Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Tag, liebe Kolleginnen
und Kollegen!
Interfraktionell ist vereinbart worden, in der laufenden Sitzungswoche keine Befragung der Bundesregierung durchzuführen. Stattdessen soll als erster Punkt der
heutigen Tagesordnung eine vereinbarte Debatte zur vorgesehenen Änderung der vertraglichen Grundlagen der
EU durchgeführt werden. Für die Beratung ist eine
Stunde vorgesehen. Dazu liegen Anträge der Fraktion
der FDP auf Drucksache 16/5882 und der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5888 vor,
die an die Ausschüsse überwiesen werden sollen. Anschließend folgen die Fragestunde und eine Aktuelle
Stunde. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten können,
müssen wir zwei Wahlen zu Gremien durchführen. Die
Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass die Kollegen
Dr. Reinhard Göhner und Thomas Kossendey als ordentliche Mitglieder aus dem Gemeinsamen Ausschuss nach
Art. 53 a des Grundgesetzes ausscheiden. Als Nachfolger werden der Kollege Ruprecht Polenz, der bisher
stellvertretendes Mitglied war, und der Kollege Enak
Ferlemann vorgeschlagen. Neues stellvertretendes Mitglied soll der Kollege Steffen Kampeter werden. Sind
Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann sind die Kollegen Ruprecht Polenz und
Enak Ferlemann zu ordentlichen Mitgliedern und der
Kollege Steffen Kampeter zum stellvertretenden Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des
Grundgesetzes gewählt.
Die Fraktion der SPD hat vorgeschlagen, den Vizepräsidenten Dr. h. c. Wolfgang Thierse als Nachfolger des
Kollegen Eike Hovermann zum neuen stellvertretenden
Mitglied im Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ zu wählen.
Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre auch dazu keinen Widerspruch. Dann ist der Kollege Dr. h. c. Wolfgang
Thierse zum stellvertretenden Mitglied im Kuratorium
der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland“ gewählt.
Ich rufe die Zusatzpunkte 1 bis 3 auf:
ZP 1 Vereinbarte Debatte
zur vorgesehenen Änderung der vertraglichen
Grundlagen der EU
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Löning, Dr. Werner Hoyer, Michael Link ({0}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
EU-Regierungskonferenz schnell zum Erfolg
führen
- Drucksache 16/5882 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ({1})
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
EU-Regierungskonferenz - Für eine handlungsfähige und demokratische EU
- Drucksache 16/5888 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Dr. Angelica Schwall-Düren für die SPD-Fraktion.
({2})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das ist eine ungewöhnliche Zeit für eine Debatte
über ein so wichtiges Thema wie das Ergebnis des EUGipfels zur Vertragsänderung. Ich freue mich deswegen
umso mehr, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, Herr
Redetext
Vizekanzler und Herr Außenminister, an dieser Debatte
teilnehmen.
({0})
Das unterstreicht die Wichtigkeit des Themas, über das
wir heute noch einmal sprechen wollen, obwohl die Ergebnisse des Gipfels in der Öffentlichkeit offensichtlich
schon wieder etwas in den Hintergrund getreten sind.
Wir erinnern uns, dass die Aussprache zur Regierungserklärung vor dem Regierungsgipfel von Zweifel
und Bangen geprägt war. Wir haben uns gefragt, ob dieser Gipfel wirklich zum Erfolg führen kann. Natürlich
hatten wir Hoffnung, aber die Gipfeldramatik hat uns
zwischendurch erneut zittern lassen.
Eines müssen wir festhalten: In einer Hinsicht ist der
Gipfel gescheitert. Es gibt keine europäische Verfassung.
Dies wussten wir allerdings schon vor dem Gipfel. Das,
was wir mit einer Verfassung verbunden hätten, nämlich
den Enthusiasmus für die Europäische Union zu steigern, den Zusammenhalt zu stärken und die politische
Vertiefung in einer größeren EU zustande zu bringen,
können wir jetzt nicht auf diesem Wege, also nicht mithilfe einer Verfassung, voranbringen. Dennoch dürfen
wir sagen, dass dieser Gipfel ein großer Erfolg gewesen
ist. Denn er bedeutet Aufbruch. Die Blockade ist durch
das Mandat für die Regierungskonferenz zur Vertragsänderung aufgelöst.
Übrigens möchte ich daran erinnern, dass die gesamte
deutsche EU-Ratspräsidentschaft aus unserer Sicht ein
großer Erfolg gewesen ist.
({1})
Dafür möchten wir Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, danken, aber auch allen Ministern und Ministerinnen des
Kabinetts; ich kann sie nicht alle aufzählen.
({2})
Sie werden verstehen, dass ich nur ein paar Einzelne
nenne.
({3})
- Ich meinte, ich kann nicht alle Minister und deren Erfolge, die sie im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft erreicht haben, aufzählen.
Mir ist es wichtig, an ein paar wenige Punkte zu erinnern, zum Beispiel daran, dass die Justizministerin
Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher erreicht hat,
beispielsweise in Fragen des grenzüberschreitenden
Schadensersatzes. Es war wichtig, dass der Wirtschaftsminister die Senkung der Handygebühren erreicht hat.
({4})
Der Klimaschutz hat einen ganz entscheidenden Schub
bekommen durch die Vereinbarungen, die in Zusammenarbeit zwischen Umwelt-, Wirtschaftsminister und Bundeskanzlerin erreicht worden sind. Mir ist auch sehr
wichtig, dass auf der europäischen Ebene die Debatten
über die soziale Dimension durch die Aktivitäten unseres Arbeits- und Sozialministers Franz Müntefering verstärkt worden sind.
({5})
Die Thematisierung des europäischen Wirtschafts- und
Sozialmodells, der guten Arbeit, der Teilhabe der Menschen, vor allen Dingen auch der benachteiligten, ist hier
ganz besonders zu erwähnen. Nicht zuletzt möchte ich
unseren Außenminister nennen, der unter anderem erreicht hat, dass das Nahostquartett reaktiviert worden ist
({6})
und dass die Zentralasienstrategie auf die Agenda gesetzt wurde. Ich möchte hier jetzt nicht alles im Einzelnen schildern. Er hat auch sehr viel Arbeit im Hintergrund dafür geleistet, dass dieser Gipfel letztendlich zum
Erfolg geführt hat.
Damit will ich zur Vertragsreform zurückkommen.
Ganz entscheidend ist - ich meine, wir müssen das noch
einmal unterstreichen - die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union durch einen Ratspräsidenten, der über zweieinhalb Jahre die Leitung der
Europäischen Union übernimmt. Es gibt eine weitere
Stärkung durch den EU-Außenminister; ich nenne ihn
so, auch wenn er diesen Namen nicht bekommt. Durch
seinen Doppelhut stellt er eine enge Verbindung zwischen Rat und Kommission her und ist eine Voraussetzung - keine Garantie, aber eine Voraussetzung - dafür,
dass wir mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vorankommen.
Selbstverständlich ist uns das Mehr an Demokratie,
das wir durch diese Vertragsreform erreichen können,
ganz besonders wichtig. Das Europäische Parlament
wird gestärkt, wir bekommen ein europäisches Bürgerbegehren, und auch die nationalen Parlamente werden
gestärkt. Das ist deshalb wichtig, weil durch die Vertragsreform die Transparenz eher gemindert worden ist;
die Komplexität des Textes schafft wenig Durchschaubarkeit. Deswegen brauchen wir die nationalen Parlamente. Sie sind nicht nur als Frühwarnsysteme und zur
Subsidiaritätskontrolle wichtig, sondern sie können auch
dazu beitragen, dass die europäische Politik von der nationalen Ebene aus mitgestaltet wird.
({7})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, uns in der SPDBundestagsfraktion war besonders wichtig, auch formell
das Einvernehmen mit der Regierung hinsichtlich der
Einberufung einer Regierungskonferenz festzustellen.
({8})
Nun müssen wir das auf eine Sitzung im Herbst verschieben. Aber wir wollen schon heute anmelden: Es ist
uns sehr wichtig, dass der Bundestag eingebunden wird
und dass wir unsere Rechte in Anspruch nehmen können.
({9})
Aufgabe des Bundestages und der nationalen Parlamente insgesamt ist es, über jeden einzelnen Rechtsetzungsakt und seine Auswirkungen einen Dialog bzw.
eine Auseinandersetzung zu führen. Das bringt Europa
den Bürgern näher und macht Europa greifbarer. Aber
ich glaube, dass wir auch in unseren eigenen Reihen und
mit unseren Kollegen aus den anderen Parlamenten über
die Gesamtrichtung der Europäischen Union diskutieren
müssen. Wir brauchen eine größere Bereitschaft, Europa
zu gestalten. Erneute Versuche, unsere Gemeinsamkeit
zu verhindern, brauchen wir nicht.
Der Erfolg ist noch nicht gesichert. Aber ich denke,
dass das enge Mandat für die portugiesische Ratspräsidentschaft eine gute Voraussetzung ist, um dafür zu sorgen, dass der Text letztendlich beschlossen werden kann.
Allerdings steht noch viel Detailarbeit an. Wir können
uns nicht sicher sein, dass einzelne Mitgliedstaaten - ob
Großbritannien oder Polen - nicht erneut den Versuch
unternehmen werden, Veränderungen des Textes herbeizuführen.
Ich möchte insbesondere in Richtung unseres großen
polnischen Nachbarn sagen: Wir brauchen ein selbstbewusstes Polen, das zu konstruktiver Mitarbeit bereit und
nicht von fortlaufendem Misstrauen gegenüber der Europäischen Union geprägt ist. Dieses Misstrauen steht
übrigens nicht im Einklang mit der Auffassung der polnischen Bevölkerung, die heute in einem Ausmaß wie
nie zuvor, nämlich zu fast 90 Prozent, hinter der Europäischen Union und ihrer vertraglichen Weiterentwicklung steht.
({10})
Ich bin froh, dass viele dabei geholfen haben, dieses
Mandat über diese Hürde zu heben. An dieser Stelle
möchte ich Italien, vor allen Dingen aber Frankreich erwähnen, das auf der europäischen Bühne zurück ist. Ich
hoffe, dass das Weimarer Dreieck auch in Zukunft ein
Format sein wird, mit dem wir die EU in einem positiven
Sinne weiterentwickeln.
Die Ratifizierung muss gelingen. Die kommenden
Monate werden darüber entscheiden, welchen Weg die
EU gehen wird: ob es ein Europa der unterschiedlichen
Geschwindigkeiten oder ob es ein gemeinsames und
starkes Europa geben wird, das einen positiven Beitrag
dazu leisten kann, dass die Konflikte in der Welt gelöst
und die großen Herausforderungen, zum Beispiel im Bereich des Klimaschutzes, wirklich angegangen werden.
Europa kann und muss als Chance begriffen werden.
In diesem Sinne wünschen wir der portugiesischen Ratspräsidentschaft von dieser Stelle aus alles Gute für das
Gelingen der Regierungskonferenz und der Ratspräsidentschaft insgesamt.
Herzlichen Dank.
({11})
Das Wort hat der Kollege Markus Löning für die
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich will zu Beginn das aufnehmen, was Sie, Frau
Schwall-Düren, hier zur Beteiligung des Deutschen
Bundestages gesagt haben. Ich muss sagen, es ist schon
beschämend für den Deutschen Bundestag, dass wir anstelle der Befragung der Bundesregierung eine vereinbarte
Debatte führen müssen. Ich hätte es für eine politische
Selbstverständlichkeit gehalten, dass nach Abschluss der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft, nach Abschluss des
Europäischen Rates die Bundeskanzlerin und der Außenminister vor dem Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung abgeben und sich der Debatte stellen. Ich
verstehe das nicht.
({0})
An dieser Stelle rede ich von einer politischen Selbstverständlichkeit, noch nicht einmal von der Vereinbarung,
die wir getroffen haben.
({1})
- Lieber Herr Kauder, es trifft sehr wohl auf die Vereinbarung zu.
({2})
- Ich bin in der Schlussphase an den Verhandlungen über
diese Vereinbarung beteiligt gewesen. Herr Kauder, aus
Ihrer Fraktion kam das dringende Anliegen, dass in jeder
Frage der Vertragsänderung und in jeder Frage der europäischen Erweiterung vorher der Deutsche Bundestag
befasst wird,
({3})
und er wird nicht befasst in diesem Fall.
({4})
Ich verstehe das nicht. Ich verstehe auch nicht das Parlamentsverständnis, das dahinter steht, dass der Deutsche
Bundestag vorher nicht damit befasst wird. Wir haben
ein Ergebnis der deutschen Ratspräsidentschaft, wir haben ein Mandat,
({5})
und wir würden diesem Mandat zustimmen; wir sind ja
dafür, dass die Regierungskonferenz durchgeführt wird.
Ich verstehe nicht, warum die Vereinbarung, die mit viel
Mühe verhandelt worden ist und die dem Deutschen
Bundestag auf europäischer Ebene mehr als Informationsrechte, nämlich echte Mitwirkungsrechte gegeben
hätte, hier und heute in die Tonne getreten wird. Ich halte
das für inakzeptabel.
({6})
Diese Vereinbarung war dazu gedacht, die demokratischen Rechte der Abgeordneten zu stärken, die Mitsprache des Deutschen Bundestages zu stärken; aber sie war
auch dazu gedacht, dass mehr Transparenz in die europäische Debatte kommt, Herr Kauder,
({7})
dass wir hier öffentlich debattieren, was in Europa passiert, um zu verhindern, dass - wie sonst immer - in
Brüssel hinter verschlossenen Türen debattiert wird und
die Bürger nicht nachvollziehen können, was passiert.
Wir wollen die Debatten hier im Plenum führen, vor den
Augen der deutschen Öffentlichkeit. An dieser Stelle
verweigert die Bundesregierung die Erfüllung der Vereinbarung. Das finde ich nicht nur schade, das ist eine
Schande, das ist ein Schlag ins Gesicht des deutschen
Parlamentes.
({8})
Lassen Sie mich zu den Inhalten dessen, was der Europäische Rat vereinbart hat, einiges sagen: Wir begrüßen außerordentlich, dass diese Einigung erreicht worden
ist. Es ist gut, dass es dieses Mandat gibt; das steht außer
Zweifel. Wir haben uns dadurch, dass wir mit unseren internen Angelegenheiten nicht zu Potte gekommen sind,
zum Gespött der Bürger und auch zum Gespött unserer
Partner in Übersee gemacht. Frau Kanzlerin, ich möchte
wiederholen, was ich gerade im Ausschuss gesagt habe:
Ich finde es sehr wichtig, dass diese Einigung gemeinsam
erreicht worden ist, mit allen 27 Mitgliedern; dass niemand von Bord gegangen ist; dass niemand am Rande
stehen gelassen wurde. Das ist immer der Geist gewesen,
der die EU geprägt hat. Das war mit 6 oder 9 oder 12 einfach, das ist mit 27 selbstverständlich viel schwieriger.
Aber wir erkennen an, dass es Ihnen und den anderen Regierungschefs gelungen ist, alle 27 an Bord zu halten.
Das ist ein Wert an sich.
({9})
Ich möchte nun auf den einen oder anderen Wermutstropfen hinweisen. Der faire und unverfälschte Wettbewerb ist auf Wunsch von Herrn Sarkozy aus den Zielen der Europäischen Union gestrichen worden. Nun ist
ja bekannt, dass Frankreich das sozialistischste aller sozialistischen Länder ist, egal wer da regiert.
({10})
- Ja. Aber was das Staatsverständnis angeht, ist das
durchaus so, Herr Trittin; da hilft keine Wortklauberei,
der Wettbewerb sei nur ein Instrument zur Sicherstellung
usw. - Ich glaube, dass wir hier ein Stück vor einem Paradigmenwechsel stehen.
({11})
Das Wort „Marktwirtschaft“ tauchte schon in der Berliner Erklärung nicht auf. Doch die Marktwirtschaft ist ein
Kernelement der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
und der Europäischen Union gewesen. Der Wettbewerb
hat dafür gesorgt, dass immer mehr Bürger Zugang zu
neuen Dienstleistungen und neuem Wohlstand erlangt
haben. Es war ein konstitutives Element der europäischen Einigung, dass wir unsere Märkte geöffnet haben.
Hätten wir die Kommission, die den Zielen der Union
verpflichtet ist, in den letzten Jahren nicht als Hüterin
der Verträge gehabt, dann würden wir hier - auch darüber müssen wir uns klar sein - immer noch mit Telefonen mit Drehscheiben telefonieren.
({12})
- Sie vielleicht nicht. Ich weiß nicht, wie Sie zu Hause
telefonieren. Mir würde da einiges einfallen.
Es ist aus unserer Sicht ein schwerer Fehler, dass das
gestrichen worden ist. Wir wünschen uns und werden in
Zukunft darauf dringen, dass die Europäische Union
auch weiterhin eine marktwirtschaftliche Union ist. Gerade in der Sicherstellung des Wettbewerbs zugunsten
der Verbraucher sehen wir ein wichtiges Element der sozialen Dimension der Europäischen Union.
Das Europäische Parlament wird einige Rechte mehr
erhalten. Wir haben heute erlebt, dass sich die nationalen
Parlamente ihre Rechte werden erkämpfen müssen. Im
Vergleich zum Verfassungsvertrag wird die Subsidiaritätskontrolle künftig etwas anders aussehen. Wir brauchen ein größeres Quorum. Statt wie vorgesehen sechs
Wochen, haben wir jetzt zwar acht Wochen Zeit, aber
wir müssen die Hälfte der Parlamente - das sind 14 - davon überzeugen, diese Einrede zu erheben. Ich weiß
nicht, ob ich das als eine Stärkung der nationalen Parlamente im Bereich der Subsidiarität ansehen kann.
Auf jeden Fall müssen wir Parlamentarier - das ist
völlig unabhängig von diesem Reformvertrag - unsere
Regierung bei dem, was sie im Ministerrat tut, deutlich
strenger kontrollieren. Wir müssen der Regierung von
hier aus mehr Berichte und klarere Stellungnahmen abfordern, ihr die Hände auch ein Stück weit binden und
Richtungen dafür vorgeben, wie verhandelt werden soll.
Das ist allerdings keine Frage des Vertrages, sondern
eine Frage des Selbstbewusstseins dieses Hauses.
Das Prinzip der doppelten Mehrheit wird erst 2014
eingeführt. Darüber kann man nun Tränen vergießen. Ich
hätte dies gerne früher erreicht; denn damit wird endlich
ein wichtiges Element in die Verträge eingeführt, das unserem Demokratieverständnis entspricht, nämlich das
Verhältnis One Person, One Vote. Wir sind noch nicht
ganz am Ziel, aber wir gehen zumindest in diese Richtung. Wir sagen, dass die Union nicht nur eine Union der
Staaten, sondern auch der Bürger ist. Deshalb ist es
selbstverständlich, dass es zumindest annäherungsweise
in diese Richtung geht.
Es ist schade, dass das noch nicht erreicht wurde, aber
ich denke, es ist auch durchaus verständlich, dass Polen
an dieser Stelle für sein eigenes Anliegen gekämpft hat.
Das kann man hier mit Häme übergießen, man kann das
aber auch lassen. Ich glaube, es ist wichtig zu erkennen,
dass die Polen für ihr Anliegen gekämpft haben. Über
die Mittel kann man streiten. Für uns Deutsche ist es
wichtig, dass die Polen an Bord geblieben sind. Am
Ende des Tages kommt es darauf an, dass wir unser Verhältnis zu Polen wieder auf die Reihe bekommen. Das
sind unsere Nachbarn, und sie werden es auch noch sein,
wenn die Kaczynskis längst nicht mehr an der Macht
sind.
Zum Schluss noch eine Bemerkung: Der Zeitplan ist
sehr ambitioniert, es ist aber unerlässlich, dass er eingehalten wird. Wir brauchen 2009, wenn das Europäische
Parlament gewählt wird, eine neue Grundlage. Der
nächste Kommissionspräsident soll vom Europäischen
Parlament gewählt werden. Das wäre ein sichtbares Zeichen nach außen, dass es gelungen ist, Europa zu reformieren.
Vielen Dank.
({13})
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Gunther
Krichbaum das Wort.
({0})
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Erlauben Sie mir, dass ich hier zunächst
einmal das aufgreife, was Herr Kollege Löning eingangs
gesagt hat.
Herr Kollege Löning, lassen Sie die Kirche doch einmal hübsch im Dorf. Wir wurden seitens der Bundesregierung beispielsweise dadurch unterrichtet, dass Herr
Außenminister Steinmeier kürzlich - unmittelbar vor der
Ratssitzung - bei uns im Ausschuss war. Unmittelbar danach wurden wir ebenfalls von Herrn Außenminister
Steinmeier durch einen Brief an Herrn Bundestagspräsidenten Dr. Lammert informiert. Sie haben vorhin erwähnt, was Sie im Ausschuss gesagt haben. Sie hätten
aber ruhig hinzufügen können, dass auch unsere Bundeskanzlerin an der Ausschusssitzung teilgenommen und
auf alle Fragen Rede und Antwort gestanden hat.
({0})
Insofern sind wir alle zuversichtlich, dass diese vertrauensvolle Arbeit fortgesetzt werden kann. Alle gegenteiligen Vermutungen sind, glaube ich, völlig fehl am Platz.
Ich denke, dass gerade die jetzige Bundesregierung unter
Beweis gestellt hat, wie eng das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament sein kann. Ich hätte mir gewünscht, dass das auch in den vergangenen Jahren der
Fall gewesen wäre.
({1})
Mit der heutigen Debatte zu den vorgesehenen Änderungen der vertraglichen Grundlagen der EU wird zunächst die Frage nach den Chancen, Ausblicken und Perspektiven Europas insgesamt aufgeworfen. Verkürzt
ließe sich feststellen, dass wir immer die Perspektiven
haben, die wir uns selber geben und dass sich diese Perspektiven aus Visionen entwickeln. Eine dieser Visionen
war unzweifelhaft die einer europäischen Verfassung.
Nach Monaten zäher Verhandlungen im Konvent
wurde schließlich ein Kompromiss gefunden, den im
Übrigen damals alle Staats- und Regierungschefs unterzeichnet und mitgetragen haben, der aber in der Folgezeit mehr und mehr infrage gestellt wurde. Er wurde so
sehr infrage gestellt, dass wir letzten Endes erhebliche
Schwierigkeiten hatten.
An dieser Stelle müssen wir uns in Erinnerung rufen,
wo wir noch vor einem halben Jahr standen. Alle Positionen gingen auseinander. Auf die deutsche Ratspräsidentschaft kam eine Herkulesaufgabe zu. Ich denke, dass
seitdem unglaublich viel gelungen ist, und zwar deshalb,
weil die Bundesregierung - auch im Umgang mit kleineren Mitgliedstaaten - konsequent, besonnen und mit Bedacht gehandelt hat. An dieser Stelle sei vor allem den
zahlreichen Mitarbeitern im Bundeskanzleramt und im
Auswärtigen Amt gedankt, die daran Anteil hatten.
Die Bundesregierung hatte die Aufgabe - auch das
darf man in Erinnerung rufen -, einen Fahrplan vorzulegen. Sie hatte dabei den Ehrgeiz, sich sozusagen nicht alleine mit den Abfahrtszeiten der Züge zufriedenzugeben;
sie wollte vielmehr klären, wohin die Reise tatsächlich
geht. So konnte am Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ein Konzept vorgelegt werden, das die Hindernisse aus dem Weg geräumt hat. Ich würde sagen,
80 Prozent der Aufgaben sind gelöst. Aber wir sind sicherlich alle zuversichtlich, dass die portugiesische
Ratspräsidentschaft mit Engagement auch die letzten
20 Prozent - dabei wird der Teufel im Detail liegen - lösen wird.
Erlauben Sie mir, als Parlamentarier den Blick zurückschweifen zu lassen. Ja, wir wollten eine Verfassung. Wir
haben zwar letztlich keine Verfassung bekommen; es ist
aber doch deutlich mehr als eine Gebrauchsanweisung
für Europa. Denn ohne das Ergebnis, das wir letzten Endes erzielt haben, wäre Europa handlungsunfähig gewesen. Es ist das Verdienst dieser Bundesregierung, dass
wir die Europäische Union, die in diesem Punkt auf der
Stelle trat, aus dieser Lähmung befreien konnten und
wieder eine Perspektive haben, wie es weitergehen soll.
({2})
Zu einer Verfassung hätte auch eine Präambel gehört,
in der ein Wertekanon für die Europäische Union zusammengefasst ist. Symbole wie eine Flagge und eine
Hymne hätte ich persönlich ebenfalls sehr begrüßt, aber
dies scheiterte am Widerstand anderer, die die Entstehung eines europäischen Superstaats befürchteten.
Letztlich ist es aber gelungen, einen wesentlichen Teil
zu integrieren, der zunächst auf der Kippe gestanden
hatte. Wir konnten nämlich das Element der Grundrechtecharta und damit die Substanz dessen, was wir
für unabdingbar halten, retten.
Frau Bundeskanzlerin, ich denke, vieles ist Ihrem persönlichen Einsatz zu verdanken, ohne den wir es mit Sicherheit nicht geschafft hätten.
({3})
An die Konsequenzen, die sich aus einem Scheitern ergeben hätten, wollen wir besser nicht denken.
Lassen Sie mich auf einige Neuerungen eingehen,
die der Kompromiss, der Grundlagenvertrag, wie er
wahrscheinlich heißen wird, bringen wird. Wir bekommen die doppelte Mehrheit. Es ist ein kluger Kompromiss, dass in Zukunft 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die
65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren müssen, ausreichen, um eine Entscheidung zu treffen. Damit ist
Europa handlungsfähiger geworden. Die Bürger wollen
nicht, dass Blockaden aufgebaut werden, sondern dass
wir in der Behandlung ihrer Probleme weiterkommen.
Wir haben Erfolge in den zentralen Bereichen Justiz und
Inneres erzielen können, eine Domäne nationaler Souveränität. Auch hier ist es gelungen, die übrigen Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, dass dann, wenn die Probleme internationaler werden, auch die Lösungsansätze
internationaler werden müssen, dass das Zeitalter der
Globalisierung, in dem wir leben, globalisierte Bedrohungslagen zur Folge hat und dass wir auf Fragen betreffend den internationalen Terrorismus nicht mehr national
reagieren können.
Das wird in Zukunft der Leitfaden in Europa sein:
Europa wird sich mehr denn je um die Dinge kümmern,
die über die Kraft der einzelnen Nationalstaaten hinausgehen - hier ist Europa mehr denn je gefordert. Aber getreu dem Subsidiaritätsprinzip müssen wir das, was die
Mitgliedstaaten und die Regionen selbst lösen können,
in deren Hand belassen. Das schafft Vertrauen bei den
Bürgern, aber auch die notwendige Handlungsfähigkeit
bei unseren Institutionen.
Auch die nationalen Parlamente wurden aufgewertet. Schließlich ist es in Zukunft möglich, dass dann,
wenn 50 Prozent der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten Kommissionsvorschläge, mit denen sie
nicht einverstanden sind, infrage stellen, die Kommission ihren eigenen Vorschlag überprüfen, notfalls begründen oder sogar zurückziehen muss, wenn das Europäische Parlament einen entsprechenden Beschluss fasst.
Das zeigt: Die Rechte der Parlamentarier insgesamt werden durch den neuen Grundlagenvertrag deutlich gestärkt; das ist das Erfreuliche. Das sollten wir nicht
kleinreden; denn bei alledem, was nicht berücksichtigt
werden konnte, dürfen wir nicht in einen Minimalismus
verfallen. Es ist viel gelungen, mehr, als wir zu träumen
gewagt haben.
({4})
Es liegt in der Tat nun an uns, das mit Leben zu füllen; denn wenn die nationalen Parlamente mehr Einfluss
bekommen, dann müssen sie sich auch dieser Herausforderung stellen. Das heißt, nicht nur das Frühwarnsystem
kommt auf uns zu. Vielmehr haben wir es in Zukunft in
der Hand, zu vielen Angelegenheiten nicht nur Stellung
zu nehmen. Wir müssen in Zukunft unsere Aufgaben
deutlich früher wahrnehmen. Deswegen ist es wichtig,
dass sich die europäischen Institutionen, der Bundestag
und das Europäische Parlament deutlich stärker miteinander verzahnen.
Europa wäre aber nicht komplett, wenn wir uns nur
mit den Fragen hinsichtlich der Institutionen aufhielten.
Deswegen bin ich persönlich sehr froh, dass wir am
Ende den Grundlagenvertrag haben werden und wir uns
wieder den Problemen, die die Bürger bewegen, zuwenden können. Die Globalisierung wirft viele Fragen auf,
gerade im Hinblick auf unsere Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, Herr Müntefering. Wir müssen aber an
dieser Stelle deutlich machen, dass wir als exportorientierte Nation überproportional profitieren, wenn neue
Märkte entstehen, namentlich in Osteuropa. Auch hier
warten gewaltige Herausforderungen auf uns. Zu diesem
Schluss komme ich, wenn ich beispielsweise an die
Konfliktherde denke, die Sie, Herr Außenminister
Steinmeier, jüngst im Europaausschuss thematisierten.
Ich denke speziell an die Kosovoproblematik. Wir haben
ein großes Interesse daran, dass hier stabile Strukturen
geschaffen werden, die über den Tag hinaus halten; denn
alles andere - es ist schon genügend Fragilität vorhanden wird uns eines Tages in Deutschland einholen. Wir müssen uns genau deswegen als Europäer in diesen Fragestellungen engagieren und dürfen es nicht alleine unseren amerikanischen Freunden und Partnern überlassen,
genauso wenig wie unseren russischen Partnern; denn
wir werden von diesen Dingen ganz anders betroffen
sein.
Wir stehen vor Herausforderungen im Bereich der
Energiekooperation. Auch das bewegt die Menschen,
und auch an der Stelle können wir sehen, dass in Europa
tatsächlich Solidarität gefordert ist. Diese Solidarität darf
unser Nachbarland Polen gegenwärtig spüren. Wir wissen
um die Werte der Europäischen Union und werben dafür,
weil Solidarität natürlich auch keine Einbahnstraße ist.
Wenn das politische Europa an dieser Stelle zusammenbleibt, dann werden wir eine der Sternstunden Europas erleben, weil wir immer dann erfolgreich sind und sein werden, wenn wir mit einer Stimme sprechen. Das zeigte sich
zuletzt, Frau Bundeskanzlerin, beim G-8-Treffen in Heiligendamm. Es wäre nicht gelungen, die Klimaschutzziele
gegenüber den USA durchzusetzen - auch hier darf man
sich daran erinnern, wo wir vor Heiligendamm standen -,
wenn wir nicht mit einer Stimme gesprochen hätten.
Wenn Europa mit einer Stimme spricht, wird es nicht nur
glaubwürdig, sondern es wird gestärkt im Wettbewerb
mit den USA und unseren südostasiatischen Wirtschaftspartnern.
Und last, not least, weil ich gerade von der Wirtschaft
gesprochen habe: In der Wirtschaftspolitik wird es
wichtiger denn je sein, dass wir uns richtig positionieren
- ganz nebenbei: auch im Ausschuss für die AngelegenGunther Krichbaum
heiten der Europäischen Union -, weil hier noch große
Chancen auf uns warten, Stichwort: transatlantische
Wirtschaftspartnerschaft. Wenn wir es schaffen, hier zu
einheitlichen Standards zu gelangen, dann werden gerade wir in Deutschland davon wiederum überproportional profitieren.
Es gibt noch eine Menge zu tun. Wir wünschen Ihnen,
Frau Bundeskanzlerin, und der ganzen Bundesregierung
alles Gute bei den weiteren Verhandlungen, die Sie sicherlich auch in der vertrauten Partnerschaft mit dem
Deutschen Bundestag führen werden. Wir alle sind weiterhin davon überzeugt, dass unsere Zukunft in Europa
liegt.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort hat der Kollege Alexander Ulrich für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die deutsche Ratspräsidentschaft stand unter dem Motto
„Europa gelingt gemeinsam“. Zum Ende der Ratspräsidentschaft müssen wir nun leider feststellen, dass
„gemeinsam“ nicht bedeutet, dass man auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt. Noch viel schlimmer für
Deutschland ist aber, dass man noch nicht einmal das
Parlament beteiligen will.
Ich möchte auf die Vereinbarung aufmerksam machen, die Herr Löning von der FDP vollkommen zu
Recht schon erwähnt hat und die in einer Zeit verabredet
wurde, als Sie, Frau Bundeskanzlerin, noch Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU waren, also zu Ihren Oppositionszeiten. Herr Kauder kennt diese Vereinbarung auch.
Jeder hier im Hause kennt den Geist der Vereinbarung
und weiß, dass im Vorfeld von solch wichtigen Entscheidungen der Bundestag natürlich beteiligt werden soll.
Ich finde es merkwürdig, dass man zwar überall Pressekonferenzen gibt und zum Ende der Ratspräsidentschaft
auch vor dem Europäischen Parlament in Brüssel ein Resümee zieht, aber hier im Bundestag keine Regierungserklärung abgibt und auch kein Einvernehmen anstrebt.
Ich sage an dieser Stelle: Das ist nicht der Umgang, wie
der Bundestag in die Europapolitik einbezogen werden
soll.
({0})
Einen solchen Umgang sollten wir als Parlamentarier
nicht durchgehen lassen. Mir erscheint es auch ein bisschen merkwürdig, dass heute zwar die Mitglieder der
Bundesregierung sehr zahlreich hier erschienen sind,
dass sich die Regierung aber einer Debatte verweigert,
dass sie noch nicht einmal Stellung nimmt und auch jetzt
wieder in eine Regierungskonferenz gehen will, ohne
den Bundestag zu beteiligen.
Wir haben auf vielen europäischen Konferenzen
- Herr Krichbaum, Sie wissen das auch - immer wieder
gerade diese Vereinbarung des Deutschen Bundestages
als nachahmenswertes Beispiel auch für andere Staaten
erwähnt. Wir müssen jetzt eigentlich Abbitte leisten,
weil die Bundesregierung schon beim ersten Mal, wo die
Vereinbarung greifen könnte, einmal mehr macht, was
sie will. Herr Krichbaum, ich verstehe nicht, warum Sie
sich hier hinstellen und die Bundesregierung verteidigen, obwohl Sie heute Morgen bei den Obleuten noch
eine ganz andere Auffassung vertreten haben.
({1})
Hinsichtlich der Bewertung der deutschen Ratspräsidentschaft werden wir uns auch nicht den vielen
Lobeshymnen anschließen, die heute Morgen im Ausschuss angestimmt worden sind. Die Geschichte wird
zeigen, dass die deutsche Ratspräsidentschaft einmal
mehr dafür steht, dass Europa auch weiterhin in der
Krise bleibt. Denn halten wir einmal fest: Der Gipfel im
März war von der Diskussion über den Klimaschutz geprägt. Wir wissen, dass nichts dabei herausgekommen ist
außer Absichtserklärungen. Es ist bis heute noch nicht
klar, wie Europa und die einzelnen Staaten diese Klimaschutzziele erreichen wollen. Gerade Deutschland ist
negativ belastet. Wenn alle geplanten Kohlekraftwerke
gebaut werden, kann Deutschland die Klimaschutzziele
nicht erreichen. Somit ist die Aufgabe des Klimaschutzes auf zukünftige Generationen verschoben worden. Es
gibt nicht mehr als eine Absichtserklärung.
({2})
Wir stellen fest: Der EU-Russland-Gipfel ist gescheitert. Auch das bleibt zum Ende der Ratspräsidentschaft festzuhalten. Wir wissen, dass Europa in der
Frage der Raketenabwehrsysteme in den osteuropäischen Staaten auseinanderdriftet. Auch da hat es die
deutsche Bundesregierung nicht verstanden, deutlich zu
machen, dass Europa mit einer Stimme sprechen muss.
Letztendlich ist man auch bei der Verfassungsfrage gescheitert. Man spricht von dem EU-Gipfel als einem großen Erfolg, während nahezu alle Medien davon berichtet
haben, dass man einem Totalschaden gerade noch entkommen ist. Ich glaube, dass es nicht hilfreich ist, eine
Darstellung zu wählen, die weit von der Wirklichkeit der
Menschen entfernt ist.
Ich muss an dieser Stelle auch sagen: Die Bürgerinnen und Bürger Europas, die dieses Wochenende mitbekommen haben, haben eher resigniert und sich von der
Politik entfernt.
({3})
Dieses Geschachere um Stimmrechte und die Tatsache,
dass gedroht worden ist, dass man in Europa ohne Polen
weitermachen will, ist kein Fortschritt für die europäische Idee; man hat vielmehr einmal mehr versucht, die
Position des Stärkeren gegenüber Schwächeren auszuspielen.
({4})
Wir sollten auch nicht den Fehler begehen, Polen alleine
verantwortlich zu machen. Es gibt genug Länder, die
auch dort waren und sich darüber gefreut haben, dass
Polen diese Rolle übernommen hat. Gewisse Länder haben ein Interesse daran, dass die Stimmrechte anders
verteilt werden.
({5})
Wie oft sind schon Ausnahmen für England gemacht
worden? Die Rhetorik der Polen ist sicherlich nicht akzeptabel, aber die Erpressungsversuche waren auch nicht
akzeptabel; denn die Polen haben nichts anderes gemacht, als ein Recht zu nutzen, das ihnen die bestehenden Verträge lassen.
({6})
Deshalb, glaube ich, kann man so nicht mit Polen umgehen. Es wäre die Aufgabe der Bundesregierung, für Entspannung zu sorgen.
Einmal mehr muss man aber auch festhalten: Europa
hat Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern. Die gescheiterte EU-Verfassung soll jetzt unter anderem Namen als Vertrag in einer Regierungskonferenz beschlossen werden. Man hat den Ausdruck „Verfassung“
gestrichen, um damit den Weg dafür freizumachen, dass
in möglichst vielen Ländern diesem Vertrag nur noch per
Parlamentsabstimmung zugestimmt zu werden braucht
und er damit gerettet werden kann.
({7})
Es wird wenige Ausnahmen geben, wahrscheinlich eine
für Irland. Ich glaube, dass das der falsche Weg ist.
Wenn die Substanz einer gescheiterten Verfassung nun
in einem Vertrag ihren Niederschlag finden soll, dann
wird versucht, etwas Gescheitertes an den Bürgerinnen
und Bürgern vorbei durchzusetzen. Deshalb bleiben wir
die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag, die eine
europäische Volksabstimmung fordert; denn nur so ist
Europa den Bürgerinnen und Bürgern näherzubringen.
({8})
Herr Löning, auch wenn Sie der Auffassung sind,
dass Frankreich ein sozialistisches Land ist,
({9})
würde ich das nicht unterschreiben, auch wenn wir nicht
unglücklich darüber sind, dass Sarkozy teilweise Vorschläge macht, die bedenkenswert sind, dass er zum Beispiel von einer Wirtschaftsregierung und einer Demokratisierung der EZB redet, dass er davon redet, dass die
Politik der EZB auf mehr Wachstum und Beschäftigung
ausgerichtet werden müsste. Ich glaube, diese Forderungen könnten wir unterschreiben. Die spannende Frage
wird sein, wie die hochgepriesene deutsch-französische
Partnerschaft damit umgeht; denn aus Deutschland kamen sofort die Reflexe des Außenministers und des Bundesfinanzministers, dass man diese Politik ablehne.
Diese wäre aber notwendig; denn eines haben wir auch
gesehen: Es ist einmal davon geredet worden, dass
Europa ein soziales und menschliches Antlitz brauche
und zu dem Vertrag eine Dokumentation eines sozialen
Europas hinzukomme. Was haben wir jetzt? Jetzt haben
wir zwar den freien und unverfälschten Wettbewerb als
Ziel gestrichen, gleichzeitig aber mit einer Protokollnotiz diesen wieder festgeschrieben. So werden die Bürgerinnen und Bürger leider kein soziales Europa erleben.
Europa bleibt in der Krise. Die deutsche Bundesregierung hat alles dazu beigetragen, damit das auf absehbare
Zeit so bleibt.
Vielen Dank.
({10})
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Krichbaum
das Wort.
Herr Kollege Ulrich, Sie haben vorhin behauptet, ich
hätte beim heutigen Treffen der Obleute eine andere
Meinung vertreten. Das weise ich zurück. Ich glaube, es
wurde sehr deutlich - das gilt auch für die Ausführungen
in der heutigen Ausschusssitzung; Frau Bundeskanzlerin
Merkel hat daran teilgenommen -, dass die Bundesregierung ein großes Interesse daran hat, mit dem Bundestag
weiterhin sehr konstruktiv zusammenzuarbeiten.
Ich bleibe dabei: Es gab einen Brief von Herrn
Außenminister Steinmeier an uns, den Ausschuss. Vertreter der Bundesregierung haben dem Ausschuss mehrmals Rede und Antwort gestanden. Ich habe keinen
Zweifel daran, dass das auch in Zukunft so sein wird. Es
geschieht im Geiste der Vereinbarung über eine Zusammenarbeit zwischen Bundestag und Bundesregierung.
Sie sollten hier keinen Gegensatz konstruieren, wo es
gar keinen gibt. Wir, Bundestag und Europaausschuss,
werden die Regierungskonferenzen begleiten. Natürlich
gehen wir davon aus - wir haben da keinen Anlass zum
Zweifel -, dass sich die Bundesregierung um das Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag bemühen wird.
({0})
Kollege Ulrich, Sie haben die Möglichkeit zur Erwiderung.
Herr Krichbaum, ich habe sehr viel Respekt davor,
dass Sie vor kurzem zum Ausschussvorsitzenden gewählt worden sind. Sicherlich spielt bei Ihrer Wortwahl
hier noch ein wenig Dankbarkeit mit.
Auch Sie haben heute Morgen gesagt - Sie haben
letzte Woche an einer Reise des Ausschusses teilgenommen; wir haben darüber beim heutigen Treffen der Obleute geredet -, dass Sie an diesem Punkt ein bisschen
diplomatisch sein müssen - das kann man nachvollziehen -, obwohl Sie eigentlich der Auffassung sind, dass
das nicht im Geiste der Vereinbarung ist. Herr
Krichbaum, ich möchte noch einmal sagen: Ich erwarte
von Ihnen als Ausschussvorsitzenden - es geht hier nicht
um Fraktionen; es geht auch nicht um politische Richtungen; es geht hier um die Rechte des Parlaments -,
der den Weg, der zu dieser Vereinbarung geführt hat, mit
beschritten hat, dass Sie gerade jetzt, wo es losgeht, darauf dringen, dass die Bundesregierung ihre Verpflichtungen einhält.
Ich sage an dieser Stelle noch einmal - die FDP und
Bündnis 90/Die Grünen sehen das ebenso; auch die SPD
hat diesen Standpunkt heute Morgen geteilt -: Das, was
da gemacht worden ist, entspricht nicht dem Geiste dieser Vereinbarung.
({0})
Ich appelliere an Sie als Ausschussvorsitzenden, sich
als Parlamentarier zu begreifen und nicht als jemanden,
dessen Aufgabe es ist, die Politik der Bundesregierung
umzusetzen. Wenn Sie das nicht tun, dann sind Sie, was
den Ausschussvorsitz angeht, fehl am Platze.
({1})
Versuchen Sie nicht, die Rechte des Parlaments durch
falsche Aussagen zu schwächen! Unsere Einschätzung
der Ergebnisse dieser Regierungskonferenz, für die es
eine große Mehrheit geben könnte, wird von der Bundesregierung leider falsch verstanden. In Zukunft wird
man wieder sagen: Der Bundestag ist erst am Schluss der
Debatten zu beteiligen. Ich wiederhole: Man sollte von
Anfang an deutlich machen, dass das Parlament in europäische Angelegenheiten anders involviert werden muss,
als es heute der Fall ist.
({2})
Notwendig wären diese Woche eine Regierungserklärung und eine Abstimmung über einen Entschließungsantrag dazu. Aber so wie jetzt geht es nicht. Ich erwarte
von Ihnen als Ausschussvorsitzenden, dass Sie entsprechend handeln.
Noch einmal: Einvernehmen bedeutet nach unserer
Auffassung nicht, dass die Bundeskanzlerin an einer
Ausschusssitzung teilnimmt.
Vielen Dank.
({3})
Das Wort hat der Kollege Jürgen Trittin für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn
man über die Präsidentschaft Deutschlands spricht, dann
kann man natürlich ganz viel auflisten. Liebe Frau Kollegin Schwall-Düren, Sie haben versucht, hier eine erste
Bilanz zu ziehen. Machen Sie sich einmal die Mühe,
sich die Papiere anzuschauen, die die einzelnen Minister
zu Beginn der Präsidentschaft vorgelegt haben, und vergleichen Sie es mit dem, was am Ende herausgekommen
ist.
In diesem Zusammenhang müssen wir zum Beispiel
über das Projekt Galileo, über den gescheiterten Plan des
Vizekanzlers, die Übertragbarkeit von Betriebsrenten
zustande zu bringen, usw. reden. Die Bilanz in den Fachbereichen ist also nicht so - um mich einmal höflich auszudrücken -, dass man von einem durchgehenden Erfolg
sprechen kann.
({0})
Es ist der Bundeskanzlerin jedoch gelungen, den Stillstand in der Frage der Verfassung der Europäischen
Union zu überwinden. Das wird bleiben - bei aller Kritik
im Einzelnen.
({1})
Ich habe gesagt, dass ein Schritt dazu gelungen ist,
die sogenannte Denkpause zu beenden und Maßnahmen
zu ergreifen, um die Europäische Union auf eine neue
Grundlage zu stellen. Da muss ich umso mehr fragen,
liebe Kolleginnen und Kollegen - ich schaue gerade
ganz intensiv in Richtung der Union -, was das Herumgezicke soll, wenn es darum geht, darüber eine öffentliche Debatte im Bundestag zu führen.
({2})
Wir haben Sie nachdrücklich dazu genötigt. Wir reden hier über die gemeinsame Vereinbarung, die Sie
mit formuliert und mit unterschrieben haben. Darin
steht: Verhandlungen zur Veränderung von Verträgen der
Europäischen Union - damit auch die Regierungskonferenz - sind Vorhaben im Sinne dieser Vereinbarung. In
dem Fall soll vor dem Beschluss des Rates
({3})
- nein! - das Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag gesucht werden.
({4})
Das Einvernehmen stellen Sie nicht durch eine Beratung
ausschließlich im Ausschuss her.
({5})
Wenn Sie das für zu spitzfindig halten, dann diskutieren wir das doch einmal politisch durch! Wir haben als
Europapolitiker gemeinsam immer kritisiert, dass
Europa ein Legitimationsdefizit hat, weil dieses Europa
nicht hinreichend transparent ist. Sie sagen jetzt auch:
Wir wollen die EU auf eine neue vertragliche Grundlage
stellen. Wir wollen, dass dabei die nationalen Parlamente gestärkt werden. - Das steht übrigens in dem
neuen Grundlagenvertrag. - Aber die Verabredung mit
der Bundesregierung soll hinter den geschlossenen Türen des Europaausschusses stattfinden. Europa ist mehr,
als in der Kompetenz des Europaausschusses liegt. Der
Deutsche Bundestag ist ein öffentliches Forum. Hier hat
die Bundesregierung das Einvernehmen herzustellen. Das ist mein Verständnis von Europapolitik.
({6})
Das ist auch so unnötig gewesen; denn in der Sache
sind wir doch gar nicht weit auseinander.
({7})
Es ist gelungen, Grundlagen dieses Verfassungsvertrages
zu erhalten. Die Stärkung der Demokratie ist in diesem
Vertrag vorgesehen. Künftig gibt es weniger Einstimmigkeitsentscheidungen. Das heißt, künftig spielt das direkt gewählte Europäische Parlament eine größere Rolle.
Es gibt verbesserte Möglichkeiten für die nationalen Parlamente. All dies sind Dinge, von denen ich nicht
möchte, dass sie versteckt werden, wodurch solch falschen Anwürfen an die Verfassung, wie sie eben wieder
zu hören waren, Raum gegeben wird. Es ist unklug, wie
hier vorgegangen wird.
({8})
Selbstverständlich hat es dabei auch Kröten zu schlucken gegeben, etwa die Ausnahmeregelung für die
Grundrechtecharta. Aber wir müssen festhalten: Die
Grundrechte bleiben, was europäisches Recht angeht,
Bestandteil der Verfassung, und wir alle können uns darauf berufen.
Natürlich ist es problematisch, dass die doppelte
Mehrheit erst ab einem späteren Zeitpunkt gilt.
Genauso wie ich gesagt habe, die Frau Bundeskanzlerin habe hier etwas erreicht, habe ich auch überhaupt
kein Problem damit, lieber Herr Löning, Herrn Sarkozy
zu loben. Herr Sarkozy hat auf einen Fehler hingewiesen, und der Fehler ist beseitigt worden. Es ist nicht so,
dass unverfälschter Wettbewerb ein Ziel Europas ist.
Das ist es nie gewesen.
({9})
Warum hat man damals als ersten Schritt die Montanunion gegründet? Doch nicht wegen des Wettbewerbs!
Man hatte begriffen, dass wirtschaftliche Kooperation
im Wettbewerb ein Mittel ist, den Frieden in Europa zu
sichern. Das war das Verständnis von Monnet und all
denjenigen, die in der Geburtsstunde der Europäischen
Union dabei gewesen sind. Dass wir das wieder klargestellt haben, ist kein Fehler, sondern eine richtige Korrektur an dem Verfassungsvertragsentwurf. - So verstehe ich Europa.
({10})
Letzte Bemerkung. Ich höre mit Sorge, dass diejenigen, die in Brüssel zu diesem Auftrag für die Regierungskonferenz ihr Ja gegeben haben, schon wieder
dazu übergehen, das, was sie selbst gesagt haben, zu vergessen und dagegen zu opponieren. Es wird nicht leicht
werden. Aber ich glaube, dass wir als Deutscher Bundestag hier mit allem Nachdruck darauf dringen müssen,
dass die Regierungskonferenz schnell - das heißt, möglichst unter der portugiesischen Präsidentschaft - zu
einem Ergebnis kommt. Ich schaue da gar nicht zu unseren polnischen Nachbarn. Ich habe sehr wohl registriert,
in welch geschickter Art und Weise sich Großbritannien
- die britische Vorstellung von Europa ist die eines
Bündnisses von Staaten in einer Freihandelszone - hinter dem rabulistischen Vorgehen Polens versteckt hat.
({11})
Ich glaube, dass wir sehr schnell zu Ergebnissen kommen müssen, und zwar aus ganz zwingenden Gründen.
Man kann zum Beispiel sagen, dass sich Europa beim
Thema Kosovo bisher nicht gut aufgestellt hat, weil wir
zu sehr auf die Russen vertraut haben. Aber eines müssen wir doch sicherstellen: Wir dürfen uns in dieser
Frage vor unserer Haustür nicht erneut in einer Weise
spalten lassen, wie das gerade in der Diskussion um die
Raketenabwehr geschehen ist.
Selbstverständlich wird das, was bisher nur als Auftrag formuliert ist, in der Regierungskonferenz auszuformulieren sein. Europa muss in eigenem Handeln und mit
eigener Zielsetzung eine Antwort auf die globale Herausforderung schlechthin geben, nämlich auf die Frage
des Klimawandels und wie wir künftig effizient und solidarisch an Energie kommen.
In diesem Sinne wünsche ich der Regierungskonferenz viel Erfolg. Verstecken Sie das, was Sie da machen,
nicht.
({12})
Das Wort hat der Kollege Michael Roth für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Bundeskanzlerin, Sie sind eine gute Gipfelstürmerin. Ich richte meinen Dank an die Bundesregierung als
Ganzes, die eine hervorragende Teamarbeit abgeliefert
hat; das kann man gar nicht anders sagen. Es wäre sicherlich auch wert gewesen, diese gute Teamarbeit in einer Regierungserklärung zum Ausdruck zu bringen
und darüber noch einmal gegenüber dem gesamten
Deutschen Bundestag Rechenschaft abzulegen, zumal
die vier Erwartungen, die der Deutsche Bundestag in
einem Entschließungsantrag formuliert hat, erfüllt worMichael Roth ({0})
den sind: die Rechtspersönlichkeit der Europäischen
Union - erfüllt; die Überwindung der Pfeilerstruktur der
Europäischen Union - erfüllt; die Rechtsverbindlichkeit
und Einklagbarkeit der Grundrechtecharta - erfüllt; das
weitgehende Festhalten am Institutionenkompromiss erfüllt. Das verdient Lob und Anerkennung.
({1})
Dennoch, wir wären nicht verantwortungsvoll, wenn
wir nicht auch den Finger in die europäische Wunde legten. Ich beklage - das werfe ich Ihnen und der Bundesregierung als Allerletztes vor -, dass das gemeinsame
Fundament an Überzeugungen innerhalb der Europäischen Union brüchig geworden ist. Dabei kritisiere ich
nicht, dass man zockt. Ich kritisiere nicht, dass man kontrovers verhandelt. Ich kritisiere auch nicht, dass man
Scheinkonflikte etwas aufbauscht. Ich kritisiere auch
nicht, dass man noch einmal über die Institutionen redet.
Ich kritisiere aber, dass beispielsweise bei der Grundrechtecharta etwas, was selbstverständlich sein sollte,
nicht mehr selbstverständlich ist: dass diese Grundrechtecharta überall, für alle Bürgerinnen und Bürger der
Europäischen Union, gilt. Mit stolz geschwellter Brust
ziehen wir durch die Welt und sagen: Wir sind eine Wertegemeinschaft. Im Hinblick auf die Grundrechtecharta
müssen wir jedoch sagen: Diese gilt für alle, mit Ausnahme der Briten. Natürlich wird der Europäische Gerichtshof das zu heilen versuchen, das können wir nur
hoffen. Aber was für ein Symbol ist das, wenn wir mit
den Staaten in einen kontroversen Dialog eintreten, in
denen die Menschenrechte, die Grundrechte, die Freiheitsrechte mit Füßen getreten werden? Das ist peinlich
und beschämend. Das muss man auch an einem solchen
Tag ansprechen dürfen.
({2})
Ebenso ist das Mandat - auch das werfe ich Ihnen
nicht vor - von einem Geist der Abwehr geprägt. Wenn
man beispielsweise hineinschreibt, dass die Kompetenzen, über die die Europäische Union gegenwärtig verfügt, wieder auf die nationale Ebene zurückgeholt
werden können, dann ist das nichts anderes als eine
Selbstverständlichkeit. Aber wo wird deutlich, dass mit
der Europäischen Union Chancen verbunden sind und
dass wir gerade dann handeln wollen und müssen, wenn
der Nationalstaat alter Prägung nicht mehr so entscheiden kann, wie das die Bürgerinnen und Bürger von der
Politik erwarten? Dieses Modell der Einhegung, dieses
Kleinmachen des europäischen Integrationsgedankens,
finde ich traurig.
Mich hat auch enttäuscht, dass wir mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht ehrlich umgehen. Ein Vorteil des
Verfassungsvertrages bestand ja gerade in seiner Klarheit: Selbstverständlich setzt die Europäische Union
Recht. Deswegen wird eine Verordnung zukünftig nicht
mehr Verordnung genannt, sondern Gesetz. Deswegen
wird eine Richtlinie zukünftig nicht mehr Richtlinie genannt, sondern Rahmengesetz. Das hätte auch deutlich
gemacht: Die Europäische Union hat selbstverständlich
etwas mit Staatlichkeit zu tun. Wir wollen das überhaupt
nicht verstecken; vielmehr wollen wir es den Menschen
erklären, und wir sollten selbstbewusst dazu stehen.
Ebenso finde ich es merkwürdig, dass im Europäischen Rat über ein Politikfeld gestritten wurde, zu dem
es seitens der Bürgerinnen und Bürger aller 27 Mitgliedstaaten, auch der in Großbritannien, ein hohes Maß
an Zustimmung gibt: Ich meine die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik. Dass hier einige Staaten versucht
haben, nationale Reservate zu retten, wird der Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger nicht gerecht.
({3})
Dass die Symbole wegfallen, wurde schon mehr oder
weniger häufig gesagt. Ich habe heute Morgen in der
Zeitung gelesen, dass der Bundestagspräsident den Abgeordneten genehmigt, auf Bundestagskosten in ihren
Büros eine Nationalflagge aufzustellen.
({4})
Ich würde mich darüber freuen, wenn es dem einen oder
anderen Kollegen ermöglicht würde, auch die Europafahne
auf Kosten des Bundestages zu bekommen.
({5})
Das wäre ein schönes Symbol in unseren Büros. Das
würde deutlich machen: Wir sind Europäerinnen und
Europäer und stehen zu dieser Flagge.
({6})
Sicherlich ist auch Skepsis gegenüber der Regierungskonferenz erlaubt: Keine Tricksereien mehr auf
Regierungskonferenzen! Wir können nur den Kolleginnen und Kollegen in Portugal alles Gute wünschen. Ich
bin über die bisherigen Signale sehr erfreut. Portugal
wird unter Beweis stellen, dass sich die Größe eines
Staates in der Europäischen Union nicht ausschließlich
am Bruttoinlandsprodukt und an der Zahl der Bürgerinnen und Bürger bemisst. Die Größe eines Staates kommt
vielmehr durch Haltung, durch Geist, durch konstruktives Miteinander und durch gelebte Solidarität zum Ausdruck. Luxemburg ist deshalb ein großes europäisches
Land. Das ist ein Land, das Europa vorangebracht hat,
auch wenn es nur etwa 500 000 Einwohner hat. Schlimm
an den polnischen Forderungen fand ich es, dass hier
eine Hürde zwischen den vermeintlich kleinen und den
vermeintlich großen Staaten aufgebaut wurde. Nein, die
wirklich großen Staaten sind auch die kleinen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Deutschland ist stets
gut damit gefahren, sich als Sachwalter der Interessen
der kleinen Mitgliedstaaten zu positionieren.
({7})
Zu dieser Tradition haben wir uns immer wieder bekannt. Auch das möchte ich hier bemerken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundeskanzlerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die verstärkte
Michael Roth ({8})
Zusammenarbeit nicht das Allheilmittel ist, um Europa
voranzubringen. Die mangelhafte parlamentarische Legitimation der Europäischen Union ist heute im EuropaAusschuss angesprochen worden. Ich sehe das ähnlich
wie die Kolleginnen und Kollegen. Angesichts des brüchigen Fundaments an Gemeinsamkeiten frage ich mich
jedoch, wie die 27 Mitgliedstaaten gemeinsam vorankommen können. Dabei wäre es wichtig, gegenüber der
Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen: Wir sind handlungsfähig nach innen und nach außen. Ich habe dafür,
wie das funktionieren könnte, noch kein Patentrezept.
Aber wir werden uns hier im Bundestag noch einmal darüber zu unterhalten haben, wie wir der Entsolidarisierung auf der europäischen Ebene sinnvoll begegnen können.
In diesem Zusammenhang, lieber Kollege Löning,
halte ich es für absolut notwendig, zu einem Paradigmenwechsel bei der Europäischen Union zu kommen.
Wir brauchen diesen Paradigmenwechsel: Wir müssen
weg von der einseitigen Konzentration auf Wirtschaftsfragen. Wir brauchen mehr gelebte Solidarität und auch
wieder mehr Gemeinsamkeit. Ich hoffe, dass mit der
deutschen Ratspräsidentschaft Anstöße hin zu einem solchen Paradigmenwechsel geliefert werden konnten.
Der verfassungsgebende Prozess wird selbstverständlich auch mit der portugiesischen Präsidentschaft
nicht zu einem Abschluss gebracht. Es wird weitergehen
müssen, weil - das spüren wir ja alle - die entscheidenden Regelungen, die jetzt im Grundlagenvertrag verankert wurden, wahrscheinlich nicht ausreichen werden,
um die EU zu demokratisieren und für die nächsten
zehn, 15 bzw. 20 Jahre fit zu machen.
Aber, Frau Bundeskanzlerin, Ihnen sollte stets klar
sein, dass das Parlament mehr Verantwortung übernehmen will und wir Ihnen unsere Partnerschaft anbieten.
Dabei ist es für mich weniger wichtig, ob die Parlamente
die Einhaltung der Subsidiarität auf EU-Ebene kontrollieren können. Für mich ist viel wichtiger, welche Rolle
die nationalen Parlamente innerstaatlich wahrnehmen,
wie wir uns in den europäischen Integrationsprozess einbringen. Ich hätte erwartet, dass man die Vereinbarung
zwischen Bundesrat und Bundestag so interpretiert, wie
wir das fraktions- und parteiübergreifend in dem Gremium, in dem auch Kolleginnen und Kollegen aus der
Bundesregierung vertreten waren, festgestellt haben. Ich
hoffe, dass wir so schnell wie irgend möglich zu dem
fraktions- und parteiübergreifenden Konsens zurückfinden.
Ich wünsche der portugiesischen Präsidentschaft alles
Gute. - Die deutsche Präsidentschaft hat eine gute Arbeit geleistet. Hoffentlich trägt uns dieser gute Geist in
den nächsten Monaten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({9})
Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Dazu, dass die Opposition diese Debatte nutzt,
um mit scharfen Worten darauf aufmerksam zu machen,
dass sie die Bundesregierung gerne noch viel ausführlicher für den Erfolg der Ratpräsidentschaft gelobt hätte
und gerne noch mehr selbst an dem Erfolg teilhätte, kann
ich nur sagen: Anschaulicher könnte man nicht dokumentieren, welch glänzender Erfolg diese deutsche Ratspräsidentschaft im vergangenen halben Jahr gewesen ist.
({0})
Die gesamte Bundesregierung hat mit ihrem Einsatz
während des zurückliegenden halben Jahres dazu beigetragen, dass unser Land in der Europäischen Union und
weit darüber hinaus eine wachsende Wertschätzung genießt. Dafür sage ich allen beteiligten Mitgliedern der
Bundesregierung meinen herzlichen Dank.
({1})
Ich möchte besonders der Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel danken, die erneut ein außerordentliches Verhandlungsgeschick unter Beweis gestellt hat.
Die Kanzlerin hat mit vollem Einsatz gekämpft, ist
ein hohes Risiko gegangen und hat gewonnen. Das
verdient Respekt und Anerkennung.
({2})
Hierzu, meine Damen und Herren von der Fraktion
der Grünen, hätte ich mir auch Ihnen Applaus gewünscht. Denn diese Worte stammen nicht von mir, sondern von Ihrem ehemaligen Außenminister Joseph
Fischer, der das in einem Namensartikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 26. Juni so veröffentlicht hat.
({3})
Ich möchte aber doch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass bereits der Frühjahrsgipfel vom März ein
außerordentlicher Erfolg gewesen ist, nicht nur was die
Senkung von Bürokratiekosten und die Ziele zur Stärkung der Energiesicherheit, sondern auch was die ehrgeizige Klimaschutzpolitik angeht, die die Europäische
Union dort vereinbart hat. Ich kann es nicht hinnehmen,
dass das hier als bloße Absichtserklärung abgetan wird.
Die Europäische Union hat damit eine weltweite Vorreiterrolle eingenommen, und die Fortschritte, die anschließend in der Klimaschutzpolitik beim G-8-Gipfel erzielt
worden sind, wären ohne diesen Frühjahrsgipfel überhaupt nicht denkbar gewesen.
({4})
Die Europäische Union hat bereits bei diesem Frühjahrsgipfel, für den auch unserem Bundeswirtschaftsminister Michael Glos ausdrücklich Dank gebührt, unter
Beweis gestellt, dass sie die zentralen Fragen anpackt,
auf die unsere Bürger auch europäische Antworten erwarten.
Der Gipfel in Brüssel hat nun den Weg zu einem
neuen Reformvertrag geebnet. Zu Beginn des Jahres
2007 hat noch niemand erwartet, dass wir über einen
bloßen Zeitplan hinauskommen werden. Nun haben wir
ein vollständiges Mandat für eine Regierungskonferenz
vorliegen, das alle inhaltlichen Fragen bereits mitbehandelt. Das ist deutlich mehr, als zu erwarten war. Die Bundesregierung hat dieses enge Zeitfenster also optimal genutzt.
Ich begrüße insbesondere, dass die institutionellen
Reformen im Wesentlichen gelungen sind. Es gibt keine
substanziellen Abstriche, allerdings einige zeitliche Verzögerungen. Dass der Rat nun im Regelfall mit qualifizierter Mehrheit entscheidet, dass das Prinzip der doppelten Mehrheit, also einer Mehrheit der Mitgliedstaaten
und der Bevölkerungszahl, eingeführt wird, dass die
Stellung des Kommissionspräsidenten gestärkt wird,
dass der Hohe Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik mit einem Doppelhut, also als Mitglied des Rates
und als Vizepräsident der Kommission, agiert, das alles
stärkt die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union
nach innen und außen. Damit ist ein wesentliches Ziel
dieses Reformvertrages und des Verhandlungsprozesses
der letzten Jahre erreicht worden.
Ich halte es auch für begrüßenswert, dass die Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den
Mitgliedstaaten noch besser abgegrenzt werden als bisher. Allein die Klarstellung, dass die Europäische Union
ausschließlich innerhalb der ihr übertragenen Kompetenzen tätig werden darf, verdient Beachtung. Nach meiner
Einschätzung wäre unter dieser Prämisse manche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus den letzten Jahren nicht mehr möglich.
Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten im Falle geteilter Zuständigkeiten ihre Kompetenzen wieder wahrnehmen können, soweit die Europäische Union sie nicht
mehr ausübt. Es kann gar nicht hoch genug eingeschätzt
werden, dass die Flexibilitätsklausel, die in den zurückliegenden Jahren immer wieder für unangemessene
Kompetenzerweiterungen missbraucht worden ist, keine
Rechtsgrundlage für faktische Vertragsänderungen mehr
darstellen darf. Im Gegenteil: Vertragsänderungen müssen förmlich erfolgen. Wenn man das ernst nimmt - darum bitte ich auch die Bundesregierung -, dann müsste
die Kommission ihre Praxis im Vorschlagsrecht deutlich
ändern.
All diese Vorschriften zur Kompetenzordnung einschließlich der ausdrücklich aufgeführten Möglichkeit,
Kompetenzen wieder zurückverlagern zu können, schaffen insgesamt mehr Transparenz und damit auch mehr
Akzeptanz bei den Bürgern, weil sie nun erkennen können, wer wofür zuständig ist und wer Verantwortung
trägt.
Dieser Reformvertrag wird schließlich auch mehr
Bürgernähe schaffen. Nicht nur die Grundrechtecharta,
die für rechtsverbindlich erklärt wird und die den Unionsbürgern ermöglicht, sich auf ihre Grundrechte gegenüber den Organen der Europäischen Union zu berufen,
sondern auch die Möglichkeit eines Volksentscheids und
die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments
und der nationalen Parlamente schaffen insgesamt mehr
Bürgernähe.
Ich will nicht verhehlen, dass ich die Fortschritte hinsichtlich einer besseren Beteiligung der nationalen
Parlamente für eher bescheiden halte. Aber ich sehe
doch die Chance, dass die Subsidiaritätskontrolle etwas
effizienter ausgeübt werden kann als bisher. Dies gilt
insbesondere deswegen, weil Subsidiaritätsrügen nun
nicht mehr folgenlos bleiben müssen und ein Kommissionsvorschlag sogar verworfen werden kann, wenn eine
Mehrheit im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat einen Subsidiaritätsverstoß annimmt.
Ich meine, dass die nationalen Parlamente, insbesondere der Deutsche Bundestag, in diesem Verhandlungsprozess eine konstruktive Rolle gespielt haben. Wir sind
bereit, dem Mandat der Regierungskonferenz fraktionsübergreifend unser Einvernehmen auszusprechen. Deswegen appelliere ich an die Bundesregierung, sich um
dieses Einvernehmen nicht erst dann zu bemühen, wenn
sich Widerspruch erhebt. Denn sonst müssten wir uns
eingeladen fühlen, Widerspruch zu erheben, was ersichtlich niemand will.
({5})
Ich bitte also darum, dass die Bundesregierung den
Bundestag aktiv mit einbezieht. Die parlamentarische
Diplomatie ist bisweilen hilfreich, wenn es um Verhandlungen im Europäischen Rat geht. Der Bundestag hat
viele Kontakte gerade zu Abgeordneten aus Frankreich,
aus den Niederlanden, auch aus Tschechien und Großbritannien - also gerade aus den Ländern, die am stärksten Kritik am europäischen Verfassungsvertrag geübt haben - in den letzten Jahren genutzt. Ich denke, das hat
den Verhandlungsprozess insgesamt erleichtert.
({6})
Diese Präsidentschaft ist ein glanzvoller Erfolg gewesen. Es könnte jetzt so weitergehen. Aber zu meinem Bedauern wird erst mit dem Reformvertrag die Vorschrift
eingeführt, dass die Präsidentschaft im Europäischen Rat
auf zweieinhalb Jahre verlängert wird. So bleibt uns
nichts anderes übrig, als den Stab an die Portugiesen
weiterzugeben, denen ich viel Erfolg und alles Gute im
nächsten halben Jahr wünsche.
({7})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/5882 und 16/5888 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 16/5854, 16/5874 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringliche Frage auf Drucksache 16/5874 auf.
Die dringliche Frage des Kollegen Hans-Christian
Ströbele an das Bundesministerium für Verteidigung soll
schriftlich beantwortet werden.
Damit rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 16/5854
in der üblichen Reihenfolge auf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Andreas
Storm zur Verfügung.
Die Frage 1 des Kollegen Kai Gehring soll schriftlich
beantwortet werden.
Damit rufe ich die Frage 2 der Kollegin Cornelia
Hirsch auf:
Plant die Bundesregierung im Zuge der Verschiebung und
bei aktuell diskutierten Änderungen an der geplanten BAföGNovelle auch Änderungen bezüglich der bisher vorgesehenen
Verbesserungen bei der Förderung von Migrantinnen und Migranten, und, wenn ja, welche?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin, die Frage der Abgeordneten Hirsch
beantworte ich wie folgt: Nein, die Bundesregierung hat
nicht die Absicht, auf materielle Veränderungen der nach
dem Stand des Regierungsentwurfs für das 22. BAföGÄnderungsgesetz vorgesehenen Neuregelungen zur Förderung von Migrantinnen und Migranten nach § 8 BAföG
und § 63 SGB III im Verlaufe des parlamentarischen
Verfahrens hinzuwirken.
Sie haben die Möglichkeit zur ersten Nachfrage.
Danke schön, Herr Staatssekretär. - Nichtsdestotrotz
werden ja jetzt die schon für das kommende Wintersemester vorgesehenen Regelungen, die den Zugang für
Migrantinnen und Migranten erleichtert hätten, auf jeden
Fall weiter nach hinten verschoben. Wir haben heute
Morgen auch im Ausschuss darüber diskutiert. Da meinten Sie, dass eine Beschlussfassung frühestens im Herbst
in irgendeiner Form erfolgen könnte. Dann würde das
Ganze frühestens für das Sommersemester in Kraft treten.
Meine Frage lautet jetzt, wie Sie im Hinblick auf das
Problem, dass man beim Zugang von Migrantinnen und
Migranten zu den Hochschulen kurzzeitig nichts ändern
wird, vorgehen wollen, um gerade all diejenigen Betroffenen, die vielleicht schon geplant hatten, im kommenden Semester ein Studium aufzunehmen, zu unterstützen
und ihnen einen entsprechenden Zugang zu ermöglichen.
Frau Abgeordnete Hirsch, wie Sie selber zu Recht gesagt haben, habe ich heute im Ausschuss im Zusammenhang mit dem Zeitplan hinsichtlich der BAföG-Novelle
deutlich gemacht, dass wir zeitnah zur Verabschiedung
des Bundeshaushaltes für das Jahr 2008 in diesem
Herbst die BAföG-Novelle verabschieden wollen, sodass dann ein Inkrafttreten zum Wintersemester 2008/
2009 möglich wird. Inwieweit ein vorgezogenes Inkrafttreten einzelner Regelungen, etwa zur Verbesserung der
Förderung von Migrantinnen und Migranten, denkbar
ist, ist derzeit noch nicht entschieden.
Ihre zweite Frage.
Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf Folgendes:
Das Problem des Ausschlusses von Migrantinnen und
Migranten stellt sich zurzeit aufgrund der Tatsache, dass
gesagt wird: Diejenigen, die ein Studium aufgenommen
haben, haben einen BAföG-Anspruch und deshalb eigentlich keinen Anspruch auf eine Förderung nach dem
SGB II. - Da sich dieses Problem jetzt sofort und ganz
konkret stellt und Sie gerade gesagt haben, dass Sie noch
nicht wissen, inwieweit einzelne Teile vorgezogen werden können, könnte man überlegen, inwieweit man versucht, Migrantinnen und Migranten schon im kommenden Semester unter eine Härtefallregelung, die es ja im
SGB II gibt, fallen zu lassen, um ihnen sofort einen Zugang zu ermöglichen. Gibt es Überlegungen in dieser
Richtung in der Bundesregierung?
Frau Abgeordnete Hirsch, wie Ihnen durch die parlamentarischen Beratungen im Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung bekannt ist,
besteht keine Möglichkeit mehr, ein rechtzeitiges Inkrafttreten zum Wintersemester 2007/2008 zu erreichen.
Von daher ist eine Regelung, die bereits in diesem Wintersemester gelten könnte, nicht mehr machbar. Die
Frage, ob eine Regelung in der Zeit bis zum Wintersemester 2008/2009 gefunden werden kann, wird derzeit
noch geprüft.
Das Wort zu einer Nachfrage hat die Kollegin Jelpke.
Herr Staatssekretär, Sie wissen ja sicherlich, dass in
manchen Bundesländern Jugendliche und Kinder keinen
Zugang zu Schulen haben. Ich würde gerne wissen, wie
sich die Bundesregierung dazu stellt, ob eine gesetzliche
Initiative bzw. Maßnahmen dagegen geplant sind. Denn
Bildung ist ja ein Grundrecht. Da müsste die Regierung
doch eigentlich einschreiten. In meiner Frage geht es um
das beschränkte Aufenthaltsrecht, um die Regelung hinsichtlich des Aufenthaltsrechts.
Frau Abgeordnete, die Kompetenzen für den schulischen Bereich liegen eindeutig bei den Ländern. Im
Übrigen sieht die Bundesregierung keinen Zusammenhang zwischen dem von Ihnen angesprochenen Themenkomplex und der Frage der Abgeordneten Hirsch nach
den Regelungen beim BAföG. Die Nachfrage muss aber
mit diesem Themenkomplex in Zusammenhang stehen.
Eine weitere Nachfrage, diesmal der Kollegin
Enkelmann.
Herr Staatssekretär, die im Zuge der Novelle geplanten Einschränkungen bei der Förderung des zweiten Bildungsweges stehen besonders in der Kritik. Welche
Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der diesbezüglichen Kritik der Sachverständigen?
Die Bundesregierung hat die Anhörung zur geplanten
BAföG-Novelle, die im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Mai durchgeführt worden ist, sehr sorgfältig ausgewertet. Wir überlegen zurzeit insbesondere, ob im Entwurf Änderungen
bei der Förderung des zweiten Bildungsweges - Stichwort: Kollegiaten - vorgenommen werden sollen. Die
Entscheidung darüber soll zusammen mit der Entscheidung über eine Anpassung der Bedarfssätze und der
Freigrenzen als Gesamtpaket im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens bis zum Herbst dieses Jahres fallen.
Die letzte mir angezeigte Nachfrage zu dieser Frage
stellt die Kollegin Dağdelen.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, die Ergebnisse der
Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes haben
wieder einmal auf die Auswirkungen der sozialen Ungleichheit auf den Zugang zu Hochschulen hingewiesen.
Welche über die BAföG-Novelle hinausgehenden Maßnahmen plant die Bundesregierung, um dem Problem,
das in dieser Sozialerhebung zum Ausdruck gekommen
ist, entgegenzuwirken?
Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den Ländern
in den vergangenen Monaten eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, um das Ziel, die Zahl der Studienanfänger zu erhöhen, erreichen zu können. Die angestrebte
Zielmarke liegt bei einer Studienanfängerquote von
40 Prozent eines Jahrgangs. Einen wesentlichen Beitrag
dazu wird der von Bund und Ländern im Juni unterzeichnete Hochschulpakt leisten. Dadurch werden bis
zum Jahr 2010 90 000 zusätzliche Studienanfängerplätze
geschaffen.
Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Peter Hintze zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Bärbel Höhn auf:
Wann wird das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie den deutschen Aktionsplan für Energieeffizienz
nach Brüssel nachmelden, und warum kommt es zu dieser
Verzögerung?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Danke, Frau Präsidentin. - Ich beantworte die Frage
der Frau Kollegin Höhn wie folgt: Die Bundesregierung
wird den Aktionsplan für Energieeffizienz der Europäischen Kommission in Brüssel Anfang Oktober vorlegen.
Die Bundesregierung hat eine vorbereitende Studie zum
Energieeffizienzaktionsplan vergeben, deren Endergebnisse Ende August, Anfang September vorliegen werden. Auf dieser Grundlage wird das Maßnahmengerüst
des Aktionsplans vervollständigt.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben deutlich gemacht, dass
Sie die Ergebnisse einer Studie brauchen, um diesen Aktionsplan aufstellen und in der Bundesregierung abstimmen zu können. Wann genau ist diese Studie, die für das
weitere Vorgehen notwendig ist, in Auftrag gegeben
worden?
Die Studie ist im August 2006 in Auftrag gegeben
worden. Sie konnte nicht früher in Auftrag gegeben werden, weil wir, wie Sie sich vielleicht erinnern, eine Haushaltssperre hatten. Für die Studie ist ein Jahr angesetzt
worden. Sie wird Ende August, also nach einem Jahr, geliefert werden. Wenn die Endergebnisse vorliegen - die
Zwischenergebnisse haben wir schon -, wird das Maßnahmengerüst endgültig festgelegt, in der Bundesregierung abgestimmt und nach Brüssel gemeldet werden. Ich
denke, wir können die Meldung an die EU-Kommission
in Brüssel Ende September, Anfang Oktober vornehmen.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, dass Sie
die Studie im August 2006 in Auftrag gegeben haben
und dass die Studie nach einem Jahr, also Ende
August 2007, abgegeben werden soll. Auf die Anfrage
des Abgeordneten Loske vom 18. April, ob der
30. Juni 2007 als Termin gehalten werden kann - bis zu
diesem Datum müssen Sie den Aktionsplan an die EU
melden -, haben Sie geantwortet: Die Bundesregierung
ist bemüht, diese Frist einzuhalten. Nach Ihren eigenen
Bekundungen wussten Sie schon Ende April, dass das
Gutachten, das Grundlage für diesen Aktionsplan sein
würde, gar nicht bis Ende Juni vorliegt. Warum haben
Sie dem Abgeordneten Loske nicht ganz wahrheitsgemäß geantwortet?
Der Schluss, den Sie, Frau Kollegin, hier gezogen haben, ist unzulässig. Es war nicht von Anfang an klar,
dass man für die Studie ein Jahr benötigt. Das hat sich
erst im Verlauf herausgestellt. Zum Zeitpunkt der Beantwortung dieser Frage war die Bundesregierung noch bemüht, den vorgesehenen Zeitrahmen
({0})
und den Termin 30. Juni 2007 einzuhalten.
Ich darf Ihnen, obwohl Sie nicht danach gefragt haben, noch sagen, dass von den 27 Mitgliedstaaten der
Europäischen Union nur zwei diesen Termin eingehalten
haben. Aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung
waren am 2. Juni 24 andere Staaten in derselben Situation wie wir.
({1})
- Ich erläutere Ihnen das.
Liebe Kollegin, wir sind in der Fragestunde, nicht in
der Debatte.
Ich wollte der Kollegin den Gesamtzusammenhang
erläutern.
Selbstverständlich bemüht sich die Bundesregierung
immer, in Europa vereinbarte Zeitpunkte einzuhalten,
selbst wenn deren Verstreichung nicht sanktionsbewehrt
ist, wie es bei dem Termin 30. Juni und dieser Richtlinie
der Fall ist. Aber für uns - Frau Präsidentin, wenn ich
das noch sagen darf - geht die Qualität vor der Geschwindigkeit.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerd Müller zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Höhn auf:
Welche verbraucherpolitischen Beschlüsse wurden unter
der deutschen EU-Präsidentschaft gefasst, und welche konkreten Fortschritte wurden dabei für die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher erzielt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
Antwort auf diese Frage ist etwas umfassender, weil wir
sehr erfolgreich waren und auch im Bereich des Verbraucherschutzes eine sehr erfolgreiche Ratspräsidentschaft
vorweisen können. Deshalb darf ich wie folgt antworten:
Erstens. Der Rat hat sich unter deutscher Präsidentschaft zur verbraucherpolitischen Strategie 2007 bis
2013 der Kommission positioniert und dazu eine umfassende Ratsentschließung verabschiedet. Insbesondere
geht es dabei um die Markttransparenz, die Stärkung der
Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes und eine Reihe
weiterer Punkte, auf die ich hier im Einzelnen nicht eingehe. Ich möchte einige weitere Punkte ansprechen. Wir
haben darüber hinaus, neben dieser verbraucherpolitischen Strategie, der Notwendigkeit, Verbraucherrecht im
digitalen Zeitalter fortzuentwickeln, Rechnung getragen
und auf dem Verbraucherrat am 31. Mai 2007 die Charta
„Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt“ vorgestellt.
Zweitens. Des Weiteren wird mit dem Beschluss der
Roaming-Verordnung das Telefonieren mit dem Handy
im europäischen Ausland wesentlich billiger. Die Verordnung ist unmittelbar mit ihrer Veröffentlichung vor
wenigen Tagen, am 30. Juni 2007, also passend zum Beginn der Urlaubssaison, in Kraft getreten. Alle Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren davon.
Drittens. Während der deutschen Präsidentschaft
wurden im Rahmen unserer Tätigkeit hinsichtlich des
Verbraucherschutzes die Kundenrechte im Eisenbahnverkehr mit der Verabschiedung des dritten Eisenbahnpaketes deutlich gestärkt. Künftig gibt es europaweite
Regelungen zur Verspätungsentschädigung. Auch das ist
angesichts der derzeitigen Situation bei der Bahn topaktuell. Es gibt also europaweite Regelungen zur Verspätungsentschädigung, zur Haftung, zu Informationspflichten und zu den Rechten der in der Mobilität
eingeschränkten Personen.
Viertens. Unter deutscher Präsidentschaft hat der Rat
eine Einigung über die Verbraucherkreditrichtlinie erzielt. Frau Kollegin Höhn, Kolleginnen und Kollegen,
wir konnten eine jahrelange Diskussion hier in diesem
Plenum im Rahmen der erfolgreichen Ratspräsidentschaft zu Ende bringen. Wird die Richtlinie vom Europäischen Parlament gebilligt - davon gehen wir aus -,
werden die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft leichter das für sie günstigste Kreditangebot ermitteln können. Ein weiterer Erfolg der deutschen Präsidentschaft ist der Erhalt bewährter nationaler
Verbraucherschutzregeln - auch das ist im Rahmen dieser Richtlinie geregelt - wie des Schriftformerfordernisses für den Verbraucherkreditvertrag. Das heißt, per
Handy ist auch künftig keine Kreditaufnahme möglich;
das ist ausgesprochen wichtig.
Fünftens. Die Verhandlungen über die Zahlungsdiensterichtlinie konnten zu einem erfolgreichen Abschluss
gebracht werden. Die deutschen Verbraucherinnen und
Verbraucher können sich darüber freuen, dass Überweisungen nach Umsetzung dieser Richtlinie schon am
nächsten Geschäftstag auf dem Konto des Empfängers
gutgeschrieben werden müssen.
Sechstens. Unter deutscher Präsidentschaft wurde im
Rat die allgemeine Ausrichtung - der General Approach der Vorschläge zu den drei Verordnungen über Lebensmittelzusatzstoffe, Lebensmittelenzyme und ein einheitliches Verfahren der Zulassung von Zusatzstoffen, Enzymen und Aromen beschlossen. Ich mache es kurz: Durch
die genannten Verordnungen wird der Schutz der Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher auf hohem Niveau gewährleistet.
Siebtens. Die Prävention und die Förderung gesunder
Lebensstile bildeten einen Schwerpunkt der deutschen
Ratspräsidentschaft. So hat der Rat für Gesundheit und
Verbraucherschutz am 31. Mai 2007 Schlussfolgerungen
zur Stärkung von Gesundheitsförderung und gesundheitlicher Prävention durch ausgewogene Ernährung und
ausreichende Bewegung beschlossen. Ich wiederhole: Es
wurde nicht nur darüber diskutiert, sondern es wurden
Schlussfolgerungen beschlossen.
Achtens. Im Nachgang zur EU-Tierschutzkonferenz
vom 28. März 2007 mit dem Titel „Tierschutz - Verbesserung durch Kennzeichnung?“ verabschiedete der
Agrarrat Schlussfolgerungen. Darin wird die Kommission aufgefordert, die Grundlage dafür zu schaffen, dass
aus Sicht der Verbraucher ausführliche Diskussionen
über die Einführung eines EU-Tierschutzlabels geführt
werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das waren
acht Kernpunkte, Beschlüsse und Erfolge der deutschen
Ratspräsidentschaft im Bereich des Verbraucherschutzes. Ich bin für diese Frage ausgesprochen dankbar;
denn sie bot mir die Gelegenheit, einige Punkte anzusprechen, über die in der Öffentlichkeit bisher noch nicht
ausführlich diskutiert wurde. Diese Fragestunde lohnt
sich also auch für die Öffentlichkeit.
Ich nehme an, dass Ihnen die Kollegin Höhn durch
zwei Nachfragen die Möglichkeit gibt, noch mehr darzustellen. - Bitte, Kollegin Höhn.
Herr Staatssekretär Müller, der erste Punkt, den Sie
genannt haben, betraf den digitalen Verbraucherschutz.
Zu diesem Thema hat meines Wissens einzig und allein
eine Konferenz stattgefunden. Dadurch ist der digitale
Verbraucherschutz für die Menschen nicht verbessert
worden.
Der zweite wichtige Aspekt, den Sie angesprochen
haben, betraf die Roaminggebühren. Halten Sie das Ergebnis, dass die Mobilfunkkonzerne drei weitere Jahre
lang überhöhte Roaminggebühren in Höhe von 49 Cent
pro Minute verlangen dürfen, wirklich für einen Erfolg
der deutschen Ratspräsidentschaft? Das EU-Parlament
hatte Roaminggebühren von 40 Cent pro Minute beschlossen, und Minister Glos ist mit 60 Cent pro Minute
in die Verhandlungen gegangen. Ist dieser fragwürdige
„Erfolg“ überhöhter Roaminggebühren nicht sogar noch
gegen Minister Glos erzielt worden?
Darauf gehe ich gerne ein. Ich möchte auch alle Zuhörerinnen und Zuhörer bitten, ihre Handyrechnungen
der Monate Juni und Juli 2007 miteinander zu vergleichen. Nachdem diese Verordnung in Kraft getreten ist,
gibt es einen Eurotarif, der für getätigte Gespräche
höchstens 49 Cent pro Minute und für eingehende Gespräche höchstens 24 Cent pro Minute betragen darf.
Das ist eine wesentliche Senkung der bisherigen Tarife.
Natürlich kann man fragen: Warum wurden die Kosten
nicht noch stärker gesenkt, und - diese Forderung würde
am weitesten gehen - warum kann man in Europa nicht
zum Nulltarif mit dem Handy telefonieren? 27 Staaten
müssen sich auf einen gemeinsamen Tarif einigen, der
auch aus Sicht der Anbieter kostendeckend sein muss.
Ich möchte noch präziser werden. Zum einen werden
die Kosten innerhalb von zwei Jahren in zwei Stufen
noch weiter sinken, nämlich auf 43 Cent pro Minute für
getätigte und auf 19 Cent pro Minute für eingehende Gespräche, zum anderen liegen die Tarife heute wesentlich
höher. Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen:
Bisher kostete ein vierminütiges Gespräch von Frankreich nach Deutschland zwischen 2,76 Euro und
5,12 Euro. Diese Gebühren konnten wir in erheblichem
Umfang senken, nämlich um ein Viertel bis ein Drittel;
das werden Sie bei einem Blick auf Ihre Handyrechnungen feststellen. Das ist ein Erfolg, der nicht wegzureden
ist.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, im letzten Jahr, am 24. Juli 2006,
hat Minister Seehofer dem „Handelsblatt“ gegenüber erklärt, er rechne bis Herbst mit einem Entwurf eines Gesetzes zur Entschädigung von Fahrgästen bei Verspätungen ihres Zuges. Halten Sie die Regelung, die jetzt
gefunden worden ist - ab einer Stunde Verspätung be11004
kommt man 25 Prozent des Fahrpreises zurück, ab zwei
Stunden Verspätung 50 Prozent -, wirklich für einen
großen Erfolg?
Bei einer Stunde Verspätung eine Erstattung von
25 Prozent, bei zwei Stunden von 50 Prozent hätte den
Berlinerinnen und Berlinern in den letzten Tagen um einiges geholfen.
({0})
Ich glaube, es ist ein wichtiges Signal, dass europaweit bei einer Stunde Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises erstattet werden sollen und bei zwei Stunden
50 Prozent. Unabhängig davon wird die Bundesregierung mit der Deutschen Bahn AG in den nächsten Wochen Gespräche über mögliche Ausnahmen von den Regelungen der Verordnung führen - Termine dafür sind
bereits fixiert -, um national, auch was die Terminlage
anbetrifft, ein Stück weit vorauszugehen. Wir gehen davon aus, dass sich die Deutsche Bahn AG und die anderen Anbieter in Deutschland diesen europäischen Kompromiss zu eigen machen und nicht auf die nationale
Umsetzung europäischen Rechts warten, sondern von
sich aus entsprechend reagieren.
Das Wort zu einer Nachfrage hat der Kollege Fuchtel.
Herr Staatssekretär, Sie haben hier eine Reihe von Erfolgen der Bundesregierung aufgeführt. Können Sie etwas zu der weiteren Entwicklung in den einzelnen Bereichen sagen? Was hat sich die Regierung vorgenommen,
um einerseits zu kontrollieren, dass die Beschlüsse auf
europäischer Ebene auch umgesetzt werden, und andererseits die Umsetzung im nationalen Rahmen zu betreiben? Gibt es da ein Timing und Vorgaben?
Herr Abgeordneter Fuchtel, ich habe acht Punkte genannt. Ich glaube, die allerwenigsten waren der deutschen Öffentlichkeit bisher bekannt, vielleicht auch weil
wir manchmal zu viel arbeiten. Im Rahmen unserer
Ratspräsidentschaft war konkrete Gesetzesarbeit angesagt und keine Pressearbeit.
Die konkreten Ergebnisse, die ich vorgestellt habe,
gelten zum Teil bereits jetzt, seit Anfang Juli, oder ab
August europaweit, und zwar in Form einer unmittelbar
geltenden Verordnung, die nicht erst in nationales Recht
umzusetzen ist; bei den Richtlinien ist es dagegen in der
Tat eine Frage der nationalen Umsetzung. Was uns in der
politischen Arbeit ein Stück weit stolz macht, ist, dass
wir nicht über Grünbücher und Weißbücher diskutiert
haben und was es sonst noch alles an Willensbekundungen der Europäischen Union gibt, sondern dass wir den
Stapel der Verordnungen, der Vorschläge, die über Jahre
hinweg diskutiert worden sind, abgearbeitet haben. Ich
erinnere noch einmal an die Verbraucherkreditrichtlinien, über die wir drei, vier, fünf Jahre diskutiert haben.
Wir haben sie unter der Präsidentschaft von Minister
Seehofer abgearbeitet, indem Kompromisspakete zusammengebunden wurden. Doch es bleibt, wie es immer
ist: Wie der Bauer die Kuh am nächsten Tag wieder melken muss, so geht das Geschäft in der Politik Tag für Tag
weiter. Wir haben viele Themen auf der Tagesordnung.
Ich nenne in diesem Zusammenhang den von mir zuerst genannten Bereich, den Beschluss einer verbraucherpolitischen Strategie für den Zeitraum von 2007 bis
2013, in dem circa 20 Punkte angesprochen werden, bei
denen die EU und die nationalen Regierungen in den
nächsten drei bis fünf Jahren tätig werden. Ich sage an
dieser Stelle aber auch sehr deutlich: Es kommt nicht nur
darauf an, viel über Europa auf den Weg zu bringen.
Manchmal kommt es auch darauf an, das eine oder andere eben nicht auf diesen Weg zu bringen, sondern national zu regeln. Masse ist nicht unbedingt Klasse. Aber
ich glaube, die Dinge, die wir verabschiedet haben, sind
auch qualitativ gut.
Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Steenblock.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
ich möchte das Thema Roaming gern noch einmal aufgreifen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber normale
deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher müssen
auch Mehrwertsteuer zahlen. Das heißt, dass sich die
von Ihnen genannten 49 Cent für die Verbraucherinnen
und Verbraucher auf 58,3 Cent erhöhen. Sie haben gesagt, dass man für ein vierminütiges Gespräch aus
Frankreich nach Deutschland mindestens 2,76 Euro zahlen muss. Nach der neuen Regelung muss man ungefähr
2,35 Euro zahlen. Ist der Erfolg, den Sie gerade proklamiert haben, vor dem Hintergrund dieser Zahlen nicht
ausgesprochen bescheiden ausgefallen, und wäre es
nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, hier zu größeren Einsparungen zu kommen? Die
Konzerne verdienen schließlich enorm viel durch die hohen Gebühren für Auslandsgespräche.
Wir waren und sind mit Ihnen der Meinung, dass die
Gebühren für Auslandsgespräche im oberen Preissektor
angesiedelt waren. Deshalb war dieses Thema in Europa
längst regelungsbedürftig. Wirtschaftsminister Glos, der
federführend verhandelt hat, hat hier einen Erfolg erzielt.
Sie haben gerade dargestellt, dass man, wenn man die
Mehrwertsteuer hinzurechnet, je nach Anbieter auf
3,10 Euro bis 3,15 Euro kommt. Im Augenblick zahlt
man bis zu 5,12 Euro; in anderen europäischen Staaten
geht es sogar noch darüber hinaus. Das heißt: Wenn Sie
heute einen günstigen Anbieter wählen - im Hinblick
auf die Verbraucher muss ich sagen: Nutzen Sie die Beratung in den Verbraucherzentralen; es gibt entsprechende Angebote und Programme! -, können Sie die
Gebühren für Auslandsgespräche nach der neuen Regelung halbieren, wenn Sie vorher einen teuren Anbieter
hatten.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Ina Lenke auf:
Welche Zwischenergebnisse liegen der Bundesregierung
hinsichtlich der Bewertung der 145 familienbezogenen Leistungen und Maßnahmen, die mit 184 Milliarden Euro beziffert werden, durch das Kompetenzzentrum vor, und zu welchem Termin wird das Kompetenzzentrum den Endbericht
vorlegen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Der Schwerpunkt der bisherigen Arbeit lag auf der
Analyse und Bewertung der Förderung von Familien mit
Kindern in der Kleinkindphase sowie der frühen Bildung
und Förderung von Kindern, also auf dem, worüber wir
auch in der Öffentlichkeit höchst intensiv diskutieren.
Die Ergebnisse dieser Schwerpunktarbeit sind unmittelbar in die Ermittlung des Bedarfs und der Kosten für den
Ausbau der Betreuungsangebote sowie in die Klärung
und Ausgestaltung der Finanzierung bzw. der Finanzierungswege für den Ausbau der Betreuung eingegangen.
Das waren wichtige Informationen, um politische Entscheidungen rational treffen zu können; denn es gab bislang ein Erkenntnisdefizit. Man braucht gemeinsame
Einschätzungen der Ausgangssituation mit den unterschiedlichen Gesprächspartnern, um zu vernünftigen
politischen Ergebnissen zu kommen.
Beim zweiten Bereich, der bearbeitet worden ist, ging
es um die Klärung der Methodik zur Systematisierung
und Bilanzierung familienbezogener Leistungen. Das
war immer strittig und wird auch weiterhin erörtert werden müssen. Hier sind Studien im nationalen und im internationalen Kontext angefertigt worden. Daneben
wurde eine Systematisierung zur Unterscheidung von
Familienförderung, verfassungsrechtlich gebundenen
Maßnahmen und allgemeinen Maßnahmen des Familienlastenausgleichs ausgearbeitet.
In der zweiten Hälfte dieses Jahres wird sich das
Kompetenzzentrum verstärkt mit der Förderung von Familien mit drei und mehr Kindern befassen. Es wird darum gehen, ein Konzept für eine Wirkungsanalyse des
Gefüges familienbezogener Leistungen und Maßnahmen
zu erstellen, die sich am Lebensverlauf ausrichten und
auf Familien mit drei und mehr Kindern beziehen. Nach
Lage der Dinge wird das Kompetenzzentrum, wie seinerzeit angegeben, zum 31. März 2008 seinen Bericht
vorlegen.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, eine Vorlage des Berichts am
31. März 2008 ist viel zu spät. Die Bundeskanzlerin hat
die Familienministerin vor einigen Monaten aufgefordert, schneller zu Bewertungen zu kommen. Es mag
zwar richtig sein, dass die Analysen vorbereitet werden
müssen. Aber was die Finanzierung der Krippen angeht,
ist es unseres Erachtens sehr wichtig, dass Sie Herrn
Steinbrück eine Antwort geben, der Teile der 4 Milliarden Euro für die Krippenbetreuung aus der Bündelung
der familienbezogenen Leistungen aufbringen will. Damit können Sie nicht warten, weil jetzt der Haushalt für
das Jahr 2008 aufgestellt wird. Ich frage Sie in diesem
Zusammenhang, zu welchen Ergebnissen Sie bei der
Bündelung kommen: Welche Leistungen können wegfallen oder müssen zusätzlich ausgebaut werden?
Ihre erste Bemerkung war eine Bewertung. Diese teile
ich ausdrücklich nicht.
Was Ihre Frage angeht, habe ich darauf hingewiesen,
dass wir uns insbesondere um die Bewertung der Förderung von Familien mit Kindern in der Kleinkindphase
gekümmert haben, da wir diese Daten für Gespräche mit
dem Finanzministerium, innerhalb der Bundesregierung,
aber auch mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden benötigt haben. Diese Daten werden insofern teilweise politisch kommuniziert. Das war zunächst
das Wichtigste, das wir uns vorgenommen hatten. Ich
habe auch erläutert, was wir in der zweiten Hälfte dieses
Jahres vorhaben. Aus diesem Arbeitsprogramm ergibt
sich logischerweise, dass wir frühestens Anfang 2008 einen abschließenden Bericht vorlegen können.
Zu einzelnen Punkten ist Auskunft gegeben worden.
Das heißt, was an Fakten vorliegt, fließt jeweils auch in
den politischen Diskussionsprozess ein.
Sie haben das Wort zu einer zweiten Frage.
Herr Staatssekretär, Familienministerin von der Leyen
hat gestern bei Ihrem Treffen mit den Landesministern
ein Betreuungsgutscheinmodell vorgeschlagen. Auch
daraus ist nichts geworden. Das war der x-te Betreuungsgipfel, bei dem kein Ergebnis erzielt wurde. Die
Ministerin muss doch etwas angeboten haben. Woher
kommt das Geld für die Betreuungsgutscheine? Das hat
auch etwas mit der Bündelung der Familienleistungen zu
tun. Es müssen doch Ergebnisse vorliegen. Ohne Ergeb11006
nisse hätte Ministerin von der Leyen kein Betreuungsgutscheinmodell vorschlagen können. Ich bitte Sie, bei
der Beantwortung dieser Frage auch auszuführen, was
die Ministerin mit dem Betreuungsgutscheinmodell
meint.
Erstens stelle ich noch einmal ausdrücklich fest, dass
ich die von Ihnen vorgenommene Bewertung nicht teile.
Sie verfolgen offenkundig Presseberichte, die in sich
völlig widersprüchlich sind. Mir liegt zufällig ein Auszug aus der Berichterstattung vor. Darin lautet die Überschrift eines Artikels: „Bund und Länder nähern sich
an“. Ein anderer Artikel auf der Seite trägt den Titel
„Finanzierung wieder offen“.
Zweitens. Sie definieren die Diskussionen als Gipfel.
Das ist Ihre Interpretation. Arbeitsgespräche müssen
mehrfach stattfinden; das ist ein Prozess. Wir haben im
Februar dieses Jahres angefangen. Jetzt ist gerade Juli.
Wir haben fest vor, das Ganze zum 1. Januar 2008 auf
den Weg zu bringen. Lassen Sie sich überraschen. Sie
werden feststellen, dass dies gelingen wird.
Im Übrigen werden unterschiedliche Finanzierungswege diskutiert. In diesem Zusammenhang wird auch
die Frage berücksichtigt, ob Gutscheine hilfreich sein
können. Dass man dies erörtern muss, weil es Vor- und
Nachteile gibt, ist völlig klar. Dass diejenigen, die diese
Unterstützung leisten - die Finanzierung soll durch den
Bund, die Länder und die Kommunen erfolgen -, unterschiedliche Vorstellungen haben, ist völlig normal; denn
bei der bundesweiten Einführung eines Gutscheinmodells handelt es sich um ein neues Verfahren. Das
setzt einen Diskussionsprozess voraus. Wir sind völlig
im Zeitplan, kluge Wege zu entwickeln, die allgemein
Zustimmung finden.
Das Wort zu einer Nachfrage hat der Kollege
Burgbacher.
Herr Staatssekretär, „Lassen Sie sich überraschen“
bedeutet im Klartext: Lassen Sie sich vor vollendete Tatsachen stellen. Deshalb frage ich noch einmal: Können
wir in absehbarer Zeit mit Zwischenergebnissen rechnen, oder ist es vorgesehen, dass Ganze erst zum Schluss
zu präsentieren? Wann können wir mit Zwischenergebnissen rechnen?
Wenn die vorbereitenden Gespräche mit den Ländern
abgeschlossen sind, wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen. Zum Zeitverlauf, was das Inkrafttreten des Vorhabens angeht, habe ich mich bereits geäußert. Der Gesetzentwurf wird auf parlamentarischer
Ebene zwischen Bundestag und Bundesrat intensiv beraten. Das wird in der zweiten Hälfte dieses Jahres erfolgen müssen, wenn der eben genannte Termin 1. Januar
2008 stimmt.
Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann
steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 6 und 7 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter
auf:
Wer ist nach Auffassung der Bundesregierung Aufgabenträger beim Transrapidprojekt in München und hat damit auch
für die Kostenmehrung bei der Investition originär aufzukommen, und welche Gesamthöhe der Investitionskosten, zu bestreiten durch die öffentliche Hand, hält die Bundesregierung
für vertretbar?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr
Kollege Dr. Hofreiter, die Deutsche Bahn AG bedient
sich der DB Magnetbahn GmbH, um das Transrapidprojekt in München eigenwirtschaftlich zu planen, zu bauen
und zu betreiben. Das Transrapidprojekt in München ist
ein Nahverkehrsprojekt. Gleichwohl ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Transrapidprojekt in
München nicht nur verkehrlichen Belangen Rechnung
trägt, sondern auch einen hohen industriepolitischen
Nutzen aufweist. Daher ist sie mit dem Freistaat Bayern
übereingekommen, sich an der Finanzierung des Projektes zu beteiligen. Es werden derzeit Gespräche mit
Vertretern des Freistaates Bayern sowie der DB AG zu
offenen Fragen hinsichtlich der Gesamtfinanzierung und
einer Verteilung der Risikotragung im Falle der Realisierung des Projektes geführt.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage, Herr
Hofreiter.
Könnte der Herr Staatssekretär meine zweite Frage
gleich mitbeantworten, weil sie in einem engen Systemzusammenhang mit der ersten steht?
Wenn auch der Herr Staatssekretär das so sieht.
Gerne.
Dann rufe ich die Frage 9 des Kollegen Dr. Anton
Hofreiter auf:
Wie lange hält die Bundesregierung ihre Finanzierungszusage für das Transrapidprojekt in München aufrecht, und kann
sich die Bundesregierung eine Umschichtung der im Haushalt
für das Transrapidprojekt in München veranschlagten Mittel
für eine Verbesserung der Schienenverbindung zwischen
München Hauptbahnhof und Flughafen München vorstellen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung geht davon aus, Herr Kollege
Hofreiter, dass die laufenden Gespräche mit dem Freistaat Bayern und der DB AG zeitnah zu einem Abschluss gebracht werden können. Haushaltsrelevante
Schlussfolgerungen oder sogar haushaltsrechtliche Festlegungen sind nach Abschluss der Gespräche möglich.
Kollege Hofreiter, Sie haben die Möglichkeit zu insgesamt vier Nachfragen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär, für die wortreiche
Nichtbeantwortung meiner Fragen. Ich habe in der
Frage 8 nach dem Aufgabenträger und nach den maximalen Zuschüssen für das Konzept gefragt, die der Bund
für gerechtfertigt hält. Beide Fragen haben Sie gar nicht
beantwortet. Wer ist letztendlich der Aufgabenträger: der
Bund oder Bayern? Dabei geht es darum, wer die zu erwartenden Mehrkosten trägt. Eine weitere Frage ist, wie
viel der Bund maximal trägt. Hier geht es um Zahlen.
({0})
Herr Kollege Hofreiter, ich habe Ihre Fragen sehr
wohl beantwortet. Wenn man andere Antworten erwartet
hat, kann man sicherlich der Meinung sein, dass ich gar
nicht geantwortet habe.
Der Aufgabenträger, also derjenige, der das Projekt
plant, baut und betreibt, ist die DB Magnetbahn GmbH,
eine Tochter der Deutschen Bahn AG. Ich habe klargemacht, dass wir gemeinsam mit dem Freistaat Bayern
die Finanzierung sicherstellen wollen, weil das sowohl
für Bayern als auch für uns ein wichtiges Nahverkehrsprojekt ist und daher eine gemeinsame Finanzverantwortung besteht und weil wir darin einen industriepolitischen Nutzen für den Bund sehen. Das ist die Grundlage
für die Gespräche, die wir zurzeit führen.
Wenn Gespräche noch laufen, kann ich Ihnen Fragen
zu genauen Summen schlechterdings nicht beantworten.
Das werden Sie sicherlich einsehen.
Ich gebe Ihnen die Möglichkeit, noch eine Frage zu
formulieren, Herr Hofreiter.
({0})
Herr Staatssekretär, ich sehe selbstverständlich ein,
dass Sie mir keine Summe nennen können, die Sie zahlen werden. Vielmehr ist die entscheidende Frage, welches maximale Angebot an Bayern Sie sich vorstellen
können. Darauf kann man durchaus mit einer Zahl antworten, es sei denn, Sie wissen keine.
Herr Staatssekretär, Sie entscheiden, was Sie antworten.
Ich antworte gerne. - Herr Dr. Hofreiter, Sie werden
mir in der Sommerpause fehlen, weil ich dann keine Fragen zum Transrapid beantworten darf. Sie kennen doch
alle Zahlen in- und auswendig. Ich weiß nicht, ob Sie damit rechnen, dass ich einen Blackout habe und andere
Zahlen nenne. Wie Sie wissen, stehen 1,85 Milliarden
Euro in Rede. Es gibt zudem einen Beschluss des Deutschen Bundestages - dieser manifestiert sich im Haushaltsgesetz -, wonach wir uns mit maximal 50 Prozent
an den Kosten beteiligen. Ich weiß nicht, welche neuen
Zahlen Sie aus mir herauslocken wollen. Es gibt jedenfalls keine.
Ich befürchte, dass Sie Ihre Sommerplanungen koordinieren müssen, um sich zu begegnen und vielleicht
Neuigkeiten auszutauschen. Erst einmal herzlichen
Dank für die Beantwortung dieser beiden Fragen.
Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Veronika
Bellmann:
Welche Projekte beabsichtigt die Bundesregierung bezüglich der TEN-Zuschüsse für den Mehrjahreszeitraum 2007 bis
2013 bzw. das Jahresprogramm 2008 bis zum 20. Juli 2007
bei der EU-Kommission anzumelden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank. - Frau Kollegin Bellmann, durch die
DB Netz AG werden Anträge auf den höchstmöglichen
TEN-Zuschuss über das Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung für das Mehrjahresprogramm
2007 bis 2013 gestellt. Die Anträge der DB Netz AG liegen jedoch noch nicht vor, sodass über die konkreten
Projekte noch keine Aussagen getroffen werden können.
Im Rahmen des Mehrjahresprogramms werden Anträge
für die umweltfreundlichen Schienenprojekte gestellt.
Für andere Verkehrsträger, wie zum Beispiel die Straßen, können im Rahmen von Jahresprogrammen Anträge gestellt werden. Für das Jahresprogramm 2008
können noch keine Anträge gestellt werden, lediglich für
das Jahresprogramm 2007. Auch hier liegen Anträge
noch nicht vor.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Sie haben gesagt, es liegen noch keine Anträge vor.
Gibt es denn einen Willensbildungsprozess aufseiten der
Bundesregierung, was die möglichen Anträge betrifft?
Ich will Ihnen noch etwas zur Datenlage sagen. Die
Verordnung datiert vom Mai. Das heißt, die Europäische
Kommission hat etwas länger gebraucht, um auch im
Kontakt mit dem Europaparlament die entsprechenden
Grundlagen zu schaffen. Wir haben gerade die Antragsformulare bekommen. Sie wissen, dass die Anträge, die
wir bei der EU stellen, zunächst von den Verkehrsträgern
bei uns gestellt werden müssen. Wir haben eine Frist bis
zum 10. Juli gesetzt, Abgabefrist in Brüssel ist der
20. Juli. Wir halten also den zeitlichen Rahmen ein.
Der Verkehrsausschuss wurde heute über eine entsprechende Liste informiert. Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie ordentliches Mitglied des Verkehrsausschusses. Ich kann sie Ihnen noch einmal vorlesen. Falls
Sie die Liste nicht gelesen haben, könnten wir uns auch
darauf einigen, uns auf das Projekt zu beschränken, das
Sie meinen. - Wir haben den Ausschuss heute informiert. Damit ist zumindest offenkundig, bei welchen
Projekten wir mit Anträgen rechnen. Aber wie viele Anträge tatsächlich gestellt werden, kann ich Ihnen noch
nicht sagen.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Ich muss Sie leider etwas korrigieren, Herr Staatssekretär: Ich bin nur stellvertretendes Mitglied im Verkehrsausschuss und habe heute an der zeitgleich stattfindenden Sitzung des Europa-Ausschusses teilgenommen,
in dem ich ordentliches Mitglied bin. Deshalb wäre es
günstig, wenn Sie zu dem Projekt, zu dem ich meine
Frage gestellt habe, doch noch eine Aussage träfen. Andernfalls könnte ich die Liste sicherlich auch über den
Verkehrsausschuss erhalten.
In Ihrer nächsten Frage, der Frage 11, geht es um die
Achse Athen-Sofia-Budapest-Wien-Prag-NürnbergDresden. Wenn Sie einverstanden sind, würde ich zunächst die Antwort auf diese Frage geben. Anschließend
können wir uns weiter darüber unterhalten.
Dann rufe ich nun die Frage 11 auf:
Gehört die Weiterentwicklung der Achse 22 RostockBerlin-Dresden-Prag dazu, wenn nein, warum nicht?
Nach Ihrer Antwort kann die Kollegin Bellmann
exakt drei Nachfragen stellen.
Eine Achse 22 existiert in der Form, wie Sie sie formuliert haben, nicht. Es gibt eine vorrangige Achse 22
Athen-Sofia-Budapest-Wien-Prag-Nürnberg-Dresden.
Für die erste Ausbaustufe der Strecke Rostock-Berlin
liegt der EU-Kommission für die laufende Förderperiode
ein EFRE-Antrag, also ein Antrag für den Europäischen
Fonds für regionale Entwicklung, vor. Dieser Antrag ist inzwischen genehmigungsreif. Für die neue Förderperiode ist
eine Antragstellung für die Strecken Rostock-Berlin und
Berlin-Dresden vorgesehen.
Sie sehen daran, dass die Bundesregierung versucht,
die Fördermöglichkeiten sehr flexibel zu nutzen. Wenn
eine Linie nicht als TEN-Projekt angemeldet ist, besteht
wie in diesem Fall die Möglichkeit, einen weiteren europäischen Fördertopf in Anspruch zu nehmen.
Bitte.
Ich habe zu dem Komplex nur eine Nachfrage. Dieses
Thema stand auch auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz Ost in der vorigen Woche. Inwiefern finden die Ergebnisse dieser Konferenz Eingang in
Ihre Beschlusslage?
Zur Erläuterung muss ich ein bisschen ausholen. Es
gibt eine Liste vorrangiger Projekte, die in Anhang 3 der
gemeinschaftlichen Leitlinien für den Aufbau eines
transeuropäischen Verkehrsnetzes dargestellt sind. In
dieser Liste sind 30 Projekte aufgeführt. Wenn ein neues
Projekt aufgenommen werden soll, müssen wir in die
nächste Phase gehen. Das bedeutet, dass eine Veränderung frühestens anlässlich der für 2010 geplanten Revision der Leitlinien möglich ist. Wir müssen also ein formelles Verfahren einhalten und eine Veränderung bei der
Kommission beantragen. Hier hat auch das Europäische
Parlament ein Mitwirkungsrecht. Von daher können wir
nicht von Jahr zu Jahr neue Linien anmelden.
Dasselbe Problem haben wir bei der Küstenautobahn
A 22. Wir müssen hier ein Beantragungsprozedere auf
europäischer Ebene berücksichtigen. Die Möglichkeit
gibt es 2010.
Eine Nachfrage hat der Kollege Steenblock.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
ich möchte Sie bitten, die Aussage zu den Projekten
- ich habe ähnliche Fragen gestellt - zu präzisieren. Sie
haben gerade die prioritären TEN-Projekte angesprochen. Es sind 30. Soweit ich weiß, sind davon vier deutsche. Kann sich die Bundesregierung vorstellen - es ist
nicht mehr so lange hin bis zum 20. Juli -, für diese vier
Projekte, die jetzt bei den TENs dabei sind, Zuschüsse
zu beantragen? Welche Projekte sind der Bundesregierung bekannt, die bis zum 20. Juli vielleicht doch noch
in das Antragsverfahren kommen könnten?
Herr Abgeordneter Steenblock, es gibt aus meiner
Sicht keine vorrangigen Projekte, sondern vorrangige
Vorhaben. Diese sind auf Achsen beschrieben. Wir haben heute Morgen im Ausschuss gehört, dass die Mitteilung, die ich dem Ausschussvorsitzenden, Herrn
Dr. Lippold, zugestellt habe, bei einem Teil der Abgeordneten schon angekommen ist, aber noch nicht bei allen. Wir rechnen damit, dass beispielsweise für das vorrangige Vorhaben Achse 1 - das ist die Eisenbahnachse
Berlin-Verona-Mailand-Bologna-Neapel-Messina-Palermo - Anträge für verschiedene Streckenabschnitte gestellt werden. Dasselbe gilt für die vorrangige Achse 2
- das ist Aachen-Köln - und für das vorrangige Vorhaben Achse 4, das ist die Hochgeschwindigkeitsachse
Ost-West, also Saarbrücken-Ludwigshafen. Es geht ferner um die Achse 17 - das ist die Eisenbahnachse
Paris-Straßburg-Stuttgart-Wien-Bratislava -, es geht
um Kehl-Appenweier, um Stuttgart 21, um Stuttgart-Ulm, um Augsburg-Mehring-Olching, um München-Mühldorf-Freilassing. Dann geht es um das vorrangige Vorhaben Achse 20 - das ist die Eisenbahnachse
Fehmarnbelt - und die Achse 24, die Eisenbahnachse
Lyon- Genua-Basel-Duisburg-Rotterdam-Antwerpen.
({0})
Es geht schließlich um das dritte und vierte Gleis der
Rheintalbahn - das wissen Sie - und Emmerich-Duisburg und Frankfurt-Mannheim.
Das sind mehr als vier Projekte. Wir rechnen damit,
dass zu allen vorrangigen Vorhaben Anträge vom Verkehrsträger DB AG gestellt werden.
Eine weitere Frage hat der Kollege Heilmann.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, warum die Medien
schon von der Liste in Kenntnis gesetzt waren, offensichtlich aber ein Teil der ordentlichen Ausschussmitglieder des Verkehrsausschusses, zu denen ich zähle, die
Liste noch nicht hat. Wie können Sie mir erklären, dass
es dazu kommt, dass ich als Parlamentarier davon aus
den Medien erfahren muss?
Das kann ich mir überhaupt nicht erklären, weil es
diese Liste nicht gibt. Ich zitiere einen Entwurf einer
Übersicht über Vorhaben. Ich habe Ihnen vorher erklärt,
dass wir den Verkehrsträgern eine Frist bis zum 10. Juli
gesetzt und noch keinen Antrag im Hause vorliegen haben. Ich habe allerdings im Ausschuss sehr offen darüber gesprochen, dass die „üblichen Verdächtigen“ angemeldet werden. Im Grunde genommen kann jeder
Abgeordnete, der Kenntnis von den vorrangigen Vorhaben hat, ohne Gefahr zu laufen, dass er durch die wirkliche Antragslage widerlegt wird, das jetzt schon kommunizieren. Das ist wohl in dem einen oder anderen Fall
von Kolleginnen und Kollegen gemacht worden.
Wir haben keine Liste. Die können wir erst erstellen,
wenn die Antragsfrist abgelaufen ist und wir die Anträge
kennen. Wir haben einfach einmal zusammengestellt,
welche Vorhaben es gibt. Das ist keine neue Liste. Diese
vorrangigen Vorhaben sind dem Deutschen Bundestag
seit mehreren Jahren bekannt. Da war offenbar jemand
sehr clever und schnell.
Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Rainder
Steenblock auf:
Welche Verkehrsprojekte wird die Bundesregierung bei
der EU als vorrangig zu fördernde Projekte im Rahmen der
TEN-Projekte - transeuropäische Netze - für die Förderperiode 2007 bis 2013 beantragen?
Herr Kollege Steenblock, meine Antwort ist teilweise
redundant, aber das werden Sie verstehen. Durch die
DB Netz AG werden Anträge für die Förderperiode
2007 bis 2013 über das Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung gestellt. Die Anträge der
DB Netz AG liegen jedoch noch nicht vor, sodass über
die konkreten Projekte noch keine Aussagen getroffen
werden können.
Ihre Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade die Liste der
möglichen Projekte für eine Bezuschussung angesprochen. Sind der Bundesregierung aus dem bisherigen Antragsverfahren Fälle bekannt, in denen der Maximalwert
für Zuschüsse - 20 bzw. 30 Prozent, je nach Struktur gezahlt worden ist? Anders formuliert: Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Höhe Zuschüsse zu den
TEN-Projekten zurzeit gezahlt werden?
Was die Vergangenheit angeht, muss ich die Antwort
auf Ihre Frage schuldig bleiben, weil ich nicht im Detail
weiß, ob jeweils die maximale Zuschusshöhe gezahlt
worden ist. Ich würde sie Ihnen gern schriftlich beantworten.
Die jetzige Lösung sieht vor, dass grenzüberschreitende TEN-Projekte mit bis zu 30 Prozent bezuschusst
werden sollen.
({0})
- „Können“, da haben Sie völlig recht. - Die anderen
Zuschusshöhen liegen bei 20 und bei 10 Prozent. Dort,
wo es um Planung geht, liegen sie, glaube ich, bei bis zu
50 Prozent.
Angesichts der Fülle der angemeldeten Vorhaben einerseits und der zur Verfügung stehenden Mittel andererseits gehe ich davon aus, dass die maximale Förderhöhe
nur bei ganz prioritären Maßnahmen erreicht wird. Sowohl das Europäische Parlament als auch die Europäische Kommission müssen sie für sehr prioritär halten.
Haben Sie keine weitere Zusatzfrage? - Nein.
Dann rufe ich die Frage 13 des Kollegen Rainder
Steenblock auf:
Wie hoch ist im Falle der Beantragung des Verkehrsprojekts „feste Fehmarnbeltquerung“ für die Förderperiode 2007
bis 2013 der Finanzierungsanteil, den die Bundesregierung
bei der EU beantragt?
Deutschland und Dänemark wollen für das Querungsbauwerk der festen Fehmarnbeltquerung einen gemeinsamen Antrag und für die Hinterlandverbindungen
Anträge auf Zahlung von EU-Mitteln bis zur Höchstförderungsgrenze des TEN-Projekts der EU stellen.
Herr Kollege, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Ratifizierung des Staatsvertrags zwischen Deutschland und Dänemark über dieses Projekt Voraussetzung für eine Antragstellung?
Die Ratifizierung ist nicht Voraussetzung für eine Antragstellung.
Auch bei anderen Projekten, deren Realisierung wir
vor Augen haben, nehmen wir eine Anmeldung vor, obwohl bestimmte Planungsschritte oder die Baureife fehlen. Wie Sie wissen, sieht die Europäische Kommission
die Fehmarnbeltquerung - Herr Barrot hat das mehrfach
unterstrichen - als sehr prioritäres Projekt an. Ich gehe
davon aus, dass daraus keine Probleme resultieren.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja, ich möchte eine zweite Zusatzfrage stellen. - Herr
Staatssekretär, Sie haben gerade gesagt, es werde einen
gemeinsamen Antrag zum Bau der Brücke geben. Für
die beiden Hinterlandanbindungen Deutschlands sind
Projekte in Höhe von ungefähr 800 Millionen Euro im
Gespräch. Wird es eine gemeinsame Beantragung dieser
Projekte geben, oder wird jedes Land einen eigenen Antrag stellen? Auch wenn Sie noch nicht alle Projekte der
DB AG kennen, sind Sie über den Gang der Entscheidungen in etwa informiert.
Ich habe an den Verhandlungen - sie haben letzte Woche Freitag stattgefunden - nicht persönlich teilgenommen. Ich weiß jetzt nicht, ob ein gemeinsamer Antrag
auch dafür vorgesehen ist. Ich könnte mir vorstellen,
dass es Sinn macht, diese eindeutig national begründeten
Projekte auch national zu beantragen. Auch dazu würde
ich Ihnen die vollständige Antwort gern schriftlich geben. Ich habe sie jetzt nicht parat.
Eine weitere Nachfrage zu diesem Themenkomplex
möchte der Kollege Heilmann stellen.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass nach 25-jähriger Refinanzierung einer festen Fehmarnbeltquerung
weiterhin Mautgebühren in einer Höhe von mindestens
60 Euro erhoben werden, die nicht allein dem dänischen
Staat zufließen?
Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben das Verhandlungsergebnis erzielt, dass die Fehmarnbeltquerung von
dänischer Seite geplant, gebaut und betrieben wird. Das
heißt, das volle Risiko übernimmt Dänemark.
Eine weitere Frage hat die Kollegin Hirsch.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Wird in irgendeiner
Form über einen maximalen Zeitraum diskutiert, in dem
es Mautzahlungen überhaupt geben darf? Gibt es irgendwelche Verhandlungen über Festlegungen?
Ich habe in der Beantwortung der Frage von Herrn
Heilmann schon darauf hingewiesen, dass dieses Projekt
in alleiniger Verantwortung des Königreichs Dänemark
durchgeführt wird. Deshalb kann ich diese Frage nicht
beantworten.
Der Herr Kollege Storjohann hat noch eine Nachfrage.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage zur Förderung. In der Region Ostholstein wird behauptet, dass nicht die GesamtGero Storjohann
kosten des Brückenbauwerks Grundlage der Förderung
seitens der EU sind, sondern nur der Anteil der Schienenmaßnahme auf der Brücke. Was ist nun richtig?
Auch das würde ich gern erst dann beantworten, wenn
die Anträge der Projektträger vorliegen.
Ich habe Ihnen bei der Antwort auf die Frage zu den
TEN-Vorhaben - es ging darum, welche Vorhaben voraussichtlich angemeldet werden - gesagt, dass Schienenprojekte als vorrangige Vorhaben gefördert werden
sollen. Von daher gehe ich davon aus, dass das auch auf
die Brücke zutrifft.
Auf der anderen Seite ist es ein grenzüberschreitendes
Verkehrsprojekt. Weil wir in dem Fall auch Anträge für
Straßenbaumaßnahmen stellen können, kann ich mir
durchaus vorstellen, dass es zu einer gemischten Beantragung kommt.
Wie gesagt, die Verhandlungen sind gerade erst abgeschlossen worden. Es gibt noch nicht einmal eine Information in Form eines Vermerks für das Haus selber. Ich
würde Ihnen die präzise Antwort gern dann geben, wenn
der Informationsstand etwas gesicherter ist. Sie wissen,
dass man sich bei solchen Gesprächen auf etwas einigt,
dass dann aber noch vielfältige Detailarbeit notwendig
ist. Sie haben davon gehört, dass wir Staatsverträge vorbereiten müssen. Das heißt, es kommt zu einem Gesetzgebungsverfahren des Deutschen Bundestages. Das alles
müssen wir jetzt seriös abarbeiten, um dann auf der sicheren Seite zu sein. Bis zum 20. Juli werden wir uns
mit den Dänen sicherlich darüber geeinigt haben, wie
viele Mittel wir für die Fehmarnbeltquerung beantragen.
Ich darf vielleicht noch darauf hinweisen, dass wir
nicht die gesamten Kosten für den Förderzeitraum 2007
bis 2013 anmelden werden; es wird sozusagen nur eine
erste Tranche sein. Die TEN-Mittel laufen 2013 aus.
Dann gibt es eine neue finanzielle Vorausschau. Darin
wird neu festgelegt, welche Mittel für weitere TEN-Projekte zur Verfügung stehen.
Die Dänen rechnen damit, dass 2018 die Fertigstellung erfolgt. Das bedeutet, dass der weitaus größere
Bauabschnitt - damit auch die Beantragung der Mittel in den nächsten Förderzeitraum fallen wird. Wir haben
also genug Möglichkeiten, bei der Anmeldung sehr flexibel zu reagieren.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen zu Fragen zu
diesem Geschäftsbereich mehr. - Herr Staatssekretär, ich
danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Frage 14 des Kollegen Dr. Ilja Seifert sowie die Fragen 15 und 16 der Kollegin Sylvia KottingUhl werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 17
des Kollegen Wolfgang Wieland ist zurückgezogen worden. Die Frage 18 des Kollegen Christoph Waitz wird
schriftlich beantwortet.
Zur Beantwortung der weiteren Fragen aus diesem
Geschäftsbereich steht die Staatsministerin Professor
Dr. Maria Böhmer zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Sevim Dağdelen
auf:
Welche Organisationen wurden/werden nach welchen Gesichtspunkten zum zweiten Integrationsgipfel der Bundesregierung am 12. Juli 2007 eingeladen?
Ich beantworte die Frage wie folgt: Zum zweiten Integrationsgipfel werden dieselben Organisationen eingeladen, die auch beim ersten Integrationsgipfel vertreten
waren. Am ersten Integrationsgipfel nahmen teil: Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisationen
sowie Einzelpersönlichkeiten, die zuständigen Ministerinnen und Minister des Bundes, von der Ministerpräsidentenkonferenz benannte Vertreter der Länder, Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Spitzenverbände
und ausgewählter Kommunen sowie von Wirtschaftsverbänden, außerdem Vertreterinnen und Vertreter des
Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Kirchen, der
Wohlfahrtsverbände, der Medien, der Kultur, ausgewählter Stiftungen, sonstiger bundesweit tätiger Verbände und Vereine, der Wissenschaft, von Einrichtungen
der praktischen Integrationsarbeit. Für den Deutschen
Bundestag wurden Vertreterinnen und Vertreter der
Fraktionsvorstände eingeladen. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die Antwort der Bundesregierung auf Frage 6 der Kleinen Anfrage der FDPFraktion zum Thema Integrationsgipfel und Islamkonferenz der Bundesregierung vom 7. Dezember 2006.
Eine Nachfrage bitte, Frau Kollegin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatsministerin Böhmer, meine erste Frage bezieht sich auf das, was
Sie am Ende Ihrer Antwort im Hinblick auf die Antwort
auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 7. Dezember 2006 gesagt haben. Ist die Vermutung richtig,
dass die Bundesregierung vor dem ersten Integrationsgipfel letztes Jahr kritische Nachfragen zu konkreten Zusammensetzungen der eingesetzten Arbeitsgruppen verhindern wollte oder dass sie diese Fragen immer noch
verhindern will? Das frage ich in Anbetracht der Situation, dass bezüglich des Antwortverhaltens der Bundesregierung eine permanente Verweigerungshaltung nachweisbar ist, was die Auflistung der Personen bzw. der
Institutionen angeht, die in den jeweiligen Arbeitsgruppen zur Erarbeitung eines Nationalen Integrationsplans
mit eingebunden sind bzw. die letztes Jahr und auch dieses Jahr zu dem Integrationsgipfel eingeladen wurden.
Ich möchte daran erinnern, dass es auch eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke gab, die von der Bundesregierung am 14. November 2006 beantwortet wurde. In
ihrer Antwort teilte die Bundesregierung mit, dass eine
Übermittlung von Personendaten im Rahmen der Antwort auf eine Kleine Anfrage angeblich nicht möglich
ist. Die FDP-Fraktion erhielt auf ihre Kleine Anfrage die
Antwort, dass man die Institutionen und Personen nicht
in der Antwort auf die Kleine Anfrage auflisten könne,
weil die gesetzlichen Vorschriften zur informationellen
Selbstbestimmung dies verbieten würden.
Frau Kollegin, darf ich Sie bitten, sich ein bisschen
kürzer zu fassen, damit der Inhalt der Frage wirklich erfasst werden kann.
Mache ich. - Ist in Anbetracht dessen, dass die Listen
mit den Namen der Personen und auch der Institutionen
und Organisationen, die teilgenommen haben, online
verfügbar sind, nachvollziehbar, dass die Vermutung naheliegt, die Bundesregierung habe kritische Nachfragen
behindern oder auch verhindern wollen, indem sie keine
Antworten gegeben hat?
Frau Kollegin, Ihre Vermutung ist schlichtweg falsch.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Habe ich, Frau Präsidentin. - Die zweite Nachfrage
ergibt sich aus Tickermeldungen des vergangenen Tages.
Gibt es Verbände oder Personen, Frau Staatsministerin,
die mit Verweis auf die Novellierung des Zuwanderungsgesetzes und auch auf die Novellierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Rahmen der elf EU-Richtlinien, die umgesetzt worden sind, eine Einladung
ausgeschlagen haben oder ihre Teilnahme abgesagt haben? Ich frage dies, weil es gestern Tickermeldungen
von AFP und auch von epd gab, dass der Integrationsgipfel wegen neuer Ausländergesetze zu scheitern drohe
und Verbände ihre Teilnahme infrage stellten.
Frau Kollegin, wenn Sie die neuen Tickermeldungen
von heute verfolgen, dann stellen Sie fest, dass die von
gestern überholt sind.
Eine Nachfrage hat nun die Kollegin Hirsch.
({0})
Ich kann Ihnen an dieser Stelle gerne noch mehr sagen. Sie haben es gestern ja auch verfolgt: DITIB hat
sich öffentlich geäußert, auch in einer Pressekonferenz.
Ich habe gestern mit einem Vertreter von DITIB persönlich gesprochen und habe ihm Sachverhalte erläutert.
Wir sind in einem guten Kontakt. Ich wiederhole hier
gerne, dass alle, die wir eingeladen haben, herzlich willkommen sind. Wir haben einen gemeinsamen Integrationsprozess begonnen, der den neuen Weg beschreibt:
Wir reden nicht mehr über die Migranten, sondern wir
reden mit ihnen. Das möchten wir gerne fortsetzen. Dabei ist es auch wichtig, dass alle, die an den Arbeitsgruppen des ersten Integrationsgipfels beteiligt waren, diese
Arbeit fortsetzen; denn wenn der Nationale Integrationsplan vorliegt, kommen wir in die außerordentlich spannende Phase der Umsetzung. Diese Arbeit dient den vielen Menschen in unserem Land, die zugewandert sind allein 2,5 Millionen Menschen in Deutschland sind türkischstämmig. Ich bin mir sicher, dass die Migrantenorganisationen um ihre Verantwortung an dieser Stelle
wissen und sie auch entsprechend wahrnehmen werden.
Das Wort zu einer weiteren Frage hat nun die Kollegin Hirsch.
({0})
- Natürlich hat sie geantwortet.
Frau Kollegin Hirsch, bitte.
Es gab von über 20 Organisationen, die am Integrationsgipfel beteiligt sind, einen offenen Protestbrief.
Darin heißt es, dass mit dem EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz - ich zitiere - „Sinn und Zweck des Integrationsgipfels“ infrage stehen. Mich würde interessieren,
ob aufgrund dieser scharfen Kritik in irgendeiner Form
Konsequenzen gezogen wurden bzw. ob sie Auswirkungen hatte. Gab es also zum einen Organisationen oder
auch Einzelpersonen, die in irgendeiner Form im Rahmen dieses Prozesses aus Arbeitsgruppen ausgestiegen
sind? Gibt es zum anderen dazu eine Stellungnahme von
Ihnen oder vielleicht sogar direkt von der Bundeskanzlerin?
Es hat eine sehr erfreuliche, intensive Zusammenarbeit in allen Arbeitsgruppen stattgefunden. Höchst erfreulich, Frau Kollegin, ist, dass neben dieser intensiven
Zusammenarbeit im Zuge dieses Prozesses gerade vonseiten der Migrantenorganisationen zahlreiche Selbstverpflichtungen bei der Erarbeitung des Nationalen Integrationsplans eingegangen wurden. Dies ist hoch
anzuerkennen und zeigt, dass das gemeinsame Verständnis von Integration, an dem wir arbeiten, wirklich tragfähig sein wird.
Dass es Kritik an einzelnen Punkten des RichtlinienUmsetzungsgesetzes gibt, ist uns bekannt. Wir sind hier
auch im Gespräch. Die Sichtweise, die ich an dieser
Stelle einnehme, ist ganz eindeutig: In diesem Gesetz
sind viele Punkte enthalten, die die Integration befördern
werden.
Sevim DaðdelenSevim Dağdelen
Eine weitere Nachfrage hat Frau Kollegin Jelpke.
Frau Staatsministerin, ich würde gerne wissen, ob solche nichtstaatlichen Organisationen wie Flüchtlingsinitiativen und -verbände, die ja kritisieren, dass der Fokus
der Integrationsbemühungen auch auf die illegal in
Deutschland lebenden Menschen gerichtet werden
müsse, eingeladen waren und, wenn nicht, warum nicht.
Wir haben die gleichen Organisationen wie beim letzten Mal eingeladen. Darüber hinaus konnten im Rahmen
der Integrationsforen auch weitere hinzukommen. Sie
wissen, dass das Thema Illegalität in der weiteren parlamentarischen Diskussion eine Rolle spielt. Wir haben
den Schwerpunkt auf die 15 Millionen Menschen mit
Migrationshintergrund gelegt, die in unserem Land leben, daneben aber natürlich auch solche Fragen behandelt. Zugleich haben wir auch klare Verabredungen zwischen gesetzlichen Initiativen und dem Nationalen
Integrationsplan getroffen. Wir müssen nämlich sehr
wohl sehen, dass Integration über weite Strecken eine
gesellschaftspolitische Aufgabe ist.
Nun hat das Wort zu einer weiteren Nachfrage der
Kollege Heilmann.
Frau Staatsministerin, Sie sagten, dass die Tickermeldung von gestern mittlerweile veraltet sei.
({0})
Deswegen frage ich Sie, ob Sie Kenntnis von der dpaMeldung von 13.48 Uhr haben, in der DITIB mit dem
Rückzug droht.
Ich habe die Meldung so verstanden - es wäre vielleicht ganz gut, wenn wir die im Raum stehenden Meldungen einmal wechselseitig austauschten -, dass DITIB
noch überlegt, aber noch keine Entscheidung getroffen
ist.
Damit kommen wir zur Frage 20 der Kollegin Sevim
Dağdelen:
Auf welche Weise und in welchem Umfang flossen die in
den Abschlussberichten der nach dem ersten Integrationsgipfel eingesetzten Arbeitsgruppen bzw. deren Unterarbeitsgruppen dokumentierten Feststellungen und Vorschläge in den Nationalen Aktionsplan Integration ein, der am 12. Juli 2007
beim zweiten Integrationsgipfel vorgestellt werden wird?
Frau Staatsministerin, bitte.
Die Abschlussberichte der Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen werden als Teil des Nationalen Integrationsplans unverändert wiedergegeben.
Ihre Nachfrage, bitte.
Das ist sehr schön, dass all das unverändert wiedergegeben wird. Inwiefern wurden die Abschlussberichte
der Unterarbeitsgruppen und der Arbeitsgruppen veröffentlicht bzw. warum werden bzw. wurden sie nicht
oder nur zum Teil veröffentlicht? Planen Sie noch, diese
Abschlussberichte komplett zu veröffentlichen? Wenn
nicht, warum nicht?
Frau Kollegin, ich habe eben gesagt, dass die Abschlussberichte der Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen zu allen Themenfeldern als Teil des Nationalen
Integrationsplanes veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung findet mit dem Integrationsgipfel am 12. Juli
statt, und sie werden dort eins zu eins dokumentiert werden.
Ihre weitere Nachfrage, bitte.
Ich bitte Sie, etwas zu dem Verdacht zu sagen, dass
- laut Berichten von Teilnehmerinnen und Teilnehmern
der Arbeitsgruppen - im Nationalen Integrationsplan ohnehin nur diejenigen Vorschläge der Arbeitsgruppen aufgenommen werden, die in dem Gesetzgebungsverfahren
zur Umsetzung der EU-Richtlinien den Vorstellungen
entsprechen.
Frau Kollegin, alles was in den Arbeitsgruppen als
Ergebnis der Arbeit festgehalten wird, wird auch in dieser Form veröffentlicht, und zwar, wie gesagt, eins zu
eins.
Es gibt zu diesem Themenkomplex noch mehrere
Nachfragen. Zuerst die Kollegin Enkelmann.
In ihren Antworten auf Kleine Anfragen der Fraktion
Die Linke hat sich die Bundesregierung geweigert, die
Zusammensetzung der Arbeitsgruppen des Integrationsgipfels zu benennen. Könnte das damit zusammenhängen, dass dann aufgefallen wäre, dass zwar Vertreter der
Koalitionsfraktionen des Bundestages vertreten sind,
aber nicht der Oppositionsfraktionen?
Frau Kollegin, ich weise Ihre Unterstellung deutlich
zurück.
Eine weitere Nachfrage des Kollegen Heilmann.
Frau Staatsministerin, können der Integrationsgipfel
und der Nationale Integrationsplan überhaupt noch
glaubwürdig sein, nachdem im Namen der Integration
die Rechte von Migrantinnen und Migranten sowie
Flüchtlingen durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz massiv beschnitten wurden, etwa durch die Beschränkung des Rechts auf Ehegattennachzug, die auch
nach Aussage vieler Sozialdemokraten bzw. nach Andeutung des Innenausschussvorsitzenden Edathy hier im
Plenum verfassungswidrig sein dürfte?
Herr Kollege, zum einen gehe ich davon aus, dass ein
Gesetz, das vom Innenministerium, welches besonders
der Verfassungsgemäßheit und deren Prüfung verpflichtet ist, erarbeitet worden ist, der Verfassung genügt.
({0})
Zum anderen unterstützt dieses Gesetz in vielen Punkten
deutlich die Integration; der frühe Erwerb der deutschen
Sprache ist für eine schnelle Integration außerordentlich
hilfreich.
Das Wort zu einer weiteren Nachfrage hat nun die
Kollegin Höger.
Ich denke, dass mit dem Integrationsgipfel und dem
Nationalen Integrationsplan unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt werden. Wie kommen Sie auf die Idee, den
Nationalen Integrationsplan, welcher Ziele der Integrationspolitik, konkrete Maßnahmen und Selbstverpflichtungen enthalten soll, mit der gesetzlich vorgesehenen
Vorlage eines Berichtes über die Lage von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland zu verbinden?
Frau Kollegin, Sie haben selbst einen Antrag gestellt,
der morgen im Deutschen Bundestag behandelt werden
wird. Wir werden uns dann dieser Thematik zuwenden.
Nächste Fragestellerin ist nun die Kollegin Jelpke.
Frau Staatsministerin, im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe 4 heißt es einleitend, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der nichtstaatlichen Organisationen
das Ausklammern ausländerrechtlicher Fragestellungen
wiederholt kritisiert hätten. Insbesondere hätte erörtert
werden müssen, wie Geduldete und Illegalisierte in ein
Integrationskonzept mit einbezogen werden können, was
das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz erfordert, schreibt
diese Gruppe. Ich frage Sie, inwieweit das Mandat, also
die Themenbereiche der Arbeitsgruppen, beschränkbar
ist - Ausklammerung von Flüchtlingen, Illegalisierten,
ausländerrechtlichen Fragestellungen, Wahlrecht - und
inwieweit sich Arbeitsgruppen über welche Vorgaben
hinweggesetzt haben.
Frau Kollegin, wir achten sehr die Arbeit des Deutschen Bundestages. Hier sind zwei parallele Prozesse
abgelaufen. Das eine ist der Gesetzgebungsprozess zur
Umsetzung der EU-Richtlinien, das andere ist der Prozess zur Erarbeitung des Nationalen Integrationsplanes.
Hier gab es die Verabredung - das wurde auch allgemein
akzeptiert -, dass sich auf der einen Seite der Deutsche
Bundestag um die Gesetzgebung kümmert und dass auf
der anderen Seite das große Feld der gesellschaftspolitischen Entwicklung seinen Platz im Nationalen Integrationsplan haben wird.
Ich darf Ihnen sagen, dass sich Integration nicht allein
in gesetzgeberischen Maßnahmen erschöpft. Der neue
Weg, den wir hier beschreiten, nämlich in der gesamten
Breite der Gesellschaft auf Integration hinzuwirken,
wird sehr erfolgreich sein.
Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Hirsch.
Besten Dank. - Meine Nachfrage bezieht sich auf Ihre
Antwort, die Sie gerade auf die Nachfrage meiner Kollegin Dagmar Enkelmann gegeben haben. Sie sagten, es
sei sozusagen eine Unterstellung, zu behaupten, dass
Vertreterinnen und Vertreter der Oppositionsfraktionen
nicht ausreichend beteiligt gewesen seien. Meine Nachfrage an dieser Stelle ist: Welche Vertreterinnen und Vertreter aus den Oppositionsfraktionen des Bundestages
waren beteiligt? Wenn Sie mir darauf keine Antwort geben können, dann möchte ich Sie darum bitten, Ihre Antwort auf die Nachfrage der Kollegin Enkelmann zu begründen.
Frau Kollegin, der Gesamtprozess des Nationalen Integrationsplanes hat zum einen die Arbeitsgruppen und
zum anderen die Integrationsforen umfasst. Die Integrationsforen haben wir so eingerichtet, dass sich möglichst
viele Interessierte daran beteiligen konnten. Deshalb haben wir Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen des
Deutschen Bundestages eingeladen.
({0})
Diese Einladung ist auch auf unterschiedliche Art und
Weise wahrgenommen worden. Ich glaube, es bestand
eine gute Möglichkeit, sich in diesen Prozess einzuklinken.
({1})
Ganz davon abgesehen, haben wir uns - das hat mich
sehr gefreut - wiederholt in verschiedenen Ausschüssen
des Deutschen Bundestages zu diesen Themen verständigt. Ich bin davon überzeugt, dass der Bundestag der
passende Ort ist, an dem sich Bundesregierung und Abgeordnete in diesen Fragen verständigen und zu Lösungen kommen müssen.
({2})
Frau Staatsministerin, ich danke Ihnen für die Beantwortung dieser Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Für die Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Cornelia Hirsch
auf:
Wie kommt die Bundesregierung vor dem Hintergrund,
dass Arbeitgeber für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen zuständig sind, zu einer Gesetzesinitiative, die Zuschüsse
aus Steuermitteln für die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen verspricht, anstatt die Verantwortung der Unternehmen
einzufordern?
Werte Frau Hirsch, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Der Deutsche Bundestag hat sich am 22. Juni 2007
auf Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD
- das ist die Drucksache 16/5730 - unter dem Titel
„Junge Menschen fördern - Ausbildung schaffen und
Qualifizierung sichern“ zur Situation und Zukunft der
betrieblichen Ausbildung geäußert. Die Bundesregierung wurde unter anderem aufgefordert, zu prüfen, ob
Unternehmen begünstigt werden können, die über
Durchschnittsbedarf junge Menschen ausbilden.
Die Prüfung bezieht sich konkret auf die Frage, ob
diejenigen Unternehmen, die über Durchschnittsbedarf
ausbilden, eine Vergünstigung in Form einer Reduzierung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung erhalten können. Die Prüfung durch die Bundesregierung ist hierbei noch nicht abgeschlossen. Eine
Gesetzesinitiative liegt aus diesem Grund noch nicht vor.
Frau Kollegin, Ihre Nachfrage.
Besten Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
erst einmal ein Dankeschön an dieser Stelle für die ausführliche Beantwortung. Es ist richtig, dass es sich bisher um einen Prüfauftrag an die Bundesregierung handelt.
Da dieser Prüfauftrag noch nicht abgeschlossen ist, ist
meine Frage: Wird vonseiten der Bundesregierung überlegt, inwieweit man Unternehmen, die ausbilden, in
irgendeiner Form finanziell unterstützen kann - eine Reduzierung der Arbeitgeberbeiträge ist quasi eine finanzielle Unterstützung - und inwieweit es andere Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung gibt?
Man könnte in diesem Zusammenhang das Konzept
einer Ausbildungsplatzumlage in die Diskussion bringen, das beide Teile beinhaltet. Auf der einen Seite soll
also derjenige, der nicht ausbildet, zahlen. Auf der anderen Seite soll derjenige, der ausbildet - das ist das Konzept, für das es zurzeit einen Prüfauftrag gibt -, darin unterstützt werden.
Frau Kollegin Hirsch, wir sind ja bei den Aktivitäten
der vergangenen Jahre, die das Ziel hatten, die Wirtschaft mit einzubinden und sie zu ihrer Verantwortung
für die Berufsausbildung und zu Investitionen in junge
Menschen zu ermahnen und anzuhalten, nicht ganz unerfolgreich gewesen. Im Jahr 2006 ist die Zahl der Ausbildungsplätze um rund 26 000 auf circa 576 000 gestiegen. Das war eine Steigerungsrate von 4,7 Prozent.
Zusätzlich jährlich 30 000 Ausbildungsplätze waren damals im Ausbildungspakt verabredet. Es sind real 67 900
geworden.
Zwischenzeitlich wurden 41 800 Einstiegsqualifizierungsplätze geschaffen. 36 800 Arbeitsverhältnisse wurden bereits begonnen. Auch das gibt jungen Menschen
eine Chance. Wir wollen das fortsetzen und diese Zahl
auf 40 000 erhöhen. Wir sind sehr erfreut über die Zahl
derjenigen, die nachher in eine Berufsausbildung einsteigen konnten: Es waren 62,7 Prozent der Beteiligten; das
ist eine gute Rate. Die Wirtschaft hat sich gleichzeitig
dazu bereit erklärt, jährlich zusätzlich 60 000 Ausbildungsplätze zu schaffen und 30 000 neue Betriebe zu gewinnen, die sich an der wichtigen Aufgabe der Berufsausbildung beteiligen.
Ich glaube, dass wir vor diesem Hintergrund gemeinsam die Kraftanstrengung unternehmen sollten, diese
Zahlen auch zu erreichen, bevor wir über andere Instrumente nachdenken. Wir gehen dem Prüfauftrag, den uns
der Deutsche Bundestag gegeben hat, nach. Wir werden
einzelne Kriterien formulieren, die Ergebnisse nachher
auswerten und dann schauen, ob dies - so lautete ja die
Formulierung - umsetzbar ist.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja, ich habe eine weitere Nachfrage. - Ich bin immer
wieder etwas überrascht, dass die Bundesregierung,
wenn man in der Fragestunde über bestimmte Ausbildungszahlen diskutiert, in der Tendenz immer den
Schwerpunkt auf vermeintlich positive Zahlen legt. Eine
Zahl hat mich dabei sehr erschreckt - sie ist von Ihnen
überhaupt nicht genannt worden -: Dabei geht es um die
Frage, wie hoch mittlerweile der Anteil derjenigen ist,
die als sogenannte Altbewerberinnen und Altbewerber
schon seit mindestens einem und häufig schon seit mehreren Jahren auf einen Ausbildungsplatz warten. Diese
Zahl ist Ihnen bekannt; sie liegt mittlerweile bei knapp
über der Hälfte derjenigen, die einen Ausbildungsplatz
suchen. In diesem Zusammenhang lautet meine Frage,
ob die Bundesregierung vor diesem Hintergrund wirklich der Auffassung ist, dass sie in den letzten Jahren
eine erfolgreiche Berufsbildungspolitik betrieben hat,
was sie vor allen Dingen konkret vorhat und welche
Maßnahmen sie plant, um gerade auch hier entgegenzuwirken und den sogenannten Altbewerberinnen und Altbewerbern eine Chance auf einen qualifizierten Berufsabschluss zu geben.
Sie sprechen einen wichtigen Komplex an. Es gibt
viele junge Menschen, die sich in den vergangenen Jahren vergebens darum bemüht haben, einen Berufsausbildungsplatz zu bekommen. Sie sind bei denjenigen in den
Arbeitsagenturen in guter Hand, die versuchen, auch diesen Nachfragern zu einem Ausbildungsplatz zu verhelfen. Bis Mitte Januar dieses Jahres lag die Zahl der Bewerber, die noch aus dem vergangenen Jahr übrig
geblieben sind, bei einer Größenordnung von 17 400. Es
gab gut 1 700 unbesetzte Ausbildungsstellen, sodass wir
hier eine offene Lücke von 15 700 haben. Das befriedigt
auf gar keinen Fall. Wir alle sind ernsthaft aufgefordert,
alle Kraftanstrengungen zu unternehmen, dass diese jungen Menschen eine Ausbildung oder eine Einstiegsqualifizierung erhalten.
Ich habe Ihnen gerade gesagt, was die Bundesregierung mit der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem
Ausbildungspakt abgesprochen hat. Es soll eine Aufstockung der Zahl der EQJ-Plätze von 25 000 auf konkret
40 000 geben. Die Wirtschaft zeigt die Bereitschaft, statt
bislang 30 000 Ausbildungsplätze 60 000 zu schaffen.
Zudem sollen 30 000 neue Ausbildungsbetriebe gewonnen werden.
Ich glaube, das zeigt, dass alle verstanden haben, dass
es jetzt darauf ankommt, für diese jungen Menschen eine
Brücke aus der Arbeitslosigkeit in die Berufsausbildung
und für diejenigen, die aus der Schule kommen, eine
Brücke in die Berufsausbildung zu bauen. Die von mir
genannten Zahlen ermöglichen ein ganz gutes Angebot.
Eine weitere Frage hat der Kollege Heilmann.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass mit dem Qualifizierungszuschuss an Arbeitgeber Jugendlichen wirklich geholfen
wird, und haben sie danach einen Berufsabschluss, oder
werden sie dauerhaft in den Niedriglohnbereich abgedrängt?
Wir werden in dieser Woche im Deutschen Bundestag
darüber beraten, was wir insbesondere für diejenigen
jungen Menschen tun, die seit längerer Zeit arbeitslos
sind. Hier ist sozusagen ein Modell zu finden, das Qualifizierung und Arbeit miteinander verbindet. Es ist ein
Qualifizierungszuschuss von 15 Prozent vorgesehen.
Damit soll den jungen Menschen eine Chance auf Arbeit
und begleitende Qualifizierung gegeben werden.
Wenn es uns gelingt, das Ganze zum 1. Oktober auf
den Weg zu bringen - am Freitag werden wir im Deutschen Bundestag darüber debattieren -, ist das eine gute
Chance. Die Bundesagentur für Arbeit und die Arbeitsgemeinschaften stehen bereit, um konkret zu helfen.
Dem Einzelnen bleibt es überlassen, wie er sich nach
dieser Beschäftigung weiterqualifiziert. Uns scheint es
wichtig zu sein, die jungen Menschen erst einmal aus der
Arbeitslosigkeit herauszubringen und ihnen eine Perspektive zu geben. Der eine wird vielleicht sagen: Ich
nutze diese Möglichkeit. Der andere wird vielleicht sagen: Ich versuche, zusätzlich eine Berufsausbildung zu
machen.
Ich würde in diesem Zusammenhang nicht ohne Weiteres vom sogenannten Niedriglohnbereich sprechen,
weil es um ein Entgelt in Höhe von, wie ich glaube,
1 000 Euro geht. Ich sehe darin eine große Chance für
diese Menschen. Diese Chance und die dafür zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sollten wir jetzt nutzen.
Alle anderen Aktivitäten, die ich gerade genannt
habe, die im Bereich der Berufsausbildung angesiedelt
sind, bleiben unabhängig davon bestehen. Auch davon
können diese jungen Menschen profitieren. Wir erweitern das Angebot sozusagen. Es gilt, diese Chance zu
nutzen.
Die gute konjunkturelle Situation kann hilfreich sein.
Ich gehe davon aus, dass sie sich positiv auswirken wird.
Die Arbeitslosenquote in bestimmten Bereichen veranlasst die Arbeitgeber zunehmend, sich ernsthaft
Gedanken über Facharbeitermangel und Fragen der Qualifizierung der Beschäftigten zu machen. In diesem Zusammenhang kann man nur sagen: Wenn du wettbewerbsfähig bleiben willst, musst du in die jungen
Menschen investieren, Ausbildungsplätze zur Verfügung
stellen, junge Menschen einstellen und sie in den Betrieben qualifizieren. Das ist eine Investition in die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, von der auch die Unternehmen profitieren.
Eine weitere Frage hat die Kollegin Höger.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Maßnahmen,
die Sie jetzt planen, insbesondere benachteiligten JuInge Höger
gendlichen zugutekommen, dass sie die Chance auf eine
Ausbildung erhalten und es nicht nur zu Mitnahmeeffekten seitens der Unternehmen kommt?
Ich glaube, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in den Arbeitsgemeinschaften und der Bundesagentur
für Arbeit sehr umsichtig vorgehen. Sie kennen die jungen Menschen in ihren Dateien, bei denen eine Vermittlung bislang trotz aller Bemühungen nicht erfolgreich
war, sehr genau. Wir haben Kriterien formuliert: Mindestens zwei Vermittlungshemmnisse müssen vorliegen.
In Deutschland verlässt eine Vielzahl junger Menschen die Schule ohne Abschluss. Damit dürfen wir uns
nicht abfinden. Wir müssen erwarten - das ist insbesondere Aufgabe der Länder -, dass die jungen Menschen
für eine Berufsausbildung qualifiziert sind, wenn sie aus
der Schule kommen. Lamentieren hilft aber nicht; wir
müssen den jungen Menschen helfen, und dazu sind unsere Angebote da.
Ich glaube, dass die Vermittler in der Arbeitsagentur
und den Arbeitsgemeinschaften aufgrund unserer Empfehlung zum Betreuungsverhältnis - wir wollen als
Orientierungswert ein Verhältnis von 1 : 75 zwischen
Betreuer und Betreuten - in der Lage sind, sich intensiv
um die Betroffenen zu kümmern. Ich glaube ferner, dass
die Betreuer wissen, welche Arbeitgeber in der Region
zuverlässig sind und welche es nur auf Mitnahmeeffekte
abgesehen haben. Ich meine, dass diese Unternehmen
eine vernünftige Integration nicht gewährleisten können
und dementsprechend nicht infrage kommen. Die Fachund Sachkompetenz sowie die Ortskenntnis der Betreuer
wird, so denke ich, das gewährleisten.
Zu einer weiteren Frage hat nun die Kollegin
Enkelmann das Wort.
Aus guten Gründen beteiligen sich die Gewerkschaften nicht am sogenannten Ausbildungspakt. Früher
wurde auch seitens der SPD eine Ausbildungsplatzumlage gefordert. Die Gewerkschaften halten nach wie
vor daran fest. Meine Frage lautet: Welche Auswirkungen hat die Tatsache, dass die Gewerkschaften am Ausbildungspakt nicht beteiligt sind, auf andere Fragen der
Ausbildung, zum Beispiel auf die Frage des Jugendarbeitsschutzes?
Frau Dr. Enkelmann, ich kann im Moment keinen direkten Zusammenhang mit dem Jugendarbeitsschutz erkennen. Persönlich hätte ich es begrüßt, wenn die Gewerkschaften dabei gewesen wären. Ich weiß aber, dass
die Gewerkschaften Fragen der Berufsausbildung gemeinsam mit den Arbeitgebern in mehreren Tarifverträgen geregelt haben. Ich weiß, dass sie zum Beispiel in
der chemischen Industrie einen Weg gefunden haben,
wie die zusätzlich entwickelten Ausbildungsplätze zu einem positiven Gesamtergebnis beitragen können. Von
dieser Seite kommt also Unterstützung. Schade, dass
man nicht dabei ist. Das wäre nicht schlecht gewesen.
Eine weitere Frage hat nun die Kollegin Jelpke.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung die
Forderung nach einem Berufsbildungs-PISA aufgreifen,
um die Ausbildung zu verbessern? Wenn nein, warum
nicht?
Sie müssen zugestehen - Frau Jelpke, das ist Ihnen
bekannt -, dass es eine klare Geschäftsaufteilung gibt.
Die Frage ressortiert jetzt ein Stück weit in den Bereich
des Bildungsministeriums und nicht des Arbeitsministeriums. Ich glaube - wir in der Bundesregierung haben in
einer Vielzahl von Bereichen zwischenzeitlich gemeinsam an der Modernisierung der Berufsausbildung gearbeitet -, dass wir für junge Menschen neue Möglichkeiten geschaffen haben, sich nach der Schule für den
Übergang in die Arbeitswelt zu qualifizieren. Ich denke,
dass in der Zukunft bei der einen oder anderen Diskussion über die Modernisierung der Berufsausbildung auch
dieser Aspekt einbezogen werden kann. Aber ich kann
Ihnen jetzt keine konkrete Zusage machen.
Eine weitere Frage hat nun die Kollegin Dağdelen.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, bezüglich des
Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Qualifizierung und Beschäftigungschancen von Jüngeren möchte
ich Sie gerne fragen: Welche Änderungen wurden nach
der Anhörung am Montag noch in den Gesetzesentwurf
eingearbeitet? Ich möchte in diesem Zusammenhang
ganz konkret monieren, dass es im mitberatenden Bildungsausschuss überhaupt gar keine Debatte darüber gegeben hat. Hat man sich also nach der Anhörung genügend Debattenzeit eingeräumt? Welche Kritik wurde
konkret geäußert?
Werte Kollegin, wir haben heute Morgen im Vorfeld
- der Vorsitzende des Vorstands der Bundesagentur für
Arbeit, Herr Weise, war anwesend - sehr ausführlich
über die Arbeitsmarktpolitik diskutiert und anschließend
über diese Gesetzesvorhaben beraten. Wir haben in dem
Bereich, der die über 25-Jährigen betrifft, für die wir die
Beschäftigungschancen verbessern wollen, die Möglichkeit geschaffen, auch die Alterskategorie unter 25 Jahre
zu bedienen. Es hat in verschiedenen Bereichen Änderungen gegeben.
Ich muss Ihnen an dieser Stelle ehrlich sagen: Ich bin
gerne bereit, Ihnen diese Änderungen gleich in schriftli11018
cher Form zu übermitteln. Denn sie sind jetzt auch in
Anträgen formuliert worden. Ich habe sie hier im Moment nicht im Einzelnen parat. Ich glaube aber, dass wir
an dieser Stelle einen breiten Fächer von Möglichkeiten
haben, wie jungen Menschen jetzt konkret vor Ort geholfen werden kann.
Die Kollegin Hänsel hat noch eine Zusatzfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich habe eine Frage
bezüglich der Einstiegsqualifizierung - dazu gab es jede
Menge Kritik -, die ja ausgeweitet werden soll. Wurden
die verschiedenen Kritikpunkte berücksichtigt, also zum
Beispiel dass die ursprüngliche Zielgruppe nicht exakt
getroffen wird? Haben Sie diese Kritik in Ihre Überlegungen hinsichtlich der Ausweitungen einbezogen?
Werte Frau Kollegin, Sie wissen, dass die Einstiegsqualifizierung gerade für die Jugendlichen vorgesehen
ist, die aufgrund bestehender Vermittlungshemmnisse
Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Zum Beispiel fehlt diesen Jugendlichen der
Hauptschulabschluss, oder es liegt ein Hauptschulabschluss vor, der sich nicht gerade im oberen Leistungsbereich befindet. Es kann auch die Situation bestehen,
dass junge Menschen den Hauptschulabschluss haben,
aber durch den Test, der in vielen Betrieben stattfindet,
durchgefallen sind. Alle diese Aspekte spielen dabei
eine Rolle.
Die Zahl der Plätze für Einstiegsqualifizierungen für
diese Zielgruppe ist, wie gesagt, auf 40 000 erhöht worden. Ich glaube, dass die Kriterien, die dazu formuliert
worden sind, den jungen Menschen, die ich gerade als
Zielgruppe beschrieben habe, den Zugang dazu ermöglichen.
Wir kommen nun zu den weiteren Fragen.
Die Frage 22 des Kollegen Kai Gehring wird schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zur Frage 23 der Kollegin
Dr. Dagmar Enkelmann:
Interpretiert die Bundesregierung die Festlegung des Koalitionsausschusses, laut der Branchen mit einer Tarifbindung
von mindestens 50 Prozent das Angebot erhalten, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden, dahin
gehend, dass diese Tarifbindung auf jeden Fall bundesweit
mindestens die Hälfte der Beschäftigten der jeweiligen Branche erfassen muss, oder werden mit dieser Festlegung auch
Branchen erfasst, die nur in bestimmten Regionen eine mindestens 50-prozentige Tarifbindung erreichen, in anderen Regionen aber nicht?
Werte Frau Dr. Enkelmann, die Antwort, die ich Ihnen gebe, lautet: Die im Koalitionsausschuss getroffene
Vereinbarung sieht bei der Frage der Aufnahme einer
Branche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz keine Differenzierung nach Regionen vor.
Ihre Nachfrage, bitte.
Diese Frage hat schon in der letzten Sitzungswoche
eine Rolle gespielt. Da ist gesagt worden, dass ein Unternehmen, in dem mindestens 50 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden sind, zumindest die Möglichkeit haben
soll, den Antrag auf Aufnahme in das Entsendegesetz zu
stellen. Das könnte in der Konsequenz bedeuten, dass es
innerhalb einer Branche Beschäftigte zweier Klassen
gibt. Meine Frage lautet: Ist das geplant, und was bedeutet das für die Gleichbehandlung der Unternehmen und
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?
Frau Dr. Enkelmann, ich weiß nicht, wo und wie
diese Frage erörtert worden ist. Hier darf man allerdings
keinem Missverständnis erliegen: Was die 50-prozentige
Tarifbindung betrifft, so ist auf die gesamte Branche in
Deutschland abzustellen. Die Voraussetzung der 50-prozentigen Tarifbindung ist erfüllt, wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber einer Branche mindestens 50 Prozent
der in dieser Branche tätigen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer beschäftigen. Dabei sind alle Tarifverträge
der Branche zu berücksichtigen, die Flächentarifverträge
und die Haustarifverträge.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
Ja, ich habe eine weitere Zusatzfrage. - In dieser Woche ist bekannt geworden, dass nach Rheinland-Pfalz
auch die Länder Bremen und Berlin eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns
auf den Weg gebracht haben. Wie passen die Pläne der
Bundesregierung zu einer solchen Bundesratsinitiative,
die von der SPD zumindest verbal immer unterstützt
worden ist?
Frau Dr. Enkelmann, wir haben im Koalitionsausschuss eine Verabredung zur Einbeziehung weiterer Branchen in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz getroffen.
Hinzu kommt eine Veränderung des Gesetzes über die
Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen aus dem
Jahre 1952. Dieser Arbeit geht man im Moment im Ministerium nach. Das, was Sie gerade beschrieben haben, sind
lediglich Meldungen, die gemacht worden sind. Es ist im
Bundesrat noch keine Diskussion erfolgt, und es wurde im
Bundesrat noch keine Entscheidung getroffen.
({0})
Die Bundesregierung wird sich dann zu diesem Thema
verhalten, wenn es sich im Bundesrat im Verfahren befindet.
({1})
Das Wort zu einer weiteren Frage hat die Kollegin
Hirsch.
Besten Dank, Frau Präsidentin. - Noch einmal zum
Entsendegesetz: Mich würde interessieren, wie Sie die
aktuellen Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten bewerten und ob, wenn es zu einer Ausweitung des Entsendegesetzes kommt, geplant ist, in irgendeiner Form Änderungen vorzunehmen, um es weiter zu verbessern.
Wir wollen die Kontrolle, wie es auch bisher der Fall
war, bei der Zollverwaltung belassen.
Eine weitere Frage hat die Kollegin Dağdelen.
Herr Staatssekretär, in Ihrer Antwort auf die erste
Nachfrage meiner Kollegin Enkelmann haben Sie auf
die Branchen hingewiesen. Ich möchte gerne wissen: In
welchen Branchen könnte es aus Ihrer Sicht zutreffen,
dass mindestens 50 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden sind?
Es ist schwierig, das einzuschätzen. Das kann man
nicht auf die Zahl genau voneinander abgrenzen; hier
bitte ich um Verständnis.
({0})
- Nicht so ungeduldig. Ich versuche schlichtweg, zu beschreiben, dass man nicht sagen kann: Es sind so und so
viele Tausend.
Nach ersten Einschätzungen wird das wahrscheinlich
in den Bereichen des Bewachungsgewerbes, der Entsorgungswirtschaft, der Leiharbeit oder der Post der Fall
sein. In Grenzbereiche kommt man wahrscheinlich beim
Friseurhandwerk, beim Hotel- und Gaststättengewerbe
und beim Einzelhandel; hier wird das genauer zu untersuchen sein.
Zu einer weiteren Frage erteile ich nun das Wort der
Kollegin Höger.
Haben Sie bei den Planungen zur Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes Vorstellungen, in welcher
Höhe in Zukunft so eine Art Mindestlohn eingezogen
werden soll? Ist es nicht doch sehr kompliziert, das alles
auf Branchen abzustellen? Wäre nicht ein richtiger gesetzlicher Mindestlohn viel sinnvoller, wenn man das
Ziel hat, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können sollen?
Sehen Sie, werte Frau Kollegin Höger: Jetzt wird geregelt, dass die Branchen mit einer Tarifbindung von
mindestens 50 Prozent das Angebot erhalten, in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen zu werden
und tarifliche Mindestlöhne zu vereinbaren. Damit wird
ein ganz wichtiger Punkt der Tarifautonomie gewahrt:
dass die Branchen - also Gewerkschafter und Arbeitgeber der Branche - dies für sich, für ihren Bereich, mit ihrer Sach- und Fachkenntnis, mit ihrer Kompetenz festlegen. Die Voraussetzung, um aufgenommen zu werden,
wird ein gemeinsamer Antrag der Tarifvertragsparteien
bis zum 31. März 2008 sein; eine spätere Aufnahme ist
dabei nicht ausgeschlossen.
So glaube ich, dass die Frage nach der Höhe schlichtweg bei denen zu verorten ist, die die Tarifverhandlungen führen - wie wir das auch in vielen anderen Bereichen haben. Ich glaube, dass auf diesem Weg die beste
Lösung gefunden werden kann, auch was die Größenordnung einer fairen Entlohnung angeht, mit der die jeweilige Branche wirtschaftlich vernünftig und zukunftsfest leben kann.
Die Frau Kollegin Hänsel hat eine weitere Zusatzfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Mich würde interessieren, wie Sie die Arbeitsbedingungen sowie die Qualitätsstandards im ganzen Bereich der Pflege bewerten;
das ist ja ein sehr sensibler Bereich. Haben Sie Überlegungen, für diesen Bereich Mindeststandards zu entwickeln und auch in Richtung eines Mindestlohns zu gehen?
Sehen Sie, werte Kollegin: Wenn dieser Fragenkomplex auftritt und dieser Bereich unter die Konditionen
fällt, die ich gerade genannt habe, dann ist das ein Komplex, der, was die Arbeitsbedingungen und die Entlohnungsbedingungen ganz konkret angeht, von den Tarifvertragsparteien in dem Sinne formuliert werden muss,
wie ich das gerade gesagt habe.
Das Zweite ist: Wenn es an der 50-prozentigen Tarifbindung fehlen sollte - das wäre sozusagen einer der sogenannten weißen Flecken -, würde in diesem Bereich
die Regelung aus dem reformierten Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen von 1952 infrage kommen: dass ein Hauptausschuss eingerichtet
wird, der mit der Unterstützung eines Fachausschusses
für die jeweilige Branche festlegt, wie hoch der Mindestlohn im konkreten Fall sein soll. In diesem Fachausschuss wären die Experten, die Gewerkschaften und die
Arbeitgeber des jeweiligen Bereiches - im Fall Ihrer
Frage: aus dem Pflegebereich - vertreten und könnten
ihren Erfahrungshintergrund einbringen.
Die Fragen 24 und 25 der Kollegin Brigitte Pothmer
werden schriftlich beantwortet.
Damit darf ich Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen, die in Ihren Geschäftsbereich
fielen, herzlich danken.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Für die Beantwortung der Fragen sollte
Herr Staatsminister Gernot Erler zur Verfügung stehen.
({0})
- Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Bonde und die
Frage 28 des Kollegen Trittin werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Peter
Altmaier zur Verfügung.
Die Frage 29 des Kollegen Trittin und die Fragen 30
und 31 des Kollegen Fell werden schriftlich beantwortet.
Damit rufe ich die Frage 32 des Kollegen Wolfgang
Wieland auf:
In welcher Form war die Bundesregierung in die Planung
der Sicherheitsmaßnahmen für den G-8-Gipfel in Heiligendamm eingebunden, und wie waren Vertreter der Bundesregierung in die Zusammenarbeit während des Einsatzes, insbesondere in die Arbeit der Einsatzzentrale Kavala,
eingebunden?
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Herr Kollege Wieland, das Bundeskriminalamt und
die Bundespolizei haben zunächst einmal im Rahmen ihrer originären Zuständigkeiten, die es für Heiligendamm
ja gab, eigene Sicherheitskonzepte entwickelt. Diese
Konzepte sind dann zwischen den Stäben und den
besonderen Aufbauorganisationen aller beteiligten Sicherheitsbehörden und damit auch der BAO Kavala des
Landes Mecklenburg-Vorpommern erörtert und insbesondere an den Schnittstellen der jeweils geplanten Maßnahmen angepasst worden.
Darüber hinaus waren auf Anforderungen des Landes
Mecklenburg-Vorpommern das BKA mit sechs und die
Bundespolizei mit drei Polizeivollzugsbeamten als Verbindungsbeamten in dem Führungsstab der BAO Kavala
des Landes Mecklenburg-Vorpommern vertreten. Diese
Verbindungsbeamten haben beim Führungsstab der
BAO Kavala auf die Zusammenarbeit mit ihren Stammdienststellen bezogene Informations- und Koordinierungsaufgaben wahrgenommen.
Soweit es den Bereich der Bundeswehr betrifft, wurden darüber hinaus Besprechungen durch die verantwortlichen Dienststellen des Landes MecklenburgVorpommern unter ebenengerechter Beteiligung von
Vertretern der Bundeswehr durchgeführt. Die Bundeswehr war ausschließlich durch Koordinierung und Abstimmung der im Rahmen der Amtshilfe beantragten
Unterstützungsleistungen betroffen. Während des G-8Gipfels war die Bundeswehr bei der BAO Kavala mit
Verbindungselementen im Führungsstab sowie in den Einsatzabschnitten 8 - das war Luftsicherheit - und 9 - das
war Seesicherheit - vertreten.
Herr Kollege, haben Sie eine Nachfrage?
Ja. - Herr Staatssekretär, die Frage ist ja, wer eigentlich auf die Idee kam, dort Tornados einzusetzen. Wurde
das dem Land Mecklenburg-Vorpommern bei diesen Erörterungen angeboten, oder hat das Land MecklenburgVorpommern vor dem förmlichen Amtshilfeersuchen
selbst die Idee gehabt, dass Tornados genommen werden
könnten, was mir relativ unwahrscheinlich erscheint?
Ich will ja nicht, wie Bismarck, behaupten, dass in diesem Land alles 100 Jahre später geschieht, aber ich
stelle doch die Frage: Hat man angeboten, zuzugreifen,
oder hat Mecklenburg-Vorpommern auf Tornados bestanden?
Herr Kollege Wieland, da die Tornados vom Land
Mecklenburg-Vorpommern angefordert worden sind,
müssten Sie dort im Landtag die Frage stellen, wie man
auf die Idee gekommen ist.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja, ich habe eine weitere Nachfrage. - Herr Staatssekretär, das förmliche Rechtshilfeersuchen wurde von
Mecklenburg-Vorpommern gestellt; so weit, so banal.
Meine Frage war ja, ob man ihnen vorher ein Angebot
gemacht und gesagt hat: Das alles haben wir hier im
Koffer, ihr könnt zugreifen.
Nun frage ich aber etwas anderes: Gab es an irgendeiner Stelle eine rechtliche Prüfung, ob diese Art des
Bundeswehreinsatzes mit der Verfassung kompatibel ist
und welche Grenzen man beachten muss? War Ihr Haus
beteiligt? War das Bundesjustizministerium beteiligt?
Man hat bei den Spürpanzern beispielsweise die Kanonen demontiert. Irgendjemand muss doch beraten haben,
wie man so etwas macht. Oder sagen Sie auch hier, dass
das dem mecklenburg-vorpommerschen Genie zu verdanken ist und dass die das von alleine so gemacht haben?
Weil Sie ja an der Klärung der Zuständigkeiten interessiert sind: Das Bundesinnenministerium hat die Tornados weder angefordert noch bewilligt. Es war bekannt
- das war auch kein Geheimnis -, dass die Bundeswehr
im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach Art. 35 Grundgesetz technisch-logistische Amtshilfe leisten würde. Das
hatte ich in Ihrer Anwesenheit damals auch im Innenausschuss ausgeführt. Es gab im Bundesinnenministerium
keinerlei Zweifel daran, dass die Bundesregierung und
die Bundeswehr die Grenzen der Amtshilfe einhalten
werden.
Wenn ich das richtig gesehen habe, haben sich die
Kollegin Höger und die Kollegin Hirsch für je eine
Nachfrage gemeldet. - Frau Höger, bitte.
In der Frage geht es um die Zusammenarbeit der Bundesministerien mit der Einsatzzentrale Kavala. Inzwischen haben der Innenausschuss und der Verteidigungsausschuss lange beraten, und es wurde die Auskunft
gegeben, dass die Tornados nur für Aufklärungsarbeit
eingesetzt werden sollten, um Veränderungen an Straßen
und auf Erdhügeln festzustellen. Dafür waren zwei Einsatzflüge genehmigt worden. Es hat aber sehr viel mehr
Flüge gegeben, und zwei Drittel der Aufnahmen zeigen
die Camps. Insofern frage ich mich, wie die Zusammenarbeit zwischen Kavala und den Bundesministerien verlaufen ist.
Ich kann nur noch einmal unterstreichen, was ich bereits auf die Frage des Kollegen Wieland geantwortet
habe. Nach allen mir vorliegenden Informationen haben
die entsandten Vertreter der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes lediglich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Informationstätigkeiten wahrgenommen und die
Verbindung zwischen ihren jeweiligen Heimateinheiten
- dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei - und
der Polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern gewährleistet.
Die Kollegin Hirsch zu einer weiteren Frage.
Danke schön. - Ich möchte von dem Tornado-Einsatz
wegkommen. Es gibt zu der gesamten G-8-Woche
durchaus noch mehr Fragestellungen hinsichtlich einer
möglichen Verantwortung der Bundesregierung. Mich
interessiert das gesamte Konzept der Öffentlichkeitsarbeit. Das erscheint zunächst bei weitem nicht so dramatisch wie ein Tornado-Einsatz, aber mit Pressemitteilungen, die Clownsarmee schieße mit Säure auf
Polizeibeamte, und Ähnlichem ist eine Stimmung erzeugt worden, die auf Demonstrationen und bei Blockaden sehr stark zur Eskalation beigetragen hat. Insofern
frage ich Sie nach dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit.
Welche Verantwortung trägt dabei die Bundesregierung
konkret?
Soweit mir bekannt ist, hat die Öffentlichkeitsarbeit
im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Behörden - das
heißt im Zuständigkeitsbereich von Mecklenburg-Vorpommern für die dortigen Vorgänge und im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung für unsere eigenen
Aufgaben - stattgefunden.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat nun die Kollegin
Kurth.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Da trotz der beantworteten Nachfragen unserer Meinung nach unsere
Frage nicht hinlänglich beantwortet ist, beantragen wir
nach § 106 unserer Geschäftsordnung und Anlage 5
Nr. 1 b eine Aktuelle Stunde unter dem Titel „Bundeswehreinsatz beim G-8-Gipfel“.
Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat bezüglich der Antwort auf die Frage 32 eine Aktuelle
Stunde beantragt. Das entspricht auch der Nr. 1 b der
Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse. Die Aktuelle Stunde wird in unmittelbarem Anschluss an die Fragestunde stattfinden.
Die Frage 33 des Kollegen Volker Beck ({0}) soll
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen dann zu Frage 34 der Kollegin Ulla
Jelpke:
Sieht sich die Bundesregierung als Einladerin des G-8Gipfels auch in der Verantwortung dafür, dass Polizeimaßnahmen rechtsstaatskonform ablaufen, und wie bewertet sie vor
diesem Hintergrund die zum Teil über 24 Stunden andauernde
Unterbringung von Gefangenen in Käfigen, wie sie während
des Gipfels stattgefunden hat?
Ich kann auf die Frage antworten, dass die Einladung
der Bundesregierung zu diesem Gipfel nichts an der innerstaatlichen Verteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten ändert, die im Bereich der allgemeinen
polizeilichen Gefahrenabwehr nach der föderativen
Kompetenzordnung des Grundgesetzes, wie Sie inzwischen auch wissen, bei den Ländern liegen.
Zu den Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des G-8Weltwirtschaftsgipfels in Heiligendamm, die in der Zuständigkeit des Landes Mecklenburg-Vorpommern liegen, nimmt die Bundesregierung grundsätzlich keine
Stellung, da die parlamentarische Kontrolle dieser Maßnahmen dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern
obliegt.
Ich kann allerdings hinzufügen, dass nach dem hiesigen Kenntnisstand - das können wir aber nicht aus eigener Zuständigkeit beurteilen - die Gefangenensammelstellen, auf die Sie sich beziehen, auch von einer NGO,
die im Menschenrechtsbereich tätig ist, begutachtet wurden und für menschenrechtskonform befunden wurden,
und zwar vor Beginn des Gipfels.
Ihre Nachfrage, bitte, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, wir haben schon öfter gehört,
dass die Bundesregierung bzw. das Innenministerium alles auf Mecklenburg-Vorpommern schiebt. Aber es waren mehr als 2 000 Polizisten der Bundespolizei dort im
Einsatz. Daher sollte die Bundesregierung eine Meinung
zu den Vorwürfen haben, dass Menschen in Käfigen untergebracht wurden, dass Anwälte nicht zu ihnen gelassen wurden, dass die Menschen zum Teil die ganze
Nacht mit Neonlampen bestrahlt wurden und dass sich
mehr als 20 Menschen auf 25 Quadratmetern aufhalten
mussten.
Frau Kollegin Jelpke, ich gehe als Vertreter der Bundesregierung davon aus, dass polizeiliche Maßnahmen,
die in der Zuständigkeit von Bundesländern ergriffen
werden, den rechtsstaatlichen und den gesetzlichen Anforderungen in unserem Land entsprechen. Sofern dies
bezweifelt oder bestritten wird, gibt es dafür Rechtswege. Diese Rechtswege müssen von den Betroffenen
beschritten werden. Dann liegt die Entscheidung bei den
zuständigen Verwaltungsinstanzen bzw. in letzter Instanz bei den Gerichten.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Meine zweite Zusatzfrage bezieht sich darauf, dass
wir gemeinsam mit einigen Mitgliedern des Innenausschusses zwei Wochen vor dem G-8-Gipfel unter Ihrer
Schirmherrschaft die Polizeibehörden vor Ort besucht
haben. Damals war immer davon die Rede, dass es einen
gemeinsamen Polizeistab aus Bundespolizei, Landespolizeien und Bundeswehr geben wird. Wollen Sie mir allen Ernstes erzählen, dass dort nichts gemeinsam koordiniert und ausgewertet wurde?
Ich habe auf die Frage des Kollegen Wieland genau
geschildert, wie es war. Es gab unter der Verantwortung
des Landes Mecklenburg-Vorpommern die BAO Kavala; das ist hinlänglich bekannt.
({0})
In diese BAO haben wir zusammen mit den beteiligten
Behörden Verbindungsbeamte entsandt, weil es selbstverständlich Koordinierungsbedarf im Hinblick auf die
dort eingesetzten 2 000 Bundespolizisten und auf die
Bundeswehrsoldaten gab. Diese Koordinierung hat auch
stattgefunden - das habe ich eben in aller Ausführlichkeit dargelegt -, aber immer im Hinblick auf die Fragen
und Aufgaben, die die Bundespolizei und die Bundeswehr sowie das Bundeskriminalamt in ihren Zuständigkeitsbereichen betroffen haben.
Zu einer weiteren Frage erteile ich nun das Wort der
Kollegin Hirsch.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Für mich passt Folgendes trotzdem nicht zusammen: Sie haben in der ersten Antwort, die Sie gerade gegeben haben, deutlich gemacht, dass Sie nicht der Auffassung sind, dass sich die
Bundesregierung zu dem positionieren muss, was bei
den Protesten vor Ort konkret passiert ist, obwohl die
Einladung vonseiten der Bundesregierung zu dem G-8Gipfel ausgesprochen wurde, sondern dass das hauptsächlich in der Verantwortung des Landes MecklenburgVorpommern lag. Ich verstehe aber nicht, dass wir es in
der G-8-Woche mit einer massiven Einschränkung der
Demonstrationsrechte zu tun hatten und dass dies vor
den Gerichten gerade damit begründet wurde - das war
ein zentraler Punkt -, es werde sonst der Bundesregierung auf die Füße fallen, weil das das Bild der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beschädige, beispielsweise wenn Bush nicht so hätte landen können, wie er
sich das vorgestellt hatte, oder wenn Journalistinnen und
Journalisten nicht hätten durchkommen und berichten
können. Das passt doch nicht zusammen. Auf der einen
Seite sagen Sie, dass die Bundesregierung damit nichts
zu tun habe. Auf der anderen Seite begründen Sie das
mit bundesweiten Kompetenzen.
Frau Kollegin Hirsch, Sie vergleichen hier Äpfel mit
Birnen. Die Behörden in Mecklenburg-Vorpommern haben etwa im Hinblick auf die Ausübung des Versammlungsrechts Entscheidungen getroffen. Diese Entscheidungen wurden gerichtlich angefochten. Sie wurden im
Endergebnis von den Gerichten im Wesentlichen bestätigt. Dies hat die Bundesregierung nicht zu kommentieren. Das ist im Übrigen ein Nachweis dafür, dass unser
Rechtsstaat funktioniert und dass die Entscheidungen
nach Recht und Gesetz zustande kamen.
Ich rufe nun die Frage 35 der Kollegin Silke Stokar
von Neuforn auf:
Welche Ergebnisse konnte und sollte der Einsatz von
Spähpanzern in Heiligendamm bringen, die nicht auch mit anderen - der Polizei normalerweise zur Verfügung stehenden Mitteln hätten gewonnen werden können?
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Frau Kollegin Stokar, durch das Innenministerium des
Landes Mecklenburg-Vorpommern wurden mit Antrag
vom 13. März 2007 unter anderem neun Aufklärungssysteme Fennek zur Geländeaufklärung außerhalb militärischer Anlagen beantragt. Im Einzelnen waren dies
drei Spähtrupps Fennek im Einsatzabschnitt Heiligendamm innerhalb der gesicherten Zone vom 30. Mai bis
8. Juni 2007, drei Spähtrupps Fennek im Einsatzraum
„Raumschutz für den stationären Einsatz“ in der Zeit
vom 29. Mai bis 8. Juni 2007 sowie drei Spähtrupps
Fennek zur Überwachung von Geländeteilen um den
Flughafen Rostock-Laage in der Zeit vom 1. Juni bis
9. Juni 2007.
Nach interner Prüfung einschließlich rechtlicher
Möglichkeiten zum Konzept hat das BMVg am 4. Juni
2007 die vom Land beantragte Unterstützung mit insgesamt neun Aufklärungssystemen Fennek außerhalb umschlossener militärischer Anlagen unter folgenden Auflagen gebilligt: Erstens: Einsatz an Übersichtspunkten
zur Überwachung von Räumen und Straßen sowie der
Anflugrouten von Teilnehmern des Gipfels. Zweitens:
kein Einsatz an Brennpunkten. Drittens: Schutz durch
Polizeikräfte.
Die Fähigkeiten des Aufklärungssystems Fennek ermöglichten eine schnelle und frühzeitige Verdichtung
des Lagebildes in Geländeabschnitten, insbesondere in
der Nacht. Die technische Ausstattung des Aufklärungssystems Fennek zur Aufklärung erlaubt dabei besonders
das Überwachen nicht einsehbarer Räume, von Räumen
großer Ausdehnung sowie über große Entfernungen.
Zu den in der Frage angesprochenen der Polizei für
das Land Mecklenburg-Vorpommern normalerweise zur
Verfügung stehenden Mitteln nimmt die Bundesregierung grundsätzlich keine Stellung, da hier die Zuständigkeit des Landes betroffen ist. Für den Fall, dass Sie nachfragen, ob denn die Bundespolizei entsprechende
Einsatzmittel gehabt hätte, kann ich Ihnen sagen, dass
die Bundespolizei ein den Leistungsmöglichkeiten des
Aufklärungssystems Fennek entsprechendes Gerät, insbesondere zur Überwachung nicht einsehbarer Räume,
nicht hat. Sie verfügt lediglich über handgehaltene Wärmebildgeräte und in Kraftfahrzeuge eingebaute Wärmebildsichtanlagen.
Frau Kollegin, haben Sie eine Nachfrage?
Nein.
Dann kommen wir zu Ihrer Frage 36:
Für welche Aufgaben wurden Feldjäger von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern für den Einsatz im Rahmen des G-8-Gipfels in Heiligendamm angefordert und eingesetzt, und warum hätten diese Aufgaben nicht durch
Polizistinnen und Polizisten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der anderen Länderpolizeien oder der Bundespolizei ausgeführt werden können?
Herr Staatssekretär.
Was die Frage des Einsatzes von Feldjägerkräften angeht, kann ich sagen: Amtshilfeersuchen zum Einsatz
von Feldjägerkräften lagen nicht vor. Anträge auf Unterstützung an das zuständige Wehrbereichskommando I
Küste in Kiel wurden nur durch militärische Dienststellen gestellt und durch das Streitkräfteunterstützungskommando in Köln, Wehrbereichskommando I Küste in
Kiel, gebilligt. Dies waren im Einzelnen der Kasernenkommandant des Flugplatzes Laage, der Kasernenkommandant der Hanse-Kaserne Rostock, der Kasernenkommandant des Marinestützpunktes Warnemünde „Hohe
Düne“ sowie das Sanitätskommando I für die Absicherung der modularen San-Einrichtung in Hohenfelde bei
Bad Doberan. Die Absicherung militärischer Liegenschaften und Objekte ist Aufgabe der Bundeswehr.
Haben Sie eine Nachfrage?
Nein.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde, da wir den
zeitlichen Rahmen voll ausgeschöpft haben. Die noch
nicht beantworteten Fragen werden nach unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet.
Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat zur
Antwort der Bundesregierung auf die Frage 32, in der es
um den Bundeswehreinsatz beim G-8-Gipfel ging, eine
Aktuelle Stunde verlangt. Das entspricht Nr. 1 b der
Richtlinien für die Aktuelle Stunde, wie wir vorhin festgestellt haben.
Ich rufe daher nun Zusatzpunkt 5 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Bundeswehreinsatz beim G-8-Gipfel
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Silke Stokar von Neuforn von der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da donnern Tornados über Protestcamps, in denen sich hauptsächlich Jugendliche aufhalten - nicht einmal, nicht
zweimal. Wir wissen trotz zahlreicher Anfragen im Innenausschuss und im Verteidigungsausschuss bis heute
nicht genau, wie viele Tornado-Flüge es gegeben hat, um
aufzuklären, was in diesen Protestcamps geschieht. Gestern haben wir erfahren, dass außer den Tornados auch
Eurofighter und Phantom-Jets über Heiligendamm geflogen sind. Der Staatssekretär des Bundesinnenministeriums versucht ernsthaft, mir weiszumachen, dass die
Fähigkeiten der Bundespolizei und der Polizeien der
Länder nicht ausreichend sind, um Demonstrationsverläufe aufzuklären. Spähpanzer mit Fennek-Technik und
Satellitentelefonen werden im Rahmen des Versammlungsrechts eingesetzt, um militärische Lagebilder über
Demonstrationen in Deutschland zu erstellen. Ein Spähpanzer - das haben Sie hier nicht ausdrücklich gesagt wird als Objektschutz für einen Genacker abgestellt.
Seit Tagen versucht diese Bundesregierung, uns weiszumachen, dass das alles ganz normal in Deutschland ist.
Ich sage Ihnen: Diese Form von militärischer Amtshilfe,
({0})
deren Ausmaß hier nur scheibchenweise in Form täglich
neuer Meldungen an das Licht der Öffentlichkeit dringt,
war verfassungswidrig. Das ist mein erster Vorwurf.
Der zweite Vorwurf - deswegen habe ich in der Fragestunde keine weiteren Fragen gestellt - lautet: Bis
heute, bis zu diesem Zeitpunkt der Aktuellen Stunde hat
die Bundesregierung das Parlament belogen. Unsere
Fragen sind nicht wahrheitsgemäß beantwortet worden.
Man kann im Großen und Ganzen sagen: Zugegeben
wurde im Laufe der letzten Tage immer nur das, was
vorher in den Magazinen und in den Onlinenachrichten
zu lesen war.
Das sind die beiden Vorwürfe, die ich mache, nämlich
den verfassungswidrigen Einsatz der Bundeswehr im Innern angeordnet zu haben und gleichzeitig dem Parlament über diese Vorgänge nicht die Wahrheit zu sagen.
({1})
Mein Eindruck von diesen ganzen Abläufen in Heiligendamm ist, dass Bundesinnenminister Schäuble, auf
dessen Wunschliste der Einsatz der Bundeswehr im Innern schon lange ganz oben steht, dem Land Mecklenburg-Vorpommern ein Lockangebot gemacht hat. Er ist
zu seinem Parteifreund in Mecklenburg-Vorpommern
gegangen und hat gesagt: Beantragt mal ordentlich die
Amtshilfe der Bundeswehr! ({2})
Das war bisher überhaupt noch nie der Fall. Die Amtshilfe der Bundeswehr wurde zum ersten Mal einem Bundesland zum Nulltarif zur Verfügung gestellt.
Das, was ich als weiteren politischen Skandal empfinde - ich habe mir das Protokoll des Innenausschusses
des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern angesehen -, ist, dass sowohl die Bundesregierung als auch das
Land Mecklenburg-Vorpommern sich weigern, für diesen skandalösen Einsatz der Bundeswehr im Innern die
politische Verantwortung zu übernehmen.
({3})
Man kann hier nur zu dem Schluss kommen, dass - und
das wäre ein unerhörter Vorgang - die politisch Verantwortlichen, der Bundesinnenminister und der Landesinnenminister von Mecklenburg-Vorpommern, die
Einsatzgeräte der Bundeswehr der Polizei, dieser merkwürdigen besonderen Aufbauorganisation Kavala, zur
Verfügung gestellt haben und dass es im Ermessen der
Polizei lag, wie Militär eingesetzt wird.
Lassen Sie mich eines zum Schluss sagen: Was glauben Sie denn, wie es auf junge, friedliche Demonstranten
wirkt, wenn abends die Bundeskanzlerin im Fernsehen
sagt, sie begrüße friedliche Demonstrationen und friedliche Proteste, und diese Jugendlichen - zwischen 16 und
20 Jahren waren die meisten - am nächsten Tag erleben
müssen, wie Tornados bei sogenannten Übungsflügen in
beängstigend niedriger Höhe über sie hinwegdonnern
und sie den ganzen Tag über Spähpanzern und bewaffneten Feldjägern - wir haben eben gehört, ohne Auftrag begegnen? Das war der Versuch, mit einer militärischen
Machtdemonstration in die Versammlungsfreiheit einzugreifen.
({4})
Man hat versucht, friedliche Demonstrationsteilnehmer
mit militärischen Mitteln einzuschüchtern, und das ist
verfassungswidrig.
({5})
Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort dem
Parlamentarischen Staatssekretär Christian Schmidt.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Stokar von Neuforn, irgendwie bin
ich nun versucht, Kraut und Rüben - Sie haben uns das
gerade auf den Tisch gelegt - zu sortieren.
({0})
Den Mitgliedern der Linkspartei, die so viel Ungemach wittern - Ihre Kenntnis ist da in der Tat nur peripher -, würde ich empfehlen, konsistent zu bleiben. Sie
haben gerade in der Fragestunde eine Beteiligung der
Bundeswehr an dieser Maßnahme im Rahmen einer
Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes fundamentalistisch kritisiert, obwohl diese Anforderung von
einer Landesregierung gestellt worden ist, der Sie angehört haben. Wie kann das sein?
({1})
Ob Sie dieser Landesregierung als Linkspartei, als PDS
oder was auch immer angehört haben, das weiß ich nicht
mehr; Sie wechseln Ihren Namen ja häufiger.
({2})
- Frau Präsidentin, ich bitte Sie darum, für Ruhe zu sorgen. Die sollen einmal zuhören.
({3})
- Ich habe im Internet nachgeschaut und gesehen: Sie
haben dort einmal mitregiert.
({4})
- Doch.
({5})
- Die tumultartigen Szenen weisen nur darauf hin, dass
die Unkenntnis der PDS hier auf die Spitze getrieben
wird. Es war die rot-rote Landesregierung, sehr geehrte
Damen und Herren Kollegen, die am 21. März 2006 den
Bundesminister der Verteidigung unter Verweis auf eine
Zusage des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard
Schröder um Unterstützung durch die Bundeswehr gebeten hat - Punkt!
({6})
Ich wäre schon sehr dankbar, wenn Sie anders als Ihr
Parteivorsitzender nicht anfangen würden, die Tätigkeiten der Bundeswehr in die Nähe von Ungesetzlichkeiten
zu rücken. Sie haben erst gestern aus Karlsruhe erfahren,
wie weit man gehen kann und wie weit man nicht gehen
kann.
({7})
Frau Kollegin Stokar von Neuforn, mir liegt der Bericht vor, der die Grundlage für die dpa-, ddp- und sonstigen Meldungen - Sie haben insinuiert, täglich kämen
neue - ist. In diesem Bericht ist von den Eurofighters
und den Phantom-Kampfjets die Rede. Sie haben mit der
Überwachung der Bodenbeschaffenheit aber gar nichts
zu tun gehabt. Das fand im Rahmen des Normalen statt.
({8})
- Lesen Sie den Bericht bitte.
Eine der wenigen Aufgaben, die die Bundeswehr zur
Wahrung der Sicherheit unseres Landes - verfassungsmäßig abgesichert - seit langer Zeit erfüllt, ist, wie Sie
wissen, das Air-Policing. Diese Aufgabe hat die Bundeswehr in diesem Fall wahrgenommen. Ich erinnere hier
daran, dass die NATO-AWACS-Flugzeuge beim Besuch
des Papstes, bei den Olympischen Spielen in Griechenland und bei anderen Ereignissen eingesetzt worden
sind.
Was den Einsatz der Tornados im Rahmen der Amtshilfe betrifft, möchte ich in aller Höflichkeit darauf hinweisen: Diese Tornados stehen genauso zur Verfügung,
wenn Hochwasser ist oder wenn es darum geht, verschwundene Personen zu finden.
({9})
Im Namen derer, die diesen Einsatz durchgeführt haben,
wehre ich mich dagegen, dass Sie den Eindruck erwecken, hier sei in irgendeiner Weise Ungesetzlichkeit gegeben.
({10})
- Wir reden nicht über Militär im Versammlungsrecht,
sondern über Amtshilfeanträge des Landes Mecklenburg-Vorpommern.
({11})
Nun wollen wir einmal miteinander reden, wie wir es
auch im Innenausschuss getan haben.
({12})
- Das hat mit Art. 87 a des Grundgesetzes gar nichts zu
tun, Herr Kollege Wieland.
({13})
Sie haben leider die falsche Seite des Grundgesetztextes
aufgeschlagen; es geht nämlich um Art. 35 GG.
({14})
Das Land Mecklenburg-Vorpommern sah sich mit
dem G-8-Gipfel in Heiligendamm an die Grenze seiner
Sicherheitsfähigkeit gebracht.
Es ist die schiere Pflicht aller Behörden dieses Landes, dann, wenn solch eine Situation auftritt und zu erwarten ist, dass man im Rahmen der gesetzlichen und
verfassungsmäßigen Vorgaben zur Amtshilfe Unterstützung leisten kann, einem solchen Bedarf eines Landes zu
entsprechen.
Die Fennek-Fahrzeuge - der Kollege Altmaier hat das
in der Fragestunde bereits beantwortet - wurden nicht
mit hoheitlichem Anspruch eingesetzt, sondern sind lediglich zur technischen Unterstützung der Polizei - überwiegend der mecklenburg-vorpommerschen Polizei,
verstärkt durch andere Polizeikräfte - herangezogen
worden.
Was die technisch-logistischen Unterstützungsleistungen durch Flüge, durch die Nutzung des Aufklärungssystems Tornado zum Zweck der Beobachtung der Bodenbeschaffenheit angeht - die Bilder stehen zur Verfügung -,
muss noch einmal gesagt werden, dass es diese Bilder
und Überwachungen gegeben hat, dass diese aber in keiner Weise die Erkennung einzelner Personen zulassen.
Tiefflüge von militärischem Gerät der Streitkräfte
über Camps von Bürgerinnen und Bürgern können das
Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8
Grundgesetz beeinträchtigen,
({15})
wenn diese Überflüge - so das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im 69. Band Seite 315 und
Seite 349 - das Merkmal exzessiver Observation und
Registrierung erfüllen bzw. wenn dadurch der staatsfreie, unreglementierte Charakter der Versammlung verändert würde.
({16})
Ein solcher Grundrechtseingriff liegt indessen beim
Einsatz des Aufklärungssystems Tornado im Rahmen
des G-8-Gipfels nicht vor.
Allerdings wurden die Tiefflugbestimmungen in einem Fall verletzt. Hierzu sind Untersuchungen eingeleitet
worden. Für eine Minute und 22 Sekunden wurde die
Mindesthöhe wetterbedingt unterschritten, aber sie wurde
unterschritten. Das ist unbestreitbar eine nicht unerhebliche Lärmbelästigung für die in den betroffenen Camps
Versammelten, die aber wegen ihrer Kurzzeitigkeit und
Einmaligkeit noch keinen Eingriff in das Grundrecht der
Versammlungsfreiheit begründet.
({17})
Dennoch möchte ich bei den Bürgerinnen und Bürgern, auch bei denen, die friedlich demonstriert haben
und ihr Grundrecht wahrgenommen haben, für die entstandene Belästigung um Verständnis bitten und mich
für diesen zu tiefen Flug entschuldigen.
({18})
Es ist die Frage, wie wir miteinander umgehen. Es ist
kein gesetzwidriger Angriff von irgendjemandem gegen
irgendjemanden geführt worden. Es war ein äußerst erfolgreiches politisches Gipfeltreffen, das ein Stück Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf unser Land gezogen hat. Wir haben unseren Beitrag dazu geleistet,
dass dies friedlich sein konnte.
({19})
Vielleicht ist der größte Erfolg aller Sicherheitskräfte,
die da waren und sich beteiligt haben, der, dass wir, von
einigen Hunderten leichteren Verletzungen und einigen
schwereren Verletzungen abgesehen - letztere waren
Gott sei Dank nicht so schwer, dass sie zu dauerhaften
Schäden führen -, einen friedlichen Gipfel hatten. Die
Bundeswehr wird im Rahmen der Amtshilfe auch zukünftig auf Anforderung ihre entsprechenden Beiträge
leisten.
({20})
Nächster Redner ist der Kollege Christian Ahrendt für
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Da mein Vorredner eben von Kraut und Rüben
gesprochen hat, möchte ich sagen: Angesichts des Berichtes, den das Verteidigungsministerium vorgelegt hat,
und angesichts dessen, was in der letzten Woche im Innenausschuss und was heute im Verteidigungsausschuss
dargeboten worden ist, hat eigentlich Ihr Ministerium
die Aufgabe, Kraut und Rüben zu sortieren.
({0})
Lassen Sie mich das einmal ein Stück weit für Sie hier
tun.
({1})
In der Innenausschusssitzung am 23. Mai habe ich
mir erlaubt, den Staatssekretär Altmaier zu fragen, in
welchem Umfang die Bundeswehr eingesetzt wird. Ich
habe mir vorsorglich das Protokoll mitgebracht. Herr
Altmaier hat uns gesagt - ich zitiere -: „Einzig zu logistischen Zwecken, so wie Transporte von Delegationen
zum Veranstaltungsort.“ Das ist der Umfang des Bundeswehreinsatzes, der uns geschildert worden ist.
Die Kollegin Jelpke hat ebenfalls eine Anfrage gestellt, um diese Frage aufzuklären. Auch die Antwort auf
diese Anfrage enthielt keinen Hinweis auf Tornados und
keinen Hinweis auf Fennek-Panzer. Am 23. Mai haben
wir von Herrn Altmaier ebenfalls nichts zu dieser Frage
gehört.
Angesichts dessen, dass Sie eben gesagt haben, das
Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern habe
schon im Jahr 2006 um Amtshilfe gebeten, müssen wir
also feststellen, dass Sie das Parlament bis zum G-8Gipfel vorsätzlich in Unkenntnis gelassen haben.
({2})
Ich habe auch heute Morgen in der Sitzung des Verteidigungsausschusses Ihren Kollegen Herrn Wichert gefragt, wann denn das Innenministerium vom Einsatz der
Bundeswehr und vom Einsatzumfang unterrichtet worden sei. Die Frage ist mir nicht beantwortet worden. Die
Kollegin Hoff hat die Frage noch einmal gestellt. Es
wurde dann zugesagt, dass sie schriftlich beantwortet
wird. Auch das zeigt - was ich verwunderlich finde -,
dass es hier relativ viel aufzuklären gibt. Ich persönlich
kann mir nicht vorstellen, dass bei den Informationsbedürfnissen, die im Innenministerium ansonsten in vielerlei Dingen vorherrschen, ausgerechnet vergessen wird,
sich über den Umfang des Bundeswehreinsatzes genau
zu informieren.
Das zweite Thema, das ich ansprechen will, ist die
Amtshilfe. Es gibt zwei Tornado-Flüge, die genehmigt
worden sind, und es gibt vier Tornado-Flüge, die nicht
genehmigt worden sind.
({3})
Wenn man Ihren Bericht liest, wird man feststellen, dass
diese Tornado-Flüge auf Anforderung der Kavala, also
der Einheit, die mit der Einsatzführung zum G-8-Gipfel
betraut war, im Grunde genommen per Anruf abgerufen
werden konnten.
({4})
Das hat meines Erachtens nichts mehr mit Amtshilfe zu
tun; denn Amtshilfe würde zumindest förmlich voraussetzen, dass Sie eine konkrete Anfrage in Ihrem Ministerium haben, diese bearbeiten und dann entscheiden, ob
Sie die Tornados zur Verfügung stellen.
Drittens. Wenn ein Tornado im Tiefflug - auch wenn
Sie sich entschuldigt haben - über ein Camp donnert,
dann mag das für denjenigen, der unten steht, durchaus
den Eindruck erwecken, als ob eine gewisse militärische
Qualität erreicht wird. Wir wissen seit der Verfassungsgerichtsentscheidung aus dem letzten Jahr, dass sich
Bundeswehreinsätze im Inneren ausdrücklich einer militärischen Bewaffnung zu enthalten haben. Ich glaube,
dass man hier nicht feinsinnig damit argumentieren kann
- wie Sie das in Ihrem Bericht getan haben -, dass man
die Flugzeuge wenigstens nicht aufmunitioniert habe.
Ich glaube, es ist unstreitig, dass man vom Boden aus
schwer erkennen kann, ob ein Flugzeug Munition trägt
oder nicht.
({5})
Im Ergebnis muss man deswegen festhalten, dass die
Amtshilfegrenzen hier bei weitem überschritten worden
sind. Man muss hinsichtlich der vier nicht genehmigten
Tornado-Flüge feststellen, dass es hier einen offenen
Verfassungsbruch gegeben hat. Dieser Verfassungsbruch
paart sich damit, dass das Parlament vorsätzlich nicht
unterrichtet worden ist.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, das
ist schon ein relativ starkes Stück.
({6})
Es kann nämlich nicht sein - das ist das eigentliche
Thema, um das es hier geht -, dass die Bundeswehreinsätze im Grunde genommen über die kalte Küche eingeführt werden und die Bundeskanzlerin dann irgendwann
sagt: Nun stellen wir fest, dass innere und äußere Sicherheit eng miteinander verwoben sind. Der Rest wird dann
nicht ausgesprochen: Die Bundeswehr hat ja schon in
der Vergangenheit gezeigt, wie effektiv sie im Inland
eingesetzt werden kann. Dann haben wir die Rechtfertigungsgrundlage für die Einsätze der Bundeswehr im Inneren. Dieser Weg ist falsch, und diesen Weg werden wir
nicht mitgehen.
({7})
Es kann auch nicht sein, dass wir zunehmend erleben,
dass die Innenminister der Länder ihre Polizeikräfte abbauen und immer dann, wenn es Großveranstaltungen
gibt, die Forderung nach Einsätzen der Bundeswehr laut
wird. Die Bundeswehr ist keine Ersatzpolizei. Diese
Aufgabe hat sie nicht; auch die Fähigkeiten dazu hat sie
nicht. Man darf auch nicht das Ziel verfolgen, die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu Hilfssheriffs
von Innenministern zu machen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Nun hat das Wort der Kollege Rainer Arnold für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt
hat den G-8-Gipfel dereinst erfunden - ein herausragendes Ereignis der Staatengemeinschaft und diesmal auch
für unser Land. Natürlich ist es zunächst einmal richtig,
dass alle Organe des Bundes und der Länder eng kooperieren, um solch einen Gipfel zum Erfolg zu bringen.
({0})
Das ist das eine.
Das andere ist: Es wurden 25 Anträge auf Amtshilfe
gestellt, von denen 22 aus meiner Sicht völlig außerhalb
der Diskussion sind, weil sie richtig und notwendig
gewesen sind und sich exakt im Rahmen der Bestimmungen des Art. 35 bewegt haben. Es gibt aber drei Vorgänge, die wir, wie ich glaube, kritisch hinterfragen
sollten. Das Ministerium hat heute meiner Meinung nach
sehr seriös und ausführlich informiert. Dafür danken wir.
Das Ministerium hat sich heute auch für Versäumnisse
entschuldigt. Auch das ist ein wichtiger Schritt. Die erhaltenen Informationen versetzen uns in die Lage, eine
politische Bewertung vorzunehmen. Lassen Sie mich
deshalb zu den drei kritischen Vorgängen etwas sagen.
Erster Vorgang: Der Minister hat zwei Tornado-Flüge
zur flächigen Aufklärung am Boden genehmigt, und
zwar einen einige Zeit vor dem Gipfel und einen unmittelbar vor dem Beginn des Gipfels. Spannend ist es, anhand dieser Aufnahmen festzustellen, was sich in der
Zwischenzeit verändert hat. Das halte ich für einen korrekten Auftrag.
({1})
Aus diesem korrekten Auftrag mit zwei Flügen wurden
dann allerdings sieben Flüge. Statt Aufklärung aus vernünftiger Höhe, die es der Bundeswehr gestattet, sich diskret zurückzuhalten, gab es einen Tiefflug, der außerdem
auch noch luftrechtlich zu beanstanden ist. Und vor allen
Dingen gab es - das ist für mich das Gravierendste - nicht
nur Aufklärung im breiten Gelände, sondern es wurden
gezielt Aufnahmen der aufwachsenden Camps der Demonstranten gemacht. Das hat der Minister nicht genehmigt; das wurde aber gemacht. Deshalb ist das nicht in
Ordnung. Der Minister tut gut daran - das hat er auch angekündigt -, in seinem Haus dafür zu sorgen, dass sich so
etwas nicht wiederholt.
Der zweite Vorgang ist: Der Einsatz der FennekSpähpanzer bei internationalen Großereignissen besitzt
schon ein Stück weit eine neue Qualität. Ich halte ihn
deshalb für problematisch, weil die Fenneks selbst ja
nicht über Speichermedien für ihre Daten verfügen, sondern ihre Aufklärung nur dann Sinn macht, wenn sie
zeitgleich mit den Aufklärungsmitteln der Polizei über
Funk verknüpft wird.
({2})
Das heißt, die Fenneks sind in ein Aufklärungssystem
der Polizei eingebunden. Ich glaube, dass diese Schnittstelle zu nahe bei der Polizei lag und es besser gewesen
wäre, dieses Amtshilfeersuchen abzulehnen.
({3})
- Die Alternative? Das ist eine gute Frage, Herr Kollege.
Heute Morgen hat ein Kollege von Ihnen im Verteidigungsausschuss gesagt: Die Fenneks waren nur deshalb
so wichtig, weil sie 1 000 Polizisten ersetzt haben. Das
ist keine ausreichende Legitimation für Amtshilfe. Die
Bundeswehr ist in der Tat nicht dafür da, Polizisten einzusparen.
({4})
Ich habe die Aussagen eines Fachpolitikers aus Ihren
Reihen, des Kollegen Hans Raidel, aus der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses zitiert.
({5})
Der dritte Vorgang, den wir kritisch bewerten, ist der
Einsatz der Feldjäger zum Objektschutz. Die Bundeswehr darf Objektschutz im Bereich von militärischen Sicherheitszonen betreiben, und zwar aus diesen Sicherheitszonen heraus. Das heißt, sie muss sich in diesen
Zonen befinden. Für den Objektschutz eines Krankenhauses durch die Bundeswehr, in dem zwar die Bundeswehr während des Gipfels teilweise das Hausrecht hatte,
das aber nicht zur militärischen Sicherheitszone erklärt
wurde, erkenne ich keine eindeutige Rechtsgrundlage.
Deshalb halte ich auch dies für einen Fehler.
Lassen Sie mich zum Schluss sehr offen reden: Die
Öffentlichkeit und wir alle wissen ja, dass in der Großen
Koalition auch unterschiedliche Positionen vorhanden
sind. Das gilt verstärkt in der Frage, ob die Bundeswehr
zunehmend Polizeiaufgaben übernehmen soll, ob Inneres und Äußeres verschmolzen werden sollen. Die Bundeskanzlerin hat sich vor wenigen Tagen dazu geäußert,
dass es normal ist, wenn es in einer Koalition unterschiedliche Grundpositionen gibt. Aber gerade weil wir
Sozialdemokraten dafür stehen, dass die Bundeswehr
keine Polizeiaufgaben übernimmt, ist das für uns natürlich ein hochsensibles Thema. Um es deutlich zu sagen:
Wir wollen und werden auch in Zukunft nicht zulassen,
dass Art. 35 Abs. 1 unserer Verfassung auch nur ein
Stück weit gedehnt wird und möglicherweise schleichende Prozesse eintreten.
Deshalb sollten wir miteinander in dieser Koalition
dafür sorgen, dass die Spielregeln noch einmal deutlich
gemacht werden, auch für die Landesinnenminister, die
in dieser Hinsicht erst gar keine Forderungen stellen dürfen, die wir nicht erfüllen wollen. Das Klarmachen der
Spielregeln kann dazu beitragen, dass einzelne Fehler,
die von einigen, die Entscheidungen getroffen haben,
objektiv gemacht wurden, in Zukunft vermieden werden
können.
Herzlichen Dank.
({6})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Staatssekretär Schmidt, wenn Sie hier schon den
Vorwurf erheben, dass Die Linke angeblich ein Amtshilfeersuchen mit gestellt habe, dann hätten Sie auch die
ganze Wahrheit sagen müssen. Das war nämlich ein
Alleingang des ehemaligen SPD-Innenministers von
Mecklenburg-Vorpommern, Herrn Timm, der im Übrigen zu einer heftigen Auseinandersetzung in der Koalition geführt hat. Um das noch einmal ganz deutlich zu
sagen: Wenn wir das gewusst hätten, wäre dieser Antrag
keineswegs mit unseren Stimmen durchgekommen.
({0})
Ihr Vorwurf passt im Übrigen zu dem, was die Bundesregierung hier seit Wochen tut, nämlich den Bundeswehreinsatz beim Gipfel zu verschleiern. Es soll vertuscht werden, dass hier ein massiver Verfassungsbruch
stattgefunden hat. Das ist in einigen Reden schon sehr
deutlich geworden.
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir hat
die Bundesregierung noch Ende April den Eindruck erweckt, sie werde nur in der zweiten Reihe stehen und unauffällig Hilfeleistung erbringen, ähnlich wie bei der
Fußballweltmeisterschaft. Kein Wort von Spähpanzern
oder Tornados, und das, obwohl die entsprechenden
Amtshilfeersuchen bereits gestellt bzw. genehmigt waren.
Noch etwas: In den Antworten auf entsprechende Anfragen war immer die Rede davon, dass 1 100 Soldaten
im Einsatz sein würden. Tatsächlich waren es 2 450, davon 641 zum Teil schwerbewaffnete Feldjäger mit G36Maschinengewehren, wie sie in Afghanistan benutzt
werden. Die Kommandanten der Spähpanzer waren mit
Pistolen bewaffnet. Das können wir alles beweisen.
({1})
Auch das wurde bisher verschwiegen. Was wäre wohl
passiert, wenn sich Demonstranten diesen Panzern genähert hätten?
Die Tornado-Flüge wurden wochenlang geleugnet.
Heute ist klar - Entschuldigung hin oder her -: Die Protestcamps wurden systematisch ausspioniert. Die Bundesregierung behauptet, diese Bilder seien nicht zu identifizieren. Aber ich habe Kopien von diesen Bildern
gesehen. Es fehlt nicht viel, dass man auf diesen Kopien
sehr deutlich einzelne Gesichter voneinander unterscheiden kann. Dass Personen auf den Bildern nicht identifiziert werden könnten, ist also eine weitere Unwahrheit,
die sich in viele Unwahrheiten einreiht, die wir hier bereits gehört haben
({2})
und die von der Bundesregierung in Antworten auf Anfragen niedergeschrieben wurden. Ich glaube der Regierung einfach nicht, wenn sie sagt, dass diese ominösen
Tiefflüge, zum Beispiel über den Camps, rein zufällig
stattgefunden haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im offiziellen Bericht steht, die Luftbilder des Camps Reddelich und
Wichmannsdorf wurden ausschließlich im Auftrag der
BAO Kavala gefertigt. Die Bundesregierung behauptet
nun, von den zusätzlichen Flügen nichts gewusst zu haben. Sie behauptet praktisch, dass niedere Militärbefehlshaber nach Gutdünken Kampfflugzeuge gegen Demonstranten einsetzen konnten, wenn ebenso niedere
Polizeichargen sie am Telefon darum gebeten hätten.
Wer’s glaubt, wird selig! Ich glaube wirklich kein Wort,
das diese Regierung hier von sich gibt. Dieses Spiel wird
die Linksfraktion jedenfalls nicht mitmachen.
({3})
Die Bundesregierung selbst gibt zu, dass die einzig
denkbare Rechtsgrundlage Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes wäre, also eine technisch-logistische Amtshilfe.
Sie behauptet, die Grenze zwischen Amtshilfe und Einsatz sei eingehalten worden, weil die Bundeswehr nur
geholfen habe, aber nicht selbst hoheitliche Aufgaben
übernommen habe. Aber diese Rechtsauffassung ist nach
meiner Meinung falsch. Es kommt nicht darauf an, ob
die Bundeswehr selbst hoheitlich tätig wird und zum
Beispiel Demonstrationszüge aufhält. Es genügt, wenn
sie die Polizei in die Lage versetzt, ihrerseits unmittelbar
hoheitlich tätig zu werden, also Zwangsmittel einzusetzen.
Genau das ist geschehen. Bundeswehrhubschrauber
und Marineboote haben Polizisten zu ihren Einsatzorten
gebracht. Spähpanzer und Flugzeuge haben nach Demonstrationen Ausschau gehalten und der Polizei die
entsprechenden Bilder übergeben, damit diese dann tätig
wird. Das ist keine Amtshilfe mehr, sondern ein regelrechter Militäreinsatz.
({4})
Das sagen auch renommierte Juristen wie etwa Herr
Khan, Völkerrechtler der Universität der Bundeswehr in
München. Er sagte schon am 13. Juni, dass die Verfassung einen solchen Einsatz nicht deckt.
Die Bundesregierung setzt offenbar darauf, Fakten zu
schaffen und per Salamitaktik eine Militarisierung in der
Innenpolitik zu erreichen. Die Bundeskanzlerin und weitere Unionspolitiker wollen den Verfassungsbruch verewigen und fordern schon weitere Bundeswehreinsätze.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Mein letzter Satz: Sich dem entgegenzustemmen,
müsste Aufgabe des gesamten Parlaments sein.
Danke schön.
({0})
Nun erteile ich für die CDU/CSU-Fraktion das Wort
dem Kollegen Ulrich Adam.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die von den Grünen
verlangte Aktuelle Stunde geht völlig an den Tatsachen
vorbei.
({0})
Die von der Bundeswehr erbrachten Leistungen während
des Gipfels sind und waren nach Art. 35 Abs. 1 des
Grundgesetzes rechtmäßig. Dies hat insbesondere der
schon erwähnte detaillierte Bericht am heutigen Morgen
im Verteidigungsausschuss gezeigt.
Die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung können neben der erfolgreichen Ratspräsidentschaft auch einen ebenso erfolgreichen G-8-Gipfel in Heiligendamm
verbuchen. Die Ministerin Wieczorek-Zeul hat das Ergebnis als Erfolg für die Menschen in Afrika bezeichnet.
Im Bereich der Klimapolitik wird der Kollege Gabriel
auf die Einsichten der USA, dass eine aktive Klimapolitik notwendig ist, aufbauen können. Die Einigung der
wichtigsten Industriestaaten ist ein richtungsweisendes
Signal für die Stärkung der Klimapolitik im Rahmen der
Vereinten Nationen, so der Umweltminister nach dem
Gipfel.
Wir sind uns doch sicherlich alle dessen bewusst, dass
ein derartiger Gipfel mit seiner notwendigen Logistik
und Sicherheit nicht binnen weniger Wochen geplant
und durchgeführt werden kann.
({1})
Es wurde schon erwähnt, dass es die ehemalige rot-rote
Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern war,
die das Amtshilfeersuchen gestellt hat.
({2})
Die Behauptung, dass die Linke, die damals noch PDS
hieß, davon nichts gewusst habe, ist schlicht Unsinn.
Denn die damalige Landesregierung hat finanzielle Mittel für den Gipfel eingestellt; das ist nun einmal erwiesen. Deswegen kann man sich jetzt nicht hier hinstellen
und so tun, als hätte man nichts gewusst.
({3})
Natürlich haben die Planer auch die Erfahrungen vergangener Gipfel einfließen lassen. Zu den notwendigen
Vorbereitungen gehörten die sanitätsdienstliche Versorgung der eingesetzten Polizisten und Helfer sowie die
Gewinnung von Aufklärungsdaten durch die Polizei.
Angesichts der Tatsache, dass die benötigten Mittel in
Deutschland und Europa bei keiner Polizei vorhanden
sind, lag es natürlich nahe, ein Amtshilfeersuchen in großem Umfang an das Verteidigungsministerium zu richten.
Angefragt und bereitgestellt wurden: Unterbringung
und Verpflegung, Personentransport mit Hubschraubern
und Seetransport, medizinische Betreuung, Aufklärungsund Radartechnik sowie Aufklärungsflüge, die Nutzung
des Flugplatzes Laage sowie die Versorgung mit Betriebsstoffen und Gerät.
Wie anders als durch die Tornado-Aufklärung hätten
Bodenveränderungen festgestellt werden sollen?
({4})
Bereits bei den vergangenen Flutkatastrophen wurden
hierzu Tornados erfolgreich eingesetzt. Um Veränderungen festzustellen, musste man mindestens zweimal fliegen. Von den sieben durchgeführten Flügen waren lediglich drei erfolgreich. Die anderen wurden wegen
technischer Schwierigkeiten abgebrochen bzw. waren
aufgrund der Witterung nicht möglich. Lediglich beim
Flug am 5. Juni - das wurde schon gesagt - wurde die
Mindestflughöhe von 500 Fuß für eine Minute und
22 Sekunden unterschritten - auch dies nur aufgrund der
Witterung. Dennoch wird diese Abweichung natürlich
untersucht und gegebenenfalls zu Disziplinarmaßnahmen führen.
Aufgrund der massiven Gewalt zu Beginn des Gipfels
und der fortgesetzten Störungen hat sich das Konzept jedoch nicht nur als notwendig erwiesen; es war auch in
keiner Weise überzogen. Der professionelle Einsatz des
schwarzen Blocks hat gezeigt, dass eine große Anzahl
von Polizeibeamten erforderlich war. Diese Gewalttäter
hatten systematisch Steine und anderes Material gesammelt. Ihr Ziel waren Gewalt und die Verletzung von Polizisten. Selbst vor friedlichen Demonstranten machten sie
bei ihren Gewaltexzessen keinen Halt.
({5})
Wie positiv der Gipfel von den Menschen in und um
Heiligendamm aufgenommen wurde, zeigt unter anderem die spontane Versorgung von Polizeieinheiten mit
Kuchen.
Abschließend möchte ich der Bundeskanzlerin für
ihre unermüdlichen Bemühungen, diesen Gipfel zum Erfolg zu führen, danken. Landesinnenminister Caffier
danke ich für die gute Vorbereitung und das konsequente
Handeln zur Erhaltung des sicheren Ablaufs des Gipfels
in Heiligendamm.
({6})
Den vielen ungenannten Polizistinnen und Polizisten,
Soldatinnen und Soldaten, Helfern vom DRK, THW und
von der Feuerwehr sowie allen zivilen Helfern danke ich
für die geleistete Arbeit. Ohne sie wäre dieser G-8-Gipfel weder möglich noch ein Erfolg geworden.
Vielen Dank.
({7})
Nächster Redner ist nun der Kollege Wolfgang
Wieland für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß
nicht, ob jemand hier im Saal noch weiß, wer Willi
Weyer war - vielleicht Frau Piltz. Er war einmal Innenminister in Nordrhein-Westfalen. Von ihm ist der schöne
Satz überliefert - das war zu Beginn der Zeit des Terrors
der RAF -: „Wir müssen die Bürger an Polizisten mit
Maschinenpistolen so wie an das Steuernzahlen gewöhnen.“ Was jetzt in Heiligendamm geschehen ist, erinnert
mich an diese Melodie: Wir müssen die Bürgerinnen und
Bürger insbesondere bei Großereignissen an den Einsatz
der Bundeswehr so wie an das Steuernzahlen gewöhnen.
Was insbesondere der Bundesinnenminister, der uns
alle seit Monaten mit seiner - wie Kollege Edathy sagte Obsession hinsichtlich des Einsatzes der Bundeswehr im
Inneren genervt hat, bisher nicht durch eine Grundgesetzänderung oder einzelgesetzlich erreicht hat, soll
jetzt offenbar durch die normative Kraft des Faktischen
erzielt werden.
({0})
Von uns erwartet man, dass wir das alles, was hier geschehen ist, für Zufall halten, geboren aus einem Amtshilfebedürfnis des Innenministers von MecklenburgVorpommern, den - bei allem Respekt - vor dem Gipfel
in Heiligendamm nun wahrlich niemand kannte. Hier ist
eine gezielte Strategie angewendet worden.
({1})
Kollege Arnold hat die kritischen Punkte aufgezählt.
Auch der Hubschraubereinsatz gehört nach unserer Meinung zu den klärungsbedürftigen Punkten. Man muss
wirklich deutlich sagen: Wenn die Bundeswehr bisher
bei Großereignissen eingesetzt wurde, haben wir von einem Agieren hinter den Kulissen gesprochen. Wir Grünen haben zur Fußballweltmeisterschaft gesagt: Wir
schlucken sogar den Einsatz der AWACS, wenn dies
denn einen Sinn macht, wenn mit ihnen aufgeklärt werden kann, ob Raketen auf Stadien gerichtet sind. Das war
aber etwas anderes als das, was in Heiligendamm geschehen ist. Hier war die Bundeswehr integraler Bestandteil der staatlichen Machtausübung. So ist sie aufgetreten. Das sollte so sein, und das lehnen wir auf das
Schärfste ab.
({2})
Wir fragen auch hier nach der Beteiligung des Bundestages. Wenn die Bundeswehr zehn Militärbeobachter
nach Afrika entsendet, dann wird im Bundestag zu Recht
darüber debattiert und zu Recht in der Regel namentlich
darüber abgestimmt. Aber was ist, wenn die Bundeswehr
im Inneren eingesetzt wird? Und das war ohne jede
Frage ein Einsatz!
({3})
Ich fand es sehr ehrenwert, dass sich der Herr Staatssekretär hier für das eine Flugzeug, das zu tief geflogen
ist, entschuldigt hat. Für uns ist das aber nur ein Teil des
Problems. Dass die Camps überhaupt systematisch ausgespäht und erfasst wurden, ist doch infrage zu stellen,
auch wenn es aus der zulässigen Mindestflughöhe von
400 Metern geschah. Darüber muss man doch genauso
reden. Ohne diesen Ausrutscher wäre das Ganze nicht
besser gewesen.
({4})
Das Ganze geht noch weiter - Schäubles Virus ist offenbar ansteckend -: Der Bundeskanzlerin fiel auf die
Frage, was an ihrem Grundsatzprogramm noch konservativ sei, ein: Dass wir den Bundeswehreinsatz im Innern wollen. Ein gewisser Herr Schünemann, Innenminister in Niedersachsen, sagte vorgestern
({5})
- lassen Sie sich den folgenden Satz einmal auf der
Zunge zergehen -:
Was im Ausland für die Bundeswehr möglich ist,
muss auch im eigenen Land möglich sein.
In Heiligendamm hat man dafür schon einmal geübt.
Das ist doch die Realität. So sehe ich das.
({6})
Herr Schäuble hat gestern im Rahmen der vom „Handelsblatt“ veranstalteten Sicherheitskonferenz gesagt
- ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich das gelesen habe -, die Unterscheidung zwischen Völkerrecht im
Frieden und Völkerrecht im Krieg passe nicht mehr auf
die neuen Bedrohungen. Man müsse auch die Frage nach
der Eliminierung von Topterroristen wie Osama Bin
Laden stellen. Wörtlich sagte er: „Alte Formen der klassischen Unterscheidungen“ von Krieg und Frieden seien
nicht länger haltbar. - Was soll denn das heißen? Er will
nicht nur - wie bisher - den Unterschied zwischen Militär und Polizei einebnen; er will auch gleich den Unterschied zwischen Krieg und Frieden einebnen. Dazu sage
ich ganz bewusst: Einen solchen Quatsch habe ich in
diesem Land das letzte Mal von Gefangenen aus der
RAF gehört, die uns erzählen wollten, dass in den Metropolen Krieg herrsche, sie Kriegsgefangene seien und
nach der Genfer Konvention zu behandeln seien.
({7})
Wo soll das denn hinführen? Dann haben wir permanent
den Kriegszustand, Herr Binninger. Gerade Sie als Expolizist müssten am schärfsten widersprechen.
({8})
Schwarze Blöcke, von denen Ihr Kollege gesprochen
hat, sind eine Aufgabe für eine professionelle Polizei
und nicht für das Militär. Ein solches Denken, das alle
Begriffe verwischt und alle Grenzen einreißt, führt nach
Guantánamo. Das wollen wir aber nicht. Dazu muss man
scharf Nein sagen.
({9})
Nun hat das Wort der Kollege Hans-Peter Bartels für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Damit
wir nicht die Maßstäbe verlieren, will ich nicht bei
Guantánamo anknüpfen. Ich will eine Vorbemerkung
machen: Dass alles gut gegangen ist - unter Sicherheitsaspekten ist der Gipfel letztlich gut abgelaufen; die Probleme, die man im Vorfeld erkannt hat, konnte man im
Griff behalten -, ist auch denjenigen zu verdanken, die
für die innere Sicherheit verantwortlich waren. Das waren in erster Linie die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten,
({0})
aber auch diejenigen, die diese Arbeit im Wege der
Amtshilfe - das war nicht nur die Bundeswehr - unterstützt haben.
({1})
Das Problem ist doch, dass Sicherheit nicht selbstverständlich ist in einer Zeit, in der Terroristen jeden Bürger
bedrohen können - das haben wir jetzt wieder in England gesehen -, sie selbstverständlich auch solche Ereignisse stören können und es gewaltbereite Autonome
gibt, wie sie sich auch in Heiligendamm bemerkbar gemacht haben. Insofern war nicht alles paletti und ganz
einfach. Diese schwierige Lage musste man im Griff haben.
Nun komme ich zu dem, über das wir als Parlament
diskutieren müssen. Wo sonst sollen wir darüber reden,
wie die staatlichen Instrumente eingesetzt werden und in
welchem Verhältnis sie zueinander stehen? Amtshilfe ist
prinzipiell absolut richtig. Rainer Arnold hat darauf hingewiesen, dass wir in fast allen Fällen kein Problem damit haben. Aber wir haben ein Problem damit, dass zur
Absicherung des Hausrechts Feldjäger eingesetzt werden. Das ist nicht deren Job. Feldjäger sind zur Absicherung militärischer Sicherheitsbereiche da. Für das Hausrecht ist zunächst einmal der Hausherr zuständig und
dann, wenn das nicht reicht, die Polizei. Das kann nicht
die Bundeswehr machen.
Zwei Tornado-Einsätze wurden beantragt und sind genehmigt worden. Das ist korrekt; das finden wir in Ordnung. Mit den Aufklärungsmitteln, die die Bundeswehr
hat, also mit den Tornados, kann man Veränderungen im
Straßenbild erkennen und daraus Schlüsse ziehen, ob es
Manipulationen gegeben hat, die möglicherweise Gefährdungen mit sich bringen. Dass dann sieben Flüge
stattgefunden haben, mag ja erklärlich sein. Aber man
muss diese beantragen, sie müssen genehmigt werden,
und dann muss auch die Öffentlichkeit darüber informiert werden. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen einzelnen Polizisten, der eine Straße überwacht. Tornados sind ein militärisches Mittel und werden auch so
wahrgenommen. Im Übrigen erfordert es großen Aufwand, sie einzusetzen. Hier beziehe ich mich nicht darauf, dass die Kosten so hoch sind, sondern darauf, dass
wir nur ein einziges Geschwader haben, das über diese
Fähigkeiten verfügt, die, wie wir sehen, bei militärischen
Einsätzen im Ausland sehr gefragt sind.
Wenn ein solcher Einsatz im Inland notwendig ist,
handelt es sich um keine Kleinigkeit. Darüber muss der
Minister Bescheid wissen, und er muss ihn genehmigen.
Wenn der Einsatz stattgefunden hat, muss ihm das gemeldet werden. Herr Staatssekretär, die Informationen,
die wir heute im Verteidigungsausschuss bekommen haben, fand ich sehr umfassend, sehr korrekt und auch hinsichtlich der Punkte, die für die Führung des Ministeriums unangenehm sein können, offen im Umgang. Wir
haben dem Bericht entnommen, dass Defizite abgestellt
werden müssen. Die Befehls- und Meldewege im Verteidigungsministerium müssen klar sein. Ich habe keinen
Zweifel daran, dass das jetzt in Angriff genommen wird.
({2})
- Das hat nichts mit der Verfassung zu tun, sondern mit
der konkreten Ausgestaltung von Abläufen im Ministerium.
Hier wurde angesprochen, Eurofighter und Phantom
seien eingesetzt worden. Das ist ein ganz anderer Punkt.
Dabei handelt es sich um die Dauereinsatzaufgabe „Sicherung des deutschen Luftraums“, den die Luftwaffe
immer hat. Wenn solche Großereignisse stattfinden, wird
etwas mehr getan als im Normalfall. Aber es sind die
gleichen Alarmrotten; es ist die gleiche Einsatzphilosophie. Es fliegen Flugzeuge über den deutschen Luftraum,
die die Sicherheit - das Airpolicing, wie man sagt - gewährleisten sollen; natürlich auch in einem solchen Fall.
Es wäre aberwitzig, wenn die Luftwaffe diese Aufgabe
gerade dann nicht übernehmen würde oder könnte.
Zum Tornado-Überflug über das Camp, unabhängig
davon, ob er gemeldet war oder nicht: Dass ein Tornado
im Tiefflug über ein Camp mit Demonstranten brettert,
ist nicht akzeptabel. Das hätte sicher auch nicht genehmigt werden können, wenn es so beantragt worden wäre.
Es ist ja nicht genehmigt worden. Offenbar geschah dies
auf dem kleinen Dienstweg. Dann gab es vielleicht noch
ein besonderes Engagement des Piloten, das aber so
nicht akzeptabel ist. Demonstrationscamps müssen nicht
fotografiert werden, und man muss sie auch nicht zur
Demonstration möglicher Macht überfliegen. Das kann
man einfach abstellen. Ich habe dem Bericht auch entnommen, dass in diesem Zusammenhang disziplinäre
Ermittlungen eingeleitet worden sind.
({3})
Das ist richtig. Genau so muss man mit solchen Fällen
umgehen, wenn sie bekannt werden. Das Ministerium
hat jetzt die Entscheidung getroffen, dass es bekannt
wird.
Letzter Punkt. Wir können diese Debatte nicht im
luftleeren Raum führen, sondern es geht immer darum,
dass wir klarmachen, wo die Grenzen sind. Wir wollen
nicht, dass Fakten geschaffen werden, dass schleichend
etwas verändert wird, das sich bewährt hat. Bewährt hat
sich die Arbeitsteilung bezüglich der Aufgaben der Polizei im Inland und der Aufgaben, die die Bundeswehr in
anderen Fällen im Ausland und in Amtshilfe - das ist
klar definiert - im Inland ausüben kann. An dieser klaren
Aufgabenteilung halten wir fest.
Schönen Dank.
({4})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun das Wort der
Kollege Helmut Brandt.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Über den G-8-Gipfel zu diskutieren,
heißt, zunächst herauszustellen, dass der Gipfel erstens
durch den außerordentlichen Einsatz und das Geschick
der Bundeskanzlerin zum Erfolg geführt wurde und dass
zweitens den Chaoten, die die friedlichen Demonstrationen für ihre Zwecke missbraucht haben, durch den erfolgreichen Einsatz der Polizei Einhalt geboten wurde.
({0})
Unser Dank dafür gilt an erster Stelle der Bundeskanzlerin bzw. der Bundesregierung insgesamt, aber auch allen
während des Gipfels eingesetzten Sicherheitskräften.
Nun wurde vonseiten der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen eine Aktuelle Stunde mit den Behauptungen
verlangt, es sei Kritik am Fehlen der verfassungsrechtlichen Grundlagen für den Einsatz der Bundeswehr gegen
die Demonstrantinnen und Demonstranten zu üben, und
es gebe hierzu widersprüchliche Aussagen der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag.
({1})
Zunächst weise ich die Formulierung, der Einsatz
habe sich gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten gerichtet, entschieden zurück.
({2})
- Frau Jelpke, der Einsatz aller Sicherheitskräfte einschließlich der in Amtshilfe handelnden Bundeswehr
diente allein der Sicherheit des Gipfels und der Sicherheit der Demonstrantinnen und Demonstranten. Er
diente ausschließlich der Gewährleistung des Versammlungsrechts sowie des Demonstrationsrechts und richtete
sich gegen die Rechtsbrecher, die sich unter die Demonstrantinnen und Demonstranten gemischt hatten sonst gar nichts.
({3})
- Möglicherweise waren Sie dabei, Frau Jelpke; das haben Sie selbst zu verantworten.
Eine Bemerkung am Rande: Die Veranstalter solcher
Großdemonstrationen - Frau Jelpke, das sollten Sie vielleicht weitergeben - sollten aus den Vorkommnissen gelernt haben, sich künftig inhaltlich wie räumlich deutlich
von den Chaoten zu distanzieren.
Vom Fehlen einer verfassungsrechtlichen Grundlage
für den Bundeswehreinsatz kann keine Rede sein.
Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes ist insoweit eindeutig.
Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich
gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Das allein zuständige Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat diese Amtshilfe auf der Grundlage von
Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes erbeten und sie im
Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht gemachten
Vorgaben erhalten. Dies gilt nicht nur für die logistischen Hilfestellungen, sondern auch für den Einsatz des
gepanzerten Aufklärungssystems Fennek sowie für die
Aufklärungsflüge mit Tornado-Flugzeugen. Beide Systeme waren unbewaffnet. Sie wurden ausschließlich zur
Unterstützung der polizeilichen Arbeit vor Ort genutzt,
da die technische Ausstattung der Polizei insoweit nicht
ausreicht bzw. eine solche Ausstattung nicht vorhanden
ist.
Zudem kamen Tornado-Flugzeuge auch in Gleneagles
mit dem gleichen Auftrag zum Einsatz. Die damals
gewonnenen Erkenntnisse wurden vom Land Mecklenburg-Vorpommern zum Anlass genommen, diese Aufklärungsmittel zur Sicherung des G-8-Gipfels in Heiligendamm ebenfalls in Anspruch zu nehmen. Eine solche
Amtshilfe ist von Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes eindeutig gedeckt.
({4})
Meine Damen und Herren, bei vielen Großeinsätzen,
beispielsweise beim Papstbesuch oder beim Weltjugendtag, werden vergleichbare Amtshilfen in Anspruch genommen. In diesen Fällen würde niemand die Behauptung aufstellen wollen, dass von den dort versammelten
Jugendlichen oder gar vom Papst eine Gefahr ausginge.
Die Aufklärung ist in diesen Fällen nur erforderlich, um
von außen einwirkende Störer zu erkennen und entsprechende Handlungen zu unterbinden. Wenn diese Aufklärungsarbeit bei Veranstaltungen rechtens ist, von denen
selbst keine Gefahr ausgeht, dann müssen diese Einsätze
doch erst recht gerechtfertigt sein, wenn von der Veranstaltung selbst, beispielsweise durch Missbrauch des Demonstrationsrechts, Gefahren ausgehen. Dann muss das
doch erst recht gelten.
({5})
Mithin frage ich die Antragsteller dieser Aktuellen
Stunde, weshalb dies ihrer Auffassung nach ausgerechnet in diesem Fall nicht so sein sollte.
Anders als sich der Kollege Wiefelspütz - leider ist er
heute nicht da - im Innenausschusse geäußert hat, bin
ich nicht der Auffassung, dass der eine Tiefflug eine
Zwangswirkung auf die Demonstranten hatte. Jedenfalls
war eine solche Wirkung nicht beabsichtigt. Heute ist
dieser Vorfall auch entschuldigt worden.
Mithin gilt: Veranlasser des Bundeswehreinsatzes war
das Land Mecklenburg-Vorpommern. Der Einsatz findet
seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 35 Abs. 1
des Grundgesetzes. Er war rechtens, notwendig und angemessen.
({6})
Zum Schluss möchte ich noch auf die Behauptung
eingehen, die Bundesregierung habe unterschiedliche
Auskünfte erteilt. Heute ist mehrfach deutlich geworden,
dass die Bundesregierung stets offen und vollständig informiert hat, sogar noch in der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses. Es ist bedauerlich, dass die
Durchführung eines Treffens von demokratisch gewählten Staatsführern heutzutage offensichtlich nur noch mit
solch immensem personellen und sachlichen Aufwand
gewährleistet werden kann. Der Erfolg des G-8-Gipfels
und der Beweis dafür, dass unser demokratischer
Rechtsstaat nicht erpressbar ist, haben diesen Einsatz gerechtfertigt.
Ich danke Ihnen.
({7})
Das Wort hat nun der Kollege Wolfgang Gunkel für
die SPD-Fraktion.
({0})
Meine Damen und Herren! Nachdem hier über den
Einsatz der Bundeswehr beim G-8-Gipfel schon reichlich debattiert worden ist, will ich doch noch einmal einen Blick darauf richten, welche Möglichkeiten die Polizeikräfte haben. Ich will damit darstellen, dass hier
keineswegs ein polizeilicher Notstand oder Ähnliches
vorlag.
({0})
- Ich will ja gerade darstellen, was für Möglichkeiten es
gibt. Lassen Sie mich das bitte in aller Ruhe machen,
Frau Stokar; dann kommen wir vielleicht zu dem, was
Sie gerne hören möchten!
({1})
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Polizei bei
Großeinsätzen aller Art - die Fußballweltmeisterschaft
hat das bewiesen - zu Wasser, zu Lande und in der Luft
jederzeit in der Lage ist, Aufklärung zu betreiben, ohne
Hilfsmittel der Bundeswehr einzusetzen.
({2})
Dazu ist die Bundespolizei sehr wohl in der Lage: Sie
verfügt über Hubschrauber, die sogar mit Wärmebildkameras ausgerüstet sind und jederzeit, bei Tage und bei
Nacht, Aufklärungsergebnisse liefern können. Auch andere Aufklärung, auf dem Lande nämlich, durch Polizeikräfte, die man mit Nachtsichtgeräten ausrüsten kann, ist
durchaus möglich und erbringt beste Aufklärungsergebnisse, die in die polizeiliche Lagebeurteilung einfließen.
({3})
All das hätte man machen können und aus meiner Sicht
machen müssen. Ich kann nicht verstehen, weshalb extra
zu diesem Zwecke die Bundeswehr eingesetzt worden
ist. Da liegt natürlich eines nahe: dass man es in gewisser Weise testen wollte, die Bundeswehr mit ihren Flugzeugen die Aufklärungsarbeit machen zu lassen.
({4})
Soweit ich aus den Berichten weiß, sind die beiden
Flüge vor Beginn des Gipfels beantragt und auch so genehmigt worden, wegen der Geländebeschaffenheit und
Ähnlichem. Die Dinge, die geschehen sind, als das
Camp belegt war, sind keineswegs genehmigt worden,
sondern in eigener Zuständigkeit durchgeführt worden wer das im Einzelnen zu verantworten hatte, wird noch
zu prüfen sein; derjenige wird sich dafür sicherlich noch
zu verantworten haben. Insgesamt war dieser Einsatz
nach meiner Einschätzung nicht erforderlich, und das
Land Mecklenburg-Vorpommern hätte - das hat es
schließlich und endlich auch bewiesen - diesen Einsatz
auch ohne die Hilfe der Bundeswehr in dieser Form
durchführen können.
Wer hier immer wieder Amtshilfe reklamiert, weiß
genau, dass es bei der Amtshilfe rechtlich so ist, dass sie
nicht nur vom Anfordernden zu prüfen ist, sondern auch
von demjenigen, der sie leistet. Da spielt der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit eine wesentliche Rolle.
({5})
Im Polizeirecht und in den rechtlichen Gegebenheiten,
die für derartige Einsätze gelten, hat das Verfassungsrang. Ich glaube, das ist bei der Durchführung dieses
Einsatzes vergessen worden; denn es ist nicht verhältnismäßig, wenn man im Tiefflug über Menschen hinwegfliegt zu einem Zweck, der für denjenigen, der davon betroffen ist, nicht ohne Weiteres zu erkennen ist. Das wäre
vermeidbar gewesen; insofern glaube ich nicht, dass es
notwendig war.
Zu dem Einsatz, den Sie immer wieder beschreiben,
ist zu sagen: Ich danke natürlich den Polizeibeamten, die
es trotz der Schwierigkeiten ermöglicht haben, diesen
Einsatz zu einem Erfolg zu machen. Das wäre aber auch
ohne Unterstützung der Bundeswehr möglich gewesen.
Angesichts dessen, was heute in der Presse steht, und
wenn das Gespräch jetzt wiederum auf diesen Einsatz
kommt und er - jetzt auch von der Bundeskanzlerin - als
Anlass genommen wird, erneut zu fordern, die Bundeswehr künftig auch im Innern einzusetzen und die klassische Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit
aufzuheben - das sei nicht mehr modern -, müssen wir
den Schluss ziehen: Diese Trennung ist hochmodern.
({6})
Das ist in der Verfassung so vorgeschrieben, und unser
Grundgesetz ist kein Gemischtwarenladen, kein Gemüseladen, den man ständig neu bestücken kann.
({7})
- Herr Kollege Binninger, es ist doch vollkommen klar,
dass das, was im Grundgesetz vorgesehen ist, durch die
Bundeswehr geleistet werden muss; das haben wir nie
infrage gestellt.
({8})
Aber das, was hier gemacht wird, ist Einsatzunterstützung für die Polizei, hilfsweise für die Polizei tätig werden; das ist eben nicht durch Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes abgedeckt.
({9})
Sie wissen ganz genau - aus der Diskussion über das
Luftsicherheitsgesetz -, dass wir deutlich gesagt haben:
Selbstverständlich muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts darüber nachgedacht werden, wie man
einen solchen Fall in der Verfassung absichert. Auch
darüber diskutieren wir mit Ihnen schon lange. Wir sind
auch bereit, mit Ihnen darüber weiter zu sprechen. Wir
sind aber nicht bereit, zu akzeptieren, dass hier eine Sache unterlaufen wird, was Sie mit Amtshilfe verbrämen
und letztendlich darauf hinausläuft, dass die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden kann.
({10})
Das ist auch nicht für den Objektschutz notwendig,
der heute wieder eingefordert wurde. Die armen Bundeswehrsoldaten sollen als Hiwis vor irgendwelche Objekte
gestellt werden. Ich sage einmal: Man muss auch die
Soldaten verstehen. Einige müssten sich dafür zu schade
sein. Wenn Sie die Soldaten einmal fragen, dann werden
Sie erfahren, dass sie sich dafür auch zu schade sind. Die
Bundeswehr selbst lässt ihre Objekte, die ebenfalls bedroht sind, durch den zivilen Objektschutz, also durch
Privatfirmen, schützen. Andererseits soll sie aber vor öffentlichen Gebäuden stehen und dort Objektschutz betreiben. Ich glaube nicht, dass man das vermitteln kann.
Das kann auch nicht Sinn und Zweck sein.
({11})
Da Sie immer die Terrorismusdebatte führen, müssen
Sie mir erklären, wofür die Bundeswehr sonst noch eingesetzt werden soll, wenn nicht zu diesen Zwecken.
({12})
- Sicher. Ich bin aber der Auffassung, dass dies in diesem Fall überzogen worden ist. - Ich bin der Letzte, der
diesen Gipfel gefährden wollte; das wissen Sie ganz genau. Sie wissen genau, dass ich eher bereit bin, Dinge zu
tolerieren, die vielleicht gerade noch am Rande der Legalität sind.
({13})
Das, was Sie uns verkaufen wollen, hat mit dem Rand
der Legalität aber nichts zu tun; das ist rechtswidrig.
({14})
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. - Diese kurze Retrospektive, die ich gebracht habe, dient einzig und allein dazu,
eines für meine Fraktion noch einmal festzustellen: Wir
werden die innere und die äußere Sicherheit weiterhin
trennen. Die innere Sicherheit ist Aufgabe der Polizei,
die äußere Sicherheit ist Aufgabe der Bundeswehr. Dabei soll es bleiben.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
({0})
Nächster Redner ist der Kollege Gert Winkelmeier.
Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren!
Ich möchte hier einmal dem Gebrauch des Begriffs
Amtshilfe klar widersprechen.
({0})
Es handelt sich hier nicht um Amtshilfe. Die Bundeswehr wurde im Innern eingesetzt, und das war grundgesetzwidrig.
Sie können nicht mit Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz argumentieren.
({1})
- Herr Kollege, Sie müssen weiterlesen. Sie müssen sich
auch den Abs. 2 durchlesen. Dies sage ich auch an die
Adresse der Zuschauer, die das zu Hause im Grundgesetz einmal nachlesen können. In Abs. 2 wird nämlich
klar geregelt, was Amtshilfe bedeutet. Amtshilfe bedeutet - ich zitiere aus dem Grundgesetz -:
Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem
besonders schweren Unglücksfall kann ein Land
Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.
Herr Kollege, das ist hier klar geregelt. Sie hätten sich
das vorher durchlesen müssen.
Von daher komme ich zu ganz anderen Schlüssen. Bei
diesem Einsatz ging es darum, auszutesten, inwieweit
die Bundeswehr heute schon im Innern eingesetzt werden kann; denn die Demonstrationen zum G-8-Gipfel
waren weder eine Naturkatastrophe noch ein besonders
schwerer Unglücksfall. Es ging um das Austesten der
Möglichkeiten.
Das passt auch genau in folgende Situation: Nachdem
wir jahrelang über die Militarisierung der Außenpolitik
geredet haben, geht es jetzt darum, eine Diskussion über
die Militarisierung der Innenpolitik zu führen, die Sie
mit Ihrem Herrn Schäuble ja scheinbar erreichen wollen.
Es ist verhängnisvoll, dass auch die Bundeskanzlerin in
genau dieselbe Kerbe schlägt und befürwortet, dass sich
die Grenzen verwischen und die Bundeswehr im Innern
eingesetzt werden kann. Die Linke wird hier entscheidenden Widerstand leisten, damit dies nicht passieren
wird.
Nun noch ein Gedanke zu den Tiefflügen. Man muss
sich das einmal vorstellen - das sage ich an die Adresse
der Zuschauer -: Ein Tornado jagte in Mindestflughöhe,
das heißt, in 500 Fuß - das sind 150 Meter -, über die
Köpfe der Leute hinweg. Diese Mindestflughöhe wurde
um noch einmal 119 Fuß unterschritten. Das heißt, wir
reden über 120 Meter. Der Tacho des Tornados zeigte
eine Geschwindigkeit von ungefähr 1 000 Stundenkilometern an, und davon fühlten sich die Demonstranten
bedroht. Das ist der Anfang der Einschüchterung wie
auch einer Einschränkung der Demonstrationsfreiheit.
({2})
Das ist der Dissens, der zwischen uns besteht: Während Sie alles verharmlosen wollen, zeigen wir klar auf,
wohin nach Ihrer Ansicht die Reise gehen soll, nämlich
hin zu einer Militarisierung der Innenpolitik. Dagegen
werden wir Widerstand leisten.
Vielen Dank.
({3})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele
Fograscher für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer immer wieder gebetsmühlenartig und stereotyp
den Bundeswehreinsatz im Inneren fordert, der muss
sich auch gefallen lassen, dass man sorgfältig darauf
achtet, was die Bundeswehr im Einsatz - zum Beispiel
beim G-8-Gipfel - tut.
({0})
Die gebetsmühlenartigen Wiederholungen von Herrn
Schäuble, Frau Merkel, Herrn Beckstein heute und anderen CDU-Ministern führen zu dem Verdacht, dass Fakten geschaffen und Grenzen ausgedehnt werden sollen.
({1})
22 der 25 angeforderten Amtshilfeleistungen der
Bundeswehr sind völlig unstrittig. Die drei Elemente
dieser Amtshilfe, die heute schon genannt wurden - der
Einsatz der Tornados, die Ausweitung der Flüge auf die
Camps und der Tiefflug -, werden aufgearbeitet. Wir
verlassen uns dabei auf die Aussagen des BMVg.
Es geht um die gepanzerten Fahrzeuge, deren Fähigkeiten nur in sehr enger Kooperation mit der Polizei zu
einer Lagebewertung führen können. Auch das sehen
wir kritisch. Es geht des Weiteren um die hohe Zahl der
eingesetzten Feldjäger, aber auch um den Objektschutz
eines Krankenhauses, in dem die Bundeswehr zwar
Hausrecht hatte, das aber keine militärische Sicherheitszone war.
Ich glaube, dass die heutige Diskussion gezeigt hat,
dass wir die Einsätze im Hinblick auf die Notwendigkeit
und Verhältnismäßigkeit dieser Amtshilfeleistungen bewerten müssen.
({2})
Deshalb müssen wir mit dem Koalitionspartner an die
Aufgabe herangehen, Art. 35 des Grundgesetzes, der die
Amtshilfe regelt, eventuell zu konkretisieren, aber auch
die Grenzen aufzuzeigen.
Für die SPD-Bundestagsfraktion sage ich: Wir wollen
keinen Bundeswehreinsatz im Inneren. Wir werden
Art. 87 a des Grundgesetzes, der den Verteidigungsfall
regelt, nicht angehen.
({3})
- Das habe ich gerade gesagt. Wir sind bereit, Art. 35 zu
konkretisieren, aber auch die Grenzen deutlich zu machen. Wir sind aber nicht bereit, über die Ausweitung
des Verteidigungsfalls und den generellen Einsatz der
Bundeswehr im Inneren zu reden.
Wir glauben, dass sich die Sicherheitsarchitektur in
unserem Land bewährt hat. Die Polizei ist gut ausgebildet. Dort, wo sie nicht mehr den Erfordernissen entsprechend ausgestattet ist, ist es Sache der Länder, eine angemessene Ausstattung zu gewährleisten. Die Bundeswehr
ist für andere Aufgaben ausgebildet und ausgestattet.
Wir sehen keine Notwendigkeit, die Aufgaben der Polizei und der Bundeswehr zu vermischen.
Ich glaube, dass wir gut daran tun, die Bundeswehr
nicht zu einer Hilfspolizei in unserem Land werden zu
lassen. Die Diskussionen und die Aussagen vonseiten
der Bundeswehr und der Polizei zeigen, dass die CDU/
CSU mit ihren Forderungen zu diesem Thema ziemlich
isoliert ist.
({4})
Deshalb ist es, glaube ich, an der Zeit, über die wirklichen Erfordernisse unter den bestehenden Bedrohungsszenarien zu diskutieren und uns darauf einzustellen,
aber ohne das provokative Wiederholen der Forderung
nach dem Bundeswehreinsatz im Inneren.
Danke schön.
({5})
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege
Clemens Binninger für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Gestatten Sie mir vor meinem Beitrag,
mich auf die Ausführungen des Kollegen Wieland zu beziehen.
({0})
Bei aller Wertschätzung, Herr Kollege Wieland, eines
geht nicht: dass Sie sich hierherstellen und eine Interviewaussage des Innenministers mit einer Aussage der
RAF gleichsetzen; das ist eine Entgleisung. Ich bitte Sie,
das zurückzunehmen.
({1})
Wenn Sie die Debatte sachgerecht führen wollen, empfehle ich Ihnen, verbal deutlich abzurüsten.
Wenn wir heute Nachmittag über G 8 gesprochen haben, kann man eindeutig sagen, es war technische Amtshilfe, und sie war umfassend von Art. 35 Abs. 1 des
Grundgesetzes gedeckt. Dort heißt es:
Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten
sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.
Diese ist sowohl in personeller als auch in technischer
Hinsicht möglich. So gab es personelle Amtshilfe im Bereich des Sanitätswesens. Aber hier war vor allem technische Amtshilfe notwendig. Sie wurde übrigens - um
die Scheinheiligkeit mancher Beiträge zu entlarven von einer rot-roten Landesregierung angefordert. Die
SPD würde in Teilen bis an die Grenze der Legalität gehen, haben wir gehört. Und die Ausführungen der Grünen habe ich schon kommentiert. Ich bitte doch sehr darum, dass wir uns an der Verfassungslage orientieren.
Das heißt, dieser Einsatz war von der Verfassung gedeckt.
({2})
Es war klassische technische Amtshilfe. Man sollte
sich vor Augen führen, weshalb sie notwendig war. Die
Polizei wäre technisch gar nicht in der Lage gewesen,
mit einer vergleichbaren Fototechnik großflächige Aufnahmen von einem großen Gelände zu machen und festzustellen, ob es Veränderungen an der Bodenbeschaffenheit oder ob es Manipulationen beispielsweise am
Fahrbahnbelag gibt. Dazu wäre die Polizei technisch
nicht in der Lage. Die Polizei wäre genauso wenig technisch in der Lage gewesen, ein großes Areal wie das in
Heiligendamm mit Aufklärungstechnik zu überwachen.
Das kann die Polizei technisch nicht, und sie wäre zudem nicht in der Lage gewesen, für technischen Schutz
an der Seeseite zu sorgen. Wenn die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern - es geht hier übrigens nicht um
den Bundesinnenminister - zu dem Ergebnis gelangt:
„Wir können diesen Einsatz nur dann ordnungsgemäß
durchführen und die Sicherheit gewährleisten, wenn wir
technische Amtshilfe anfordern“, dann ist das in keinem
einzigen Punkt zu beanstanden.
Ich glaube, wir sollten in der Diskussion ehrlich sein
und auch die Fälle nennen, in denen technisch Amtshilfe
schon durchgeführt wurde, ohne dass es von irgendjemandem beanstandet wurde. Zum Beispiel bei der Fußball-WM: Aufklärung aus der Luft; zum Beispiel beim
Besuch des Papstes und den damit verbundenen Schutzmaßnahmen: Aufklärung aus der Luft; zum Beispiel
beim Weltkirchentag zum Schutz der Veranstaltung:
Aufklärung aus der Luft. Nicht in einem dieser Fälle
wurde dies beanstandet.
({3})
Auch in Heiligendamm ging es um Aufklärung aus
der Luft mit einer Technik, die der Polizei nicht zur Verfügung steht. Deshalb ist es von Art. 35 Abs. 1 Grundgesetz gedeckt. Es mag Ihnen nicht gefallen, aber der
Einsatz ist verfassungsrechtlich auf einer stabilen, einwandfreien Grundlage.
Etwas anderes ist es, wenn man sich einmal die wahre
Motivation der Grünen für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde ansieht. Es fällt auf, dass die Flüge, die von
Ihnen so vehement beanstandet werden - Sie versuchen,
sie zu dramatisieren -, am 5. Juni von niemandem beanstandet wurden, genauso wenig wie am Tag danach. Erst
als Sie auf der verzweifelten Suche nach Argumenten,
um etwas an dem G-8-Einsatz schlechtzureden, nichts
mehr gefunden haben, fiel Ihnen mit fünf Tagen Verspätung ein, dass Sie diesen Einsatz noch einmal thematisieren könnten. Was Sie hier gemacht haben, ist wenig
glaubwürdig.
({4})
Genauso war es. Am Tag selber und am Tag danach gab
es gar keine Kritikpunkte.
({5})
Erst mit fünf Tagen Verspätung haben Sie erkannt, dass
man hier etwas kritisieren könnte. Deshalb ist Ihr Antrag
wenig glaubhaft.
({6})
Nach den Krawallen in Rostock werden Sie doch
nicht ernsthaft infrage stellen, dass die Polizei eines Landes wie Mecklenburg-Vorpommern und der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, der alles dafür tun
muss, dass diese Veranstaltung und die Demonstrationen
sicher ablaufen können, auch technische Möglichkeiten
ausschöpfen müssen, wenn gesagt wird, dass sonst die
Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Deshalb war
es notwendig.
({7})
Sie versuchen hier, mit der Sicherheit unseres Landes
zu spielen, um ein paar Aufmerksamkeitspunkte auf der
politischen Richterskala einzuheimsen. Das ist das Einzige, Sie werden kein Beben auslösen, Sie werden bestenfalls etwas heiße Luft produzieren - aber mehr am
Ende nicht -, weil der Einsatz rechtlich und technisch
einwandfrei war.
Herzlichen Dank.
({8})
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 5. Juli 2007,
9 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.
Die Sitzung ist geschlossen.