Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Zwischenbilanz zum Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Edelgard Bulmahn.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ stellt
die Bundesregierung den Ländern bis einschließlich zum
Jahr 2007 Investitionsmittel in Höhe von 4 Milliarden
Euro für den bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagsschulen zur Verfügung. Damit leistet die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Bildungsreform in Deutschland.
Ich habe dem Kabinett heute eine erste Zwischenbilanz zu diesem Ganztagsschulprogramm vorgelegt. Wir
können sagen, dass dieses Programm wirklich ein Erfolg
ist und dass in den Städten und Gemeinden viele Schulen, sehr viele Lehrerinnen und Lehrer sowie vor allen
Dingen sehr viele Eltern es nicht nur unterstützen, sondern es auch als einen ganz wichtigen Impuls für neue
Gestaltungsmöglichkeiten im Schulsystem verstehen
und als solchen nutzen.
Heute können wir feststellen: Mit diesem Programm
haben wir der Verwirklichung unseres gemeinsamen
Ziels einer besseren individuellen und vor allen Dingen
auch früheren Förderung aller Schülerinnen und Schüler,
das wir auch hier im Deutschen Bundestag häufig miteinander erörtert haben, den Weg geebnet und den Kindern und Jugendlichen in unserem Land bessere Bildungschancen eröffnet. Auch ist es uns mit diesem
Programm gelungen, einen wichtigen Beitrag zu einer
besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu leisten.
Im kommenden Schuljahr, dem Schuljahr 2004/2005,
werden nach Auskunft der Länder in allen Regionen
Deutschlands insgesamt mehr als 3 000 Ganztagsschulangebote zur Verfügung stehen. Besonders erfreulich
- das zeigen die Anmeldungen seitens der Länder -,
finde ich, dass 88 Prozent der bisher verplanten Mittel
dem Aufbau neuer Ganztagsschulen und der Schaffung
zusätzlicher Plätze an bestehenden Ganztagsschulen dienen. Es ist uns mit diesem Programm also gelungen, das
Angebot an Ganztagsschulen sowie an Ganztagsschulplätzen deutlich zu erhöhen.
Ein zweites erfreuliches Ergebnis, das ich hier ebenfalls darstellen möchte, ist, dass die große Mehrzahl der
in den Jahren 2003 und 2004 geförderten Ganztagsschulen Grundschulen waren. Das halte ich für ein sehr erfreuliches Ergebnis; denn die OECD-Studien und andere
internationale Vergleichsstudien haben uns immer wieder darauf hingewiesen, dass Kinder in Deutschland
keine vergleichbar guten Bildungschancen wie Kinder in
anderen wichtigen OECD-Ländern haben. Um in diesem
Bereich eine deutliche qualitative Verbesserung zu erreichen, ist es wichtig, gerade bei der frühkindlichen Bildung, also während der ersten Schuljahre, zu noch besseren Ergebnissen als bisher zu kommen.
({0})
Wirklich beeindruckend ist Folgendes: Wenn Sie
Ganztagsschulen besuchen - ich denke, das tun Sie genauso, wie auch ich es getan habe und tue -, stellen Sie
fest, mit welch großem Engagement und Einsatz die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Städte und Gemeinden sowie die Eltern dort eine neue Lern- und Lehrkultur
entwickeln und umsetzen, wodurch sie das Ganztagsschulprogramm zu einem Schulentwicklungsprogramm
machen.
({1})
Redetext
Das Ziel, das wir mit dem Ganztagsschulprogramm verbunden haben, nämlich einen wichtigen Impuls für die
Schulentwicklung und für die Entwicklung einer veränderten Schulkultur zu geben, haben wir - das kann man
schon nach einem Jahr sagen - tatsächlich erreicht.
Neben einer besseren individuellen Förderung von
Schülerinnen und Schülern steht in allen Schulen das
Aufbrechen des traditionellen Frontalunterrichts sowie
des Fachunterrichts, der im 45-minütigen Wechsel stattfindet, im Mittelpunkt. Ziel ist die Sicherstellung einer
stärkeren Verknüpfung von theoretischem Lernen mit
der praktischen Anwendung des Erlernten. Man will den
berechtigten Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler
gerecht werden und ihre Kompetenzentwicklung in den
musischen und künstlerischen Fächern ebenso wie im
Sport fördern. In anderen Zusammenhängen wird immer
wieder darauf hingewiesen - wir wissen das -, dass viele
Kinder und Jugendliche diese Angebote dringend benötigen. Das wird in den Schulen mit großem Engagement
umgesetzt.
Ich finde es sehr erfreulich, dass sich viele Schulen
für Kooperationen mit außerschulischen Partnern öffnen.
Das gilt sowohl für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe als auch für Sport-, Musik- und künstlerische
Vereine sowie Unternehmen.
Entgegen dem Vorurteil, ein Ganztagsschulangebot
würde dazu führen, dass sich Eltern weniger um ihre
Kinder kümmern, können wir feststellen, dass das genaue Gegenteil der Fall ist: Die Eltern haben ein großes
Interesse an einer funktionierenden Ganztagsschule und
zeigen eine große Bereitschaft zum Mitwirken. Sie bringen ihre Kompetenzen, ihr Know-how, ihre Fähigkeiten
ein und gestalten gemeinsam mit den Lehrerinnen und
Lehrern den Schulalltag in den Ganztagsschulen. Dies
ist eine weitere Zielsetzung, die wir mit dem Ganztagsschulprogramm verbunden haben. Auch sie wird in sehr
vielen Schulen verfolgt.
Kurz gesagt: Dieses Programm ist ein Erfolg. Nach
einem Jahr können wir sagen, dass dieses Programm in
3 000 Schulen umgesetzt wurde. Das kann sich sicherlich sehen lassen. Das ist vor allen Dingen ein Erfolg für
die Kinder und ihre Eltern. Für sie haben wir das Programm schließlich gemacht und gestartet.
Wir begleiten dieses Programm durch ein so genanntes Begleitprogramm. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist hierbei federführend. Wir wollen inhaltliche
Anstöße zur Weiterentwicklung von Unterrichtskonzepten und -modellen geben. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist als Partner sehr geeignet, weil sie sehr
viel Erfahrung hat und aufgrund ihrer Zusammenarbeit
mit den Länderregierungen und der Bundesregierung
fachliche Kompetenzen einbringen kann. Ich bin sehr
froh, dass in 14 Bundesländern bei der Umsetzung dieses Begleitprogramms mit der Deutschen Kinder- und
Jugendstiftung sehr eng zusammengearbeitet wird.
Ferner wird das Programm durch die so genannte Begleitforschung ergänzt, damit wir regelmäßig Informationen über den Stand der Konzept- und Modellentwicklung aufseiten der Ganztagsschulen erhalten. Dieses
Know-how wird selbstverständlich sowohl den Ländern
als auch den Schulen zur Verfügung gestellt.
Vielen Dank.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den soeben berichtet wurde. Die erste Frage
stellt die Kollegin Petra Pau.
Frau Bundesministerin, welche Möglichkeiten sieht
die Bundesregierung, mithilfe des Ganztagsschulprogramms oder darüber hinaus den Ansatz „Länger gemeinsam lernen“ im deutschen Schulwesen zu fördern?
Unter dem Eindruck der jüngsten OECD-Studie wurde
in allen Fraktionen des Hauses darüber debattiert.
Mit dem Ganztagsschulprogramm haben wir den
Rahmen und die Möglichkeit geschaffen, dass Kinder
mehr Zeit haben, miteinander zu lernen, dass Lehrerinnen und Lehrer mehr Zeit haben, mit den Kindern zusammenzuarbeiten und - das sage ich ausdrücklich - individuelle Förderwege zu beschreiten und individuelle
Lernangebote zu unterbreiten. Alle internationalen Vergleichsstudien weisen darauf hin, dass der Mangel unserer Schulen gerade darin besteht, dass zuwenig individuell gefördert wird.
Darüber, ob die Kinder von den Schuljahren her gesehen länger zusammenbleiben, entscheiden die Länder,
die Städte und Gemeinden und vor allen Dingen die
Schulen. Allein die Tatsache, dass die Kinder über einen
längeren Zeitraum des Tages miteinander und voneinander lernen, ist positiv zu bewerten. Wir wissen aus der
Pädagogik und vielen sozialpsychologischen Untersuchungen, dass gerade das Miteinander-Lernen einen
wichtigen Motivationsfaktor für Kinder darstellt. Diesem tragen wir durch dieses Angebot Rechnung, das,
wie gesagt, von den Schulen sehr konstruktiv aufgegriffen wird.
Die Kinder nehmen die Chance, eine Ganztagsschule
zu besuchen, gerne wahr. In den einzelnen Bundesländern liegen bereits Umfragen darüber vor. In RheinlandPfalz zum Beispiel liegt die Zufriedenheit der Eltern und
der Kinder mit diesen Ganztagsschulangeboten bei über
80 Prozent.
Die nächste Frage hat der Kollege Rossmann.
Frau Ministerin, dieses Bundesprogramm ist ja sehr
stark auf die Zusammenarbeit mit den Ländern abgestellt.
({0})
- Nun lassen Sie mich doch meine Frage stellen.
Meine Fragen lauten: Welche Erfahrungen haben Sie
durch die Zusammenarbeit mit den neuen Bundesländern gewonnen - dort gab es ja andere Voraussetzungen und gibt es Länder, die sich mit der Zusammenarbeit besonders schwer tun? Sie sprachen eben an, dass zwei
Länder bei dem Begleitprogramm noch nicht mitmachen. Uns würde interessieren, welche Länder sich dieser fortschrittlichen Sache verweigern.
Lieber Kollege Rossmann, Sie wissen, dass vonseiten
einiger Länder noch vor ein, zwei Jahren scharfe Kritik
an dieser Initiative der Bundesregierung geübt wurde. Es
wurde darauf hingewiesen, diese würde in Länderzuständigkeiten eingreifen. Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir damit keine Verlagerung von Kompetenzen für die Schulpolitik beabsichtigen bzw. verfolgen;
dies wollen wir nicht. Wir wollen damit einen Anstoß für
eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und
für bessere Bildungschancen der Kinder in unserem
Land geben.
Inzwischen ist diese Kritik, die damals von einigen
von der Opposition regierten Ländern in sehr scharfer
Form vorgetragen worden ist - die CDU wird sich besonders gut daran erinnern -, verstummt. Ich stelle fest,
dass landauf, landab alle, egal welcher Partei sie angehören, inzwischen mehr Ganztagsschulen fordern. Das ist
sehr erfreulich. Diese positive Erfahrung zeigt, dass alle
lernfähig sind.
Ich will ausdrücklich festhalten: Das Programm wird
von allen Ländern in großem Umfang genutzt und in Anspruch genommen. Bezüglich des Begleitprogramms
sind zwei Länder noch sehr zögerlich, nämlich BadenWürttemberg und Sachsen.
Die nächste Frage hat die Kollegin Pieper.
Frau Ministerin, aus dem Erzbistum Köln und vom
Deutschen Arbeitskreis für Familienhilfe in Freiburg
sind zum Teil erhebliche Bedenken gegen die so genannten offenen Ganztagsschulen bekannt geworden.
Es heißt dort: Die bewährte Hortbetreuung wurde
durch eine so genannte unzuverlässige Billigbetreuung
ersetzt. Das heißt, Kommunen würden die Neueinrichtung solcher Schulen nutzen, um erheblich an Betreuungskosten zu sparen. So würde das Betreuungsangebot
gerade für sozial Schwache verschlechtert.
Hält die Bundesregierung derartige Bedenken für begründet oder sind sie zerstreut worden?
Liebe Frau Pieper, ich habe ja darauf hingewiesen,
dass wir ein Begleitforschungsprogramm entwickelt haben. Diese Begleitforschung wird von einem Konsortium aus wissenschaftlich unabhängigen Instituten
durchgeführt. Die Federführung hat Herr Professor
Klieme.
Im Rahmen dieser Begleitforschung werden wir die
unterschiedlichen Modelle von Ganztagsschulen evaluieren und analysieren. Dadurch werden wir zu einer Bewertung kommen können. Ich glaube, es ist jetzt wirklich noch zu früh, um aufgrund von Einzelfällen eine
generelle Aussage zu treffen. Deshalb ist die Begleitforschung ein wichtiger Bestandteil unserer Gesamtinitiative, um mit empirisch gesicherten Erkenntnissen und
Informationen eine Beurteilung vornehmen zu können.
An einer großen Zahl von Schulen hat sich gezeigt
- das hat sich auch auf dem Kongress zum Thema
„Ideen für mehr! Ganztägig lernen“ widergespiegelt, den
wir vor knapp zwei Wochen mit einer großen Zahl von
Teilnehmern veranstaltet haben -, dass wirklich das
stattfindet, was ich beschrieben habe: Die gesamte Methodik und die Unterrichtsorganisation verändern sich.
Der Unterricht wird mit der Zielsetzung gestaltet, die
Kinder besser individuell zu fördern und ein Angebot zu
schaffen, um die unterschiedlichen Fähigkeiten und
Lernwege von Kindern zu berücksichtigen und aufzugreifen.
Bei einer skeptischen Bewertung würde ich dringend
dazu raten, in Kooperation mit der Deutschen Kinderund Jugendstiftung die Konzepte zu verbessern und weiterzuentwickeln. Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung steht uns hier mit Rat und Tat zur Seite, um zu einem qualitativ guten Angebot beizutragen.
Ich will aber auch klar sagen: Die Verantwortung für
die Qualität des Konzeptes der schulischen Ausbildung
liegt aufseiten der Länder sowie der Städte und Gemeinden, die Verantwortung für die Schulen tragen. Diese
Verantwortung kann ihnen niemand abnehmen, sondern
diese müssen sie wahrnehmen. Mein Eindruck ist allerdings, dass dies von den Ländern sehr offensiv aufgenommen und versucht wird, dieses Programm tatsächlich als Schulentwicklungsprogramm zu nutzen und
anzuwenden.
Herr Kollege Lensing, bitte.
Frau Ministerin Bulmahn, ich hatte den Eindruck,
dass Sie die vermeintlichen oder echten Erfolge dieser
neuen Schulform in geradezu euphorischer Weise gepriesen haben. Von daher haben Sie bei mir das Bedürfnis geweckt, Sie zu fragen: Welche Kriterien legen Sie
für diese Qualitätssicherung zugrunde? In welcher Weise
wurden die Ihnen offensichtlich vorliegenden Ergebnisse evaluiert? Wie wird bei aller Verantwortung der
Länder zumindest aus Ihrer Sicht konkret vermieden,
dass es nicht einfach bei länger geöffneten Schultoren,
bei ausgeweiteten Anwesenheitspflichten für die Lehrkräfte und einer geringen Zahl von Kooperationsverträgen mit den Vereinen bleibt?
Lieber Herr Lensing, Sie haben sicherlich Recht: Ich
gehöre nicht zur Gruppe der Misanthropen.
({0})
Ich hoffe, auch Sie nicht.
({1})
Insofern freut es mich natürlich, wenn ich bei Ihnen das
Bedürfnis nach Information geweckt habe.
({2})
Schließlich ist dies eine wichtige Voraussetzung dafür,
dass Menschen bis ins hohe Alter bildungsfähig bleiben.
({3})
Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass wir eine Begleitforschung durch wissenschaftlich unabhängige
Experten durchführen und Professor Klieme hierbei
federführend ist. Wir werden selbstverständlich auch das
Parlament regelmäßig über die Ergebnisse dieser Begleitforschung informieren.
({4})
Wir haben, wie gesagt, vor kurzem gemeinsam mit sehr
vielen Partnern und Akteuren einen Kongress durchgeführt. Auch Vertreter der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und eine ganze Reihe von Ländervertretern haben teilgenommen. Alle sind sich einig, dass eine
Ganztagsschule dazu genutzt werden soll und muss, den
Unterricht so zu gestalten, wie ich es eben beschrieben
habe.
Es soll nicht mehr so wie bisher ablaufen, dass
25 Kinder - womöglich noch im Frontalunterricht - auf
die gleiche Art und Weise unterrichtet werden, zum Beispiel zuerst im Fach Englisch und dann in der nächsten
Stunde im Fach Mathematik. Für den Lernerfolg von
Kindern ist es wichtig, dass sie in Zusammenhängen lernen können, dass der projektorientierte Unterricht ein
stärkeres Gewicht hat, dass Kindern individuelle Lernwege ermöglicht werden. Die 25 Kinder sollen nicht auf
die gleiche Art und Weise unterrichtet, sondern sollen
unterschiedlich gefördert werden.
Diese Methoden müssen aber immer zum Ziel führen,
sodass beim Niveau keine Abstriche gemacht werden
dürfen. Es kommt auch darauf an, dass es einen Wechsel
zwischen den stärker kognitiv sowie den musisch, künstlerisch und sportlich ausgerichteten Fächern und Lernphasen gibt, wodurch die Fähigkeiten oder Kompetenzen von Kindern besser gefördert und entwickelt
werden. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die
Entwicklung aller Ganztagsschulkonzepte und Schulmodelle.
Eine ganz große Rolle spielt der größere Anteil des
- ich sage das ausdrücklich - eigenständig aktiv anwendenden Lernens; denn die PISA-Studie und andere internationale Studien haben darauf hingewiesen, dass in den
bei uns üblichen Halbtagsschulen Kinder zu wenig Zeit
und Möglichkeiten haben, etwas Erlerntes aktiv handelnd
anzuwenden, und dass das einer der Gründe dafür ist, dass
das Erlernte nicht für das Leben erlernt wird, sondern oft
nur für die Dauer von zwei oder drei Monaten behalten
und danach wieder vergessen wird. Diese Art von Lernen
ist aber nicht unser Ziel. Unser Programm ist ein wichtiger und guter Schritt, der zu einer wirklichen Veränderung unserer Schulen führt. Daher sollten wir ihn alle unterstützen und konstruktiv begleiten.
({5})
Herr Kollege Brase, bitte.
Frau Ministerin Bulmahn, sowohl die PISA-Studie als
auch die OECD-Studie haben auf die Verteilung der Mittel für die Bildung zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen, also zwischen dem Primar- und dem
Sekundarbereich, hingewiesen und darin einen Mangel
in unserem Bildungssystem gesehen.
Lassen Sie uns das einmal mit einem Hausbau vergleichen. Ein gutes Haus wird nur dann lange stehen
bleiben, wenn das Fundament sehr stark ist. Wenn man
ein Haus mit vielen Stockwerken baut, muss das Fundament größer sein. Wenn die Kritik der OECD-Studie zutreffend ist, dann muss ich fragen, ob Ihr Ansatz, mehr
Mittel für das Ganztagsschulprogramm zur Verfügung
zu stellen, vielleicht der erste Schritt bzw. die Initialzündung ist, um das Fundament in der Bildung zu stärken,
({0})
das heißt, dem Bedarf der Grundschulen, in denen die
Kinder zu lernen anfangen, Rechnung zu tragen.
Lieber Kollege Brase, Sie haben völlig zu Recht
gesagt, dass die OECD immer wieder darauf hinweist,
dass wir im Vergleich zu anderen OECD-Staaten in den
Grundschulbereich unterdurchschnittlich investieren.
Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass von den
3 000 Schulen, die uns von den Ländern gemeldet worden sind, 1 400 Grundschulen sind. Dieses Programm
wird also von einer Reihe von Ländern ganz besonders
stark für die Weiterentwicklung der Grundschulen genutzt. Das gilt zum Beispiel für das Land NordrheinWestfalen, das hier einen klaren Schwerpunkt setzt. Das
ist genau richtig.
Den zweiten Schwerpunkt bildet die Sekundarstufe I.
Auch dies ist sinnvoll. Wenn man die Anstrengungen im
Grundschulbereich und im Bereich der Sekundarstufe I
nicht verstärkt und die Schulsituation und damit die Bildungschancen nicht verbessert, dann wird vieles von
dem, was wir später in der beruflichen Bildung und in
der Hochschulausbildung zu verbessern versuchen, nur
mit einem erheblich größeren Aufwand möglich sein.
Deshalb muss man genau dort ansetzen.
Dazu gehört auch unsere Initiative zur Verbesserung
der frühkindlichen Bildung und Betreuung. Ich erinnere
daran, dass die Bundesregierung im Rahmen der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit den
Ländern und Kommunen vereinbart hat, dass die Städte,
die Gemeinden und die Länder zusätzlich 2,5 Milliarden
Euro erhalten, um ganz gezielt die frühkindliche Bildung
und Betreuung zu verbessern. Auch das ist ein wichtiger
Schritt, um das Bildungsniveau sowohl in der Breite als
auch in der Spitze in unserem Land insgesamt zu verbessern.
Frau Kollegin Reiche, bitte.
Frau Ministerin, auf den Internetseiten Ihres Hauses ist
die Statistik zu den 2004 geförderten Schulen bzw. zu den
geplanten Maßnahmen aufgeführt. Ich möchte zwei Beispiele nennen. Hessen ist mit 181 geförderten Schulen
aufgelistet. Tatsache ist aber - zumindest der Hessischen
Landesregierung zufolge -, dass nur 61 neue Ganztagsangebote geschaffen wurden, allerdings 254 Baumaßnahmen laufen. Für 2004 sind 191 Baumaßnahmen und
23 echte Ganztagsschulen angemeldet. In Bayern sind
120 Ganztagsangebote neu eingerichtet worden; bei
255 erfolgt eine Weiterentwicklung. Sie melden hingegen
388. Heißt das, dass Sie aus jeder angemeldeten Baumaßnahme automatisch eine Ganztagsschule machen oder
wie kommen Ihre Statistiken zustande?
Genau das heißt es nicht, liebe Frau Reiche. Denn wir
fragen sehr konkret und dezidiert nach, wie viele Schulen
durch das Ganztagsschulprogramm zu Ganztagsschulen
aufgebaut und wie viele Ganztagsschulen in diesem Zusammenhang geschaffen werden. Eine zweite Fragestellung bezieht sich darauf, wie viele Baumaßnahmen pro
Schule durchgeführt werden. Wir beziehen uns auf die
Schulen, die uns die Länder gemeldet haben. Das heißt,
dass Sie Ihre Frage an die Länder richten müssten. Denn
wenn die Länder Ihnen solche Informationen geben,
dann weiß in den Landesministerien - wie in Hessen offensichtlich die eine Hand nicht, was die andere tut.
({0})
Ich rate Ihnen insofern dringend: Reden Sie mit Ihren
Kollegen in Hessen darüber, dass sie sich untereinander
abstimmen sollten! Denn es geht nicht an, dass sie uns
auf unsere sehr differenzierten Fragen - sie sind in fünf
unterschiedliche Bereiche aufgeschlüsselt - völlig andere Informationen geben als Ihnen.
Herr Kollege Fell, bitte.
Frau Ministerin, ich kann mich noch sehr gut an die
Beratungen im Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung im Zusammenhang mit dem
Ganztagsschulprogramm erinnern. Vonseiten der Union
und nach meiner Kenntnis auch von einflussreichen
Ministerpräsidenten der Union war eine sehr starke Ablehnung gegenüber diesem Programm zu verzeichnen.
Ich hatte vor kurzem ein interessantes Erlebnis. Bei
einem Besuch des Ministerpräsidenten Stoiber in einem
Ganztagsgymnasium in meinem Wahlkreis sind vor allem die von Ihnen dargestellten neuen Unterrichtsmethoden aufgefallen. Soweit ich es beurteilen kann, haben sie
auch bei Ministerpräsidenten Stoiber große Aufmerksamkeit gefunden.
Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Gibt es
schon eine Übersicht, inwiefern die Länder, die dem
Programm ursprünglich ablehnend gegenüberstanden, es
nun aufgreifen und zur Verbesserung der schulischen
Situation nutzen?
Lieber Kollege Fell, eine derartige Übersicht ist vorhanden und steht Ihnen zur Verfügung. Für Bayern sind
uns vom Land Bayern für das Schuljahr 2003/2004
388 Schulen gemeldet worden. Damit schöpft das Land
Bayern den Anteil aus, der ihm aufgrund der Schülerzahl
- das ist der Berechnungsschlüssel für die Höhe der den
Ländern zur Verfügung gestellten Mittel - zusteht. Das
heißt, das Programm wird auch vom Land Bayern offensiv genutzt.
({0})
Herr Kollege Kretschmer, bitte.
Frau Ministerin, Sie haben das Ganztagsschulprogramm mit den in der PISA-Studie und in der OECDStudie aufgelisteten Defiziten begründet, die vor allen
Dingen in den SPD-regierten Ländern bzw. in den Ländern aufgetreten sind, in denen SPD-Bildungspolitiker
das Sagen haben. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass
dieses Programm etwas zu kurz greift? Teilen Sie nicht
auch die Meinung der Experten, dass man zwar durchaus
in Beton investieren könne, dass es aber besser wäre, in
Köpfe oder - noch besser - in Pädagogen zu investieren?
({0})
Geben Sie nicht im Nachhinein auch uns Recht, die wir
immer wieder gefordert haben, die Mittel den Ländern
zuzuweisen, damit dort Pädagogen eingestellt werden?
Können Sie uns das bestätigen?
Herr Kretschmer, das kann ich Ihnen nicht bestätigen.
Auch in diesem Zusammenhang sage ich ausdrücklich:
Lesen bildet.
({0})
Wenn Sie die OECD-Studie lesen - ich weiß, dass Sie
das durchaus tun -, dann wird Ihnen bekannt sein, dass
der jüngsten Untersuchung zufolge das Ganztagsschulprogramm die überzeugende und uns nach vorn bringende Reforminitiative nach PISA ist.
({1})
Deshalb kann ich das, was Sie hier geäußert haben, auf
keinen Fall bestätigen.
Ich denke, es ist an der Zeit, die bisherige parteipolitisch geprägte Auseinandersetzung, die in Ihrer Frage
zum Ausdruck gekommen ist, ad acta zu legen; denn sie
fortzusetzen dient weder den Kindern noch den Eltern.
Es handelt sich im Übrigen auch nicht um ein „Betonprogramm“. Das habe ich vorhin ausführlich dargelegt.
Vielmehr eröffnen wir den Städten und Gemeinden und
vor allen Dingen den Schulen selber mit diesem Programm eine Chance. Ich finde es außerordentlich erfreulich, in welchem Umfang und mit wie viel Engagement
diese Chance von den Lehrerinnen und Lehrern, den Eltern und den Schulen genutzt wird. Das klein zu reden
dient nicht der Verbesserung unseres Bildungssystems.
({2})
Das genaue Gegenteil ist erforderlich: Dieses Programm
sollte konstruktiv unterstützt werden. Jeder Abgeordnete
kann das in seinem Wahlkreis tun. Ich erwarte, dass Sie
genauso wie wir alle einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Programm ein wirklicher Erfolg wird.
Lassen Sie mich noch auf einen anderen Punkt zu
sprechen kommen. Weil wir wissen, dass es in den Bundesländern an Personal in den Bildungseinrichtungen
mangelt, haben wir einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, mit dem die Bundesländer - wenn sie ihn denn annähmen - endlich den finanziellen Spielraum erhielten,
um mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Ich kann
es absolut nicht verstehen, warum die CDU/CSU ihrem
Herzen nicht einen Stoß gibt und sagt: Wir tragen den
Vorschlag mit, die Eigenheimzulage zu streichen.
({3})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
CSU, das ist die Nagelprobe, der sich niemand in diesem
Haus entziehen kann. Wenn Sie es ernst damit meinen,
dass uns die Bildung in unserem Land mehr wert sein
muss, dann müssen Sie angesichts der Situation aller öffentlichen Kassen - ich kenne ja die Lage Ihrer Bundesländer und weiß, welche Diskussionen die Landesregierungen zurzeit führen - den Mut und die Courage haben,
zu sagen: Eine Eigenheimzulage ist heutzutage angesichts der niedrigsten Hypothekenzinsen seit Jahrzehnten, des Wohnungsüberschusses in ganz Deutschland
und des Bevölkerungsrückgangs nicht mehr zwingend
notwendig. Zwingend notwendig sind aber mehr Mittel
für Bildung und Forschung.
({4})
Herr Kretschmer, wenn Sie bedenken, dass die Bundesländer mehr als die Hälfte der durch das Streichen der
Eigenheimzulage frei werdenden Mittel erhielten und so
alleine im Jahr 2008 rund 30 000 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich einstellen könnten, dann müssen Sie sich
schon ernsthaft fragen lassen, ob Sie hier der Mut verlässt oder ob Sie auf Kosten der Eltern und der Kinder
Parteitaktik betreiben.
({5})
Frau Kollegin Seib, bitte.
Frau Ministerin, in der Antwort der Bundesregierung
vom 28. Februar dieses Jahres auf die Kleine Anfrage
der Union haben Sie unter Ziffer 13 die grundsätzliche
Zuständigkeit der Bundesländer für den Bildungsbereich
bejaht. Wörtlich heißt es dort:
Die Länder und Kommunen haben die Kosten für
die Erhaltung der getätigten Investitionen zu tragen.
Unter den Ziffern 12 und 8 bestätigen Sie schriftlich,
dass Ihnen die zu erwartenden Folgekosten sowie die Investitions- und die Betriebskosten nicht bekannt sind.
Haben weitere Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden - wie in Ziffer 4 dieser Antwort angekündigt gemäß der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien stattgefunden und wenn ja, welche Ergebnisse haben diese Gespräche gebracht, um die von Ihnen
dargelegten Lücken zu schließen?
Liebe Frau Kollegin, darf ich Sie so verstehen, dass
Sie jetzt für eine Bundeszuständigkeit für die Schulpolitik und insbesondere für die schulische Bildung plädieren?
({0})
Wenn es eine Bundeszuständigkeit für die Schulpolitik
gäbe, dann hätten Sie Ihre Fragen zu Recht an die Bundesregierung gestellt. Tatsächlich gibt es aber eine Landeszuständigkeit für die Schulpolitik. Meines Wissens
ist gerade Bayern eines der Bundesländer, die ständig
mit Nachdruck auf das Erhalten der Landeszuständigkeit
für die gesamte Bildungspolitik pochen. Ich muss diese
Bundesländer immer darauf hinweisen, dass es in der
Realität etwas differenzierter ist; denn der Bund hat die
Zuständigkeit für den betrieblichen Teil der beruflichen
Ausbildung und eine Mitzuständigkeit für die Hochschulausbildung.
Wir haben keine Zuständigkeit für die Schulen; das ist
so. Wir haben nichtsdestotrotz die Initiative ergriffen
- das ist das Recht des Bundes -, zur Bewältigung einer
ganz bestimmten Aufgabe finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Deshalb haben wir auf der Grundlage
von Art. 104 a des Grundgesetzes dieses Ganztagsschulprogramm gestartet. Wir haben damit die Verantwortlichkeiten für die Schulpolitik und für Schulen nicht verändert. Sie bleiben - so wie es in unserer Verfassung
niedergelegt worden ist - aufseiten der Länder. Daher
müssen Sie alle Fragen, die Sie mir soeben gestellt haben, Ihren Landesregierungen stellen.
({1})
Das Wort hat der Kollege Tauss.
({0})
Ein wichtiger Hinweis. - Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren interessanten Bericht. Wir haben heute Morgen eine sehr interessante Ausschusssitzung gehabt, wo der Wissensdurst der Kolleginnen und
Kollegen der Union dadurch etwas konterkariert wurde,
dass die von Ihnen beabsichtigte Begleitforschung - sie
betrifft die Auswirkungen dieses Programms - pauschal
in Bausch und Bogen abgelehnt worden ist.
Ich möchte deshalb diese Gelegenheit nutzen, Sie zu
bitten, uns nochmals den Hintergrund dieser Begleitforschung zu erläutern. Außerdem frage ich Sie nach Einzelheiten dieser Begleitforschung, um deren Sinnhaftigkeit auch den Kolleginnen und Kollegen der Union zu
verdeutlichen. Heute Morgen gab es zwar einen rotgrün-gelben Mehrheitsbeschluss, mit dem diese Zweifel
zurückgewiesen wurden, aber vielleicht könnten wir zu
noch mehr Gemeinsamkeit kommen, wenn Sie die
Freundlichkeit besäßen, uns dies nochmals zu erläutern.
Im Rahmen der Begleitforschung werden zum Beispiel unterschiedliche Ganztagsschulmodelle miteinander verglichen. Es wird analysiert, zu welchen Leistungssteigerungen die einzelnen Konzepte und Modelle
führen. Deshalb wird es keine einmalige Untersuchung
sein, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine Begleitung der Schulen über einen längeren Zeitraum.
In anderen Diskussionszusammenhängen habe ich
schon einmal darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland zu wenig empirische Langzeituntersuchungen über
die Entwicklung unseres Schulsystems haben. In dieser
Untersuchung werden zum Beispiel die unterschiedlichen Modelle einer offenen und einer gebundenen Ganztagsschule miteinander verglichen. Darüber hinaus wird
die Gestaltung des Unterrichts selbst berücksichtigt, analysiert und verglichen. Das Ganze wird immer in Verbindung gesetzt zur Leistungsentwicklung der Schülerinnen
und Schüler. Durch die Erkenntnisse, die wir im Rahmen
des Begleitforschungsprogramms gewinnen, können wir
hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, dass sich Schulen
praktisch von vornherein an Erfolg versprechenden Modellen orientieren und dass sie sie dementsprechend umsetzen.
Ich bin nicht der Auffassung - das will ich gleichzeitig sagen -, dass man ein Bundesmodell für alle Ganztagsschulen entwickeln sollte. Wie die Unterrichtsgestaltung, die Methodik und die Didaktik, die dort eingesetzt
werden, konkretisiert werden, muss vielmehr von den
Schülerinnen und Schülern der jeweiligen Schule abhängig gemacht werden. Daher muss man den Schulen entsprechende Gestaltungsspielräume eröffnen.
({0})
Frau Kollegin Lötzsch, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, ich
möchte vorausschicken, dass wir von der PDS das Ganztagsschulprogramm sehr unterstützen und es für einen
richtigen Ansatz halten. Ich habe der Bundesregierung
im März dieses Jahres eine schriftliche Frage gestellt
und mich nach dem - sehr unterschiedlichen - Mittelabfluss erkundigt. In der Antwort ist ausgeführt worden,
dass einzelne Bundesländer meinen, einen höheren als
den jetzt vorgesehenen Landesanteil zu benötigen. Können Sie mir bitte sagen, welche Bundesländer einen höheren Bedarf angemeldet haben und ob dieser Bedarf so
befriedigt wird, wie es die Bundesländer wünschen?
Der Schlüssel, der der Verteilung der insgesamt
4 Milliarden Euro zugrunde gelegt worden ist, bezieht
sich auf die Anzahl der Schülerinnen und Schüler von
der ersten bis zur zehnten Klasse. Auf dieser Grundlage
ist die Summe errechnet worden, die den jeweiligen
Ländern für die gesamte Laufzeit dieses Programms zur
Verfügung steht. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir
ein Verzeichnis der angemeldeten Mittel im Internet eingestellt haben; das heißt, Sie können dort genau sehen,
wie viele Mittel von den jeweiligen Ländern angemeldet
worden sind. Die Anforderungen der Länder liegen
ungefähr im Bereich dessen, was ihnen für die
Jahre 2003/04 zur Verfügung stehen würde.
Es ist aber in der Vereinbarung auch festgelegt worden, dass ein Land, das zum Beispiel in diesem Jahr
nicht die volle Summe der ihm zustehenden Mittel abruft, diesen Differenzbetrag nicht verliert, sondern ihn
im nächsten oder übernächsten Jahr in Anspruch nehmen
kann. Das heißt, der entscheidende Faktor ist die Gesamtsumme, die den Ländern zur Verfügung steht. Die
Länder entscheiden selber, in welchem Jahr sie wie viele
der ihnen zustehenden Mittel abrufen. Das ist auch vernünftig, weil Planung und Umsetzung in den Ländern
unterschiedlich schnell stattfinden. Wir wollen ja mit
diesem Programm etwas in der Sache bewegen und nicht
die Länder gängeln. Deshalb ist es gut, dass wir die Vereinbarung getroffen haben, wonach die Länder selber
entscheiden können, in welchem Umfang sie wann ihre
Mittel abrufen.
Von der Gesamtsumme für das Jahr 2003/04 sind bereits 927 845 000 Euro von den Ländern angemeldet
bzw. abgefordert worden. Das zeigt ja, dass die Mittel
wirklich in dem Umfang, wie wir sie eingeplant haben,
von den Ländern genutzt werden.
Frau Kollegin Dominke, bitte.
Frau Ministerin, ich habe noch eine Ergänzungsfrage
zum Thema Begleitforschung. Sie haben das ja eingangs
schon dargelegt und Herr Kollege Tauss hat es eben auch
noch vertieft. In der Folie von Ihrem Haus, die an uns
verteilt wurde, haben Sie den Bereich Begleitforschung
mit ein paar Stichworten unterfüttert wie zum Beispiel
„Unterstützung der Länder bei der dezentralen Evaluierung des Investitionsprogramms“. Mich interessiert, wie
das Ministerium für Bildung und Forschung hierbei die
Länder finanziell unterstützt und welche inhaltlichen
und fachlichen Hilfestellungen es dabei gibt.
Außerdem ist hier die Rede von ständigem Ergebnistransfer bzw. kontinuierlicher Dokumentation. Mich
würde interessieren, wie dieser Punkt mit Forschung zusammenhängt. Natürlich sind Dokumentation und Statistik wichtig. Aber wie passt das zum Bereich Forschung
und wie finanzieren Sie das im Detail?
Zu der ersten Frage, liebe Frau Kollegin: Wir unterstützen die Länder, indem sie diese Forschungsergebnisse zur Kenntnis erhalten. Natürlich können sie, wenn
sie daran Interesse haben, auch an den Programmen mitwirken. Ich habe ja vorhin gesagt, dass die Begleitforschung durch wissenschaftlich unabhängige Forschungsinstitute durchgeführt wird. Darauf lege ich auch großen
Wert, dass die wissenschaftliche Unabhängigkeit gewährleistet ist. Insofern wird die Begleitforschung federführend durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dieser Institute durchgeführt. Natürlich profitieren
auch die Länder davon. Wenn sie die Ergebnisse kennen,
können sie zum Beispiel selber auch Rückschlüsse und
Schlussfolgerungen daraus ziehen.
Zu dem zweiten Punkt, nach dem Sie gefragt haben,
der Dokumentation: Es ist doch ein selbstverständlicher
Bestandteil der Forschungstätigkeit, dass Forschungserkenntnisse und -ergebnisse dokumentiert werden.
({0})
Deshalb kann ich, offen gesagt, Ihre Frage nicht ganz
nachvollziehen. Wenn wir Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler nicht dazu verpflichten würden, ihre
Forschungsergebnisse auch zu dokumentieren - das erwarten wir ja von ihnen -, würden sie den Menschen ja
gar nicht zur Verfügung stehen. Dann könnte keiner von
uns davon profitieren.
({1})
Dabei ist es unwichtig, ob es sich um Bildungsforschung, um physikalische Forschung, um Forschung im
Bereich der Nanotechnologie oder um Gesundheitsforschung handelt. Forschungsergebnisse werden generell
immer dokumentiert.
({2})
Erst dadurch sind sie ja überhaupt erst gewinnbringend.
Erst dadurch können wir von ihnen profitieren. Erst dadurch werden sie nützlich.
Deshalb kann ich - das will ich noch einmal ausdrücklich sagen - Ihre Frage nicht ganz nachvollziehen.
({3})
Selbstverständlich ist die Dokumentation Bestandteil eines jeden Forschungsprojektes; alles andere wäre wohl
auch etwas eigenartig.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt noch
vier Fragestellerinnen und Fragesteller auf meiner Liste,
die ich gerne noch aufrufen würde. Vielleicht kann man
sich in der gebotenen Kürze äußern.
({0})
Die nächste Frage hat die Kollegin Multhaupt.
Vielen Dank. - Liebe Frau Ministerin, ich möchte
eine Frage zur inhaltlichen Ausgestaltung des Ganztagsschulprogramms stellen. In dem von Ihnen heute schon
erwähnten Begleitprogramm ist unter anderem als Ziel
formuliert, dass die Ganztagsschulen auch dazu beitragen sollen, den dramatischen Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland zu überwinden. Meine Frage ist nun: Gibt es bei den bisher aus
dem Programm geförderten Schulen bereits erste Hinweise darauf, inwieweit dieses Ziel erreicht ist? Konkret
gefragt: Werden in dem hier schon mehrfach erwähnten
Begleitforschungsprogramm diese Ziele mit evaluiert
und wann können wir da eventuell mit ersten Ergebnissen rechnen?
Liebe Kollegin, dieses Begleitforschungsprogramm
beginnt in den kommenden Wochen. Deshalb können
wir jetzt noch keine Ergebnisse der Begleitforschung
vorstellen. Es gibt in einzelnen Ländern Untersuchungen; ich habe vorhin bereits auf das Land RheinlandPfalz verwiesen. Dort ist jetzt nach einem Jahr eine Untersuchung durchgeführt worden, die zeigt, dass in den
Schulen, die zu Ganztagsschulen geworden sind, eine
außerordentlich hohe Zufriedenheit herrscht, und zwar
sowohl aufseiten der Eltern und Schüler - ich habe vorhin darauf hingewiesen - als auch aufseiten der Lehrerinnen und Lehrer. Außerdem zeigt die Untersuchung,
dass in den Schulen, die jetzt seit einem oder anderthalb
Jahren Ganztagsschulen sind, bei allen Schülerinnen und
Schülern deutliche Leistungszuwächse erkennbar sind.
Diese Untersuchung bezieht sich aber nur auf einzelne Schulen. Umfassendere und damit auch belastbarere Aussagen werden wir erst in einiger Zeit - ich
denke, in zwei, drei Jahren - zur Verfügung haben, wenn
die Untersuchungen sich nicht mehr nur auf einen kleineren Raum, nämlich ein Bundesland, sondern auf große
Teile der Bundesrepublik erstrecken. Die Erfahrungen
erfolgreicher Bildungsnationen machen allerdings deutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen zur Verfügung stehender Lernzeit, Unterrichtsgestaltung, individueller Förderung und Leistungserfolg und -ergebnis des
Bildungssystems gibt. Sie wissen ja, dass Deutschland
bei der PISA-Studie leider alles andere als gut abgeschnitten hat. Alle Länder, die sehr gut abgeschnitten haben, haben ein Ganztagsschulsystem. Es ist auch klar:
Eine wirkliche individuelle Förderung ist in einer Halbtagsschule kaum umfassend umzusetzen; sie ist sehr
schwierig zu realisieren. Das ist auch einer der Gründe,
warum Eltern und Lehrer die Chance der Ganztagsschule so offensiv und engagiert aufgreifen.
Herr Kollege Müller, bitte.
Frau Minister, ich frage noch einmal nach, weil einige Ihrer Antworten, die die Begründung dafür sein
sollen, dass wir die Ganztagsschule so dringend benötigen, nicht schlüssig sind. Sie haben angeführt, um vom
45-Minuten-Takt einer Schulstunde in den gleitenden
Unterricht zu wechseln, benötige man Ganztagsschulen.
Ich sehe das nicht so; denn ich kenne viele Schulen, die
diesen Wechsel bereits heute vollzogen haben. Sie haben
weiterhin gesagt, um aus dem Frontalunterricht zum
Beispiel in den Projektunterricht zu wechseln, benötige
man Ganztagsschulen. Auch das sehe ich nicht; denn ich
kenne viele Schulen, die das bereits vollzogen haben,
ohne Ganztagsschulen zu sein.
Ich stimme Ihnen zu, dass das Angebot der Ganztagsschule für die Eltern, die Schule und Beruf miteinander
vereinbaren wollen, durchaus eine Hilfe sein kann. In
diesem Punkt sind wir sicherlich d’accord. Meine Frage
an Sie, um das vielleicht etwas konkreter zu machen:
Sehen Sie in dem Ganztagsschulkonzept einen schulartenübergreifenden inhaltlichen Ansatz oder soll dieses
Konzept eine neue Schulform begründen?
Meine zweite Frage bezieht sich auf die Gesamtschulen, die nach herkömmlicher Lesart bereits Ganztagsschulen sind. Was müsste sich bei den Ganztagsschulen
angesichts der Tatsache, dass sie in den einschlägigen
Studien nicht gerade gute Ergebnisse aufweisen, verändern?
Zu Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Müller. Sie haben
eine Reihe von anderen Antworten, die ich gegeben
habe, ganz bewusst nicht erwähnt. Ich habe zum Beispiel
die individuelle Förderung angesprochen, die in einer
Ganztagsschule wesentlich besser realisiert werden kann
als in einer Halbtagsschule, weil mehr Zeit vorhanden
ist, die Kinder individuell zu unterstützen und dafür zu
sorgen, dass sie ihr Wissen in der Praxis anwenden können. Des Weiteren kann man den Unterricht in einer
Ganztagsschule ganz anders rhythmisieren als in einer
Halbtagsschule. Das ist unter Experten und Wissenschaftlern völlig unumstritten.
Es gibt ein weiteres, ganz wichtiges Argument für die
Ganztagsschule. Mehr als zwei Drittel aller Eltern in unserem Land wollen Ganztagsschulen. Deshalb sage ich
ganz ausdrücklich: Da sowohl Kinder, die in einer Ganztagsschule schon gute Erfahrungen gemacht haben, als
auch Eltern die Ganztagsschule wollen, müssen die politisch Verantwortlichen dafür Sorge tragen, dass der Elternwille und auch der Wille der Schülerinnen und Schüler realisiert wird.
({0})
Zu Ihrer zweiten Frage. Das Konzept der Ganztagsschulen ist eine Chance für alle Schulformen und Schularten, weil es zu einer Änderung der Unterrichtskultur
und Schulkultur führen kann bzw. in vielen Fällen bereits dazu geführt hat. Ich bin sicher, dass diese Chance
von allen Schulformen genutzt werden wird.
Noch eine Anmerkung zu den Gesamtschulen. Die
Welt ist nicht ganz so simpel, wie Sie sie beschreiben.
Unter den Schulen, die sich im Rahmen der PISA-Studie
als die besten herausgestellt haben, befindet sich eine
ganze Reihe von Gesamtschulen. Es gibt aber zwischen
den Schulen einer Schulart riesige Unterschiede.
({1})
Das ist das eigentlich gravierende Ergebnis dieser Studie: Es gibt riesige Leistungsunterschiede innerhalb der
Gymnasien und innerhalb der Realschulen. Dramatisch
große Unterschiede bestehen also nicht zwischen den
Schularten - das hätte man eigentlich erwartet -, sondern innerhalb einer Schulart. Deshalb habe ich als Bundesbildungsministerin so vehement für bundesweite
Bildungsstandards und für regelmäßige Leistungsvergleiche, die schulartübergreifend sind, plädiert. Ansonsten würden wir nichts über diese großen Unterschiede
erfahren. Wir müssen zu vergleichbaren Standards kommen. Alles andere ist nicht zielführend.
Ich sage noch einmal ausdrücklich: Insgesamt müssen
wir das Bildungsniveau sowohl in der Breite als auch in
der Spitze verbessern. Dazu können Ganztagsschulen einen wichtigen Beitrag leisten.
({2})
Frau Kollegin Berg, bitte.
Aus den Fragen einiger Kollegen der Opposition ging
eine ganz gehörige Skepsis gegenüber dem Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung hervor.
({0})
Vielleicht kann man diese Skepsis ein wenig zurückdrängen, wenn man einmal über den bundespolitischen
Tellerrand hinausschaut. Meine Frage lautet daher: Können Sie einmal darstellen, welche Schulsysteme es im
europäischen Raum gibt und welche Parallelen zum
deutschen Schulsystem möglicherweise bestehen?
Zu den erfolgreichsten Bildungsnationen gehört Kanada. Die Bevölkerungsstruktur dort ist mit unserer
durchaus vergleichbar. Und obwohl es in Kanada ebenfalls ein föderales System gibt, sind dort nationale Bildungsstandards völlig unstrittig. Es gibt auch keinen
Streit um die Anerkennung von Bildungsabschlüssen.
Man hat sich auf Grundzüge eines gemeinsamen Bildungssystems verständigt. Das heißt, man kann solche
Strukturen in einem föderalen System auch ohne Veränderung der Zuständigkeit schaffen.
Was in diesen Ländern ebenfalls der Fall ist, ist, dass
Kinder länger zusammen lernen. Wir führen diese Debatte ja auch in Deutschland. Das Entscheidende ist, dass
man undogmatisch vorgeht und Schulen in einem stärkeren Maße entscheiden können - hierfür sollte mehr Offenheit gezeigt werden -, wie sie den Unterricht und die
Schulabläufe organisieren.
In der PISA-Studie wurde ja neben dem in Deutschland deutlich geringeren Bildungsniveau auf den großen
Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen hingewiesen. Es ist wirklich erschreckend
- das müssen wir für Deutschland insgesamt konstatieren; das gilt zum Beispiel aber auch im Land Bayern -,
dass ein Kind aus einer bildungsferneren Familie sechsmal schlechtere Chancen hat, das Abitur, den höchsten
Schulabschluss, zu erreichen, als ein Kind aus einer
Akademikerfamilie - und dies bei gleicher schulischer
Leistung, bei gleichen schulischen Kompetenzen. Das ist
ein wirklich erschreckendes Ergebnis.
Deshalb ist die individuelle Förderung ein wichtiger
Punkt. Ein Umdenken ist in unseren Schulen zwingend
geboten und notwendig, damit die Bildungschancen
nicht von der familiären Herkunft abhängig sind, sondern damit jedem Kind Chancen eröffnet werden und
man als Kind bzw. Jugendlicher nicht in Schubladen einsortiert wird. Diesen Mentalitätswandel benötigen wir in
unserem Schulsystem und in unserem Bildungssystem
generell.
Die letzte Frage hat der Kollege Schummer.
Frau Ministerin, das Ganztagsschulprogramm beinhaltet ja zunächst einmal eine Anschubfinanzierung.
Die weiteren Kosten, zum Beispiel für das Personal, tragen darüber hinaus dauerhaft die Länder. Gibt es in Ihrem Ministerium Modellrechnungen darüber, wie die
Kostenrelation zwischen Bund und Ländern im Hinblick
auf die neue Ganztagsschule aussieht? Gibt es neben der
Streichung der Eigenheimzulage irgendeine zweite innovative Idee, wie der Bund die Länder für die Bewältigung dieser Aufgabe finanziell besser stellen kann?
({0})
Lieber Herr Schummer, ich verstehe Ihre Ausführungen so, dass Sie der ersten innovativen Idee, der Streichung der Eigenheimzulage, zustimmen. Das freut mich
außerordentlich.
({0})
Das ist eine innovative Idee - da haben Sie völlig
Recht -, mit der wir den Ländern - ich habe vorhin darauf hingewiesen - erhebliche finanzielle Spielräume für
die Beschäftigung zusätzlicher Lehrerinnen und Lehrer
eröffnen. Wir haben uns also durchaus Gedanken darüber gemacht, wie man die Länder unterstützen kann,
damit sie finanzielle Spielräume erhalten, die notwendig
sind, um das Bildungssystem zu verbessern. Es ist sicherlich richtig, dass für eine Ganztagsschule mehr Lehrerinnen und Lehrer erforderlich sind. Dabei kommt es
sehr auf die einzelne Schule an. Darüber hinaus ist aber
auch wichtig, dass wir bereit sind, mehr in die Bildung
zu investieren. Das ist eine zwingende Notwendigkeit,
zu der es keine Alternative gibt.
Die Modellrechnungen fallen je nach Schulform und
Schulart sehr unterschiedlich aus. Wir haben schon jetzt
in den einzelnen Ländern ganz unterschiedliche Regularien sowie in den jeweiligen Schulformen unterschiedliche Schulzeiten. Deshalb kann es keine Generalformel
geben. Die Entscheidung liegt bei den Ländern. Wir
schreiben den Ländern ja auch nicht vor, in welcher Höhe
sie Mittel für die einzelne Schule abrufen dürfen. Auch
das liegt in der Entscheidungskompetenz der Länder.
Ich jedenfalls will keine Detailsteuerung der Schulen
und der Länder. Wenn man das wollte, dann müssten wir
darüber eine weitere Diskussion führen. Ich würde das
für falsch halten. Wir eröffnen mit dem Ganztagsschulprogramm den Schulen und den Ländern Gestaltungsspielräume. Es kommt darauf an, diese offensiv zu nutzen.
Wie gesagt, wenn wir Ihre Zustimmung für die Streichung der Eigenheimzulage erhalten, dann bin ich jederzeit gerne bereit, mit Ihnen über eine zweite innovative
Idee zu sprechen. Das sichere ich Ihnen zu.
({1})
Vielen Dank, Frau Ministerin.
Gibt es Fragen zu den anderen Themen der heutigen
Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall. Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Auch
das ist nicht der Fall. Damit beende ich die Befragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 15/3756, 15/3792 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 15 der
Richtlinien für die Fragestunde die schriftliche Frage der
Abgeordneten Petra Pau auf Drucksache 15/3792 auf.
Da diese Frage inzwischen schriftlich beantwortet ist,
kann die Fragestellerin gemäß Nr. 15 Abs. 3 der Richtlinien für die Fragestunde nur fragen, warum die Antwort nicht innerhalb der Wochenfrist gegeben worden
ist.
Zur Beantwortung dieser Frage erteile ich das Wort
dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung, Hans Georg Wagner.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Pau, in der Tat bin
ich heute Morgen darüber informiert worden, dass eine
Frage von Ihnen nicht fristgemäß beantwortet wurde.
Das hat mich geärgert; denn die technische Ausstattung
der beiden für die Beantwortung solcher Fragen verantwortlichen und dazu befugten Parlamentarischen Staatssekretäre ist so gut, dass sichergestellt ist, dass sie im Inland auch am Wochenende jederzeit erreichbar sind.
Auch in unseren Abgeordnetenwohnungen in Berlin
oder zu Hause in unseren Wahlkreisen sind die technischen Einrichtungen so, dass eine fristgemäße Beantwortung möglich ist. Das nächste Mal wird Ihre Frage
fristgemäß beantwortet.
Falls Sie mich dabei erwischen sollten, dass eine solche Panne noch einmal passiert, dürfen Sie die Frage
hier noch einmal stellen.
({0})
- Ja.
Sie haben eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Erst einmal herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Da die Fakten, die Sie mir nachgereicht haben, bis
gestern um 15.38 Uhr offensichtlich nicht vorlagen,
stellt sich mir in diesem Zusammenhang die Frage, auf
welcher Grundlage die Bundesregierung in der vergangenen Woche ihre Entscheidung zur Verlängerung des
Afghanistan-Mandats getroffen hat. Ich muss ja jetzt davon ausgehen, dass die Einschätzung, die Sie mir mitgeteilt haben, dass die Hälfte Afghanistans als Gebiet mittleren und höheren Risikos -
Frau Kollegin Pau, ich muss Sie leider unterbrechen.
Sie dürfen keine Zusatzfragen zum Inhalt der Frage stellen, sondern nur zur Fristüberschreitung. Ihre jetzt gestellte Frage wird nicht beantwortet. Bitte stellen Sie
eine Frage zur Fristüberschreitung.
Gut. - Dann wüsste ich gerne, warum eine Frage,
welche nachweislich am 17. September im Bundeskanzleramt eingegangen ist, Ihnen nicht vor dem Wochenende zur Beantwortung zugestellt werden konnte.
Der Grund ist, dass es bei uns eine organisatorische
Panne gab. Dafür habe ich mich entschuldigt.
Haben Sie keine weiteren Zusatzfragen? - Nachdem
die Frage nach dem Grund der Fristüberschreitung bei
der schriftlichen Frage auf Drucksache 15/3792 beantwortet worden ist, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 15/3756 in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau
Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst bereit.
Wir kommen zur Frage 1 der Kollegin Veronika
Bellmann:
Beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen des Programms des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit „Förderung von Investitionen zur Verminderung von Umweltbelastungen im Ausland - Pilotprojekte Ausland“ neben den bereits geförderten drei Windkraftanlagen bei Loucná, Tschechische Republik, weitere Projekte
zu fördern, und, wenn ja, an welchen Standorten?
Sehr geehrte Frau Bellmann, im Rahmen des BMUProgramms „Pilotprojekte Ausland“ sollen auch in Zukunft Demonstrationsvorhaben - ich betone: Demonstrationsvorhaben - in der zulässigen Gebietskulisse, der so
genannten Luxemburg- und Helsinki-Gruppe, gefördert
werden. Dies können neben Klimaschutzprojekten zum
Beispiel auch Abwasserprojekte sein. Nähere Informationen zu diesem Programm finden Sie auf unserer
BMU-Homepage, also unter www.bmu.de, unter „Themen“, „Pilotprojekte“, „Pilotprojekte Ausland“.
Förderentscheidungen zu weiteren Windparkprojekten in der Tschechischen Republik wurden noch nicht
getroffen. Gleichwohl liegen uns bereits vier weitere
Fördervorschläge des tschechischen Umweltministeriums für geplante Windkraftanlagen in der Tschechischen
Republik vor. Davon werden zwei Vorschläge durch die
mit der Projektbegleitung beauftragte KfW derzeit vertiefend geprüft. Es handelt sich dabei zum einen um den
Windpark Rusowa in der Erzgebirgsregion; dort werden
3-mal-2-MW-Anlagen vorgeschlagen; der Abstand zur
deutschen Grenze beträgt circa 10 Kilometer. Zum anderen handelt es sich um den Windpark Ryzoviste; das sind
24 Anlagen à 2 MW in Mähren. Nach Vorliegen der entsprechenden Fördervorschläge wird abschließend über
eine finanzielle Beteiligung des BMU entschieden.
Im Rahmen der Prüfung dieser beiden Windparkprojekte wurde auch das sächsische Staatsministerium für
Umwelt und Landwirtschaft beteiligt. Eine positive Stellungnahme hierfür liegt bereits vor; sie ging mit Schreiben vom 19. August dieses Jahres ein.
Die beiden anderen tschechischen Projektvorschläge
Windpark Sluknov und Windpark Touzim wurden bisher
noch keiner vertiefenden Prüfung zugeführt. Ich sagte
vorhin, dass es uns um Demonstrationsprojekte geht. Insofern ist klar, dass im Rahmen des BMU-Programms
„Pilotprojekte Ausland“ keine Breitenförderung von
Windparks erfolgen kann. Deshalb wird zunächst das Ergebnis der vertiefenden Prüfung der beiden erstgenannten Projekte abgewartet.
In jedem Fall aber wird das Bundesumweltministerium nur dann weitere Windparkprojekte in der Tschechischen Republik finanziell unterstützen, wenn der
jeweilige Antragsteller deutlich den Demonstrationscharakter seines Projektes nachweisen kann.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Verstehe ich das richtig, Frau Staatssekretärin, dass
die Tschechische Republik das beantragt hat? Oder wer
sind die Antragsteller? Wenn ich gleich die zweite Zusatzfrage anschließen darf: Ist Ihnen bekannt, um welche
Hersteller oder Betreiber es sich handelt? Und wenn ich
auch in Bezug auf den Windpark Loucná/Wiesenthal
nachfragen darf: Welche Hersteller oder Betreiber sind
es dort?
Die beiden Projekte, die jetzt geprüft werden, gehen
auf Vorschläge des tschechischen Umweltministeriums
zurück, die uns übermittelt wurden. Die KfW ist im Moment mit der Prüfung beauftragt und wird dabei die Kreditwürdigkeit derjenigen, die den Windpark betreiben
möchten, und die finanzielle Ausgestaltung prüfen. Ich
möchte dem nicht vorgreifen, weil es sich dabei natürlich um Informationen handelt, die die Betreibergesellschaft erst einmal denjenigen offenbart, die mit dieser
Prüfung beauftragt sind.
Zu dem schon bestehenden Windpark gibt es einen regen Schriftwechsel. Wir haben das Projekt zusammen
mit den Betreibern der Öffentlichkeit vorgestellt. Falls
Ihnen dazu Informationen fehlen: Ich werde die Informationen, die wir Ihnen geben können, einfach schriftlich nachreichen.
({0})
Ich rufe nun die Frage 2 der Kollegin Bellmann auf:
Gedenkt die Bundesregierung, im Zuge derartiger Förderentscheidungen in Zukunft Gemeindevertretern und Bürgern
vor Ort ein Mitspracherecht einzuräumen, und wie steht die
Bundesregierung Befürchtungen von deutschen und tschechischen Gemeindevertretern gegenüber, welche bei der Errichtung weiterer Windkraftanlagen auf dem Erzgebirgskamm negative Auswirkungen auf die Tourismusregion Erzgebirge
erwarten?
Im Rahmen der Sitzung der deutsch-tschechischen
Umweltkommission, die am 25. Februar dieses Jahres
stattgefunden hat, wurde sowohl mit unseren tschechischen Kollegen als auch mit den Vertretern des sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft vereinbart, zukünftige Projektvorschläge der
tschechischen Seite nach Eingang im Bundesumweltministerium auch dem sächsischen Umweltressort mit der
Bitte um Stellungnahme zuzuleiten. Das haben wir bei
den in Rede stehenden Vorschlägen auch getan.
Wir werden darüber hinaus darauf achten, dass für
derartige Projekte die nach der tschechischen Gesetzgebung vorgesehene Umweltverträglichkeitsprüfung selbstverständlich durchgeführt wird. Dabei werden, entsprechend der Gesetzeslage, sowohl die tschechischen als
auch die deutschen Gemeindevertreter und Bürger der
betroffenen Region hinreichend Gelegenheit haben,
eventuelle Bedenken zu derartigen Projekten einzubringen. Dies wird dazu beitragen, die negativen Auswirkungen auf die touristisch genutzten Regionen diesseits und
jenseits der deutsch-tschechischen Grenze zu vermeiden.
Ich sage ausdrücklich: Das ist natürlich ein Vorhaben auf
Gegenseitigkeit. Wir haben großes Interesse daran, dass
wir und die Bürger auf der deutschen Seite informiert
und einbezogen werden. Aber Sie wissen, wenn ich das
anführen darf, dass in den 90er-Jahren im Erzgebirge auf
deutscher Seite eine relativ große Anzahl von Windkraftanlagen in unmittelbarer Nähe der Grenze errichtet
worden ist - ich nenne hier nur den Windpark Jöhstadt
mit vier Anlagen von über 90 Metern Höhe -, die natürlich Auswirkungen auf die grenznahen tschechischen
Regionen haben. Ich will damit nur sagen: Wir haben
hier eine Vereinbarung, die sehr auf Kooperation beider
Seiten abstellt. Auch das einschlägige EU-Gemeinschaftsrecht muss eingehalten werden.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, es ist sehr interessant, dass Sie
davon sprechen, dass hier negative Auswirkungen vermieden werden sollen. Also gehen von Windparks offensichtlich negative Auswirkungen aus; das impliziert Ihre
Aussage.
Meine Frage ist: Wie wird die Regionalplanung berücksichtigt? Wir haben jetzt von den Gemeindevertretungen diesseits und jenseits der Grenze gesprochen. Ich
erinnere daran, dass zum Beispiel in der Regionalplanung des mittleren Erzgebirges ein neues Windparkprojekt bei Pfaffroda abgelehnt wurde.
Zu Ihrer Bemerkung: Das weise ich in aller Deutlichkeit zurück. Wir haben in Deutschland die Umweltverträglichkeitsprüfung, um negative Auswirkungen möglicherweise gar nicht erst eintreten zu lassen und um diese
Projekte wirklich gut zu prüfen. Wenn man die Interpretation, die Sie dargestellt haben, im Raum stehen lassen
würde, hieße das, dass man bei allen Industrieanlagen,
die vernünftigerweise einem Prüfverfahren zu unterwerfen sind, von vornherein einen negativen Bescheid erwarten würde. Wir sollten die Verfahren, die sich zum
einen auf die tschechische Gesetzgebung und zum anderen auf das übernommene EU-Gemeinschaftsrecht beziehen, nicht in Misskredit bringen. Wenn Anlagen, egal
welcher Art, auch Industrieanlagen, genehmigt werden
sollen, prüfen wir natürlich bestimmte Auswirkungen.
Nach Beendigung dieser Prüfungen kann es eben auch
total vernünftig sein, diese Anlagen zu bauen.
Auch die Regionalplanung findet Berücksichtigung.
Das tschechische Umweltministerium hat beispielsweise
bezüglich des Windparks, den Sie genannt haben, sowohl raumplanerische als auch geologische Gutachten in
Auftrag gegeben. Im Rahmen der grenzüberschreitenden
Umweltverträglichkeitsprüfung können natürlich nicht
nur die betroffenen Gemeinden, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger ihre Einwände zu Gehör bringen. Alle
Stellen in der Region sind damit befasst. Dabei geht es
nicht nur um die Lärmentwicklung - auf diese Problematik haben Sie hingewiesen -, sondern es geht auch um
die Frage, wie sich ein Gebiet entwickelt. Genau aus diesem Grund suchen wir jenseits der gesetzlichen Vorschriften die Kooperation sowohl mit dem sächsischen
Umweltministerium als auch mit den Behörden vor Ort,
die in den Regionen die Entscheidungen über diese Fragen zu treffen haben.
Es gibt keine weitere Zusatzfrage. Dann schließe ich
diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers
und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der
zwei Fragen des Kollegen von Klaeden steht der Parlamentarische Staatssekretär Thönnes aus dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Eckart von Klaeden
auf:
Welche gegenwärtigen Mitglieder der Bundesregierung
bzw. Parlamentarischen Staatssekretäre tragen politische Verantwortung für die Broschüre „Sozialhilfe. Ein Ratgeber der
Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen
Bielefeld, Sonderausgabe für die SPD-Bundestagsfraktion“
im Hinblick auf ihre damalige Mitgliedschaft in der Fraktion
der SPD und wie bewertet die Bundesregierung dies im Hinblick auf die Äußerungen von Bundeskanzler Gerhard
Schröder bei seinem Interview - vergleiche „Bild“-Zeitung
vom 18. September 2004 - über die Mitnahmementalität der
Deutschen?
Werter Herr Kollege von Klaeden, ich beantworte
Ihre Frage wie folgt: Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe
der Bundesregierung, Broschüren zu bewerten, die von
Fraktionen des Deutschen Bundestages in deren Verantwortungsbereich herausgegeben werden.
({0})
Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wen hat der Bundeskanzler gemeint, als er von der Mitnahmementalität der Deutschen
in seiner kollektiven Volksbeschimpfung in der „Bild“Zeitung vom 18. September gesprochen hat?
({0})
Ich glaube, Ihnen ist klar, welche Rolle der Bundeskanzler im Rahmen der Verfassung hat und dass dem
von mir aus nichts hinzuzufügen ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Der Kanzler hat von Mitnahmementalität gesprochen,
deswegen interessiert mich, ob die Bundesregierung der
Ansicht ist, dass eine Aufforderung an jemanden, zunächst einmal sein Vermögen zu verbrauchen, zum Beispiel durch eine Urlaubsreise, um dann in den Genuss
von Sozialhilfe zu kommen, wie es die SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Broschüre indirekt auf Seite 23
empfiehlt, nicht auch unter die Mitnahmementalität fallen könnte, die der Bundeskanzler so medienwirksam
kritisiert hat.
Herr von Klaeden, bei Broschüren, die von Fraktionen des Deutschen Bundestages in deren Verantwortungsbereich herausgegeben werden, betrachtet es die
Bundesregierung grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe,
diese zu bewerten.
({0})
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Eckart von Klaeden
auf:
Wie bewertet es die Bundesregierung grundsätzlich, wenn
- wie im Fall der oben genannten Broschüre - auf Möglichkeiten aufmerksam gemacht wird, wie Sozialansprüche geltend gemacht werden können?
Herr Kollege von Klaeden, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Wenn im Verantwortungsbereich der Fraktionen des Deutschen Bundestags Broschüren herausgegeben werden, betrachtet es die Bundesregierung grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe, diese zu bewerten.
Herr Staatssekretär, ich frage hier nach Sachverhalten, die in dieser Broschüre eine Rolle spielen. Ich
nehme dabei Bezug auf die Beschimpfung des deutschen
Volkes durch den Bundeskanzler in der „Bild“-Zeitung
vom 18. September, in der er den Deutschen kollektive
Mitnahmementalität vorgeworfen hat. Ich finde, dann
kann man sich auch zu Fragen äußern, die im Deutschen
Bundestag eine Rolle spielen.
({0})
Deswegen frage ich Sie: Ist es Ausdruck von Mitnahmementalität, wenn in einer Broschüre darauf hingewiesen
wird, wie man vermeiden kann, dass das eigene Fahrzeug bei der Vermögensanrechnung für die Sozialhilfe
eine Rolle spielt? Es heißt hier wörtlich:
Um Ihr Auto behalten zu können, müssen Sie zwei
Hürden überwinden: … Haben Sie keine triftigen
Gründe, ein Auto zu halten, wird das Amt Sie in der
Regel auffordern, innerhalb einer bestimmten Zeit
Ihr Auto zu verkaufen.
Dann findet sich die Glühbirne am Rand als Zeichen
dafür, dass es eine sehr kecke Idee ist, wie man dieser
Aufforderung entgehen kann:
Das gilt allerdings nur, wenn Sie selbst Halter des
PKW sind. Gehört das Auto nicht Ihnen, sondern
einem Verwandten oder Freund, der es Ihnen zum
Fahren überlässt, kann das Sozialamt natürlich
nicht den Verkauf fordern.
Würden Sie bitte Ihre Zusatzfrage stellen.
Ist das Mitnahmementalität oder nicht?
Werter Herr Kollege von Klaeden, eine Bewertung
von Broschüren vorzunehmen, die im Verantwortungsbereich der Fraktionen des Deutschen Bundestages herausgegeben werden, betrachtet die Bundesregierung
grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es denn für richtig,
wenn die Mitglieder einer eheähnlichen Gemeinschaft,
wie es auf Seite 35 der von der SPD-Bundestagsfraktion
herausgegebenen Broschüre der Fall ist, aufgefordert
werden, die Unterstützung für ihren Partner einzustellen,
damit beide in der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft
Zusammenlebenden in den Genuss der Sozialhilfe kommen?
Herr von Klaeden, im Verantwortungsbereich der
Fraktionen des Deutschen Bundestages herausgegebene
Broschüren zu bewerten, betrachtet die Bundesregierung
grundsätzlich nicht als ihre Aufgabe.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Beck.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zu
prüfen, ob bei der Bundeszentrale für politische Bildung
eine Broschüre zu erhalten ist, in der der Unterschied
zwischen Bundesregierung und Parlament erläutert wird
und die man den Kolleginnen und Kollegen von der
CDU/CSU-Fraktion zur Verfügung stellen kann, damit
uns solche Fragen in zukünftigen Fragestunden erspart
bleiben?
({0})
Herr Kollege Beck, wir werden das gerne prüfen und
Ihrer Bitte, falls die Prüfung positiv verlaufen ist, nachkommen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Homburger.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie die eben vom
Kollegen von Klaeden zitierten Aussagen bzw. dargestellten Sachverhalte, und zwar nicht vor dem Hintergrund der Broschüre der SPD-Bundestagsfraktion, sondern ganz konkret in Bezug auf das vom Bundeskanzler
gegebene Interview?
Dazu habe ich gerade gesagt, dass die Rolle des Bundeskanzlers in unserer Verfassung, dem Grundgesetz,
deutlich beschrieben ist. Sie berufen sich auf Aussagen,
die er gemacht hat. Dem habe ich nichts hinzuzufügen
und dazu gebe ich auch keine Bewertung ab.
Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Ich schließe diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 5 und 6 des Kollegen Manfred Kolbe zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft werden
schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Iris Gleicke bereit.
Ich rufe Frage 7 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
In welchem finanziellen Einzelumfang werden Baufortschritte an der Bundesautobahn A 6 im Abschnitt AmbergOst-Pfreimd im Jahr 2005 umgesetzt?
Lieber Herr Kollege Hofbauer, aus dem für
Ende 2008 vorgesehenen Fertigstellungstermin dieses
Abschnittes der Bundesautobahn A 6 folgt für die ab
2005 verbleibende Bauzeit von vier Jahren ein jährlicher
Mitteleinsatz von 20 bis 25 Prozent der noch zu finanzierenden Projektkosten von rund 145 Millionen Euro,
und zwar auch für das Jahr 2005. Nach der Verabschiedung des Bundeshaushalts für das Jahr 2005 wird in Abstimmung mit der bayerischen Straßenbauverwaltung
über die Höhe des Mitteleinsatzes zu entscheiden sein.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie mir die Angaben,
die in den letzten Tagen gemacht wurden, bestätigen,
dass für dieses Projekt im Jahre 2005 30 Millionen Euro,
im Jahre 2006 36 Millionen Euro, im Jahre 2007 40 Millionen Euro und im Jahre 2008 35 Millionen Euro notwendig sind? Kann man davon ausgehen, dass die Finanzierung gesichert ist?
Herr Kollege Hofbauer, ich sagte bereits, dass ein
jährlicher Mitteleinsatz von 20 bis 25 Prozent gebraucht
wird. Wenn Sie die von Ihnen genannten Zahlen in Prozentangaben umrechnen, können Sie erkennen, dass sie
in etwa dieser Größenordnung entsprechen. Diese Mittel
werden wir in den Haushalten, die wir Jahr für Jahr aufstellen, einsetzen müssen, um den Fertigstellungstermin
2008 einhalten zu können.
Kollege Girisch, Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, können wir aufgrund einer Zusage, die Minister Stolpe, der im letzten Jahr die Oberpfalz besucht hat, auf dem Fernsehsender OTV gegeben
hat, davon ausgehen, dass im nächsten Jahr 30 Millionen
Euro für die A 6 bereitgestellt werden?
Herr Kollege, ich habe soeben dargestellt, dass die
Diskussionen über den Bundeshaushalt gegenwärtig geführt werden. Wenn klar ist, wie hoch der Einsatz insgesamt ist, dann wissen wir, wie groß der Titel für den
Freistaat Bayern ist, und dann bereden wir, wie das alljährlich geschieht, in den Bauprogrammbesprechungen
mit dem Freistaat Bayern den Mitteleinsatz. Dabei müssen Mittel in den angesprochenen Größenordnungen veranschlagt werden.
Herr Kollege Girisch, Sie dürfen nur eine Zwischenfrage stellen. Deshalb rufe ich die Frage 8 des Kollegen
Klaus Hofbauer auf:
Hat die von der Bundesregierung beabsichtigte Änderung
der Förder- und Strukturpolitik in den neuen Bundesländern
hinsichtlich einer Stärkung der Wachstumskerne und der innovativen Kompetenzen auch Auswirkungen auf die Strukturpolitik in den alten Bundesländern, insbesondere auf die ländlichen, strukturschwachen Räume in Ostbayern, und, wenn ja,
welche Regionalpolitik beabsichtigt die Bundesregierung
künftig in den ländlichen, strukturschwachen Regionen der alten Bundesländer, insbesondere in der ostbayerischen Grenzregion?
Herr Kollege Hofbauer, die Weiterentwicklung der
Förder- und Strukturpolitik für die neuen Bundesländer
wird keine Auswirkungen auf die Strukturpolitik in den
alten Bundesländern haben. Sie geht nicht zu deren Lasten. Mit der weiterentwickelten Förderstrategie für die
neuen Länder, die gemeinsam mit den Bundesländern erarbeitet und umgesetzt wird, verbindet sich das Ziel,
bestehende Stärken auszubauen und regionale Profile zu
schärfen.
Neben einer Stärkung bestehender Wachstumskerne
berücksichtigt diese auch die Situation in den ländlichen
und peripheren Räumen Ostdeutschlands, indem dort
ebenfalls auf die Herausbildung regionaler Potenziale
hingearbeitet wird. Anknüpfungspunkte sind zum Beispiel der Tourismus, die Landwirtschaft und die Umwelttechnik.
Ihre Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, mich hat es ein wenig gewundert, dass Strukturfragen vom Verkehrsministerium beantwortet werden. Anscheinend sind Sie auch in diesen
Fragen kompetent.
({0})
Ich beziehe mich auf eine Aussage des Herrn Minister
Clement. Bei den Haushaltsberatungen beschrieb er im
Rahmen seiner Antwort auf eine Anfrage des Kollegen
Hinsken die besondere Situation in Ostbayern. Er ging
insbesondere auf die Fragen ein, warum es ein Lohngefälle gibt und die Verkehrsprobleme noch nicht in dem
erforderlichen Umfang gelöst sind.
Mich interessiert, wie das Ganze konkret aussieht.
Die Aussage, dass der Tourismus ein Wirtschaftsstandbein ist, ist schön und richtig. Wie sieht das aber konkret
aus? Wie kann man in den nächsten Jahren auf die Verwerfungen eingehen? Ich möchte das Problem des Tanktourismus gar nicht ansprechen. Es gibt zurzeit sehr viele
Verwerfungen, weil mittelständische Unternehmer, insbesondere Handwerker, aus Tschechien auf unseren
Markt kommen. Das hat in der Region ganz große Probleme zur Folge. Ich formuliere es einmal ganz offen:
Kann man hierbei überhaupt helfen? Wie könnte das
konkret aussehen?
Ich bin der Meinung, dass die Aussage des Ministers
Clement sehr allgemein gehalten war. Sie hat uns nicht
weitergeholfen.
Regionale Förderung hat natürlich immer etwas mit
Infrastruktur, insbesondere dem Ausbau der Verkehrswege, zu tun. Über den Ausbau eines wichtigen Verkehrsweges haben wir anlässlich Ihrer vorherigen Frage
gesprochen. Das sind wichtige Projekte. Der Tourismus
wird nämlich auch dadurch gefördert, dass Durchgangsverkehre, die die Kommunen sehr stark belasten, abgebaut werden. Das führt zu einer Entlastung der Kommunen und zu einer größeren Attraktivität.
Ich möchte Sie aber auch auf etwas anderes hinweisen, das meiner Ansicht nach für die Förderung der Regionen sehr wichtig ist und auch die alten Länder angeht:
Es ist uns gelungen, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, die so genannte GA, für die alten Länder zu erhalten. Sie wissen,
dass im Bundeshaushalt 2005 von den zur Verfügung
stehenden 600 Millionen Euro ungefähr 98 Millionen Euro für die GA in den alten Bundesländern veranschlagt sind. Davon gehen 7,5 Millionen Euro in das
Bundesland Bayern. Sie wissen sicherlich, dass die GAFörderung in Bayern sich besonders auf die ostbayerische Grenzregion bezieht.
Herr Kollege, Sie haben die Möglichkeit, eine weitere
Zusatzfrage zu stellen. - Dann folgt eine Zusatzfrage des
Kollegen Michelbach.
Frau Staatssekretärin, ist die so genannte Gießkannenförderung in Deutschland nicht problematisch? Haben wir nicht insbesondere in den Grenzregionen ein
sehr schädliches Fördergefälle? Es gibt einen gemeinsamen Arbeitsmarkt, der auf Grenzen keine Rücksicht
nimmt. Wäre es nicht sehr viel besser, eine grenzüberschreitende Förderkulisse entstehen zu lassen, zum Beispiel in Südthüringen, Ihrer Heimat, die Landkreise Sonneberg, Hildburghausen mit den Landkreisen Coburg,
Kronach, Lichtenfels in einer Förderkulisse zu verbinden, und damit einen neuen Wachstumskern für die
Wirtschaftsdrehscheibe Bayern/Thüringen entstehen zu
lassen?
Herr Kollege Michelbach, es ist klar, dass wir die
Bundesländer brauchen, die sich um die Regionen kümmern. Weil Sie gerade meine Region angesprochen haben, darf ich an dieser Stelle sagen: Leider hat sich die
thüringische Staatsregierung gegen die Region Südthüringen ausgesprochen. Wir werden also kein Oberzentrum bekommen, was ein echtes Problem ist. Man muss
auch einmal Landesentscheidungen treffen, die gar
nichts mit Bundesentscheidungen zu tun haben, um in
einer Region voranzukommen.
Herr Kollege Michelbach, bezogen auf das Fördergefälle will ich sehr deutlich sagen: Es gibt hier nach wie
vor sehr große Unterschiede zwischen den neuen und
den alten Bundesländern. Ich weiß, dass es auch im
nordbayerischen, also im fränkischen Raum immer wieder zu Diskussionen und Irritationen gekommen ist, weil
Unternehmen verlagert wurden, indem sie nur ein paar
Kilometer weitergezogen sind.
Wie Sie vielleicht wissen, hat der Bund-Länder-Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ die so genannte
Einvernehmensregelung zum 1. Januar 2004 verändert.
Bei solchen Unternehmensverlagerungen muss nun also
ein Einvernehmen der Bundesländer untereinander hergestellt werden. Das Fördergefälle führt nun nicht mehr
dazu, dass man nur 5 Kilometer weiterzieht und dass
dies mit viel Geld gefördert wird.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Girisch.
Frau Staatssekretärin, haben Sie die GA-Mittel für
den Freistaat Bayern im Jahre 2003 gegenüber 2000 gekürzt und, wenn ja, in welcher Höhe?
Herr Kollege Girisch, das kann ich Ihnen nun wirklich nicht beantworten. Ich habe die Zahlen nicht vor mir
liegen; es tut mir Leid. Ich kann Ihnen die Antwort nur
schriftlich nachreichen.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Hans Michelbach
auf:
Wird eine Lärmsanierung an den Schienenwegen des Bundes auf der Strecke Lichtenfels-Saalfeld im Abschnitt Redwitz an der Rodach-Johannisthal stattfinden und, wenn ja,
wann?
Herr Kollege Michelbach, die Lärmsanierung an den
Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes ist als
haushaltsrechtliches Förderprogramm des Bundes gestaltet. Voraussetzung für die Realisierung von Lärmsanierungsmaßnahmen ist somit die jährliche Bereitstellung von entsprechenden Mitteln durch den Deutschen
Bundestag.
Der Abschnitt Redwitz an der Rodach-Johannisthal
ist im Lärmsanierungsprogramm, also in der Gesamtkonzeption, enthalten. Allerdings mussten die bislang
zur Verfügung gestellten Mittel auf die vordringlichen
Härtefälle konzentriert werden. Dementsprechend liegt
für diesen Abschnitt noch kein Antrag auf Finanzierung
durch die Eigentümerin und Betreiberin der Strecke, die
DB Netz AG, vor. Insofern sind zurzeit keine verbindlichen Aussagen zum Zeitpunkt einer Lärmsanierung in
diesem Abschnitt möglich.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, können Sie abschätzen, wann
die Lärmsanierungen an diesen Strecken - dort kommt
es ja zu erheblichem Lärm - letzten Endes durchgeführt
werden? Dies frage ich auch im Hinblick auf die Tatsache, dass die Bundesregierung der Bahn im Verkehrshaushalt immer weniger Mittel zur Verfügung stellt. Im
kommenden Haushalt 2005 ist für solche Maßnahmen
insgesamt nur noch ein sehr geringer Ansatz vorhanden.
Herr Kollege Michelbach, wie Sie wissen, haben wir
die Bahninvestitionsmittel seit 1998 deutlich erhöht. Sie
können sich sicherlich an die Diskussion um die so genannten Koch/Steinbrück-Vorschläge erinnern, die wir
Ende des letzten Jahres geführt haben. Bezogen auf den
Verkehrsbereich wollte Ihre Fraktion, dass sich Einsparungen nach den Bahninvestitionen richten. Das will ich
erst einmal deutlich festhalten, damit wir uns hier nicht
vertun.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass das
Programm der Bundesregierung für Lärmsanierungen an
Schienen seit 1999 existiert.
Das heißt, das Thema ist nicht neu. Sie haben Recht:
Die Menschen an den Verkehrswegen sind durch den
Lärm geplagt. Deshalb haben wir dieses Programm 1999
auf den Weg gebracht.
Ich will aber auch ganz klar sagen: Das Problem ist
sehr groß. Wir haben die ganze Zeit mit einer Dringlichkeitsliste gearbeitet, in der die schwierigsten Fälle nach
ihrer Priorität aufgeführt waren. Inzwischen haben wir
eine Gesamtkonzeption erarbeitet. Das heißt, alle Strecken
sind nach ihrer Lärmbelastung bewertet worden. Darauf
beruhend entsteht die Gesamtkonzeption, von der ich gesprochen habe.
Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, welche Dringlichkeitsstufe hat
dann die Strecke Lichtenfels-Saalfeld, insbesondere in
dem sehr lärmintensiven Bereich Redwitz an der Rodach
Johannisthal?
Ich habe Ihnen gesagt, dass wir uns in der letzten Abstimmungsrunde zu diesem Gesamtkonzept befinden.
Deshalb kann ich Ihnen im Moment die Frage nach der
Dringlichkeit noch nicht beantworten. Sobald wir aber
die Abstimmungen abgeschlossen haben, können wir Ihnen das selbstverständlich nachreichen.
Die Fragen 10 und 11 der Kollegin Renate Blank, die
Fragen 12 und 13 des Kollegen Horst Friedrich und die
Fragen 14 und 15 des Kollegen Dirk Fischer werden
schriftlich beantwortet. Gleiches gilt für die Fragen 16
und 17 des Kollegen Georg Brunnhuber.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen beantwortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper.
Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Clemens
Binninger auf:
Plant die Bundesregierung, nachdem bisherige Ermittlungen davon ausgehen, dass die Terroranschläge auf zwei russische Passagiermaschinen in der Nacht zum 25. August 2004
mit dem Sprengstoff Hexogen durchgeführt wurden, der wie
anderer Plastiksprengstoff auch von Metalldetektoren bei der
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Handgepäckkontrolle an Flughäfen nicht erfasst werden kann,
die verbindliche Einführung von Sprengstoffdetektoren als
Handsonden für die Kontrolle des Handgepäcks auf deutschen
Flughäfen und, wenn ja, ab wann werden deutsche Flughäfen
mit den neuen Sprengstoffdetektoren ausgerüstet?
Herr Kollege Binninger, entgegen der Formulierung
in Ihrer Frage werden bei der Handgepäckkontrolle
keine Metalldetektoren eingesetzt. Das Handgepäck
- das muss man wissen - wird vielmehr mit Röntgentechnik kontrolliert, die in der Lage ist, Sprengstoffe zu
erkennen. Der Sprengstoff Hexogen - danach hatten Sie
gefragt - kann somit mittels der eingesetzten Kontrollverfahren sicher detektiert werden.
Ich füge gleich noch etwas hinzu: Aus Ihnen sicherlich verständlichen Gründen der Geheimhaltung können
leider keine weiteren Angaben zur eingesetzten Technik
gemacht werden, um Rückschlüsse auf das Sicherheitsund Kontrollsystem zu verhindern.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Antwort. Ich
möchte sie aber noch etwas präzisiert haben. Wie wird
der Passagier kontrolliert, der durch die Schleuse geht?
Dort finden nur Metalldetektoren Anwendung. Was passiert, wenn Hexogen - ein Sprengstoff, der bei den tragischen Anschlägen auf die beiden Flugzeuge in Russland
eingesetzt wurde - am Körper getragen wird? Dort wird
er nur mit Detektoren erkannt, die auf Sprengstoff reagieren. Noch einmal: Wie wird Sprengstoff, der am
Körper getragen wird, erkannt?
Herr Kollege Binninger, in Ihrer Frage haben Sie
nach der Handgepäckkontrolle gefragt. Darauf basiert
meine Antwort. Die Untersuchungstechnik bei Passagieren wird durch eine andere Technik geprägt. Dabei wird
individuell vorgegangen. Näheres erläutere ich Ihnen
gerne außerhalb des Protokolls. Dann kann ich Ihnen
auch darlegen, mit welcher Technik, in welcher Form
und mit welchem Verfahren gearbeitet wird.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege
Binninger.
Herr Staatssekretär, ich bitte um Nachsicht, wenn die
Fragestellung etwas irreführend war. Mir geht es um folgenden Vorgang: Der Passagier gibt sein Gepäck auf.
Dies wird mit modernster Technik separat kontrolliert.
Der Passagier selber geht dann inklusive seines Handgepäcks beim Einchecken durch die Schleuse, wie es
jeder von uns mehrmals pro Woche macht.
Um genau diesen Vorgang geht es mir. Meine Frage
nach dem Gepäck haben Sie beantwortet. Auf den eben
von mir genannten Punkt möchte ich gerne noch einmal
zurückkommen, weil wir sicherlich ein Problem haben
werden, wenn wir Plastiksprengstoff nicht erkennen
können.
Herr Kollege Binninger, Sie dürfen aus meiner Zurückhaltung nicht schließen, dass hier kein Bemühen
vorhanden ist, Plastiksprengstoff zu erkennen. Das ist
ein ganz wichtiger Punkt. Das hat auch etwas mit der
Technik und der Vorgehensweise zu tun. Wir sind uns in
dem Ziel, einen höchstmöglichen Grad an Sicherheit zu
erreichen, einig.
Die Fragen 19 und 20 des Kollegen Hartmut Koschyk
werden schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich die Frage 21 des Kollegen Georg
Girisch auf:
Mit welchen Folgen rechnet die Bundesregierung aus der
bei einer Tagung der deutsch-tschechischen Expertenkommission in Prag vereinbarten Aufhebung der Nutzungsbeschränkungen hinsichtlich des Schwerlastverkehrs für bestimmte
deutsch-tschechische Grenzübergänge und mit welchen Maßnahmen im grenznahen Infrastrukturbereich beabsichtigt die
Bundesregierung, diesen Rechnung zu tragen?
Herr Kollege Girisch, bei den Verhandlungen der
deutsch-tschechischen Expertenkommission vom 14. bis
16. September 2004 in Prag wurde Einvernehmen darüber erzielt, an den Grenzübergängen Waidhaus-Rozvadov/Rosshaupt und Klingenthal-Kraslice/Graslitz die
bislang bestehenden Nutzungsbeschränkungen für den
grenzüberschreitenden Warentransport mit Lastkraftwagen aufzuheben und einen allgemeinen LKW-Verkehr
zuzulassen.
Seit dem Beitritt der Tschechischen Republik zur
Europäischen Union zum 1. Mai dieses Jahres entfällt
die zollrechtliche Warenkontrolle an der gemeinsamen
Staatsgrenze. Ehedem zu beklagende Staubildungen auf
den Autobahnen und Bundesstraßen auf deutschem
Hoheitsgebiet, die gelegentlich zu Verlagerungen des
LKW-Aufkommens auf kleinere Übergänge führten,
sind in diesem Maße nicht mehr zu erkennen.
Die Verkehrsinfrastruktur an beiden Grenzübergängen ermöglicht eine problemlose Aufnahme des zu erwartenden Verkehrs mit Lastkraftwagen und bietet darüber hinaus Gewähr für den Fortbestand einer
unbeeinträchtigten Wohn- und Lebensqualität für die
ortsansässige Bevölkerung. Insofern rechnet die Bundesregierung nicht mit negativen Auswirkungen auf die in
Rede stehenden Grenzübergänge infolge der vereinbarten Nutzungserweiterung.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben Waidhaus angesprochen. Die Gemeinde Waidhaus hat ihre Ortsdurchfahrt
aufgrund der damaligen Richtlinien und Zusagen fußgängergerecht mit Mitteln der Dorferneuerung und der
Stadtsanierung ausgebaut. Teilweise wurde die Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde begrenzt.
Jetzt wurde beschlossen, dass die Ortsdurchfahrt wieder
vom LKW-Verkehr genutzt werden kann. Sie wissen,
dass die Gemeinde dann große Schwierigkeiten haben
wird, weil sie die Straßen so ausgebaut hat. Ist die Bundesregierung bereit, in einem zügigen Verfahren eine
Ortsumgehung für diesen Grenzübergang zu finanzieren?
Herr Kollege Girisch, das Bundesinnenministerium
ist ein Ministerium mit einem breiten Aufgabenkatalog.
Wir können uns über einen Mangel an Aufgaben nicht
beschweren.
({0})
Die verkehrstechnische Frage, ob es eine Ortsumgehung
oder keine Ortsumgehung geben soll, kann ich gut nachvollziehen; aber diese haben andere zu beantworten. Ich
gehe davon aus, dass man sich gegebenenfalls darüber
unterhalten muss, wenn es diesbezüglich zu den von Ihnen dargelegten Schwierigkeiten kommen sollte. Ich bin
der falsche Adressat. Das verstehen Sie auch.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, ich verstehe aber nicht, dass dies
beschlossen wurde, obwohl Beamte Ihres Hauses mit
hervorragenden Ortskenntnissen bei mir im Wahlkreis
gewesen sind.
Herr Kollege Girisch, wir haben ausgezeichnete Beamtinnen und Beamte im Bundesinnenministerium. Wir
sind stolz auf sie.
({0})
- Deren Arbeit ist von derselben Qualität gekennzeichnet wie die der politischen Führung und der Leitung des
Hauses. Darin haben Sie Recht, Herr von Klaeden.
({1})
- Ich habe überhaupt nichts verglichen, sondern nur einen Zwischenruf von Herrn von Klaeden aufgenommen.
Das will ich hier kundtun.
Herr Girisch, die Frage der Nutzungserweiterung ist
von vielen Sachargumenten geprägt. Das ist eine gemeinsame Entscheidung der Beteiligten von hüben und
drüben. Ich bin sicher, dass diese Frage eine Rolle gespielt, nicht aber den Ausschlag gegeben hat. Man muss
jetzt darauf achten, wie sich das insbesondere im Hinblick auf den LKW-Durchgangsverkehr entwickelt.
Dann muss man die Frage gegebenenfalls noch einmal
aufgreifen.
Es gibt noch eine weitere Zusatzfrage des Kollegen
Hofbauer.
Herr Staatssekretär, sind diese Entscheidungen mit
den Ländern oder auch mit den Kommunen abgesprochen worden? Ihr Haus hat mir noch vor drei Wochen
schriftlich mitgeteilt, dass keine Entscheidung getroffen
wird, die nicht mit den Ländern abgestimmt ist.
Herr Abgeordneter Hofbauer, Abstimmung und Absprache bedeuten nicht, dass jeder vorgebrachte Punkt
- Herr Girisch hat auf ein ganz bestimmtes Problem
hingewiesen - zu einer Negativentscheidung führt. Die
Expertenkommission, hat, wie gesagt, vom 14. bis
16. September dieses Jahres getagt und dabei die Nutzungserweiterung erörtert; man könnte sie auch Nutzungsänderung nennen. In der Kommission sind die Argumente gegeneinander abgewogen worden.
Es kommt uns bekanntlich im Wesentlichen darauf
an, dass sich die EU-Mitgliedschaften auch im Bereich
von Handel und Wirtschaft entsprechend entwickeln.
Dafür ist auch die Frage entscheidend, welcher Verkehr
an welcher Stelle zulässig und möglich ist. Die in Rede
stehende Nutzungsänderung wurde gewünscht.
({0})
- Von der Expertenkommission, die die Frage diskutiert
hat. Ich bin sicher, dass auch die Frage eine Rolle gespielt hat, wie sich eine Nutzungsänderung auf eine
Ortsdurchfahrt wie in Waidhaus auswirkt. Sie haben darauf hingewiesen, dass unsere Beamtinnen und Beamten
mit Sicherheit eine gute Ortskenntnis aufweisen. Das
steht außer Frage. Aber eine solche Entscheidung beruht
auf einem Abwägungsprozess. Ich denke, wir sollten zunächst einmal abwarten, wie sich die Nutzungsänderung
auswirkt, und dann gegebenenfalls die Frage noch einmal in dem von Ihnen vorgebrachten Sinn aufgreifen.
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen, Herr
Staatssekretär.
Wir sind damit am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums des Innern. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Die
Fragen beantwortet die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks.
Die Frage 22 des Kollegen Dr. Egon Jüttner wird
schriftlich beantwortet.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Ich rufe die Frage 23 der Kollegin Ina Lenke auf:
Wie werden vor dem 31. Dezember 2004 abgeschlossene
Verträge für Kapitallebensversicherungen mit ermäßigtem
Anfangsbeitrag bzw. mit Dynamiktarifen nach In-Kraft-Treten des Alterseinkünftegesetzes am 1. Januar 2005 steuerlich
behandelt und wird es für den Fall grundsätzlichen Bestandsschutzes dieser Verträge eine Deckelung der maximal möglichen regelmäßigen jährlichen Beitragserhöhungen geben?
Frau Abgeordnete Lenke, nach § 10 Abs. 1 Nr. 3
Buchstabe b des Einkommensteuergesetzes in der ab
2005 geltenden Fassung sind Beiträge zu den von Ihnen
angesprochenen Kapitallebensversicherungen als Sonderausgaben steuerlich abziehbar. Die hierfür einschlägigen Regelungen des § 10 Abs. 1 und 2 in der am
31. Dezember 2004 geltenden Fassung sind in diesen
Fällen weiter anzuwenden.
Anders ausgedrückt: Kapitallebensversicherungen,
die am 31. Dezember 2004 die Voraussetzungen für eine
steuerliche Vergünstigung erfüllen, bleiben auch über
2004 hinaus steuerbegünstigt. Es besteht ein Bestandsschutz.
Bei den so genannten Dynamiktarifen liegt eine steuerlich relevante Vertragsänderung nicht vor, wenn die
Vertragsanpassungen bereits bei Vertragsabschluss vereinbart worden sind. Dabei ist jedoch zu prüfen, ob ein
Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten
zur Umgehung der Steuerpflicht vorliegt.
Das BMF-Schreiben zu Vertragsänderungen bei Lebensversicherungen lässt eine angemessene Dynamisierung zu, die zum Beispiel vorliegt, wenn ein fester VomHundert-Satz oder eine Erhöhung entsprechend der Beitragserhöhung in der gesetzlichen Rentenversicherung
oder dem durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelt aller
Versicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung
vereinbart worden ist. Das BMF stimmt sich zurzeit mit
den obersten Finanzbehörden der Länder ab, um den Begriff „fester Vom-Hundert-Satz“ näher zu präzisieren.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, wie Sie wissen, ist die Altersvorsorge ein wichtiger Faktor neben der gesetzlichen
Rentenversicherung. Wir haben schon im Zusammenhang mit der Direktversicherung gemerkt, wie schwer es
den Versicherten fällt, die Krankenversicherungsbeiträge
zu bezahlen; meist sind es 10 Prozent der Summe. Auch
hierbei habe ich die Sorge, dass das Abstimmungsverfahren so lange dauern wird, dass die Menschen nicht
mehr die Möglichkeit haben, noch in diesem Jahr entsprechende Verträge zu unterschreiben und abzusehen,
wie das Finanzministerium nach dem 1. Januar 2005
vorgehen wird.
Ich komme zu meiner Frage: Wann kann ich mit dem
Abschluss Ihrer Überlegungen rechnen und in welcher
Bestimmung finde ich Ihre Absprachen wieder?
Wie Sie wissen, müssen wir solche Auslegungsfragen
mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtern.
Wir streben an - an uns soll es nicht liegen -, das noch in
diesem Jahr zu tun; das Thema würde dann Eingang in
ein BMF-Schreiben finden. Wir können in dieser Frage
nicht allein entscheiden, sondern sind auf die Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Länder angewiesen. Mindestens acht Länder müssen unsere Position unterstützen, damit unsere Vorschläge umgesetzt werden
können.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Frau Lenke.
Frau Staatssekretärin, das finde ich sehr merkwürdig.
Sie haben mir eben gesagt, dass Sie im Laufe dieses Jahres - das kann auch der 31. Dezember 2004 sein - zu
solchen Vereinbarungen kommen werden. Wenn man
aber bedenkt, dass es sicherlich Menschen geben wird,
die noch vor dem 31. Dezember 2004 dynamisierte Versicherungen abschließen wollen - das wären dann so genannte Altverträge -, damit die Beiträge steuerfrei bleiben, dann muss man feststellen, dass das, was Sie
vorsehen, viel zu spät ist; denn Sie haben sich noch nicht
einmal gut vier Wochen vor In-Kraft-Treten des neuen
Gesetzes festgelegt und können den Bürgerinnen und
Bürgern keine Auskunft geben.
Doch, Frau Lenke. Ich hatte Sie schon in meiner Antwort auf Ihre schriftlich eingereichte Frage darauf hingewiesen, dass eine angemessene Dynamisierung, zum
Beispiel in Anlehnung an die Beitragsbemessungsgrenze
- ich hatte Ihnen ja ein paar Beispiele genannt -, auf jeden Fall vorgenommen werden kann. Die obersten Finanzbehörden der Länder müssen gemeinsam mit dem
Bundesfinanzministerium noch klären, was unter der
Formulierung „fester Vom-Hundert-Satz“ zu verstehen
ist. Aber eine Dynamisierung beispielsweise in Anlehnung an die Entwicklung der Inflationsrate ist natürlich
möglich.
({0})
Ich rufe die Frage 24 der Kollegin Ina Lenke auf:
Werden Beiträge für bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossene Versorgungsverhältnisse mit Pensionskassen oder
Pensionsfonds, die eine Kapitalzahlung bei Tod des Versicherungsnehmers sowohl während der Anwartschaftszeit als
auch während der Leistungsphase vorsehen, auch nach dem
1. Januar 2005 nach § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz weiterhin steuerfrei bleiben oder ist eine Umstellung des Versorgungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Pensionskassen/Pensionsfonds, der Versorgungszusagen zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern und der tarifvertraglichen
Vereinbarungen zwischen den Tarifvertragsparteien erforderlich, wovon mehr als 1 Million Arbeitnehmer betroffen
wäre?
Zurzeit werden mit den obersten Finanzbehörden der
Länder Fragen im Zusammenhang mit der praktischen
Umsetzung der Änderungen durch das Alterseinkünftegesetz unter Beteiligung der Verbände ausführlich erörtert und abgestimmt. Bereits zweimal hat eine Arbeitsgruppe auf Fachebene getagt und sich auch mit den von
Ihnen angesprochenen Fragen zur betrieblichen Altersvorsorge befasst. Aufgrund der Ergebnisse dieser Erörterungen ist beabsichtigt, das BMF-Schreiben vom
5. August 2002 zu überarbeiten und eine Übergangsregelung für Versorgungszusagen aufzunehmen, die vor
dem 1. Januar 2005 erteilt wurden - so genannte Altzusagen - und die die neuen Anforderungen des § 3 Nr. 63
EStG hinsichtlich der Auszahlungsformen der Versorgungsleistungen nicht vollständig erfüllen. Die entsprechenden Versorgungsordnungen müssten in diesen
Punkten dann nicht geändert werden. Es ist vorgesehen,
das überarbeitete BMF-Schreiben noch in diesem Jahr
im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, aus Sicht der Bürger und Bürgerinnen, für die ich hier frage, ist mir das viel zu unkonkret. Sie haben von Übergangsregelungen gesprochen.
Ich finde es zwar sehr gut, dass es solche Regelungen
geben soll. Aber können Sie mir in etwa sagen, ob die
Übergangsregelung ein Jahr, fünf Jahre oder zehn Jahre
gelten wird? Was denkt das Finanzministerium darüber?
Frau Kollegin Lenke, auch dies müssen wir mit den
obersten Finanzbehörden der Länder abstimmen. Wir
sind also hier ebenfalls auf deren Mitarbeit und Zustimmung angewiesen. Wir werden dies rechtzeitig vor Ende
dieses Jahres im Bundessteuerblatt veröffentlichen, sodass es eine bindende Wirkung für die Finanzverwaltung
entfaltet.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie wissen, dass 1 Million Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon betroffen ist.
Da Sie auf meine vorangegangene Frage geantwortet haben, dass die Abstimmung zwischen Bundesregierung
und Bundesländern rechtzeitig erfolgen werde, bitte ich
Sie um die Einschätzung, welches Datum vor dem
31. Dezember 2004 für Sie „rechtzeitig“ ist.
Frau Kollegin, ich hatte Sie darauf hingewiesen, dass
die entsprechenden Versorgungsordnungen nicht geändert werden müssen. Ihre Befürchtung ist also zum
Glück grundlos. Dass Sie Bedenken haben, ist verständlich. Aber ich konnte sie jetzt wohl zerstreuen. Die entsprechenden Versorgungsordnungen werden, wie gesagt,
nicht geändert werden müssen. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer entsprechenden Regelung. Wir beabsichtigen, dies auf jeden Fall noch vor Jahresende zu veröffentlichen, sodass Rechtsklarheit herrscht. Es muss also
nicht 1 Million Verträge geändert werden. Das wäre in
drei Wochen tatsächlich nicht möglich.
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun die Frage 25 der Kollegin Dr. Gesine
Lötzsch auf:
Trifft es zu - „Wirtschaftswoche“ Nr. 39 -, dass Sparkassen von Existenzgründern neuerdings eine Gebühr verlangen,
wenn sie einen Businessplan zwecks Kreditvergabe prüfen,
und sogar eine Gebühr anfällt, wenn der Kredit nicht gewährt
wird, und wie beurteilt die Bundesregierung Gebühren von
bis zu 250 Euro für Arbeitslose, die sich als Ich-AG selbstständig machen wollen, im Hinblick auf das Instrument der
Ich-AG?
Zur Beantwortung steht nun der Parlamentarische
Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt zur Verfügung.
Ich weise darauf hin, dass die Beantwortung dieser
Frage dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
zugeteilt worden ist.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, der
Dachverband der Sparkassen-Finanzgruppe, hat in einer
Pressemitteilung vom 17. September 2004 zum Thema
„Keine Gebühren für Gründer“ Stellung zu dem Artikel
in der „Wirtschaftswoche“ Nr. 39 bezogen, der auch Ihrer mündlichen Frage zugrunde liegt. Darin widerspricht
der Deutsche Sparkassen- und Giroverband der Aussage,
Sparkassen verlangten von Gründern eine Gebühr, wenn
sie deren Businessplan zwecks Kreditvergabe prüfen.
Der gesamte Bearbeitungsaufwand im Kreditvergabeprozess der Institute werde mit den Finanzierungskonditionen des Kredites abgegolten. Sofern Sparkassen allerdings gebeten würden, bei der Entwicklung von
Businessplänen im Rahmen angebotener Berater- und
Betreuerkonzepte tätig zu werden, setzten sie dafür
Preise, die sich an der jeweiligen Beratungsintensität
und nicht am Finanzierungsvolumen orientierten. Gründer sollten also im Einzelfall von ihnen konkret geforderte Gebühren, die im engen Zusammenhang mit Finanzierungsgesprächen stehen, unter Hinweis auf die
Verbandsaussage vom 17. September 2004 zurückweisen.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
der Bundestag hat in der letzten Woche einen Beschluss
gefasst, der die Anforderungen an Ich-AGs zu Recht
präzisiert bzw. verschärft. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass gerade das Verlangen von Beratungsgebühren
die Schwelle, eine Ich-AG zu gründen, weiter erhöht?
Frau Abgeordnete Lötzsch, ich weise noch einmal
darauf hin: Ein Businessplan oder eine Plausibilitätsstudie für ein Unternehmen kann von den Sparkassen kostenpflichtig erstellt werden. Wenn ein Ich-AGler zur
Sparkasse geht, um eine Finanzierung seines Unternehmens zu erwirken, und in diesem Zusammenhang, also
im Zusammenhang mit einem konkreten Kredit, ein solcher Businessplan überprüft oder auch erstellt wird,
dann ist diese Dienstleistung, so jedenfalls die Pressemitteilung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, frei und wird nicht gesondert in Rechnung gestellt.
Insofern sehe ich an dieser Stelle keine Hürde.
Es wäre schön, wenn wir alle dazu beitrügen, die entsprechenden Personen über die Haltung des Deutschen
Sparkassen- und Giroverbandes zu informieren, falls
solche Fragen auftauchen
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
eine Pressemitteilung ist das eine und die Wirklichkeit
ist manchmal das andere. Ist das Bundesministerium tätig geworden, um den Wahrheitsgehalt dieser Presseerklärung zu überprüfen? Schließlich sind auch die
Angaben in der „Wirtschaftswoche“ aufgrund entsprechender Erfahrungen veröffentlicht worden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
hatte bisher den Eindruck, dass der Deutsche Sparkassen- und Giroverband etwaige Fragen nach bestem Wissen und Gewissen und insbesondere nach Rückfrage mit
den jeweiligen Sparkassen beantwortet hat. Wir gehen
davon aus, dass diese Pressemitteilung den tatsächlichen
Gegebenheiten entspricht. Sollte es etwa andere Praktiken seitens einzelner Sparkassen geben, können wir nur
ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir für solche Informationen dankbar sind, und würden dieser Sache natürlich nachgehen.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ditmar Staffelt steht zur Beantwortung der Fragen weiterhin zur Verfügung.
Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Karl-Josef
Laumann, die Frage 28 des Kollegen Dr. Egon Jüttner,
die Frage 29 des Abgeordneten Dirk Niebel und die
Fragen 30 und 31 des Kollegen Hans-Joachim Otto
({0}) werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
auf:
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Protestforschers Professor Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum
Berlin - „Berliner Zeitung“, 22. September 2004 -, der eine
Umfrage unter 1 025 Hartz-IV-Demonstranten durchgeführt
hat und zu dem Schluss kommt, dass „es sich um eine demokratische Protestgemeinde“ handle?
Die Bundesregierung kann die Einschätzung von
Herrn Professor Rucht weder teilen noch ablehnen, da
ihr die Erkenntnisse, auf denen die Aussage von Professor Rucht beruht, nicht vorliegen.
Im Übrigen hat die Bundesregierung keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass sich die ganz überwiegende Mehrheit der Teilnehmer an den genannten Demonstrationen auf dem Boden des Grundgesetzes
bewegen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
nun hätten Sie ja meine Frage zum Anlass nehmen können, sich mit dieser Studie von Professor Rucht zu beschäftigen. Immerhin ist sie vom Wissenschaftszentrum
Berlin erstellt worden, einer Institution, die hier in Berlin
und in der Bundesrepublik einen guten Ruf genießt.
Ich kann also aufgrund Ihrer letzten Einlassung davon
ausgehen, dass Vertreter der Bundesregierung nicht weiter behaupten werden, dass die Anti-Hartz-Demonstrationen von Rechtsextremisten missbraucht oder genutzt
werden?
Frau Abgeordnete Lötzsch, an dieser Stelle würde ich
Ihnen ausdrücklich widersprechen. Ich dachte eigentlich
bisher, dass auch Sie das so sehen. Es ist ganz selbstverständlich, dass es bei solchen Demonstrationen in verschiedenen Städten unseres Landes auch Teilnehmer aus
der rechtsradikalen und rechtsextremistischen Ecke gegeben hat, die berechtigte Ängste, die dort formuliert
worden sind, für ihre politische Sache zu nutzen versucht haben. Damit haben wir uns natürlich auseinander
gesetzt. Die Bundesregierung hat den Populismus und
die Angstmacherei, die dort betrieben worden sind, ausdrücklich kritisiert. Dies hat nichts damit zu tun, dass
wir selbstverständlich davon ausgehen, dass sich der
weit überwiegende Teil der Demonstranten, wie ich es
eben schon sagte, auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt.
Im Übrigen beziehen wir uns anlässlich einer solchen
Anfrage nicht nur auf Zeitungsmeldungen, sondern
schauen auch in die Studie des Wissenschaftszentrums,
das auch wir schätzen, hinein. So kann ich darauf verweisen, dass auch Professor Rucht ausdrücklich davon
gesprochen hat, dass rechtsextremistische und rechtsradikale Tendenzen bei solchen Demonstrationen festzustellen waren. Ich zitiere:
Werden die Kategorien „eher rechts“ und „ganz
rechts“ zusammengefasst, so ist der Anteil der
Rechten in Leipzig und Dortmund am höchsten
({0}) …
In Völklingen beispielsweise organisierte die NPD eine
solche Hartz-IV-Demonstration. In anderen Städten wie
beispielsweise in Magdeburg versuchten sich rund 40 bis
60 rechte Demonstranten an die Spitze der Hartz-IV-Demonstration zu setzen. Von den übrigen Demonstranten
wurden sie allerdings glücklicherweise in die Schranken
verwiesen.
Ich will also sagen: Es hat solche Ansätze gegeben.
Diese Ansätze - darin sind sich, wie ich glaube, alle
Fraktionen des Deutschen Bundestages mit der Bundesregierung einig - haben wir nachhaltig zu kritisieren und
wir müssen diese Rechtsextremisten von den Demokraten ganz klar und entschieden abgrenzen.
Ihre weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
nun haben Sie ja gezeigt, dass Sie doch die Studie, zumindest Teile daraus, gelesen haben. Das ist ja sehr erfreulich. Sie können mir also bestätigen, dass Sie davon
ausgehen, dass die Mehrheit der Demonstrierenden nicht
dem rechten Spektrum zuzuordnen ist. Daraus leite ich
ab, dass die Bundesregierung nicht weiter versuchen
wird, den Protest dadurch zu diskreditieren, dass sie darauf verweist, dass auch Rechtsextreme versucht haben,
sich in diese Demonstrationen einzuschleichen.
Soweit ich mich, Frau Abgeordnete, erinnere, haben
die Vertreter der Bundesregierung immer eine differenzierte Auffassung vertreten. Dabei darf allerdings - darauf bestehe ich ganz ausdrücklich - nicht in Vergessenheit geraten, dass es sowohl am linksextremistischen als
auch am rechtsextremistischen Rand den populistischen
Versuch gegeben hat, den Leuten mit Verweis auf
Hartz IV Angst zu machen. Dies steht fest und ist im
Übrigen auch von allen Beobachtern so kommentiert
worden. Alles Weitere zu diesem Thema habe ich bereits
gesagt.
Im Übrigen, Frau Abgeordnete Lötzsch, sollten Sie
uns nicht unterschätzen. Wir lesen selbstverständlich ab
und an auch Studien, insbesondere dann, wenn sie so interessant und aktuell wie die vorliegende sind.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen. Ich schließe damit diesen Geschäftsbereich.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung auf. Die
Fragen 33 und 34 der Kollegin Hannelore Roedel werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 35
und 36 der Kollegin Gitta Connemann.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde und auch am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 30. September
2004, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.