Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren Abgeordnete! Im letzten Monat hat das Bundesverfassungsgericht zwei Entscheidungen zum Thema
Sicherungsverwahrung getroffen. Mit der Entscheidung
vom 5. Februar wurde erklärt, dass die Aufhebung der
Begrenzung auf zehn Jahre für die erstmalige Sicherungsverwahrung, die der Gesetzgeber seinerzeit vorgenommen hat, mit der Verfassung vereinbar ist.
Eine Woche später wurde in Karlsruhe entschieden,
dass die Gesetzgebungskompetenz zur Anordnung der
so genannten nachträglichen Sicherungsverwahrung beim
Bund liegt. Das ist ein Thema, das lange Zeit streitig
war; da es im Grunde um Gefahrenabwehr geht. Die
Bundesregierung hat immer wieder die Auffassung vertreten, dass dies eine Kompetenz der Länder ist, weil sie
für das Polizeirecht zuständig sind. In Karlsruhe wurde
nun anders entschieden: Die entsprechenden Landesgesetze wurden für mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes unvereinbar erklärt. - Wir wissen, dass für die
Anordnung der so genannten nachträglichen Sicherungsverwahrung ein gewisser Bedarf besteht. In den Ländern
sind im Moment fünf Straftäter auf Grundlage solcher
Gesetze untergebracht und in vier Fällen wird noch entschieden. Insgesamt geht es also um eine ausgesprochen
geringe Zahl von Tätern.
In dem Gesetzentwurf, den die Bundesregierung
heute im Kabinett beschlossen hat, wird das geregelt,
was das Bundesverfassungsgericht zum Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern jetzt ermöglicht
hat. Mit der vorgesehenen Regelung ergänzen wir das
System der Sicherungsverwahrung, das im Moment aus
der direkt nach dem Urteil erfolgten Anordnung, der so
genannten vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, besteht. Diese kommt zur Anwendung, wenn das Gericht
bereits Anhaltspunkte für die Gefahr, die von einem
Straftäter ausgeht, hat. Die nachträgliche Anordnung soll
künftig möglich sein, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass ein Verurteilter erhebliche
Straftaten begeht, den Opfern also schwere körperliche
oder seelische Schäden drohen, und wenn sich die entsprechenden Hinweise erst im Strafvollzug herausgestellt haben.
Eine weitere Voraussetzung besteht darin, dass ein
Betroffener entweder schon wegen mehrfacher Begehung von gefährlichen Straftaten abgeurteilt worden ist
oder aber - in sehr seltenen Ausnahmefällen - eine Erstverurteilung in einem ganz erheblichen Ausmaß vorliegt, deren Dauer unserem Gesetzentwurf zufolge mindestens vier Jahre betragen muss.
Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung soll unserem Gesetzentwurf zufolge auch für
Heranwachsende, die nach dem Erwachsenenstrafrecht
verurteilt wurden, zulässig sein. In diesen Fällen sind die
Anforderungen, wie Sie unserem Gesetzentwurf entnehmen können, noch etwas strikter.
Eine weitere Regelung betrifft diejenigen Täter, die
aus Krankheitsgründen in psychiatrischen Anstalten untergebracht waren und als geheilt angesehen werden, von
denen aber erwartet wird, dass sie, wenn sie entlassen
werden, in der von mir eben geschilderten Form Straftaten begehen.
Wir wissen - ich habe es mehrfach betont -, dass
diese Fälle nur sehr selten sind und die Regelung in einen ganz besonders sensiblen Bereich fällt. Wir haben
ganz besonders hohe rechtsstaatliche Anforderungen an
das Verfahren gestellt, da es sich schließlich um einen
sehr schwer wiegenden Eingriff in die Grundrechte handelt; das Bundesverfassungsgericht hat das mehrfach
Redetext
betont. Deshalb wollen wir diesen Bereich so gut es geht
durch Verfahrensregelungen absichern. Verhandelt werden soll deshalb die Frage, ob eine nachträgliche Sicherungsverwahrung nach dem so genannten Hauptverhandlungsmodell angeordnet wird. Das heißt, es gelten
die üblichen umfassenden Garantien des Strafverfahrens,
etwa das Recht auf einen Pflichtverteidiger, der Grundsatz der Öffentlichkeit und das umfassende Beweisantragsrecht des Betroffenen.
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung soll zudem zulässig sein, wenn zwei Gutachter unabhängig
voneinander eine entsprechende Diagnose stellen. Nach
unseren Vorstellungen sollen beide Gutachter im Vollzug
noch nicht mit dem betroffenen Täter befasst gewesen
sein dürfen. Über eine Sicherungsverwahrung entscheiden soll ein mit drei Berufsrichtern besetztes Gericht.
Der Entwurf sieht Übergangsregelungen für diejenigen Täter vor, die derzeit auf der Basis von Landesgesetzen untergebracht sind. Das Bundesverfassungsgericht
hat die Weitergeltung dieser Landesgesetze bis zum
30. September 2004 angeordnet; das wissen Sie. Mit dieser Übergangsregelung stellen wir sicher, dass niemand
entlassen werden muss.
Wir haben diesen Gesetzentwurf, wie sich aus meinen
Eingangsworten ergeben hat, innerhalb von vier Wochen
vorgelegt. Das bedeutet naturgemäß, dass nicht alle die
Probleme, die im Einzelnen sehr detailliert und sorgfältig formuliert werden müssen, schon hundertprozentig
sicher formuliert sein können. Deswegen werden wir
zusammen mit den Fraktionen eine umfangreiche Anhörung durchführen, zur Beratung des Gesetzes Sachverständige hören und dann sehen, ob einzelne Formulierungen gegebenenfalls präzisiert werden müssen,
beispielsweise in der Frage, ob der Katalog der Anlassstraftaten richtig gefasst ist. Wie Sie wissen, hat Karlsruhe da bestimmte Anforderungen gestellt: Vermögensdelikte zum Beispiel werden nicht umfasst, nur Delikte
gegen Leib und Leben. Ob wir das richtig erfasst haben
oder auch, wie das Vollzugsverhalten im Verhältnis zur
Anlassstraftat zu werten ist - solche Feinheiten müssen
noch im Verfahren erörtert werden. Im Grundsatz jedoch
liegen die Entscheidungen fest.
Ich gehe davon aus, dass wir damit das getan haben,
was Karlsruhe uns ermöglicht hat, immer unter Wahrung
der hohen rechtsstaatlichen Grundsätze, die erforderlich
sind und beachtet werden müssen, wenn auf diese Art
und Weise in die Grundrechte von Betroffenen eingegriffen wird, die die Strafe anlässlich ihrer Tat bereits
verbüßt haben. Es geht also um eine Prognosebewertung. Deswegen sind diese Anforderungen unserer Ansicht nach geboten und auch entsprechend einzuhalten.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den soeben berichtet wurde. - Herr Kollege
Dr. Röttgen, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Frau Justizministerin, Sie haben gerade im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf dargelegt, dass
die Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im
Grundsatz von der Bundesregierung übernommen worden ist. Diese Position wird dadurch nicht falsch; darum
begrüßen wir diesen Gesetzentwurf. Wir treten für diese
Regelung schon seit Jahren ein.
Sie haben ausgeführt, dass einige Länder in der Not
sind, gefährliche Insassen entlassen zu müssen, weil sich
der Bundestag mit seiner Mehrheit einer Regelung auf
Bundesebene verweigert hat. Haben Sie eine Übersicht
darüber oder können Sie schätzen, wie viele gefährliche
Wiederholungstäter in den vergangenen Jahren, weil es
eine entsprechende Bundesregelung nicht gab und manche Landesregierungen sich zu diesen Polizeigesetzen
nicht haben entschließen können, entlassen werden
mussten?
({0})
Keine einzige SPD-geführte Landesregierung hat ein
solches Polizeigesetz beschlossen.
Herr Abgeordneter, zunächst einmal ist es so, dass wir
nicht die Position der CDU/CSU übernommen, sondern
eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt haben. Sie wissen - wir haben das schon an anderer Stelle hier erörtert -, dass es die seinerzeit von Ihrer Fraktion geführte Bundesregierung war, die sich
verweigert hatte, die Sicherungsverwahrung umfangreicher zu regeln.
Was Ihre Tatsachenfrage anbelangt, so kann ich Ihnen dazu keine Auskunft geben. Wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass das der Fall war. Wir wissen nur
umgekehrt, dass beispielsweise Baden-Württemberg ein
entsprechendes polizeirechtliches Gesetz aufgelegt hat
und dass dort 18 entsprechende Anträge gestellt wurden, die samt und sonders von den Gerichten abgelehnt
worden sind. Wir haben keine Erkenntnisse darüber,
dass einer dieser Täter im Anschluss straffällig geworden ist.
Eine weitere Frage des Kollegen Röttgen.
Frau Ministerin, Sie haben gerade ausgeführt, Sie
würden mit dieser Regelung lediglich einen Auftrag des
Bundesverfassungsgerichts umsetzen. Stimmen Sie mir
zu, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gesagt hat, es erteile dem Bundesgesetzgeber keinen Auftrag. Es hat vielmehr erklärt, der Bundesgesetzgeber
müsse entscheiden, ob er eine entsprechende Regelung
vorsehen will. Sie hätten die völlige Freiheit, dieses Gesetz nicht zu machen, sodass nicht die Rede davon sein
kann, dass Sie einen inhaltlichen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts haben. Sie haben sich vielmehr zu
einer bestimmten Regelung entschlossen, die im Grundsatz identisch ist mit der Position der CDU/CSU. Ist es
so?
Wir haben uns zu einer Regelung entschlossen, die
Karlsruhe überhaupt erst nach der Kompetenzordnung
des Grundgesetzes für möglich erachtet hat.
({0})
- Das ist, wie Sie wissen, eine Frage der Auslegung.
Über die Auslegung der Verfassung kann oftmals Streit
bestehen. Das ist kein neues Phänomen, das wir hier im
Lande zu beobachten haben.
Karlsruhe hat das jetzt geklärt. Das heißt, Karlsruhe
hat das Verfassungsverständnis, wenn Sie es so nennen
wollen, anders beschrieben, als wir es immer getan haben. Das ist richtig.
Herr Kollege, bitte.
Ich möchte zum Gesetzentwurf selber kommen, und
zwar zu den Unterschieden - ich betone, dass es im
Grundsatz Übereinstimmung gibt -: Sie erfassen im ersten Absatz mit § 66 b nicht alle gefährlichen Straftäter,
sondern nur gefährliche Sexualstraftäter. Können Sie
bitte begründen, warum etwa ein gefährlicher Straftäter,
der einen Totschlag begangen hat, für diesen Totschlag
aber eine geringere Freiheitsstrafe als vier Jahre erhalten
hat - diese Fälle gibt es - und bei dem sich während der
Haft herausstellt, dass er gefährlich ist, nach Ihrer Regelung entlassen werden muss?
Herr Abgeordneter, das kann ich Ihnen nicht sagen,
weil wir uns in Abs. 1 unseres Entwurfs auf die Verurteilung wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten
Straftaten beziehen.
({0})
- Das ist nicht richtig.
({1})
Herr Kollege, würden Sie die Ministerin bitte ausreden lassen.
({0})
Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, dass die Körperverletzungsdelikte umfasst sind. Ich habe eingangs
schon gesagt, dass wir letztendlich nicht sicherstellen
können, dass jede Regelung bedacht wurde. Es sind sehr
diffizile Verweisungen. Ich habe gleichzeitig angekündigt, dass wir das im Verfahren regeln werden.
Unser Ziel ist es, wenigstens die Delikte, die das Bundesverfassungsgericht genannt hat, nämlich alle Delikte
gegen Leben, körperliche Unversehrtheit und sexuelle
Selbstbestimmung, zu erfassen. Nicht erfassen werden
wir - das sieht Ihr Entwurf vor; wir halten das für verfassungswidrig - die Vermögensdelikte.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Röttgen.
Es tut mir Leid, dass ich die Frage wiederholen muss.
Aber sie ist wirklich nicht beantwortet worden. - Ich
habe nach dem Fall gefragt, dass jemand wegen Totschlags zu einer geringeren Freiheitsstrafe als vier Jahre
verurteilt worden ist und sich in der Haft als gefährlich
herausstellt. Warum erfassen Sie diesen Fall nicht? Ich
nehme an, dass Sie sich überlegt haben, warum Sie diesen Fall nicht erfassen. Sie verweisen auf § 66 Abs. 3
Satz 1. - Das Nicken eines Beamten des BMJ bestätigt
mich. - In diesem Satz 1 erfassen Sie die §§ 174, 174 c,
176, 179 StGB - das sind alles Sexualstraftaten -, aber
der Totschlag ist nicht erfasst. Warum erfassen Sie diesen Fall nicht? Oder ist es ein Irrtum, dass dieser Fall
nicht aufgenommen worden ist? Das Nicken des Beamten legt nahe - auch das ist eine Information -, dass es
ein Irrtum ist. Oder ist es kein Irrtum?
Nein, ich glaube, es ist eine Frage des Zusammenspiels zwischen Abs. 1 und Abs. 2. In Abs. 2 werden
Tatsachen der in Abs. 1 genannten Arten nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens vier
Jahren wegen einer oder mehrerer Straftaten gegen das
Leben und gegen die körperliche Unversehrtheit - das
beinhaltet Totschlag - umfasst.
({0})
- Ja, beim Ersttäter. Wir müssen jetzt differenzieren, ob
Sie vom Wiederholungstäter reden oder vom Ersttäter.
Wir gehen beim Ersttäter von vier Jahren aus. Ich
glaube, das macht Ihr Entwurf im Übrigen auch.
({1})
Herr Kollege, bitte schön.
Wo ist denn der Fall Ihrer Auffassung nach geregelt?
In dem gerade von Ihnen genannten Abs. 2?
Welchen Fall meinen Sie denn?
Ich meine den Fall des Totschlägers, den ich gerade
gebildet habe. Ist er in Abs. 2 oder in Abs. 1 geregelt?
Sie müssen mir sagen, ob Sie vom Ersttäter oder vom
Mehrfachtäter reden.
({0})
Wenn Sie mir das sagen, dann kann ich Ihre Frage beantworten.
Ich meine den Mehrfachtäter, der wegen Totschlags
zu drei Jahren und elf Monaten verurteilt worden ist. Wo
ist dieser Fall geregelt?
({0})
Ich möchte wissen, ob und gegebenenfalls wo der Fall
geregelt ist.
Dies ist in § 66 b Abs. 1 StGB in Verbindung mit
§ 66 - Dr. Norbert Röttgen ({0}):
Nein, mir liegt das Gesetz vor. Ich habe eben vorgelesen, dass dort indirekt -
Herr Kollege Röttgen, ich bitte sehr darum, dass Sie
erstens die Ministerin ausreden lassen und dass wir
zweitens die Befragung der Bundesregierung korrekt
durchführen.
Ja, ich bitte, mir das nachzusehen.
Frau Ministerin, bitte.
Ich sage es noch einmal: Dies ist in § 66 b
Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB
geregelt. Wird jemand wegen eines Verbrechens - bei einem Totschlag handelt es sich um ein Verbrechen - verurteilt, dann usw. Das ist das geltende Recht.
({0})
Herr Kollege Röttgen, Ihre nächste Frage, bitte.
Wo ist der Fall geregelt, dass wegen des eben genannten Verbrechens ein Ersttäter verurteilt wird?
Der ist in § 66 b Abs. 2 StGB geregelt.
Ist dieser Fall Ihrer Auffassung nach erfasst?
Der Totschläger, der zu weniger als vier Jahren verurteilt wurde, ist genauso wie in Ihrem Gesetzesvorschlag,
Herr Abgeordneter, nicht erfasst.
Ja, das ist richtig. Dieser Fall ist in der Tat nicht geregelt.
({0})
Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Thema? Herr Kollege Kauder, bitte.
So einfach ist das nicht mit dem Bildungsurlaub. Herr
Stünker, das ist eine -
Herr Kollege Kauder, wir sind in der Befragung der
Bundesregierung.
Entschuldigung. - Frau Ministerin, wir sind uns einig,
dass wir in kurzer Zeit eine hoch komplizierte juristische
Materie zu bearbeiten haben. Ich glaube, das ist auch das
Problem. Wir und insbesondere Sie stehen unter Zeitdruck. Sie haben dankenswerterweise schon erwähnt,
dass man in dem einen oder anderen Punkt möglicherweise nachbessern muss.
Sie und das Kabinett sind der Meinung, dass man die
Sicherungsverwahrung auch bei Heranwachsenden anordnen können muss, wenn diese nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden. Diese Forderung teilen
wir. Sie weichen aber von Ihrem Prinzip ab, dass man
das Jugendstrafverfahren dann gesondert bearbeiten
muss, wenn man über die Änderung des JGG spricht. Sie
weichen also von Ihrer eigenen Philosophie ab.
Meine erste Frage: Ist das der Abschluss der Änderungen des Jugendstrafverfahrens oder kann man hoffen,
dass es zeitnah zu einer Korrektur kommt, nach der das
Adhäsionsverfahren im Jugendstrafverfahren auch gegen Heranwachsende zugelassen wird?
Meine zweite Frage: Können Sie mir bitte erklären,
worin die Differenzierung zwischen der Anordnung der
Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende und der
Anordnung gegen Erwachsene nach dem Erwachsenenstrafrecht besteht?
Dritte Frage: Warum gibt es diese Differenzierung?
Wenn man das Erwachsenenstrafrecht bei einem Heranwachsenden anwendet, dokumentiert man damit doch,
dass er einem Erwachsenen gleichzustellen ist. Ansonsten
dürfte man das Erwachsenenstrafrecht nicht anwenden.
({0})
Herr Abgeordneter, zu Ihrer ersten Frage. Es bleibt
dabei, dass wir eine Änderung des Jugendgerichtsgesetzes vorsehen, bei der auch die Frage zu klären sein wird,
ob und inwieweit das Adhäsionsverfahren bei Heranwachsenden und Jugendlichen angewandt werden kann.
Dabei wird dann auch die Nebenklage geregelt werden.
Insofern bleibt es bei dem, was wir immer gesagt haben.
Zu Ihrer zweiten Frage. Wir meinen, dass man Heranwachsende, die nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, im Rahmen des Jugendgerichtsgesetzes
behandeln sollte. Das ist nach wie vor eine Besonderheit; denn im Strafrecht werden diese mehrfachen Differenzierungen generell vorgesehen. Deswegen sieht der
Entwurf so aus, wie wir ihn vorgelegt haben.
Herr Kollege Dr. Götzer, bitte.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, welchen Bedarf für die wohl weiterhin mögliche vorbehaltende Sicherungsverwahrung
sehen Sie bei der geplanten Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung noch?
Herr Abgeordneter, ich glaube, dass die Beibehaltung
der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung aus der Überlegung heraus gerechtfertigt ist, dass es eine Besonderheit ist, wenn dem Gericht schon bei Erlass des Urteils
Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Täter in einer bestimmten Art und Weise entwickelt. Das ist auch
für den Täter hinsichtlich seiner Resozialisierungsbereitschaft während des Haftvollzuges ein wichtiges Signal.
Wir sind der Auffassung, dass die vorbehaltene Sicherungsverwahrung beibehalten werden sollte, weil Tätern
dadurch die Chance gegeben wird, sich im Haftvollzug
zu bessern. Dies ist anders als bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung, wo es nur um relativ wenige Täter
geht, wie die Zahlen aus den Bundesländern beweisen.
Frau Kollegin Laurischk, bitte.
Frau Ministerin, es hat in früheren Anhörungen im
Rechtsausschuss zu diesem Thema immer wieder verfassungsrechtliche und rechtssystematische Bedenken im
Hinblick auf den Grundsatz „ne bis in idem“ und das
Rückwirkungsverbot gegeben. Inwieweit sind den Bedenken zum Verbot, einen Straftäter wegen derselben Tat
zweimal zu bestrafen, in Ihrem Gesetzentwurf Rechnung
getragen worden?
Frau Abgeordnete, die Mehrheit des Senats des Bundesverfassungsgerichts hat dargetan, dass diese Form der
nachträglichen Sicherungsverwahrung möglich und mit
der Verfassung vereinbar ist, wenn dabei der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit beachtet wird. Wir meinen, dass
wir dem mit unserem Gesetzentwurf Rechnung getragen
haben. Wir gehen nicht davon aus, dass das Verbot der
Rückwirkung berührt wird.
Wird dieses -
Frau Kollegin Laurischk, der Kollege Stünker möchte
ebenfalls eine Frage stellen. - Herr Stünker, sind Sie einverstanden, dass Frau Laurischk vor Ihnen noch eine
zweite Frage stellt? - Das ist der Fall. Bitte schön.
Eine Nachfrage dazu: Inwieweit wird diese Fragestellung in den Beratungen für Sie eine Rolle spielen?
Wir können in den Beratungen über alles reden; das
ist überhaupt kein Problem. Aber mit dieser Entscheidung ist das Problem höchstrichterlich, nämlich verfassungsrechtlich, geklärt. Daher werden wir auch in den
Beratungen nicht zu anderen Ergebnissen kommen. Die Sicherungsverwahrung ist nach dieser Entscheidung
etwas anderes als Strafe; das ist eindeutig dargetan worden.
Herr Kollege Stünker, bitte.
Frau Ministerin, stimmen Sie mir zu, dass wir im
Zuge der Beratungen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. und 10. Februar - Sie haben
anfangs darauf verwiesen - einbeziehen müssen? Meiner
Erinnerung nach ist in der Entscheidung vom 5. Februar
zu dem Rückwirkungsverbot Stellung genommen worden. - Das werden wir entsprechend abarbeiten.
Zu meiner zweiten Frage. Sie haben darauf hingewiesen, dass diese Regelung nur einen sehr kleinen Teil von
Straftätern betrifft. Haben Sie aus den Ländern, die hierfür zuständig sind, Erkenntnisse darüber, wie groß der
Personenkreis gegenwärtig ist, für den eine nachträgliche Sicherungsverwahrung notwendig erscheinen
könnte?
Herr Abgeordneter, ich habe schon erklärt, dass wir
im Verfahren selbstverständlich beide Entscheidungen
aus Karlsruhe prüfen und auch die Frage „ne bis in
idem“ erörtern werden.
Hinsichtlich des Bedarfs der Bundesländer habe ich
bereits darauf hingewiesen, dass im Moment fünf Personen nach den Landesgesetzen in nachträglicher Sicherungsverwahrung untergebracht sind. Nach einer Abfrage bei den Landesjustizverwaltungen sind ungefähr
ein bis zwei Dutzend Personen noch zu begutachten, bei
denen eine entsprechende Regelung vorstellbar wäre.
Ich habe eben in der Antwort auf die Frage des Abgeordneten Röttgen erklärt, dass in Baden-Württemberg alle
Anträge auf nachträgliche Sicherungsverwahrung - meiner Kenntnis nach waren es 18 - abgelehnt worden sind,
sodass nicht gesagt ist, dass diese ein bis zwei Dutzend
Personen, die von den Ländern gemeldet wurden, von
den Gutachtern entsprechend bewertet werden und in die
nachträgliche Sicherungsverwahrung kommen müssen.
({0})
Herr Kollege Röttgen, bitte.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Teilen Sie, Frau Ministerin, meine
Einschätzung, dass die Möglichkeiten, die Sicherungsverwahrung bereits im Urteil anzuordnen, weiter
gehende sind, was den Personenkreis der Straftäter anbelangt, als das bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung der Fall ist? § 66 Abs. 1 ist weitergehend als
die Regelung, die Sie nun vorsehen.
Wenn Sie diese Einschätzung teilen, dann möchte ich
Sie fragen, worin das begründet ist. Wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung bei der Verurteilung
wegen der Gefährlichkeit eines Täters möglich ist, dann
muss sie auch nachträglich möglich sein, weil es allein
darum geht, ob die Gefährlichkeit vorhanden ist und ob
schon Straftaten begangen worden sind. Sehen Sie einen
Unterschied in der Reichweite der Regelungen und,
wenn ja, wie ist die Begründung dafür?
Unser Entwurf trifft Regelungen für zwei unterschiedliche Tätergruppen. Bei der Anordnung, die mit
der Verurteilung erfolgt, ist bereits eine so manifeste Täterstruktur vorhanden, dass das Gericht das offenbar
ganz anders bewertet als die Möglichkeit, dass sich während des Haftvollzuges weitere Anhaltspunkte für eine
Sicherungsverwahrung bieten. Das kommt nicht sonderlich häufig vor. Wenn beispielsweise bei einem Mehrfachtäter ein manifester Hang zu bestimmten Sorten von
Straftaten besteht, dann kann das Gericht die Sicherungsverwahrung mit der Verurteilung wegen der Mehrfachtat verhängen.
Mit der nachträglichen Sicherungsverwahrung sind
wir nicht mehr im strafrechtlichen Bereich, sondern im
Grunde im Bereich der Gefahrenabwehr. Wir diskutieren
aber im Bereich des Strafrechts, was die Debatte schwierig macht. Wir müssen uns immer wieder vergewissern,
worüber wir eigentlich reden. Karlsruhe hat nun einmal
entschieden, dass wir das in diesem Rahmen zu regeln
haben. - Weil es um den Bereich der Gefahrenabwehr
geht, haben wir dafür Sorge getragen, dass auch die Täter, bei denen diese Voraussetzungen bei der Urteilsfindung nicht gegeben waren, bei denen es keine Anhaltspunkte dafür gab, noch nicht einmal so viele, um eine
vorbehaltene Sicherungsverwahrung auszusprechen, erfasst werden können. Man kann also quasi von einer Stufenfolge sprechen. Aus diesem Grunde gehe ich davon
aus, dass diese Regelung ausgesprochen selten zur Anwendung kommt. Wir haben es nicht mit einem Massenphänomen zu tun, sondern es geht um das Vorhalten einer Regelung für wenige, ganz besondere Fälle, damit
die Täter in Haft behalten werden können, um sicherzugehen, dass die Bevölkerung geschützt wird.
Herr Kollege Kauder, bitte.
Frau Ministerin, wenn man die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Heranwachsende bei Anwendung
von Erwachsenenstrafrecht zulässt, drängt es sich doch
auf, zumindest darüber nachzudenken, ob man nicht die
vorbehaltene Sicherungsverwahrung zulassen will. Hat
man sich darüber Gedanken gemacht? Wenn ja, warum
hat man die vorbehaltene Sicherungsverwahrung abgelehnt?
({0})
Die gibt es. Die ist geltendes Recht, Herr Abgeordneter.
({0})
Das ist ab 1. April geltendes Recht.
Meine zweite Frage: Sind die Überlegungen zur Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende grundrechtlich abgesichert? Haben Sie das in Ihrem Haus prüfen lassen oder riskiert man, dass jemand, der klagt, vom
Bundesverfassungsgericht eine andere Antwort bekommt als von der Politik?
Als für die Verfassung zuständiges Ressort haben wir
diesen Entwurf selbstverständlich verfassungsrechtlich
prüfen lassen. Unsere Verfassungsabteilung hat keine
Bedenken.
Ich habe zu diesem Themenbereich keine Wortmeldungen mehr.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? - Das ist nicht der Fall. Gibt es darüber
hinaus Fragen an die Bundesregierung? - Herr Kollege
Koppelin, bitte.
Ich habe am Wochenende mit Interesse die Meldung
gelesen, dass der Bremer Bürgermeister Henning Scherf
das Angebot gemacht hat, Mitglied der Bundesregierung
zu werden, um den Bundeskanzler bei seiner Arbeit tatkräftig zu unterstützen. Darf ich fragen, ob dieses Angebot von Henning Scherf heute im Kabinett eine Rolle gespielt hat? Will der Bundeskanzler in Kürze dieses
Angebot von Henning Scherf annehmen? Wenn er es annimmt, darf ich fragen: Wen von den vier Ministern, die
abgelöst werden müssten, soll er ersetzen?
({0})
Herr Staatsminister, bitte.
Herr Kollege, das hat heute im Kabinett keine Rolle
gespielt. Sie dürfen aber davon ausgehen, dass ein so
wichtiger und bewährter Kollege wie Henning Scherf
Wertschätzung genießt und wir deshalb seine Unterstützung sehr freudig entgegengenommen haben, dass aber
zurzeit keinerlei Bedarf in der Richtung besteht, wie Sie
es offensichtlich freudig zur Kenntnis nehmen würden.
({0})
Gibt es noch weitere Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall.
Dann beende ich die Befragung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 15/2629, 15/2645 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziffer 10
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen des Abgeordneten Roland Gewalt auf
Drucksache 15/2645 auf. Zur Beantwortung steht Frau
Staatsministerin Kerstin Müller zur Verfügung.
Ich rufe die dringlichen Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Roland Gewalt zusammen auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Staatsanwaltschaft Köln mittlerweile gegen Mitarbeiter des Auswärtigen
Amts ({0}) wegen des Verdachts der „Beihilfe zur gewerbsmäßigen Schleusung durch Unterlassung“ und der „uneidlichen Falschaussage“ in dem Schleuserprozess vor dem Landgericht Köln ermittelt ({1}), und, wenn ja, welche konkreten Sachverhalte bzw. Tatvorwürfe liegen diesen Ermittlungen zugrunde?
Welche Funktionen im AA haben die Mitarbeiter, gegen
die ermittelt wird, zur tatrelevanten Zeit bekleidet und inwieweit ist die politische Leitung des AA von den insoweit erhobenen Vorwürfen tangiert?
Herr Kollege, ich beantworte Ihre dringlichen
Fragen 1 und 2 im Zusammenhang wie folgt: Dem Auswärtigen Amt liegen bislang lediglich die Pressemeldungen vom vergangenen Wochenende vor, wonach von der
Staatsanwaltschaft Köln gegen einige Bedienstete des
Auswärtigen Amtes Ermittlungsverfahren eingeleitet
worden sein sollen. Über weitere Informationen verfügt
das Auswärtige Amt nicht.
Im Übrigen möchte ich dennoch jede Vorverurteilung
unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückweisen.
Die Bundesregierung hat selbst größtes Interesse an
einer Klärung der im Zusammenhang mit den Strafverfahren vor dem Kölner Landgericht aufgeworfenen Fragen und Anschuldigungen.
Herr Kollege, Ihre Zusatzfragen.
Frau Staatsministerin, sind die beschuldigten Mitarbeiter - es handelt sich offensichtlich um drei Personen weiterhin in ihren Funktionen tätig oder hat das Auswärtige Amt Maßnahmen ergriffen?
Da ich weder weiß, um wie viele Mitarbeiter noch um
wen es sich handelt, kann ich diese Frage nicht beantworten.
Frau Staatsministerin, in der Regel gibt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten und der Behörde durch
ein entsprechendes Schreiben über ein Ermittlungsverfahren Kenntnis. Haben Sie, wenn ein solches Schreiben
nicht bei Ihnen eingegangen ist, selbst bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt, als ein solcher Zeitungsartikel
erschienen ist?
Ihre Behauptung ist falsch, dass dies in der Regel geschieht.
({0})
- Ja, das ist nicht geschehen. Das habe ich doch schon
beantwortet.
Herr Kollege, Sie haben noch zwei weitere Zusatzfragen.
Frau Staatsministerin, ich frage noch einmal: Haben
Sie bei der zuständigen Staatsanwaltschaft nachgefragt?
Denn es ist ja ein solcher Artikel veröffentlicht worden.
Es wäre nachvollziehbar, wenn Sie das getan hätten.
Das kann man so oder so sehen, Herr Kollege. Wir
haben es aber selbstverständlich getan und bisher auf die
Anfragen keine Antwort erhalten.
Sie haben also nachgefragt und keine Antwort erhalten, Frau Staatsministerin?
Richtig.
({0})
Haben Sie nachgefragt, um welche Mitarbeiter es sich
handelt, und keine Antwort erhalten?
Sicher.
Aber Sie haben keine Antwort erhalten?
({0})
Ich habe keine Antwort erhalten. Die Antwort wird
sich auch nicht ändern, wenn Sie die Frage noch dreimal
stellen, weil uns leider keine Auskünfte darüber vorliegen.
Herr Kollege Gewalt, Sie haben schon vier Zusatzfragen gestellt. Ich erteile dem Kollegen Koschyk zu einer
weiteren Zusatzfrage das Wort.
Frau Staatsministerin, der Vorwurf, dass Beamte des
Auswärtigen Amtes im Zusammenhang mit dem Prozess
vor Gericht falsche Aussagen gemacht haben, steht
schon seit der Urteilsverkündung im Raum. Hat die Bundesregierung - auch im Sinne einer Fürsorgepflicht des
Dienstherrn - bereits die Urteilsverkündung zum Anlass
genommen, die Aussagen von Beamten, die im Zusammenhang mit dem Prozess erfolgt sind, noch einmal im
Dialog mit den Beamten im Hinblick auf Falschaussagen
zu überprüfen?
Uns liegt bisher keine schriftliche Urteilsbegründung
vor. Insofern ist dies auch nicht erfolgt.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Binninger.
Frau Ministerin, Sie haben eben geantwortet, dass Sie
nicht wissen, um welche Mitarbeiter es sich handelt, gegen die offensichtlich ermittelt werden soll. Da aber ein
Vorwurf lautet, es seien uneidliche Falschaussagen im
Rahmen des Prozesses gemacht worden, liegt doch die
Vermutung nahe, dass es sich um die Personen handeln
muss, die damals vom Auswärtigen Amt als Zeugen in
das Verfahren entsandt wurden. Würden Sie mir darin
zustimmen? Dann wären Ihnen die Personen sehr wohl
bekannt.
Nein. Da wir nicht wissen, gegen wie viele Personen
und gegen wen Ermittlungsverfahren laufen, kann ich
diese Frage nicht beantworten und Ihnen zum heutigen
Tage keine weiteren Informationen geben.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Frau Staatsministerin, wie viele Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes haben denn in dem Prozess ausgesagt?
Können Sie sagen, ob sich die Aussagen dieser Mitarbeiter im Rahmen der von Ihnen - üblicherweise - erteilten
Aussagegenehmigung bewegt haben?
Soweit ich mich erinnere, waren es sechs. Ich gehe
davon aus, dass sich alle Aussagen im Rahmen der Aussagegenehmigung, soweit diese überhaupt erforderlich
war, bewegt haben. Noch einmal: Da uns die schriftliche
Urteilsbegründung bisher nicht vorliegt und ich persönlich an dem Verfahren nicht teilgenommen habe, kann
ich Ihnen nichts Näheres dazu sagen.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Volker Beck.
Frau Staatsministerin, teilen Sie meine Auffassung,
dass eine weitere Erörterung dieser Frage angesichts
dessen, dass die schriftliche Urteilsbegründung noch
nicht vorliegt und dass nicht bekannt ist, gegen wen wegen was ermittelt wird, eigentlich keinen Sinn macht und
dass man sich anderen Themen zuwenden sollte?
Diese Auffassung teile ich.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Dr. HansPeter Uhl.
Frau Staatsministerin, ich glaube, wir kommen der
Sache einigermaßen näher. Wir wissen jetzt immerhin,
dass sechs Kollegen aus dem Auswärtigen Amt vor Gericht ausgesagt haben. Gegen drei - das entnehmen wir
der Presse - läuft möglicherweise ein Ermittlungsverfahren. Sie bzw. Ihr Amt hat sechs Aussagegenehmigungen
erteilen müssen. Vor diesem Hintergrund lautet meine
Frage: Ist es angesichts der Tatsache, dass bereits in der
Presse sehr viel darüber berichtet wird, nicht nahe liegend, dass Sie aus Gründen der Fürsorgepflicht mit den
sechs betroffenen Beamten Gespräche führen lassen, um
zu klären, was genau sie ausgesagt haben und ob die
Aussagen aufgrund der Aktenlage richtig oder falsch
waren und ob ein Ermittlungsverfahren möglicherweise
zu Recht auf sie zukommt? Wollen Sie die gesetzliche
Frist von 17 Wochen - so lange hat ein Richter Zeit, um
eine schriftliche Urteilsbegründung vorzulegen - abwarten und ist Ihnen das so lange egal?
Erstens. Die Behauptung, dass gegen drei Personen
Ermittlungsverfahren eingeleitet worden seien, ist
- möglicherweise - falsch. Wir können uns bislang nur
auf die Presse berufen. In einem Artikel ist von vier und
in einem anderen von drei Mitarbeitern die Rede. Ich bestätige Ihre Aussage zum wiederholten Male nicht.
Zweitens. Weder die laut Presse möglicherweise Beschuldigten noch das Auswärtige Amt haben nach unserer Kenntnis zum jetzigen Zeitpunkt Anhaltspunkte, gegen wen zurzeit Ermittlungsverfahren laufen. Insofern
ist es nicht möglich gewesen, über Gespräche eine Klärung herbeizuführen.
Ich kann nur noch einmal sagen: Wir haben keine Informationen. Weitere Fragen zu diesem Thema erübrigen sich meines Erachtens. Denn ich werde immer die
gleiche Antwort geben: Ich habe darüber keine Informationen. Wenn ich Informationen habe und wenn das mit
einem laufenden Verfahren in Einklang zu bringen ist,
dann gebe ich hier gerne Auskunft. Aber das ist heute
nicht möglich.
Die nächste Frage hat der Kollege Grindel.
Frau Staatsministerin, Sie haben eben gesagt, weder
das Auswärtige Amt noch die Beschuldigten hätten bisher eine Mitteilung von der Staatsanwaltschaft bekommen. Das heißt, dass Sie offenbar mit denjenigen, die Sie
für die Beschuldigten halten, gesprochen haben; denn
sonst könnten Sie nicht wissen, dass sie noch keine Mitteilung bekommen haben. Deswegen lautet meine Frage
logischerweise - es kann sich ja nur um die sechs handeln -: Welche Gesprächskontakte hat es bisher zwischen der Führung Ihres Ministeriums und den sechs
Mitarbeitern gegeben, die in dem Prozess ausgesagt haben, und welche Kenntnisse haben Sie über den Stand
der Ermittlungen gegen die Beschuldigten, wie Sie
selbst das gerade formuliert haben?
Es gibt keinen Stand der Ermittlungen. Insofern verweise ich auf meine zuvor gegebenen Antworten.
Darf ich noch eine zweite Frage stellen? - Die Staatsministerin sollte ja auf zwei Fragen antworten.
Ich möchte vorher dem Kollegen Binninger das Wort
geben. Ich vermerke aber Ihren Namen auf der Liste der
weiteren Fragesteller, Herr Kollege Grindel. - Herr
Binninger, bitte.
Frau Staatsministerin, dieses Ermittlungsverfahren
wurde offensichtlich durch diesen Prozess und durch die
Aussagen der Zeugen vom Auswärtigen Amt ausgelöst.
Jetzt geht es darum, zu klären, ob es sich um uneidliche
Falschaussagen handelt. Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang eine Pressemeldung, wonach der ehemalige Staatsminister im Auswärtigen Amt Volmer in einer
Sitzung des Auswärtigen Ausschusses den Richter dieses Prozesses direkt angegriffen hat?
Ich kommentiere keine Pressemeldungen, die mir
nicht vorliegen.
Herr von Klaeden, bitte.
({0})
Frau Staatsministerin, wie bewerten Sie dann die
Auskunft Ihres Kollegen, des Staatssekretärs Chrobog,
vor dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages,
dass der Vorsitzende Richter, von dem hier die Rede ist,
in einem Anstellungs- und Dienstverhältnis mit dem
Auswärtigen Amt gestanden hat und dass bei der Urteilsfindung Umstände, die mit der Beendigung dieses Verhältnisses verbunden sind, offensichtlich eine Rolle gespielt haben können?
Meines Erachtens hat diese Frage mit den beiden
Ausgangsfragen nichts zu tun. Insofern bin ich nicht bereit, sie zu beantworten.
({0})
- Das geht nicht, Frau Präsidentin.
({1})
Herr Kollege von Klaeden!
({0})
Entschuldigen Sie, diese Frage bezieht sich auf Pressemeldungen und nicht auf die Urteilsverkündung.
({0})
Herr von Klaeden, die nächste Frage hat der Kollege
Volmer.
Frau Staatsministerin, habe ich Recht mit der Auffassung, dass es zu Ihrer Fürsorgepflicht als Dienstherrin
und als Angehörige der politischen Leitung des Auswärtigen Amtes gehört, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
Schutz zu nehmen, solange gegen sie nur Mutmaßungen,
Spekulationen und vage Verdächtigungen im Raum stehen?
Das ist sicherlich so. Ich habe in meinen Antworten
auf die beiden Ausgangsfragen schon gesagt, dass ich
Vorverurteilungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz klar zurückweise, dass wir natürlich das
größte Interesse an einer Klärung der im Zusammenhang
mit dem Verfahren aufgeworfenen Fragen und Anschuldigungen haben, dass ein weiteres Vorgehen zum jetzigen Zeitpunkt aber schlicht nicht möglich ist.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.
Frau Staatsministerin, ich frage noch einmal: Trifft es
zu, dass, wie Staatssekretär Chrobog vor dem Innenausschuss des Bundestages ausgeführt hat, der Richter dieses Prozesses in irgendeinem Dienst- und Beschäftigungsverhältnis mit dem Auswärtigen Amt gestanden
hat?
Ich wiederhole: Diese Frage hat mit den beiden Ausgangsfragen meines Erachtens nichts zu tun.
Herr Kollege Grindel, bitte.
Ich möchte auf meine Frage von eben zurückkommen
und deutlich machen, dass Sie schon meine erste Frage
nicht beantwortet haben. Insofern stelle ich sie konkret.
Sie haben gerade vor dem Hohen Hause erklärt, die Beschuldigten hätten von der Staatsanwaltschaft bisher
keine Mitteilung über das erhalten, was in der Presse
steht. Ich möchte von Ihnen gerne wissen: Woher wissen
Sie das? Welche Kontakte hat die Amtsführung dementsprechend mit den von Ihnen als Beschuldigte bezeichneten Personen?
Ich verweise auf meine Antworten auf die zuvor gestellten Fragen.
({0})
- Sie müssen schon mir überlassen, wie ich antworte.
Wenn Sie eine Frage zehnmal stellen, dann muss ich die
Antwort hier nicht zehnmal wiederholen. Entschuldigen
Sie!
({1})
- Frau Präsidentin, ich bitte darum, dass sich die Abgeordneten zurückhalten. Ich versuche, die Fragen höflich
und ruhig zu beantworten.
({2})
Das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage hat der Kollege Rose.
Frau Staatsministerin, ich richte mich nicht nach der
Aufforderung des Zuchtmeisters der SPD-Fraktion, brav
zu sein. Sie haben vorhin in der Antwort auf die Frage
des Kollegen Uhl gesagt, die Betroffenen wüssten von
nichts und sie könnten sich gar nicht vorstellen, was immer wieder in der Zeitung steht. Erhebt das Auswärtige
Amt eine Unterlassungsklage, wie es üblich ist, wenn
man falsch angeklagt oder in Verdacht gezogen wird?
Wehren Sie sich gegen diese Vorwürfe, die ja angeblich
nicht stimmen bzw. von denen Sie nicht wissen?
Auf was bezieht sich Ihre Frage?
Bei Ihnen inzwischen auf nichts mehr, weil Sie sowieso keine Auskunft geben.
Sie müssen schon präzise Fragen stellen, dann kann
ich präzise antworten.
Sie haben vorhin auf die Frage des Kollegen Uhl, ob
drei oder vier Leute entsprechende Verdächtigungen auf
sich gezogen hätten, wie in der Presse erwähnt wurde,
gesagt, Sie wüssten nichts darüber und könnten das auch
gar nicht wissen. Wenn es so ist, dass daran etwas falsch
ist und die Presse bloß eine Kampagne macht, und Ihre
Fürsorgepflicht so weit geht, wie es der Kollege Volmer
andeutete, dann müssen Sie doch darauf reagieren und
vielleicht einen Liebesentzug wie der Bundeskanzler gegenüber der „Bild“-Zeitung oder sonst etwas in Erwägung ziehen. Wenn es jedoch stimmen sollte, dann müssen Sie uns genauere Auskunft geben und nicht so ein
Verhalten an den Tag legen, wie Sie es uns seit Wochen
hier vorexerzieren.
Unter der Voraussetzung, dass ich die etwas kompliziert gestellte Frage richtig verstanden habe, beantworte
ich sie wie folgt:
Erstens. Im Hinblick auf die Pressemeldungen, die
wir am Wochenende lesen konnten, halte ich hier noch
einmal fest, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht wissen, gegen wen Ermittlungsverfahren eröffnet wurden.
Insofern kann ich hierzu auch keine Stellung nehmen.
Zweitens. Wenn Sie sich aber auf andere Pressemeldungen im Zusammenhang mit der Urteilsverkündigung
in Köln durch den dortigen Richter, die schon einige
Wochen zurückliegen, beziehen, kann ich darauf nur entgegnen: Ich kommentiere ein solches Urteil nicht. Wir
warten ab, bis das schriftliche Urteil vorliegt, um gegebenenfalls hierzu Stellung zu nehmen.
Eine weitere Frage des Kollegen Göbel.
({0})
Frau Staatsministerin, nachdem die bisherigen Fragen
offensichtlich zu kompliziert sind, will ich jetzt eine
ganz einfache Frage stellen. Sie haben gesagt, Sie haben
nachgefragt und keine Informationen erhalten. Mich
würde interessieren: Wann hat das Auswärtige Amt
nachgefragt und bei welcher Behörde haben Sie nachgefragt?
Wir haben bei der zuständigen Behörde rechtzeitig
und zügig nachgefragt.
({0})
- Ich bin sehr gut vorbereitet.
Eine weitere Frage des Kollegen Koppelin.
Frau Staatsministerin, nachdem ich mir geduldig Ihre
Antworten angehört habe und feststellen muss, dass Sie
kaum informiert sind, möchte ich Sie fragen - das können Sie ja wahrscheinlich beantworten -: Wie viel Zeit
haben Sie für die Vorbereitung gebraucht, um die dringlichen Fragen des Kollegen der Union zu beantworten,
({0})
wie viele Informationen haben Sie eingeholt und haben
Sie sich überhaupt auf die Beantwortung der Fragen vorbereitet?
Herr Koppelin, auf eine solche Frage muss ich hier
nicht antworten. Das ist nicht mein Niveau.
({0})
- Na ja, also bitte.
Ich habe eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Uhl.
({0})
Frau Staatsministerin, vor dem Kölner Landgericht
haben, wie Sie sagen, sechs Kollegen aus dem Auswärtigen Amt Aussagen gemacht, also ein überschaubarer
Kreis. Wir hören, gegen drei oder vielleicht vier von diesen sechs wird ermittelt. Der Richter in Köln hat gesagt,
dass der eine oder andere glatt gelogen habe. Auf die
Frage, ob Sie wie auch Ihr Amtsvorgänger diesen Richter für mehr oder weniger befangen halten, haben Sie gesagt, das habe nichts mit dem Thema zu tun. Auf die
Frage des Kollegen Volmer, ob Sie Ihre Fürsorgepflichten als Dienstvorgesetzte wahrnehmen wollen, sagen Sie
Ja.
({0})
Auf unsere Fragen, ob Sie wenigstens einmal mit den
sechs Beamten reden wollen, um den Sachverhalt
aufzuklären - denn nur in einem solchen Gespräch kann
man logischerweise die Fürsorgepflicht überhaupt ernsthaft wahrnehmen -, sagen Sie, das hätten Sie nicht getan. Wie - so lautet meine Frage - wollen Sie Ihre Fürsorgepflichten wahrnehmen, wenn Sie über die Sache
mit den Angehörigen des Auswärtigen Amtes nicht einmal reden wollen?
In Ihrer Frage waren viele Behauptungen, die ich zurückweisen muss. Im Übrigen kann ich Ihnen versichern,
dass wir alles tun, um unserer Fürsorgepflicht gegenüber
den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gerecht zu werden. Insbesondere weise ich Vorwürfe gegen unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und entsprechende Vorverurteilungen, die in verschiedenen Fragen durchscheinen,
zurück, solange nicht bekannt ist, gegen wen und im
Hinblick auf welche Straftatbestände die Ermittlungsverfahren eröffnet worden sind. So zu diskutieren ist
nicht unser Stil.
Herr Kollege Strobl, bitte.
Frau Staatsministerin, ich habe Ihren Antworten sehr
genau zugehört und möchte Ihnen Gelegenheit geben,
einen Widerspruch auszuräumen. Sie sagten zunächst,
Sie wüssten nicht, wer beschuldigt sei, und hätten deshalb auch keine entsprechenden Kontakte gehabt. Auf
eine andere Frage haben Sie jedoch ausgeführt, die Beschuldigten hätten noch keine Nachricht von der Staatsanwaltschaft erhalten. Diese beiden Antworten passen
nicht zusammen. Wenn Sie keinen Kontakt hatten, weil
Sie nicht wissen, wer beschuldigt ist, dann können Sie
auch nicht wissen, dass diejenigen keine Nachricht von
der Staatsanwaltschaft haben. Hier liegt ein Widerspruch in Ihren Antworten vor; bitte klären Sie diesen
auf.
Meine Erachtens liegt hier kein Widerspruch vor, weil
ich das so nicht behauptet habe.
({0})
Insofern kann ich nur auf meine Antworten auf die vorangegangenen Fragen hinweisen. Das werden Sie so
auch im Protokoll finden.
({1})
- Dann müssen Sie das halt nachlesen. Ich wiederhole
das jetzt nicht zum 15. Mal.
({2})
Herr Kollege Dr. Schröder, bitte.
Frau Staatsministerin, Sie haben uns erklärt, dass Sie
rechtzeitig bei der zuständigen Behörde nachgefragt hätten. Können Sie „rechtzeitig“ in Tagen ausdrücken und
können Sie uns erklären, welche Behörde zuständig
war?
Gehen Sie davon aus, dass es die zuständige Behörde
war und dass es rechtzeitig war.
({0})
- Ich finde, dass interne Schreiben von uns interne Vorgänge sind, die ich nicht öffentlich darlegen muss. Ich
werde Ihnen nicht berichten, welche Faxe an welche Behörde gegangen sind. Wo kommen wir denn da hin!
Mir liegen keine weiteren Zusatzfragen zu den dringlichen Fragen mehr vor.
Deshalb rufe ich jetzt zu demselben Fragenkreis
nacheinander die Fragen 7 bis 9 aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes, die Fragen 29 bis 31 aus
dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern und die Fragen 36 bis 43 aus dem Geschäftsbereich
des Bundesministeriums der Finanzen auf, da diese nach
Ziffer 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde
ebenfalls vorgezogen werden.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Hartmut Koschyk
auf:
Hält es die Bundesregierung für angemessen - Antwort
des Staatssekretärs im BMI Dr. Göttrik Wewer vom 27. Februar 2004 auf die schriftlichen Fragen des Abgeordneten
Clemens Binninger auf Bundestagsdrucksache 15/2635 -,
grundlegende Veränderungen der Visaerteilungspraxis im Alleingang durch das Auswärtige Amt, AA, ohne vorherige Beteiligung des Bundesministeriums des Innern, BMI, der Länder und der Sicherheitsbehörden, deren Belange hierdurch
wesentlich berührt werden, vorzunehmen?
Beantworten wird die Frage Frau Staatsministerin
Kerstin Müller.
Ich könnte ja einiges abkürzen.
({0})
- Es kommt darauf an, wie man die demokratischen
Rechte wahrnimmt, nicht wahr, Herr Kollege
Westerwelle?
Herr Kollege Koschyk, das Auswärtige Amt hat den
Erlass vom 3. März 2000 im Rahmen seiner Zuständigkeit gemäß § 63 Abs. 3 des Ausländergesetzes für seinen
Geschäftsbereich herausgegeben. Der Erlass wurde vom
Auswärtigen Amt im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen verfasst und enthält interne Ausführungsbestimmungen zum Gebrauch des Ermessens. Der Erlass berührt in
keiner Weise die ausländerrechtliche Lage. Das deutsche
Ausländerrecht und die Vereinbarungen der SchengenPartner werden vielmehr als unverrückbarer Rahmen der
Visumspraxis bekräftigt. Insofern konnte das Auswärtige Amt den Erlass im Rahmen seiner eigenen Zuständigkeit herausgeben, ohne etwa eine Beteiligung der
Bundesländer.
Herr Kollege Koschyk, bitte.
Frau Staatsministerin, ich habe in meiner Frage ja
auch danach gefragt, ob das Bundesministerium des Innern beteiligt war. Könnten Sie dem Hohen Hause mitteilen, wie das Bundesministerium des Innern auf diesen
Erlass reagiert hat?
Auch mit dem Bundesministerium des Innern
wurde - allerdings im Nachhinein, da wir diesen Erlass
in eigener Zuständigkeit herausgeben konnten - Einvernehmen über den Erlass sowie seine Anwendung und
Wirkungen erzielt. Die Vertreter beider Ressorts haben
etwa in der Sitzung des Innenausschusses am 17. Mai
2000 bekräftigt, dass es bei dieser Thematik keinen Dissens zwischen dem Auswärtigen Amt und dem BMI
gebe.
Sie haben Ihre zweite Zusatzfrage.
Es hat auf diesen Erlass hin auch Stellungnahmen
verschiedener Bundesländer gegeben. Hat es, nachdem
es über diesen Erlass anfänglich Dissens zwischen AA
und BMI und mehrere Beschwerden von Bundesländern
gegeben hat, Bemühungen vonseiten des Bundeskanzleramtes gegeben, auf den Dissens zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern, aber auch auf den
anfänglichen Dissens innerhalb der Bundesregierung zu
reagieren?
Ich weiß nicht, welche Beschwerden welcher Bundesländer zu welchem Zeitpunkt Sie meinen.
Zum Beispiel des Freistaates Bayern.
Wann?
Der Bayerische Staatsminister des Innern hat sich am
24. März 2000 an den Minister des Auswärtigen gewandt.
({0})
Das ist die Frage 9. Soll ich diese Frage sofort beantworten?
Nein, Sie sollen meine Frage beantworten.
Es geht jetzt um die Zusatzfrage des Kollegen
Koschyk.
Ja.
Gut. Ich verstehe die Zusatzfrage des Kollegen
Koschyk wie die Frage 9.
({0})
Darf ich meine Frage wiederholen?
Herr Kollege Koschyk, die Beantwortung der Fragen
obliegt der Frau Staatsministerin.
Richtig. Ihnen, Frau Präsidentin, obliegt die Aufgabe,
für eine ordnungsgemäße Beantwortung durch die Bundesregierung Sorge zu tragen.
({0})
Herr Kollege Koschyk, ich war so freundlich, Ihnen
die Möglichkeit zu geben, Ihre Frage zu präzisieren. Das
wäre zwar nicht erforderlich gewesen, aber wir wollen ja
weiterkommen. Sie meinen also den Brief des Kollegen
Beckstein. Sie haben aber gesagt, dass sich die Länder
beschwert haben. Ich frage nach, damit ich eine präzise
Antwort geben kann: Bezieht sich Ihre Frage auf den
Brief des Kollegen Beckstein? - Es hat sich also nur ein
Bundesland beschwert.
Darf ich meine Frage wiederholen, Frau Präsidentin?
Nein, Herr Kollege Koschyk. Die Möglichkeit zur
Nachfrage ist mit Ihren zwei Zusatzfragen zu Frage 7 erschöpft. Wir kommen daher zu den weiteren Zusatzfragen.
({0})
Jetzt gibt es eine Zusatzfrage des Kollegen Volmer.
Bitte.
Frau Staatsministerin, nachdem es bei der Vorgängerregierung Praxis war, dass Innenminister Kanther und
Außenminister Kinkel die Verwaltungsabläufe bis in die
Details geregelt haben und für die Ausübung des Ermessensspielraums Vorschriften erlassen haben, muss ich
fragen: War es 1998/99 nicht überfällig und absolut notwendig, dass sich die Visumspolitik wieder im Rahmen
des Geschäftsverteilungsplans und der Geschäftsordnung
der Bundesregierung abspielt, was ein kooperatives, kollegiales und nicht hierarchisches Verhältnis zwischen
dem Außenministerium und dem Innenministerium einschließt?
({0})
Der Erlass vom 3. März 2000 wurde in der Tat von
verschiedener Stelle gelobt, etwa auch in Debatten des
Deutschen Bundestages. Diesem Erlass gingen Briefe
und Bitten von Abgeordneten aller Fraktionen dieses
Hauses, also auch von Abgeordneten der damaligen Opposition, voran.
Der Volmer-Erlass bezieht sich auf die Frage der Ermessensausübung. Ich habe schon beim letzten Mal aus
Briefen der Kolleginnen und Kollegen des Hauses zitiert. Ich habe heute noch weitere Briefe mitgebracht,
zum Beispiel einen sehr aktuellen Brief des Abgeordneten und Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/
CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Kauder. Er vermutet, dass Visaerteilungen mit administrativen Schikanen verhindert werden. Er weist uns auf folgenden Punkt
hin:
Im Verwaltungsrecht gibt es regelmäßig Ermessensentscheidungen. Davon ist das Konsular- und
Visarecht nicht ausgenommen.
Er bittet uns, dieses Ermessen im Sinne einer positiven
Entscheidung, was die Visaerteilung angeht, auszuüben.
Dies ist noch einmal eines der vielen Beispiele von
Abgeordneten aller Fraktionen, die sich in Einzelfällen
tagtäglich an mich, den Kollegen Fischer und den Kollegen Bury mit der Bitte wenden, Visa zu erteilen, das
Ermessen also entsprechend auszuüben. Das war im Jahr
2000 ebenso. Deshalb war der Erlass eine angemessene
Reaktion.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Sehling.
Frau Staatsministerin, wieso hat das Auswärtige Amt
im Mai 2001 der Botschaft in Kiew zu dieser Visumerteilungspraxis die Weisung erteilt, den Reiseschutzpass der Firma Reise-Schutz AG zu akzeptieren, obwohl
die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den
Betrieb dieses Versicherungsunternehmens erst im Dezember 2002 genehmigte?
({0})
Das hat - muss ich leider sagen - wieder gar nichts
mit der Ausgangsfrage zu tun. Denn die Ausgangsfrage
bezieht sich auf den Erlass vom 3. März 2000. Da geht
es um die Auslegung des Kriteriums der Rückkehrbereitschaft. Beim Reiseschutzpass handelt es sich um ein
ganz anderes Kriterium. Da geht es um die Bonität, um
die Übernahme einer entsprechenden Ausfallbürgschaft.
Vorgänger des Reiseschutzpasses war im Übrigen das
so genannte Carnet de Touriste, das Außenminister
Kinkel und Innenminister Kanther gemeinsam mit dem
Präsidenten des ADAC bereits 1995 für einige Länder
Osteuropas eingeführt hatten und dessen gute Praxis ausgeweitet wurde, zum Beispiel mit dem Erlass vom
2. Mai 2001, der innerhalb der Bundesregierung bzw.
mit dem Bundesinnenministerium entsprechend abgestimmt war.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Grindel.
Frau Staatsminister, hat das Auswärtige Amt, bevor
der Erlass von den Auslandsvertretungen umgesetzt
worden ist Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
Welcher Erlass?
- der Erlass, der Gegenstand der Frage 7 des Kollegen Hartmut Koschyk ist; auf diese Frage beziehe ich
mich ja -,
Der Kollege sprach eben über einen anderen.
- mit dem Kanzleramt in irgendeiner Weise Rücksprache darüber gehalten?
Der Erlass wurde im Rahmen unserer Zuständigkeit
gemacht. Da mir auch im Nachhinein nichts Gegenteiliges bekannt wurde, gehe ich davon aus: Dies entsprach
und entspricht immer noch der Linie der Bundesregierung.
Herr von Klaeden, bitte.
Frau Staatsministerin, da Sie in dieser Frage schon
zum wiederholten Male in einem Rollenspiel mit Ihrem
Vorgänger, Herrn Volmer, zu der in diesem Hause unüblichen Praxis übergegangen sind, hier öffentlich aus
Briefen, die Abgeordnete an Ihr Haus schreiben, zu zitieren, darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, der bisher üblichen Praxis zu folgen und uns die Briefwechsel zu
überlassen, auf die Sie mehrfach Bezug genommen haben, in diesem Fall also den Briefwechsel zwischen dem
Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium
zum Volmer-Erlass und den Briefwechsel zwischen dem
Auswärtigen Amt und dem bayerischen Innenministerium zu demselben Erlass.
Meines Wissens gibt es keinen Briefwechsel zwischen dem BMI und uns zu diesem Erlass.
({0})
- Wenn Sie diese Briefe haben, bitte!
({1})
Im Übrigen sind das zwei völlig verschiedene Sachen.
({2})
- Entschuldigung, wollen Sie jetzt eine Antwort?
({3})
Das eine betrifft Vorgänge innerhalb der Bundesregierung.
({4})
Die muss ich hier nicht offen legen.
({5})
Ich beantworte, soweit es geht, Ihre Fragen. Über interne
Vorgänge der Bundesregierung werde ich - das müssen
Sie verstehen; das war schon immer Praxis - nicht berichten. Das ist etwas völlig anderes, als wenn sich Abgeordnete Ihrer Fraktion an mich mit der Bitte wenden,
bestimmte Visa zu erteilen.
Ich kann verstehen, dass Ihnen das im Zusammenhang mit Ihren Vorwürfen nicht angenehm ist.
({6})
Aber ich finde, die deutsche Öffentlichkeit sollte davon
Kenntnis haben, dass Sie in vielen Einzelfällen von uns
eine positive Entscheidung wollen und auf der anderen
Seite unsere Visumpraxis kritisieren.
({7})
Das ist nämlich nicht ganz widerspruchsfrei, Herr Kollege.
({8})
Ich rufe den Kollegen Uhl zu seiner Zusatzfrage auf.
Frau Staatsministerin, es gibt den Erlass vom 3. März
2000 und ein Schreiben des Bundesinnenministers in
dieser Sache an den Bundesaußenminister. Ferner gibt es
ein Antwortschreiben aus Ihrem Hause an den Bundesinnenminister, das Sie eigentlich kennen müssten. Es
wurde von Staatssekretär Pleuger unterschrieben. Wären
Sie bereit, dem Parlament diese beiden Briefe auszuhändigen?
({0})
Wären Sie zweitens bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
dass der Lebenssachverhalt Visumerteilung an Ausländer zur Einreise nach Deutschland, zu welchem Zweck
auch immer, niemals in die alleinige Zuständigkeit des
Außenministeriums gehören kann, sondern dabei immer
eine kombinierte Zuständigkeit von mindestens dem
Innen- und dem Außenministerium vorliegt? Auf das
Finanzministerium werden wir nachher noch zu sprechen kommen.
Ich gehe davon aus, dass der Brief des Herrn Schily
an Herrn Fischer berechtigt und begründet war. Wenn
Sie ihn lesen, werden Sie das vielleicht bestätigen können.
({1})
Offensichtlich haben Sie den Brief nicht gelesen, aber,
glauben Sie mir, es gibt ihn. Es gibt ebenfalls ein Antwortschreiben des Herrn Pleuger, glauben Sie mir. Wir
hätten diese Korrespondenz gerne, damit wir klären können, ob der Innenminister in seinem Begehren, die
Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen, am Thema vorbeigeredet hat, oder wie darf ich Ihre heutige Auskunft - Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen
Amt:
Die wievielte Frage ist das jetzt, Frau Präsidentin?
Es ist immer dasselbe Thema.
Das war jetzt schon die fünfte Frage, vielleicht sollten
Sie sich entscheiden, welche Frage Sie mir stellen wollen.
Frau Staatsministerin, würden Sie den Kollegen Uhl
bitte aussprechen lassen?
Im Nachhinein, sagten Sie jetzt, hätten Sie Einvernehmen zwischen dem Innenministerium und dem Auswärtigen Amt aufgrund dieses Briefwechsels hergestellt.
Wie sah das Einvernehmen aus?
Die Frage ist jetzt, wie das Einvernehmen aussah? Es hat verschiedene Gespräche gegeben. Aufgrund dieser Gespräche haben wir Einvernehmen über den Erlass
und seine Folgerungen hergestellt. Diese Gespräche hat
es auf verschiedensten Ebenen gegeben.
Wissen Sie etwas über die Gespräche? Wissen Sie
irgendetwas über irgendwelche Gespräche?
Ja, selbstverständlich.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Binninger.
Frau Staatsministerin, vielleicht nähern wir uns der
Wahrheit nur in kleinen Schritten. Sie haben gerade gesagt, es gab keinen Schriftwechsel zwischen Außen- und
Innenministerium. Alle Kollegen, die hier sind, inklusive des Staatssekretärs vom Bundesinnenministerium,
der neben Ihnen sitzt,
({0})
wissen etwas anderes. Wären Sie wenigstens an dieser
Stelle bereit, zuzugeben, dass Sie sich getäuscht haben
und es einen Schriftwechsel zwischen AA und BMI
gibt?
Es wurde gefragt, ob es sozusagen verschiedene
Schriftwechsel - so habe ich es jedenfalls verstanden ({0})
- ich bitte Sie, höflich zu bleiben; ich bleibe das auch gegeben hat, vor allen Dingen zwischen dem Innenminister und dem Außenminister. Dass es natürlich
Schriftwechsel zwischen den verschiedenen Häusern
gibt, habe ich nicht bestritten.
Zweitens. Ich weiß nicht, ob wir der deutschen Öffentlichkeit einen Dienst erweisen, wenn Sie von mir
Schriftwechsel wollen, die Ihnen offensichtlich bereits
vorliegen.
({1})
- Herr Kollege Uhl hat doch gerade davon gesprochen,
dass es einen Brief des Staatssekretärs Pleuger und einen
Brief des Bundesinnenministers Schily gibt.
({2})
Ich frage Sie: Was soll es, vor der deutschen Öffentlichkeit solche Scheingefechte zu führen?
({3})
Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Hartmut Koschyk
auf:
Hat das AA den so genannten Volmer-Erlass vor der Herausgabe an die Auslandsvertretungen mit den Schengen-Partnern abgestimmt und, wenn nein, warum nicht?
({0})
Das gefällt mir.
Die Frage 8 beantworte ich wie folgt: Nach dem im
EU-Recht herrschenden Grundsatz der Subsidiarität verbleibt es in der Kompetenz der Mitgliedstaaten, alle Belange, die europarechtlich nicht geregelt sind, in eigener
Zuständigkeit wahrzunehmen. Der Erlass vom 3. März
2000 bewegt sich im Rahmen des geltenden Rechts. Die
Vereinbarungen der Schengen-Partner werden darin als
unverrückbare Rahmen der Visumpraxis bekräftigt. Daher war eine Abstimmung mit den Schengen-Partnern im
Vorfeld nicht erforderlich. Der Runderlass wurde allerdings im Rahmen der lokalen konsularischen Zusammenarbeit an den Auslandsdienstorten thematisiert und
mit den Partnern besprochen.
({0})
Herr Kollege Koschyk, bitte.
Frau Staatsministerin, wie war die Reaktion der Partner auf den Erlass?
Meines Wissens sind keine Beschwerden bekannt.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, da ich Sie schon in der letzten
Fragestunde nach dem Ergebnis des Besuchs der EURatsarbeitsgruppe „Visa“ am 31. Mai/1. Juni in Kiew
gefragt habe und Sie mir damals keine Antwort geben
konnten, möchte ich heute noch einmal nachfragen: Wie
hat die Bundesregierung auf den Besuch der EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ am 31. Mai/1. Juni 2001 in Kiew
reagiert, wo das Reisebüroverfahren Gegenstand der Beratung war und die EU-Ratsarbeitsgruppe festgestellt
hat, dass dieses Verfahren und die durch dieses Verfahren begünstigten Reisenden ein erhöhtes Risiko darstellen? Ich hatte diese Frage schon in der letzten Fragestunde vor einer Woche gestellt.
({0})
- Das stimmt auch wieder. Aber ich bin höflich.
Meines Wissens sind uns diese Ergebnisse nicht zugeführt worden. Uns gegenüber ist von den Schengen-Partnern und den zuständigen Gremien keine entsprechende
Kritik geäußert worden, was den Erlass vom März 2000
betrifft.
Herr Kollege Uhl, bitte.
Frau Ministerin, halten Sie es für üblich, dass eine
solche Gruppe, die von der EU aus Brüssel in eine deutsche Botschaft kommt, diese Visumstelle untersucht und
dann unverrichteter Dinge wieder zurück nach Brüssel
reist, ohne irgendwelche Feststellungen zu treffen?
Nein. Ich kann aber trotzdem nur noch einmal meine
Antwort auf die Frage des Herrn Koschyk wiederholen:
In dem Moment, in dem wir von Hinweisen Kenntnis erlangt haben, sind wir entsprechend tätig geworden. Im
Sommer 2001 gab es zum Beispiel Hinweise von Schengen-Partnern - da ging es aber um etwas ganz anderes auf vermehrten Missbrauch von an der deutschen Botschaft in Kiew ausgestellten Besuchsvisa. Daraufhin
haben wir - das war ja bereits Thema der letzten Fragestunde - das entsprechende Reisebüroverfahren eingestellt, und zwar mit Erlass vom 3. August 2001 mit
Wirkung zum 1. Oktober 2001. Das hatte aber nichts mit
dem von Ihnen genannten Erlass, dem so genannten
Volmer-Erlass vom März 2000, zu tun. Es ging um das
so genannte Reisebüroverfahren. Insofern möchte ich
auf meine Antworten und auch auf die Beantwortung der
schriftlichen Fragen verweisen. Es geht dabei um etwas
ganz anderes als um den so genannten Volmer-Erlass.
({0})
- Nein, Herr Kollege Uhl, Sie haben keine weitere
Zusatzfrage. - Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen
Grindel, bitte.
Da es in solchen Fällen üblich ist, dass die Botschafter in unseren Auslandsvertretungen berichten, möchte
ich gerne fragen, ob der deutsche Botschafter in Kiew
das Auswärtige Amt über den Besuch der EU-Ratsarbeitsgruppe und die dort gemachten Äußerungen und
Erkenntnisse unterrichtet hat.
Das weiß ich nicht.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn von Klaeden.
Frau Staatsministerin, ich will Ihnen - auch weil mir
anders lautende Unterlagen vorliegen - hier noch einmal
die Möglichkeit geben, eine Aussage von eben zu korrigieren. Ich frage Sie daher nochmals: Hat der Besuch der
EU-Ratsarbeitsgruppe, der gerade angesprochen worden ist, im Auswärtigen Amt tatsächlich nicht, wie Sie
gerade behauptet haben, Veranlassung gegeben, die Praxis in Kiew zu ändern?
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe eben gesagt: Im
Sommer gab es Hinweise, aber die sind meines Wissens
nicht im Zusammenhang mit dem Besuch der Arbeitsgruppe zu sehen.
({0})
Diese gab es von Schengen-Partnern und denen sind wir
nachgegangen.
({1})
Mir ist nichts anderes bekannt. Mehr kann ich hier
nicht sagen und das habe ich eben auch gesagt.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Clemens Binninger
auf:
Hat der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
auf die Sicherheitswarnung im Schreiben des bayerischen
Staatsministers des Innern, Dr. Günther Beckstein, vom
24. März 2000 - Gz.: IA2-2084.10 -, in dem Dr. Günther
Beckstein die Öffnung der Bundesrepublik Deutschland durch
den so genannten Volmer-Erlass als „sicherheitspolitisch sehr
gefährlich“ bezeichnet hat und auf das der Bundesminister des
Auswärtigen, Joseph Fischer, am 11. April 2000 geantwortet
hat, hin die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder
- Innenministerium und andere - eingeschaltet und, wenn
nein, warum nicht?
Herr Kollege Binninger, wie ich eben schon Ihrem
Kollegen Koschyk geantwortet habe - ich verweise insoweit auf die Frage 7 -, hat das Auswärtige Amt den Erlass vom 3. März 2000 im Rahmen seiner Zuständigkeit
gemäß § 63 Abs. 3 Ausländergesetz für seinen Geschäftsbereich herausgegeben. Der Erlass wurde vom
AA im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen verfasst
und enthält interne Ausführungsbestimmungen zum Gebrauch des Ermessens.
Der Erlass berührt in keiner Weise die ausländerrechtliche Lage. Das deutsche Ausländerrecht und die Vereinbarungen der Schengen-Partner werden vielmehr als
unverrückbarer Rahmen der Visumpraxis bekräftigt. Insoweit war im Vorhinein eine Abstimmung mit den Bundesländern nicht erforderlich.
Frau Staatsministerin, haben außer dem bayerischen
Innenminister noch andere Länderinnenminister ihre
Sorge, dass es durch die Anwendung des Volmer-Erlasses zu Schleusungen kommen könnte, gegenüber dem
Auswärtigen Amt kundgetan, und wenn ja, wie haben
Sie ihnen geantwortet?
Aussagen weiterer Länderinnenminister sind mir
nicht bekannt.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Der bayerische Innenminister Beckstein hat auf die
Gefahren hingewiesen, die durch diesen Erlass eintreten
könnten. Da wir jetzt wissen, dass dieser Erlass dazu beigetragen hat, dass wir Schleusungen in noch nie da gewesenem Ausmaß erleben mussten und allein eine Botschaft 300 000 Visa pro Jahr erteilt hat, was vom
Arbeitsaufwand her gar nicht geht, frage ich Sie, ob im
Nachhinein nicht doch die Bewertung von Innenminister
Beckstein zutriftt, was die mit diesem Erlass verbundene
Gefahr angeht, und nicht etwa die Einschätzung des
Auswärtigen Amtes, dass hier alles in bester Ordnung
sei?
Nein, diese These lässt sich durch nichts belegen,
({0})
weder durch die Zahlen noch durch die Vorgänge. Im
Gegenteil - wir haben dies schon in den letzten Fragestunden eingehend erörtert; ich werde es kurz wiederholen -, dieser Anstieg ist zum einen auf das so genannte
Reisebüroverfahren, das das persönliche Erscheinen ersetzt, und zum anderen auf die so genannten Reiseschutzpässe zurückzuführen.
Das Reisebüroverfahren wurde mit Erlass vom
3. August 2001 eingestellt. Unmittelbar danach kam es
übrigens zu einem Rückgang der Zahl der erteilten Visa.
Das Reiseschutzpassverfahren wurde mit Erlass an Kiew
am 28. Juni 2002 und weltweit am 28. März 2003 eingestellt.
({1})
- Darf ich Ihre Frage bitte insgesamt beantworten?
Der Reiseschutzpass bezieht sich auf den Nachweis
der Finanzierbarkeit. Unseres Erachtens sind Missbrauchsfälle bis heute in keiner Weise auf den von Ihnen
erwähnten Erlass vom März 2000, sondern auf das so
genannte Reisebüroverfahren und den so genannten Reiseschutzpass zurückzuführen. Sobald uns hier Mängel
auffielen und Missbrauchsfälle bekannt wurden, haben
wir unmittelbar reagiert.
Herr Kollege Volmer, Ihre Zusatzfrage bitte.
({0})
Frau Staatsministerin, können Sie bestätigen, dass Ihr
Vorgänger im Amt, nachdem dieser Erlass im März 2000
ergangen war, zu diesem Thema eine Pressekonferenz
durchgeführt hat und in den deutschen Medien breit über
diese Pressekonferenz berichtet wurde,
({0})
dass allerdings trotz dieser breiten Berichterstattung der
deutschen Medien keinerlei Kritik geäußert wurde, weder von der Öffentlichkeit noch von Ländervertretern
oder Abgeordneten der CDU/CSU?
({1})
Ich kenne nicht alle Reaktionen auf diese Pressekonferenz. Aber im Wesentlichen wird das, was Sie dargestellt haben, so zutreffen.
Herr Kollege Uhl, bitte.
Frau Staatsministerin, Sie haben gerade ausgeführt,
wann die beiden Verfahren, die zu massenhaftem Missbrauch führten, eingestellt wurden. Darf ich Sie fragen,
wann und von wem die beiden Verfahren, die zu diesen
Missbrauchsfällen führten, eingeführt worden waren?
Auch dies rufe ich Ihnen gerne noch einmal in Erinnerung: Der Vorläufer des Reiseschutzpasses war das so
genannte Carnet de Touriste, das im Jahre 1995 vom damaligen Bundesaußenminister Kinkel, Mitglied der FDP,
vom damaligen Bundesinnenminister Kanther, Mitglied
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
({0})
und vom damaligen Präsidenten des ADAC durch einen
Erlass an den Vertretungen in Bulgarien, Rumänien, Estland, Lettland und Litauen eingeführt wurde.
({1})
Damals herrschte - gerade auf Ihrer Seite dieses Hauses - große Übereinstimmung, das Carnet de Touriste
auszuweiten.
({2})
Das haben wir dann mit der Zustimmung aller mit einem
entsprechenden Erlass getan. Der Reiseschutzpass sieht
vor, dass neben dem ADAC auch andere Unternehmen,
deren Bonität selbstverständlich vorab geprüft wurde,
entsprechend auftreten können. Auch dies geschah mit
Zustimmung aller Beteiligten.
({3})
Herr Kollege Uhl, Sie haben keine weitere Zusatzfrage, sondern der Herr Kollege Koschyk hat eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, wer war dafür verantwortlich,
dass das so genannte Reiseschutzpassverfahren mit Papieren der so genannten Reise-Schutz AG, auf die sich
auch die herbe Kritik des Kölner Urteils bezogen hat,
eingeführt worden ist?
Selbstverständlich diese Bundesregierung, nämlich
mit Erlass vom 2. Mai 2001, auch auf Drängen und
Druck sowie in Übereinstimmung und mit Zustimmung
von Teilen von Ihrer Seite. Dieses Verfahren wurde auch
von den Bundesländern begrüßt, dieses Verfahren wurde
allseits gewünscht. Manchmal ist man eben im Nachhinein klüger als vorher: Sobald man festgestellt hatte,
dass hier Missbrauch auftrat, musste man das Reiseschutzpassverfahren wieder zurücknehmen. Auch ich
persönlich kann das nur in der Nachschau bewerten.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Clemens
Binninger auf:
Trifft es zu, dass der bayerische Staatsminister des Innern,
Dr. Günther Beckstein, mit Schreiben vom 12. April 2000
- Gz.: IA2-2084.10 - den Bundesminister des Innern, Otto
Schily, von seinen Sicherheitsbedenken gegen den so genannten Volmer-Erlass unterrichtete, und wenn ja, was hat der
Bundesminister des Innern, Otto Schily, gegenüber dem Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, hierauf konkret
unternommen, um den Sicherheitsbedenken Rechnung zu tragen?
Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.
Herr Kollege Binninger, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Der bayerische Staatsminister des Innern, Herr
Dr. Günther Beckstein, hat sich in einem Schreiben vom
12. April 2000 an den Bundesminister des Innern gewendet und die fehlende Beteiligung der Bundesländer
bei dem Erlass vom 3. März 2000 beklagt. Er teilte mit,
seine sicherheitspolitischen Bedenken gegenüber dem
Bundesminister des Auswärtigen geäußert zu haben. Der
Bundesminister des Innern hatte zu diesem Zeitpunkt
den Erlass vom 3. März 2000 bereits einer kritischen
Prüfung unterzogen und seine Überlegungen auch dem
Bundesminister des Auswärtigen dargelegt. Das Auswärtige Amt hat in weiteren Gesprächen den Regelungsbereich des Erlasses erläutert und zugesichert, dass sich
auch die zukünftige Visaerteilungspraxis - das ist ganz
wichtig - im Rahmen der Schengen-Regelungen halten
werde. In der 35. Sitzung des Innenausschusses am
17. Mai 2000 - da waren Sie noch nicht dabei - haben
die Vertreter beider Ressorts einvernehmlich festgestellt,
dass es bei dieser Thematik keinen Dissens gebe.
Die Weisungslage des Auswärtigen Amtes wurde
nach dem Erlass vom 3. März 2000, insbesondere nach
dem 11. September 2001, unter Sicherheitsgesichtspunkten in vielfältiger Weise geändert und ergänzt. Die Zusammenarbeit zwischen Auswärtigem Amt und Bundesministerium des Innern wurde in Sicherheitsfragen auf
der Grundlage des Terrorismusbekämpfungsgesetzes
intensiviert. Seit Juli 2003 wurde damit begonnen,
Visumentscheidungen, Verpflichtungserklärungen und
die Lichtbilder der Visumantragsteller nach Übermittlung durch die Auslandsvertretungen in der Ausländerzentralregister-Visadatei zu speichern.
Ihre Zusatzfragen bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär Körper, wenn ein Erlass wie der
damalige Volmer-Erlass des Auswärtigen Amtes zu so
viel Kritik führt - sowohl von Bundesinnenminister
Schily als auch von Landesinnenminister Beckstein -,
hielten Sie es dann nicht für besser, wenn man bei der
Anwendung dieses Erlasses nicht drei Jahre gewartet
hätte, sondern vielleicht in einem kürzeren Turnus immer wieder einmal in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt überprüft hätte, ob dieser Erlass - wie es tatsächlich leider geschehen ist - zu einem starken
Missbrauch bei Visumerteilungen führt?
Herr Kollege Binninger, ich glaube, bei dieser Diskussion und Debatte wird ein Fehler gemacht. Der
Volmer-Erlass hat nichts damit zu tun, auf die Einzelfallprüfung zu verzichten, was Reiseziel, Reisezweck und
Rückkehrbereitschaft anbelangt. Das ist nach der Erlasslage im Übrigen ausdrücklich noch einmal festgestellt
worden. Es war auch Gegenstand des Briefwechsels
zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt.
({0})
- Bitte? - Frau Müller hat richtig gestellt, wie diese Geschichte einzuordnen ist.
Der Bundesinnenminister hat am 10., 12. oder
13. März 2000 in einem diesbezüglichen Brief die Frage
gestellt, inwieweit dies schengen-konform ist bzw. nicht.
Das bedurfte einer Klärung. Beispielsweise in der Innenausschusssitzung, die ich zitiert habe, oder - ich kann
mich gut daran erinnern - im Menschenrechtsausschuss
damals am 22. März 2000 war exakt dies der Gegenstand, nämlich zu klären, was im Grunde genommen mit
dieser Erlasslage gemeint ist und welche Auswirkungen
dies auf das formale Verfahren und den Vollzug des Verfahrens hat. Der Vollzug des Verfahrens im Hinblick auf
diese Einzelfallprüfung steht in keinem Zusammenhang.
Das wurde damals am 22. März 2000 - das war meines
Wissens im Menschenrechtsausschuss - deutlich gemacht. Es gab keinerlei Kritik aus den Reihen irgendeiner Fraktion.
({1})
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Binninger.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir aber trotzdem zustimmen, wenn ich sage, dass es bei Anwendung eines
Erlasses wie beispielsweise des Volmer-Erlasses, der als
Kernsatz unter anderem „im Zweifel für die Reisefreiheit“ und nicht „für die Sicherheit unseres Landes“ vorsieht, fast nahe liegt, dass es zu Missbräuchen kommen
muss und wir allein in einer Botschaft pro Jahr
300 000 Visumerteilungen - davon war die Masse wahrscheinlich missbräuchlich - zu verzeichnen hatten?
Herr Binninger, ich glaube, das ist wiederum eine falsche Annahme, und zwar aus dem einfachen Grund, weil
das Problem nicht darin bestand, dass wir eine Reiseschutzpassversicherung hatten; das ist übrigens ein Instrument, das nicht unter der jetzigen Führung des Auswärtigen Amts erfunden worden ist. Im Übrigen
praktizieren die Österreicher das bis zum heutigen Tag.
({0})
- Wenn Sie sich einmal technisch damit auseinander setzen würden, würden Sie diesen Zwischenruf vielleicht
nicht machen.
Ich sage noch einmal ernsthaft, Herr Binninger: Es
geht darum, inwieweit beispielsweise eine solche Versicherungsschutzlösung hohe Akzeptanz hatte. Sie müssen
im Übrigen wissen, dass die Länder diesem Reiseschutzpassverfahren ausdrücklich zugestimmt haben, weil die
Ausländerbehörden dadurch eine bestimmte Entlastung
erhalten haben, da sie vorher in den Fällen, in denen dann
diese Reiseschutzsicherung eintrat, zahlen mussten.
Ich denke, hier muss man dazwischen unterscheiden,
wie sich das Verfahren dargestellt hat und wie dieses so
genannte Reisebüroverfahren gestaltet war. - Sie machen jetzt eine ablehnende Handbewegung, doch es ist
ein ganz entscheidender Punkt, dass im Grunde genommen dies zu Schwierigkeiten und auch - ich möchte
nichts schönreden - zu missbräuchlichen Anwendungen
geführt hat. Dort wurde exakt gehandelt und dieses Verfahren, in diesem Fall das Reisebüroverfahren, wurde relativ schnell aufgehoben.
({1})
- Doch, ich kann sagen, dass es relativ schnell war, wenn
ich die Zeitabfolge betrachte.
({2})
- Nein, es waren keine drei Jahre. - Festgestellt wurde
dies nach meinem Dafürhalten in der zweiten Hälfte des
Jahres 2000 und die Entscheidung, dieses Reisebüroverfahren aufzuheben, erfolgte - wir müssten noch einmal
genau nachsehen, in welchem Monat dies war -, wie ich
glaube, im August des darauf folgenden Jahres.
Eine weitere Wortmeldung des Kollegen Koschyk.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit einzuräumen, dass
es im Zusammenhang mit den Auswertungen beim Bundeskriminalamt zur Schleuserproblematik ein Schreiben
des Vizepräsidenten des Bundeskriminalamts im
Mai 2002 an das Bundesministerium des Innern gegeben
hat, in dem vonseiten des BKA auch im Zusammenhang
mit diesem Verfahren und im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität auf umfangreiche Schleusungen
hingewiesen wurde? Wie hat das BMI auf diese Warnung des BKA im Rahmen seiner Ermittlungstätigkeit
reagiert und was hat das BMI zum Beispiel gegenüber
dem Auswärtigen Amt daraufhin unternommen?
Um es ganz einfach zu machen: Es gab im Mai 2001
einen Bericht des Bundeskriminalamtes, in dem Erkenntnisse zu einer gewissen Missbrauchsproblematik
vorlagen. Dieses Thema ist in den darauf folgenden
Monaten konsequent bearbeitet worden, indem beispielsweise bestimmte Abstimmungen stattfanden. - Ich
hoffe, Ihre Chronologie stimmt mit meiner Chronologie
überein. - Dies führte dazu, dass das so genannte Reisebüroverfahren am 3. August 2001 eingestellt worden ist.
Man muss bedenken, dass wir es hier mit einem Stufenverfahren zu tun haben. Ich denke, dass die Erkenntnisse, durch die es zu dieser Entscheidung kam, ordnungsgemäß aufgenommen worden sind.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatssekretär, Sie sind gut vorbereitet;
({0})
denn Sie haben sogar auswendig gewusst, wann die
Briefe des Bundesinnenministers an den Außenminister
gerichtet wurden.
Stimmen meine Daten mit Ihren überein?
Mir sind die Briefe nicht bekannt.
({0})
Mir ist aber erstens bekannt, dass von Ihnen aus diesen
Briefen immer wieder zitiert wird, und zweitens ist mir
seit heute bekannt, dass Frau Müller die Existenz dieses
Briefwechsels bestreitet.
Da Sie in den Ausschüssen und hier im Plenum mehrfach auf diesen Briefwechsel Bezug genommen haben,
darf ich auch an Sie noch einmal die Bitte richten,
({1})
uns diese Briefe zur Verfügung zu stellen, damit wir die
Weisheit der Bundesregierung, die in den Argumenten
immer wieder zum Ausdruck kommt, für unsere parlamentarische Arbeit nachvollziehen können.
({2})
Herr Kollege von Klaeden, ich berichte Ihnen gerne
über diesen Briefwechsel. Er besteht aus zwei Briefen
des Bundesministers Otto Schily, einem Schreiben des
damaligen Staatssekretärs Schapper und einem Schreiben des damaligen Staatssekretärs Pleuger.
Das hat im Übrigen zu einer klaren und eindeutigen
Feststellung geführt.
({0})
Es ging nämlich um diesen Prozess und darum, dass bei
diesem Verfahren nicht auf eine Einzelfallprüfung verzichtet wird. Dass das insofern schengen-konform ist
und nach den Schengen-Kriterien erfolgt, können Sie als
Ergebnis aus diesem Briefwechsel ziehen.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Uhl.
Herr Staatssekretär, wir haben gerade von Ihnen erfahren, dass der so genannte Volmer-Erlass 14 Tage nach
der Verabschiedung ausgerechnet im Ausschuss für
Menschenrechte behandelt wurde. Nun wissen wir, dass
in den fünf Jahren rot-grüner Regierung - von 1999 bis
2003 - allein aus den GUS-Staaten fast 5 Millionen
Menschen ein Visum erhalten haben, um nach Deutschland in den EU-Raum einreisen zu können.
({0})
Mittlerweile wissen wir, dass eine Fülle von Schwarzarbeitern, eine Vielzahl von Kriminellen, eine große
Zahl von Prostituierten und auch Terroristen unter diesen
5 Millionen Menschen waren. Meinen Sie, dass das typische Themen für den Ausschuss für Menschenrechte
sind? Wäre es nicht vielleicht besser gewesen, wenn Sie
dies nach dem Erlass im März 2000 mit den Kollegen,
die hier versammelt sind, im Innenausschuss, für den Sie
ja zuständig sind, behandelt hätten?
({1})
Vielen Dank, Herr Kollege Otto, für den Hinweis,
dass die Frage, welcher Ausschuss was wo und wann behandelt, nicht an mich zu richten ist.
Herr Dr. Uhl, Tatsache ist, dass sich auch der Innenausschuss in seiner darauf folgenden Sitzung im Mai des
betreffenden Jahres ordnungsgemäß damit beschäftigt
hat. Das muss man also bedenken.
Ich will noch eine Bemerkung machen. Ich war schon
etwas enttäuscht darüber, in welcher Tonlage und mit
welchen Ausdrücken Sie beispielsweise die Aktuelle
Stunde zu diesem Thema hier geführt haben.
({0})
- Herr Grindel, lassen Sie mich das noch einmal sagen. Ich sage das deswegen, weil ich es nicht gut finde, dass
Sie den Eindruck erwecken, als hätten wir es bei den
5 Millionen Reisebewegungen ausschließlich mit illegal
Einreisenden zu tun gehabt. Das ist nicht sachgemäß und
dient im Übrigen auch nicht der angemessenen Behandlung dieses Themas.
({1})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Volmer.
Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen,
({0})
dass es seit langer Zeit Antragstellungen für Visa in ungefähr dieser Größenordnung gibt, dass die Bundesregierung in der Antwort auf eine schriftliche Frage eines CDU/CSU-Abgeordneten die Ablehnungsquote für
die Visaerteilung beziffert hat und dass diese Ablehnungsquote zur Zeit der rot-grünen Regierung sogar
leicht gestiegen ist?
Herr Kollege Volmer, in der Tat kann ich diese Frage
bejahen und Ihre Vermutung bestätigen. Ich sage aber
mit allem Ernst: Aufgrund dieser Reisebewegungen sind
wir auf den Gedanken gekommen, das Ganze durch das
Instrument des Reiseschutzpasses sicherer zu machen.
Wir waren der Auffassung, dass dieses Instrument nicht
im Monopol angeboten werden sollte. Dieses Verfahren
ist - das sage ich ausdrücklich - von den Ausländerbehörden, den Ländern, dem Auswärtigen Amt und dem
Bundesinnenministerium ausdrücklich als ein richtiger
und guter Weg gesehen worden; denn diese Versicherungslösung genießt hohe Akzeptanz. Es ist schade, dass
die Lösung zu einer missbräuchlichen Anwendung geführt hat. Aber der eigentliche Kern liegt nicht in dieser
Versicherungslösung.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Edathy.
({0})
Da Herr Grindel mehrmals nachgefragt hat, darf ich
das mindestens einmal tun. - Herr Staatssekretär, um die
Grundsatzfrage an dieser Stelle zu klären: Können Sie
klarstellen, ob es, wie von der Union unterstellt, einen
inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem so genannten
Volmer-Erlass und den missbräuchlichen Visaerwerbungen an der Botschaft in Kiew gibt?
Herr Kollege Edathy, Ihre Frage ist klar und eindeutig
zu beantworten: Der so genannte Volmer-Erlass hat an
keiner Stelle zum Inhalt, die Schengen-Kriterien aufzuweichen oder aufzuheben, nach denen die Visaerteilung
erfolgen soll. Das ist ganz wichtig. Ich bedanke mich für
die Frage, um diesen Sachverhalt eindeutig zu klären.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Strobl.
Herr Staatssekretär Körper, nach den schlechten Erfahrungen, die mit dem Reisebüroverfahren gemacht
worden sind, welches Sie abgeschafft haben: Wer kam
auf die Idee, das Reiseschutzpassverfahren einzuführen,
und aus welchen Gründen geschah dies? Welche sicherheitsrelevanten Überlegungen und Überprüfungen haben
diesbezüglich eine Rolle gespielt?
Herr Kollege Strobl, das Reiseschutzpassverfahren,
wie Sie es nennen, wurde nicht neu eingeführt. Das
kannten wir seit dem Jahre 1995 als die so genannte Versicherungslösung.
({0})
- Das ist die gleiche Versicherungslösung.
({1})
- Das ist die Versicherungslösung, die sowohl im Interesse der Ausländerbehörden der Länder als auch im Interesse des Bundes lag. Diese Versicherungslösung ist
von dem so genannten Reisebüroverfahren eindeutig zu
trennen. Das ist nicht automatisch dasselbe, sie müssen
auseinander gehalten werden. Nachdem Missbräuche
aufgedeckt worden sind, ist bei unserer Vorgehensweise
die Stufung mit dem Ihnen bekannten Ergebnis erkennbar.
Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Ralf Göbel auf:
Welche Bedenken hat der Bundesminister des Innern, Otto
Schily, konkret gegen den so genannten Volmer-Erlass geltend gemacht - siehe Antworten des Staatssekretärs im BMI
Dr. Göttrik Wewer vom 27. Februar 2004 auf die schriftliche
Frage des Abgeordneten Norbert Geis und auf die schriftliche
Frage des Abgeordneten Clemens Binninger auf Bundestagsdrucksache 15/2635 - und in welcher Form geschah dies?
Herr Göbel, wenn Sie gestatten, werde ich Ihre beiden
Fragen im Zusammenhang beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 31 des Kollegen Göbel
auf:
Hat der Bundesminister des Innern, Otto Schily, hierbei
auch rechtliche Bedenken im Hinblick auf einen Verstoß des
so genannten Volmer-Erlasses gegen das deutsche Ausländerrecht, das Schengener Durchführungsübereinkommen oder
die Gemeinsame Konsularische Instruktion, GKI, die von der
Bundesregierung immer als gesetzliche Grundlage für das
Visaerteilungsverfahren benannt werden - vergleiche zum
Beispiel Antwort des Staatssekretärs im BMI Dr. Göttrick
Wewer vom 27. Februar 2004 auf die schriftliche Frage des
Abgeordneten Clemens Binninger auf Bundestagsdrucksache
15/2635 -, geltend gemacht?
Der Bundesminister des Innern hat, wie bereits erwähnt, seine kritischen Überlegungen gegen den Erlass
vom 3. März 2000 dem Bundesminister des Auswärtigen schriftlich dargelegt. Sie bezogen sich konkret auf
den Grundsatz „im Zweifel für die Reisefreiheit“, der im
Erlass im unmittelbaren Kontext mit der Prüfung der
Rückkehrbereitschaft genannt wurde. Der Bundesminister des Innern hat darauf hingewiesen, dass ein Ausländer nach der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion
sowie nach nationalem Recht bei der Antragstellung die
für die Visumerteilung erforderlichen Voraussetzungen
darlegen und nachweisen muss. Auch für die Prüfung
der Rückkehrbereitschaft läge die Beweislast beim Antragsteller. Das Auswärtige Amt hat in weiteren Gesprächen den Regelungsbereich des Erlasses erläutert und
zugesichert, dass sich auch die zukünftige Visaerteilungspraxis im Rahmen der Schengen-Regelungen halten
werde. In der 35. Sitzung des Innenausschusses am
17. Mai 2000 haben die Vertreter unserer Ressorts einvernehmlich festgestellt, dass es in dieser Thematik keinen Dissens gibt.
Herr Kollege, nun haben Sie vier Zusatzfragen.
({0})
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Da vorhin genau
zwischen den Antworten unterhalb der Ministerebene
und auf der Ministerebene differenziert worden ist, also
eine Antwort des BMI an das AA nicht gleichbedeutend
mit einer Antwort des einen Bundesministers an den anderen Bundesminister ist, würde mich interessieren, ob
sich das Auswärtige Amt gegenüber Bundesminister
Schily - ich nenne ihn jetzt als Person - geäußert hat.
Welche Antwort wurde auf die Bedenken, die vorgetragen worden sind, gegeben?
Das Ergebnis der Kommunikation, die zum Teil in
Briefen, zum Teil im mündlichen Gespräch erfolgte, war
- das ist dem Brief von Herrn Pleuger zu entnehmen -,
dass die Schengen-Regularien eingehalten werden. Es ist
wichtig, dass das klargestellt worden ist.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Hat sich das Bundesinnenministerium mit dieser Antwort zufrieden gegeben oder ist im Nachhinein seitens
des Bundesinnenministeriums eine Kontrolle erfolgt, ob
das tatsächlich so stattfindet, wie es zugesichert worden
ist?
Herr Kollege Göbel, es gab überhaupt keinen Grund,
an dem Gesprächsergebnis zu zweifeln. Das ist im
Übrigen auch durch den Brief von Herrn Staatssekretär
Pleuger vom 17. April 2000 zum Ausdruck gekommen.
Ich zitiere:
Das deutsche Ausländerrecht und die Vereinbarung
der Schengen-Partner werden vielmehr als unverrückbarer Rahmen der Visumspraxis bekräftigt.
Das zeigt: Die Einhaltung der Schengen-Regularien ist
unbestritten gewesen. Das ist ein richtiges Ergebnis gewesen.
Bitte schön, Herr Göbel.
Sie sind auf die Reise-Schutz Versicherungs AG eingegangen. Dazu habe ich eine Frage, die in der letzten
Fragestunde nicht beantwortet worden ist: Ist der Unternehmer, der dieses Unternehmen betrieben hat, entsprechend den gewerberechtlichen Vorschriften vom BMI
auf seine unternehmerische Zuverlässigkeit überprüft
worden?
Ich habe Ihnen seinerzeit im Innenausschuss gesagt,
was erfolgt ist. Der besagte Herr ist auf seine Bonität
überprüft worden. Weil er ein Versicherungsangebot gemacht hat, ging es insbesondere darum, ob er in der Lage
ist, die entsprechenden Leistungen zu erbringen. Das Ergebnis ist eindeutig gewesen. Die Bonität ist also überprüft worden.
({0})
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es gibt die finanzielle Bonität und
es gibt die persönliche Zuverlässigkeit im Gewerberecht.
Die finanzielle Bonität ist überprüft worden. Diese Frage
haben Sie beantwortet. Ist auch die persönliche Zuverlässigkeit dieses Unternehmers überprüft worden?
Herr Göbel, Sie stimmen doch mit mir überein, dass
das Bundesinnenministerium ein Gewerbezulassungsverfahren nicht zu überprüfen hatte. Wir hatten vielmehr
die Aufgabe, die Bonität zu prüfen. Es gab übrigens einen sehr seriösen Partner. Die Allianz Versicherungs-AG
war mit im Boot. Ich glaube, dass Sie bei der Bonitätsprüfung dasselbe Ergebnis wie wir erzielt hätten.
Herr Kollege Koschyk, bitte.
Herr Staatssekretär, ist auch das Bundesministerium
des Innern über den seinerzeitigen Besuch der EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ bei der deutschen Botschaft in
Kiew informiert und mit den Beanstandungen der EURatsarbeitsgruppe „Visa“ konfrontiert worden? Wie hat
sich das Bundesinnenministerium zu den Beanstandungen durch die EU-Ratsarbeitsgruppe „Visa“ gestellt?
Herr Kollege Koschyk, das weiß ich nicht. Ich müsste
an dieser Stelle spekulieren. Ich glaube zwar, dass das
nicht der Fall war, aber ich würde das gerne überprüfen
und der Frage nachgehen, ob das Ganze zu einem Ergebnis geführt hat. Sehen Sie mir das bitte nach. In meiner
Auflistung ist es nicht aufgeführt, aber es könnte auch
sein, dass ich es übersehen habe.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Volmer.
Herr Staatssekretär, da von verschiedenen Seiten die
politischen Ziele Freiheit und Sicherheit gegenübergestellt worden sind, gestatten Sie mir den Hinweis, dass
sich bei der Erarbeitung des Erlasses vom März 2000 der
Begriff der Freiheit nicht gegen den Begriff der Sicherheit gerichtet hatte, sondern gegen die Praxis der Willkür, die wir von der Vorgängerregierung übernommen
hatten.
({0})
Herr Kollege Volmer, das kann ich bestätigen. Ich
will es dahin gehend ergänzen - ich glaube, das ist sehr
wichtig -: ohne Freiheit keine Sicherheit und ohne Sicherheit keine Freiheit. Das ist ein wichtiger Grundsatz,
den wir auf politischer Ebene berücksichtigen sollten.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Sehling.
Herr Staatssekretär, eben war von der Bonitätsprüfung der Reise-Schutz Versicherungs AG die Rede.
Hätte der prüfenden Behörde nicht auffallen müssen,
dass der ehemalige mittlere Angestellte über ein Bankkonto mit einem Guthaben in Höhe von 1 Million Euro
verfügte, und hätte dies nicht Anlass zu Zweifeln geben
müssen?
Herr Kollege Sehling, das, was bei der Bonitätsprüfung vorlag, gab keinen Anlass zu irgendeinem Zweifel,
insbesondere deshalb, weil ein sehr seriöser Geschäftspartner, dessen Namen ich vorhin genannt habe, mit im
Boot war.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Kemper.
Herr Staatssekretär, ich habe den Eindruck, dass einige Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses
krampfhaft bemüht sind, ein Fehlverhalten zu konstruieren.
({0})
Meine Frage ist deshalb: Gibt es Anhaltspunkte für ein
Fehlverhalten von Mitarbeitern des Innenministeriums?
Gibt es Ermittlungen? Sind disziplinarische Maßnahmen
auf den Weg gebracht worden? Oder ist an alledem
nichts dran?
Nein, es gibt keine Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unserem Hause. Es
gibt - das betone ich ausdrücklich - auch keinen Korruptionsverdacht. Das ist eindeutig zu beantworten. Ich
halte es auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für wichtig, das so eindeutig festzustellen.
({0})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Strobl.
({0})
Herr Staatssekretär, der Staatsminister a. D. Volmer
hat von einer willkürlichen Praxis der Vorgängerregierung bei der Erteilung von Visa gesprochen.
({0})
Sie haben ihm in Ihrer Antwort Recht gegeben. Können
Sie konkret angeben, welche Fälle einer willkürlichen
und damit evident rechtswidrigen Praxis von Visaerteilungen es unter der Vorgängerregierung gegeben hat?
Herr Kollege Strobl, ich glaube, Sie haben die Frage
und die Ausführungen von Herrn Volmer nicht richtig
mitbekommen.
({0})
- Ich sage das ganz offen. Er kann es auch selbst noch
einmal schildern.
({1})
- Er kann auch schriftlich die Problemfälle insbesondere
hinsichtlich der Frage des Ermessens darstellen. Denn
trotz aller Einzelfallprüfungen geht es auch immer um
die Frage des Ermessens bzw. darum, wie man damit
umgeht.
({2})
Die Frage des Ermessens sollte nicht willkürlich entschieden werden, sondern nach klaren Kriterien; darum
geht es.
({3})
Ich sage noch einmal ganz deutlich: Es ist sehr wichtig,
dass wir die Themen Sicherheit und Freiheit immer im
Zusammenhang betrachten.
({4})
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Grindel.
Können Sie denn einmal einen Fall nennen, in dem
das Ermessen von der alten Bundesregierung willkürlich
ausgeübt worden ist?
({0})
Lieber Herr Kollege Grindel, in der Tat ist diese Frage
schon das letzte Mal beantwortet worden.
({0})
- Schade, Herr Westerwelle! Haben Sie heute schon eine
Bockwurst gegessen? - Das hätten Sie nicht tun sollen.
Essen Sie nicht so viel! Das bekommt Ihnen nämlich
nicht gut.
({1})
Lange Rede, kurzer Sinn: Herr Grindel, es gibt ganz
konkrete Fälle, an denen man das gut schildern kann.
Mir geht es ausdrücklich darum - darüber sollten wir uns
nicht streiten -, dass in Ermessensfragen nach klaren
Kriterien entschieden wird. Dass das angesichts der großen Anzahl von Reisebewegungen sehr schwierig ist,
versteht sich von selbst. Es ist ebenfalls deutlich geworden, dass wir alle im Grunde genommen ein Interesse
daran hatten und nach wie vor haben, dass der Reiseverkehr bei uns normal läuft und nicht behindert wird. In
diesem Sinne sollten wir die Fragen angehen.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Westerwelle.
Herr Staatssekretär, da wir uns schon viele Jahre kennen, bin ich aufgrund Ihrer Bemerkung „Essen Sie nicht
so viel!“ verunsichert. Herr Staatssekretär, ich möchte
Sie fragen: Macht sich die Bundesregierung Sorgen um
mein persönliches Ernährungsverhalten?
({0})
Ich war in der Tat etwas entsetzt. Denn Sie haben vorhin gefragt: Muss ich hier bleiben oder kann ich noch
eine Bockwurst essen? Da es zu diesem Zeitpunkt schon
weit nach 14 Uhr war und es für den Lebensrhythmus
nicht gut ist, wenn man noch so spät zu Mittag isst, ist
meine seelsorgerische Ader - das haben Sie sicherlich
gemerkt - durchgekommen.
({0})
({1})
Herr Kollege Westerwelle, das war keine Zusatzfrage
zu den schriftlich eingereichten Fragen 30 und 31.
({0})
Damit sind diese Fragen auf jeden Fall beantwortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Dr. Barbara Hendricks bereit.
Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Dr. Hans-Peter
Uhl auf:
Hat das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen
bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach
dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen H. K. Maßnahmen
nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG - Widerruf der
Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb gemäß § 87 VAG oder sonstige Aufsichtsmaßnahmen -, gegen die RS Reise-Schutz
Versicherungs AG oder sonstige Versicherungsunternehmen
von H. K. ergriffen und, wenn nein, warum nicht?
Herr Kollege Uhl, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wurden die gegen den Vorstandsvorsitzenden der RS Reise-Schutz AG, die kein Versicherungsunternehmen ist und nicht der Aufsicht der
Bundesanstalt unterliegt, aufgenommenen Ermittlungen
erst Ende Januar 2003 bekannt. Da der Betreffende auch
Vorsitzender des Vorstandes der RS Reise-Schutz
Versicherungs AG ist, hat die BaFin daraufhin sofort ein
Verfahren zur Prüfung der Zuverlässigkeit des Vorstandes eingeleitet. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Da die Vorwürfe nicht den Geschäftsbetrieb
des Versicherungsunternehmens selbst betreffen, kommen weiter gehende aufsichtsrechtliche Maßnahmen
zurzeit nicht in Betracht.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben festgestellt, dass der
zuständigen Behörde erst im Januar 2003 entsprechende
Erkenntnisse vorlagen. Ich frage Sie: Warum hatte die
zuständige Behörde keine Erkenntnisse über den Missbrauchsverdacht der deutschen Botschaft in Kiew vom
August 2001? Damals bat die deutsche Botschaft in
Kiew das Bundeskriminalamt, gegen besagten Herrn zu
ermitteln.
Über die zu diesem Zeitpunkt offenbar schon laufenden Ermittlungen ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nicht informiert worden.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ist die Bundesanstalt auch nicht
über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen informiert worden, die am 2. Mai 2002 begannen?
So ist es, Herr Kollege.
Ist die Bundesanstalt -
Nein, Herr Kollege Uhl, Sie haben nur zwei Zusatzfragen. - Jetzt kommt der Herr Kollege Binninger mit
seiner Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich habe Sie so verstanden, dass
die RS Reise-Schutz Versicherungs AG selber kein Versicherungsunternehmen ist. Deshalb lautet meine Frage:
Welche Versicherung hätte denn im Schadensfall die
Leistungen aufgrund des Reiseschutzpasses erbracht, der
von der RS Reise-Schutz Versicherungs AG vertrieben
wurde?
Der Name dieser Versicherungsgesellschaft ist von
Herrn Kollegen Körper schon genannt worden: Es war
die Allianz Versicherungs-AG.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.
Frau Staatssekretärin, nach meiner Kenntnis erfuhr
das Auswärtige Amt im Juni 2002 von dem eingeleiteten
Ermittlungsverfahren gegen diesen Unternehmer. Hat
das Auswärtige Amt das Bundesministerium der Finanzen darüber unterrichtet?
Nein. Dazu bestand allerdings auch kein Anlass.
Ich rufe die Frage 37 des Kollegen Dr. Hans-Peter
Uhl auf:
Weshalb hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der RS Reise-Schutz Versicherungs AG noch am
17. Dezember 2002 die Erlaubnis zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs erteilt - vergleiche Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen,
Dr. Barbara Hendricks, auf die Frage 22 des Abgeordneten
Clemens Binninger in der Fragestunde am 3. März 2004,
Plenarprotokoll 15/93, Seite 8298 C - und wie vereinbart sich
diese Verfahrensweise mit der gesetzlichen Vorschrift des § 8
Abs. 1 VAG, nach der diese Erlaubnis zu versagen ist, wenn
Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die Geschäftsleiter die Voraussetzungen des § 7 a Abs. 1 VAG - unter anderem Zuverlässigkeit - nicht erfüllen?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
hat der RS Reise-Schutz Versicherungs AG am 17. Dezember 2002 die Erlaubnis zur Aufnahme des Geschäftsbetriebes erteilt, weil die Vorwürfe, die gegen Herrn K.
in seiner Eigenschaft als Vorstand der RS Reise-Schutz
AG - sie ist kein Versicherungsunternehmen und wurde
daher nicht von der Bundesanstalt zugelassen - erhoben
wurden, zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt waren. Dies
habe ich auf Ihre Nachfragen hin schon eben so gesagt.
Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wurde auch durch
die Einholung eines Auszuges aus dem Bundeszentralregister die Frage der Zuverlässigkeit von Herrn K. geprüft.
Ihre Zusatzfragen, bitte, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, halten Sie dieses Verfahren im
Nachhinein für angemessen? Das Auswärtige Amt und
das Innenministerium sowie die nachgeordneten Behörden wie das Bundeskriminalamt hatten nachhaltig Verdacht geschöpft und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet; aber die zuständige, Ihrem Ministerium
nachgeordnete Behörde, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, wurde über nichts informiert.
Herr Kollege, ich halte das auch im Nachhinein für
ein völlig richtiges Verfahren. Es konnte natürlich weder
beim Bundesinnenministerium noch beim Auswärtigen
Amt Kenntnis darüber herrschen, dass der zurzeit Beschuldigte, Herr K., beabsichtigte, eine Genehmigung
für ein Versicherungsunternehmen zu beantragen. Woher
soll man das wissen? Die Lebenswirklichkeit kann sich
nicht so darstellen, dass gleichsam alle Behörden der gesamten Republik über jedes Ermittlungsverfahren unterrichtet werden. Auch die Staatsanwaltschaft hat dies
nicht getan. Deswegen hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht pflichtgemäß gehandelt und
nachgesehen, ob es einen Eintrag im Bundeszentralregister gibt. Den gab es nicht. Infolgedessen konnte die
Erlaubnis erteilt werden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wissen Sie von dem Umstand,
dass der zuständige Beamte im Bundesinnenministerium
mit Herrn K. ins Auswärtige Amt ging und „Der Mann
ist okay“ sagte?
Von diesem Umstand weiß ich nichts.
Ich rufe die Frage 38 des Kollegen Stefan Müller auf:
Welche Versicherungsunternehmen waren Anbieter der
Reiseschutzpässe der RS Reise-Schutz AG, die vom BMI und
vom Auswärtigen Amt im Jahre 2001 als Ersatz für die
Kostenrisikoübernahmeerklärung nach dem Ausländergesetz
akzeptiert wurden?
Herr Kollege Müller, die so genannten Reiseschutzpässe der Reise-Schutz AG sind selbst keine Versicherungsprodukte. Sie enthielten neben einer Kranken- und
einer Haftpflichtversicherung selbstständige Verpflichtungserklärungen für die Übernahme der Kosten, die insbesondere durch eine Abschiebung oder Zurückweisung
der betreffenden Personen entsprechend den Vorschriften des Ausländergesetzes entstehen. Der Versicherungsschutz wurde nach Auskunft des Anbieters bis Ende
2002 von der Allianz Versicherungs-AG abgedeckt. Danach wurde er von der RS Reise-Schutz Versicherungs
Aktiengesellschaft übernommen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Frau Staatssekretärin, gibt es im Bundesfinanzministerium Vermerke zu den Gesprächen bzw. Verhandlungen mit den Verantwortlichen der Reise-Schutz Versicherungs AG? Im Auswärtigen Amt soll dazu nichts
vorliegen.
Herr Kollege Müller, es gibt keinerlei Anlass dafür,
dass es im Bundesfinanzministerium Vermerke darüber
geben sollte, weil es sich hierbei um ein Geschäft der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - sie betreibt es in eigener Verantwortung - handelt.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen denn bekannt, ob es
bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Vermerke über derartige Gespräche gibt?
Selbstverständlich kann man nicht davon ausgehen,
dass es dort entsprechende Vermerke über Gespräche geben könnte; denn es gab keinerlei Veranlassung,
irgendeine Information vom Bundesinnenministerium
oder vom Auswärtigen Amt an eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums der Finanzen weiterzugeben.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Binninger.
Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden,
dass das Unternehmen Reise-Schutz AG zunächst mit einem großen Partner, nämlich der Versicherung, die heute
schon ein paar Mal genannt wurde, in das Verfahren einstieg, dafür die Genehmigung auch so weit erteilt wurde
und später dann diesen großen Partner durch ein eigenes
Versicherungsunternehmen, die Reise-Schutz Versicherungs AG, die wiederum von dem heute Beschuldigten
K. maßgeblich verantwortet wurde, abgelöst hat?
({0})
Ein Teil von dem, was Sie in Ihrer Frage sagen, ist
richtig. Im ersten Teil ist Ihre Frage insofern nicht zutreffend, als nämlich das, was zunächst mit dem großen
Partner abgewickelt wurde, nicht genehmigungspflichtig
war, weil selbstverständlich das Versicherungsunternehmen des großen Partners schon längst, vielleicht schon
seit vielen Jahrzehnten, genehmigt war. Eine Genehmigung war in diesem Zusammenhang erst erforderlich, als
der mittlerweile beschuldigte Herr K. die Zulassung eines Versicherungsgeschäftes beantragte.
Wir kommen dann zur Frage 39 des Kollegen Stefan
Müller:
Verfügten diese Unternehmen für den Reiseschutzpass
über eine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb nach dem VAG?
Die Allianz Versicherungs-AG und die RS ReiseSchutz Versicherungs Aktiengesellschaft verfügten über
die erforderliche Erlaubnis.
Danke schön.
Dann kommen wir zur Frage 40 des Kollegen Eckart
von Klaeden:
Ist das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen
bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom
Bundesministerium der Finanzen, BMF, darüber informiert
worden, dass im Zusammenhang mit den von der RS ReiseSchutz Versicherungs AG vertriebenen Reiseschutzpässen seit
mindestens April 2002 der Verdacht des Missbrauchs zu
schweren Straftaten - gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern und anderes - vorliegt und dass
deshalb ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den
Eigentümer dieses Versicherungsunternehmens, H. K., eingeleitet wurde, und, wenn nein, warum nicht?
Nein, die Ermittlungen waren im Bundesministerium
der Finanzen nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft hat
das Bundesministerium der Finanzen nicht informiert.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, meinen Sie nicht, dass an diesem Überprüfungsverfahren, das von einem Bundesland
durchgeführt werden muss, irgendetwas geändert werden müsste, wenn derjenige, der das eben schon beschriebene Reiseschutzpassverfahren durchgeführt hat
- das Auswärtige Amt hat ja, wie von seinem Vertreter
hier mehrmals behauptet worden ist, aufgrund dieser
Missstände auch seine eigene Praxis geändert - und gegen den wegen schwerer Straftat ermittelt wird, jetzt sogar eine Reise-Schutz Versicherungs AG anmelden
kann? Meinen Sie nicht, dass Sie Ihr Überprüfungsverfahren ändern müssen, damit Ihnen solche Dinge in Zukunft nicht unterlaufen?
Herr Kollege von Klaeden, es handelt sich zwar um
eine Personenidentität. Aber es war natürlich nicht das
schon bestehende Unternehmen, das kein Versicherungsunternehmen war, zu prüfen, sondern es musste im Wege
der Erlaubniserteilung für ein Versicherungsunternehmen das übliche Verfahren angewandt werden, gemäß
dem die Bonität - das ist selbstverständlich - und die
Zuverlässigkeit im gewerberechtlichen Sinn geprüft
werden. Dies geschieht durch Einblick in den Auszug
des Zentralregisters.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, das Verfahren ist mir bekannt.
Aber meinen Sie nicht - das ist ja der Kern meiner Frage -,
dass dieses Verfahren nach den Erfahrungen, die Sie jetzt
gemacht haben, geändert werden müsste? Es ist doch geradezu grotesk, dass jemand, der über den Versicherungsschutz eines anderen Unternehmens die Möglichkeit erhält, Visa zu erteilen, und sich dabei schwerer Straftaten
verdächtig macht, selbst noch dann, nachdem diese Praxis angeblich vom Auswärtigen Amt abgestellt wird, die
Genehmigung dafür bekommt, ein eigenes Versicherungsunternehmen zu gründen. Es müssten doch bei Ihnen alle Alarmglocken läuten und Sie müssten sich gerade angesichts der Tatsache, dass das Unternehmen
„Reise-Schutz Versicherungs AG“ heißt und damit ein
nicht zu übersehender Hinweis auf das einschlägige Tätigkeitsfeld gegeben wird, die Frage stellen, wie in Zukunft solche Fehler vermieden werden können.
Herr Kollege von Klaeden, Ihnen ist der Aufbau der
Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland bekannt.
Ihnen ist auch bekannt, dass Ermittlungsverfahren nur
dann bei Behörden bekannt werden, wenn die Staatsanwaltschaft oder die Polizei darüber Mitteilungen machen. Diese müssen nicht zwingend in Bundesministerien welcher Art auch immer ankommen, weil es ja
zunächst nicht deren Aufgabe ist, sich darum zu kümmern.
({0})
Wenn jemand einen Antrag auf Genehmigung einer
Versicherung stellt, gegen den ein Ermittlungsverfahren
läuft, muss man davon ausgehen, dass der Beschuldigte
selber gar nicht weiß, dass er beschuldigt ist; sonst hätte
er ja wahrscheinlich nicht die Chuzpe gehabt,
({1})
diesen Antrag zu stellen. Außerdem kann, wenn ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beschuldigten läuft,
auch noch nichts im Zentralregister stehen, weil natürlich nach unseren rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erst
der verurteilt ist, der tatsächlich rechtmäßig verurteilt ist.
Dieses Verfahren ist von daher nicht zu ändern. Morgen
oder übermorgen könnte ja ein völlig unbescholtener
Bürger, der gemäß dem Auszug aus dem Zentralregister
sauber ist und dessen Bonität nachgewiesen ist, das gleiche Anliegen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stellen. Soll das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht in diesem Zusammenhang
sozusagen eine Rasterfahndung bei allen denkbaren Behörden der Republik auslösen und fragen: Habt ihr eine
Idee, ob gegen den was vorliegt? Wie soll das praktisch
laufen?
({2})
Der Herr Kollege Dr. Hans-Peter Uhl hat eine Frage.
Die Dinge sind doch relativ einfach. Es geht um die
Zuverlässigkeitsprüfung im Versicherungswesen. Gegen den Betroffenen wurde seit über einem halben Jahr
staatsanwaltschaftlich ermittelt und seit fast eineinhalb
Jahren bestand der Verdacht des Missbrauchs. Der Beamte in der Ihrem Ministerium nachgeordneten Behörde
hat aber nur im Register nachgeschaut, ob ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, und nichts gefunden. Er hätte die
zuständigen Beamten im Innenministerium, im Außenministerium, bei der Deutschen Botschaft in Kiew oder
wo auch immer anrufen können; überall hätte man ihm
sofort gesagt: Finger weg, Missbrauchsverdacht! Da
läuft ein Ermittlungsverfahren! Meine Frage an Sie: Warum hat der Beamte dieses Telefongespräch nicht geführt?
Weil der Beamte ein solches zielgerichtetes Telefongespräch überhaupt nicht hätte führen können, da er über
einen solchen Verdacht nicht informiert sein konnte. Aus
denselben Gründen könnten Sie fragen: Warum hat er
nicht beim Kreisverwaltungsreferat der Stadt München
angerufen?
({0})
Wo sollte er bitte anrufen?
Eine weitere Frage hat der Kollege Clemens
Binninger.
Frau Staatssekretärin, Sie haben uns sehr plastisch geschildert, wie die Überprüfung ablief und dass man in
der Tat bei einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nicht davon ausgehen kann, dass die Staatsanwaltschaft alle Behörden in Deutschland informiert; völlig d’accord.
({0})
Aber an dieser Stelle muss man auch festhalten, dass das
Ministerium des Innern und das Auswärtige Amt, und
zwar auf oberster Ebene, zu diesem Zeitpunkt schon
lange darüber informiert waren, dass es im Bereich der
Reiseschutzpässe, des Produktes, um das es hier geht,
zuhauf Missbrauchstatbestände gibt und dass schon Sonderauswertungen durch das Bundeskriminalamt laufen.
Halten Sie es vor diesem Hintergrund nicht für ungewöhnlich, dass diese beiden anderen Ministerien nicht
den Hinweis an Sie gegeben haben, mit dem Thema
Visaerteilung sehr sensibel umzugehen?
Da das Bundesministerium der Finanzen mit dem
Thema Visaerteilung fachlich überhaupt nichts zu tun
hat, gab es für die beiden beteiligten Ministerien keinerlei
Anlass, ein nicht zuständiges Ministerium auf einen eigentlich nicht denkbaren Fall hinzuweisen.
({0})
Wir kommen dann zur Frage 41 des Kollegen von
Klaeden:
Haben das BMI oder das AA das BMF oder das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über diesen Verdacht
informiert?
Herr Kollege von Klaeden, nein, das Auswärtige Amt
und das Bundesministerium des Innern haben erst nach
der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen den Vorsitzenden der Reise-Schutz AG, Herrn K., von den Vorwürfen erfahren.
Zusatzfrage?
War denn aus dem Antrag dieses Versicherungsunternehmens auf Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung nicht ersichtlich, um welche Art der Versicherung es sich handeln würde?
Doch, das war fachlich sicherlich zu durchschauen.
Wäre es dann nicht sinnvoll gewesen, bei dem Ministerium, das sich fachlich federführend mit diesen Fragen
beschäftigt, eine entsprechende Auskunft einzuholen?
Wenn Sie sagen, dass das früher nicht üblich gewesen
sei: Könnten wir aus diesem Fall nicht lernen, dass man
das vielleicht in Zukunft tut? Sie haben eben gesagt, man
könne schließlich nicht auch noch im Kreisverwaltungsreferat in München anrufen. Da bin ich völlig Ihrer Ansicht, zumal der Kollege Uhl es nicht mehr leitet. Aber
ich finde, das Auswärtige Amt hätte man durchaus fragen können,
({0})
da der Versicherungszweck so eindeutig ist.
Herr Kollege von Klaeden, ich will nicht bestreiten,
dass, sollte es erneut zu einer solchen Fallgestaltung
kommen, das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Zweifelsfall im Auswärtigen Amt nachfragen
würde. Es ist klar, dass man aus Erfahrung lernt; das ist
selbstverständlich. Andererseits ist die Art der Versicherung natürlich nicht immer ersichtlich. Man kann auch
Versicherungen abschließen, die besondere Risiken abdecken, von denen man nicht weiß, wie sie im Einzelnen
genutzt werden, welche Auswirkungen sie eventuell haben und ob sie möglicherweise sogar kriminell genutzt
werden können. Für alle Zukunft kann man so etwas
nicht ausschließen.
({0})
Damit kommen wir zur Frage 42 des Kollegen
Matthias Sehling:
Ist der Geschäftsleiter eines Versicherungsunternehmens,
dem schwere Straftaten zur Last gelegt werden, als zuverlässig im Sinne des § 7 a Abs. 1 VAG anzusehen und seit wann
wurden die Produkte der RS Reise-Schutz AG - insbesondere
Reiseschutzpass - vom BMI oder vom AA ebenfalls als Ersatz für die Kostenrisikoübernahmeerklärung nach dem Ausländergesetz akzeptiert?
Herr Kollege Sehling, der Maßstab für die Zuverlässigkeit des Geschäftsleiters eines Versicherungsunternehmens entspricht rechtlich dem im Gewerberecht
allgemein verwendeten Zuverlässigkeitsbegriff der Gewerbeordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ist als unzuverlässig anzusehen, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft
sein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird. Da dies jeweils eine Einzelfallprüfung voraussetzt, kann die Frage
nicht generell beantwortet werden.
Reiseschutzpässe der Reise-Schutz AG wurden im
Mai 2001 als Ersatz für eine Verpflichtungserklärung
nach § 84 Ausländergesetz akzeptiert. Das Bundesministerium des Innern hat die Ausländerbehörden mit Schreiben vom 19. Juni 2001 informiert. Das Auswärtige Amt
hat mit Erlass vom 2. Mai 2001 einige Auslandsvertretungen in Osteuropa, in den so genannten GUS-Staaten,
entsprechend angewiesen.
Mit Erlass vom 29. Januar 2002 wurde dieses Verfahren weltweit eingeführt. Dabei diente ein Reiseschutzpass nur als ergänzender Finanzierungsnachweis. Die
übrigen Voraussetzungen für die Visumserteilung, insbesondere Reisezweck und Rückkehrbereitschaft, waren
stets zu prüfen. Nachdem das Auswärtige Amt am
27. Juni 2002 Kenntnis von dem gegen Herrn K. eingeleiteten Ermittlungsverfahren erhielt, wurde am 28. Juni
2002 die Botschaft in Kiew angewiesen, die Versicherungen der Reise-Schutz AG nicht mehr als Ersatz für
Verpflichtungserklärungen zu akzeptieren. Dies wurde
vom Bundesministerium des Innern ausdrücklich befürwortet. Nach dem Bekanntwerden weiterer Missbrauchsfälle wurde diese Weisung am 28. März 2003 auf
alle Auslandsvertretungen für die Reiseschutzversicherungen jedweder Anbieter ausgedehnt.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, bei der Prüfung eines Unternehmens zur Erteilung der Genehmigung nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz muss nicht nur die Zuverlässigkeit, sondern auch die fachliche Eignung der
Geschäftsleitung geprüft werden. Dazu gehören die
theoretischen und praktischen Kenntnisse sowie die Leitungserfahrung. Aus welchen Teilen bestand die Prüfung
in diesem Fall?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich gehe davon aus,
dass die Prüfung genauso wie bei jedem anderen Antragsteller entsprechend der üblichen Praxis erfolgt ist.
Nächste Zusatzfrage von Herrn Dr. Uhl.
Der Versicherungsfall tritt ein, wenn der betreffende
Ausländer erstens krank wird oder wenn er zweitens zurückgeführt werden muss.
Und Haftpflicht.
Drittens Haftpflicht. Im Falle der Krankheit wurde
damals ein Versicherungsschutz in Höhe von 45 000 DM
- jetzt ist es der entsprechende Euro-Betrag - und im
Falle der Rückführung von 5 000 DM - jetzt ebenfalls
der entsprechende Euro-Betrag - gewährt. Wissen Sie,
wie hoch die Anzahl der Fälle ist, in denen diese Versicherung von rückzuführenden Ausländern oder krank
gewordenen Ausländern überhaupt in Anspruch genommen worden ist? Kennen Sie ungefähr den Prozentsatz?
Beim Carnet de Touriste weiß ich, dass er unter
1 Prozent liegt. Das heißt, über 99 Prozent der Versicherten haben diese Versicherung niemals in Anspruch genommen. Man weiß auch: warum. Weil der Fall so liegt,
dass er typischerweise eigentlich nicht versichert werden
muss.
Herr Kollege Uhl, ich kenne die Zahlen nicht. Es ist
auch nicht Aufgabe des Bundesministeriums der Finanzen oder auch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, darüber Aufzeichnungen zu führen. Aber
es ist klar: Diese Krankenversicherung hatte den Charakter einer Reisekrankenversicherung. Sie war also nur für
die Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik
Deutschland gültig. Sie wissen, dass die Prämie für eine
Reisekrankenversicherung unterschiedlich hoch sein
kann, weil die Rückführungskosten vom Reiseziel abhängen.
({0})
Üblicherweise sind Reisekrankenversicherungen verhältnismäßig preiswert, weil sie Gott sei Dank meistens
nicht in Anspruch genommen werden. Das spricht schon
dafür, dass auch in diesem Fall eine verhältnismäßig geringe Inanspruchnahme anzunehmen ist.
({1})
Eine weitere Frage des Kollegen Thomas Strobl.
Frau Staatssekretärin, ich habe eine Verständnisfrage:
Sie haben im Zusammenhang mit der Zulassung der
Reiseschutzversicherung zunächst vor allem deswegen
die Bonität bejaht, weil ein großes Unternehmen, die Allianz, hinter dieser Versicherung stand. Dann gab es einen Wechsel; die Allianz ist ausgeschieden. Die RS
Reise-Schutz Aktiengesellschaft ist dann im Wesentlichen von dem jetzt in einem staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsverfahren beschuldigten K. aus der schönen
Stadt Weinsberg getragen worden. Ich nehme an, dass
nicht täglich irgendwelche Bürger Versicherungsgesellschaften gründen, dass die Bonitätsprüfung sehr intensiv
vorgenommen wird und Privatpersonen in diesem Zusammenhang über gewisse Geldmittel verfügen müssen.
Meine Frage ist, ob Sie in diesem Zusammenhang auch
überprüfen, woher solches Geld kommen könnte, ob es
ein entsprechendes geschäftliches Umfeld gibt, welches
beispielsweise auf Geldwäsche oder andere strafrechtlich relevante Tatbestände hinweisen könnte.
Die Bonität der Reise-Schutz AG, die Sie angesprochen haben, hat nicht das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht geprüft. Dies wurde damals vielmehr
im Auswärtigen Amt geprüft. Das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht war erstmals mit dieser Fragestellung befasst, als der Antrag auf Zulassung einer
Versicherungsgesellschaft, also der Reise-Schutz Versicherungs Aktiengesellschaft, an das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht gestellt wurde.
Üblicherweise hat das Bundesamt für Finanzdienstleistungsaufsicht natürlich zu prüfen, wie die Bonität
dargestellt wird. Im Regelfall wird dies durch Bankbürgschaften, Bankkonten und anderes nachgewiesen. Wenn
in irgendeiner Art und Weise der Verdacht auf illegale
Betätigung ruchbar werden würde, würde dem Antragsteller selbstverständlich keine Bonität zugestanden werden können.
Jetzt habe ich noch eine Frage des Kollegen Clemens
Binninger.
Frau Staatssekretärin, ich möchte auf die Frage des
Kollegen Sehling zurückkommen, der Sie nach den Anforderungen gefragt hat, die an die Leitungsbefugnis
gestellt wurden. Sie haben gesagt, dass Sie davon ausgingen, dass die Überprüfung dieser Anforderungen
stattgefunden habe. Wären Sie bereit, uns zum Beispiel
im Ausschuss Umfang, Inhalt und Ergebnis dieser Prüfungen zu präsentieren bzw. zur Verfügung zu stellen?
Denn ich glaube schon, dass es von großer Bedeutung
ist, dass jemand, gegen den sich aufgrund seiner geschäftlichen Tätigkeit ein Ermittlungsverfahren richtet,
eine Erlaubnis für eine solche Tätigkeit bekommen hat.
Herr Kollege, ich bin gerne bereit, diese Frage schriftlich zu beantworten. Das ist kein Problem. Ich sagte Ihnen ja eben, dass ich davon ausgehe, dass hier wie in jedem anderen Fall nach den entsprechenden Vorschriften
geprüft worden ist. Deswegen kann man das nur sehr allgemein darstellen. Es gibt keinerlei Anlass dafür, anzunehmen, dass hier vom normalen Verfahren abgewichen
worden wäre. - Ich werde Ihnen das also gerne schriftlich beantworten.
Wir kommen zur Frage 43 des Kollegen Sehling:
Welche Ermittlungen hat das BMI bei den Sicherheitsüberprüfungen der RS Reise-Schutz AG bei der Überprüfung
des Bonitätsnachweises über die Herkunft der Liquiditätsmittel von 1 Million Euro in Form von Bankguthaben durchgeführt und mit welchem Versicherungsunternehmen war eine
Rückversicherung zum Zeitpunkt der Bonitätsüberprüfung
abgeschlossen?
Bei der Einführung von Reiseschutzversicherungen
mussten die Anbieter glaubhaft ihre Liquidität belegen
können. Die Reise-Schutz AG hatte dem Auswärtigen
Amt hierzu einen Bonitätsnachweis über die Liquidität
von 1 Million Euro in Form von Bankguthaben zukommen lassen. Die Reiseschutzversicherung umfasste für
die jeweilige Visumgültigkeitsdauer eine private Kranken- und Haftpflichtversicherung der Versicherungsunternehmen Allianz und Elvira sowie einen Versicherungsschutz für gegebenenfalls entstehende Aufenthaltsund Rückführungskosten im Sinne der §§ 82 und 84 des
Ausländergesetzes.
Zusatzfrage? - Bitte.
Frau Staatssekretärin, haben die Ermittlungen, die das
Bundesinnenministerium im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung angestellt hat, nicht Anlass gegeben, sich
bei dem Antragsteller über die Herkunft der Liquiditätsmittel von mehr als 1 Million Euro in Form von Bankguthaben zu informieren?
Das Bundesministerium des Innern hat nach meinem
Wissen keine Sicherheitsüberprüfung, sondern eine Bonitätsüberprüfung durchgeführt.
({0})
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, besteht dann, wenn sich aufgrund der äußeren Umstände des Einzelfalls bei einer
Prüfung durch das Bundesinnenministerium der Eindruck verdichtet, dass die Finanzmittel aus unredlichen
Quellen stammen, keine Amtsermittlungspflicht des
Bundesinnenministeriums?
Wenn sich ein solcher Verdacht im Einzelfall ergeben
würde, würde diese Pflicht selbstverständlich bestehen.
({0})
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Nachdem die dringlichen Fragen und die dazugehörigen Fragen beantwortet worden sind, rufe ich jetzt die
übrigen Fragen auf der Drucksache 15/2629 in der üblichen Reihenfolge auf. Die Frage 1 des Kollegen
Lensing zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
soll schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der
Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans
Georg Wagner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 auf. Ist der Kollege Dr. Ole
Schröder anwesend? - Er ist nicht anwesend. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen zur Frage 3 der Abgeordneten Petra
Pau:
Auf welcher Rechtsgrundlage wurde am 1. Oktober 2003
das Nationale Lage- und Führungszentrum Luftsicherheit in
Kalkar, in dem Bundeswehrsoldaten und Beamte des Bundesgrenzschutzes zusammen rund um die Uhr tätig sind, eingerichtet?
Frau Kollegin Pau, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Unmittelbar nach dem 11. September 2001 hatte
die NATO eine Überprüfung der bis dahin gültigen Verfahren initiiert, um der neuen Bedrohungssituation gerecht zu werden. Dabei wurde der Forderung der meisten
Nationen, auch der Deutschlands, Rechnung getragen,
die Abwehr und Bekämpfung von so genannten Renegade-Luftfahrzeugen wegen der hiermit verbundenen
politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in nationaler Verantwortung durchzuführen.
Die Mitgliedstaaten wurden verpflichtet, Verfahren zu
entwickeln und organisatorische Maßnahmen zu treffen,
um diese Aufgaben in nationaler Verantwortung sicherzustellen. Dabei geht es in erster Linie nicht um militärische Fragen, Frau Kollegin, sondern um die Gewährleistung der Aufgabenwahrnehmung durch die für die
Sicherheit und Überwachung des zivilen Luftverkehrs
zuständigen Stellen: Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen und Bundesinnenministerium.
Die Verwendung der Streitkräfte zur Erfüllung dieser
Aufgaben erfolgt im Rahmen der Amtshilfe. Zur Abwehr der Gefahr eines besonders schweren Unglücksfalls kann die Bundesregierung die Streitkräfte auf der
Grundlage des Art. 35 Abs. 2 und 3 Grundgesetz zur Unterstützung der Polizeibehörden der Bundesländer einsetzen. Beim Hochwasser war das zum Beispiel der Fall.
Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung
von Luftsicherheitsaufgaben bestätigt diese Rechtsauffassung.
Die drei zuständigen Bundesministerien, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,
Bundesministerium des Innern und Bundesministerium
der Verteidigung, richteten im Rahmen ihrer Organisationshoheit in ihren jeweiligen Organisationsbereichen
selbstständige Dienststellen zur Wahrnehmung der ihnen
obliegenden Aufgaben im Rahmen der Luftsicherheit
ein.
Für das Bundesverteidigungsministerium wurde dies
mit Organisationsbefehl Nr. 115/2003({0}) vom 7. Mai
2003 durch den Inspekteur der Luftwaffe befohlen. Die
selbstständigen Dienststellen wurden zum Zwecke der
optimalen Aufgabenerfüllung räumlich zum Nationalen
Lage- und Führungszentrum zusammengeschlossen.
Zusatzfrage.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich stelle die
Frage: Wie will die Bundesregierung dem Argument entgegentreten, dass durch die Einrichtung dieses Amtes
der geregelte Ausnahmefall von Bundeswehreinsätzen
im Innern und damit auch die Aufweichung des Trennungsgebotes zum dauerhaften Regelfall gemacht werden?
Nein, das ist nicht der Fall. Das wird sofort beendet,
wenn vermutete terroristische Angriffe unterbleiben
sollten.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Ich würde gern von Ihnen erfahren, Herr Staatssekretär, von welchen Behörden der Länder, des Bundes sowie anderer Staaten und internationaler Organisationen
das Nationale Lage- und Führungszentrum Informationen erhält.
Es ist zunächst einmal nur für die Bundesbehörden
gedacht. Wenn Länder unmittelbar betroffen sind, wird
nach den entsprechenden Vorschriften gehandelt, das
heißt, die Ministerpräsidenten der Länder werden vom
Bundesminister der Verteidigung informiert.
Eine weitere Frage der Kollegin Gesine Lötzsch.
Herr Staatssekretär, im Anschluss an die Fragen, die
Frau Pau gestellt hat, möchte ich gern wissen, ob in den
beschriebenen Fällen eine Abstimmung oder eine Zusammenarbeit mit der NATO geschieht und in welcher
Form diese stattfindet.
Frau Kollegin, auch das ist geregelt. Das wird von der
NATO vorgegeben: Die nationalen Behörden müssen
eingreifen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
die Fragen 4 und 5, sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden, ebenso die Frage 6 des Kollegen Jüttner, die
den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes betrifft.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Wegen der fortgeschrittenen
Zeit sollen sehr viele Fragen schriftlich beantwortet werden, nämlich die Fragen 10 bis einschließlich 17.
Wir kommen zur Frage 18 des Kollegen
Professor Dr. Andreas Pinkwart:
Wann werden erste Teilergebnisse der ergebnisoffenen
Prüfung der Umzugspläne des BKA nach Berlin, die der Bundesminister des Innern, Otto Schily, zugesichert hat, vorliegen?
Herr Kollege Pinkwart, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Es besteht die Absicht, die aus polizeifachlicher
Sicht notwendigen Grundentscheidungen noch im
Frühjahr 2004 zu treffen.
Zusatzfrage, bitte.
Ich möchte dazu gern eine Zusatzfrage stellen: Welche anderen Kriterien beziehen Sie in Ihre ergebnisoffene Prüfung mit ein und welche Stellen - angefangen
beim Personalrat bis hin zu den betroffenen Landesregierungen und auch den entsprechenden Ausschüssen
des Parlaments - wollen Sie in diese Prüfung bzw. in den
Bericht über die Prüfung einbeziehen?
Herr Kollege Pinkwart, die Entscheidung wird sich in
bestimmten Bahnen vollziehen. Sie wissen, dass der
Bundesinnenminister eine ergebnisoffene Prüfung zugesagt hat. Andere Kriterien - so Ihre Frage - sind nicht
vorhanden. Die Entscheidung orientiert sich an polizeifachlichen Fragestellungen, wie ich das in meiner ersten
Antwort bereits deutlich gemacht habe. Ich habe Ihnen
auch etwas über den Zeitraum gesagt, in dem die notwendigen Grundentscheidungen getroffen werden müssen. Wir werden Sie dann zu gegebener Zeit gerne über
diese Entscheidungen informieren.
Zweite Zusatzfrage, bitte.
Mich würde interessieren, ob Sie im Rahmen dieser
Prüfung, die Sie gegenwärtig vornehmen, auch Überlegungen anstellen, zumindest Teile der Einrichtungen von
Meckenheim und Wiesbaden nach Berlin zu verlagern,
und daher auch prüfen, ob die Liegenschaften an diesen
Standorten einer anderweitigen Nutzung zugeführt werden können.
Herr Kollege Pinkwart, diese Frage von Ihnen zu den
Liegenschaften und deren Nutzung habe ich erwartet.
Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Für entsprechende
Überlegungen ist es jetzt noch zu früh. Im Moment läuft
ein bestimmtes Prüfungsverfahren. Der Minister selbst
hat einige Gespräche geführt. Es ist eine Arbeitsgruppe
eingesetzt worden, die ihre Arbeit aufgenommen hat.
Die Abteilungen sind aufgefordert worden, aus ihrer jeweiligen Sicht zu berichten und eine Analyse abzugeben. Wir stehen also mitten im Verfahren. Seien Sie mir
also nicht böse, wenn ich Ihre Frage bezüglich bestimmter Liegenschaften derzeit nicht beantworten kann. Es ist
dazu noch zu früh.
Weitere Frage des Kollegen Rainer Brüderle.
Herr Staatssekretär, die erste Bemerkung Ihrer ausführlichen Stellungnahme regt zur Nachfrage an. Haben
die massiven öffentlichen Proteste und auch die Darlegungen Ihrer Kabinettskollegin Wieczorek-Zeul in
Wiesbaden in der Folge dieses Agierens zu neuen Erkenntnissen geführt oder ist der Stand der Erkenntnisse
heute der gleiche wie bei der ursprünglichen Entscheidung?
Wie wir bei dieser Entscheidung vorgehen, habe ich,
glaube ich, sehr deutlich gemacht. Danach ist, lieber
Kollege Brüderle, die polizeifachliche Sicht das entscheidende Kriterium für diese Entscheidungen. Ich sage
ganz deutlich, dass nach meinem Dafürhalten beispielsweise andere Argumente und Argumentstrukturen, die
zum Teil aufgrund dieses Prozesses und der Diskussionen eingeführt worden sind, nicht an die vorderste Stelle
gehören.
Herr Kollege Brüderle, Sie haben nur eine Zusatzfrage.
({0})
Die nächste Frage stellt die Kollegin Kristina Köhler.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben davon, dass bei
der ergebnisoffenen Prüfung allein polizeifachliche Argumente berücksichtigt werden. Die ergebnisoffene Prüfung haben Sie ja aufgrund neuer polizeifachlicher
Argumente eingeleitet, die Ihnen auf Personalversammlungen vorgetragen wurden. Welche neuen polizeifachlichen Argumente sind denn das?
Liebe Frau Kollegin Köhler, die Frage, ob diese Argumente neu sind, möchte ich einmal dahingestellt sein
lassen. In der Tat ist auf den Personalversammlungen
auch das Thema des Einsatzes von Personal, also von
Beamtinnen und Beamten, angesprochen worden. Ich
glaube, es wäre fahrlässig gewesen, diese Argumente
bzw. Hinweise aus polizeifachlicher Sicht nicht aufzunehmen.
Jetzt hat der Kollege Michael Hartmann noch eine
Frage.
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass
- trotz aller Konflikte um die mögliche Verlagerung von
Teilen des BKA - in polizeifachlichen Kreisen, aber
auch im Personalrat Konsens darüber besteht, dass eine
Stärkung des Standortes Berlin dringend erforderlich ist?
Herr Kollege Hartmann, ich glaube, dass der Konsens
viel größer ist, als die Diskussion und zum Teil auch die
Emotionen in den zurückliegenden Tagen gezeigt haben.
Das waren Diskussion und Emotionen, die aus anderen
Quellen gespeist worden sind. Wie wir feststellen konnParl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
ten, ging es dabei nicht um die polizeifachliche Sicht.
Vielmehr spielten hier andere Fragen eine Rolle. Deswegen glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind, um
eine Entscheidung in der Sache treffen zu können.
Ich kann bestätigen, dass der Weg, eine Entscheidung
aufgrund polizeifachlicher Erwägungen herbeizuführen,
von vielen als wünschenswert gesehen wird. Das, was
Sie sagten, ist völlig richtig: Die Stärkung des Standortes
Berlin im Bereich des Bundeskriminalamtes steht im
Grunde genommen außerhalb jeglicher Diskussion.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Zeit der Fragestunde ist damit abgelaufen. Alle
übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet. Die
Frage 63 wurde vom Fragesteller zurückgezogen.
Bevor ich in der Tagesordnung fortfahre, gebe ich
dem Kollegen Paziorek zu einem Antrag zur Geschäftsordnung das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantrage ich, den Entwurf eines Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes als Finanzvorlage gemäß § 96 der Geschäftsordnung nachträglich an den Haushaltsausschuss
zu überweisen.
In der heutigen Sitzung des Umweltausschusses hat
der Vertreter der Bundesregierung auf Anfrage erklärt,
dass zum Vollzug dieses Gesetzes 39 neue Planstellen
beim Umweltbundesamt erforderlich seien und die Gegenfinanzierung über einen Gebührenhaushalt erfolgen
solle. Auf Befragen konnte dies weder der Art noch der
Höhe nach konkretisiert und spezifiziert werden. Damit
hat sich nachträglich herausgestellt, dass dieser Gesetzentwurf eine Finanzvorlage im Sinne des § 96 der Geschäftsordnung des Bundestages ist und zwingend dem
Haushaltsausschuss vorgelegt werden muss.
Meine Fraktion hat im Umweltausschuss beantragt,
den Präsidenten zu unterrichten um den Entwurf nachträglich an den Haushaltsausschuss zu überweisen. Dies
ist durch die Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt worden.
({0})
Aus unserer Sicht ist das eindeutig rechtswidrig. Das ist
nicht nur politisch unverständlich, sondern auch nach
dem Geschäftsordnungsrecht nicht zu tolerieren. Finanzvorlagen müssen nämlich vom Haushaltsausschuss geprüft werden. Entsteht Streit darüber, ob es sich um eine
Finanzvorlage handelt, hat das Plenum nach Anhörung
des Haushaltsausschusses zu entscheiden. Deshalb ist es
erforderlich, dass die Überweisung an den Ausschuss
jetzt erfolgt.
Darüber hinaus muss man klar und deutlich sagen:
Diese Detailrechtsfrage konnte bisher auch nicht im
Vorfeld der Ausschusssitzung geprüft werden, weil die
Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf so spät eingereicht worden sind - gestern Abend um 18.56 Uhr per
E-Mail -, dass ihre Prüfung in unserer Fraktion vor der
Sitzung des Umweltausschusses nicht mehr möglich
war.
Aus unserer Sicht werden materielle Änderungen am
ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommen, die weit
über die ursprüngliche Vorlage hinausgehen. So soll jetzt
zum Beispiel eine vollkommen neue zentrale Bundesverwaltung beim Bundesumweltamt eingerichtet werden. Anstatt in diesem Bereich auf die bestehenden
Strukturen bei den Länderverwaltungen zurückzugreifen, soll jetzt eine Doppelverwaltung eingerichtet werden. Das muss aus unserer Sicht haushaltsrechtlich und
finanzpolitisch überprüft werden. Aus diesem Grunde
beantragen wir, dass der Haushaltsausschuss vor der Beratung im Plenum eingeschaltet wird.
Herzlichen Dank, Herr Präsident.
Ich darf fragen, ob es zu diesem Antrag Wortmeldungen gibt? - Bitte schön.
({0})
Ich muss ehrlich sagen, dass ich über den Antrag und
über die Art, wie Sie ihn vorgetragen haben, doch etwas
verwundert bin.
Ich schlage vor, dass wir, wenn wir über den Antrag
abstimmen müssen, diese Abstimmung mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages
verbinden.
({0})
Es ist beantragt, mit der Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag die Beschlussfähigkeit des Hauses festzustellen. Dieser Antrag kann nur mit dem Mittel
des Hammelsprungs durchgeführt werden. Deswegen
bitte ich die Mitglieder des Hauses, den Saal zu verlassen, und ich bitte, dafür Sorge zu tragen, dass die
Schriftführer an den drei Türen Platz nehmen, damit die
Zählung vorgenommen werden kann.
Darf ich fragen: Sind die Türen mit den Schriftführern besetzt? - Es fehlen noch vier.
Die Schriftführer sind anwesend. - Ich bitte, mit der
Auszählung zu beginnen.
Wenn jetzt kein Mitglied mehr den Saal durch eine
der drei Türen betreten will, dann bitte ich darum, die
Türen zu schließen
({0})
und mir das Ergebnis der Abstimmung bekannt zu geben.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe Ihnen das
Ergebnis der Abstimmung bekannt: Es hat 209 Ja-Stimmen gegeben, eine Nein-Stimme, zwei Enthaltungen.
Damit ist die Beschlussfähigkeit des Hauses nicht gegeben.
Ich hebe die Sitzung auf.