölsteuer um
22 Pfennig;
({2})
Januar 1994: Erhöhung der Mineralölsteuer um
16 Pfennig.
({3})
Das alles war in Ihrer Regierungsverantwortung.
Das hat auch nicht dazu geführt - Herr Solms, Sie
waren auch daran beteiligt -, dass die Kraftfahrzeugsteuer verringert worden ist, wie Sie das hier wohlfeil fordern.
({4})
Auch die Kraftfahrzeugsteuer ist im gleichen Zeitraum zumindest für Dieselfahrzeuge - um 24 DM pro 100
Kubikzentimeter Hubraum gestiegen.
({5})
Sie müssen einmal zu den Fakten zurückkehren, liebe
Kolleginnen und Kollegen.
({6})
Nun zu der Einordnung dieser Debatte und den Vorwürfen, die Sie hier erheben. Sie sagen, die Wettbewerbsfähigkeit sei gefährdet, wir seien nicht mehr konkurrenzfähig mit unseren Nachbarn. Schauen Sie doch
einmal in ein paar Preistabellen hinein. Der ADAC zum
Beispiel - ich gebe Ihnen einen Anstoß - hat eine Liste
der Preise für einen Liter Bleifrei Super herausgegeben,
Stand 7. Januar dieses Jahres: Niederlande: 2,10 DM;
Dänemark: 2,10 DM; Frankreich: 2,03 DM; Belgien:
1,95 DM; Deutschland: 1,94 DM. Sie sehen, dass viele
unserer Nachbarländer höhere Preise haben als wir. Insofern ist der Vorwurf, die Wettbewerbsfähigkeit sei
nicht gegeben, völlig absurd. Ich weiß nicht, wie Sie das
begründen wollen.
({7})
Wenn Sie theoretische Probleme mit dem Fakt haben,
dass Verkehr verteuert werden muss, dann möchte ich
Sie einmal an eine Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden erinnern. Er hat am 20. September 1997 vor der CSU - um
denen in Sachen Ökosteuer ein bisschen Nachhilfe zu
geben - eine Rede gehalten. Dabei hat er ausgeführt
({8})
- nein, das ist noch nicht vorgelesen worden! -:
Es führt kein Weg daran vorbei: Der Straßenverkehr, und zwar der Güterverkehr ebenso wie der
Personenverkehr, ist zu billig zu haben. Die Preise
spiegeln nicht die wahren Kosten wider. Wir werden den Straßenverkehr teurer machen müssen,
gerade in Deutschland. In den meisten anderen europäischen Ländern liegt der Benzinpreis höher als
bei uns.
Das war die Einsicht Ihres Fraktionsvorsitzenden 1997.
({9})
Aber offensichtlich stehen Sie heute nicht mehr dazu,
({10})
so wie die Position Ihres Fraktionsvorsitzenden insgesamt ein bisschen infrage steht.
Aber ich brauche gar nicht so weit in die Vergangenheit zu gehen. Einer Ihrer Sprecher, Herr Merz, hat in
einem Interview 1998 gesagt:
Durch die Ökosteuern sollen Steuereinnahmen erzielt werden, um auf der anderen Seite Sozialausgaben zu reduzieren. Über ein solches Konzept
kann man reden.
Also reden Sie darüber, machen Sie vernünftige Vorschläge, anstatt alles in Bausch und Bogen zu verdammen!
Im Übrigen sind Sie in der Diskussion in Europa weit
hinterher. Dänemark, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schweden, Großbritannien haben in den
letzten Jahren Umweltsteuern eingeführt. In Frankreich
wird heute übrigens ein neues Klimaschutzpaket vorgestellt. Ein wichtiger Bestandteil dieses Klimaschutzpaketes ist die Erhöhung der Steuern auf den Verbrauch von Energien. In allen europäischen Staaten ist
dieses Konzept im Grundsatz anerkannt. Nur bei Ihnen
scheint diese Einsicht überhaupt nicht vorhanden zu sein.
({11})
Zu dem Vorwurf der Mehrbelastung in den neuen
Bundesländern kann ich nur sagen: Auch hier sollten Sie
sich ein bisschen an die Zahlen halten und nicht im Plenum des Deutschen Bundestages herumfantasieren. Die
Schätzung des Aufkommens aus der Ökosteuer in den
neuen Bundesländern im Jahr 1999 liegt bei
1,56 Milliarden DM. Die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge wird 1,6 Milliarden DM betragen. Die
Entlastung ist hier also etwas höher als die Belastung.
Die Energiekosten der privaten Haushalte betragen
sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern zwischen 6 und 7 Prozent des Einkommens, obwohl die verfügbaren Einkommen in den alten Bundesländern im Durchschnitt höher sind. Das hängt damit zusammen, dass die Energieverbräuche in den Haushalten
in Ostdeutschland niedriger sind.
Jetzt komme ich noch zu einem interessanten Punkt.
Die Teuerungsrate lag 1999 durchschnittlich bei
0,7 Prozent in den alten Bundesländern, in den neuen
Bundesländern jedoch nur bei 0,4 Prozent. Das hat damit zu tun, dass der Anteil an Heizölverwendung in den
ostdeutschen Haushalten wesentlich geringer ist als in
den alten Bundesländern. Auch hier ist der Anteil, den
die neuen Bundesländer zu leisten haben, wesentlich geringer als der Anteil der alten Bundesländer. Es ist also
ein Märchen, wenn man behauptet, Ostdeutschland sei
besonders belastet.
Ich möchte eine letzte Bemerkung zu Ihres Belastungsrechnung, Herr Austermann, machen. Sie sprachen
von 800 DM zusätzlicher Belastung im Jahr durch die
Ökosteuer. Nach den Berechnungen, die uns vorliegen,
kann ich nur fragen: Sind Sie eigentlich ständig mit dem
Lkw unterwegs? Ich kann mir nicht vorstellen, wie sonst
eine solche Belastung für Sie zustande kommt.
({12})
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich
auch den Begriff „Heuchler“ nicht parlamentarisch finde. Das wollte ich dem Kollegen Bernd Scheelen gesagt
haben.
({0})
Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Paziorek,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Die rot-grüne Regierungskoalition hat mit der Erhöhung der Steuersätze im Rahmen
der so genannten ökologischen Steuerreform den Weg
fortgesetzt, mit dem sie vordergründig der Umwelt helfen will, mit dem sie aber tatsächlich die Idee des Umweltschutzes in Deutschland nachhaltig beschädigen
wird.
({0})
Herr Schlauch, Sie haben hier gerade herumgeschrien, „lautstark argumentiert" kann man vielleicht
auch sagen.
({1})
Sie haben herumgeschrien, Sie sind wohl sehr unter
Druck gewesen; ich weiß gar nicht, weshalb. Sie haben
jedoch in einer Art argumentiert, die für einen Fraktionsvorsitzenden zu diesem Thema nicht angemessen ist.
({2})
Dazu will ich Ihnen ganz deutlich sagen: Keiner von der
CDU/CSU bestreitet - ich will diese Formulierung bewusst gebrauchen -, dass es notwendig ist, unser Steuersystem Schritt für Schritt umweltgerecht umzugestalten,
({3})
damit die Inanspruchnahme der Umwelt in sinnvollem
Maße finanziell einbezogen wird.
({4})
Das bestreitet niemand. Frau Merkel hat mit dieser
Aussage ebenso Recht wie Herr Schäuble. Das Entscheidende, Herr Schlauch, ist, wie man das macht.
({5})
Wir sagen Ihnen: Sie machen es falsch. Sie machen es
nicht richtig, und das ist der entscheidende Unterschied
zwischen uns.
({6})
Ich will Ihnen methodisch auf den Punkt gebracht sagen, warum Sie es falsch machen:
({7})
Jede echte ökologische Steuerreform muss von dem
ganz einfachen Grundsatz ausgehen,
({8})
dass sich umweltgerechtes Verhalten letztlich für den
Unternehmer und die Privatpersonen lohnen und derjenige, der sich nicht umweltgerecht verhält, mit Preiszuschlägen rechnen muss. Das ist der richtige Grundsatz.
Jetzt schauen wir uns unter Berücksichtigung dieses
Grundsatzes Ihre Steuerreform an.
({9})
Die Kolleginnen und Kollegen der SPD sagen, dass es
gar nicht so schlimm sei, wenn man im ökologischen
Bereich ein wenig mehr zahlt; denn das würde über die
Sozialversicherung wieder zurückgegeben.
Ich frage Sie: Was ist daran umweltgerecht, dass diejenigen, die dadurch mehr im Portemonnaie haben, sagen, das, was ich jetzt mehr im Portemonnaie habe, gebe
ich für das Benzin aus und fahre ein paar Kilometer
mehr? Damit hebeln Sie sich doch umweltpolitisch aus.
Das ist der erste Widerspruch.
Der zweite Widerspruch liegt darin - jetzt werden Sie
ruhiger -, dass Sie sagen, wir geben das Geld, um damit
die Rentenkasse bis zum Jahr 2004/2005 zu stabilisieren. Was machen Sie denn, wenn sich alle so verhalten,
wie Sie es in Ihren schönen Wunschreden ausgeführt
haben? Dann bricht Ihr ganzes Finanzsystem der Zuweisung schon im Jahr 2002 zusammen. Das ist doch die
Krux, und daran kann man erkennen, dass Sie methodisch überhaupt nicht die Grundsätze einer ökologischen
Steuerreform berücksichtigen.
({10})
Die Menschen fragen sich schon heute - so zum Beispiel im ländlichen Raum bei mir im Wahlkreis -: Wieso wird gerade der Arbeitnehmer bestraft, der das Pech
hat, dass sein Arbeitsplatz etwas weiter weg liegt als bei
dem Arbeitnehmer, der das Glück hat, dass dessen Arbeitsplatz direkt vor dessen Haustür liegt? Das ist doch
ungerecht. Warum bestrafen Sie Arbeitnehmer, die auf
Grund der Umstände keinen anderen Arbeitsplatz aufsuchen können als einen, zu dem sie morgens mit dem
Fahrzeug hinfahren müssen?
({11})
Sie bestrafen diese Menschen; denn diese haben nach
Ihrem System keine Entlastungsmöglichkeiten. Daran
kann man erkennen: Sie kassieren ab.
Wenn Sie wirklich ein umweltpolitisches, ökologisch
sinnvolles Steuersystem wollen - Herr Loske, Sie argumentieren im Ausschuss eigentlich differenzierter; ich
bin erstaunt, wie grobschlächtig Sie gerade argumentiert
haben -,
({12})
wenn Sie wollen, dass sich die Menschen umweltpolitisch neu verhalten, dann müssen Sie ein Steuersystem
wählen, das lange Übergangsfristen kennt. Denn nur
dann, wenn ein Steuersystem lange Übergangsfristen
kennt, hat der Einzelne die Möglichkeit zu sagen: Den
nächsten Autokauf ziehe ich vor und werde darauf Wert
legen, dass ich mich nicht für ein Sechsliterauto, sondern für ein Fünfliterauto entscheide. Derjenige, der in
zwei Jahren seine Heizung umbauen möchte, zieht den
Neubau der Heizung vor, weil sich das für ihn finanziell
vielleicht lohnt. Wenn Sie aber eine Steuerreform im
November verabschieden, die schon zum ersten Januar
des darauf folgenden Jahres wirkt, dann frage ich Sie,
wie sich die Verbraucher auf eine solche neue Steuer
einstellen sollen.
({13})
- Nein, Sie haben sofort mit der Steuererhöhung angefangen. Und jedes Jahr packen Sie noch drauf.
({14})
Wissen Sie, Sie wollen in Wirklichkeit verhindern, dass
die Menschen eine sinnvolle Ausweichstrategie entwickeln;
({15})
denn sonst kämen Ihre Finanzbeträge nicht zusammen,
die Sie brauchen, um die Rentenkasse zu finanzieren.
Das ist ökologisch heuchlerisch und passt nicht zusammen.
({16})
Viel interessanter ist der Begründungstext Ihres
Gesetzes; sehen Sie sich ihn einmal an. In der ganzen
Begründung wird nichts zu einer ökologischen
Zielgenauigkeit gesagt. Es steht nichts über CO2Dr. Peter Paziorek
Reduktionen drin, weil Sie ganz genau wissen, dass Ihr
Gesetz so breit angelegt ist, dass es dazu gar nicht zielgenau beitragen kann.
Ihre Konzeption widerspricht auch der Konzeption an
anderer Stelle: In allen Berichten des Bundesumweltministeriums gehen Sie von einem mengensteuernden Ansatz bei der CO2-Reduktion aus.
({17})
- Das große Problem ist, dass Sie das nicht wissen. Deshalb kann die Regierung Sie als Koalitionsabgeordneten
manchmal so über den Tisch ziehen. Ihr Zwischenruf
war wirklich entlarvend; vielleicht haben Ihnen die Kollegen aus dem Umweltausschuss das noch nicht gesagt.
({18})
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist abgelaufen.
Wir haben die
ganz große Bitte - nicht nur in Ihrem eigenen Sinne,
sondern in einem Sinne einer echten Umweltpolitik -:
Lassen Sie ab von diesem Weg! Nehmen Sie die Menschen mit in eine neue Umweltpolitik! Sie werden die
Menschen gegen eine solche Umweltpolitik aufbringen,
wenn der eine bestraft und der andere nur minimal belohnt wird. Das ist ungerecht. In dem Sinne ist dieses
Gesetz aus meiner Sicht verfassungsmässig höchst bedenklich.
({0})
Jetzt hat das Wort
die Kollegin Ulrike Mehl, SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Ich komme, auch nach dem, was
ich hier gehört habe, nicht umhin festzuhalten, dass die
Opposition mit dieser Debatte ein leicht zu durchschauendes Wahlkampfmanöver versucht; das ist so offensichtlich. Wie anders ist es zu erklären, dass Sie die Debatte um die Ökosteuer - begleitet mit einer entsprechenden Öffentlichkeitskampagne - nicht während der
parlamentarischen Beratung führen, bevor das Gesetz
beschlossen wird? Sie führen sie vielmehr rein zufällig als wenn das gar nichts damit zu tun hätte - sechs Wochen vor einem wichtigen Landtagswahlkampf. Ich denke, es ist ziemlich eindeutig, dass Sie versuchen, von Ihrem Desaster abzulenken.
({0})
Die Argumente sind - wenn es erlaubt ist, dies zu sagen, scheinheilig, und zwar aus mehreren Gründen. Der
erste Grund, den ich nennen möchte, ist schon mehrmals
genannt worden; man kann ihn aber gerne wiederholen.
Sie haben in der Zeit von 1989 bis 1994 den Bürgerinnen und Bürgern eine Mineralölsteuererhöhung von 50
Pfennig zugemutet; allein 1991 waren es 23 Pfennig,
Herr Matschie hatte es eben gesagt.
({1})
Sie haben dieses Geld nicht an die Bürgerinnen und
Bürger zurückgegeben, sondern in große schwarze
Haushaltslöcher fließen lassen. Das teilen Sie der interessierten Öffentlichkeit bei Ihren Tankstellenaktionen
natürlich nicht mit. Wir hingegen - auch das wiederhole
ich - lassen das Geld komplett zurückfließen und stecken es in regenerative Energien.
Zweitens sind Ihre Argumente auch deshalb scheinheilig, weil Sie selbst seit Jahren behaupten, dass aus
Umweltschutzgründen eine Ökosteuer sinnvoll ist, und
zwar nicht nur auf europäischer Ebene. Denn kein Geringerer - auch ich habe ein Zitat; auch das ist noch
nicht genannt - als Wirtschaftsminister Rexrodt in seiner
Amtszeit hat in seinen Kernpunkten einer ökologisch
verpflichtenden sozialen Marktwirtschaft im Juni 1995
zur Einführung einer CO2-/Energiesteuer Folgendes
festgehalten:
Sollten die entsprechenden Anstrengungen der
Bundesregierung nicht fruchten, werde ich zu gegebener Zeit einen Vorschlag für einen nationalen
Alleingang vorlegen.
Herr Rexrodt fand das offenbar nicht abwegig. Außerdem wäre es davon abgesehen kein nationaler Alleingang gewesen, weil nämlich bereits sieben europäische Länder eine Ökosteuer eingeführt haben.
Interessant ist, dass es nicht bei dieser Ankündigung
geblieben ist. Vielmehr ist - auch das ist bisher unerwähnt geblieben - im April 1998 von der damaligen
Umweltministerin Merkel tatsächlich ein Entwurf erarbeitet worden. Wenn man sich anschaut, was dringestanden hat, dann ist es nicht weit von dem entfernt, was
wir jetzt tatsächlich umgesetzt haben. Die Grundstruktur
ist nämlich genauso. Deswegen wundere ich mich darüber, dass Sie unser Konzept und überhaupt die Ökosteuer für ein Horrorkonstrukt der rot-grünen Regierung
halten. Sie kritisieren damit die für Sie ja so wichtige
und fähige Generalsekretärin. Ich würde mit ihr vielleicht noch einmal Rücksprache nehmen. Ich glaube,
dass Sie sie damit beschädigen. Sie macht sich unglaubwürdig.
({2})
- Ja, ja, warum ist er wohl erarbeitet worden?
Also, Sie wissen ganz genau, dass in Sachen Klimaschutz eine riesige und sehr schwierige Aufgabe vor uns
liegt. Die kommenden Maßnahmen müssen ein Bündel
sein. Es sind verschiedene Dinge, die erarbeitet werden
müssen. Aber an vorderster Stelle muss das Thema Energieeinsparen stehen, das heißt energiesparende Technologien entwickeln, damit Arbeitsplätze schaffen und
einen Wettbewerbsvorsprung erhalten. Auch das ist positiv, wenn wir mit Technologien schneller und weiter
sind als andere Staaten.
({3})
Der Punkt ärgert mich an dieser Debatte besonders.
Voraussetzung für solche Maßnahmen ist, dass es in der
Bevölkerung ein breites Zustimmungsfundament gibt.
Wir haben lange über solche und andere Instrumente
diskutiert. Sie versuchen in für mich unverantwortlicher
Weise
({4})
aus billigen wahltaktischen Gründen genau dieses Fundament zu zerstören.
({5})
Das ist nicht auch nur ansatzweise akzeptabel.
Nun kann man in Schleswig-Holstein zufällig hier
und da Kommentare der Ökosteuerspezialisten der CDU
lesen, in denen zum Beispiel behauptet wird, Rot-Grün
macht das Autofahren unbezahlbar und gefährdet die
Existenzen vieler. Das finde ich schon sehr erstaunlich,
wenn man daran zurückdenkt, welche Steuererhöhungen, die nicht zurückgeflossen sind, Sie beschlossen und
umgesetzt haben. Kein Mensch hat damals davon geredet, dass irgendjemand Schwierigkeiten bekommen
könnte.
Ich will dazu noch ein paar Bemerkungen machen.
Das können Sie
nicht Frau Kollegin, weil Ihre Redezeit abgelaufen ist.
Das ist wirklich schade.
Also dann einen Schlusssatz. Als Sie die Mineralölsteuer erhöht und dabei wirklich zugeschlagen haben,
als Sie die Lohnnebenkosten immer weiter haben in die
Höhe treiben lassen, als Sie die Bürgerinnen und Bürger
immer weiter mit Kosten - vor allen Dingen im Gesundheitsbereich - und anderem belastet haben, haben
Sie kein Wort darüber verloren, ob die Menschen damit
klarkommen oder ob es auch soziale Gruppen gibt, die
besondere Schwierigkeiten kriegen. Weil Sie uns nach
diesen Maßnahmen außerdem noch einen völlig desaströsen Bundeshaushalt hinterlassen haben, finde ich,
kann man Ihre Aktion und Ihren Debattenwunsch wirklich als scheinheilig betrachten.
({0})
Jetzt hat Kollege
Ronsöhr, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier
wurde ja nun wieder erklärt, dass die Ökosteuer zu gar
keinen ungerechtfertigten Belastungen führe, dass sie
keine Wettbewerbsverzerrungen mit sich bringe. Ich will
Ihnen einmal sagen, was der Landwirtschaftsminister im
Dezember in Braunschweig erklärt hat. Als Erstes einmal sei er eine Einmannbewegung gegen die Ökosteuer.
Als Zweites hat er erklärt, die Ökosteuer führe in der
Landwirtschaft zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen. Die Ökosteuer belaste die Landwirtschaft überproportional. Das, was laut Herrn Funke für die Landwirtschaft gilt, gilt nach meiner Meinung auch für die ländlichen Räume. Ich finde es schon etwas eigenartig, wenn
Sie, Frau Ganseforth, davon sprechen, dass die Menschen Energie verquasen. Was soll denn ein VWArbeiter in meinem Wahlkreis machen, der 30 Kilometer vom Volkswagenwerk entfernt wohnt? Er fährt morgens mit seinem Auto dort hin. Er kauft sich ein kleines,
sparsames Auto. Trotzdem wird ihm generell der Vorwurf gemacht, er verquase Energie. Deshalb müssten die
Benzin- und Dieselpreise, die er bezahlen muss, steigen.
({0})
Ich finde das ungerecht.
({1})
- Sprechen Sie mit den Arbeitnehmern ruhig einmal über die Vorteile dieser Energieerhöhungen! Herr von
Larcher, ich habe sowieso den Eindruck, dass Sie in Ihrer eigenen Partei politisch meistens dort stehen, wo Sie
keiner abholt. Sie wird auch keiner abholen, wenn es um
die Interessen der Arbeitnehmerschaft von VW geht.
Der VW-Arbeiter sagt: Wenn ich tanke
({2})
und allein die zusätzliche Belastung durch die Ökosteuer
spüre, dann sind alle Entlastungen, die man mir früher
versprochen hat, weg. Die Arbeitnehmer, die mit ihrem
Fahrzeug zur Arbeit fahren müssen, werden ständig belastet. Das ist ungerecht.
({3})
Sie sollten sich einmal vor Augen führen, welche ungeheuren zusätzlichen Belastungen im ländlichen Bereich durch den Transport eines Behinderten mit einem
Kleinbus entstehen.
({4})
- Hören Sie bitte zu! Ich habe Ihnen auch zugehört! Verquast dieser Behinderte Benzin? Nein, er nimmt
Leistungen wahr, die ihm zustehen und die er unbedingt
zur Rehabilitation und zur Integration benötigt. Es ist im
Grunde eine Sauerei, dass Sie alles verteuern.
({5})
In der Landwirtschaft sind wir schon weiter. Der
Bundesminister für Landwirtschaft hat anlässlich der
Grünen Woche - wir haben ihm genau zugehört - angekündigt, dass die Belastung der Landwirtschaft durch
die Verteuerung des Diesels um 900 Millionen DM verringert werden soll. Das heißt, er hat anerkannt, dass
hier eine überproportionale Belastung entstanden ist. Er
hat dann unter dem Beifall der Bäuerinnen und Bauern
erklärt, dass die Belastung wieder zurückgenommen
wird. Ich finde das richtig. Bitte tun Sie dies auch! Sorgen Sie wieder für vernünftige Regelungen bei der Gasölbeihilfe, damit diese Regierung nicht erst die Verteuerung von Energie beschließt und nachher nur das zurücknimmt, was vorher an Belastungen der Landwirtschaft zugemutet worden ist. Hier gibt es doch eine
Wettbewerbsverzerrung.
Herr Schlauch, Sie haben über die Waldschäden im
Schwarzwald gesprochen.
({6})
Ich habe mir angeschaut, wie man in Hochlagen Holz
bergen kann. Dies ist ungemein schwierig. Auf der einen
Seite benötigt man technisch sehr versierte Arbeitskräfte. Aber auf der anderen Seite benötigt man auch Maschinen, die sehr viel Energie verbrauchen.
({7})
Wie ließe sich sonst das Holz an schwierigen Stellen sicher bergen? Tun Sie doch nicht so, als ob sich jeder
Sturm, der bisher über die Bundesrepublik oder über Europa niedergegangen ist, durch die Ökosteuer hätte verhindern lassen.
Wenn Sie tatsächlich zu einem geringeren Energieeinsatz kommen - das ist Ihnen hier schon mehrmals erklärt worden -, dann stimmen doch die finanziellen
Grundlagen, die Sie hinsichtlich der Rentenversicherung
vorgetragen haben, nicht mehr.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Insofern
ist die Ökosteuer von vornherein nur Lug und Trug gewesen.
({0})
Im Grunde genommen hat die Bevölkerung das längst
durchschaut. Wir warten die Wahlergebnisse ab, auch
das der Grünen in Schleswig-Holstein.
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist abgelaufen.
Die Grünen in Schleswig-Holstein haben die Ökosteuer abgekanzelt. Das wird auch die Bevölkerung in diesem Lande tun.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass ich etwas länger
habe reden können.
({0})
Nein, Herr Kollege,
Sie durften nicht länger reden, weil wir in einer Aktuellen Stunde sind; aber wir sind ja großzügig.
Ich erteile nun dem Ministerpräsidenten des Saarlandes, Herrn Peter Müller, das Wort.
({0})
Peter Müller, Ministerpräsident [Saarland]: Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Idee des ökologischen und sozialen Umbaus unseres
Steuersystems ist richtig.
({1})
Das Etikett einer Ökosteuer ist positiv besetzt.
({2})
Weil das so ist, lieber Herr Abgeordneter Schlauch,
({3})
muss die Frage erlaubt sein, ob dort, wo „Ökosteuer“
draufsteht, auch „Ökosteuer“ drin ist. Ich sage Ihnen:
Das, was Sie vorgelegt haben, ist weder „öko“ noch „logisch“ noch sozial und es hat mit der Idee einer ökologischen Veränderung unseres Steuersystems nichts zu tun.
({4})
Ich will Ihnen gerne begründen, warum das so ist.
Das Wesen einer ökologischen Steuerreform ist doch
wohl die Erzielung ökologischer Lenkungseffekte.
({5})
Das Wesen besteht darin, dass die Inanspruchnahme - ({6})
- Sie brauchen sich gar nicht so aufzuregen. Hören Sie
doch einmal zu! Vielleicht lernen Sie etwas, dann war
die Debatte zumindest für Sie nicht umsonst.
({7})
- Ich fange doch erst an.
Erstens. Einen ökologischen Lenkungseffekt erzielt
man dadurch, dass die Inanspruchnahme natürlicher
Ressourcen nicht mehr kostenfrei, sondern zu kostenechten Preisen erfolgt, dass dadurch Sparanreize gesetzt werden und eine Umweltrendite dergestalt erzielt
wird, dass der Umweltverbrauch und damit zwingend
auch das Aufkommen der Steuer zurückgeht.
Was aber bieten Sie uns anstelle von kostenechten
Preisen an? Sie bieten uns an, dass diejenigen, die die
natürliche Lebensgrundlagen in besonderem Umfang in
Anspruch nehmen und besonders viel Energie verbrauchen, etwa das produzierende Gewerbe, - relativ gesehen - deutlich weniger zahlen als der Normalverbraucher, der die Umwelt weniger in Anspruch nimmt.
({8})
Wer viel in Anspruch nimmt, der muss wenig zahlen;
wer wenig in Anspruch nimmt, der muss viel zahlen.
Das ist die Perversion der Idee einer ökologischen Steuerreform. Deshalb können Sie dieses Etikett vergessen.
({9})
Zweitens. Maßstab für die Bemessung der Steuer
müssten doch die Höhe und der Umfang der verursachten Emission sein. Damit ist aber überhaupt nicht vereinbar, dass die CO2-Bilanz bei der Bemessung Ihres
Ökosteuermodells überhaupt keine Rolle spielt.
Drittens. Vor allem kalkulieren Sie mit einem stabilen
Aufkommen aus dieser Ökosteuer. Sie rechnen mit Jahr
für Jahr zusätzlichen Einnahmen für den Bundeshaushalt, weil Sie damit Sozialversicherungsbeiträge stabilisieren wollen.
({10})
Das hat zur Voraussetzung, dass ökologische Lenkungseffekte nicht eintreten. Sie sind darauf angewiesen, dass
nicht weniger Energie verbraucht wird, weil sonst Ihre
Rechnung nicht mehr aufgeht. Deshalb wiederhole ich:
Da steht zwar „Ökosteuer“ drauf, aber da ist keine Ökosteuer drin.
({11})
Weil das so ist, sollten Sie das Gesetz vielleicht „Gesetz zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge“
nennen. Darüber kann man reden. Sie können noch so
häufig Wolfgang Schäuble, Angela Merkel und andere
zitieren: Sie sind für eine echte ökologische Lenkungssteuer und nicht für das von Ihnen vorgeschlagene Modell. Deshalb nutzen auch all diese Zitate nicht. Das mag
sich in der Debatte ganz gut machen; an der Sache geht
es vorbei.
({12})
Bei einem Gesetz zur Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge
({13})
- Herr Schlauch, ich weiß gar nicht, warum Sie sich so
aufregen; irgendwie habe ich den Eindruck, dass da ein
kritischer Punkt getroffen worden ist - muss die Frage
erlaubt sein, wer davon profitiert und einen Vorteil hat,
({14})
wer die Lasten trägt und ob die Lasten gerecht verteilt
sind. Wer gewinnt? Gewinner sind diejenigen
({15})
- das ist offensichtlich notwendig in diesem Haus -,
({16})
bei denen die Entlastung durch geringere Sozialversicherungsbeiträge höher ist als die zusätzliche Belastung
über höhere Steuern. Gewinner ist aber auch der Bund.
Sie können da erzählen, was Sie wollen.
({17})
Sie wollen die Sozialversicherungsbeiträge stabilisieren
und sogar eine Senkung um einen Prozentpunkt erwirtschaften.
({18})
Diesem entspricht etwa ein Betrag von 20 Milliarden
DM. Für das Jahr 2003 erwarten Sie ein Aufkommen in
Höhe von 35 Milliarden DM.
({19})
Es geht also in allererster Linie darum, zusätzliche
Handlungsspielräume zu erwirtschaften, um Haushaltslöcher zu stopfen. Das ist die Wahrheit an dieser Stelle.
({20})
Wer aber ist der Verlierer? Verlierer sind diejenigen,
die diese Steuer, die Sie Ökosteuer nennen, zahlen müssen, ohne selber entlastet zu werden. Das sind Studenten, viele Alleinerziehende, Sozialhilfeempfänger, Beamte und Selbstständige. Die Arbeitslosen heranzuziehen, um die Sozialversicherungssysteme derjenigen zu
stabilisieren, die Arbeit haben, ist sozial nicht ausgewogen, sondern ungerecht. Deshalb kann ich sagen, dass
diese Steuer unsozial ausgestaltet ist.
({21})
Sie bekommen weitere Gleichheits- und Gerechtigkeitsprobleme.
({22})
Die umfänglichen Ausnahmen, die Sie auf der einen Seite vorsehen, rechtfertigen nicht, an anderen Stellen die
Steuern in vollem Umfange zu erheben.
Ministerpräsident Peter Müller ({23})
Eben wurden die Bauern angesprochen. Herr Funke
hat jetzt erklärt, dass es so nicht gehe und man hier natürlich etwas machen müsse, zum Beispiel steuervergünstigten Agrardiesel wie in Frankreich anbieten. Hierzu hat sich Herr Eichel kryptisch geäußert. Im Zweifelsfalle müssen Sie einen weiteren Ausnahmetatbestand
schaffen. Das Ergebnis davon wären mehr Bürokratie,
noch unüberschaubarere Regelwerke, noch weniger systematische Gerechtigkeit. Das ist sicherlich kein sinnvoller Beitrag in dieser Debatte.
({24})
Was machen Sie mit den Speditionsunternehmen, die
mit enorm niedrigen Umsatzrenditen arbeiten? Jeder
Lkw wird pro Jahr bei jeder Stufe mit 2 800 DM zusätzlich belastet. Ich komme aus einer Grenzregion und
weiß, unter welchem Konkurrenzdruck die Speditionsunternehmen stehen angesichts der Unternehmen auf der
anderen Seite der Grenze.
({25})
Mit Ihrem Modell gefährden Sie die Existenz der Speditionsunternehmen. Deshalb ist es nur allzu verständlich,
dass diese Unternehmen den Weg zum Verfassungsgericht beschreiten.
({26})
Verehrter Herr Diller, Sie haben gesagt, Sie wohnten
an der Grenze zu Luxemburg. Auch ich wohne dort. Sie
haben so sicherlich die Möglichkeit, irgendwann einmal
am Wochenende nach Schengen, Perl oder sonst wohin
an die luxemburgische Grenze zu fahren und sich anzuschauen, was dort los ist. Was ist dort los? Endlose KfzSchlangen von Deutschen, die nach Luxemburg fahren,
um dort billig zu tanken.
({27})
Das hat zur Folge, dass die Existenzgrundlage deutscher
Tankstellenbesitzer gefährdet wird und auch dort Existenzen vernichtet werden. Das ist die Wahrheit. Das
werden Sie doch wissen, wenn Sie dort wohnen.
({28})
Deshalb sage ich Ihnen: Auf dem,
({29})
lieber Herr Kollege Schlauch, was Sie hier vorgelegt haben, steht Ökosteuer drauf, ist aber nicht Ökosteuer drin.
({30})
Sie haben dazwischengerufen: „Der Aufklärer Müller!“
Wenn ich Sie heute darüber aufgeklärt habe, ist es gut
für den politischen Diskurs in der Bundesrepublik
Deutschland.
({31})
Was Sie hier vorlegen, ist ein Abkassiermodell, mehr
nicht, ein reines Abkassiermodell. Ein Pendler, der
25 000 Kilometer im Jahr zu fahren hat, muss mit einer
Mehrbelastung in einer Größenordnung von etwa 800
DM rechnen, ein Vierpersonenhaushalt mit einer etwa
gleichen Belastung. Deshalb ist es notwendig, bei diesem Gesetz dringend Nachbesserungen vorzunehmen.
Da hilft nicht - auch das will ich sagen -
({32})
der Hinweis auf die Benzinpreise in anderen europäischen Ländern.
Sie können doch Länder, in denen es keine Kfz-Steuer
oder ein völlig anderes Verhältnis von indirekten und direkten Steuern gibt oder in denen die Verbrauchsteuern
völlig anders ausgestaltet sind, nicht mit der Bundesrepublik Deutschland vergleichen.
Ein Benzinpreis von 2 DM, den wir im Moment nicht
haben, den wir aber zum Jahreswechsel hatten
({33})
und den wir wieder bekommen werden, wenn sich die
Ölpreise entsprechend entwickeln,
({34})
ist bei dem Steuersystem der Bundesrepublik Deutschland zu hoch. Er ist nicht vertretbar und muss vermieden
werden.
({35})
Ich teile nicht alles, was der Bundeskanzler Gerhard
Schröder gesagt hat; aber in einem hatte er Recht: Am
6. September 1998 hat er gesagt, mit 6 Pfennig mehr
beim Benzin sei das Ende der Fahnenstange erreicht.
({36})
Mittlerweile sind es 14 Pfennig mehr. Wenn es nach Ihren Plänen geht,
({37})
werden es im Jahr 2003 35 Pfennig mehr sein. Das Wort
dieses Kanzlers scheint nicht viel wert zu sein. Das haben wir in der Rentendiskussion gesehen, das sehen wir
hier wieder.
({38})
Ministerpräsident Peter Müller ({39})
Deshalb sage ich Ihnen zusammenfassend: Das, was
Sie unter dem Etikett „Ökosteuer“ vorlegen, bringt keine
ökologischen Lenkungseffekte, es ist kein Beitrag zum
Klimaschutz und hilft der Erhaltung der Lebensgrundlagen nicht. Es ist wettbewerbsfeindlich, es gefährdet
Existenzen und es ist sozial unausgewogen. Deshalb
sollten Sie diese Pläne zurückziehen.
({40})
Zur Geschäftsordnung hat der Kollege Grund das Wort.
Frau Präsidentin, da
der Ministerpräsident des Saarlandes als ein Vertreter
des Bundesrates in dieser Aktuellen Stunde länger als
10 Minuten gesprochen hat, beantrage ich gemäß § 44
Abs. 3 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, zu diesen Ausführungen eine allgemeine Debatte zu
eröffnen.
Dieses Ansinnen hat
auch die SPD-Fraktion an mich herangetragen. Es ist
richtig, dass der Ministerpräsident mehr als zehn Minuten gesprochen hat.
({0})
- Das ist alles geplant und organisiert; jedenfalls ist es in
§ 44 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung geregelt.
({1})
Ich schließe also die Aktuelle Stunde und eröffne die
Aussprache. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung
ist für diese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen.
({2})
Ich erteile dem Kollegen Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker, SPD-Fraktion, das Wort.
({3})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr
Ministerpräsident Müller, ich bin Ihnen sehr dankbar,
dass Sie einleitend noch einmal auf die Richtigkeit des
Grundgedankens der ökologischen Steuerreform hingewiesen haben.
({0})
Wir wissen allerdings alle, dass der Anlass für die heutige Debatte gar nichts mit dem Prinzip zu tun hat. Das
Prinzip ist allgemein anerkannt. Der Hauptanlass für die
heutige Debatte
({1})
hat mit der gesetzgeberischen Arbeit dieses Hohen Hauses gar nichts zu tun, sondern einerseits mit der begreiflichen Verärgerung von Autofahrern, dass wir zeitweilig
die berühmten 2 DM pro Liter Superbenzin erreicht haben,
({2})
und andererseits mit dem ebenso begreiflichen Wunsch
der Opposition, insbesondere der CDU/CSU, endlich
einmal wieder Themen zu erörtern, die für sie nicht so
ärgerlich sind.
({3})
Die Begreiflichkeit solcher Wünsche stellt aber noch
nicht automatisch einen Beitrag zu dem gesetzgeberischen Verfahren dar, das wir im November 1999 abgeschlossen hatten. Deshalb ist auch inhaltlich gar nichts
Neues dazugekommen. Das hat mich aber nicht besonders überrascht.
({4})
Im Jahr 1999 ist der Weltrohölpreis von etwa
10 Dollar auf etwa 25 Dollar pro Fass angestiegen. Das
ist natürlich der Hauptgrund für die Preissteigerung, die
die deutschen Autofahrer so ärgert. Sie, meine verehrten
Damen und Herren von der Opposition, hatten während
Ihrer Regierungszeit etwas mehr Glück.In den fünf Jahren, in denen Sie den Benzinsteueranteil um 50 Pfennig
erhöht haben, konnten Sie davon profitieren, dass sich
die OPEC nicht einig war und dass der Dollar relativ
schwach war. Deswegen haben die Autofahrer von dieser Erhöhung nicht so viel gemerkt. Es ist daher angesichts der Tatsache, dass sich heute die OPEC einig ist
und der Dollar hoch steht, einfach zu billig, zu sagen,
die SPD und die Grünen seien schuld. Da gibt es doch
keinen Zusammenhang!
({5})
Einige der Redner der Opposition haben schon vorausgesagt, wie das Bundesverfassungsgericht urteilen
wird. Ich bin nicht ganz so verwegen und maße mir
nicht an, vorsorgliche Richterschelte zu betreiben. Ich
sage vielmehr, dass beispielsweise das, was Professor
Schön zum Thema Ökosteuer vorgelegt hat, überhaupt
nichts mit Ihren Argumenten zu tun hat. Es hat nichts
mit Öko und mit der Gleichverteilung zu tun, wovon die
verehrten Damen und Herren von der Opposition auf
Ministerpräsident Peter Müller ({6})
einmal sprechen. Es ist übrigens sehr interessant, Herr
Solms, dass die F.D.P. auf einmal für Gleichverteilung
und für gleichmäßige Behandlung spricht. Das haben
wir sonst in der Vergangenheit von Ihnen nie gehört.
({7})
- Wir werden Sie später beim Wort nehmen.
Die zentrale Aussage, um die es ja schließlich geht,
ist die Behauptung von Ihrer Seite, dass eine Lenkungswirkung gar nicht eintrete. Diese Aussage ist eine
merkwürdige Mischung aus trivial und falsch. Trivial ist
diese Aussage deshalb, weil man innerhalb von zehn
Monaten nach Beginn dieser ökologischen Steuerreform
bei einem so langsam wirkenden Prozess wie der Anpassung an unterschiedliche Energiepreisniveaus eine Lenkungswirkung gar nicht erwarten kann. Jeder weiß, dass
die Konstruktion eines effizienten Motors und seine
Markteinführung etwa fünf Jahre in Anspruch nimmt. In
praktisch allen Wirtschaftsbereichen, in denen Energie
eingesetzt wird, braucht man fünf bis zehn Jahre, bis das
Signal seine Wirkung entfalten kann.
({8})
Deswegen ist es vollkommen unsinnig zu erwarten, dass
innerhalb von zehn Monaten die große Lenkungswirkung eintritt.
Auf der anderen Seite ist diese Aussage auch falsch,
denn die Lenkungswirkung hat prospektiv längst eingesetzt. Ein Freund von mir fährt den berühmten Smart,
der vor etwa zwei Jahren als neues Ökoauto eingeführt
worden ist. Dieses Auto braucht immerhin acht Liter
Benzin im Stadtverkehr.
({9})
- Ja, so ist es. - Nachdem wir die ökologische Steuerreform eingeführt haben, kündigt der Daimler-ChryslerKonzern auf einmal die Entwicklung eines Öko-Smarts
an, der nur noch drei Liter - wenn auch Diesel - verbraucht. Das heißt, die Wirkung ist längst vorhanden,
weil die Entwicklung vorausgesehen wird.
({10})
- Das Dreiliterauto war vielleicht ein Ladenhüter. Aber
seit wir die ökologische Steuerreform begonnen haben,
besteht eine Nachfrage nach diesem Auto. Vorher war es
ein Ladenhüter, das war das Traurige.
({11})
Wie Frau Kollegin Ganseforth schon sehr richtig ausgeführt hat, geht es gar nicht darum, mit dem Instrument
der ökologischen Steuerreform allein die ganz große
Wirkung zu erzielen. Sie ist vielmehr in einen vernünftigen Instrumentenmix, zum Beispiel im Häuserbereich
mit der geplanten Energieeffizienzverordnung, eingebettet. Wir wollen gleichzeitig die erneuerbaren Energiequellen stärken. Wir haben im Rahmen des Gesetzes über die Fortführung der ökologischen Steuerreform die
Kraft-Wärme-Kopplung ganz besonders berücksichtigt,
sodass sich ihr Anteil von 10 auf 20 Prozent verdoppelt.
Zusammen mit anderen Maßnahmen wird im Gesamtpaket tatsächlich die ökologische Wende herbeigeführt.
Es ist natürlich bequem und einfach zu sagen: Die
armen Autofahrer und die Fernpendler haben es heute so
schwer. - Gerade diese werden die Ersten sein - bei ihnen gibt es nämlich den raschesten Austausch von Autos -, die von der neuen Generation von Kraftmaschinen
für Autos profitieren werden. Ich rechne also fest damit,
dass die Innovation, die unseren Industriestandort
Deutschland schließlich so robust gemacht hat, weiter
vorangetrieben wird. Wir haben endlich den Anschluss
an die europäische Entwicklung gefunden.
Die Winterstürme in Frankreich - auch das ist schon
gesagt worden - haben dazu geführt, dass die Nationalversammlung heute endlich das nachholt, was sie im
Mai letzten Jahres schon wollte, damals aber noch nicht
durchsetzen konnte.
Jetzt ist die Mehrheit der EU-Länder schon auf dem
Trip. Es wäre sehr schön, Herr Ministerpräsident Müller,
wenn Sie Ihre politischen Freunde in Spanien davon überzeugen könnten, endlich die Blockade auf europäischer Ebene aufzugeben ({12})
es sind ausdrücklich Ihre politischen Freunde - , denn
dann hätten wir auch etwas weniger mit Tanktourismus
zu tun. Ganz Europa hat ein großes Interesse daran, eine
langfristige Perspektive der technologischen Entwicklung und der Sicherung der ökologischen Grundlagen
für unsere Enkel zu haben. Deswegen halte ich die sehr
aktualpolitische und ein bisschen an den Haaren herbeigezogene Diskussion, die Sie hier zu entfesseln versucht
haben, für ziemlich daneben.
Vielen Dank.
({13})
Das Wort hat jetzt
der Kollege Georg Brunnhuber, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Ministerpräsident des Saarlandes sehr dankbar,
({0})
dass er als einziger Redner hier einen Bereich angesprochen hat, den weder der Staatssekretär noch jemand von
der SPD und den Grünen auch nur erwähnt hat, nämlich
den gesamten Güterkraftverkehrsbereich. Hierbei geht
es um Arbeitsplätze, und zwar um sehr viele Arbeitsplätze.
Das Bundesamt für Güterverkehr - es ist sicherlich
kein Oppositionsinstrument - hat im November 1999
festgestellt, dass die Ökosteuer in diesem Bereich bei
den Speditionen bis zu 380 000 Arbeitsplätze kosten
kann.
({1})
- Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, das interessiert Sie ja offensichtlich nicht. Wer darüber lacht,
hat nicht begriffen, dass die Ökosteuer in diesem Land
wirklich Arbeitsplatz gefährdend ist.
({2})
Sie haben auch nicht bedacht, wie ungerecht die Ökosteuer für diese Betriebe ist. Ich mache Ihnen eine
Rechnung auf: Rund 1 Prozent aller Firmen in Deutschland ist nur im Güterkraftverkehrsbereich tätig. Dieses
eine Prozent der Unternehmen zahlt fast 40 Prozent der
Mehrkosten durch die Ökosteuer und damit also in die
Rentenversicherung. Großbetriebe aber, die Millionen
von Beschäftigten haben, haben Sie herausgenommen.
Wo ist denn da die Lenkung? Es zahlen lediglich die
Klein- und Mittelständler im Güterkraftverkehrsbereich,
aber die anderen haben sie laufen gelassen.
({3})
Ich stehe mit ganzem Herzen hinter der Klage des Güterkraftverkehrsbereichs, des Bundesverbandes für Güterkraftverkehr, BGL, beim Bundesverfassungsgericht;
denn es kann doch nicht sein, dass 1 Prozent der Unternehmen fast 40 Prozent der Rentenversicherung übernimmt. Das ist ungerecht. Sie können es drehen und
wenden wie Sie wollen, aus dieser Situation kommen
Sie nicht heraus.
Herr Schlauch, Sie haben diesen Unternehmen nichts
zu bieten, denn Sie sagen diesen Unternehmen nicht,
wie sie aus dieser schwierigen Situation herauskommen
können; sie sind mit ihrem Problem alleine gelassen. Die
Rendite bzw. die Gewinnmarge in diesem Bereich - das
weiß doch jeder hier - ist so knapp bemessen, dass die
Mehrkosten bei der Mineralölsteuer alles auffressen. Die
Existenzgefährdung in diesen Betrieben ist enorm.
({4})
Gehen Sie doch einmal in Stuttgart zu irgendeinem mittelständischen Gewerbeunternehmen, das sechs Lkws
hat. Dieser Unternehmer hat 200 000 DM an Mehrkosten und bekommt 20 000 DM über die Lohnnebenkosten
vergütet. Damit aber ist er pleite, weil er nirgendwo das
verdient, was er an Mehrkosten hat.
Er kann auch seine Kosten nicht umlegen, denn es
kommt noch ein Zweites hinzu, das Sie ebenfalls nicht
bedacht haben. Es werden hier andauernd Schäuble-,
Merkel- und CDU-Papiere zitiert. Wir haben immer gesagt, dies muss europäisch harmonisiert werden,
({5})
weil sonst die Konkurrenz zu groß wird. Herr Schlauch,
Sie sollten sich einmal mit Herrn Schmidt unterhalten,
denn er versteht davon ein bisschen mehr, aber er darf
heute leider Gottes nicht reden. Herr Schmidt würde Ihnen nämlich sagen: In diesem internationalen Konkurrenzkampf vergüten die Franzosen ihren gewerblichen
Spediteuren sogar noch die Differenz, die die OPEC
durch ihre Ölpreisschwankungen gelegentlich draufsattelt. Da auch die Gewerbe- und Sozialvorschriften in
diesem Bereich dort anders sind als bei uns, haben unsere deutschen Güterkraftverkehrsunternehmen keine
Chance im Konkurrenzkampf gegen diese Betriebe.
({6})
Sie belasten den Lkw-Verkehr, Sie belasten den Autofahrer und gleichzeitig kürzt die Regierung die Straßeninvestitionsmittel in jedem Haushalt bis zum Ende
der Legislaturperiode drastisch. Keine Umgehungsstraße
kann gebaut werden, keine Autobahn kann entsprechend
saniert werden. Wenn Sie das Geld wenigstens dort einsetzen würden, hätte es einen ökologischen Sinn bekommen, denn jeder Stau, der vermieden wird, wäre für
die Umwelt wirklich ein Segen. Das verhindern Sie.
({7})
Sie kassieren bei den Lkws ab, Sie kassieren bei den Autofahrern ab und gleichzeitig sparen Sie im Straßeninvestitionshaushalt. Das ist eine Politik, die eigentlich
unverantwortlich ist. Da müssten Sie als Umweltpolitiker doch sagen: So kann es nicht weitergehen. Ich finde,
auch hier machen Sie einen kapitalen Fehler. Dieser
Fehler wird sich hoffentlich noch rächen.
Ich möchte Ihnen außerdem sagen. Wenn Sie über die
Ökosteuer reden und versuchen, diese Mogelpackung
mit allen möglichen Argumenten, die nichts damit zu
tun haben, zu rechtfertigen, dann werden Sie bei denen,
die jeden Tag den Bus im ländlichen Raum benutzen
müssen, überhaupt kein Verständnis finden, denn die
Fahrpreise für den Bus sind am 1. Januar dieses Jahres
gestiegen. Am 1. Februar 2000 werden auch noch die
Bahnpreise steigen.
({8})
Wie wollen Sie das denn den Leuten erklären? Sie machen den Individualverkehr teurer und gleichzeitig wird
auch der öffentliche Verkehr teurer. Ich kann Ihnen nur
sagen, bei Ihrer Politik passt hinten und vorne nichts zusammen.
({9})
Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn die Verfassungsklage der
verschiedenen Verbände durchkommt, dann stehen Sie
vor einem Scherbenhaufen sowohl was die ökologische
Politik angeht als auch was die Verkehrspolitik anbelangt.
({0})
Jetzt hat der Kollege
Klaus Müller vom Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Brunnhuber, nur mit Horrorzahlen zu
argumentieren und dabei Tausende, Zehntausende, Hunderttausende potenziell verlorene Arbeitsplätze in den
Raum zu stellen ist weder kreativ noch hilfreich, noch
ein besonders kluger Beitrag zur anstehenden Debatte.
({0})
Ich möchte Sie an Ihre Fraktionskollegen erinnern.
Nicht nachher, nicht nach dem Veto von Kohl, der
F.D.P. und anderen, sondern vorher waren auch Herr
Repnik und andere Fraktionskollegen für einen nationalen Vorstoß, für Innovation in der Ökosteuer.
({1})
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass Ihr Beitrag
mich nicht dazu animiert hat, mich mit ihm zu beschäftigen. Spannender fand ich den Beitrag von Herrn
Peter Müller. Man ist aus dem Saarland gewohnt, dass
dort etwas kantige Ministerpräsidenten amtieren. Das
war früher so mit manchmal eigenen Ideen. Vielleicht
setzen Sie eine Tradition fort. Nur leider war Ihre Rede
gespickt mit Widersprüchen, wobei Sie in einem Moment das eine behaupteten und im nächsten Moment das
Gegenteil.
Sie beklagen die Pendlerbelastung. Sie haben ausführlich dargestellt - manche Kollegen von der CDU
auch -, wie sehr die Pendlerinnen und Pendler im ländlichen Raum leiden würden.
({2})
Im nächsten Satz dementieren Sie jede Lenkungswirkung. Sie sagen, die Ökosteuer habe doch mit Öko
nichts zu tun.
({3})
Sie müssen sich entscheiden. Sagen Sie, es gibt eine
Belastung für Pendlerinnen und Pendler und einen Anreiz, weniger zu fahren, oder gibt es keine Lenkungswirkung? Insofern widersprechen Sie sich selbst.
({4})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ronsöhr?
Gerne.
Bitte sehr.
Herr Kollege, Sie haben soeben angesprochen, dass die Ökosteuer möglicherweise doch eine Lenkungswirkung hätte.
({0})
Sie haben nicht bestritten, dass die Pendler eine besondere Belastung haben. Ist es also so, dass die Ökosteuer
eine Lenkungswirkung gegen die ländlichen Räume und
gegen die Pendler in den ländlichen Räumen hat?
Lieber Kollege, ich glaube, Sie haben nicht
begriffen, was das Wort Ökosteuer bedeutet.
({0})
- Jetzt rede ich. Hören Sie einfach einmal zu! Ich will
Ihnen das gerne noch einmal erklären.
Jeder Mensch, der lange Strecken mit dem Auto fährt,
belastet die Umwelt entsprechend höher. Da sind wir,
glaube ich, einer Meinung. Darin, dass das nicht gut ist,
sind wir, glaube ich, auch einer Meinung, ebenso darin,
dass der Mensch manchmal keine Alternative hat. Wir
bieten ihm Alternativen und schaffen einen marktwirtschaftlichen Anreiz - nicht ordnungspolitisch, wie Sie
das vielleicht manchmal getan haben -, über diese nachzudenken. Das ist das Prinzip der Ökosteuer.
Je höher die Belastung für die Pendler ist - wie Sie
und der Ministerpräsident es behauptet haben; natürlich
hat ein Pendler eine höhere Belastung -, desto größer ist
der Anreiz, sich nach Alternativen umzuschauen. Das ist
genau das Prinzip einer Lenkungswirkung: einen
marktwirtschaftlichen Anreiz zu schaffen, dass andere
Verkehrsmittel genutzt werden, dass man sich Alternativen sucht
({1})
und genau überlegt, ob nicht Fahrgemeinschaften oder
andere Möglichkeiten interessant sein könnten. Kluge
Menschen kommen von selber darauf, manche Politiker
etwas später.
({2})
Aber ich möchte gerne zur Rede des Ministerpräsidenten zurückkommen. Herr Müller, Sie haben die Ausnahme energieintensiver Unternehmen beklagt. Ich
möchte wissen, was in diesem Saal los wäre, wenn wir
das nicht gemacht hätten. Dann hätten Sie uns doch zu
Recht gesagt, dass die Chemiewirtschaft, die Metallwirtschaft, die Mineralölwirtschaft usw. vor dem Bankrott
stünden. Dann würden Sie hier das Chaos ausrufen, weil
es um Hunderttausende von Arbeitsplätzen ginge.
({3})
Deshalb haben wir maßvolle Schritte angekündigt,
langfristig, berechenbar und mit Ausnahmen für einige
Unternehmen, die das nicht von heute auf morgen hätten
verkraften können. Das ist ökonomisch sinnvoll und
vernünftig.
Nächster Widerspruch. Sie sagen, die Union stünde
eigentlich für das bessere Ökosteuerkonzept.
({4})
Sie finden Ökosteuern gar nicht so verkehrt. Dafür gibt
es genügend Zitate. Ich halte Sie auch für eine kluge
Person, die das durchaus richtig erkannt hat. Für andere
in Ihrer Fraktion gilt das nicht. Das heißt, auf der einen
Seite schicken Sie hier Wadenbeißer ins Rennen - den
Kollegen Michelbach kennen wir für so etwas -, die gegen die Ökosteuer holzen, und auf der anderen Seite
({5})
- genau - kommen die Denker und sagen, die
CDU/CSU hätte das bessere Ökosteuerkonzept. Den
Mut, ein besseres Ökosteuerkonzept in den Bundestag
einzubringen, hat die CDU/CSU-Fraktion aber nicht.
({6})
Dazu gehört intellektuelle Fähigkeit und mehr. Das hat
Ihre Fraktion nicht und das ist traurig und schändlich.
({7})
Nächster Punkt. Sie beklagen, die Ökosteuer sei unsozial. Gleichzeitig war es Ihre Fraktion - und leider
auch einige Ministerpräsidenten aus CDU-Reihen -, die
gegen die Erhöhung der Sozialhilfe für Kinder polemisiert haben, welche wir zum 1. Januar dieses Jahres beschlossen und in Kraft gesetzt haben - gegen Ihren Widerstand. Sie haben dagegen bis zum Erbrechen polemisiert. Sie haben dagegen ins Feld geführt, das widerspreche dem Lohnabstandsgebot usw. Das heißt, auf der einen Seite klagen Sie, wir seien unsozial, auf der anderen
Seite sind Sie gegen soziales Verhalten. Das ist, mit
Verlaub, Heuchelei.
Letzter Punkt. Herr Austermann, Sie haben sich hier
in Zahlenakrobatik und Ähnlichem versucht. Ich finde
das enttäuschend. Genauso haben Sie versucht, gegen
das Sparpaket zu polemisieren. Aber mit den Zahlengebäuden, die zusammengebrochen sind, haben Sie das
auch diesmal nicht geschafft. Ich frage mich: Warum
machen Sie das? Ich glaube, Herr Austermann, das hat
etwas mit Ihren Berufsperspektiven zu tun. Ich erinnere
mich an Ihre Ansage, gerne Finanzminister in Schleswig-Holstein werden zu wollen.
({8})
Aber die CDU in Schleswig-Holstein ist zurzeit dabei
einzubrechen, und zwar von 49 Prozent auf 43 Prozent,
auf 41 Prozent, auf 38 Prozent. Die CDU ist im freien
Fall. Ich sage Ihnen: Schleswig-Holstein wird weiter
von Rot-Grün regiert werden, egal, welche Kampagne
und Polemik Sie hier anzuzetteln und einzubringen versuchen. Insofern wird Ihnen das nicht gelingen.
Lassen Sie es sich gesagt sein, Herr Austermann: Die
Ökosteuer wird kommen. Sie ist verfassungsfest, ökonomisch sinnvoll und ökologisch richtig. Deshalb werden wir diesen Weg weitergehen.
Vielen Dank.
({9})
Jetzt hat das Wort
der Kollege Carl-Ludwig Thiele, F.D.P.-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Müller, es ist nicht zutreffend,
dass andere Parteien kein Konzept vorgelegt haben.
({0})
Die F.D.P. - für diese Partei spreche ich - hat ein Konzept vorgelegt. In diesem Konzept war zum Beispiel
vorgesehen, die Kfz-Steuer abzuschaffen und die Mineralölsteuer entsprechend zu erhöhen. In dem Konzept
der F.D.P. war zudem vorgesehen, die Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale umzuwandeln. Ich frage mich bis heute, warum das zwar im rot-grünen Koalitionsvertrag verankert,
aber bis heute nicht umgesetzt worden ist.
({1})
Herr Kollege Thiele,
jetzt haben Sie Zwischenfragen provoziert. Lassen Sie
die zu?
Sofort.
Zuerst kommt Herr
Müller an die Reihe und dann Herr Eich.
Erst wenn dies erfolgen würde, würde tatsächlich eine ökologische LenKlaus Wolfgang Müller ({0})
kungswirkung erzeugt. Da Sie dies in Ihr Wahlprogramm geschrieben haben, ist mir nach wie vor unbegreiflich, warum Sie unserem Antrag nicht zugestimmt
haben. - Dazu erwarte ich jetzt Ihre Zwischenfrage, zu
der Sie sich gemeldet haben.
Das Wort erteile
immer noch ich.
Entschuldigung, Frau
Präsidentin.
Das Wort hat jetzt
der Kollege Klaus Müller und dann der Herr Eich.
Herr Kollege Thiele, ich kann mir natürlich
zum einen nicht die Frage verkneifen, warum Sie dies
angesichts dessen, dass Ihre Partei 29 Jahre lang regiert
hat, nicht umgesetzt haben, und habe zum anderen die
Frage - wir haben ja lange über die Regelung hinsichtlich der Pendler gestritten -, ob nicht gerade Ihr Konzept, also die Umlegung der Kfz-Steuer - ich persönlich
halte es an dieser einen Stelle für richtig; das will ich
nicht verhehlen -, Pendlerinnen und Pendler ganz besonders belasten würde, so dass also genau das geschehen würde, was Sie und Ihre Fraktionskollegen uns sonst
immer vorwerfen.
Zu Ihrem ersten
Punkt, Herr Kollege Müller: Es ist richtig, dass wir mit
unserer Auffassung in der Koalition keine Mehrheit gefunden haben. Sie sollten einmal mit Ihrer Kollegin
Scheel sprechen: In der letzten Wahlperiode gab es ein
Gesetzesvorhaben im Rahmen der Kfz-Steuer. Ich habe
damals gesagt - Frau Scheel, wir haben uns darüber unterhalten -, im Vermittlungsausschussverfahren gebe es
durchaus die Möglichkeit, Entsprechendes umzusetzen.
({0})
- Nein, das waren nicht nur die Länder. Es waren auch
die rot-grünen Länder, die nicht mitgespielt haben.
({1})
Insofern, Herr Kollege Müller, sollte, wenn man eine
ökologische Politik betreiben will - denn darüber sprechen wir -, das beschlossen werden, was tatsächlich eine
Lenkungswirkung entfaltet. Diese Wirkung hat Ihr Gesetz nicht. - Darauf komme ich gleich noch zu sprechen;
denn Herr von Weizsäcker hatte mich in diesem Zusammenhang angesprochen. - Deshalb wäre ich dankbar, wenn Sie unseren Antrag wenigstens einer weiteren
Prüfung unterziehen und unserer Forderung möglicherweise zustimmen würden. Das wären Maßnahmen - im
Gegensatz zu Ihren -, die tatsächlich zu Effekten führen
würden.
({2})
Nun Ihre Frage,
Herr Kollege Ludwig Eich.
Herr Kollege Thiele, wie
kommt es zu dem Widerspruch - das ist doch die Kernfrage -, dass Sie - Kollege Solms hat das getan; auch
Sie werden das vielleicht noch tun - einerseits das
Hohelied auf die Pendler singen, andererseits aber die
Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer umlegen
und dazu noch den Weg zum Arbeitsplatz steuersystematisch - insoweit trifft das auch für die CDU/CSU zu nicht mehr anerkennen wollen, indem Sie fordern, dies
steuermindernd nicht mehr einsetzen zu können? Wie
können Sie eigentlich angesichts dessen, dass man diese
beiden Fakten miteinander verbinden kann, hier so tun,
als würden Sie ein besonderes Gewicht auf das Interesse
der Pendler legen?
Verzeihung, Herr Kollege Eich, ich möchte es Ihnen noch einmal erklären Fragen dienen ja dazu, Antworten zu erhalten, insbesondere dann, wenn man Dinge nicht richtig verstanden hat
-: Wenn die Kilometerpauschale in eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale umgewandelt wird,
dann bleibt die Pauschale für den Weg vom Arbeitsplatz
zum Wohnort oder vom Wohnort zum Arbeitsplatz erhalten, selbst wenn man mit dem Auto fährt, sodass
hierdurch keine Benachteiligung der Pendler erfolgt.
Wir erreichen aber so eine steuerliche Gleichbehandlung
der Personen, die den öffentlichen Personennahverkehr,
das Fahrrad oder ein anderes Verkehrsmittel benutzen.
Dazu nenne ich Ihnen noch einen anderen Aspekt:
Wir erreichen hierdurch auch ein Mehr an Steuergerechtigkeit. Denn wenn Sie sich mit Finanzbeamten
unterhalten, werden Sie hören, dass es unstreitig ist, dass
die Kilometerpauschale einen sehr hohen Missbrauchsanteil hat. Wenn wir alle dazu beitragen wollen - gerade
die heutigen Zeiten sind dazu angetan -, dass dieser
Punkt mitbedacht wird, dann müssen wir das Steuersystem so gestalten, dass der Missbrauch reduziert wird.
({0})
Wenn man eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale einführt, dann kommt es nicht mehr zu
diesem massenweisen Missbrauch und Verstoß gegen
Gesetze, den es jetzt faktisch gibt. Das sind die Argumente, mit denen Ihre Frage beantwortet ist.
Wir sagen weiter: Lasst uns den dritten Mehrwertsteuersatz einführen! Dadurch würde keine zusätzliche Belastung der Arbeitsplätze erfolgen, weil dies in
den Betrieben ein durchlaufender Posten ist. Das ist ein
fundamentaler Unterschied. Weil Sie damit nicht klargekommen sind, haben Sie ein irrsinnig kompliziertes
Regel-Ausnahme-System geschaffen, um die ArbeitsCarl-Ludwig Thiele
plätze möglichst nicht zu belasten. Dies aber wird nicht
funktionieren. Die Landwirtschaft wird nicht entlastet,
sondern in Höhe von 900 Millionen DM belastet. Das
Speditionsgewerbe mit den Lkws und der Mittelstand
werden diese Steuererhöhung tragen müssen; auch sie
werden nicht entlastet. Warum geschieht dies? Dies geschieht, weil der Regel-Ausnahme-Mechanismus nicht
funktioniert und unsystematisch ist.
({1})
Die Debatte über die ökologische Steuerreform wird
im Bundestag schon länger geführt. Aber die Debatte
über die rot-grüne ökologische Steuerreform ist von Ihnen losgetreten worden. Ich bin von einem prominenten
Mitglied Ihrer Fraktion, von Herrn von Weizsäcker, der
leider nicht mehr da ist, anfangs gebeten worden, ich
möge die ökologische Steuerreform nicht allzu sehr kritisieren, obwohl sie handwerklich nicht allzu gut sei,
weil der Gedanke der Ökologie durch die Kritik nachhaltig Schaden erleiden könne. Genau das tritt momentan ein. Ihr Gesetz ist undurchdacht. Es kann mir heute
noch immer niemand erklären, warum der Gasverbrauch
besteuert wird, der Kohleverbrauch aber nicht.
({2})
Das ist natürlich Folge der grünen Politik. Sie hat für
Kohlesubventionen gestritten. Als es seinerzeit darum
ging, endlich die Kohlesubventionen zu reduzieren, war
der derzeitige Außenminister Joschka Fischer der Erste,
der er eine Barrikade sah und fröhlich draufsprang, um
mit den Bergarbeitern für den Erhalt der Kohlesubventionen zu demonstrieren.
({3})
Das ist unglaubwürdig und wird auch von Ihren eigenen
Leuten nicht verstanden. Mir hat bislang kein Grüner
glaubwürdig erklären können, was daran ökologisch ist,
Mineralöl und Gas zu belasten, die Kohle aber nicht.
({4})
Das verstehen sogar Ihre Parteifreunde nicht.
Wenn eine Partei unter dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes angetreten ist, den Begriff der Ökologie
aber lediglich in die Überschrift eines Gesetzes setzt und
in der Sache nicht dazu beiträgt, dass unsere Gesellschaft ökologisch modernisiert wird, dann leidet die
Glaubwürdigkeit - auch in Schleswig-Holstein.
Herr Müller, ich habe dem Handbuch entnommen,
dass Sie bei den letzten Koalitionsverhandlungen in
Schleswig-Holstein dabei waren. Das wird vermutlich in
diesem Frühjahr nicht mehr der Fall sein, weil die Grünen ihre Glaubwürdigkeit auch in Sachen Umweltschutz
längst verloren haben. Sie sind zu einem FischerWahlverein geworden. Grundsätzliche Überzeugungen
zählen überhaupt nicht mehr.
({5})
Der entscheidende Fehler in Ihrem Konzept ist, dass
Sie behaupten, es würden Arbeitsplätze geschaffen. Das
Gegenteil ist der Fall: Arbeitsplätze werden vernichtet.
Das ist der Grund, warum Ihre so genannte ökologische
Steuerreform, die in Wahrheit eine reine Steuererhöhung
und ein reines Abkassieren ist, von den Bürgern auch als
solches durchschaut wird.
({6})
Jetzt hat die Kollegin Christine Ostrowski, PDS-Fraktion, das Wort.
Ich finde es als Mitglied der PDS schon sehr interessant zu sehen, wie sich
zwei große Volksparteien hier bekriegen.
({0})
Es hat einen Vorteil, nicht in diesem unmittelbaren
Kampf zu stehen; die eine Seite ist schadenfroh wegen
der Spendenaffäre, die andere Seite versucht mühsam,
die Ökosteuer auszunutzen, um der SPD einen überzuziehen. Wenn ich hier vorne stehe und eine Position vertrete, dann weder, weil wir uns hier anbiedern müssen,
noch aufgrund einer Wahlkampfnotsituation, sondern
weil wir dies wirklich so sehen.
({1})
- Sehr wohl: Dann kommt es aus dem Herzen.
Mich wundert wirklich sehr, dass Sie einen Fakt, den
man unsozial nennen muss, nicht mehr unsozial nennen.
Sie heißen im Übrigen Sozialdemokratische Partei
Deutschlands. Da können Sie nun machen, was Sie wollen: Wenn ein Sozialhilfeempfänger 100 Prozent Steuern zahlen muss und null Entlastung bekommt,
({2})
dann ist das für mich unsozial; etwas anderes ist es
nicht. Ich gebe Ihnen gern meine Rechnungen; das können Sie dann nachrechnen.
({3})
Wenn Familien mit niedrigem Einkommen umso mehr
belastet werden, je niedriger ihr Einkommen ist, dann ist
das unsozial.
Eine weitere Bemerkung noch einmal zur Lenkungswirkung. Es kann ja sein, dass Herr von Weizsäcker
Recht hat - wahrscheinlich hat er sogar Recht - dass
nämlich eine ökologische Lenkungswirkung nach einer
so kurzen Zeit noch nicht eintreten kann. Was mich
verwundert, ist das Denken, das Konzept, mit dem die
Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen an das
Problem herangegangen sind. Es gibt eine interessante
Drucksache; das ist die Nummer 14/2228. Ich empfehle
sie allen. Es ist die Antwort auf eine Anfrage der
CDU/CSU-Fraktion. Wenn ich dort hineinschaue und
sehe, dass die Regierung in ihrer Antwort schreibt, dass
sich das Steueraufkommen von 1999 bis zum Jahre 2003
um soundso viel Prozent erhöhen wird und dass sie es
für die Senkung der Rentenbeiträge einsetzen wird, dann
weiß ich, dass die Regierung darauf baut. Sie wird,
wenn sie diesen Zweck weiter verfolgt, auf diese Einnahmen angewiesen sein. Das kann doch nicht anders
sein. Wenn das so ist, dann kann sie nicht gleichzeitig
das Ansinnen haben: Wir müssen das Steuerinstrument
so einsetzen, dass der Energieverbrauch gesenkt wird.
Denn ansonsten ist Ihre Basis falsch. Oder Sie müssen
das gleich offen sagen. Irgendetwas stimmt bei dieser
ökologischen Lenkungswirkung nicht.
Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Alternativen zum Auto und auf das Umsteigen auf andere Verkehrsmittel. Die Krux liegt doch darin: Sie haben den
Benzinpreis erhöht. 36 Prozent aller Beschäftigten müssen pendeln - das ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung -, von Ort zu Ort, von Land zu Land. Nun
könnte man ja sagen: Sie können umsteigen. Völlig irreal ist es zu sagen: Sie bilden Fahrgemeinschaften. Das
ist weitab vom Leben; das muss ich Ihnen nun wirklich
einmal sagen.
({4})
Eine Alternative gibt es eben nicht. Denn der ÖPNV in
der Fläche ist in der Umsetzung, in den Taktzeiten, in
den Tarifen nicht adäquat. Viele Leute, die bisher Auto
gefahren sind und umsteigen wollen, können es nicht.
Schauen Sie bitte in Ihr Investitionsprogramm; dann
werden Sie die Zahlen sehen. Dann wissen Sie sehr genau, dass Sie für den öffentlichen Nahverkehr und für
den Ausbau des Schienenverkehrs wesentlich weniger
tun als für den Ausbau von Straßen. Dann reden Sie mir
hier nicht von Alternativen, schieben Sie das nicht auf
die Bürger und deuten nicht mit dem moralischen Zeigefinger auf sie.
Es bleibt dabei:
Frau Kollegin,
kommen Sie bitte zum Schluss.
Die Ökosteuer ist keine
Steuer, die zur Finanzierung des öffentlichen Gemeinwesens eingesetzt wird. Die Ökosteuer ist auch keine
Sozialversicherungsabgabe; das kann sie nicht sein, weil
viele, die abgezockt werden, nichts von der Senkung der
Rentenbeiträge haben. Die Ökosteuer ist ein Zwitterding
und muss deshalb auch verfassungsrechtliche Bedenken
hervorrufen. Sie ist letzten Endes ein Flickwerk, das unsozial ist und keine ökologische Lenkungswirkung hat.
Jetzt hat das Wort
der Kollege Jörg-Otto Spiller, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe ein Stück
Mitgefühl für die Antrag stellende Fraktion, die uns heute diese Aktuelle Stunde beschert hat.
({0})
- Ich kann das verstehen, Herr Kollege Michelbach.
Es gibt - da bin ich ganz sicher - viele Kolleginnen und
Kollegen in der CDU/CSU-Fraktion, die sich - zu Recht
- ohne eigenes Mittun in eine Ecke gestellt sehen, in die
sie sich nicht hingehörig fühlen und die jetzt mit etwas
Verzweiflung nach Themen suchen, in der Hoffnung,
({1})
dass in der deutschen Öffentlichkeit auch wieder einmal
gut über die CDU/CSU gesprochen wird. Das kann ich
ein Stück weit verstehen. Ich finde nur, dass das Thema
Ökologie und auch ökologische Steuerreform zu schade
ist, um nur als Strohhalm zu dienen.
({2})
- Ich meine diese Aktuelle Stunde, Herr Kollege Solms,
und auch Ihre Tankwartaktion.
({3})
Das Wort Pendler ist ja mehrfach gefallen. Mir ist dabei
auch die F.D.P. eingefallen. Sie, Herr Solms, haben sich
ja nun sehr stark als Tankwart engagiert. Ich weiß nicht,
ob Ihnen das außer einem gewissen Stau in der Umgebung der Tankstelle so sehr viel Wirkung eingebracht
hat.
({4})
Aber mir ist das eine noch gut in Erinnerung: Sie
selbst, Herr Kollege Solms, haben im Bundestag vor ungefähr zwei Jahren den Grundsatz der ökologischen
Steuerreform befürwortet. Sie haben gesagt, über Einzelheiten müsse man reden, aber im Ansatz sei das vernünftig.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Solms?
Mache ich gerne.
Bitte sehr, Herr Kollege.
Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht nur darüber geredet haben, sondern entsprechende Gesetzentwürfe eingebracht haben - Gesetzentwürfe, die inhaltlich teilweise mit den Vorstellungen der SPD übereinstimmen, aber
gleichwohl von Ihnen abgelehnt worden sind?
Das Problem, Herr Kollege Solms, war: Sie haben einen Entwurf eingebracht,
aber Ihr Koalitionspartner damals hatte andere Auffassungen. Das Ergebnis war jedenfalls: Obwohl es Bekenntnisse gab, von Ihnen, von Herrn Schäuble, von
Herrn Repnik, und obwohl auch im CDU/CSUWahlprogramm für 1998 ein solches Grundbekenntnis Orientierung in Richtung ökologischer Akzente bei der
Besteuerung - zu finden war,
({0})
ist unter dem Strich nichts erfolgt. Das, finde ich, ist der
Unterschied. Der Unterschied liegt darin, dass wir nicht
ständig reden, sondern nach einer ausführlichen Debatte,
nach einer demokratischen Auseinandersetzung zu Ergebnissen kommen. Das ist es, was zählt. Ich bin sicher,
dass auch die Bevölkerung zu einem großen Teil diese
Grundüberlegung teilt und dass es uns gelingen wird,
das Verständnis dafür zu stärken. Da bin ich sehr guter
Hoffnung. Ich glaube allerdings, dass es darauf ankommt, nicht nur darüber zu reden, sondern sich in der
Praxis ökologiegerecht zu verhalten.
Wenn ich mir das erlauben darf, Herr Ministerpräsident: Für Ihren Beitrag war der weite Weg von Saarbrücken nach Berlin nicht angemessen.
({1})
Ich hoffe, Sie hatten noch andere Gründe, um heute nach
Berlin zu kommen. Sonst hätte sich das nicht gelohnt.
({2})
Als Letzter in dieser
Debatte hat nun der Kollege Ulrich Klinkert das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ökosteuer
sorgt mit dafür, dass seit dem Amtsantritt der rot-grünen
Bundesregierung die Schere der Entwicklung zwischen
Ost und West wieder auseinander geht.
Der Kollege Matschie hat versucht, diese Entwicklung mit Durchschnittszahlen ins Gegenteil zu verkehren
oder es zumindest auf plus/minus null zu drücken. Aber,
Herr Kollege Matschie, mit Durchschnittszahlen muss
man vorsichtig sein. Manchmal helfen da alte Bauernweisheiten mehr als rot-grüne Steuerkonzepte.
({0})
Mir ist folgende eingefallen: Im Durchschnitt war der
Graben einen halben Meter tief und trotzdem ist die Kuh
ertrunken.
Die Ökosteuer hat negative soziale Auswirkungen,
die im Osten größer sind als im Westen. Das liegt an der
geringeren Einkommensbasis dort. Sie hat fatale wirtschaftliche Auswirkungen. Sie kostet Arbeitsplätze. Dies
werde ich nachher anhand einiger Beispiele begründen.
Insbesondere sozial Schwache, denen Sie an sich eine
besondere Fürsorge zukommen lassen wollten, sind von
der Ökosteuer extrem betroffen. Dass Sie sich das heute
ausgerechnet von der PDS vorwerfen lassen mussten,
das spricht Bände.
({1})
Zu den besonders Betroffenen zählen die Rentner:
Nicht nur dass Sie mit der Reduzierung der Rentenanpassung auf die Inflationsrate die Rentner um ihr Einkommen betrügen - der Bundeskanzler hat noch im vergangenen Jahr gesagt, er stehe dafür, dass die Rentenentwicklung an die Nettolohnentwicklung gekoppelt
bleibt -, Sie haben auch mit der Rentenangleichung Ost
an West gebrochen. Gerade bei den Rentnern kassieren
Sie gnadenlos ab. Denn Rentner können nichts kompensieren. Rentner werden von Ihnen doppelt abkassiert.
({2})
Wenn Sie einen durchschnittlichen Rentenverlust von
500 DM pro Jahr ansetzen, dann bedeutet das im Übrigen auch einen Kaufkraftverlust für die neuen Bundesländer von 2 Milliarden DM. Sie kassieren 4 Pfennig pro
Kilowattstunde Strom zusätzlich und der Benzinpreis
nähert sich den Fünf-Mark-Vorstellungen der Grünen
eher an als dem Versprechen des damaligen Kanzlerkandidaten Schröder, die Erhöhung werde nicht mehr als
6 Pfennig betragen.
Dass Sie dann aber auch noch den ÖPNV mit der
Ökosteuer belasten, dient als letztes Beispiel dafür, dass
Sie wenigstens das Wörtchen „Öko“ aus dem Begriff
streichen sollten.
({3})
Die Ökosteuer hat unter anderem gravierende Auswirkungen auf die ostdeutsche Landwirtschaft; denn
durch den Wegfall der Gasölbeihilfe in der rot-grünen
Ausgestaltung soll offensichtlich die Leistungsfähigkeit
der nun mal größeren ostdeutschen Betriebe weiter beschränkt werden. Ich habe mir heute Nachmittag einmal
ein Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen lassen: Eine
Agrar-GmbH mit 40 Mitarbeitern bekommt zunächst
pro Jahr 84 000 DM weniger Gasölbeihilfe. Mit der Mineralölsteuererhöhung von 7 Pfennig pro Liter addiert
sich der Einkommensverlust um 95 000 DM auf insgesamt 180 000 DM für diesen kleinen Betrieb. Unter Umständen bedeutet das für diesen Betrieb, dass er drei bis
vier Arbeitsplätze wird abbauen müssen.
Den Plan von Herrn Funke, grünen Diesel einzuführen, halte ich für einen wirklich plumpen Wahltrick im
Vorfeld der schleswig-holsteinischen Landtagswahlen.
Denn selbst wenn er sich durchsetzen ließe, flösse nur
ein sehr kleiner Teil von dem zurück, was Sie vorher bei
den Bauern abkassiert haben.
({4})
Zu den Lohnnebenkostensenkungen komme ich gleich,
indem ich Ihnen ein anderes Beispiel aus einem ostdeutschen Wirtschaftszweig, nämlich der Bergbausanierung,
bringe.
({5})
Die Bergbausanierung wird immer noch mit jährlich
1,2 Milliarden DM durch Bund und Länder gefördert.
Diese Förderung wollen Sie um 50 Millionen DM kürzen, das heißt, Sie wollen vertragswidrig ein geltendes
Bund-Länder-Verwaltungsabkommen aufkündigen. Die
Betroffenen empfinden das als Diebstahl, der Hunderte
von Arbeitsplätzen kosten wird.
Im Bereich der Bergbausanierung habe ich mir ebenfalls einen Betrieb näher angesehen. Dieser Betrieb gibt
im Jahr 20 Millionen DM für Diesel aus. Die jährlichen
Erhöhungen der Mineralölsteuer um 7 Pfennig pro Liter
machen für diesen Betrieb in fünf Jahren
6 Millionen DM aus. Dem gegenüber steht eine Entlastung der Lohnnebenkosten von rund 300 000 DM. Dies
bedeutet auf Grund der Lohnsumme für 100 Mitarbeiter
eine Mehrbelastung von mindestens 5,5 Millionen DM.
Man könnte die Reihe der Beispiele fortsetzen.
Zusammenfassend kann man sagen: Die Ökosteuer ist
unsozial, sie vernichtet mehr Arbeitsplätze, als sie
schafft, sie belastet den Osten mehr als den Westen, und
sie ist vor allen Dingen eines nicht: ökologisch.
Vielen Dank.
({6})
Meine Damen und
Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich
schließe die Aussprache.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 20. Januar 2000,
9.00 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.