Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle
herzlich und wünsche Ihnen einen guten Morgen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich einige
Mitteilungen machen.
Der Kollege Georg Fahrenschon hat am 8. November
2007 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag
verzichtet. Als Nachfolgerin begrüße ich herzlich die
Kollegin Marion Seib.
({0})
Frau Seib, da Sie sich hier gut auskennen, verstehen sich
die Wünsche für eine möglichst schnelle und reibungslose Einarbeitung fast von selbst.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen FDP, DIE LINKE
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Auswirkungen der Entscheidungslosigkeit der
schwarz-roten Koalition
({1})
ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
({2})
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Frank
Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuches
- Drucksache 16/4808 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit ({3})
Rechtsausschuss
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Neuordnung der Entschädigung
von Telekommunikationsunternehmen für die
Heranziehung im Rahmen der Strafverfolgung
({4})
- Drucksache 16/7103 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({5})
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck ({6}), Irmingard Schewe-Gerigk, Monika
Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stärkung des parlamentarischen Fragerechts
- Drucksache 16/6789 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
ZP 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
({7})
Beratung des Antrags der Abgeordneten Carsten
Müller ({8}), Ilse Aigner, Michael
Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René
Röspel, Jörg Tauss, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Stärkung europäischer Wettbewerbsfähigkeit ARTEMIS und weitere gemeinsame Technologieinitiativen sinnvoll gestalten
- Drucksache 16/7117 Redetext
Präsident Dr. Norbert Lammert
ZP 4 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes
- Drucksachen 16/6292, 16/6570 ({9}) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({10})
- Drucksache 16/7148 Berichterstattung:
Abgeordnete Ralf Göbel
Wolfgang Gunkel
Petra Pau
Silke Stokar von Neuforn
ZP 5 - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 16/6543 Erste Beschlussempfehlung und erster Bericht
des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({11})
- Drucksache 16/7166 Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Herlitzius
- Bericht des Haushaltsausschusses ({12}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7167 Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Dr. Frank Schmidt
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Anna Lührmann
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dorothee Bär, Wolfgang Börnsen ({13}),
Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Monika Griefahn, Jörg Tauss, Martin Dörmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Wertvolle Computerspiele fördern, Medienkompetenz stärken
- Drucksache 16/7116 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien ({14})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
ZP 7 - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
- Drucksache 16/6924 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jörg van Essen, Dr. Max Stadler,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
- Drucksache 16/117 - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jörg van Essen, Dr. Max Stadler,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({15})
- Drucksache 16/118 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({16})
- Drucksache 16/7159 Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Kaster
Christian Lange ({17})
Dr. Dagmar Enkelmann
Volker Beck ({18})
- Bericht des Haushaltsausschusses ({19}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7162 Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Königshofen
Gunter Weißgerber
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ({20})
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Karl
Addicks, Hellmut Königshaus, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Neue Strategien für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika erarbeiten
und durchsetzen
- Drucksachen 16/5243, 16/7153 Berichterstattung:
Abgeodnete Hartwig Fischer ({21})
Dr. Karl Addicks
Thilo Hoppe
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Der Tagesordnungspunkt 4 - Arbeitnehmer-Entsendegesetz - wird abgesetzt. Stattdessen soll als erster Tagesordnungspunkt der Bundeswehreinsatz in AfghanisPräsident Dr. Norbert Lammert
tan beraten werden. Außerdem ist beabsichtigt, die
Tagesordnungspunkte 5 b, 13, 15 b, 24 und 30 abzusetzen. In der Folge müssen die Tagesordnungspunkte 9,
11, 15 a, 17, 19, 21, 23 und 25 jeweils vorgezogen werden.
Der bisher ohne Debatte vorgesehene Tagesordnungspunkt 42 m wird zusammen mit dem Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes beraten.
Darüber hinaus sollen morgen die Tagesordnungspunkte 34 und 35, 37 und 38 sowie 39 und 40 jeweils getauscht werden.
Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf der Bundesregierung soll nachträglich zusätzlich an den Haushaltsausschuss ({22}) nach § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden.
Entwurf eines Zweiundzwanzigsten Gesetzes
zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes ({23})
- Drucksache 16/5172 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung ({24})
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Darf ich Ihr Einverständnis mit diesen Vereinbarun-
gen feststellen? - Das ist der Fall. Dann haben wir so be-
schlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:
a) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({25}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der
gemeinsamen Reaktion auf terroristische
Angriffe gegen die USA auf Grundlage des
Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen
und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie
der Resolutionen 1368 ({26}) und 1373 ({27})
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/6939, 16/7140 Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Gert Weisskirchen ({28})
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller ({29})
- Bericht des Haushaltsausschusses ({30})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7160 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Lothar Mark
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({31}) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Monika Knoche, Wolfgang Gehrcke,
Paul Schäfer ({32}), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion DIE LINKE zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der
gemeinsamen Reaktion auf terroristische
Angriffe gegen die USA auf Grundlage des
Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen
und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie
der Resolutionen 1368 ({33}) und 1373 ({34})
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/6939, 16/6971, 16/7142 Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Gert Weisskirchen ({35})
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller ({36})
Ferner liegt zum Antrag der Bundesregierung ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vor.
Über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch. Dann haben wir auch das
so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Walter Kolbow für die SPD-Fraktion.
({37})
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Beratungen und Entscheidungen über Auslandseinsätze sind nie parlamentarische
Spaziergänge; sie sind vielmehr für den Deutschen Bundestag und seine Mitglieder, also für uns, politisch und
persönlich immer wieder ein schwieriges Terrain. Das
gilt auch und gerade für das Mandat der Operation
Enduring Freedom.
Ich will nicht verhehlen, dass ich in dieser Rede im
Deutschen Bundestag bei unserem durch ein schreckliches Attentat zu Tode gekommenen Kollegen Kasimi
bin, den ich kannte. Ich spreche auch in Gedanken an ihn
und die Toten dieses schlimmen Anschlags in Baghlan.
Opfer dieses Anschlags waren nicht nur Abgeordnete
des afghanischen Parlaments.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird dem vorliegenden
Antrag der Bundesregierung auf Verlängerung der OEFMission zustimmen. Sie tut dies nach intensiver Vorbereitung und Debatte, auch auf dem SPD-Parteitag in
Hamburg. Dies geschieht in der Gewissheit, sich nach
bestem Wissen und Gewissen auf diese Entscheidung
vorbereitet zu haben.
({0})
Manche aus meiner Fraktion werden ihre Zustimmung auch nach diesem intensiven Beratungsprozess
nicht geben können, auch wenn die große Mehrheit meiner Fraktion zu einem anderen Ergebnis kommt. Ich
zolle diesen Kolleginnen und Kollegen Respekt.
({1})
Denn es gibt keine leichten Entscheidungen bei Einsätzen bewaffneter Streitkräfte. Hier gilt es, wie wir immer
wieder spüren, sehr prinzipielle Fragen zu lösen, die jeder und jede für sich verantworten muss. Das ist und
bleibt der Kern der Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen. Hier helfen weder antiaufklärerischer Populismus mit Generalverweigerung noch eine unkritische
Blankovollmacht.
({2})
Deshalb war es richtig, dass meine Fraktion den Ablauf der Frist für OEF zum Anlass genommen hat - das
hat die FDP-Fraktion bereits im Rahmen der Beratungen
angesprochen -, sich auf unserem Parteitag in
Hamburg mit der Afghanistan-Frage zu befassen. Hier
geht es nicht darum, sich einem imperativen Mandat
auszusetzen oder die Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten einzuengen, sondern darum, Aufklärung, Information, Transparenz und Kommunikation in dem Willensbildungsprozess, für den die politischen Parteien
nach unserem Grundgesetz ausdrücklich stehen, zu gewährleisten.
({3})
Zur Sache selbst: Es ist unbestritten, dass OEF am
Horn von Afrika und im östlichen Mittelmeer weiter stabilisierenden Einfluss ausüben muss. Auf See müssen
die vermuteten Transportwege der terroristischen Kräfte
weiter überwacht und somit deren Zugang zu potenziellen Rückzugsgebieten eingeschränkt werden. Die Bedenken, die im Laufe der OEF-Mission in Afghanistan
seit 2001 erhoben werden, müssen aber abgearbeitet und
Schwächen des Mandats beseitigt werden. Kritische und
berechtigte Fragen müssen beantwortet werden, so wie
es der Bundesaußenminister am vergangenen Donnerstag von der gleichen Stelle aus für die Bundesregierung
in seiner Amtsverantwortung getan hat.
Leider hat sich unser Koalitionspartner zu einem ähnlichen Vorgehen im Rahmen eines gemeinsamen Entschließungsantrages nicht bereit erklären können.
({4})
Nichtsdestotrotz haben die veränderten Begründungen
im Antrag der Bundesregierung zur Verlängerung des
OEF-Mandats und die schon erwähnte Rede des Herrn
Außenminister die Abwägungsentscheidung zugunsten
einer Zustimmung zur Verlängerung des OperationEnduring-Freedom-Mandats in meiner Fraktion positiv
beeinflusst.
({5})
Dabei war uns sehr wichtig, dass es der internationalen Gemeinschaft im Rahmen eines Strategiewechsels
gelungen ist, die Veränderungen der Einsatzregeln
seit dem 4. August 2007 auch bei OEF durchzusetzen.
Die Soldaten sind nach diesen veränderten Tactical
Directives ausdrücklich angewiesen, bei ihren Einsätzen
Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und die kulturellen
Traditionen zu nehmen. Die Befehlslage ist darauf ausgerichtet, zivile Opfer zu vermeiden. Sie muss natürlich
konsequent umgesetzt werden. Nach den Berichten, die
uns vorliegen, und nach Inaugenscheinnahmen ist dies
auch der Fall.
({6})
OEF ist nicht nur in ihrem Umfang auf 10 000 Soldaten halbiert worden, sondern auch ihr Aufgabenschwerpunkt wurde verändert. 80 Prozent der Kräfte arbeiten
jetzt für eine unserer Hauptaufgaben in Afghanistan: die
Ausbildung von Polizei und Armee. Deswegen wollen
wir mit unseren NATO-Partnern - so auch der Herr Bundesaußenminister am vergangenen Donnerstag - prüfen,
ob die Ausbildungsaufgaben in Zukunft nicht stärker unter dem Mandat von ISAF zusammengezogen werden
können.
({7})
Wichtig ist, darauf hinzuarbeiten, den OEF-Einsatz,
solange er noch nötig ist, durch einen Beschluss des UNSicherheitsrates mandatieren zu lassen.
({8})
Von der weiteren Zustimmung der afghanischen Regierung - diese Zustimmung war bisher vorhanden - kann,
wie der Antragstext ausweist, weiterhin ausgegangen
werden.
Nicht nur die Opposition geht kritisch damit um,
Art. 51 der UN-Charta - das Recht auf individuelle und
kollektive Selbstverteidigung - als Rechtsgrundlage für
OEF heranzuziehen. Inzwischen ist es herrschende Meinung, dass ein das Selbstverteidigungsrecht auslösender
bewaffneter Angriff auch von nichtstaatlichen terroristischen Organisationen ausgehen kann. Unter deutschen
Völkerrechtlern ist es hier zu einer Fortentwicklung des
Völkerrechts im Rahmen bestehender Normen gekommen. Die Anschläge vom 11. September 2001 waren die
ersten Angriffshandlungen, denen weitere - in Anführungszeichen - erfolgreiche Angriffshandlungen in aller
Welt - in Madrid und London, aber auch in Afghanistan,
zuletzt in einer Zuckerfabrik in Baghlan -, aber auch gescheiterte Angriffe folgten.
Wie immer wieder aufgedeckt wird, werden weitere
Angriffshandlungen geplant und vorbereitet. Diese Angriffe sind eine Dauergefahr. Die Gefahr von Angriffen
muss so lange als andauernd betrachtet werden, bis eine
nachhaltige Zerschlagung der Al-Qaida- und TalibanStrukturen erreicht wird und eine Wiederholung der Anschläge vom 11. September 2001 nach Möglichkeit ausgeschlossen ist. Wichtige Voraussetzung hierfür ist weiterhin, dass der al-Qaida und der Taliban Stützpunkte
entzogen und Rückzugsgebiete verwehrt werden. Damit
besteht das Selbstverteidigungsrecht fort. Es war und ist
bis heute die völkerrechtliche Grundlage der Operation
Enduring Freedom.
({9})
- Diese Beurteilung der Sach- und Rechtslage hat bei
den Grünen keinen Anklang gefunden. Schauen Sie aber
einmal in die veröffentlichte Rechtsdiskussion.
({10})
Schauen Sie auch auf den Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen, der zuerst in der Resolution 1368 aus 2001
und zuletzt in der Resolution 1776 aus 2007 darauf Bezug nahm und damit per se eine Legitimation liefert.
Für unser gesamtes Afghanistan-Engagement gilt:
Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist primär keine militärische Aufgabe. Soldaten sind kein
Selbstzweck. Die internationale Gemeinschaft unternimmt daher umfassende Anstrengungen mit dem Ziel
einer wirksamen Beseitigung gesellschaftlicher, sozialer,
ökonomischer, ökologischer und infrastruktureller Umstände, die das Entstehen von Terrorismus begünstigen.
Herr Kollege!
Abschließend sage ich noch einmal für meine Fraktion: Deutschland führt keinen Krieg gegen den internationalen Terrorismus. Wir leisten im Rahmen eines politischen Gesamtkonzepts unter Wahrung rechtsstaatlicher
Grundsätze sowie des Völkerrechts auch mit militärischen Mitteln unseren Beitrag, um der fortbestehenden
terroristischen Bedrohung wirksam zu begegnen.
({0})
Wir können den Terror nicht im klassischen Sinne besiegen, aber wir können ihn eindämmen und dafür sorgen,
dass die Terroristen ihre Ziele nicht erreichen. Hierfür ist
die Operation Enduring Freedom unter den dargestellten
Voraussetzungen noch notwendig, auch als wichtiges
Signal an unsere Bündnispartner, auch als Zeichen der
Solidarität in der internationalen Gemeinschaft.
Ich danke für die Geduld.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne
hat der Präsident der Nationalversammlung der Demokratischen Volksrepublik Laos, Herr Thammavong,
mit seiner Delegation Platz genommen. Im Namen aller
Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages
begrüße ich Sie sehr herzlich.
({0})
Herr Präsident, wir freuen uns, dass wir Sie hier in
Berlin zu Gast haben. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist
Ausdruck nicht nur der freundschaftlichen Beziehungen
zwischen unseren Ländern, sondern auch der zunehmend engen Kontakte zwischen unseren Parlamenten.
Wir verfolgen mit Interesse, dass das laotische Parlament eine zunehmend wichtige Rolle beim erfolgreichen
Reformprozess Ihres Landes einnimmt. Für diese Entwicklung und für Ihr weiteres parlamentarisches Wirken
begleiten Sie unsere besten Wünsche.
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Werner Hoyer
für die FDP-Fraktion.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
FDP-Bundestagsfraktion wird dem Mandatsantrag der
Bundesregierung zustimmen. Wir tun dies letztendlich
aus den gleichen Gründen, die meine Kolleginnen und
Kollegen und ich vor wenigen Wochen hier vorgetragen
haben, als es um das ISAF-Mandat ging, auch wenn wir
sehen, dass die OEF weit über den ISAF-Einsatz in
Afghanistan hinausgeht, gerade was den deutschen Anteil angeht. Aber die Begründungen sind die gleichen. Es
ist ja ein einmaliger Vorgang, Herr Kollege Kolbow,
dass wir nicht die Gelegenheit hatten, über beide Mandate im Zusammenhang zu diskutieren und zu entscheiden.
({0})
Dieser Zusammenhang besteht allerdings eindeutig.
({1})
Die Auseinandersetzung mit dem internationalen
Terrorismus bleibt eine Herausforderung. Auch wenn
es - um es plastisch auszudrücken - ein paar Wochen
lang in Europa nicht gekracht hat, sollten wir uns nicht
vertun, wie gefährlich die Situation nach wie vor ist. Die
Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus ist weiterhin erforderlich.
Es bleibt dabei, dass wir Afghanistan nicht aufgeben
dürfen. Die Afghanen, insbesondere diejenigen, die uns
vertraut haben, dürfen wir nicht alleinlassen. Und wir
dürfen nicht darüber hinwegsehen, dass wir das, was wir
in Afghanistan und für Afghanistan zur Bekämpfung des
Terrorismus tun, in allererster Linie für unsere eigene Sicherheit tun. Gerade deshalb sind wir unseren Soldatinnen und Soldaten so dankbar.
({2})
Meine Damen und Herren, die Aufbauarbeit in Afghanistan bedingt und erfordert Sicherheit. Deshalb,
Kollege Kolbow, kommt es auch im Rahmen von ISAF
zu Kampfhandlungen; wir dürfen das nicht kleinreden.
Daher wird auch der unmittelbare Kampf gegen den Terror, der unter dem OEF-Mandat stattfindet, weiterhin gebraucht - weit über Afghanistan hinaus. Deswegen ist es
Unsinn und unverantwortlich, immer wieder den Eindruck zu erwecken, als könne man zwischen dem „guten“ ISAF-Mandat auf der einen Seite und dem vermeintlich „bösen“ OEF-Mandat auf der anderen Seite
unterscheiden. Beide Mandate gehören zusammen.
({3})
Natürlich kann man die Frage stellen: Warum packen
wir nicht alles unter ein Mandat? Hier muss man vorsichtig sein. Erstens erfordert dies eine getrennte Lösung
im Hinblick auf unser Engagement am Horn von Afrika
und im Mittelmeer. Zweitens erfordert dies eine Abstimmung mit unseren Partnern, die nicht ganz einfach ist,
wenn man berücksichtigt, wer die Hauptlast des OEFMandats trägt. Angesichts des minimalen Beitrags der
Bundeswehr zu OEF in Afghanistan, der gegenwärtig
eher virtueller Natur ist, muss man sagen, dass wir keine
Veranlassung haben, uns gegenüber einer Nation, die
sich im Rahmen von OEF mit mehr als 10 000 Mann in
Afghanistan engagiert, zu erheben.
Schließlich würde eine totale Integration von OEF
und ISAF den Charakter von ISAF erheblich verändern.
Wollen wir das wirklich? Sind wir uns darüber klar, dass
in diesem vereinten Mandat das relative Gewicht der
Bundesrepublik Deutschland sinken würde? Deswegen
warne ich Neugierige. Natürlich ist es sinnvoll, die Elemente von OEF, die genauso gut unter dem ISAF-Mandat erledigt werden könnten, dort anzusiedeln. Ich
denke, die Bundesregierung ist gut beraten, darüber in
aller Ruhe mit unseren Partnern zu reden. Denn auf deren Beitrag und auf deren Umschichtung von OEF zu
ISAF käme es im Zweifel an.
Der Kollege Stinner wird gleich noch etwas zu den
militärischen Aspekten sagen, gegebenenfalls auch zur
Frage der Ausbildung; ich will das hier nicht gesondert
ansprechen.
Die Bundesregierung hat uns die Rechtsgrundlagen
in den Ausschüssen überzeugend dargelegt. Deswegen
haben wir keinen Zweifel, dass die Entscheidung, die
wir heute treffen, auf einer rechtlich sauberen Grundlage
steht. Dennoch stellt sich die Frage, ob es auf Dauer
möglich ist und sinnvoll sein könnte, anzustreben, dass
das, was im Rahmen von OEF passiert, auf eine andere
Rechtsgrundlage gestellt wird.
Ich denke, wir sind uns darin einig, dass die Berufung
auf Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen - auf die
kollektive Selbstverteidigung - zutreffend ist, dass aber
auch dies nicht ad calendas graecas trägt. Deswegen
finde ich es richtig, dass sich die Bundesregierung Gedanken darüber macht, ob wir hier eine neue Rechtsgrundlage anstreben sollten; das könnte Deutschland natürlich nicht alleine leisten, sondern nur gemeinsam mit
seinen Partnern.
({4})
- Ich finde es richtig, dass sich die Bundesregierung Gedanken macht, Herr Kollege Trittin, und ich möchte das
unterstützen, weil ich mir durchaus Sorgen mache.
Meine Damen und Herren, was die andere rechtliche
Diskussion, die in den letzten Tagen aufgeflammt ist, angeht, möchte ich die Bundesregierung und vor allen Dingen die Mehrheit dieses Hauses nachdrücklich bitten, die
eigene Position zu überdenken. Amnesty International
und Human Rights Watch haben uns mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Bundeswehr Probleme entstehen könnten.
Ich habe keinen Beleg dafür, dass das bisher der Fall
war. Hier sollten wir aber vorsorgen.
Die Fraktion der FDP hat bereits im letzten Jahr einen
entsprechenden Antrag eingebracht. Dabei ging es um
die Sicherstellung der rechtsstaatskonformen Behandlung der Gefangenen, die von deutschen Kräften gemacht und dann an die Afghanen übergeben werden. Damals hat die Mehrheit der Koalitionsfraktionen aufgrund
der Beratung mit der Bundesregierung argumentiert,
diese Probleme könnten durch bilaterale Vereinbarungen
mit der afghanischen Regierung gelöst werden. Herausgekommen ist, wie wir gestern gehört haben, ein Bemühen darum, dass die afghanische Seite zusichert, dass die
Drohung mit der Todesstrafe nicht Anwendung findet
für Personen, die von der Bundeswehr an die afghanischen Behörden übergeben werden. Ich muss sagen: Das
ist erheblich zu wenig. Wenn es darum geht, die rechtsstaatskonforme Behandlung solcher Gefangener sicherzustellen, müssen wir eine bessere Grundlage haben.
Ich möchte Sie von den Koalitionsfraktionen herzlich
bitten, noch einmal zu überdenken, ob es richtig war,
diesen unseren Antrag, den wir demnächst im Plenum
des Bundestages zur Abstimmung stellen, in den Ausschüssen abzulehnen. Ich bin gerne bereit, mit den anderen Fraktionen noch einmal darüber zu reden, wie wir
hier eine rechtsstaatlich saubere Lösung gemeinsam hinbekommen.
Herzlichen Dank.
({5})
Dr. Andreas Schockenhoff ist der nächste Redner für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir Deutschen können der Auseinandersetzung mit
dem Terrorismus nicht ausweichen und wir wollen
das auch nicht. Der Deutsche Bundestag hat das
nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck gebracht, dass
er für die Solidarität mit den Vereinigten Staaten
ausdrücklich auch „die Bereitstellung geeigneter
militärischer Fähigkeiten“ beschlossen hat.
Das hat wörtlich an diesem Pult der ehemalige Bundeskanzler Schröder zur Notwendigkeit von OEF und damit
zum - auch militärischen - Kampf gegen den Terrorismus gesagt. Dies ist nach wie vor richtig. Deshalb wird
die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Antrag der Bundesregierung zustimmen.
({0})
Genauso richtig war auch seine Feststellung, dass wir
im Kampf gegen den Terror einen langen Atem brauchen
und schnelle Erfolge keineswegs garantiert sind. Nicht
nur Madrid und London, sondern auch Länder wie Indien, Indonesien, Jordanien und Russland sind seit dem
11. September 2001 Opfer einer steigenden Zahl terroristischer Angriffe geworden. In Deutschland konnte
dies bisher vereitelt werden, nicht zuletzt dank der Arbeit unseres Bundesinnenministers und dank der hervorragenden Arbeit der Sicherheitsdienste. Doch die Bedrohung ist nach wie vor und auch in absehbarer Zukunft
hoch.
Nach einem terroristischen Angriff würden wir selbst
Unterstützung und Solidarität erwarten. Deshalb liegt es
in unserem Sicherheitsinteresse, dass wir in der internationalen Gemeinschaft alle gemeinsam den Kampf gegen den Terror fortsetzen.
({1})
Dem dient die Verlängerung des OEF-Mandats in allen
seinen Teilen.
Auch im Zeitalter der asymmetrischen Bedrohung
durch den transnationalen Terrorismus gilt das Recht
auf Selbstverteidigung. Heute sind wir weniger durch
einen Angriffskrieg eines feindlichen Staates bedroht als
durch ein international organisiertes und international
agierendes Netzwerk von Terroristen. Mit al-Qaida
kooperieren unzählige regionale terroristische Strukturen, von denen aus Angriffe auf unsere Freiheit und unser Wertesystem geplant werden. Diese Angriffe können
den Verteidigungs- und Bündnisfall auslösen. Dann
müssen wir handlungsfähig bleiben.
Für die CDU/CSU-Fraktion gilt ganz klar: Militäreinsätze dürfen nur im Rahmen unseres Grundgesetzes und
des Völkerrechtes stattfinden. Aber im Fall der Selbstverteidigung dürfen wir uns nicht davon abhängig machen, ob im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine
Entscheidung zustande kommt.
({2})
Deshalb hält die CDU/CSU-Fraktion das im Völkerrecht
ausdrücklich vorgesehene Recht zur individuellen und
kollektiven Selbstverteidigung - Art. 51 der UN-Charta weiterhin für eine legitime und nicht nur vorläufige
Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Bundeswehr.
({3})
Die OEF-Truppen handeln unter dem Oberkommando der damals angegriffenen Amerikaner mit dem
Auftrag, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen.
Ihr Einsatz umfasst den gesamten Krisenbogen vom Maghreb über das Horn von Afrika, die arabische Halbinsel
und Zentralasien bis zum Nordkaukasus. Insgesamt beteiligen sich rund 20 Staaten an der Durchführung dieser
schwierigen Aufgabe. Wir alle sind uns doch darüber einig, dass wir die Gefahr dort bekämpfen müssen, wo sie
entsteht - bevor sie zu uns kommt -, natürlich nicht primär, aber lageabhängig auch militärisch.
Da vor allem das Grenzgebirge zwischen Afghanistan
und Pakistan Ausbildungs- und Ausrüstungsort der Terroristen ist, die den Wiederaufbau des Landes zu verhindern suchen, müssen die OEF-Kräfte auch dort eingesetzt werden. Es reicht nicht aus, den Terroristen einen
Rückzugsort zu nehmen, wenn nebenan ein neuer entsteht.
Daher bedeuten die besorgniserregenden Entwicklungen in Pakistan, über die wir in der letzten Woche hier
diskutiert haben, auch die Gefahr eines Rückschlags im
Antiterrorkampf. Pakistan muss schnellstmöglich wieder
zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehren - auch
damit die Probleme im Grenzgebiet zu Afghanistan nicht
weiter anwachsen und sich die pakistanischen Militärs
wieder auf die schwierige gemeinsame Grenzkontrolle
konzentrieren.
In Afghanistan sind die OEF-Truppen ausdrücklich
auf Wunsch der demokratisch gewählten afghanischen
Regierung im Einsatz. Sie waren es, die den Boden für
die Stabilisierung und den Wiederaufbau durch die ISAF
bereitet haben. Sie waren es auch, die insbesondere im
Osten und Süden des Landes die Taliban zurückgedrängt
haben. Erst dadurch konnten hier regionale Wiederaufbauteams Straßen, Brücken und Schulen tatsächlich wieder aufbauen. Erst seit einem Jahr stehen alle 25 Wiederaufbauteams unter dem Oberkommando der NATO.
Die ISAF konnte sich erst langsam über die gesamte
Landesfläche verteilen. Erst schrittweise übernimmt die
NATO mehr Verantwortung für die fünf Säulen der Sicherheitssektorreform, wie zum Beispiel für den Aufbau
und die Ausbildung der afghanischen Armee. Von den
fünf Lead-Nationen in Afghanistan haben die USA beim
Armee- und Polizeiaufbau bisher am meisten erreicht,
weil sie unter der OEF sowohl personell und materiell
als auch vor allem finanziell die größten Anstrengungen
unternehmen. All diejenigen, die ein Ende der Arbeitsteilung zwischen der ISAF und der OEF fordern, sollten
zunächst den eigenen Ansatz optimieren und verstärken.
({4})
Wenn wir die Ausbildung bzw. alle Probleme in Afghanistan durch die ISAF bewältigen wollten, dann
müssten wir in der EU und in der NATO im Sinne eines
fairen Burden-Sharing, also im Sinne einer Zuteilung
von mehr Lasten und mehr Kosten, erst einmal die Voraussetzungen dafür schaffen. Sind wir in der Lage, das
zu leisten? Wollen wir das? Bei einer Sollstärke der
ISAF von lediglich 90 Prozent sehe ich hier große
Schwierigkeiten. Es fehlt an Kampftruppen, Hubschraubern, Transportflugzeugen und mehr Trainingsteams zur
Ausbildung der afghanischen Armee. Deswegen unterstützen wir es sehr, dass unser Verteidigungsminister
zwei Transall-Transportflugzeuge und 130 zusätzliche
Armeeausbilder entsendet.
Einige Ausbilder mehr in der ISAF bedeuten aber
noch lange nicht, dass weniger Ausbilder bei der OEF
erforderlich sind. Im Gegenteil: Mindestens 70 000
ANA-Soldaten wollte die internationale Gemeinschaft
bis 2010 ausbilden. Heute, Ende 2007, nach sechs Jahren, sind weniger als 20 000 tatsächlich einsatzbereit.
Hier müssen wir also deutlich mehr tun. Darum ist es
richtig und auch notwendig, dass 8 000 der insgesamt
12 000 OEF-Soldaten Afghanen für den Armeedienst
ausbilden.
Das alles dient doch auch unserer Exit-Strategie, die
erst dann greift, wenn Afghanistan selbst für seine eigene Sicherheit sorgen kann. Deswegen möchte ich unterstreichen, was der Kollege Hoyer vorhin gesagt hat:
Mit der irreführenden Unterscheidung in ein gutes ISAFMandat und ein böses OEF-Mandat kommen wir nicht
weiter.
Wenn die OEF in Afghanistan beendet würde, dann
müsste die ISAF die Aufgabe der Terrorbekämpfung
übernehmen. Dies würde ganz andere Kompetenzen und
auch eine ganz andere Mandatsstruktur erforderlich machen. Bestimmte Herausforderungen in Afghanistan erfordern militärisch robustes Handeln. Auch ISAF-Truppen fordern in Notsituationen Luftunterstützung an. Für
alle Streitkräfte ist die Vermeidung ziviler Opfer oberste
Prämisse. Dieser Maßstab gilt für die OEF nicht weniger. Es war daher richtig und notwendig, dass die Einsatzregeln zum Schutz der Bevölkerung verbessert wurden.
Zum Schluss möchte ich all diejenigen fragen, die
OEF in Afghanistan als kontraproduktiv kritisieren und
nur noch auf ISAF setzen wollen: Glauben Sie, dass
durch einen Ausstieg unser Einfluss auf die Antiterrormission steigt? Unser einseitiger Ausstieg aus der Mission OEF führte dazu, dass wir künftig keine Mitsprache
mehr bei OEF und der Operationsführung hätten. Es liegt
daher in unserem Interesse, dass durch eine Verlängerung
des OEF-Mandats der von uns geforderte multilaterale
Charakter von OEF erhalten bleibt. Ein Ausstieg aus OEF
bedeutete weder für die Bevölkerung in Afghanistan noch
für die ISAF-Truppen ein Mehr an Sicherheit.
Ich bitte Sie daher, für die Verlängerung des OEFMandats zu stimmen und damit einen sehr wichtigen
Beitrag im Rahmen unserer sehr vielfältigen politischen
Maßnahmen gegen den Terrorismus fortzusetzen, in Afghanistan, aber auch an anderen Brennpunkten des Einsatzgebietes.
Vielen Dank.
({5})
Das Wort erhält nun der Kollege Wolfgang Gehrcke,
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
gebe zu, dass sich mein Mitleid mit der SPD-Fraktion in
sehr engen Grenzen hält. Aber nach der Rede von Walter
Kolbow und den Verrenkungen, die er unternommen hat,
um zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, sind
mir wieder Zweifel gekommen. Lieber Kollege Kolbow,
eines hätte man zumindest leisten müssen: der deutschen
Bevölkerung die Wahrheit zu sagen, was eigentlich abläuft. Die Operation Enduring Freedom ist ein
Kampfeinsatz; das wird niemand leugnen können. Die
Operation Enduring Freedom ist Teil des Krieges gegen
den Terror. Deutschland ist an dieser Operation beteiligt.
Deutschland ist in einem Kampfeinsatz, befindet sich im
Krieg gegen den Terror. Also stimmt es nicht, wie Kollege Struck einmal formuliert hat, dass Deutschland am
Hindukusch verteidigt wird. Richtig ist - darum können
Sie nicht herumreden -: Deutschland führt Krieg am
Hindukusch, und das ist schlimm.
({0})
Das ist der Kern der Auseinandersetzung. Daran geht
nichts vorbei.
Wenn wir an diesem Punkt sind und über die Bevölkerung in Afghanistan nachdenken, ist es notwendig, zu
sagen, dass seit 2001 70 000 bis 100 000 Menschen in
Afghanistan Opfer dieses Krieges geworden sind. Das
finde ich am bedrückendsten. Wir wollen nicht, dass
Menschen irgendwo auf der Welt, auch nicht in Afghanistan, Opfer von Terror und Krieg werden. Das ist unsere Grundaussage.
({1})
Die Fraktion Die Linke wird dem Antrag der Bundesregierung nicht zustimmen; das hat sowieso niemand erwartet. Wir fordern darüber hinaus, den Bündnisfall in
der NATO aufzuheben.
({2})
Herr Kollege Kolbow, es gibt kein Völkerrecht nach
Gutsherrenart. Ihre Fraktion kann nicht einfach festlegen,
was völkerrechtlich in Ordnung und was völkerrechtswidrig ist. Schauen Sie sich doch Art. 51 der Charta der
Vereinten Nationen einmal genauer an! Dort geht es um
das Selbstverteidigungsrecht zur Abwehr eines unmittelbar stattfindenden oder drohenden Angriffs. Ich könnte
den Text zitieren, aber Sie kennen ihn. Nun müssen Sie
die Frage beantworten, ob nach sieben Jahren Krieg gegen den Terror ein Angriff von Afghanistan auf die USA
oder irgendein anderes Land in der Welt droht. Das ist
offensichtlich nicht der Fall.
({3})
Eine weitere Festlegung in der Charta der Vereinten Nationen besagt, dass das nur so lange gilt, wie die Vereinten Nationen selbst nicht handlungsfähig sind. Aber die
Vereinten Nationen haben - das haben wir nicht unterstützt - ISAF installiert. Sie sind handlungsfähig. Deswegen muss der Bündnisfall aufgehoben werden. Er ist
rechtlich nicht mehr zu begründen.
({4})
Dass der Bündnisfall im NATO-Vertrag zeitlich nicht
befristet ist, liegt auch daran, dass er zum ersten Mal
ausgerufen wurde. Sie können es drehen und wenden,
wie Sie es wollen: Sie bewegen sich nicht auf der Basis
des Völkerrechtes, sondern operieren gegen das Völkerrecht.
({5})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
wenn Sie uns das nicht abnehmen, dann schauen Sie sich
das an, was Ihnen einmal nahe gewesen ist und heute so
fern ist.
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat
kürzlich eine Denkschrift veröffentlicht. Darin kommt er
- das geht aus den Thesen 101 und 106 hervor - zu dem
gleichen Ergebnis wie wir als Linke. Auch von daher ist
es völlig klar, dass der Zustand, den Sie beibehalten wollen, nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.
({6})
In diesem Zusammenhang will ich mit zwei anderen
Punkten aufräumen und Klarheit schaffen. In Ihrem Antrag haben Sie verquast und verharmlosend festgestellt,
dass im Rahmen des Mandats auch Spezialkräfte eingesetzt werden sollen. Dabei geht es um KSK.
({7})
- Ja, das weiß ich. Man kann es aber deutlicher ausdrücken, Herr von Klaeden. Sie wissen, dass ich meinen
Kenntnisstand, inwiefern es sich um KSK handelt, nicht
den Kollegen im Plenum mitteilen kann, weil das immer
noch der Geheimhaltungspflicht unterliegt. Das bedaure
ich sehr. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung den Mut hat, im Zusammenhang mit Afghanistan
Klarheit zu schaffen. Die in Ihrem Antrag getroffene
Feststellung, dass die Vorsitzenden aller Fraktionen diesen
unwürdigen Informationsregelungen zugestimmt hätten,
stimmt aber nicht. Die Vorsitzenden meiner Fraktion
werden sich an der Vorgehensweise, dem Parlament häppchenweise und nach Entscheidung der Regierung Informationen zukommen zu lassen, nicht weiter beteiligen.
({8})
Wir verlangen auch in diesem Punkt Öffentlichkeit.
Die Bevölkerung muss wissen, worum es geht.
({9})
- Meine Fraktion nicht.
Abschließend fordere ich Sie auf: Ziehen Sie doch
einmal Bilanz über das Ergebnis des Krieges gegen den
Terror! Stellen Sie die Frage, ob mit diesem Krieg die
Gefahr des Terrorismus kleiner geworden ist! Sie sagen
doch selber, dass die Gefahr größer geworden ist. Stellen
Sie die Frage, ob die Kriege, die mit dem Ziel der Abrüstung begründet worden sind, tatsächlich zur Abrüstung
geführt haben! Im Gegenteil: Sie haben überall in der
Welt zur Aufrüstung geführt.
Herr Kollege.
Stellen Sie die Frage, ob die Demokratie befördert
worden ist! Das ist nicht der Fall. Überall ist Demokratie
abgebaut worden. Selbst wenn Sie ihrer eigenen Logik
folgen würden, gäbe es keine Begründung, den Krieg gegen Terror fortzusetzen. Man kann gegen Terror kämpfen, aber der Krieg führt ins Elend.
Danke sehr.
({0})
Jürgen Trittin ist der nächste Redner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
Kollege Gehrcke, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass
unter OEF der militärische Beitrag Deutschlands in Afghanistan seit 2005 gleich null ist. Darum geht es heute
auch nicht. Es gibt in Afghanistan 3 500 deutsche Soldaten, die im Rahmen eines klaren Mandats der Vereinten
Nationen und im Rahmen einer NATO-Operation namens
ISAF tätig sind. Aber dieser Einsatz steht heute nicht zur
Debatte.
Meines Erachtens müssen wir uns heute mit zwei relativ einfachen Fragen auseinandersetzen: Erstens. Gefährdet OEF die Stabilisierung Afghanistans? Dazu gehört
auch, ob OEF den Erfolg der NATO-Operation ISAF befördert und stabilisiert oder eher gefährdet. Zweitens.
Gibt es für die Operation Enduring Freedom noch eine
völkerrechtlich einwandfreie Grundlage? Das sind die
beiden Fragen, die wir uns stellen müssen.
({0})
Lieber Frank Steinmeier, Sie haben im Ausschuss
starke Worte zur völkerrechtlichen Begründung gefunden. Aber offensichtlich glauben Sie die selbst nicht.
Wie könnte es sonst sein, dass die SPD auf ihrem Bundesparteitag forderte, dass das auf die Grundlage eines UNMandats gestellt wird? Die CDU/CSU hat das abgelehnt.
Ich frage mich, ob wir nach der innenpolitischen Dauerblockade zur außenpolitischen Selbstblockade kommen.
Noch spannender ist die Frage an Sie, lieber Frank
Steinmeier, warum Sie als Parteivize auf dem Parteitag
in Hamburg zugestimmt haben, dass der OEF-Einsatz
auf eine vernünftige völkerrechtliche Grundlage gestellt
wird, während Sie hier als Außenminister und künftiger
Vizekanzler dagegen argumentieren.
({1})
Ich glaube, das Rätsel löst sich, wenn man die Zeit mit
berücksichtigt. Das UN-Mandat vom 12. September 2001
war die Grundlage für OEF. Aber als Grundlage taugt es
heute für Afghanistan nicht - ich betone: nicht mehr!
({2})
Selbstverständlich hat der Sicherheitsrat zu Recht den
USA das Recht auf Selbstverteidigung zugestanden. Und
es war richtig, dass wir ihnen an die Seite getreten sind. Es
ist zu Recht geschehen, dass das Taliban Regime gestürzt
und die terroristische Infrastruktur von al-Qaida in Afghanistan zerstört worden ist. Zu Recht haben wir uns daran
beteiligt, eine verfassungsgebende Versammlung in Afghanistan zu etablieren, sodass sie heute einen gewählten
Präsidenten, ein gewähltes Parlament haben. Zu Recht
- Herr Schockenhoff hat darauf hingewiesen - hat OEF
- übrigens nicht im Norden, das hat ISAF schon selber
gemacht - dafür gesorgt, dass die Regierung Afghanistans
über das ganze Land und nicht nur über Kabul regiert.
Das alles sind die Verdienste von OEF. Ich sage Ihnen: Es sind gerade die Erfolge von OEF, die heute die
Rechtsgrundlage für ein weiteres Fortbestehen infrage
stellen.
({3})
Denn eines war der Sicherheitsratsbeschluss nicht: Es
war keine Ermächtigung, zeitlich und räumlich unbegrenzt
überall auf der Welt beliebig Krieg führen zu dürfen. So
hat der UN-Sicherheitsrat mit Sicherheit nicht entschieden.
({4})
Ich kann Ihnen das anhand eines einfachen Beispiels
erläutern. Nur weil Mohammed Atta sein monströses
Verbrechen in Hamburg geplant hat, hat es keinen Grund
gegeben, gegen Hamburg Krieg zu führen. Nun werden
Sie vielleicht sagen, Kabul ist nicht gleich Hamburg.
Das ist richtig. Ich sage Ihnen aber auch: In Kabul hat
sich etwas geändert. In Kabul regieren nicht mehr die
Taliban; es gibt eine gewählte Regierung; es gibt heute
ein Mandat der Vereinten Nationen für ganz Afghanistan, das ist das ISAF-Mandat. Wollen Sie der afghanischen Regierung absprechen, dass Sie ihrer Verpflichtung, nämlich in Afghanistan gegen den Terror und seine
Unterstützer vorzugehen, nachkommt? - Ich glaube, das
wollen Sie nicht.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Westerwelle?
Ja, gleich. - Dann gibt es aber auch keinen Grund, dass
in Afghanistan ohne eine Vereinbarung und ein Stationierungsabkommen heute ausländische Truppen tätig sind.
({0})
Herr Westerwelle.
Herr Kollege Trittin, Sie haben sich sehr nachdrücklich auf die Kraft und die Autorität der Regierung, die
es jetzt in Kabul für Afghanistan gibt, berufen. Ich hatte
vor wenigen Wochen die Gelegenheit, mit einem Vertreter dieser Regierung, nämlich mit dem Außenminister
Spanta, in Kabul zu sprechen. Ich möchte nur mit einem
Punkt wiedergeben, was diese von Ihnen gerühmte Regierung mir und auch vielen anderen in der Öffentlichkeit gesagt hat. Die Meinung von Außenminister Spanta
in Afghanistan war: An dem Tag, wo ihr rausgeht, ist
Kabul wieder die Hauptstadt der Terroristen in der Welt,
und wir haben nichts mehr zu sagen.
Lieber Herr Kollege Westerwelle, auch ich war in Afghanistan, so wie viele andere von meiner Fraktion auch.
Wir haben viele Gespräche mit Herrn Karzai und auch
mit Herrn Spanta geführt. Sie sitzen genau der gleichen
Verwechselung auf wie der Kollege Gehrcke. Ich habe
nicht dafür plädiert, in Afghanistan die militärische Absicherung des Aufbaus zu beenden. Ich habe die Frage
gestellt: Gibt es für den Teil der militärischen Operation,
der in Afghanistan unter dem Label OEF stattfindet, heute
noch eine völkerrechtlich tragfähige Grundlage? Das ist
keine Frage, die Sie mit der Tatsache einer umfassenden
militärischen Absicherung vermengen können, wie sie
ISAF auf der Basis des Mandats der Vereinten Nationen
- erst jetzt wieder verlängert - macht. Ich finde, wir sollten aufhören, die relativ beschränkte Frage, auf welcher
Rechtsgrundlage OEF stattfindet, mit einer allgemeinen
Debatte über Krieg und Frieden in Afghanistan zu verbinden. Das ist der gemeinsame Irrtum von FDP und
Linksfraktion.
({0})
Wir sind genau an dieser Stelle. Ich glaube, nein, ich
bin davon überzeugt, lieber Herr Außenminister, dass Ihr
Parteitag etwas Richtiges beschlossen hat, als er gesagt
hat: Wir wollen, dass dieses Mandat, dieser Einsatz in
Afghanistan auf eine UN-Grundlage gestellt wird. - Er
hat gleichzeitig etwas Falsches beschlossen; denn dieses
Mandat gibt es bereits. Es ist das ISAF-Mandat. Ich bedauere Sie schon, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der SPD, dass Sie von der CDU/CSU an die Kette gelegt
worden sind, sodass Sie das hier nicht mehr sagen dürfen.
({1})
Wir brauchen in Afghanistan militärische Präsenz
unter einem Kommando. Übrigens haben Sie von uns
nie das Wort von der bösen OEF und der guten ISAF gehört; wenn ISAF im Sangin-Tal einen Staudamm gegen
Terroristen verteidigt, wenn, wie in diesen Tagen, im
Nordosten ISAF gegen eingesickerte Militante vorgeht,
dann ist das hartes militärisches Vorgehen. Das kann übrigens nur die NATO. Nur sie kann solche multilateralen
Einsätze im Verbund durchführen. Aber das, was nicht
geht, ist, zuzuschauen, wie durch das Nebeneinander eines militärisch-zivilen Unterstützungseinsatzes - das ist
ISAF - und eines davon völlig losgelösten War on Terror
der Erfolg der Mission von ISAF gefährdet wird.
({2})
Dafür gibt es in Afghanistan Beispiele zuhauf. Wir haben den Fall Schindand, den wir hier mehrfach diskutiert
haben. Dort sind 150 Zivilisten aufgrund einer Operation
von OEF ums Leben gekommen, und ISAF musste Soldaten heraushauen. Es ist nicht so, dass OEF ISAF absichert. Es gibt unzählige Fälle, bei denen OEF-Kommandos von ISAF-Truppen gerettet werden mussten.
Deswegen sage ich Ihnen: Praktisch ist es so - dem widerspricht auch niemand vor Ort -, dass OEF den Erfolg
von ISAF gefährdet. Der Terrorismus muss bekämpft
werden, zivil, geheimdienstlich, polizeilich und militärisch. Seine Bekämpfung ist Aufgabe der jeweils gewählten Regierung, und dafür unterstützen wir die
afghanische Regierung durch ISAF. Neben ISAF gibt es
keinen Raum für in Tampa und Langley geplante Ramboaktionen. Es darf in Afghanistan nur ein Kommando
geben.
({3})
Wenn Sie mit Offizieren darüber sprechen, dann stimmen sie in diesem Punkt völlig zu, weil es das Basiswissen jeder Stabsschule ist, dass die Einheitlichkeit des
Kommandos in einem Raum, in dem militärische Operationen durchgeführt werden, gewährleistet sein muss.
Ich breche damit übrigens nicht den Stab über OEF.
OEF macht neben Kommandoaktionen auch sehr Sinnvolles. 6 000 Soldaten von OEF sind mit der Ausbildung
afghanischer Soldaten beschäftigt. Nur, die einfache
Frage ist: Warum macht das nicht ISAF? Wenn Sie, liebe
Bundesregierung, dieser Frage ausweichen, dann will
ich Sie gerne vor dem Vorwurf in Schutz nehmen, dass
Sie fürchten, dass das Geld kosten würde. Bekanntermaßen scheitert bei der Großen Koalition am Geld rein gar
nichts. Nein, der Kern, warum Sie an diese Frage nicht
heran wollen, ist, dass das für Sie, Frau Merkel, und für
Sie, Herr Steinmeier, unbequem ist. Sie müssten nämlich, wenn Sie sich mit OEF auseinandersetzen, zum
Beispiel dem amerikanischen Präsidenten erklären, dass
es so in Afghanistan mit OEF nicht weitergeht, dass Terrorismusbekämpfung nur erfolgreich ist, wenn sie auf
dem Boden des Völkerrechts stattfindet und wenn man
international gemeinsam agiert.
({4})
Genau diesen Konflikt scheuen Sie. Diese Scheu vor einem Konflikt mit den USA in dieser Frage halten Sie
für Bündnistreue. In Wahrheit gefährdet in meinen Augen dieser vorauseilende Gehorsam die riskanteste
Aktion des Bündnisses NATO, nämlich ISAF. Ich sage:
Das ist nicht bündnistreu, das ist nicht klug, und das ist
nicht in deutschem Interesse - und deshalb lehnen wir
heute dieses Mandat ab.
({5})
Der Kollege Rainer Arnold ist der nächste Redner für
die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit
sechs Jahren werden in Afghanistan Soldaten unter dem
OEF-Mandat eingesetzt. In diesen sechs Jahren hat sich
die Situation in Afghanistan ganz offensichtlich verändert, in vielen Bereichen zum Guten, in vielen Bereichen
ist die Situation aber auch ernster geworden. Aber auch
das Mandat und die Aufgabenstellung haben sich verändert. Hier wird manchmal diskutiert, als ob wir, wie es
am Anfang der Fall war, OEF statisch mandatierten.
Die Feststellung, dass ISAF ein aufbauendes Mandat
ist und OEF ein Kampfmandat, ist einfach nicht richtig;
das wurde hier bereits deutlich gesagt. Warum nicht?
Weil man sich bei der Auseinandersetzung in Afghanistan überhaupt nicht aussuchen kann, mit welchen militärischen Herausforderungen man konfrontiert wird.
Das bestimmt der Gegner. Selbstverständlich müssen
sich auch ISAF-Soldaten in diesem Land nicht nur wehren, sondern, wo es notwendig ist, auch offensiv Sicherheit herstellen. Das heißt, sie dürfen nicht warten, bis
sich die Taliban zusammenrotten und Stützpunkte überfallen. Das ist ein Teil der Wahrheit. Deshalb ist die
Trennung zwischen OEF und ISAF aus heutiger Sicht
natürlich ein Stück weit künstlich.
Das, was Herr Gehrcke hier vorgetragen hat, war die
übliche Litanei. Herr Gehrcke, ich will mich nicht auf
eine Debatte über die völkerrechtliche Legitimation
einlassen, und zwar deshalb nicht, weil wir darüber
schon sehr häufig debattiert haben. Ich möchte Sie aber
daran erinnern, dass Sie, als es um das ISAF-Mandat
ging, genauso argumentiert haben, zum Verfassungsgericht gegangen sind und dort eine eindeutige Niederlage
eingefahren haben. An diesem Beispiel sieht man, dass
Sie Ihre Argumente an den Haaren herbeiziehen.
({0})
Sie zitieren die Kirchen und andere Organisationen
immer wieder gerne. Ich tue das jetzt auch einmal:
Human Rights Watch sagt sehr deutlich - diese Organisation ist sicherlich auch aus Ihrer Sicht unverdächtig -,
dass für die Taliban jeder, der mit der Zentralregierung
in Kabul zusammenarbeitet, ein legitimes Ziel der Gewalt ist. Herr Gehrcke, wollen Sie dieses Land wirklich
wieder den Taliban überlassen? Diese Frage müssen Sie
hier schon einmal beantworten. Wenn Sie jetzt so tun, als
ob OEF das Schlechte und Schlimme ist, während über
ISAF der Aufbau geleistet wird, dann müssen Sie auch
die Frage beantworten, ob Sie irgendwann einmal wenigstens der Verlängerung des ISAF-Mandates zustimmen und sich der Verantwortung tatsächlich stellen werden.
({1})
Ich will nicht verhehlen, dass es im Zusammenhang
mit OEF kritische Fragen zu stellen gibt. Es gibt nichts
unter den Teppich zu kehren. Falsch ist allerdings die
Aussage, dass wir nicht wissen, was dort passiert. Wir
erkennen ausdrücklich an, dass die Partner in Amerika in
den letzten Monaten regelrecht eine Informationsoffensive gestartet haben. Viele von uns kennen Details. Herr
Gehrcke, wollen Sie wirklich, dass die Taliban den deutschen Zeitungen entnehmen können, wie die Truppen in
Afghanistan heute oder morgen operieren? Mit dieser
Forderung gefährden Sie das Leben der Soldaten. Deshalb gilt: Ja, wir brauchen so viel Transparenz wie möglich, aber der Schutz der Soldaten hat oberste Priorität.
Bei dieser Position werden wir bleiben.
({2})
Die kritischen Fragen wurden von der Regierung aufgenommen. Ich bin sehr froh darüber, dass der Außenminister in seiner Rede zur Einbringung des Antrages
auf Verlängerung des Mandates deutlich gemacht hat,
dass man das Mandat selbstverständlich im Detail weiterentwickeln muss. Die Position unserer Kollegen in
der Koalition verstehe ich insofern nicht so ganz. Der
Außenminister hat für die Kanzlerin, für den Verteidigungsminister, für die ganze Regierung gesprochen. Es
wäre schön, wenn wir Parlamentarier die Arbeit der Regierung durch einen entsprechenden Antrag hätten unterstützen können.
({3})
Für die Weiterentwicklung ist es selbstverständlich
notwendig, dass wir eine differenzierte Debatte führen.
Ich bin der Meinung, dass die Aufgabe, die Deutschland
mit etwa 300 Soldaten am Horn von Afrika erfüllt, eine
langfristige Aufgabe ist und diese Aufgabe auf lange
Sicht nicht nur über Art. 51 der UNO-Charta mandatiert
werden sollte. Im Klartext heißt das: Wir müssen der Regierung einen Spielraum lassen, damit sie in der internationalen Staatengemeinschaft darauf hinwirken kann,
dass es diesbezüglich dauerhaft zu einer Mandatierung
durch die Vereinten Nationen kommt, bei der die Anrainerstaaten einbezogen werden.
Wir Deutschen haben ein herausragendes Interesse an
der Seesicherheit am Horn von Afrika und sollten uns
auch auf der langen Zeitschiene dieser Verantwortung
stellen. Wenn man die vielen kritischen Fragen abwägt
- viele Kollegen machen es sich nicht leicht -, muss man
auf der anderen Seite der Waagschale auch die Argumente benennen, die sehr deutlich für eine Mandatierung
von OEF sprechen.
Aus meiner Sicht müssen wir erstens die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung, etwas zu verändern und
zu bewegen, sichern. Dabei ist es nicht damit getan, dass
die Deutschen immer wissen, wie es genau geht, dass sie
aber sagen, das Geschäft und die schwierigen Aufgaben
sollen die anderen erledigen. Dann würden der Verteidigungsminister und der Außenminister in der Staatengemeinschaft nicht ganz ernst genommen werden. Die Bereitschaft, etwas zu verändern, setzt deshalb voraus, dass
wir auch zukünftig Verantwortung übernehmen. Dies
spricht für eine Veränderung und für eine Zustimmung
zu diesem Mandat.
({4})
Das Zweite ist mir besonders wichtig. Jeder - abgesehen von den Linken - hat doch erkannt, dass kein Land
allein mit der enormen Herausforderung des Terrorismus
fertig werden kann. Das heißt, internationale Loyalität
und Solidarität sind keine Einbahnstraße. Auch wir
können morgen darauf angewiesen sein, dass uns andere
helfen. Das ist das eine.
Der andere Punkt ist aber, dass die Debatten, die wir
im Parlament und in unserer Gesellschaft führen, auch in
Kanada, in den Niederlanden, in Italien und bei den
Skandinaviern geführt werden. Wir haben keine aktiven
Soldaten in Afghanistan bei OEF und führen dennoch
diese Debatten. Würden wir OEF beenden, hätte dies angesichts der Bedeutung des deutschen Einsatzes bei
ISAF in Afghanistan mit 3 500 Soldaten insgesamt auch
Auswirkungen auf die Diskussionen in Kanada und in
den Niederlanden. Diese Länder sind jedoch real im Süden von Afghanistan vertreten und übernehmen dort
schwierige Aufgaben. Ich mag mir gar nicht ausdenken,
was es am Ende für das deutsche Engagement bedeuten
würde, wenn sich eines dieser Länder - die Niederlande,
Kanada oder ein anderes Land - aus seiner Verantwortung zurückzieht.
({5})
Dies hätte auch Auswirkungen auf uns. Deshalb glaube
ich, dass es auch aus dieser Sicht unabdingbar ist, dass
wir OEF verlängern.
Lassen Sie mich am Ende noch eines sagen. Wir reden immer davon, dass Afghanistan gelingen muss. Das
ist ein schönes Postulat, und es muss in der Tat gelingen.
Aber Afghanistan kann auch scheitern, und zwar dann,
wenn jedes Land glaubt, auf das andere warten zu müssen, bis es das liefert, was zur Sicherheit und zum Aufbau - beides ist in Afghanistan wichtig - tatsächlich erbracht werden muss. Für uns ist die heutige Debatte, in
der es darum geht, OEF um ein weiteres Jahr zu verlängern, bei weitem nicht das Ende der Diskussion. Wir gehen davon aus, dass wir uns in den nächsten zwölf Monaten sehr intensiv auch mit der Frage beschäftigen
müssen, was in Afghanistan zusätzlich geleistet werden
muss. Ich glaube, wir werden nur dann erfolgreich sein,
wenn jedes Land in der NATO und bei den Verbündeten
insgesamt entsprechend seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten handelt und ernsthaft prüft, was politisch verantwortbar ist. Diese Prüfung haben wir immer vorzunehmen, wenn wir Soldaten zum Einsatz schicken. Wir
sind dazu bereit. Damit will ich Folgendes zum Ausdruck bringen: Ein Einmauern - auch in der Frage, was
wir in Zukunft tun - ist nicht sehr hilfreich. Das müssen
alle in Afghanistan wissen: Die Zivilgesellschaft muss
wissen, dass wir sie nicht im Stich lassen. Aber auch die
Taliban müssen wissen, dass ihre Strategie, Unsicherheiten in den westlichen Gesellschaften zu nähren und zu
schüren, damit die Kraft nachlässt, um in Afghanistan
die Herausforderungen zu bewältigen, nicht aufgehen
wird und darf.
Herzlichen Dank.
({6})
Der nächste Redner ist Dr. Rainer Stinner für die
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion hat vor einem Jahr dem OEFMandat zugestimmt, aber wir haben das unter Vorbehalt
und mit Bauchschmerzen getan. Wir hatten erhebliche
Kritikpunkte, wir haben damals eine Akzentverschiebung vom Militärischen zum Zivilen angemahnt und
zweitens darauf gedrungen, dass die Abstimmung vor
Ort zwischen OEF und ISAF wesentlich besser erfolgt.
Drittens haben wir angemerkt, dass durch die Art des
Vorgehens unter OEF der Gesamterfolg der Operation in
Afghanistan eventuell gefährdet wird. Das waren beim
letzten Mal drei Kritikpunkt bzw. Forderungen von uns.
Wir haben in den letzten zwölf Monaten die Entwicklung in Afghanistan genau beobachtet. Wir müssen konstatieren, auch als Opposition, dass auf allen drei Feldern
in den letzten zwölf Monaten deutliche Fortschritte erreicht worden sind.
({0})
Das ist Faktum, Herr Trittin. Meine Kollegin Homburger
hat darauf in der letzten Woche schon hingewiesen; ich
will es noch einmal betonen.
Vor allem möchte ich hervorheben, dass es jetzt einen
Fortschritt insofern gibt, als wir in Afghanistan erstmals
gemeinsame, gleichlautende Rules of Engagement für
ISAF und OEF haben. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, auf den wir immer gedrungen haben. Das dürfen
wir hier zur Kenntnis nehmen.
Leider aber versäumt es die Bundesregierung, die
Fortschritte, die wir sowohl diesbezüglich als auch in
Afghanistan insgesamt machen, laut und deutlich breit
zu kommunizieren. Viele Kolleginnen und Kollegen
wissen das nicht, was ich eben gesagt habe, nämlich dass
es einen Gleichklang zwischen OEF und ISAF bezüglich
des Vorgehens gibt. Die Öffentlichkeit ist über das, was
wir in Afghanistan tun, insgesamt völlig uninformiert.
Ich fordere die Bundesregierung auf, nach außen hin
eine wesentlich offensivere Informationspolitik zu betreiben.
({1})
Aber auch im internen Bereich gibt es Informationsdefizite. Wir haben das angesprochen, meine Damen und
Herren von der Bundesregierung. Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, in dem eine verbesserte
Struktur der Information und der Steuerung der sensiblen Einsätze gefordert wird. Leider hat die Mehrheit
uns nicht zugestimmt. Ich fordere Sie auf: Überdenken
Sie das noch einmal!
({2})
Herr Arnold, wir haben gestern im Ausschuss auch
über dieses Thema gesprochen. Wir waren uns einig,
dass die Information über das, was in OEF läuft, insgesamt völlig unzureichend ist, und zwar auch für uns
Fachpolitiker. Hier müssen wir nachlegen.
Wir stimmen heute mit großer Mehrheit zu, aber auch
heute haben wir natürlich unsere Anforderungen. Wir
stimmen zu, weil wir der Bevölkerung deutlich sagen
wollen: Wir tun etwas für Afghanistan, aber wir schützen uns damit selbst. Was wir dort an internationalem
Engagement leisten, tun wir für uns.
({3})
Unsere Forderungen sind verschiedenartig. Herr
Hoyer hat auf die veränderte Mandatsstruktur hingewiesen und dazu das Notwendige gesagt; das möchte ich
jetzt nicht wiederholen. Wir selbst müssen unsere Hausarbeiten machen; das gilt auch für die Bundesregierung
und die Bundeswehr.
Wir mandatieren heute wieder 100 KSK-Soldaten für
Afghanistan. Sie werden im Augenblick nicht eingesetzt.
Das wissen wir; das ist auch öffentliches Wissen. Wir
müssen uns mit dem Thema KSK aber intensiver beschäftigen. Das Image des KSK als Einheit von Rambosoldaten ist ein völlig falsches.
({4})
Das KSK ist eine Spezialtruppe, die es geradezu erlaubt,
größere militärische Operationen zu vermeiden. Das
KSK ist eine Spezialeinheit, die es ermöglicht, Kollateralschäden zu vermeiden. Das muss endlich in die Öffentlichkeit hineingetragen werden. Das muss deutlicher
werden.
({5})
Wir alle wissen, dass es bei KSK im Augenblick
durchaus Probleme gibt, was Rekrutierung angeht. Ich
kann hier nicht zu sehr ins Detail gehen; nur so viel: Im
Augenblick ist ein Attraktivitätsprogramm KSK in der
Behandlung. Es ist dringend notwendig, dass es endlich
umgesetzt wird. Herr Minister Jung, ich fordere Sie auf:
Setzen Sie sich in der Bundesregierung durch! Fordern
Sie dieses Programm zur Verbesserung der Bedingungen
für unsere Soldaten ein! Setzen Sie sich vor allen Dingen
gegen Ihren Kollegen, den Antiterrorminister Schäuble,
durch! Das Innenministerium blockiert hierbei gegenwärtig. Da muss dringend etwas getan werden.
({6})
Wir brauchen die Verbesserung bei der Personalstruktur. Wir müssen neue, junge Personen für KSK anwerben. Wir müssen vor allen Dingen verhindern - ich sage
das sehr deutlich und mit Bedacht -, dass erfahrene
Kräfte KSK verlassen. Das ist eine sehr wichtige Baustelle für uns, an der wir arbeiten müssen.
Bei KSK geht es nicht nur um Personal; es geht auch
um parlamentarische Kontrolle usw.
Wenn wir als Bundestag mandatieren, müssen wir
auch die Bedingungen dafür schaffen, dass unsere Soldaten den Auftrag erfüllen können. Zu KSK konnte ich
hier kurz Stellung nehmen. Wir alle wissen aber auch,
dass die Marine mit ihren Einsätzen im Rahmen von
UNIFIL und am Horn von Afrika an der Grenze ihrer
Leistungsfähigkeit angekommen ist, sie zum Teil sogar
überschritten hat. Wir müssen konsequent sein. Wenn
wir unsere Bundeswehr mandatieren, müssen wir bereit
sein, die entsprechenden Ausrüstungen und finanziellen
Mittel zur Verfügung zu stellen. Es gibt eine ganze Reihe
von Fähigkeiten, die überall angefordert werden - Sanitätsdienst, Lufttransport, Feldjäger -, und dort haben wir
Engpässe. Die müssen beseitigt werden.
Wir alle wissen: Mit Militär alleine werden wir die
Probleme nicht lösen. Wir alle wissen aber auch - wir
müssen dies am heutigen Tage im November 2007 zur
Kenntnis nehmen -, dass ohne ein militärisches Vorgehen gegen Terroristen, die es nun einmal gibt, der Kampf
gegen den Terrorismus nicht zu gewinnen ist. Deshalb
stimmen wir heute in dem Wissen zu, dass die Balance
zwischen dem Zivilen und dem Militär zugunsten des
Zivilen verändert werden muss. Wir brauchen aber die
militärische Komponente. Deshalb stimmen wir heute
zu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({7})
Das Wort erhält nun der Kollege Eckart von Klaeden
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das
ISAF-Mandat und das OEF-Mandat unterscheiden sich
voneinander in drei wesentlichen Punkten: in der
Rechtsgrundlage, im Auftrag und im Einsatzgebiet.
ISAF ist ein Mandat für Afghanistan zur Unterstützung
der afghanischen Regierung. OEF bekämpft den Terror
in einem Gebiet, das sich vom nördlichen Afrika über
das Mittelmeer und die arabische Halbinsel bis hin nach
Zentralasien erstreckt.
Die Rechtsgrundlage ist hier schon des Öfteren angesprochen worden. Deshalb erlaube ich mir, nicht meine
Rechtsansicht, sondern die der Vereinten Nationen hier
vorzutragen. Die Vereinten Nationen haben in verschiedenen Resolutionen immer wieder darauf hingewiesen,
dass Art. 51 der VN-Charta ein Recht auf individuelle
und kollektive Selbstverteidigung verbürgt. Dieses
Recht ist also in der VN-Charta selbst festgehalten und
steht deshalb auch nicht zur Disposition des Sicherheitsrates. Aus diesem Grunde hat der Sicherheitsrat das
Recht auf Selbstverteidigung auch nicht gewährt. Aber
er hat es in zahlreichen Resolutionen - zuletzt im September dieses Jahres - in diesem Zusammenhang anerkannt und bekräftigt.
({0})
Die weitere Voraussetzung für das Recht auf Selbstverteidigung ist ein bewaffneter Angriff. Es ist unstrittig,
dass solche Angriffe, wie wir sie am 11. September 2001
in New York und Washington erlebt haben, auch von
nichtstaatlichen, terroristischen Organisationen wie alQaida ausgehen können.
Die Zweifel am Vorliegen der weiteren Voraussetzungen von Art. 51 der VN-Charta gründen sich zum einen
auf die Frage, ob die Angriffshandlungen fortdauern,
und zum anderen auf die Frage, ob der Sicherheitsrat die
erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, die dazu führen, dass diese Angriffe nicht mehr stattfinden können.
({1})
- Gerne, Herr Kollege Gehrcke. Deswegen spreche ich
es ja an. - Ich werde gleich auf die Terroranschläge, die
sich nach dem 11. September 2001 ereignet haben, eingehen.
Der Sicherheitsrat hat zuletzt in seiner Resolution
1776 vom September dieses Jahres bekräftigt, dass er
seine eigenen Maßnahmen nicht für geeignet hält, die
terroristischen Angriffe unter anderem auf die Vereinigten Staaten erfolgreich einzudämmen. Denn sonst hätte
er in dieser Resolution nicht das Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 VN-Charta bestätigt.
Schauen wir uns doch einmal die verübten Terroranschläge an. 11. September 2001: fast 3 000 Tote;
April 2002: Bombenanschlag auf eine Synagoge in
Djerba, Tunesien, 23 Tote, darunter 18 Deutsche; Oktober 2002: Bombenanschlag auf eine Diskothek auf Bali,
202 Tote, darunter 6 Deutsche; Mai 2003: Selbstmordattentat in Casablanca, Maroo, 33 Menschenleben; Juni
2003: Selbstmordanschlag in Kabul, 4 deutsche Soldaten
kamen ums Leben; November 2003: 60 Tote bei Bombenanschlägen in Istanbul; März 2004: 192 Tote bei Anschlägen auf Vorortzüge in Madrid; Mai 2004: Überfall
von Terroristen in Janbu, Saudi-Arabien, 6 Mitarbeiter
westlicher Ölfirmen werden getötet; 50 Ausländer werden
in der Ölstadt Chobar als Geiseln genommen, 22 von ihnen sterben bei der Befreiungsaktion.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?
Ich möchte zunächst einmal diesen Punkt zu Ende
vortragen und dann die Zwischenfrage zulassen.
Im August 2004 brechen zwei russische Passagiermaschinen in der Luft auseinander, 89 Tote. In demselben
Monat gab es einen Bombenanschlag auf die australische Botschaft in Jakarta, 9 Tote. Einen Monat später kamen 34 Menschen bei Bombenanschlägen auf drei Hotels am Roten Meer ums Leben. Es gab Terroranschläge
in London im Juli 2005 und im Mai dieses Jahres einen
Selbstmordanschlag in Ankara mit 8 Toten und 121 Verletzen. Und in diesem Jahr fand erneut ein Terroranschlag in Großbritannien statt.
Seit dem 11. September 2001 sind bereits mehr Deutsche durch Terroranschläge, die von al-Qaida oder vom
internationalen Netzwerk von al-Qaida vorbereitet worEckart von Klaeden
den sind, ums Leben gekommen als durch die Terroranschläge der RAF in den 70er-Jahren.
({0})
Herr Kollege Trittin.
Herr Kollege von Klaeden, ich bin beeindruckt von
Ihrer Liste. Die Liste führt aber doch eigentlich zu einer
Frage - das ist die Frage, die wir dann auch bezogen auf
Afghanistan beantworten müssen -: Wenn Sie auflisten,
dass in der Türkei, in Spanien, in Großbritannien, in Indonesien Terroranschläge stattgefunden haben, schließen
Sie daraus, dass zum Beispiel die Vereinigten Staaten
das Recht hätten, in diesen Ländern, weil es dort diese
Anschläge des internationalen Terrorismus gibt, zu intervenieren? Wenn Sie das nicht bejahen, können Sie uns
erklären, warum diese allgemeine Liste der Feststellungen über die Untaten des internationalen Terrorismus
dazu herhalten muss, dieses Recht in Afghanistan aber
anhaltend zuzugestehen?
Herr Kollege Trittin, um es einmal ganz klar zu sagen: Sie verwechseln Täter und Opfer. Die Länder, die
ich gerade aufgeführt habe, die Toten, die es dort gegeben hat, sind Opfer terroristischer Anschläge geworden.
Diese terroristischen Anschläge sind aber nicht in diesen
Ländern vorbereitet worden. Ein Grund für die Operation Enduring Freedom ist es, dem internationalen Terrorismus die Nachschubwege abzuschneiden, die es unter
anderem am Horn von Afrika gibt.
({0})
Den Zusammenhang herzustellen, den Sie gerade hergestellt haben, ist geradezu perfide.
({1})
Der Grund für meine Aufführung der Anschläge ist lediglich, darauf hinzuweisen - das ist die Rechtsansicht
der Vereinten Nationen, bestätigt in den letzten Resolutionen -, dass die Terrorgefahr nach wie vor besteht. Der
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist selber der Ansicht, dass die Maßnahmen, die er bisher getroffen hat,
noch nicht ausreichen, um das Terrornetzwerk von alQaida zu zerschlagen. Sie wollen doch nicht im Ernst
behaupten, die Terrorgefahr in Afghanistan sei so weit
zurückgegangen, dass man auf die Terrorbekämpfung in
Afghanistan heute verzichten könnte und dass die afghanische Regierung schon heute in der Lage wäre, Terrorismus und Aufständische tatsächlich so zu bekämpfen,
dass wir auf ISAF oder auf OEF verzichten könnten.
({2})
Es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, diesmal des Kollegen Gehrcke. Ich will darauf
aufmerksam machen, dass ich nur eine begrenzte Neigung habe, Zwischenfragen von Kollegen zuzulassen,
die vorher oder nachher ohnehin als Redner in der Debatte gemeldet sind.
({0})
Das ist also die letzte Ausnahme von dieser gerade
genannten Regel. Bitte schön.
Herr Präsident, herzlichen Dank wegen Ihrer Großmut. Auch Dank an Herrn Kollegen von Klaeden.
Es ist ein wichtiger und spannender Punkt, den er angesprochen hat. Es ist einfach notwendig, hier einmal
nachzufragen, um Ihre Gedankenführung überhaupt verstehen zu können. Wenn ich es bei der ganzen Liste des
Terrors, die Sie aufgezählt haben, und den Opfern, die in
der Tat zu beklagen sind - ich denke übrigens, in eine
solche Liste gehört Afghanistan unmittelbar immer mit
hinein -, richtig verstanden habe, haben Sie gesagt:
Durch den Einsatz der Operation Enduring Freedom am
Horn von Afrika werde die Ausübung des Terrors international bekämpft. Können Sie mir sagen, was am Horn
von Afrika an terroristischen Strukturen zerschlagen,
was an bewaffneten Schiffen aufgebracht worden ist,
was an Terroristen festgenommen worden ist? Nichts,
weil es das nicht gibt. Aber ich bin gespannt auf Ihre Gedankenführung, darauf, dass Sie mir das beantworten,
damit ich das verstehen kann.
Erst einmal, Herr Kollege Gehrcke, habe ich mich
nicht Ihrer widersprüchlichen Argumentation bedient.
Deshalb bin ich auch nicht bereit, auf ein falsches Zitat
zu reagieren und mir unterstellen zu lassen, ich hätte den
Zusammenhang zu OEF hergestellt, den Sie gerade behauptet haben.
Ich habe gesagt, dass die Vereinten Nationen selber
festgestellt haben, dass die Terrorgefahr, die sich vor allem in den Anschlägen vom 11. September manifestiert
hat, nach wie vor besteht, und dass die Maßnahmen, die
der Sicherheitsrat getroffen hat, noch nicht ausreichen,
um den Terrorismus so effektiv zu bekämpfen, dass man
annehmen kann, dass von al-Qaida keine Gefahr mehr
ausgeht.
Um Ihre Frage zu beantworten - Sie haben nach dem
Horn von Afrika gefragt -: Zum Beispiel ist Somalia
ein Rückzugsraum für den internationalen Terrorismus
gewesen. Es ist im vergangenen Jahr glücklicherweise
gelungen, die Union der Islamischen Gerichtshöfe aus
diesem Land, jedenfalls aus den großen Städten dieses
Landes, zu vertreiben.
Ich will darauf hinweisen, dass gegenüber, auf der
Nordseite des Golfs von Aden, Jemen liegt, dessen östlicher
Teil nur eingeschränkt unter Regierungskontrolle steht
und deshalb ebenfalls als Rückzugsgebiet für Terroristen
gilt. An der östlichen Küste des Jemens haben Terroristen
im Oktober 2002 den französischen Tanker „Limbourg“
angegriffen. Vor dem 11. September gab es im Jemen einen
Angriff auf den US-Zerstörer „USS Cole“. Dass es nicht
zu weiteren solcher Anschläge gekommen ist, ist ein wesentlicher Erfolg des Einsatzes unserer Marine am Horn
von Afrika. Die Seewege dort zu sichern, damit internationaler Terrorismus keine weiteren Anschläge dieser Art
durchführen kann, ist der Zweck dieses Einsatzes.
({0})
Die Rechtslage ist nach Auffassung der Vereinten Nationen und übrigens auch der afghanischen Regierung - die
von mir gerade vorgetragene Rechtsauffassung hat die
afghanische Regierung durch die Unterzeichnung des
Afghanistan Compact ausdrücklich bestätigt - eindeutig,
und kein ernst zu nehmender Vertreter dieses Hauses
kann behaupten, dass die Gefahr des internationalen Terrorismus trotz aller Fortschritte, die wir in Afghanistan
beobachten können, tatsächlich eingedämmt ist. Daher
muss ich sagen: Herr Außenminister, ich habe es für falsch
gehalten, dass Sie diese Rechtsgrundlage problematisiert
haben.
Vor diesem Hintergrund halte ich auch den Beschluss
des SPD-Bundesparteitages für falsch. Denn wir haben
eine eindeutige völkerrechtliche Grundlage. Wenn diese
völkerrechtliche Grundlage problematisiert wird, dann
stellt sich die Frage, warum dies geschieht.
({1})
Ich kann mir vorstellen: Ein Grund ist gewesen, mit
entsprechenden Beschlüssen über den Bundesparteitag
hinwegzukommen. Ein solches Infragestellen unseres
internationalen Engagements in Afghanistan droht in
der Form missverstanden zu werden - diese Gefahr
droht -, dass wir uns aus Afghanistan zurückziehen wollen, bevor die Aufgabe dort erledigt ist. Das erschwert
die ohnehin schon bemerkenswerte und schwierige Aufgabe, die unsere Soldatinnen und Soldaten und unsere
zivilen Helfer dort zu erledigen haben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({2})
Der Kollege Paul Schäfer hat das Wort für die Fraktion Die LINKE.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage
„Zivilisierung oder Entzivilisierung der internationalen
Beziehungen“ wird nicht zuletzt dadurch beantwortet,
ob das Völkerrecht strikt umgesetzt wird oder nicht.
Enduring Freedom ist eine militärische Koalition der
Willigen ohne UN-Mandat,
({0})
und deshalb trägt sie nicht zur Zivilisierung bei. Im Gegenteil: Militärische Macht wird an die Stelle des Rechts
gesetzt, und daher lehnen wir entschieden ab, dass sich
Deutschland daran weiter beteiligt.
({1})
Lieber Kollege von Klaeden, es gibt eben kein endloses,
territorial und zeitlich entgrenztes Verteidigungsrecht.
Das Selbstverteidigungsrecht endet in der Tat, wenn
die UNO aktiv wird. Das ist der Kern jeder Vorstellung
von kollektiver Sicherheit: Die UNO ist zuständig für die
Wahrung des Weltfriedens; wenn sie aktiv wird, endet das
Selbstverteidigungsrecht. Genau das ist der Punkt.
Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen: Kampf gegen Terrorismus ist Kampf gegen Schwerstkriminalität
und kein Krieg. Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen.
({2})
Wenn Sie, Herr von Klaeden, diese beeindruckende und
erschreckende Liste mit Gewaltakten vorlegen, dann
sollten Sie einmal einen Moment innehalten und überlegen,
inwieweit diese Zunahme an Gewalttaten auch etwas mit
dem Krieg im Irak und in Afghanistan zu tun hat.
({3})
Vielleicht gehört zur Bilanz des War on Terrorism,
dass andere westliche Staaten oder wir in Afghanistan
zum Beispiel einen Geheimdienst mit aufbauen, der, wie
wir jetzt wissen, Gefangene foltert.
({4})
Auch das trägt doch offensichtlich dazu bei, dass Terroristen einen Resonanzboden haben.
Ich finde, wir müssen uns zentral mit Afghanistan
beschäftigen, aber auch mit dem Einsatz am Horn von
Afrika, an dem die Bundesmarine beteiligt ist. Mit der
Bekämpfung von Terroristen hat das so gut wie nichts zu
tun. Es geht, wie der Minister selber sagt, um die Herstellung der Seesicherheit. Auch da stellt sich die Frage:
Wer hat denn diese Militärkoalition damit beauftragt,
wer hat sie mandatiert? Das ist doch die entscheidende
Frage. Ich kann verstehen, dass der Bundesaußenminister
jetzt Skrupel hat und sagt, dass man das gefälligst unter
UN-Mandat stellen soll. Aber Skrupel allein genügen
nicht. Es geht um konsequentes Verhalten. Das heißt für
uns, die deutsche Beteiligung an OEF zu beenden.
({5})
Sie sagen selber, dass es eigentlich nur um den Abschreckungseffekt geht. Konkrete Ergebnisse gibt es
nicht beim Einsatz am Horn von Afrika. Sie haben dort
keinen Terroristen gefangen genommen. Sie überprüfen
aber viele Schiffe. In diesem Zusammenhang wird gern
verschwiegen, aber man muss es sagen: Es ging bei OEF
in den Jahren 2002 und 2003 darum, den Aufmarsch der
US-Militärkoalition im Irak zu decken. Vergessen wir
das nicht. Auch die deutsche Marine hat US-Kriegsschiffe eskortiert, die für einen völkerrechtswidrigen
Paul Schäfer ({6})
Angriffskrieg in Marsch gesetzt wurden. Im Jahr 2004
hat man das Einsatzgebiet von OEF mir nichts, dir nichts
nach Osten hin ausgeweitet, offensichtlich um die USA
im Irak zu entlasten, die dort zunehmend unter Druck
geraten sind. Auch das gehört zur Wahrheit von OEF.
({7})
Das ist nicht nur Vergangenheit. Wenn die Bush-Regierung sich entschließen sollte, gegen den Iran militärisch
vorzugehen, dann wären auch deutsche OEF-Einheiten
zumindest mittelbar in Form von Unterstützungsleistungen
dabei. Darauf wette ich. Das allein ist für uns ein ausreichender Grund, zu fordern, dass die Fregatte „Augsburg“
und die anderen Schiffe unverzüglich zurückgezogen
werden.
({8})
Sie selbst müssen doch in Ihrer Bilanz von OEF Folgendes zugeben: In Somalia hat die tägliche Gewalt zugenommen. In Äthiopien und Eritrea bleiben die Spannungen
erhalten. Die Eindämmung der Piraterie - auch das war
eine Zeit lang auf Ihrem Ticket; Sie haben gesagt: Dazu
tragen wir bei - war nicht erfolgreich. Die Zahlen steigen wieder. Also findet auch das nicht statt.
Sie haben also Terroristen nicht gefangen genommen,
keine Stabilisierung in der Region erreicht, aber Truppen
für Kriege von NATO-Mitgliedstaaten instrumentiert.
Man exerziert schon ein bisschen, was die NATO eventuell zukünftig machen will, nämlich Handelswege und
Ressourcennachschub für die entwickelten Industriestaaten
militärisch abzusichern. Genau das wollen wir nicht.
Deshalb ist es höchste Zeit, aus OEF auszusteigen.
Danke.
({9})
Der Kollege Niels Annen ist der nächste Redner für
die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde,
Herr Kollege Schäfer, dass die Debatte den Anforderungen
einer Debatte über eine Parlamentsarmee, so wie wir sie
in Deutschland haben, bisher gerecht geworden ist. Eine
Ausnahme ist bedauerlicherweise Ihr Beitrag. Ich finde,
dass Sie die Menschen mit Spekulationen und Wetten
über Kriege, die noch gar nicht geführt werden, und Beteiligungen, die an den Haaren herbeigezogen werden,
nicht verängstigen sollten. Wir haben es hier mit einer
ernsten Frage zu tun, über die wir auch ernsthaft diskutieren sollten.
({0})
Denn es kann doch gar kein Zweifel daran bestehen,
dass nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der
Bevölkerung viele kritische Fragen gestellt werden. Sie
haben einige davon aufgeworfen. Tun Sie doch nicht so,
als ob über diese Fragen im Deutschen Bundestag nicht
ernsthaft diskutiert würde!
({1})
Ich finde es ein wenig merkwürdig, wenn Sie sich hier
hinstellen und Ihre Argumentation einzig und allein auf
einen formalen Gesichtspunkt stützen und fokussieren,
den Sie nicht in der Lage sind zu belegen. Der politischen Frage, die hier im Mittelpunkt steht, müssen Sie
sich stellen. Man kann doch gar nicht leugnen, dass sich
in den letzten Monaten und Jahren die Praxis von OEF
dramatisch zum Positiven hin verändert hat, auch auf
Grundlage der Initiative von Abgeordneten aus diesem
Hause und der deutschen Bundesregierung. Ich finde,
Sie sollten das zur Kenntnis nehmen.
({2})
Wenn wir politisch darüber diskutieren, dann müssen
wir die Frage stellen, ob die Maßnahmen gegen den
internationalen Terrorismus wirksam sind. Ich finde, es
ist nicht ehrlich, sich hier hinzustellen und so zu tun, als
ob die Bundesrepublik Deutschland und ihre Regierung
die Absicht gehabt hätten, weltweit irgendwo Kriege zu
führen. Der Grund dafür, dass sich Deutschland an den
internationalen Missionen ISAF und OEF beteiligt, sind
die Anschläge vom 11. September; das ist die Wahrheit.
Die Wahrheit ist auch, dass wir mit den Ergebnissen der
Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht
zufrieden sein können. Die Wahrheit ist auch, dass es
Fehlentwicklungen gegeben hat. Und die Wahrheit ist,
dass wir diese Fehlentwicklungen benennen müssen.
Das ist unsere Politik.
Auch ich bekomme Anrufe, Briefe und E-Mails; ich
höre kritische Redebeiträge und die Fragen von besorgten
Bürgerinnen und Bürgern: Was macht ihr eigentlich in
Afghanistan und weltweit? Man muss sich Zeit nehmen,
diese Sorgen ernst nehmen und die Fragen beantworten.
({3})
Eine Antwort ist, dass wir einen Strategiewechsel eingeleitet haben; der Außenminister hat sich dafür eingesetzt.
Wir stellen uns eben nicht hier hin und sagen, da würden
irgendwelche Rechtsgrundlagen infrage gestellt; das hat
keiner hier getan.
Der SPD-Bundesparteitag hat gesagt - ich bin froh
darüber, dass das die Politik der Bundesregierung
geworden ist -: Wir bemühen uns darum, eine andere
Grundlage zu schaffen. Das ist die Wahrheit; darum geht es.
({4})
Wir bemühen uns darum, die Teile der OEF, die weiterhin notwendig sind, in das unumstrittene ISAF-Mandat
zu integrieren.
({5})
Ein Punkt ist entscheidend: Sie müssen zur Kenntnis
nehmen, dass wir uns in Afghanistan nicht - Sie versuchen
immer ein wenig, es so darzustellen - in einem Protektorat
bewegen. Mit dem Einsatz der Bundesregierung und der
deutschen Soldaten haben wir dazu beigetragen, dass es
eine souveräne afghanische Regierung gibt. Diese souveräne Regierung hat dem Einsatz zugestimmt. Wir
müssen darauf achten, dass wir mit unseren Maßnahmen
die Legitimität der Regierung Karzai stärken. Das eröffnet
nämlich die einzige Möglichkeit, aus dem Teufelskreis
auszubrechen. Dabei bitte ich auch Sie, meine Damen
und Herren, um Ihre Unterstützung.
Es geht darum, dass der eigentliche Schwerpunkt unserer Bemühungen auf dem zivilen Aufbau liegen muss, und
zwar in Afghanistan und darüber hinaus. Das Mandat,
über das wir heute zu entscheiden haben, bezieht sich
nämlich - das ist gesagt worden - nicht nur auf Afghanistan.
Ich möchte einer persönlichen Sorge Ausdruck verleihen. In den letzten Jahren gab es eine Entwicklung im
Rahmen dessen, was die amerikanische Administration
als Krieg gegen den Terrorismus bezeichnet, die dazu
führte, dass es Zweifel an der Art und Weise gibt, wie
dort Krieg geführt wird. Sie alle kennen die Beispiele:
Guantánamo, Abu Ghureib. Wir dürfen keinen Zweifel
daran lassen, dass wir diejenigen, die unsere demokratische Grundordnung bekämpfen wollen, mit rechtsstaatlichen Mitteln zurückweisen. Ich glaube nicht,
dass man einen Krieg gegen den Terrorismus gewinnen
kann. Deswegen führen wir keinen Krieg gegen den
Terrorismus,
({6})
sondern unterstützen diejenigen, die sich in Afghanistan
und weltweit für demokratische Rechte und für eine internationale rechtsstaatliche Ordnung einsetzen.
({7})
Darum geht es; das muss die Botschaft des Deutschen
Bundestages sein.
Ich möchte Ihnen ganz offen sagen: Ich bedauere es
sehr, dass die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSUFraktion nicht bereit waren, den von uns eingebrachten
Antrag zu unterstützen;
({8})
denn ich glaube - bitte erlauben Sie mir dieses offene
Wort -, dass auch Sie sich den Fragen stellen sollten, die
ebenfalls an Sie gerichtet werden. Wir haben an der
Stelle etwas vorzuweisen. Der Charakter unseres
Engagements hat sich in den letzten Jahren verändert;
das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen. Wenn wir
heute über ISAF und OEF reden, dann stellen wir das Ziel
einer selbsttragenden Sicherheit in den Mittelpunkt;
der Bundesverteidigungsminister hat diesbezüglich
wichtige Initiativen ergriffen. Es hätte Ihnen gutgetan,
dieses Ziel in einen gemeinsamen Antrag einfließen zu
lassen. Das hätte für jene Klarheit gesorgt, welche dieses
Parlament und die Bundesrepublik benötigen, wenn sie
sich auf internationaler Ebene für dieses Ziel einsetzen
wollen.
Eines möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Sie,
meine Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion,
reden immer von internationaler Solidarität und betonen den internationalistischen Aspekt.
({9})
- Natürlich. - Was Sie dabei vergessen, ist, dass sich
Deutschland nicht alleine am Wiederaufbau in Afghanistan und an der Operation Enduring Freedom beteiligt
hat.
({10})
Wenn wir nicht in der Lage und nicht willens sind, uns
mit unseren Bündnispartnern an einen Tisch zu setzen
- in Italien, Japan und Kanada werden übrigens ähnliche, zum Teil sogar die gleichen Diskussionen wie bei
uns geführt -, dann senden wir ein falsches Signal, Herr
Gehrcke.
({11})
Deswegen sage ich Ihnen: Der Weg, den wir auf dem
SPD-Bundesparteitag aufgezeigt haben, verlangt vielleicht ein wenig Geduld, auch von Ihnen, und ein wenig
Zeit. Er bedeutet aber verantwortliches Handeln. Wenn
wir diesen Weg gehen, können wir die Verantwortung,
die wir und unser Land an dieser Stelle übernommen haben, wahrnehmen.
Nutzen wir die Möglichkeit, die uns die heutige Verlängerung des OEF-Mandats bietet, um diese politischen
Schwerpunkte zu setzen, auch im Gespräch mit unseren
Bündnispartnern! Benennen wir offen die Probleme!
Werden wir den Anforderungen, die die Menschen in
Deutschland zu Recht an uns, den Deutschen Bundestag,
und an eine Parlamentsarmee stellen, gerecht! Verlängern wir dieses Mandat, befassen wir uns aber auch mit
den schwierigen und strittigen Fragen, wie es der Außenminister in seiner Rede deutlich gemacht hat!
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({12})
Das Wort erhält der Kollege Gert Winkelmeier.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Debatte zur Einbringung des Antrags auf Verlängerung des OEF-Mandats am vergangenen Donnerstag hat
an einer Stelle ganz deutlich gemacht, wie wenig sich
die Koalitionsfraktionen, insbesondere die CDU/CSU,
um internationales Recht und Gesetz kümmern. Für
seine Kurzintervention in dieser Debatte bin ich dem
Kollegen Wolfgang Gehrcke ausgesprochen dankbar.
Der Kollege zu Guttenberg hat in seiner Replik nämlich
nicht nur die im Hinblick auf den Kriegseinsatz in
Afghanistan untauglichen Resolutionen 1368 und 1373
des UN-Sicherheitsrats als Rechtsgrundlagen von seinem Spickzettel abgelesen. Nein, er hat auch noch die
Resolutionen 1386 und 1444 genannt, die rein gar nichts
mit OEF zu tun haben, sondern die Grundlage für den
ISAF-Einsatz bilden. Ich sage das vor einem sehr ernsten Hintergrund; denn auch die Bundesregierung hat in
ihrem Antrag die Resolutionen 1368 und 1373 zur Begründung des OEF-Mandats in Afghanistan herangezogen.
Es gibt eine exakt formulierte Grenze für exekutives
Handeln. Diese Grenze heißt: Es gibt kein exekutives
Handeln außerhalb des Rechts. So steht es im Kernartikel des Grundgesetzes, in Art. 20 Abs. 3. Dieser Artikel
gilt auch für unser parlamentarisches Handeln. Deswegen müssen wir uns sehr sorgfältig damit auseinandersetzen, ob der OEF-Einsatz rechtmäßig ist.
In den beiden genannten Resolutionen steht nichts,
aber auch gar nichts von Krieg als Mittel zur Beseitigung
des Terrorismus in Afghanistan. Wenn man beide Resolutionen sehr aufmerksam liest - offenkundig hat das
aber kaum jemand von der Regierungskoalition getan -,
stellt man fest: In keiner der beiden Resolutionen hat der
Sicherheitsrat die NATO oder die USA zur Durchführung militärischer Aktionen bzw. zur Anwendung von
Gewalt ermächtigt. In Resolution 1368 fordert der Sicherheitsrat - ich zitiere alle Staaten dingend zur Zusammenarbeit auf, um
die Täter, Organisatoren und Förderer dieser Terroranschläge vor Gericht zu stellen, und betont, dass
diejenigen, die den Tätern, Organisatoren und Förderern dieser Handlungen geholfen, sie unterstützt
oder ihnen Unterschlupf gewährt haben, zur Verantwortung gezogen werden …
Kein Wort von militärischer Gewalt! Allein der Sicherheitsrat wäre berechtigt, sie anzuordnen.
Falls Sie mir darauf entgegnen wollen, dass die USA
Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen, also das
Recht auf Selbstverteidigung, in Anspruch genommen
haben, woraufhin die NATO den Bündnisfall ausgerufen
hat, will ich Art. 51 der UN-Charta zitieren:
Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten
Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur
individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung,
bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die
ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf
dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und
der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.
({0})
Ich wiederhole den letzten Halbsatz:
… jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er
- also der Sicherheitsrat zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.
Im Übrigen ist es in der Diskussion unter Völkerrechtlern völlig strittig, ob ein Terroranschlag eines
nichtstaatlichen Akteurs das Recht auf Selbstverteidigung begründen darf.
Mit seiner Resolution 1373 ist der Sicherheitsrat am
28. September 2001, 17 Tage nach den Anschlägen vom
11. September, seiner Verpflichtung nach Art. 51 der
UN-Charta nachgekommen. Auch mit dieser Resolution
ermächtigt der Sicherheitsrat nicht zur Anwendung militärischer Gewalt. Vielmehr ruft er die Staatengemeinschaft auf, bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auf folgenden Gebieten zusammenzuarbeiten:
auf politischen, gesetzgeberischen, polizeilichen, wirtschaftlichen und rechtlichen, um den Terrorismus auszutrocknen.
Spätestens aber als der Sicherheitsrat am 20. Dezember 2001 mit seiner Resolution 1386 im Einvernehmen
mit der provisorischen Regierung Afghanistans die von
der NATO geführte ISAF-Mission nach Kapitel VII der
Charta zur Anwendung militärischer Gewalt ermächtigte, war jede Legitimationsgrundlage für die Operation
Enduring Freedom entfallen
({1})
und auch das Recht auf Selbstverteidigung erschöpft.
({2})
Nun ist ja in der Frage „OEF in Afghanistan“ Bewegung in den Bundestag gekommen: bei den Grünen - wir
haben es heute gehört - und auch in der SPD; so interpretiere ich jedenfalls den Gastbeitrag der Kollegen
Dr. Bartels und Frau Mogg in der Zeitung Die Welt, in
dem es heißt: nachdenken über OEF. Dazu kann ich nur
sagen: Machen Sie keine halben Sachen! Werfen Sie den
OEF-Einsatz in Afghanistan dorthin, wo er hingehört,
nämlich auf den Müllhaufen der Geschichte!
({3})
OEF verschlechtert die Sicherheitslage für die Menschen
in Afghanistan. Deshalb kann die Entscheidung heute
nur lauten: keine Zustimmung für den OEF-Einsatz!
Vielen Dank.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch einen
Redner. Danach wird abgestimmt. Deswegen empfehle
ich doch sehr, bis dahin noch Platz zu nehmen. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch einzelne
Plätze.
Herr Kollege Ströbele, könnten vielleicht auch Sie als
leuchtendes Beispiel für andere Kolleginnen und Kollegen einen der zahlreichen Plätze einnehmen?
Präsident Dr. Norbert Lammert
Das Wort erhält nun als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Karl Lamers für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! ISAF gut, OEF schlecht - so hört man es,
so liest man es. Ich meine, so kann man es nicht stehen
lassen. Den Eindruck zu erwecken, die einen bauen das
Land auf und die anderen werfen Bomben, das, liebe
Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht hinnehmen.
({0})
Um gleich der Linken, insbesondere Ihnen, Herr
Gehrcke, eine passende Antwort zu geben: Nicht wir
führen Krieg am Hindukusch, sondern allein die Taliban,
und zwar gegen ihr eigenes Volk.
({1})
Wir kämpfen gegen den Terror, und das ist notwendig.
Das ist auch die Antwort auf die Frage, warum wir bei
OEF mitmachen: Wir müssen den international agierenden Terrorismus an seinen Wurzeln bekämpfen. Wenn
wir eines aus dem 11. September 2001 und aus den vielen nachfolgenden Anschlägen gelernt haben, dann ist es
genau das: Kein Staat, keine westliche Demokratie kann
sagen, dass sie vor dem Terrorismus sicher ist, auch
Deutschland nicht. Als Teil der Weltgemeinschaft und
als NATO-Partner sind wir in unserem ureigenen Interesse verpflichtet, einen wirksamen Beitrag zu dem Ziel
zu leisten, den Terror entscheidend zu treffen und handlungsunfähig zu machen.
({2})
Genau diesem Ziel dienen die Einsätze im Rahmen der
Operation Enduring Freedom: in Afghanistan, am Horn
von Afrika sowie im Rahmen der Operation Actice
Endeavour im Mittelmeer.
Wesentlich ist: Wir dürfen nicht warten, bis terroristische Gewalttäter bei uns zuschlagen. Wir müssen dort
einen Beitrag leisten, wo die Bedrohung entsteht.
Bedrohungen müssen wir an der Quelle bekämpfen.
Wir müssen im Vorfeld verhindern, dass sie uns hier in
Berlin, in Heidelberg, in Weinheim oder in München erreichen. Wir dürfen zum Beispiel nicht zulassen, dass
die Taliban Afghanistan wieder als Rekrutierungs-, Ausbildungs- und Rückzugsbasis nutzen, wie sie es schon
vor dem 11. September 2001 getan haben. Wer heute,
wie die Linke, aus populistischen Gründen aus Afghanistan herausgehen will, der macht den Export von Terror erneut möglich.
({3})
Wir wollen die Menschen in Afghanistan weiter auf
ihrem Weg begleiten, sich selbst wieder einen Staat aufzubauen, auf den sie stolz sein können. Nation-Building das ist unsere Hauptaufgabe. Die ISAF-Mission zielt
darauf ab, den politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Aufbau des Landes zu unterstützen. Die OEF trägt dazu
bei, dass die ISAF diesen Auftrag erfüllen kann.
Terroristen wollen all dies nicht. Sie wollen Terror
und Zerstörung. Sie sind nicht die Robin Hoods der heutigen Zeit, die das Land befreien wollen. Nehmen Sie
nur den letzten Anschlag in Baghlan, bei dem 75 Menschen, darunter 60 Schulkinder, getötet und 100 weitere
verletzt wurden. Die Taliban sind Menschen, die keine
Rücksicht, keine Grenze und keine Gnade kennen.
({4})
Sie stehen für Zerstörung; wir stehen für Aufbau und
eine positive Zukunft Afghanistans. Sie wollen Diktatur;
wir wollen Demokratie. Sie wollen Terror und Anarchie;
wir wollen Stabilität und Fortschritt. Wir wollen inneren
Frieden für Afghanistan.
({5})
Herr Kollege Lamers, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nachtwei zulassen?
Bitte schön, Herr Kollege Nachtwei.
Lieber Kollege Karl Lamers, Sie sind der letzte Sprecher der Koalition in der Debatte über die weitere Beteiligung Deutschlands an der Operation Enduring Freedom. Sie haben, wie Ihre Kollegen auch, zum Wofür
Stellung genommen. Die Beantwortung einer entscheidenden weiteren Schlüsselfrage vermisse ich bisher aber.
Sie lautet: Wie wirksam war und ist die Operation Enduring Freedom in Afghanistan? Ich stelle diese Frage seit
zwei Jahren immer wieder an die Bundesregierung, habe
bisher aber keine konkrete Antwort darauf bekommen.
Sie haben jetzt die Chance, diese meilenweit offene
Frage für die Koalition endlich zu beantworten. - Bitte
schön.
Sehr geehrter Herr Kollege Nachtwei, ich danke Ihnen für diese Frage. Wenn Sie noch zwei Minuten Zeit
haben und dem Schluss meiner Rede zuhören, dann werden Sie eine direkte, klare und perfekte Antwort auf genau diese Frage bekommen.
({0})
ISAF und OEF sind keine Gegensätze; sie ergänzen
sich, ja, sie bedingen einander. Der Aufbau Afghanistans, den wir alle wollen, ist ohne aktive Terrorbekämpfung nicht möglich. Zu Recht beklagen wir Menschenverluste unter der Zivilbevölkerung. Jedes Opfer ist
eines zuviel. Wahr ist aber auch: Von unserer Seite wird
alles getan, um bei militärischen Operationen - insbesondere in bebauten und bewohnten Gebieten - zivile
Opfer zu vermeiden. Anders die Taliban; ihre perfide
Vorgehensweise, unbeteiligte Zivilisten bewusst in ihre
Dr. Karl A. Lamers ({1})
Aktionen einzuspannen, darf nicht der Operation Enduring Freedom angelastet werden.
Herr Kollege Nachtwei, jetzt sprechen wir einmal
über die Erfolge, die wir erzielt haben. Dass ISAF und
OEF nun enger miteinander verzahnt sind, geht vor allem auf unser Betreiben zurück. Dass Millionen Kinder,
darunter Mädchen, wieder zur Schule gehen dürfen und
eine Ausbildung erfahren, dass Frauen wieder studieren
dürfen, dass Parlamentarierinnen die Zukunft Afghanistans heute aktiv mitgestalten, und das nach nur sechs
Jahren, das ist auch ein Erfolg von OEF in Verbindung
mit ISAF. So muss man es sehen.
({2})
OEF leistet heute einen großen Teil der Ausbildung
der afghanischen Armee. Das ist gut so; denn wir wollen, dass die Menschen in Afghanistan ihr Schicksal bald
selber in die Hand nehmen. Am Horn von Afrika leisten
wir einen wichtigen Beitrag, indem wir Verbindungswege sichern, strategisch wichtige Seepassagen vor terroristischen Anschlägen schützen und zugleich Terroristen den Weg in Rückzugsgebiete versperren. Herr
Kollege Nachtwei, das alles dient letztlich auch unserem
Schutz.
({3})
Am Montag dieser Woche beging die Bundeswehr
den 52. Jahrestag ihrer Gründung. Ich denke, wir sind
uns einig: Unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben in diesen Jahrzehnten für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gewirkt und werden dies auch
weiter tun. Dafür Dank und Respekt!
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Operation Enduring Freedom, das heißt Operation
dauerhafte Freiheit. Ich schließe mit dem Satz des
Schriftstellers William Allen White: Freiheit ist das Einzige, das man nicht haben kann, wenn man nicht gewillt
ist, es andern zu geben. - Wir sind dazu bereit und sagen
deshalb Ja zu OEF.
Danke schön.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa-
che 16/7140 zum Antrag der Bundesregierung auf Fort-
setzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte
bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf
terroristische Angriffe gegen die USA. Dazu liegt mir
eine Reihe von persönlichen Erklärungen zur Abstim-
mung vor, die dem Protokoll beigefügt werden.1)
Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/6939,
zuzustimmen. Dazu ist eine namentliche Abstimmung
verlangt.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist der Fall. Ich
eröffne die Abstimmung.
Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine
Stimme bislang nicht hat abgeben können?
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Wie immer werden wir Ihnen das Ergebnis der Ab-
stimmung später bekanntgeben.2)
Ich setze die Abstimmungen fort, sobald ich den Eindruck habe, dass mindestens die große Mehrheit der Anwesenden nachverfolgen kann und will, worüber jetzt
weiter abgestimmt werden soll. - Wer bleibt, möge bitte
Platz nehmen. Die anderen mögen bitte den Plenarsaal
verlassen.
Tagesordnungspunkt 6 b. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf
Drucksache 16/7142 zum Entschließungsantrag der
Fraktion Die Linke zum Antrag der Bundesregierung zur
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte. Der Ausschuss empfiehlt, diesen Entschließungsantrag auf Drucksache 16/6971 abzulehnen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Das Erste war die große Mehrheit.
Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/7161. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Wir setzen unsere Beratungen fort. Ich rufe den
Tagesordnungspunkt 5 a auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer
Brüderle, Jens Ackermann, Christian Ahrendt,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mahnungen des Sachverständigenrates ernst
nehmen - Mehr Freiheit wagen
- Drucksache 16/7112 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({0})
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Das ist offenkundig einvernehmlich und damit so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion.
({1})
1) Anlagen 2 bis 5
2) Ergebnis Seite 13111 C
Herr Präsident, das Rednerpult ist falsch eingestellt.
Waren Sie am Drücker?
Nein, natürlich nicht. Ich war ganz fasziniert, dass Sie
Ihre Redezeit durch Spielen mit dem Hebemechanismus
des Pultes vertun.
({0})
Herr Präsident, Ihre sonst scharfe Beobachtungsgabe
hat Sie verlassen. Ich habe nämlich gar nichts gemacht.
Ja, aber immerhin reicht mein Beobachtungsvermögen aus, um die Uhr weiter im Blick zu behalten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Züge
im Lande stehen heute still. Darüber ärgern wir uns alle.
Es wird höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung
endlich intensiv um eine Lösung bemüht. Aber die Oberstreikenden sitzen auf der Regierungsbank. Sie bremsen
den Deutschlandexpress. Der Heizer ist von Bord gegangen. Nicht nur die Lokführer sorgen für Stillstand in
Deutschland, sondern auch diese Bundesregierung.
({0})
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat deutliche Worte
der Kritik für die Politik dieser Regierung gefunden. Im
Jahresgutachten steht es schwarz auf weiß: Die Politik
der schwarz-roten Koalition ist konzeptionslos und kurzfristig orientiert. Die Regierung verfängt sich in taktischen Manövern. Die wichtigen Probleme werden nicht
gelöst, sie werden zaghaft angegangen oder verdrängt.
Eine klare Richtung ist bei Schwarz-Rot nicht erkennbar.
Das ist auch ein Grund, weshalb die Akzeptanz von Reformen im Land abnimmt: Es wird kein klarer Kurs gefahren.
({1})
Die Neue Zürcher Zeitung, eine angesehene Schweizer Zeitung, kommentiert dazu:
Schwärzer könnte ein Urteil über die wirtschaftspolitische Kompetenz der … Regierungskoalition in
Berlin kaum ausfallen.
Damit ist im Klartext gesagt, wie die Situation ist. Selbst
der Wirtschaftsrat der CDU fordert: Ende der ordnungspolitischen Geisterfahrt!
Der Koalitionsausschuss am Montag war ein Beispiel
für das Trauerspiel, das die Regierung Woche für Woche
aufführt. Manchmal kommt beim koalitionären Kuhhandel nur Unfug raus, oft gar nichts. Der Trost der Wirtschaftsweisen dazu ist: An vielen Stellen ist Stillstand
noch besser als alles, was die Bundesregierung sich so
ausdenkt. - Von einer Regierung, die gestalten will, ist
schon längst nichts mehr übrig. Die inhaltlichen Gemeinsamkeiten sind aufgebraucht, wenn sie überhaupt
da waren; die Koalition ist tief gespalten, nur der
„Machtkitt“ hält sie noch zusammen.
Nehmen wir die Steuerpolitik: große Steuererhöhungen, aber nichts ist vereinfacht, nichts ist verständlicher.
Nehmen wir die Arbeitsmarktpolitik: Mindestlöhne,
Beschränkung der Zeitarbeit, Verlängerung des Bezugszeitraums des Arbeitslosengeldes. Das sind keine klaren
Konzepte für mehr Arbeit und weniger Arbeitslosigkeit.
({2})
Was Schwarz-Rot präsentiert, ist ein Flickenteppich.
Patchwork mag für eine Handtasche gut sein, für eine
Regierungspolitik ist es untauglich.
Dass es - wahrscheinlich noch nicht 2008, aber in den
darauffolgenden Jahren - auch wieder einen Abschwung
in Deutschland geben wird - hier zitiere ich noch einmal
das Sachverständigengutachten -, ist bei aller Unsicherheit der Prognosen eine bedauerliche Gewissheit. Der
nächste Abschwung wird kommen, wir sind darauf aber
nicht vorbereitet. Niemand sollte glauben, dass eine
Große Koalition den Konjunkturzyklus außer Kraft
setzen kann. Niemand sollte glauben, die Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten, die Abschwächung der
Weltkonjunktur seien schon beendet und würden spurlos
an uns vorübergehen. Niemand sollte glauben, die Finanzkrise wäre schon zu Ende. Das wird Auswirkungen
auf die Realwirtschaft haben.
Noch sieht die wirtschaftliche Lage in Deutschland
rosig aus, und die Versuchung, sich darauf auszuruhen,
ist groß. Die Bundesregierung ist dem offensichtlich erlegen. Es wird schon verteilt, was noch gar nicht erwirtschaftet ist. Die Gestaltungsspielräume für morgen,
wenn ein Abschwung ansteht, werden der Politik genommen. Dann besteht keine Handlungsmöglichkeit
mehr.
({3})
Der Konjunkturhimmel wird grauer. Die Finanzexperten und die Unternehmer, die befragt werden, haben
gedämpfte Erwartungen. Manche sprechen schon wieder
vom Gespenst der Stagflation. Auch was die Geldentwertung betrifft, verfehlen wir die Ziele der Notenbank. Aber die Bundeskanzlerin scheint das alles nicht
zu kümmern. Sie reist lieber wie Humboldt durch die
Welt. Statt die Vermessung der Welt nachzuspielen,
sollte sie lieber die Reformagenda in Deutschland neu
vermessen. Das, was die Koalition jetzt tut, erinnert sehr
an die Jahre 1999 und 2000. Damals hat die rot-grüne
Koalition die Reform der Vorgängerregierung als unsozial
gebrandmarkt und den Aufschwung genutzt, um Reformen
zurückzunehmen. Ich erinnere nur an den demografischen
Faktor in der Rentenversicherung. Der Sachverständigenrat warnt die Bundesregierung sehr deutlich davor, den
Fehler von Rot-Grün der Jahre 1999 und 2000 zu wiederholen und jetzt, da es besser läuft, alles zu verfrühstücken,
bei den Reformen einzuschlafen und ihre Politik nicht
konsequent fortzuführen.
({4})
Das Wachstumspotenzial hat sich verbessert, es ist
aber immer noch sehr bescheiden. Das sagen die Bundesbank und die Sachverständigen. Man müsste einen langen Atem haben und die Politik durchhalten, aber nicht
permanent zurückweichen. Es ist jetzt an der Zeit, Vorsorge zu treffen, aber das erfolgt nicht. Wir müssen mehr
Freiheit wagen, statt den Bürgern neue Bevormundungen
zuzumuten. Ich denke an die Unternehmensteuerreform,
Funktionsverlagerungen und andere Dinge, die falsch angepackt wurden. Die Bundeskanzlerin hat einmal davon
gesprochen, sie will mehr Freiheit wagen. Das hat sich
völlig verflüchtigt. Das Gegenteil ist die Realität. Es wird
Freiheit abgebaut, statt Freiheit geschaffen. Wir brauchen
mehr Freiheit auf den Güter- und Kapitalmärkten. Wir
dürfen keine neuen Mauern errichten. Wir brauchen keinen
neuen Protektionismus. Wir sollten froh sein, wenn Ausländer ihr Geld in Deutschland investieren. Wir sollten sie
nicht daran hindern und nicht Schutzzäune errichten, damit
unfähige und träge DAX-Vorstände vor Wettbewerb geschützt werden. Nein, unsere Wirtschaftsordnung beruht
auf Wettbewerb und nicht auf einer Politik, die gegen
Wettbewerb gerichtet ist.
({5})
Wenn Sie diese neuen Barrikaden gegen Wettbewerb errichten, dann begraben Sie Ludwig Erhard zum zweiten
Mal.
({6})
Auf Märkten, auf denen Wettbewerb herrscht, ist es
kein Problem, wenn sich auch ausländische Staatsfonds
engagieren, weil der Wettbewerb garantiert, dass sich
alle ökonomisch verhalten. Auch Chinesen wollen kein
Geld durch Fehlverwendung verlieren. Anders verhält es
sich mit natürlichen Monopolen wie dem Schienennetz
oder Ähnlichem.
({7})
Da muss man durch Wettbewerbsbehörden stramm regulieren. Das ist der richtige Weg. Der Sachverständigenrat
warnt sehr deutlich vor den Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes. Das wäre ein Einfallstor, mehr staatliche
Eingriffe in die Wirtschaft vorzunehmen.
({8})
Mehr Wettbewerb wäre die Lösung. Mehr Wettbewerb
auf der Schiene hätte Pluralität zur Folge. Wenn wir
Wettbewerb statt eines Staatsmonopolisten hätten, hätte
der Streik heute nicht so verheerende Auswirkungen.
Mehr Wettbewerb würde der Deutschen Post guttun.
Aber mit Mindestlöhnen auf dem Niveau des Monopolisten wird genau dieser Wettbewerb verhindert, und Zehntausende von Arbeitsplätzen werden abgebaut. Arbeitsmarktreformen sind Investitionen in die Zukunft.
Herr Kollege, auch nach Anrechnung der Zeit, die die
Einstellung des Pults gekostet hat, müssen Sie zum Ende
kommen.
Ich bin beim letzten Satz, Frau Präsidentin. Ihr Vorgänger hat die Zeit, die die Veränderung der Höhe des
Pults gekostet hat, nicht angerechnet.
Die habe ich bei dem Wettbewerb der Fraktionen um
die Redezeit schon angerechnet, Herr Brüderle.
Die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere ist kein Beitrag zur Schaffung neuer
Arbeitsplätze. Herr Müntefering hat völlig recht gehabt.
Ich habe mich gefreut, als ich ihn vorhin auf der Regierungsbank gesehen habe. Der Mann hat Charakter und
Beständigkeit. Er hat die richtige Formulierung gewählt:
Investieren in Arbeit, und nicht Investieren in Finanzierung von Arbeitslosigkeit. Das wäre die richtige Politik.
({0})
Damit kämen wir voran, aber das Gegenteil geschieht.
Herr Kollege.
Sie müssen umsteuern. Wenn Sie weiter so zaghaft sind
und so falsch steuern, wird die Zustimmung zur marktwirtschaftlichen Ordnung im Lande weiter abnehmen.
({0})
Der Kollege Laurenz Meyer hat jetzt das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Herr Brüderle, ich will am Anfang meiner Rede
zwei Punkte aufgreifen, über die Sie, wie ich denke,
wirklich noch einmal nachdenken sollten:
Erstens. Sie haben die Bundesregierung aufgefordert,
die Tarifauseinandersetzung bei der Bahn zu lösen.
({0})
Wo ist eigentlich das Selbstverständnis der FDP geblieben?
({1})
Das mag zwar blanker Populismus sein; da Sie hier aber
ordnungspolitische Sauberkeit anmahnen, sollten Sie noch
einmal über das nachdenken, was Sie gerade gefordert
haben. Wir sollten stattdessen gemeinsam alle Beteiligten auffordern, die Interessen von kleinen Grüppchen
und die unternehmensinternen Auseinandersetzungen
nicht auf dem Rücken der Kunden und der deutschen
Wirtschaft auszutragen.
({2})
Laurenz Meyer ({3})
Wir sollten den Beteiligten klipp und klar sagen, dass
das, was zurzeit stattfindet, so nicht geht. Ich spreche
ganz bewusst beide Seiten an. Das Problem muss sich
lösen lassen. Ich meine, dass auch die übrigen beteiligten
Gewerkschaften einbezogen werden müssen.
Zweitens. Herr Brüderle, ich will Sie nach Ihrer Position
zu den Staatsfonds fragen. Ich will meine Überzeugung
klipp und klar kundtun - vielleicht denken Sie noch einmal über Ihre Positionierung nach -: Der deutsche Staat
sollte sich aus deutschen Unternehmen so weit wie möglich zurückziehen und nicht über wirtschaftlichen Einfluss
politischen Einfluss ausüben. Staatsbeteiligungen sollten so
weit wie möglich abgebaut werden. Wenn ich aber dafür
bin, dass der deutsche Staat auf deutsche Unternehmen
keinen politischen Einfluss ausüben soll, dann kann ich
doch erst recht nicht dafür sein, dass ausländische Staaten auf deutsche Unternehmen einen politischen Einfluss
ausüben. Wenn man ausländischen Staatsfonds das Wort
redet und ihre Beteiligung an deutschen Unternehmen
wünscht, muss zumindest Klarheit herrschen, um was
für Beteiligungen es sich handelt: um Mehrheitsbeteiligungen, um politisch relevante Beteiligungen, um eine
10-Prozent-Beteiligung oder sonst etwas. Ich finde den
Ansatz, auf diesem Gebiet für Klarheit zu sorgen, völlig
in Ordnung und halte ihn geradezu für notwendig, wenn
wir unsere Wirtschaftsordnung für die Zukunft stabilisieren wollen.
({4})
Vor welchem Hintergrund ist das Gutachten des Sachverständigenrates zu beurteilen? Für meine Fraktion
sage ich ganz bewusst, dass wir die Kernaussage des
Sachverständigengutachtens in vollem Umfang unterstützen. Wir sagen ganz klar: Das Ziel, das wir uns
gesetzt haben, darf nicht gefährdet werden. Über Einzelheiten kann man wie immer reden. Ich will noch einmal
in Erinnerung rufen, wo wir Anfang des letzten Jahres
gestanden haben - das ist ja noch nicht so lange her -:
Die Zahlen, die mit Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung
und Wachstum zusammenhängen, brauche ich in diesem
Kreis doch nicht in Erinnerung zu rufen. Die Lage war
desaströs. Sie hat sich durch und mithilfe der Politik verändert. Das ist ein mehrere Jahre dauernder Prozess.
Die Dinge, die wir auf den Feldern Besteuerung,
Arbeitsmarkt, soziale Sicherung und Bürokratieabbau
getan haben, haben zum wirtschaftlichen Comeback
Deutschlands beigetragen. Wie wir Handwerkerleistungen
und haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich behandelt
haben und weiterhin behandeln wollen, ist ein Aspekt.
Wir wollen durch die Regelung der haushaltsnahen
Dienstleistungen einen Beitrag zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit im Bereich der Privathaushalte leisten. Das
ist eine der großen Aufgaben, die wir vor uns haben. Wir
haben die Ausgabendynamik in den sozialen Sicherungssystemen gebremst. Erstmalig haben wir es geschafft
- das war ein Ziel dieser Legislaturperiode -, den Anteil
der Sozialabgaben auf unter 40 Prozent zu senken. Dieses Ergebnis müssen wir jetzt sichern.
({5})
Ich finde, das ist ein riesengroßer Erfolg. Die Arbeitnehmer bekommen endlich eine Aufschwungrendite, die
wir ihnen auch zugestehen. Wir wollen, dass sie teilhaben können, und zwar, indem es mehr Arbeitsplätze
gibt. Das ist das Wichtigste. Wenn mehr als 1 Million
Menschen zusätzlich in Arbeit ist, dann stützt das die Inlandsnachfrage, sagt der Sachverständigenrat. In der Tasche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt
außerdem mehr Geld, weil wir die Sozialabgaben senken. Genau das ist der richtige Weg.
Ich plädiere nachhaltig dafür, dass wir uns neben der
Haushaltskonsolidierung - das ist das oberste Ziel als weitere Aufgabe vornehmen, versicherungsfremde
Leistungen aus den sozialen Sicherungssystemen herauszunehmen. Bezüglich der Leistungen für Kinder haben
wir schon einen Markstein gesetzt. Nur durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge können wir auch
für die kleinen und mittleren Einkommen einen Beitrag
leisten, was uns ein Anliegen sein muss.
({6})
Deswegen möchte ich für unsere Fraktion die Gruppe
von Arbeitnehmern bzw. die Bevölkerungsgruppe benennen, die für uns in den Beratungen der kommenden
Monate im Mittelpunkt steht, die im Moment aber noch
zu wenig benannt wird. Ich meine diejenigen, die keine
Transferleistungen, kein BAföG oder kein Wohngeld
erhalten, die keine Leistungen für die Kosten der Unterkunft bekommen und die daher mit ihrer Arbeit den
Lebensunterhalt für sich und ihre Familie verdienen
müssen.
({7})
Diese kleinen und mittleren Einkommen kommen in der
Diskussion zu kurz, wenn wir fast ausschließlich über
Transferleistungen und über ihre Entwicklung sprechen.
Wir können nur dann einen wesentlichen Beitrag zur
Verbesserung ihrer Situation leisten, wenn es uns gelingt, die Sozialversicherungsabgaben weiter zu senken.
Deswegen hilft uns Ihr Populismus überhaupt nicht
weiter. In Bezug auf die Diskussion über die Mindestlöhne
sind wir nach wie vor der Meinung, dass die Einkommen
in den Familien stimmen müssen. Deswegen fordern wir
ein Mindesteinkommen für alle. Außerdem benötigen wir
eine soziale Grundabsicherung in den verschiedenen Bereichen. Das, was am Montag in der Koalitionsrunde verhandelt worden ist, halte ich - auch in Bezug auf das
Arbeitslosengeld I - für eine klare Linie. Der Vorschlag
von Herrn Müntefering, einer Verlängerung des Arbeitslosengeldes Weiterbildungsgutscheine voranzustellen,
stellt aus meiner Sicht eine zentrale Verbesserung der
Konstruktion des Arbeitslosengeldes gerade in Bezug
auf Ältere dar.
({8})
Deswegen unterstützen wir diesen Vorschlag nachdrücklich.
Wir müssen die Vielzahl der Programme beim Arbeitslosengeld I eindampfen, um eine gewisse Übersichtlichkeit zu schaffen. Ferner müssen wir zusätzlich einen
Laurenz Meyer ({9})
Beitrag zur Beseitigung des Fachkräftemangels leisten.
Wir haben bereits einen Beitrag für die Beschäftigung
Älterer geleistet, indem wir beschlossen haben, die 58erRegelung auslaufen zu lassen und endlich die Verrentungs- oder Sozialplanmodelle der großen Unternehmen
auf Kosten der sozialen Sicherungssysteme des Mittelstandes und der Normalarbeitnehmer zu stoppen. Das ist
eindeutig eine wichtige Positionierung.
({10})
Wir werden alles tun, um diese Linie zu halten, damit
eine der wichtigen, guten Veränderungen im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld II, dass nämlich die
Zeitarbeit als Flexibilisierungsinstrument zusätzliche
Möglichkeiten erhalten hat, bestehen bleibt. Wir finden
es toll, dass inzwischen der Abfluss aus der Zeitarbeit in
die Unternehmen stattfindet. Die Zahl der Zeitarbeitnehmer stagniert im Moment, weil sie zum Teil Arbeitsplätze in den Unternehmen finden, für die sie tätig sind.
Deswegen begrüßen wir diese Form der Beteiligung der
Arbeitnehmer.
Wir werden uns das Thema Arbeitnehmerbeteiligung
an Gewinn und Kapital als große und wichtige Aufgabe
vornehmen. Wenn die Große Koalition dies schafft, dann
würden wir eine Weichenstellung erreichen, über die
jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang in Deutschland gestritten worden ist.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, es gibt weltwirtschaftliche Risiken: Öl, Dollarkurs, Immobilienkrise; all das haben wir gehört. Vor diesem Hintergrund gilt es, den klaren Kurs fortzusetzen.
Wir haben jetzt keine Zeit für Experimente oder für ein
Rückwärtsschauen, sondern es muss nach vorne gehen,
und zwar vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, der Globalisierung und des Klimawandels.
Deswegen sage ich ganz klar: Für uns ist die Koalitionsvereinbarung die verbindliche Linie und nicht Parteitagsbeschlüsse.
({11})
Ich gebe Ihnen jetzt das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung bekannt, bei der es um die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der
Bundesregierung auf Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen
die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags
sowie der Resolutionen 1368 und 1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ging.
Abgegeben wurden 574 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 414. Mit Nein haben gestimmt 145. Es gab
15 Enthaltungen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 573;
davon
ja: 413
nein: 145
enthalten: 15
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({0})
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({1})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({2})
Dirk Fischer ({3})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({4})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Ralf Göbel
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Monika Grütters
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({5})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Siegfried Kauder ({6})
Volker Kauder
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({7})
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
({8})
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer ({9})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer ({10})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Carsten Müller
({11})
Stefan Müller ({12})
Bernd Neumann ({13})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({14})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({15})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({16})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({17})
Andreas Schmidt ({18})
Ingo Schmitt ({19})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Andreas Storm
Thomas Strobl ({20})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({21})
Gerald Weiß ({22})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Niels Annen
Ernst Bahr ({23})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Petra Bierwirth
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Bernhard Brinkmann
({24})
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({25})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Johannes Jung ({26})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christian Lange ({27})
Gabriele Lösekrug-Möller
Caren Marks
Katja Mast
Ulrike Merten
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({28})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({29})
Maik Reichel
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({30})
Michael Roth ({31})
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({32})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({33})
Silvia Schmidt ({34})
Renate Schmidt ({35})
Carsten Schneider ({36})
Olaf Scholz
({37})
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({38})
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Heidi Wright
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({39})
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Mechthild Dyckmans
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({40})
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Birgit Homburger
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link ({41})
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({42})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({43})
Nein
CDU/CSU
Wolfgang Börnsen
({44})
Dr. Peter Gauweiler
Willy Wimmer ({45})
SPD
Dr. Lale Akgün
Ingrid Arndt-Brauer
Klaus Barthel
Dr. Axel Berg
Lothar Binding ({46})
Willi Brase
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Peter Danckert
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({47})
Klaus Hagemann
Dr. Reinhold Hemker
Petra Hinz ({48})
Christian Kleiminger
Ernst Kranz
Jürgen Kucharczyk
Christine Lambrecht
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({49})
Gerold Reichenbach
Sönke Rix
René Röspel
Ortwin Runde
Dr. Frank Schmidt
Heinz Schmitt ({50})
Swen Schulz ({51})
Frank Schwabe
Wolfgang Spanier
Christoph Strässer
Dr. Rainer Tabillion
Rüdiger Veit
Dr. Marlies Volkmer
Lydia Westrich
Waltraud Wolff
({52})
FDP
Jürgen Koppelin
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Jan Korte
Oskar Lafontaine
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Petra Pau
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({53})
Volker Schneider
({54})
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({55})
Volker Beck ({56})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Dr. Thea Dückert
Kai Gehring
Anja Hajduk
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({57})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Fritz Kuhn
Renate Künast
Undine Kurth ({58})
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Kerstin Müller ({59})
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({60})
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Fraktionslose Abgeordnete
Henry Nitzsche
Enthaltung
CDU/CSU
Peter Albach
Dr. Wolf Bauer
Renate Blank
Manfred Kolbe
SPD
Iris Hoffmann ({61})
Dr. Bärbel Kofler
Dr. Wilhelm Priesmeier
Ottmar Schreiner
Ewald Schurer
FDP
Uwe Barth
Joachim Günther ({62})
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr. Max Stadler
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Wir kommen zu unserer Debatte zurück. Ich gebe das
Wort dem Kollegen Dr. Herbert Schui für die Linke.
({63})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine kleine Bemerkung zu den Staatsfonds. Herr
Meyer, das Problem ist nicht, dass die Politik auf die
Wirtschaft Einfluss nehmen würde, sondern umgekehrt:
Die Wirtschaft nimmt Einfluss auf die Politik, und darüber muss nachgedacht werden. Das wäre dann in der
Tat auch bei den Staatsfonds der wesentliche Punkt.
({0})
Der Sachverständigenrat mahnt nun: Das Erreichte
nicht verspielen. Das ist auch der Titel seines diesjährigen Gutachtens. Fragen wir uns: Worin besteht dann die
Freiheit, nach der die FDP strebt? Was genau ist erreicht
worden, und was soll nicht verspielt werden? Eine kleine
Liste:
Erstens. Im Januar dieses Jahres ist der Beitragssatz
zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,2 Prozent
gesenkt worden. Für das kommende Jahr ist eine weitere
Senkung auf 3,3 Prozent geplant. Für beide Jahre zusammengenommen bringt das den Unternehmen mehr Gewinn in Höhe von 12,25 Milliarden Euro. Sicherlich
steigt auch das Netto der abhängig Beschäftigten um
denselben Betrag.
({1})
Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Wären diese
12,25 Milliarden Euro in der Kasse der Arbeitslosenversicherung geblieben, dann ginge es den Beschäftigten,
die einmal arbeitslos sind, dann wieder eine Beschäftigung haben, besser, um 12,25 Milliarden Euro besser.
Sie wären immer noch nicht frei von materieller Not,
aber doch etwas freier.
({2})
Mehr Freiheit bedeutet hier: weniger Gewinn, dafür aber
mehr Leistungen für Arbeitslose, beispielsweise in Form
einer längeren Zahldauer des Arbeitslosengeldes I oder
in Form von zusätzlicher beruflicher Qualifizierung.
Zweitens. Als weitere Errungenschaft nennt der Sachverständigenrat die „moderaten und flexiblen Lohnvereinbarungen“, damit mehr Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Wirtschaft und eine bessere Position im Export. So die Argumente des Sachverständigenrats. Die
Welt- und Exportkonjunktur aber sind unsicher. Mehr
Binnennachfrage bei höheren Löhnen ist die bessere
Konjunkturstütze.
({3})
Was ist bei den Nettolöhnen erreicht worden? Preisbereinigt, real, sind sie von 1991 bis zum Aufschwungjahr
2006 um 1,8 Prozent gefallen - und das, obwohl die Arbeitsproduktivität, also das Produktionsergebnis je Beschäftigtenstunde, um 2,4 Prozent gestiegen ist. Also:
ein Manko, ein Minus in der Verteilungsbilanz von
4,2 Prozent.
Erreicht hat die CDU/CSU auch, dass es keinen Anfang für einen gesetzlichen Mindestlohn - hier bei den
Briefzustellern - gibt.
Drittens. Erreicht hat die Koalition die Rente mit 67,
also in der Praxis zwei Jahre Arbeitslosigkeit mehr und
anschließend eine niedrigere Rente. Auch das soll nicht
aufs Spiel gesetzt werden. Weiter nenne ich die Zwangsverrentung der Älteren. Ein Beispiel aus dieser Gesetzgebung: Leute, die Hartz IV bekommen, sollen nach
35 Beitragsjahren schon mit 63 Jahren in Rente gehen.
Das bedeutet eine um 7,2 Prozent niedrigere Rente.
Wenn an Ihrem Aufschwungmythos wirklich etwas dran
wäre, dann brauchten Sie nicht zu diesem lausigen Mittel zu greifen, um die Arbeitslosenstatistik künftig zu
verschönern.
({4})
Die Nettorenten sind im vergangenen Juli um 0,5 Prozent erhöht worden. Die Preise für die Lebenshaltung
steigen in diesem Jahr um 2,1 Prozent. Also: eine reale
Rentensenkung um 1,6 Prozent.
Für das kommende Jahr ist eine Rentenerhöhung von
1 Prozent bei einer Preissteigerung von wahrscheinlich
2 Prozent beabsichtigt. Also: reale Rentensenkung um
1 Prozent. „Das Erreichte nicht verspielen“, „Mahnungen des Sachverständigenrates ernst nehmen“: Finden
Sie, dass diese Rentenregelung mehr Freiheit bedeutet?
Viertens. Was ist sonst noch erreicht worden?
2 Millionen Kinder sind arm. Ihnen fehlt es am Nötigsten, an Nahrung und Kleidung. Der Hartz-IV-Satz liegt
unverändert bei 347 Euro im Monat, zum Leben ohnehin
zu wenig. Aber selbst dieses geringe ALG II sinkt von
Jahr zu Jahr, weil es nicht den Preissteigerungen angeglichen wird.
Fünftens. Wie wollen Sie all das nun rechtfertigen?
Es bleibt Ihnen nur ein einziges windiges Argument,
nämlich der Hinweis auf den Aufschwung und darauf,
dass die Arbeitslosigkeit gesunken sei. Bei Licht besehen muss man sagen: Das Einzige, was Aufschwung hat,
ist Mythenbildung.
Vergleichen wir einmal zwei Perioden miteinander, in
denen das Wirtschaftswachstum fast gleich hoch war,
nämlich die Jahre 1998 bis 2000 mit den Jahren 2005 bis
2007. Das Wachstum in der ersten Periode betrug real
5,3 Prozent und in der zweiten Periode 5,5 Prozent. Es
war also ungefähr gleich hoch. Ursache ist in beiden Fällen der steigende Export und die vorübergehend rasch
zunehmenden Bruttoinvestitionen.
Der Unterschied ist: Der Zeitraum 1998 bis 2000 liegt
vor den Arbeitsmarkt-, den Hartz-Reformen. Warum ist
nun die Zahl der registrierten Arbeitslosen im Zeitraum
1998 bis 2000 um 391 000 und im zweiten Zeitraum
- das stellt die Koalition als einen besonderen Erfolg ihrer Reformen dar - um 1 078 000 gesunken? Die Antwort
ist einfach: Das Angebot an Arbeitskräften, also das
Erwerbspersonenpotenzial, ist in der ersten Periode
um 380 000 gestiegen, in der zweiten Periode dagegen
um 104 000 Personen gesunken. Die wichtigsten Bestimmungsgründe dieses Arbeitsangebotes sind die Demographie, die Wanderung und vor allem die Erwerbsneigung als Verhaltenskomponente.
Das Mitglied des Sachverständigenrates Peter
Bofinger hat dies im letzten Gutachten als „Eine andere
Meinung“ sehr klar herausgearbeitet: Diese Erwerbsneigung hat im Zeitraum 1998 bis 2000 um 766 000 Personen, im Zeitraum 2005 bis 2007 dagegen nur um
95 000 Personen zugenommen. Wörtlich fährt Herr
Bofinger fort:
Die Bereitschaft, in einer Aufschwungphase in den
Arbeitsmarkt einzutreten, war also vor der Durchführung
- vor der Durchführung! der Arbeitsmarktreformen höher als danach.
So weit also eine gekürzte Liste der Erfolge, die nicht
verspielt werden sollen. Wir sollten uns klar darüber
sein, dass diejenigen, die arbeitslos sind, im Erwerbspersonenpotenzial enthalten sind. Das Fördern und Fordern
durch die Hartz-Gesetze hat also gar nichts gebracht, außer Armut und Stress für die einen und mehr Gewinn für
die anderen.
({5})
Überlassen wir also das Entwerfen von Gesetzen
nicht weiter Managern von zweifelhaftem Ruf. Das ist
Aufgabe der Referenten in den Ministerien, nach Kräften unterstützt von den Staatssekretären.
({6})
Im vergangenen Juni hat Staatssekretär Otremba vom
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie von
einem - wörtlich - „Tugendzirkel“ geschwärmt, der
2012 verwirklicht werden soll. Schon jetzt, so schrieb er,
befänden sich „Staat und Wirtschaft … in einem Tugendkreislauf“. Als einen wichtigen Bestandteil dieser
Förderung der allgemeinen Sittlichkeit benennt Otremba
die „Anreizverbesserung am Arbeitsmarkt“ im Rahmen
der Hartz-IV-Gesetzgebung. Angesichts der Überlegungen in der Analyse von Bofinger muss ich sagen: In den
Müll mit Hartz IV und mit dieser Anreiz-Gesetzgebung!
({7})
Die ganzen Arbeitsmarktreformen im Rahmen der
Agenda 2010 haben, wie Bofinger zeigt, das Angebot an
Arbeitskräften im Allgemeinen nicht erhöht. Umso weniger tragen sie dazu bei, dass diejenigen, die als Bezieher von ALG I und ALG II bereits auf dem Arbeitsmarkt
als Arbeitssuchende sind, tatsächlich eine Arbeit finden.
Die ganze Schikaniererei, euphemistisch Anreizverbesserung genannt, hat nur einen Zweck, nämlich die Arbeitslosen für ihre Lage selbst verantwortlich zu machen.
Wenn der Sachverständigenrat in seiner Mehrheit nun
mahnt, das Erreichte nicht zu verspielen, dann ist klar,
wer bei dieser Politik was erreicht hat. Es sind die Unternehmen. Es sind die Vermögenden. Diese haben Freiheit
dazugewonnen, sich zu bereichern.
({8})
Anliegen der FDP ist die Verstetigung und Ausweitung dieser Entwicklung - so wörtlich im Antrag -, es
soll also noch mehr Freiheit dieser Art gewagt werden.
({9})
„Wieder mutige Reformmaßnahmen“ heißt die Losung.
Ich verstehe Ihren Aufruf zu mehr Mut voll und ganz.
Denn es gehört Mut dazu, gegen das Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung den Sozialstaat weiter
umzukrempeln und zu beseitigen. Es gehört umso mehr
Mut dazu, als der Bevölkerung klar wird, dass sie hinters
Licht geführt wird.
({10})
Wagen wir mehr Freiheit von materieller Not. Das ist
unsere Aufgabe. Freiheit von Behördenstress, dem die
Arbeitslosen, die Armen ständig ausgesetzt sind.
({11})
Die Voraussetzungen sind da. Die Produktivität der Arbeit ist hoch und steigt. Sie muss nur vernünftig genutzt
werden. Dahin gehört der Mut. Da ist der Schlüssel zur
Freiheit.
Meine Damen und Herren von der FDP, Ihr Freiheitsbegriff muss dringend revidiert werden.
Vielen Dank.
({12})
Dem Kollegen Dr. Rainer Wend gebe ich jetzt für die
SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Lieber Kollege Brüderle, wir haben uns natürlich gefreut, als Sie Franz Müntefering so gelobt haben.
Ich will allerdings hinzufügen: Ich kann mich nicht ganz
des Verdachts erwehren, dass die Liberalen die Geradlinigkeit der Sozialdemokraten immer erst dann entdecken, wenn sie denn aus ihren Ämtern scheiden. Wir hätten uns gefreut, das etwas früher zu hören. Wahr ist:
Franz Müntefering ist nicht nur Identifikationsfigur für
die Sozialdemokraten, er ist nicht nur Stabilitätsanker
für die Koalition, sondern er ist für die politische Klasse
insgesamt wichtig gewesen, weil er in einer Weise Knorrigkeit, Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit verkörpert
hat, wie es vielleicht nicht zu viele in unserer politischen
Klasse tun. Von daher haben wir in diesem Amt jemanden verloren, der für uns ganz wichtig war und, ich
glaube, auch ganz wichtig bleiben wird. Die sozialdemokratischen Wirtschaftspolitiker jedenfalls danken dem
Arbeitsminister für seine großartige Arbeit.
({0})
Gestatten Sie mir, dass ich auf einige Punkte der Debatte eingehe. Der Streik der Lokführer wurde erwähnt.
Ich sage ausdrücklich: Die Tarifautonomie - dazu gehört das Streikrecht - hat sich in unserer Republik bewährt. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände haben
in den letzten Jahrzehnten Flächentarife abgeschlossen,
die sich sehen lassen können. Arbeitskämpfe gehören zu
solchen Tarifauseinandersetzungen dazu. Ich mache mir
aber Sorgen über die aktuelle Entwicklung im Bereich
des Tarifrechtes. Denn wir haben es nicht mehr mit Flächentarifen zu tun. Zunehmend wollen einzelne Interessierte aus Unternehmen, aus Branchen Sonderrechte für
sich beanspruchen. Das ist gefährlich. Denn das, was die
Lokführer mit einigen tausend Beschäftigten heute machen, könnten morgen die Streckenwärter in ihrem Bereich und übermorgen die Mitarbeiter in den Bahnhöfen
bei der Deutschen Bahn machen und jedes Mal für Tage,
vielleicht für Wochen den Fernverkehr, den Nahverkehr
oder den Güterverkehr mit unabsehbaren Folgen lahmlegen.
Das wollte Tarifautonomie nicht. Sondern Tarifautonomie wollte den verantwortlichen Ausgleich von Interessen
auf einer Ebene des Flächentarifvertrags. Deswegen appelliere ich an die Lokführer, zu ihrer Verantwortung,
die sie haben, zurückzukehren, einen Abschluss zu akzeptieren, der sich im Rahmen des gesamten Unternehmens bewegt. Das ist der richtige Weg. Den gingen die
Gewerkschaften in den vergangenen Jahrzehnten. Den
sollten sie auch in Zukunft gehen. Dabei haben sie unsere uneingeschränkte Unterstützung.
({1})
Die Liberalen befürchten, dass wir unseren Wirtschaftsstandort abschotten wollen.
({2})
Diese Sorge ist unbegründet. Ich sage ausdrücklich: Wir
heißen ausländische Investoren in Deutschland willkommen. Das Kapital, das sie bei uns investieren, um
Gewinne zu machen, ist uns willkommen und soll nicht
zurückgewiesen werden.
Jetzt kommt ein Aber: Aber es sammelt sich Kapital
in einer Größenordnung von Tausenden von Milliarden
- sein Umfang ist größer als der von Staatshaushalten -,
das einen erheblichen Einfluss auf Wirtschaft und Politik
ausüben kann. Zusammen mit unserem Koalitionspartner
vertreten wir die Auffassung, dass wir die Möglichkeit haben müssen, ausnahmsweise einmal Nein zu sagen, wenn
strategische Interessen des Wirtschaftsstandortes
Deutschland berührt sind. Diese Auffassung von einer
Ausnahmeregelung teilen wir. Wir werden dies gesetzlich verankern, und das ist auch richtig so.
({3})
Ich möchte noch eines in Richtung Linkspartei sagen.
Kollege Schui, ich war von Ihrem Parlamentarierverständnis etwas überrascht. Dass Sie nicht wollen, dass
die Manager die Gesetze machen, ist schon okay. Aber
dass Sie fordern, dass die Ministerialbürokratie die Gesetze macht, das überrascht mich.
({4})
Im Zweifel sollten wir Abgeordneten das Selbstbewusstsein haben, dafür einzutreten, dass wir selber uns um unsere Gesetze kümmern. Das ist vielleicht doch der richtige Weg, Kollege Schui.
({5})
Ich komme auf das Gutachten des Sachverständigenrates zurück. Wie ich weiß, sucht sich aus diesem
Gutachten jeder gern das heraus, was ihm passt. Ich
muss zugeben: Auch ich bin dieser Versuchung erlegen.
Dafür zitiere ich von der ersten Seite dieses Gutachtens:
Die gute Verfassung der deutschen Volkswirtschaft
ist nicht nur das Ergebnis der zu Beginn des
Jahres 2005 einsetzenden zyklischen Erholung …
Die Politik hat mit zum Teil sehr weit reichenden Reformen auf den Feldern der Besteuerung, des Arbeitsmarkts und der Sozialen Sicherung zum wirtschaftlichen Comeback Deutschlands beigetragen …
Eine Seite weiter heißt es:
Auch eine dem politischen Kompromissgebot geschuldete Politik der kleineren Schritte kann eine
gute Politik sein, vorausgesetzt diese kleineren
Schritte gehen in die gleiche Richtung … Leider ist
- anders als in der letzten Legislaturperiode - eine
solche klare Richtung nicht erkennbar.
({6})
Offensichtlich wünscht sich der Sachverständigenrat die
rot-grüne Regierungszeit zurück.
({7})
Es ist nicht so, dass ich darüber zu Tode betrübt bin.
Ich finde, wir setzen die rot-grüne Regierungspolitik
zu einem großen Teil kontinuierlich fort. Ich will das belegen. Der Sachverständigenrat lobt zu Recht die Steuerpolitik, die wir gemacht haben. Rot-Grün hat die Einkommensteuer von 53,9 Prozent auf 42 Prozent in der
Spitze und von 25,9 Prozent auf 15 Prozent im Eingangssteuersatz gesenkt. Sozialdemokraten und Grüne
haben die Gewerbesteuer mit der Einkommensteuerschuld verrechenbar gemacht - ausgerechnet Sozialdemokraten und Grüne. In dieser Kontinuität bewegt sich
die Große Koalition, wenn wir jetzt die Körperschaftsteuer von 25 Prozent auf 15 Prozent senken, um bei den
Steuersätzen international wettbewerbsfähig zu sein.
Also betone ich: Kontinuität der Großen Koalition.
Ähnlich ist es mit der Arbeitsmarktpolitik; die Arbeitsmarktpolitik von Rot-Grün hat der Sachverständigenrat zu Recht gelobt. Wir haben Arbeitslosenhilfe und
Sozialhilfe zusammengefasst; das war gut. Wir haben
die BA flexibilisiert; das war gut. Wir fördern und fordern; das ist gut. Wir senken jetzt, in dieser Legislatur,
den Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 6,5 Prozent
auf demnächst 3,3 Prozent.
({8})
Das ist Kontinuität rot-grüner Politik. Das sind richtige
Schritte, durch die die Unternehmen wettbewerbsfähiger
werden und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
netto mehr Geld bleibt. Ich wiederhole: Wir setzen die
Regierungspolitik, die die Sozialdemokraten in den letzten Jahren gemacht haben, kontinuierlich fort.
Das gilt übrigens auch für die Haushaltskonsolidierung. Die Große Koalition wird es in diesem Jahr zum
ersten Mal seit Jahrzehnten schaffen, dass der Staatshaushalt - also der Haushalt von Bund, Ländern, Kommunen und sozialen Sicherungssystemen - ausgeglichen
ist. Das hätten wir schon ein bisschen früher haben können. Der von Rot-Grün begonnene Subventionsabbau
mit der Abschaffung der Eigenheimzulage und der Kürzung der Pendlerpauschale ist in der letzten Legislaturperiode von der Union blockiert worden. Jetzt haben Sie
sich zum Glück überzeugen lassen. Wir haben es gemeinsam gemacht. Es hätte allerdings früher kommen
können. Das ist Kontinuität sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik.
Jetzt empfiehlt der Sachverständigenrat, wir sollten
die Reformschraube schneller drehen. Er fordert durch
die Blume oder auch ausdrücklich weitere Steuersenkungen und weitere Reduzierung von Sozialleistungen. An
dieser Stelle sagen wir als Sozialdemokraten ausdrücklich: Vorsicht! Warum eigentlich? Ich bitte Sie, einen
Moment nach Italien und Frankreich zu sehen. In Italien
rotten sich Links- und Rechtsextremisten zusammen und
kämpfen gegen den Staat. In Frankreich brennen in den
Vororten von Paris Autos. Das passiert, weil der Zusammenhalt der Gesellschaften in diesen Ländern gefährdet
ist. Nichts gibt uns die Sicherheit, dass so etwas nicht
auch bei uns geschieht, es sei denn, es gelingt uns als
Große Koalition, den Menschen das Signal zu geben,
dass sie an dem stattfindenden Aufschwung teilhaben,
dass sie mitverdienen, dass ihre Rechte geachtet werden
und dass wir nicht nur auf die schauen, die auf der Sonnenseite unserer Gesellschaft sind, sondern auch auf die
anderen.
({9})
Dafür müssen wir konkrete Dinge tun.
Ein Stichwort ist der Mindestlohn.
({10})
Ich habe mich heute Morgen gefreut - wenn ich auch etwas irritiert war -, als ich gelesen habe, dass der Vorsitzende der Christdemokratischen Arbeitnehmerschaft,
Karl-Josef Laumann, zur Hannoverschen Allgemeinen
Zeitung gesagt hat, dass es zur sozialen Marktwirtschaft
gehöre, dass der Wettbewerb über Service, Innovation
und Zuverlässigkeit stattfinde und nicht über die Frage:
Wer findet den billigsten Arbeitnehmer? - Der Mann hat
recht.
({11})
Lasst uns das in die Praxis umsetzen, beispielsweise
im Postbereich. Das ist - zumindest vorläufig - am
Montag gescheitert. Wir wollen an dem Thema tarifvertraglich weiterarbeiten, bieten in Richtung Koalitionspartner aber heute ausdrücklich an, auch einen anderen
Weg zu gehen.
Ich darf einmal vorlesen, was in § 6 Abs. 3 Satz 3 des
Postgesetzes steht:
Die Lizenz
- die Bundesnetzagentur vergibt Lizenzen an private
Postdienstleister ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, daß der Antragsteller die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschreitet.
Das ist zum 1. Januar 1998 Gesetz geworden, als die
Löhne im Postbereich bei 12 oder 13 Euro pro Stunde lagen. Heute aber haben Unternehmen Lizenzen, die
5,10 Euro pro Stunde zahlen. Wie ist das eigentlich mit
diesem Gesetz vereinbar?
({12})
Wenn wir bei den tarifvertraglichen Regelungen nicht
weiterkommen, biete ich Ihnen an: Lassen Sie uns über
das Postgesetz und die Lizenzierung weiterkommen, damit im Postbereich und darüber hinaus Löhne gezahlt
werden, von denen sich die Menschen ernähren können.
Eine Gesellschaft kann nur dann zusammenhalten, wenn
sich Leistung wirklich lohnt. Daher gehört der Mindestlohn mit in unser Konzept.
({13})
Natürlich hat Herr Meyer recht: Auch das Thema der
Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer gehört dazu. Das
machen wir als Große Koalition. Wir erhöhen die Investitionen, damit die öffentliche Nachfrage im nächsten
Jahr Arbeitsplätze schafft. Wir werden uns den haushaltsnahen Dienstleistungen zuwenden, weil dort ein Arbeitskräftepotenzial steckt. Die Große Koalition hat also
noch viele Aufgaben vor sich, die sie bewältigen muss.
({14})
Jenseits aller Sachfragen gehört zu einer Koalition
das Vertrauen der Koalitionspartner.
({15})
Dazu sage ich ohne jede Schärfe - es sind schon genug
scharfe Worte gefallen -: Die Bundeskanzlerin hat nach
den letzten Tagen an dieser Stelle eine Bringschuld.
({16})
Ich hoffe, sie kommt dieser nach und wir leisten gemeinsam gute Politik für unser Land.
({17})
Christine Scheel spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Gerade gab es wieder ein Musterbeispiel: Der eine aus
der Koalition, Laurenz Meyer, macht hier Ankündigungen - eine nach der anderen -; der Redner von der SPD
richtet Appelle an den Koalitionspartner, sich auf bestimmte Punkte zu einigen. Daran sieht man, dass diese
Koalition nicht in der Lage ist, das zu tun, was notwendig ist, nämlich eine konsistente Wirtschafts-, Finanzund Haushaltspolitik mit einer sozialen Flankierung zu
betreiben. Vielmehr müssen Sie sich mit gegenseitigen
Appellen motivieren, um überhaupt voranzukommen.
Der Sachverständigenrat hat letztendlich bestätigt,
dass die Große Koalition mit den getroffenen Entscheidungen einen Salto mortale hingelegt hat. Wir haben hier
gestern eine Debatte über die Auswirkungen der Beschlüsse des Koalitionsausschusses geführt. Ich sage Ihnen: Das Schönreden der kleinlichen Entscheidungen,
die Sie da getroffen haben, macht unsere Konjunktur in
den nächsten Jahren nicht besser; diese Entscheidungen
werden der Konjunktur eher schaden.
({0})
Wir sehen, dass der Höhepunkt des konjunkturellen
Aufschwungs, einer wesentlichen Stütze des Erreichten,
bereits überschritten ist. Wir müssen feststellen, dass Sie
sich auf den gestiegenen Steuereinnahmen und auf dem,
was in der letzten Legislaturperiode beschlossen worden
ist - der Sachverständigenrat hat das eindeutig bestätigt -,
ausruhen. Das hat dazu geführt, dass hier im Hause alle
davon reden, es gehe unserer Konjunktur ganz gut. Man
muss nur überlegen, warum das so ist. Es ist gut, dass
der Sachverständigenrat auf Folgendes hingewiesen hat:
Nicht nur die Wirtschaft und die Weltkonjunktur bestimmen das Auf und Ab bei den Arbeitsplätzen - in der Bevölkerung wird das manchmal gedacht -; vielmehr ist
die Politik mit ihren Entscheidungen etwa zur Hälfte an
dem Mehr an Arbeitsplätzen, die entstanden sind, beteiligt. Man muss an dieser Stelle sagen: Dies betrifft vorwiegend die Entscheidungen der rot-grünen Bundesregierung.
Es ist deswegen ein Stück weit überraschend, dass die
FDP in ihrem Antrag dazu auffordert, die wirksamen Arbeitsmarktreformen, die Rot-Grün durchgeführt hat,
nicht zurückzunehmen. Da kann ich mich nur fragen:
Was haben Sie, Herr Brüderle, eigentlich getan, als diese
Reformen debattiert und verabschiedet wurden? Sie haben sich damals hier hingestellt und gesagt, das sei alles
blöd und völlig gaga; es helfe der Konjunktur nicht. Jetzt
fordern Sie dazu auf, dass genau das, was gut gelaufen
ist, nicht zurückgenommen werden soll. Es ist eine eigenartige Politik, die die FDP insgesamt immer wieder
verfolgt.
({1})
Wir stellen auch fest, dass es überhaupt keine nachhaltige Gesamtstrategie auf den Gebieten der Wirtschafts-, der Finanz-, der Haushalts- und der Sozialpolitik gibt. Die Föderalismusreform II steht an. Wie wollen
Sie denn dabei ernsthaft zu einem Ergebnis kommen - beispielsweise im Hinblick auf eine Schuldenbremse, die
wir dringend brauchen, um die Haushaltsausgaben zu
beschränken -, wenn Sie nicht einmal in der Lage sind,
das, was der Sachverständigenrat formuliert hat, umzusetzen?
Heute findet eine Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses statt. Es ist im Moment völlig unklar, wie
sich die Große Koalition dort aufstellen wird, ob mehr
gespart oder mehr ausgegeben werden soll. Jetzt haben
wir gehört, dass die Ausgaben um 5 Prozent gesteigert
werden sollen. Sie sagen, das könne man machen, weil
die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht worden
ist; im Fahrwasser der Mehrwertsteuererhöhung könne
man dank der zusätzlichen Mittel auf der Einnahmeseite
nun auch mehr ausgeben. Dazu kann ich nur sagen: Wer
nicht in der Lage ist, Strukturreformen positiv anzugehen, der hat ein großes Problem, wenn die konjunkturelle Situation etwas schwieriger wird. Dann werden
nämlich die Steuereinnahmen zurückgehen, die strukturellen Probleme aber bleiben. Das wird letztendlich Arbeitsplätze kosten. Ich sage Ihnen ganz offen: Das wollen wir nicht akzeptieren.
({2})
Ich möchte etwas Kritisches zum Sachverständigengutachten sagen. Der Sachverständigenrat mahnt eine
Konsolidierung an; der Weg, der begonnen worden ist,
solle fortgesetzt werden. Der Rat sagt aber auch: Wenn
der Haushalt konsolidiert ist - wir, die Grünen, hoffen,
dass das bis 2009 passiert; bislang ist ein konsolidierter
Haushalt erst für 2011 geplant -, könnten die Steuern
wieder gesenkt werden.
Schauen wir uns die Lage in Deutschland einmal an:
Wir haben Defizite im Bildungs- und Forschungsbereich. Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Forschungsinvestitionen bei uns gering. Wir haben Probleme mit jungen Menschen, die die Schule abbrechen
und keinen geeigneten Zugang zu Bildung bekommen,
weil die Infrastruktur, die notwendig ist, um kleine, aber
auch ältere Kinder angemessen zu berücksichtigen, nicht
vorhanden ist.
Wir haben Probleme. Deswegen müssen wir hier
mehr investieren. Schon jetzt versprechen einige aus der
Union den Leuten mit Blick auf den Wahlkampf, wann
auch immer er einsetzen wird, Steuersenkungen; die
FDP tut das sowieso. Stattdessen sollte man lieber erst
einmal die Probleme lösen, die zu lösen sind. Es muss
mehr in Bildung und Forschung investiert werden, damit
wir in diesem Land in Zukunft gut aufgestellt sind, damit
es Beschäftigungschancen für alle gibt und die Leute das
Geld verdienen können, das sie zum Leben brauchen.
({3})
In diesem Kontext ist auch die ökologische Modernisierung durch Investitionen in die Zukunft von Bedeutung; denn auch eine ökologische Modernisierung hilft,
volkswirtschaftliche Kosten einzusparen. Hier ist es
leider so, dass wir permanent mit Ankündigungen konfrontiert werden, zum Beispiel von der Klimaschutzkanzlerin beim G-8-Gipfel. Demnächst wird der Bundesumweltminister auf Bali darauf hinweisen, wie toll in
der Bundesrepublik Deutschland alles ist, und der Weltgemeinschaft erklären, wie sie sich ökologisch zu verhalten hat.
Aber wo bleiben die Konsequenzen, die gezogen werden, damit wir auf nationaler Ebene vorankommen? Wie
und wo genau sparen wir CO2-Emissionen ein? Welche
ordnungspolitischen Rahmenbedingungen brauchen wir
in diesem Land?
({4})
Reichen im Hinblick auf die Automobilindustrie Appelle
und schöne Ideen aus, oder müssen wir nicht auch einmal überlegen, hier eine klare ordnungspolitische Vorgabe zu machen, damit wir mit dem, was wir uns alle
wünschen, schneller vorankommen?
Das ist der Punkt, an dem Sie immer wieder versagen.
Sie geben nur heiße Luft von sich. Wenn es aber zur Sache geht, sind Sie nicht in der Lage, gemeinsam mit uns
gesetzliche Vorgaben auf den Weg zu bringen.
({5})
Das ist an dieser Stelle das Problem. Wir nehmen zur
Kenntnis, dass es gute Gedanken gibt. Aber es gibt keine
Gesetze, mit denen diese guten Gedanken in die Tat umgesetzt werden. Wir sind Ihnen dabei sehr gern behilflich. Wie Sie wissen, haben wir etliche Vorschläge auf
den Tisch gelegt.
({6})
Ich möchte zur Reform des Arbeitslosengeldes I nicht
mehr sehr viel sagen; denn darüber ist in diesem Haus
schon gestern sehr intensiv diskutiert worden. Fakt ist,
dass viele ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Zuge des Aufschwungs und bedingt durch die
gesetzlichen Vorgaben, die im Hinblick auf den Arbeitsmarkt gemacht wurden, wieder einer Erwerbstätigkeit
nachgehen. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Das
reicht aber noch lange nicht aus; denn es gibt immer
noch viele ältere Langzeitarbeitslose.
Das Fördern und das Weiterbilden bleiben gerade in
diesem Bereich wichtiger als das Alimentieren. Sie alimentieren aber. Sie kürzen die Eingliederungsmittel für
Arbeitslose um 600 Millionen Euro. Hier haben Sie die
falsche strategische Entscheidung getroffen. Das wird
den Menschen leider auch in Zukunft nicht sehr viel helfen.
({7})
Wir halten es für richtig, dass Sie den Beitragssatz
zur Arbeitslosenversicherung gesenkt haben. Wir sind
allerdings der Meinung, dass Sie heute etwas mehr verteilen, als offensichtlich angemessen wäre. Man muss
sich überlegen, ob eine Senkung des Beitragssatzes zur
Arbeitslosenversicherung auf 3,3 Prozent in der Perspektive zu halten ist.
Auch der Sachverständigenrat hat davor gewarnt, etwas zu tun, was heute schön, aber nicht solide zu finanzieren ist. Denn das kann schon morgen schaden, wenn
Sie den Beitragssatz wieder anheben müssen. Dieses
Problem haben Sie auch bei der Pflegeversicherung und
bei der Gesundheitsreform, die durchgeführt wurde. Ein
Beitragssatz wird gesenkt, obwohl man weiß, dass er
bald wieder steigen wird, weil die notwendigen Reformen in den Bereichen Pflege und Gesundheit fehlen.
Das Problem ist, dass Sie nach dem Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“ verfahren. Den Beschäftigten geht
es aber darum, dass sie netto mehr in der Tasche haben.
Nur dann können sie die Kaufkraft ankurbeln; das interessiert die Leute. Die Grünen haben sehr gute Vorschläge zur zielgenauen Entlastung der unteren Einkommensgruppen vorgelegt.
({8})
Zum Mindestlohn - hier können wir etwas beobachten, das ich für eine große Blamage halte -: Sie heben
das Briefmonopol zum 31. Dezember 2007 auf,
({9})
allerdings ohne dafür zu sorgen, dass die verschiedenen
Anbieter faire Wettbewerbsbedingungen vorfinden.
Bleibt es so, wie es ist, dann wird der verschärfte Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.
Letztendlich sind es die finanziellen Interessen von privaten Briefzustellfirmen gewesen, die die Kanzlerin motiviert haben, zu sagen: Wir machen da nichts. - Es kann
nicht angehen, dass das dazu beigetragen hat, die
Lobbyinteressen der WAZ Mediengruppe und die Interessen von Friede Springer zu vertreten. Anscheinend
gilt die Koalitionsräson nicht mehr. In keinem einzigen
Bereich haben Sie es zustande gebracht, einen vernünftigen Mindestlohn einzuführen, der dann auch umgesetzt
werden kann.
({10})
Es ist ein Armutszeugnis, dass nicht einmal so ein kleiner Schritt gegangen werden kann.
Ich halte es für grottenfalsch, wenn letztendlich allein
großkoalitionäre Taktik das wirtschaftspolitische Handeln bestimmt. Das geht nicht gut. Wir sehen den Zustand der Großen Koalition als sehr schwierig an. Das ist
nicht gut für unser Land. Vielen ist mittlerweile eingefallen, was Willy Brandt zur Zeit der ersten Großen Koalition einmal gesagt hat: „Ich zähle die Wochen und die
Tage.“ Heribert Prantl hat gestern den „Aggregatzustand“ der Großen Koalition wie folgt beschrieben: Das
ist der „Übergang vom festen in einen gasförmigen Zustand“. Das ist insgesamt nicht gut für unser Land. Reißen Sie sich zusammen und machen Sie das, was Sie
hier immer groß herumposaunen! Tun Sie endlich etwas!
({11})
Alexander Dobrindt redet jetzt für die CDU/CSUFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, ein,
zwei Sätze zu meinen Vorrednern anzubringen. Lieber
Kollege Wend, sehr geehrte Frau Kollegin Scheel, wenn
Sie hier von der Kontinuität rot-grüner Politik sprechen,
dann scheint es da ein größeres Wahrnehmungsproblem
zu geben. Allein wenn man an den SPD-Parteitag denkt,
sieht man, dass Sie sich nicht einmal in der Kontinuität
Ihrer eigenen Partei bewegen.
({0})
Die Menschen in Deutschland hatten genug von der
hohen Arbeitslosigkeit, die Menschen hatten genug von
Rekordschulden, und die Menschen hatten genug von
der Perspektivlosigkeit. Deswegen ist Rot-Grün abgewählt worden, und deswegen ist es gut, dass wir uns
nicht in der Kontinuität rot-grüner Politik bewegen.
({1})
Wir sind vor zwei Jahren gemeinsam angetreten unter
der Überschrift „Sanieren, Investieren und Reformieren“. Dass dieser Kurs unbestreitbar erfolgreich ist, zeigt
die deutliche Senkung der Arbeitslosigkeit. 3,4 Millionen Arbeitslose sind es aktuell. Das ist immer noch zu
viel; aber damit sind 1,1 Millionen Menschen weniger
arbeitslos als noch vor zwei Jahren. Zum ersten Mal haben wir in der Bundesrepublik über 40 Millionen Erwerbstätige.
Herr Kollege Schui, wenn Sie davon sprechen, dass
dies alles keine ausreichenden Erfolge seien, wenn Sie in
Abrede stellen, dass 600 000 Menschen einen neuen Job
haben - dahinter stehen Familien, dahinter stehen Einzelschicksale -, dann ist das blanker Hohn in den Augen
derer, die wieder eine Zukunftsperspektive in Deutschland bekommen haben.
({2})
Unser Wirtschaftswachstum ist eines der stärksten der
letzten Jahrzehnte: 2,9 Prozent im letzten Jahr, 2,7 Prozent in diesem Jahr.
Was viel wichtiger ist: Die Menschen - das spürt
man, wenn man draußen unterwegs ist - haben wieder
eine positive Zukunftserwartung, die Menschen glauben, dass es in den nächsten Jahren auch für sie persönlich vielleicht wieder besser wird. Ich glaube, dass dies
den Aufschwung weiter trägt: dass die Menschen uns zutrauen, die Zukunft zu gestalten.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat diese Entwicklung im Vorwort seines aktuellen Gutachtens gewürdigt:
… präsentierte sich die deutsche Volkswirtschaft im
Jahr 2007 weiterhin in einer guten Verfassung.
Im Weiteren heißt es:
Unbestreitbar ist …, dass die positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung der letzten zwei Jahre der
Politik größere Handlungsspielräume eröffnet hat.
Das Wichtigste, das der Sachverständigenrat schreibt: Es
wäre falsch, in den Mahnungen einen Hinweis zu sehen,
dass der Aufschwung erlahmt oder gar eine Rezession
droht. - Gerade deswegen nehmen wir die Mahnungen
und Warnungen ernst. Selbstverständlich gilt es, unser
Land weiter zu reformieren und vorwärtszubringen.
Selbstverständlich wollen wir keine Reformdividende
verspielen. Dazu gehört aber auch, dass man die Reformdividende den Menschen in unserem Land ein
Stück weit zugänglich macht.
Deswegen kann ich es überhaupt nicht verstehen, dass
in diesem Gutachten steht, dass die Sachverständigen
gegen eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung sind. Angeblich könne das nicht
nachhaltig sein. Auch die Grünen stellen das in Abrede.
Angeblich müsste er irgendwann wieder erhöht werden.
Wo ist denn da der Mut zu mehr Reformen? Wo ist denn
da der Mut, den Menschen etwas mehr in der Tasche zu
lassen? Wir müssen die Binnenkonjunktur ankurbeln,
das heißt, den Menschen etwas mehr in der Tasche lassen.
({3})
Ich frage mich: Wo ist die wirtschaftliche Strategie, die
auch in diesem Gutachten angemahnt wird, wenn man
sagt, dass man den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung nicht senken kann?
Was für eine Strategie ist das denn? Das klingt eher
danach, den Sparstrumpf der Oma unter dem Kopfkissen
zu lassen. Das ist keine Strategie. Wir brauchen aber
mehr Wirtschaftswachstum in Deutschland. Deswegen
ist es wichtig, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 Prozent auf 3,3 Prozent zu senken. Das
entspricht einem Betrag von 24 Milliarden Euro, den die
Menschen mehr in der Tasche haben. Das ist ein Erfolg,
den es in dieser Bundesrepublik seit Jahrzehnten nicht
mehr gegeben hat.
({4})
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des
Herrn Schui zulassen?
Der Herr Schui hat hier wahrlich schon genug Unsinn
geredet, aber bitte.
Herr Schui, bitte schön.
Na gut, ich kommentiere Ihre Bemerkung nicht.
Ich habe Zweierlei anzumerken. Punkt eins. Sie haben die Ausführungen von Bofinger gelesen, der anderer
Meinung ist. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
dass die sinkende Arbeitslosigkeit während des Aufschwungs, von dem wir hier reden, das Ergebnis dessen
ist, dass weniger Leute in den Arbeitsmarkt eingetreten
sind? Diese haben nämlich ganz einfach nicht die Entscheidung getroffen, erwerbstätig sein zu wollen. In den
Arbeitsmarkt eintreten: Das bezieht sich nicht auf die
Arbeitslosen, weil sie bereits auf dem Arbeitsmarkt sind.
Ihre Politik hat also keinen Erfolg gehabt, weil die Entwicklung auf individuellen Entscheidungen usw. beruht
hat. Das sollten wir einmal klarstellen.
Punkt zwei. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
dass der Sachverständigenrat sagt, dass die Abgaben an
die Arbeitslosenversicherung nicht unter 3,9 Prozent gesenkt werden sollten, weil man sonst zu wenig Rücklagen für den nächsten Abschwung habe, der bestimmt
komme?
Lieber Herr Kollege Schui, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass zu rot-grünen Zeiten jeden Tag über
1 000 Menschen mehr arbeitslos geworden sind? Sind
Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass im Gegensatz
dazu die Zahl der Beschäftigten bis heute auf über
40 Millionen deutlich gestiegen ist? Das widerlegt Ihre
These.
({0})
- Das widerlegt Ihre These: Es sind mehr Menschen in
Arbeit als früher. Warum bestreiten Sie das denn? Die
Zahlen sind eindeutig. - Nehmen Sie bitte zur Kenntnis,
dass unsere Politik damit am Schluss erfolgreich sein
wird - und nicht Ihre Thesen, die vollkommen verdreht
sind. Danke schön.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist nicht allein die Politik, die diesen Aufschwung verantwortet hat. Es ist auch
nicht allein die Wirtschaft, die diesen Aufschwung verantwortet hat. Es sind zum großen Teil die Menschen in
diesem Land, die diesen Aufschwung mit verantwortet
haben. Wir müssen sie weiterhin mitnehmen, um den
Aufschwung zu gestalten. Das heißt, wir müssen sie
auch weiterhin an dem Aufschwung beteiligen.
Wir haben das mit Maßnahmen, die in diesem Gutachten leider nicht aufgezeigt werden, vielfältig getan.
Durch das CO2-Sanierungsprogramm wurden Investitionen in Milliardenhöhe in die Sanierung von Wohnungen
und Häusern gefördert. Das bringt den Handwerkern vor
Ort ganz konkret etwas. Das bringt den Kleinen etwas
und nicht der Großindustrie. Das Geld bleibt in der Region. Die Menschen können Geld verdienen und davon
leben. Wir haben die Absetzbarkeit von Handwerksleistungen eingeführt. Wir wollen, dass auch der Haushalt
als Arbeitsplatz mehr Anerkennung findet, um auch dadurch Menschen in Arbeit zu bringen.
({2})
Auch das ist ein wichtiger Beitrag, der zukünftig mehr
an Bedeutung gewinnen wird.
({3})
Der Bergführer des Aufschwungs, der Wirtschaftsminister Michael Glos,
({4})
hat recht: Es kommt darauf an, die Konsumlust der Menschen in Deutschland zu stärken. Deswegen müssen wir
über weitere Entlastungen nachdenken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({5})
Martin Zeil spricht jetzt für die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Schui, Sie sind Vertreter einer Partei in der
Nachfolge einer Partei, die 40 Jahre für Unfreiheit in
Deutschland gestanden ist.
({0})
Sie brauchen uns über den Freiheitsbegriff nicht zu belehren.
({1})
Es war ja sehr interessant, Herr Kollege Meyer, Sie
haben von dem klaren Kurs in der Koalition gesprochen.
Man musste aber nur wenige Minuten später die interessante Diskussion über die Themen Tarifautonomie und
Arbeitsmarktpolitik verfolgen, um zu erkennen, dass Sie
eben nicht zu diesem klaren Kurs in der Koalition finden. Ich habe mich über Ihre Ausführungen zur Tarifautonomie sehr gewundert. Herr Meyer, Sie haben völlig zu unrecht - weil Sie nicht richtig zugehört haben Herrn Brüderle als Feind der Tarifautonomie hingestellt.
Aber Sie, Herr Kollege Wend, sprechen einer Gruppe,
die im Moment nicht sehr populär ist, den Lokomotivführern, ihre Rechte im Rahmen der Tarifautonomie ab.
Was ist das für ein sozialdemokratisches Verständnis?
({2})
- Herr Kollege Stiegler, Sie sollten vielleicht erst einmal
zuhören, bevor Sie einen Zuruf machen.
Das Sachverständigengutachten zeigt auf, dass zwei
Jahre lang eine Politik der kleinen Schritte, der verpassten Möglichkeiten betrieben wurde, dass vor allen Dingen der Anspruch in der Regierungserklärung „mehr
Freiheit wagen“ in vielen Bereichen nicht erfüllt wurde
und dass wir auf vielen Gebieten eine Rolle rückwärts
erleben. Wie sieht es konkret aus? Sie beschließen auf
dem letzten SPD-Parteitag quasi den Rückfall in den demokratischen Sozialismus.
({3})
Herr Kollege Stiegler, Wolf Biermann hat Ihnen in einem Spiegel-Essay eine wunderbare Antwort darauf gegeben. Sie sind durch Ihre Regierungsbeteiligung überfordert und suchen im Grunde die Nische der Opposition
innerhalb der Regierung.
({4})
Das wäre noch hinzunehmen, wenn Ihre Politik nicht
ganz konkrete negative Folgen für die Menschen hätte.
Laut einer heute veröffentlichten Stellungnahme liegt
Deutschland bei der Kaufkraft nur noch an zehnter
Stelle in Europa. Das kommt daher, dass Sie die Bürger
hauptsächlich abkassiert und ihnen Kaufkraft entzogen
haben.
({5})
Beim Steuerrecht setzt sich das fort. Herr Kollege
Stiegler, ich war gestern in unserer gemeinsamen Heimat
Bayern und habe dort einen Landrat und einen Bürgermeister getroffen, die weder Ihrer noch meiner Partei angehören. Die haben mich gefragt: Warum haben Sie
denn diese unsinnige Unternehmensteuerreform gemacht, mit neuen bürokratischen Belastungen und vor
allen Dingen mit diesen unnötigen Regelungen für den
Mittelstand gerade in den Innenstadtlagen? Ich habe geantwortet: Wir, die Freie Demokratische Partei, haben
dem nicht zugestimmt. Gehen Sie zu Ihren Freunden von
der Union und den Sozialdemokraten.
({6})
Noch ein Wort zum Thema Staatsfonds. Das ist eine
interessante Auseinandersetzung. Herr Kollege Meyer,
ich glaube, dass Sie das Sachverständigengutachten
nicht richtig gelesen haben. Die Sachverständigen sagen
nämlich, eine Mindestanforderung an ein neues Instrument sei die genauere Beschreibung der tatsächlichen
oder vermeintlichen Bedrohung. Man müsse prüfen, ob
es über die bestehenden Instrumente hinaus überhaupt
einer neuen Vorschrift bedürfe. Diese Dinge sollten Sie
sich einmal hinter die Ohren schreiben.
({7})
Ich kann nur sagen: Ludwig Erhard muss gewusst haben, warum er der Union nie beigetreten ist. Es gibt nur
noch eine Partei, die für soziale Marktwirtschaft steht,
und das sind die Freien Demokraten.
({8})
Die Kollegin Edelgard Bulmahn hat jetzt das Wort für
die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Wir diskutieren heute über das Jahresgutachten des Sachverständigenrates. Deshalb möchte
ich mit zwei Zitaten aus dem Gutachten beginnen.
Gleich am Anfang stellen die Wirtschaftssachverständigen fest:
Nach dem überraschend starken Aufschwung im
Jahr 2006 …
({0})
- das sagen die Sachverständigen; wir haben gewusst,
dass wir mit unserer Politik einen Aufschwung erreichen
werden präsentierte sich die deutsche Volkswirtschaft im
Jahr 2007 weiterhin in einer guten Verfassung.
Lieber Kollege Dobrindt, ich weiß, dass ein Erfolg immer viele Väter und Mütter hat; das sehen im Übrigen
auch die Sachverständigen so. Denn sie fahren fort:
Zu einem Teil liegt dies daran, dass sich die Politik
namentlich in den Jahren 2001 bis 2006 vielen Herausforderungen erfolgreich gestellt hat …
Soweit ich mich erinnere, war die SPD die einzige Fraktion, die in all diesen Jahren die Regierungspolitik mitgestaltet hat. Sie kann deshalb zu Recht feststellen, dass
sie diesen Erfolg mitverantwortet und miterreicht hat.
({1})
- Wir teilen auch. Deshalb weise ich auch darauf hin,
dass auch die Bündnisgrünen und die CDU/CSU in diesen Jahren mitgewirkt haben.
({2})
Insofern sollten wir feststellen, dass es unser gemeinsamer Erfolg ist.
Die Wirtschaft wächst - das ist unser gemeinsamer
Erfolg - in diesem Jahr um 2,6 Prozent. Im kommenden
Jahr - auch darauf weisen die Wirtschaftsweisen hin wird sie weiter wachsen. Die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken. Es gibt mehr Menschen, die einen Arbeitsplatz gefunden haben, erwerbstätig sind und ihr
Geld selbst verdienen können. Das ist ein Erfolg. Für die
Menschen, die einen Arbeitsplatz gefunden haben, ist
das gut.
Wahr ist allerdings auch - das sollte man nicht verschweigen -, dass der Aufschwung noch nicht alle erreicht hat. Deshalb lohnt es sich, darüber zu streiten, wie
wir sicherstellen können, dass der Aufschwung alle erreicht.
({3})
Die Sachverständigen stellen ausdrücklich fest, dass
in den kommenden Jahren der Stärkung des Binnenmarktes eine deutlich größere Bedeutung zukommen
wird und dass es vom Gelingen dieser Aufgabe mit abhängt, ob die Wirtschaft weiter wachsen und die Arbeitslosigkeit weiter zurückgehen wird, sodass auch diejenigen, die bisher nicht am Aufschwung teilhaben, davon
profitieren können. Wir wollen das erreichen. Deshalb
müssen wir alles dafür tun, dass der Binnenmarkt in den
kommenden Jahren gestärkt wird.
Die Koalition hat sich 2005 entschieden, zum einen
den Haushalt zu konsolidieren. Das tun wir, und das
werden wir auch fortsetzen. Wir haben aber gleichzeitig
beschlossen, Investitionen zu tätigen, um den Binnenmarkt zu stärken, damit unser Wirtschaftswachstum
nicht allein vom Export abhängig ist.
({4})
Das hat Erfolg. Wir haben mit dem 25-Milliarden-EuroProgramm, das wir derzeit umsetzen und auch fortsetzen
werden, sehr viele Arbeitsplätze - zum Beispiel im
Handwerk - geschaffen. Der Erfolg ist spürbar. Die
Handwerksbetriebe, aber auch die Zulieferbetriebe spüren das bereits.
Dass allein das energetische Gebäudesanierungsprogramm zu einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent geführt hat, zeigt, dass die Entscheidung richtig
war, auf der einen Seite zu investieren und auf der anderen Seite den Haushalt zu konsolidieren.
Wir müssen diese Politik fortsetzen. Es gibt noch sehr
viel zu tun. Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzt
den Investitionsbedarf, um die öffentliche Infrastruktur auf Vordermann zu bringen, in den kommenden Jahren auf 70 Millionen bis 80 Millionen Euro.
Es ist richtig, dass wir noch viel stärker zum Beispiel
in Schulen und Kindergärten, aber auch in Straßen und
andere öffentliche Gebäude investieren müssen. Deshalb
müssen wir bereit sein, weiterhin zu investieren und
gleichzeitig den Haushalt zu konsolidieren.
({5})
Das muss auch in den Haushaltsberatungen deutlich
werden. Sonst können wir nicht den Binnenmarkt stärken und die bereits erreichten Erfolge sichern.
Wenn es richtig ist, dass der Binnenmarkt in den kommenden Jahren eine wichtigere Rolle spielen wird, dann
ist es auch genauso richtig, dass es notwendig sein wird,
dass mehr Menschen auch mehr Kaufkraft haben werden. Wir haben die Kaufkraft bei vielen gestärkt. Die
wichtigste Voraussetzung, um Kaufkraft zu haben, ist,
einen Arbeitsplatz zu haben.
Wenn Menschen aber - wie bei den Postdiensten - jeden Tag, stundenlang, bei Regen, bei Kälte und bei Hitze
Kilos herumschleppen, damit wir alle unsere Post pünktlich auf dem Schreibtisch haben, und sie dann mit
5,20 Euro pro Stunde nach Hause gehen, ist das unanständig. Dafür gibt es kein anderes Wort. Das ist unanständig und deshalb muss das geändert werden.
({6})
Meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich
verstehe überhaupt nicht, dass Sie sagen, die Einführung
beschäftigungs- und wettbewerbsfeindlicher gesetzlicher
Mindestlöhne sei abzulehnen, weil sie Lohnfindungsprozesse auf den relevanten Märkten verkennen.
({7})
Was heißt das denn eigentlich? Soziale Marktwirtschaft kann das doch wirklich nicht heißen und das heißt
es auch nicht. Soziale Marktwirtschaft ist etwas ganz anderes. Soziale Marktwirtschaft heißt eben nicht, dass
sich einige Unternehmen auf Kosten der Steuerzahler ihren Profit erhöhen. Das ist auch unanständig.
({8})
Das ist mit den Grundsätzen einer sozialen Marktwirtschaft auch nicht vereinbar. Soziale Marktwirtschaft bedeutet auch nicht, dass eine Friseuse in Thüringen einen
Bruttoarbeitslohn von 3,18 Euro hat und damit vertröstet
wird, dass sie dazu noch ein Trinkgeld bekommt.
({9})
Soziale Marktwirtschaft heißt nicht, vorher Almosen
einzusammeln und sie dann zu verteilen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gründungsväter
der FDP würden sich im Grab umdrehen, wenn sie Ihre
Position hören würden.
({10})
Da möchte ich einmal Friedrich Naumann - zu dem werden Sie sich ja hoffentlich noch bekennen - zitieren.
Friedrich Naumann hat ausdrücklich gesagt: Dauerhafte
Ware kann anständigen Lohn vertragen.
({11})
Richtig, Herr Naumann, das war ein echter Liberaler.
Wenn Sie den Mindestlohn hier als ein marktwidriges
Instrument bezeichnen, frage ich mich, was Sie unter sozialer Marktwirtschaft verstehen. Ich frage mich allerdings auch: Was verstehen Sie unter Lohnfindung? Soll
das so aussehen, dass die Unternehmer den Menschen
Dumpinglöhne zahlen, von denen sie nicht leben
können, und den Rest sollen sie auf der Straße finden?
Was verstehen Sie denn darunter? Das kann doch wirklich nicht wahr sein.
({12})
Das, was Sie hier vertreten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist nicht Liberalismus, das ist im
Übrigen auch nicht Neoliberalismus, das ist Neofeudalismus, nichts anderes.
({13})
Franz Müntefering hat das einmal Staatslohntheorie
genannt. Das ist auch richtig. Das ist Staatslohntheorie,
bei der darauf gesetzt wird, dass im Grunde genommen
der Staat den Lohn bezahlt. Das wird nicht gehen, und
das wird auch mit uns nicht zu machen sein. Erstens
richtet das jede Volkswirtschaft zugrunde. Zweitens ist
es unanständig. Jeder Mensch, der 38 oder 40 Stunden in
der Woche harte und gute Arbeitet leistet, muss auch von
seinem Einkommen leben können. Da gibt es kein Wenn
und Aber, das muss gesichert werden.
({14})
Deshalb ist die Diskussion über Mindestlohn nicht irgendeine sozialromantische Debatte. Mindestlohn ist
keine sozialromantische Idee, sondern eine ordnungspolitische Grundlage für eine funktionsfähige soziale
Marktwirtschaft, nicht weniger und nicht mehr.
({15})
- Liebe Frau Kopp, was Sie vorschlagen, ist Sozialismus, nämlich dass der Staat die Löhne für die Unternehmen zahlen muss. Sie müssen einmal Ihre eigene Argumentation überdenken!
({16})
Wir setzen auf einen fairen Wettbewerb, und ein fairer
Wettbewerb braucht auch Regeln. Jedes Unternehmen,
das seinen Leuten faire, anständige und gerechte Löhne
zahlt, muss sich doch in Grund und Boden ärgern, wenn
es einen Konkurrenten hat, der auf Kosten des Steuerzahlers ein anderes Unternehmen, das faire Löhne zahlt,
aus dem Markt rauswirft. Das hat doch überhaupt nichts
mehr mit Marktwirtschaft zu tun. Überdenken Sie einmal Ihre eigene Argumentation. Sie stimmt von vorne
bis hinten nicht.
({17})
Ich habe am Anfang gesagt, wir wollen - und das sage
ich auch noch einmal zum Schluss -, dass alle Menschen
am Wohlstand und am Aufschwung teilhaben. Das wird
unsere politische Aufgabe auch in den kommenden Monaten und Jahren sein. Es lohnt sich, dafür zu streiten
und auch zu arbeiten.
Vielen Dank.
({18})
Der Kollege Dr. Michael Fuchs hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Es gibt eine Reihe von Punkten, die man,
wenn man gegen Ende der Debatte spricht, aufgreifen
könnte. Verehrte Frau Bulmahn, eines würde ich doch
tun: erstens den Tarifvertrag für die Friseurinnen und
Friseure in Sachsen lesen. Der Stundenlohn beträgt nämlich nicht 3,14 Euro, sondern 3,82 Euro.
({0})
Zweitens wäre es besser, Sie würden diese Rede an Verdi
richten, nicht an die FDP; denn Verdi hat diese Tarifverträge unterschrieben.
({1})
Ihre Rede wundert mich ein bisschen. Die FDP ist der
falsche Ansprechpartner; denn die macht noch keine Tarifpolitik.
Lieber Kollege Wend, wir sind uns häufig einig, aber
heute muss ich einige Punkte kritisieren.
({2})
Ich habe mir gerade eine Rede des heutigen Gasmanns
aus Hannover, des damaligen Bundeskanzlers, bringen
lassen, der am 31. Mai 2005 auf Ihrem Parteitag zur
Pendlerpauschale gesagt hat, dass Frau Merkel in eine
völlig andere Richtung wolle und für die Abschaffung
der Pendlerpauschale sei. Das stimmt nicht mit dem
überein, was Sie uns gerade eben vorgeworfen haben.
Das halte ich nicht für richtig.
Nun zu diesem Posttarifvertrag. Machen wir uns
doch bitte nichts vor. Hier ist doch kein klassischer Tarifvertrag zustande gekommen.
({3})
Ich selber habe in meinem Leben 16 Jahre lang Tarifverträge unterschrieben. Dieser Tarifvertrag beinhaltet erstens
eine Klausel, dass er nur dann wirksam wird bzw. von
beiden Seiten kündbar ist, wenn er in das Entsendegesetz
aufgenommen wird. Ich habe noch nie gesehen, dass
sich Tarifpartner vom Gesetzgeber abhängig machen.
Das ist für mich der Beweis, dass man diesen Tarifvertrag nicht ernst nehmen kann.
Zweiter Punkt: Dieser Tarifvertrag ist ein Vertrag,
dem ganze 4 500 Postbedienstete unterliegen.
({4})
Ich erinnere an die Anhörung im Deutschen Bundestag, in
der der Vertreter der DPV gesagt hat, dass 4 500 Leute
von diesem Tarifvertrag betroffen sind. Und einen solchen
Tarifvertrag sollen wir für allgemeinverbindlich erklären? Da machen wir uns lächerlich und höhlen die Tarifautonomie in einer Weise aus, die sträflich ist. Da machen wir nicht mit.
({5})
Das stimmt genau mit den Meseberger Beschlüssen
überein. Die Bundeskanzlerin steht dazu. Deswegen ist
Ihr Angriff, Herr Kollege Wend, völlig unberechtigt, und
ich weise ihn zurück. Wenn es zu einem vernünftigen
Tarifvertrag, der mindestens 50 Prozent der Postbediensteten umfasst, kommt, dann kann dieser Tarifvertrag für
allgemeinverbindlich erklärt und damit in das Entsendegesetz aufgenommen werden. Aber das muss erst einmal
der Fall sein. Dieser Tarifvertrag ist nichts anderes als
ein Monopolverlängerungsvertrag und ein Wettbewerbsverhinderungsvertrag.
({6})
Dabei werden wir nicht mitmachen. Das kommt nicht infrage.
({7})
Ich möchte nicht, dass wir dieselben Verhältnisse, die
wir auch in anderen Bereichen haben, in denen es Monopole gibt, auch bei der Post weiter beibehalten. Ich
möchte Wettbewerb bei der Post haben. Dann wird es
zu neuen Dienstleistungen kommen. Die Telekom hat
zur Genüge bewiesen, was es bedeutet, wenn Wettbewerb eingeführt wird. Die Preise sind gesunken, und der
Service ist wesentlich besser geworden, als er früher in
diesem Lande war.
({8})
Diese Bundesregierung ist auf einem guten Weg. Wir haben es geschafft, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge
von 6,5 Prozent auf 3,3 Prozent fast zu halbieren. Lieber
Kollege Brüderle, da wäre Anerkennung besser als dieses
Gejammer, das ich eben hier hören musste.
({9})
Ihr Kollege Westerwelle hat am Wochenende davon
gesprochen, wir hätten keinen ordnungspolitischen Rahmen mehr und es gebe keine Ordnungspolitiker mehr.
Manchmal habe ich das Gefühl, er weiß nicht so genau,
wovon er redet.
({10})
Herr Brüderle, wir beide sind Rheinland-Pfälzer. Ich
habe einfach Folgendes gemacht: Ich habe mir die Zahlen
von Rheinland-Pfalz kommen lassen. Das ist nicht so
ganz schwierig. Die CDU war zwischen 1947 und 1990,
teilweise zusammen mit der FDP, an der Regierung. In
diesen Jahren wurden - inklusive der Wiederaufbauzeit 10 Milliarden Euro Schulden gemacht. Jetzt sind Sie
13 Jahre lang zusammen mit Kurt Beck an der Regierung. In diesen 13 Jahren haben Sie 14 Milliarden Euro
Schulden gemacht. Das zeigt, dass das ordnungspolitische
Verständnis Ihrer Partei nicht gut ausgebildet ist.
({11})
Mit 8,8 Prozent lag das Wirtschaftswachstum in der
Phase, in der Sie in Rheinland-Pfalz Wirtschaftsminister
waren, deutlich unter dem vieler anderer Bundesländer.
Die Zahl der Arbeitslosen ist in Ihrer Zeit als Wirtschaftsminister von 76 000 auf 147 000 angestiegen.
Wissen Sie, was dadurch für mich klar wird? Die FDP
taugt in einer Regierung nur dann etwas, wenn sie zusammen mit der CDU regiert.
({12})
Darüber sollten Sie einmal ein bisschen nachdenken.
Zu dem Sachverständigengutachten: Jeder nimmt sich
natürlich das heraus, was er braucht und was er hören
mag. Eines steht aber fest, lieber Kollege Brüderle: Wir
haben ein Wirtschaftswachstum, das relevant ist und
als solches zu bezeichnen ist.
({13})
In diesem Jahr wird das Wachstum bei mindestens
2,6 Prozent liegen. Gestern hat das Statistische Bundesamt die neuesten Zahlen dazu vorgelegt. Das Ergebnis
im dritten Quartal ist hervorragend. Trotz der widrigen
Weltkonjunkturlage - das wird sicherlich nicht besser werden wir auch im nächsten Jahr ein Wachstum zu verzeichnen haben.
({14})
Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass dieses Wachstum
verstetigt wird. Das weiß die Große Koalition. Daran
werden wir gemeinsam arbeiten. Ich bin ziemlich sicher,
dass uns das gelingen wird.
Wir haben mehr als 1,5 Millionen Arbeitslose weniger
als vor zwei Jahren. Das ist ein super Erfolg. Den lassen
wir uns auch von einer von Herbstdepressionen gezeichneten FDP nicht kaputt reden.
({15})
Die Kollegin Ute Berg spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war schon interessant, zu beobachten, wie Herr Fuchs seinen Wunschkoalitionär beschimpft hat.
({0})
Ich würde Herrn Brüderle jederzeit als Mensch in Schutz
nehmen. Wir haben uns kennengelernt. Er ist ein sehr
Netter. Als Politiker und Redner kann ich ihn aber nicht
in Schutz nehmen. Herr Brüderle, Sie haben eben wieder
gewütet und alles schwarzgemalt.
({1})
Das war Polemik pur. Das wissen alle, die Sie kennen.
Der Sachverständigenrat hat uns mit der Überschrift
des Gutachtens „Das Erreichte nicht verspielen“ im Prinzip ein Riesenkompliment gemacht. Er hat gesagt: Ihr
habt super viel erreicht, aber jetzt seid vorsichtig. - Sie
haben die Erfolge, die wir in der Vergangenheit hatten,
die von den Sachverständigen so hoch gelobt werden,
immer in die Tonne getreten. Deshalb kann ich das, was
Sie jetzt gesagt haben, absolut nicht ernst nehmen.
({2})
Zurück zum Gutachten der Sachverständigen. Der
Mannheimer Sachverständige, Professor Franz, kalauerte
bei einer Debatte über das Gutachten neulich: Prognosen
sind immer dann schwierig, wenn sie für die Zukunft
gemacht werden. Wie schwierig Zukunftseinschätzungen sind, hat der Sachverständigenrat schon häufig
selbst erlebt, wenn seine eigenen Prognosen durch die
Realität widerlegt wurden,
({3})
zum Beispiel kürzlich bei der Prognose zum Wirtschaftswachstum 2006. Der Sachverständigenrat ist von einem
Wachstum von 1 Prozent ausgegangen. Es wurden schließlich 3 Prozent. In seinem neuen Gutachten hat er sich
darüber überrascht gezeigt.
({4})
Das zeigt, dass das, was die Fünf Weisen verkünden,
nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist.
({5})
Ich sage das nur, um deutlich zu machen, dass wir nicht
jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen. Trotzdem
nehmen wir den Rat und die Mahnungen natürlich ernst.
Wir können aber Entwarnung geben: Wir setzen
durchaus nicht auf reine Wohlfühlpolitik, die Transferleistungen ausweitet und Schuldenabbau verhindert,
sondern weiterhin auf aktivierende Maßnahmen. Franz
Müntefering wurde hier häufig gelobt. Er ist zuständig
für eine ganze Menge von aktivierenden Maßnahmen
auf dem Arbeitsmarkt, die wir beschlossen haben und
selbstverständlich weiterführen werden. Wir setzen auch
weiterhin auf Haushaltskonsolidierung. Insofern kann
ich Sie durchaus beruhigen, Frau Scheel.
Natürlich freuen wir uns auch über das Lob, das der
Sachverständigenrat explizit der Regierung Schröder,
Herr Dobrindt, aber auch der jetzigen Regierung, an der
- wie jeder weiß - die SPD maßgeblich beteiligt ist, ausgesprochen hat. Besonders erfreulich ist die Aussage des
Sachverständigenrates, die Herr Wend eben schon zitiert
hat, dass unsere Reformen zu einer tiefgreifenden, nicht
nur zyklischen Erholung der Wirtschaft beigetragen haben.
In der Tat haben wir neben den Arbeitsmarktreformen,
die schon mehrfach erwähnt wurden, den Mittelstand
unterstützt, die Kommunen gestärkt, Forschungs- und
Entwicklungsausgaben erhöht und die Betreuungsangebote für Kinder ausgebaut. Das hat dazu geführt, dass
mehr Frauen erwerbstätig sein können, und diese Frauen
braucht die Wirtschaft ja nun dringend.
({6})
Nicht zuletzt haben aber auch die Tarifparteien mit den
moderaten und flexiblen Lohnabschlüssen der letzten
Jahre einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit
der deutschen Unternehmen geleistet.
({7})
„Das Erreichte nicht verspielen“, mahnen die Wirtschaftsweisen nun. Da können wir beruhigen: Das werden wir nicht tun. Aber es ist auch klar, dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten darauf achten
wollen und müssen, dass nicht Wenige viel und Viele
wenig verdienen.
({8})
Wir wollen alle Bürgerinnen und Bürger am Aufschwung beteiligen, auch diejenigen, die Vollzeit arbeiten
und bisher von dem Lohn für diese Arbeit nicht leben
können. Es kann und darf nicht sein, dass Menschen mit
Arbeitslosengeld II und einem Minijob mehr im Portemonnaie haben als Vollzeitbeschäftigte mit niedrigen
Löhnen. Mit dem Erwerbstätigenzuschuss wollen wir
daher Vollzeitstellen im Niedriglohnbereich attraktiver
machen. Es soll sich lohnen zu arbeiten.
Peter Bofinger, der schon mehrfach zitiert wurde,
wirbt in seinem Minderheitenvotum auch noch einmal
für den Erwerbstätigenzuschuss. Zusätzlich hinterfragt
er die ablehnende Haltung seiner Kollegen zu Mindestlöhnen. Seine Kollegen nehmen seiner Ansicht nach
bewusst in Kauf, dass Niedriglöhne noch weiter sinken.
Wir hingegen - das wurde nun schon hinreichend deutlich, nicht zuletzt in der Rede von Edelgard Bulmahn kämpfen für Mindestlöhne und sind in dieser Frage enttäuscht von unserem derzeitigen Koalitionspartner. Mir
hat noch niemand erklären können, Herr Fuchs, warum
fast alle anderen europäischen Länder ohne die von Kritikern an die Wand gemalten verheerenden Folgen für
die Volkswirtschaft Mindestlöhne einführen konnten,
nur wir in Deutschland nicht.
({9})
Hingegen sind wir mit den Koalitionspartnern einverstanden bzw. haben dies ganz massiv mit eingebracht,
dass eine Mitarbeitergewinn- und -kapitalbeteiligung
verstärkt möglich wird. Wir hoffen, dass wir in diesem
Bereich zu einem guten Ergebnis kommen werden.
Ich spreche einen weiteren Punkt an, der für die einzelnen Menschen, aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands von entscheidender Bedeutung
ist. Das ist der Bereich Ausbildung, Qualifizierung und
Bildung insgesamt. Dass das deutsche Bildungssystem
die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler unzureichend ausschöpft, ist hinlänglich bekannt. Zu wenig qualifizierte oder hochqualifizierte Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer kommen auf dem Markt an. Hier besteht
dringender Handlungsbedarf. Ich möchte das jetzt nicht
weiter ausführen, weil es jedem hier im Raum bekannt ist.
Gut qualifizierte Menschen suchen aber auch interessante und zukunftsweisende Arbeitsplätze, und die entstehen vor allem in innovativen Unternehmen. Deutsche
Unternehmen gehören zu den innovativsten in Europa.
Wissenschaft und Forschung in Deutschland gehören zur
Weltspitze. Die Produktion in forschungsintensiven Wirtschaftszweigen wächst deutlich schneller als in anderen
Bereichen. Ich nenne nur ein Beispiel: die Solarindustrie.
Die Produktion von Solarzellen in deutschen Fabriken
ist von 1998 bis 2005 um das 156-Fache gestiegen. Die
Umsätze mit deutscher Solartechnik haben sich von
1999 bis 2005 mehr als verzehnfacht. Heute arbeiten
etwa 42 500 Menschen in diesem Bereich.
Eine koordinierte Innovationspolitik ist notwendiger
denn je. Nur so können wir die großen Herausforderungen der Zukunft bewältigen, zum Beispiel den Klimawandel, eine finanzierbare Energieversorgung oder die
Bekämpfung von Krankheiten wie Alzheimer und Aids.
Wissenschaft, Wirtschaft und Politik müssen dabei
gezielt zusammenarbeiten. Kooperation und Vernetzung
sind Voraussetzungen für Erfolge.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Ja, ich komme zum Schluss. - Die Hightechstrategie
und die Exzellenzinitiative sind gute Beispiele für wirkungsvolle Kooperationen. Wenn wir in dieser Weise
weiter erfolgreich arbeiten, ist mir um den Standort
Deutschland nicht bange. Ich gehe davon aus, dass die
Wirtschaftsweisen uns dafür dann auch loben werden.
Vielen Dank.
({0})
Der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut
Schauerte hat jetzt das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
Sachverständigenrat hat ein Gutachten vorgelegt. Es hat
zwei Aussagen: Die Reformpolitik der Bundesregierung
der vergangenen Jahre zahlt sich in einer Reformdividende aus. Das Erreichte darf nicht durch Zurückdrehen
der Reformen verspielt werden. - Beiden Aussagen
stimmen wir seitens der Bundesregierung uneingeschränkt zu.
Was der Sachverständigenrat zur Entwicklung der
Wachstumsraten etc. sagt, stimmt mit dem überein, was
die Bundesregierung sagt. Wir haben von Anfang an - das
zeichnet diese Bundesregierung aus - moderate Schätzungen vorgelegt, weil wir uns lieber von der Wirklichkeit übertreffen lassen wollen, als dass wir uns nach unten korrigieren müssen.
In einer solchen Debatte, wie sie gerade geführt worden ist, geben am Ende die Ergebnisse einen wichtigen
Hinweis darauf, was richtig und was falsch war. Ich darf
im Telegrammstil auf ein paar Ergebnisse zu sprechen
kommen.
Im Vergleich zum Ende der letzten Regierung von
Rot-Grün unter Gerhard Schröder 1 Million Arbeitslose
weniger, 1 Million Beschäftigte mehr. 1,25 Millionen offene Stellen - so die Schätzung -; eine sensationelle
Zahl. Die Staatsquote sinkt von 47 Prozent in Richtung
von 45 Prozent. Die Neuverschuldung pendelt sich bei
null ein. Herr Schui, Ihre ganze Zahlenarithmetik zu der
Frage, was denn da tatsächlich gewachsen sei, ist falsch
und führt auch nicht zu dem Ergebnis, das Sie behaupten. Nur eine Zahl will ich nennen: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik liegt die Zahl der Erwerbstätigen bei nahe 40 Millionen.
({0})
Das ist die entscheidende Größe: Wie viel Menschen
sind in Arbeit? 40 Millionen! Das hatten wir noch nie.
Wie kommt das nun? Die Politik sollte sich nicht
überschätzen, aber auch nicht unterschätzen. Ich will
drei, vier Dinge nennen, die ganz wichtig waren, an denen die Politik aber nichts getan hat und bei denen die
SPD in dem einen oder anderen Punkt sogar dezidiert
anderer Meinung war.
Der elende Fehler der 35-Stunden-Woche ist beseitigt.
In Deutschland wird wieder länger gearbeitet. Der
Durchschnitt liegt bei nahe 40 Stunden die Woche.
({1})
Über den Weg der Veränderung haben wir die größte
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Volkswirtschaft erreicht; ich sage: mit unserer stillen
Unterstützung und gegen die Überzeugung sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik.
({2})
Die Effizienz ist erhöht worden; Sie haben gerade
darauf hingewiesen. Ich behaupte: Keine große Volkswirtschaft in Europa produziert so effizient wie Deutschland. Keine große Volkswirtschaft in Europa hat bei ihren
Produkten mittlerweile einen so hohen Innovationsanteil
wie Deutschland; das macht uns weltweit wettbewerbsfähig.
Das sind ganz wichtige Fakten, die ziemlich ohne
politische Beeinflussung zustande gekommen sind.
Deswegen ist der Streit darüber, ob das alles Schröder
zuzuschreiben war oder nicht, auch ziemlich müßig.
Lassen wir das einmal weg.
({3})
- Lieber Herr Stiegler, was das Verdienst der SPD angeht, habe ich eine zentrale Frage: Warum gab Gerhard
Schröder in der zweiten Wahlperiode nach drei Jahren
entnervt auf? Weil er glaubte, diesen Kurs mit Ihnen
nicht fortsetzen zu können!
({4})
Das war doch der Grund für die vorgezogene Neuwahl!
({5})
Er hat aufgeben müssen, weil er mit Rot und Grün kein
Durchkommen mehr sah.
({6})
Deswegen haben wir die Wahl vorgezogen. Müssen wir
das jetzt noch weiter vertiefen? - Wenn Ihnen das nicht
reicht, liebe Frau Andreae, sage ich noch: Solange RotGrün regierte - das galt erst recht zum Schluss -, waren
alle wichtigen Indikatoren, die etwas über die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft aussagen können, stark fallend.
({7})
Seitdem die Union in der Regierung ist - das gilt nicht
nur für Rheinland-Pfalz -, sind alle uns bekannten Indikatoren stark steigend. Das ist doch eine gute Bilanz.
Warum streiten wir uns also?
({8})
- Doch, das habe ich, und zwar mit allen Varianten. Das
Gutachten besagt zum Beispiel, Frau Scheel, dass Ende
des Jahres 2007 der Wirtschaftsstandort Deutschland
- das ist für die Zukunftsbetrachtung wichtig - wesentlich besser positioniert sein wird, als dies zur Zeit der
letzten Aufschwungphase der Fall war. Die Politik hat
mit zum Teil sehr weitreichenden Reformen auf den Feldern der Besteuerung, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherung zum wirtschaftlichen Comeback Deutschlands beigetragen. Eine ganz wesentliche Voraussetzung
dafür haben die Menschen geleistet.
({9})
Wir haben den Menschen etwas zugemutet. Es gab
stagnierende Einkommen
({10})
und keine Rentenerhöhungen. Jetzt geht es darum, die
Reformdividende, von der der Sachverständigenrat gesprochen hat, auszuschütten. Dazu will ich Ihnen ein
paar Zahlen nennen.
Eine Reformdividende ist in Maßen erstmals möglich,
ohne - das ist die eigentliche Kunst - die Zukunft zu
verspielen. Ich sage ganz nüchtern: In diesem Jahr gab
es Tarifrunden mit Abschlüssen in Höhe von 2 bis
4,5 Prozent. Der durchschnittliche Abschluss in diesem
Jahr betrug etwa 2,5 Prozent. Dies ist eine Reformdividende aufgrund der Anstrengungen der Menschen.
In diesem Jahr gibt es aufgrund der Systematik in der
Rentenversicherung erstmals wieder eine - wenn auch
geringe - Rentenerhöhung in Höhe von 0,5 Prozent. Im
kommenden Jahr kann die Steigerung möglicherweise
etwas höher, nämlich bei 1 Prozent, liegen. Auch das ist
ein Teil der Reformdividende. Auch ich hätte es lieber,
sie würde üppiger ausfallen. Aber noch sind die wirtschaftlichen Erfolge nicht so langanhaltend und stabil,
dass die Sprünge größer sein könnten.
Wenn wir unseren eingeschlagenen Kurs weiter verfolgen, dann wird die Reformdividende eine gewisse Beständigkeit aufweisen. Sie wird höher liegen können, als
dies bisher der Fall ist. Dafür lohnt es sich doch zu arbeiten. Die Erfolge darf man nicht kaputtreden. Wir freuen
uns über diese ersten Erträge, die sich jetzt ergeben, und
hoffen, dass wir den Kurs so fortsetzen können, dass sie
nicht nur Eintagsfliegen sind, sondern dass sie sich kontinuierlich zugunsten der Menschen in Deutschland weiterentwickeln. Es lohnt doch, daran zu arbeiten.
Ich komme noch ganz kurz zu den aktuellen Punkten,
die angesprochen worden sind. Es ging unter anderem
darum, wie man die Attacken ausländischer Staatsfonds
abwehren kann. Es ist besser, man brauchte in solchen
Fällen nicht einzugreifen. Das ist ungefähr vergleichbar
mit der Ministererlaubnis im Kartellrecht.
({11})
Es muss aber die Möglichkeit zum Eingreifen geben.
Wir arbeiten daran, einen gangbaren Weg zu finden. Ich
warne aber vor einer zu starken Normierung, was zu großen Abgrenzungsproblemen führen würde.
({12})
Das wird also nicht weiterhelfen. Es muss eine Möglichkeit zum schnellen und kurzfristigen Eingreifen geben,
wenn es Attacken von Staatsfonds auf für Deutschland
wichtige Bereiche gibt.
({13})
- Genau das ist der Punkt. Das muss man von Fall zu
Fall entscheiden. Es ist klüger, kein allzu enges Korsett
anzulegen
({14})
und dafür auf die Vernunft der Regierenden in dieser
Frage zu setzen. Ich halte das in einer offenen Gesellschaft für den einzig gangbaren Weg.
({15})
Jeder Versuch, alle Einzelheiten in einem Gesetzes- oder
Verordnungswerk regeln zu wollen, wird in die Irre führen.
({16})
Je weniger Leitplanken es gibt, umso seltener wird dies
der Fall sein. Eine kritische Öffentlichkeit wird schon
dafür sorgen, dass es solche Attacken nicht gibt.
Wir haben Gott sei Dank nur wenige Ministererlaubnisse gehabt. Alle Regierungen haben gewusst, dass das
ein hochgefährliches Instrument ist.
Nun zur Post. Wir greifen nicht in die Tarifautonomie
ein. Das ist der Grundsatz der Union. Wir wollen, dass
Mindestlöhne, sofern es sie gibt, nach den bekannten Regeln tariflich vereinbart werden, und nichts anderes.
({17})
Was wir nicht wollen können, Herr Stiegler,
({18})
ist, dass zu Beginn der Diskussion über Mindestlöhne
der Versuch unternommen wird - das ist der Anfang eines Prozesses, von dem ich nicht weiß, wo er enden
wird; ich kann es nicht übersehen -, im Prinzip zuzulassen, dass der Haustarif eines großen und dominanten
Wettbewerbers
({19})
zur Messlatte für einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn wird. Damit wird der Mindestlohn als ein Wettbewerbsverhinderungsinstrument missbraucht und sorgt
für das Fortbestehen eines Monopols.
({20})
Wenn wir das am Anfang zulassen, werden wir die Mindestlöhne verbrennen. Es wird mehr Schaden als Nutzen
stiften.
({21})
Unsere große Bitte an die Beteiligten ist - dann sind
wir voll bei dem, was wir in Meseberg beschlossen haben -: Setzt euch an den Tisch, findet einen einvernehmlichen,
({22})
gemeinsamen Mindesttariflohn, und ihr habt die Zustimmung der Union und der Regierung. Das ist unsere Einstellung zu diesem Thema.
Ich bedanke mich und wünsche Ihnen weiterhin einen
erfolgreichen parlamentarischen Tag.
({23})
Damit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/7112 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Bevor ich zu den nächsten Tagesordnungspunkten
komme, begrüße ich herzlich neben den Gästen aus dem
Inland auf unserer Tribüne auch eine Delegation der chilenischen Regierung. Herzlich willkommen hier bei uns!
({0})
Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 42 a bis 42 l,
42 n und 42 o sowie die Zusatzpunkte 2 a bis c auf:
42 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Otto
Fricke, Rainer Brüderle, Jens Ackermann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der Sozialisierung
- Drucksache 16/3301 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({1})
Rechtsausschuss
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fleischgesetzes
- Drucksache 16/6964 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({2})
Innenausschuss
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen
Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits zur Bekämpfung von
Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre finanziellen Interessen beeinträchtigen
- Drucksache 16/6965 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({3})
Rechtsausschuss
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Organisation des Bundesausgleichsamtes
- Drucksache 16/7079 Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss ({4})
Innenausschuss
Finanzausschuss
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur
Änderung des Fahrlehrergesetzes
- Drucksache 16/7080 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Martin
Zeil, Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
De-minimis-Beihilfen mittelstandsfreundlicher
ausgestalten
- Drucksache 16/3149 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({5})
Finanzausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer
Brüderle, Gisela Piltz, Martin Zeil, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Erwerbswirtschaftliche Betätigung der Kommunen durch eine Klarstellung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb eindämmen
- Drucksache 16/5963 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({6})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul
Schäfer ({7}), Dr. Gregor Gysi, Oskar
Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE
Keine deutsche Beteiligung an der Operation
Enduring Freedom in Afghanistan
- Drucksache 16/6098 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({8})
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael
Leutert, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Für die soziale Rehabilitation von Kindersoldaten eintreten
- Drucksache 16/6358 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({9})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Patrick
Döring, Hans-Michael Goldmann, Horst
Friedrich ({10}), weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP
Obligatorische Haftpflichtversicherung für gewerbliche Binnenschiffe beim Transport gefährlicher Güter
- Drucksache 16/6640 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({11})
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlef
Parr, Daniel Bahr ({12}), Heinz Lanfermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Regelung zur Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger praxisnah gestalten - Rechtssicherheit für substituierende Ärzte schaffen
- Drucksache 16/6795 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit ({13})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
l) Beratung des Antrags der Abgeordneten Patrick
Döring, Horst Friedrich ({14}), Joachim
Günther ({15}), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Abschaffung der Vorlagepflicht von Prüfbüchern - Modifikation der §§ 41, 42 der Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr
- Drucksache 16/6797 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({16})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
n) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2006
- Drucksache 16/3000 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({17})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
o) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sondergutachten des Sachverständigenrates
für Umweltfragen
Klimaschutz durch Biomasse
- Drucksache 16/6340
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0})
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
ZP 2 a)Erste Beratung des von den Abgeordneten Frank
Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuches
- Drucksache 16/4808 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit ({1})
Rechtsausschuss
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Entschädigung
von Telekommunikationsunternehmen für die
Heranziehung im Rahmen der Strafverfolgung ({2})
- Drucksache 16/7103 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({3})
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck ({4}), Irmingard Schewe-Gerigk, Monika
Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stärkung des parlamentarischen Fragerechts
- Drucksache 16/6789 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Es handelt sich hierbei um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 16/5963, Tagesordnungspunkt 42 g, soll federführend vom Rechtsausschuss beraten werden. Sind Sie damit einverstanden? Das ist der Fall.
Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 43 a
bis 43 m sowie dem Zusatzpunkt 3. Es handelt sich um
die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt 43 a:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung ({5}) zu dem Antrag
der Abgeordneten Patrick Döring, Hans-Michael
Goldmann, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Toxische Rückstände in Transport-Containern Herausforderung für Arbeits- und Verbrauchersicherheit
- Drucksachen 16/5612, 16/6812 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Margrit Wetzel
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6812, den Antrag der FDP auf
Drucksache 16/5612 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist diese Beschlussempfehlung mit Zustimmung der Großen Koalition und der Fraktion Die
Linke bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 b:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({6})
- zu der Verordnung der Bundesregierung
Achtzigste Verordnung zur Änderung der
Außenwirtschaftsverordnung
- Verordnung der Bundesregierung
Einhundertsechste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste
- Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - Drucksachen 16/6269, 16/6369 Nr. 2.1, 16/6382,
16/6487 Nr. 2.1, 16/6875 Berichterstattung:
Abgeordneter Erich G. Fritz
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6875, die Aufhebung der Verordnungen auf den Drucksachen 16/6269 und 16/6382
nicht zu verlangen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist
die Beschlussempfehlung bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke, keinen Enthaltungen und Zustimmung
des übrigen Hauses angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 c:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({7})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Laurenz
Meyer ({8}), Dr. Heinz Riesenhuber,
Veronika Bellmann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Rainer Wend, Martin Dörmann,
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Dr. Ditmar Staffelt, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD
Die Zukunft der deutschen Luftfahrtindustrie sichern
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Herbert
Schui, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Initiative Frankreichs aufgreifen - EADS
durch Kapitalerhöhung stärken und staatliche Sperrminorität sicherstellen
- Drucksachen 16/5908, 16/6395, 16/7049 Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Heinz Riesenhuber
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags der
Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/5908 mit dem Titel „Die Zukunft der deutschen
Luftfahrtindustrie sichern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Damit ist die Beschlussempfehlung bei Zustimmung
durch die Große Koalition, Gegenstimmen der Fraktion
Die Linke und Enthaltung bei Bündnis 90/Die Grünen
und FDP angenommen.
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 16/6395 mit dem Titel „Initiative Frankreichs aufgreifen - EADS durch Kapitalerhöhung stärken und staatliche Sperrminorität sicherstellen“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Zustimmung des übrigen Hauses angenommen.
Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.
Tagesordnungspunkt 43 d:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({9})
Sammelübersicht 297 zu Petitionen
- Drucksache 16/6946 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 e:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({10})
Sammelübersicht 298 zu Petitionen
- Drucksache 16/6947 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist ebenfalls einstimmig
angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 f:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({11})
Sammelübersicht 299 zu Petitionen
- Drucksache 16/6948 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Zustimmung von
SPD, CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Linken und bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 g:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({12})
Sammelübersicht 300 zu Petitionen
- Drucksache 16/6949 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 h:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({13})
Sammelübersicht 301 zu Petitionen
- Drucksache 16/6950 Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Enthaltung der
FDP und Zustimmung der übrigen Mitglieder des Hauses ebenfalls angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 i:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({14})
Sammelübersicht 302 zu Petitionen
- Drucksache 16/6951 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Ablehnung von
Bündnis 90/Die Grünen und Zustimmung des übrigen
Hauses angenommen. Es gab keine Enthaltungen.
Tagesordnungspunkt 43 j:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({15})
Sammelübersicht 303 zu Petitionen
- Drucksache 16/6952 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist die Sammelübersicht bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Zustimmung des übrigen Hauses ebenfalls angenommen.
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({0})
Sammelübersicht 304 zu Petitionen
- Drucksache 16/6953 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen der
FDP-Fraktion und Zustimmung des übrigen Hauses angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 l:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({1})
Sammelübersicht 305 zu Petitionen
- Drucksache 16/6954 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen von
Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke und
Zustimmung des übrigen Hauses angenommen.
Tagesordnungspunkt 43 m:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({2})
Sammelübersicht 306 zu Petitionen
- Drucksache 16/6955 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist bei Zustimmung durch
die Koalition und gegen die Stimmen der gesamten Opposition angenommen.
Zusatzpunkt 3:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Carsten
Müller ({3}), Ilse Aigner, Michael
Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René
Röspel, Jörg Tauss, Willi Brase, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der SPD
Stärkung europäischer Wettbewerbsfähigkeit -
ARTEMIS und weitere gemeinsame Technolo-
gieinitiativen sinnvoll gestalten
- Drucksache 16/7117 -
Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? -
Enthaltungen? - Der Antrag ist bei Gegenstimmen der
Fraktion Die Linke und Zustimmung im übrigen Haus
angenommen.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b
auf:
a) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({4}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten
Nationen im Sudan ({5}) auf Grundlage
der Resolution 1590 ({6}) des Sicherheitsrats
der Vereinten Nationen vom 24. März 2005
und weiterer Mandatsverlängerungen durch
den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/6940, 16/7141 Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Gert Weisskirchen ({7})
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller ({8})
- Bericht des Haushaltsausschusses ({9})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7165 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Lothar Mark
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
b) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({10}) zu dem Antrag der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur
- UNAMID - auf Grundlage der Resolution
1769 ({11}) des Sicherheitsrats der Vereinten
Nationen vom 31. Juli 2007
- Drucksachen 16/6941, 16/7143 Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Gert Weisskirchen ({12})
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller ({13})
- Bericht des Haushaltsausschusses ({14})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7163 Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Lothar Mark
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Ich weise Sie darauf hin, dass wir über beide Beschlussempfehlungen später namentlich abstimmen werden.
Es ist verabredet, über diesen Tagesordnungspunkt
eine Dreiviertelstunde zu debattieren. - Dazu höre ich
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile das Wort
der Kollegin Brunhilde Irber für die SPD-Fraktion.
({15})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Verhandlungen, die zu mehr Blutvergießen
führen, Flüchtlingslager, in denen jeder gegen jeden
kämpft, Hunger und Not, die kaum gelindert werden über die Lage im Sudan gibt es wenig Erfreuliches zu
berichten. Trotzdem möchte ich gerade deswegen darlegen, warum ich für die Verlängerung der deutschen Beteiligung an UNMIS und für die deutsche Beteiligung an
UNAMID eintrete.
Zunächst zum Süden. Die Situation im Südsudan ist
nach wie vor angespannt. Sie ist geprägt durch den Streit
über die Festlegung der Grenzlinie zwischen dem Nordund Südsudan und die Umsetzung des sogenannten umfassenden Friedensabkommens, des Comprehensive
Peace Agreement, vom Januar 2005. Präsident Baschir
hat zwar dem Abzug der nordsudanesischen Armee aus
dem Süden des Landes zugestimmt, doch faktisch hat
eine Truppenverstärkung stattgefunden. Vor allem die
Ölregionen des Südens befinden sich weiterhin unter seiner Kontrolle.
Darüber hinaus hat die SPLM, die wichtigste politische Kraft des Südsudan, ihre Minister aus der Regierung der Nationalen Einheit abgezogen. In Anbetracht
dieser Ereignisse überrascht es nicht, dass die Umsetzung des Friedensabkommens in wichtigen Aspekten
hinter dem Zeitplan geblieben ist.
Dennoch gibt es auch hoffnungsvolle Entwicklungen.
Der Aufbau von eigenen Verwaltungsstrukturen im
Südsudan schreitet voran. Teile der geflohenen Bevölkerung sind bereits in ihre Heimat zurückgekehrt. Die Region Kassala im Südosten des Landes gilt als befriedet.
UNMIS und mit ihr die derzeit im Sudan eingesetzten
Bundeswehrsoldaten haben hierzu einen entscheidenden
Beitrag geleistet. Dafür sage ich Dank an unsere Soldaten.
({0})
UNMIS bleibt als stabilisierendes Element unverzichtbar. Die für Februar 2008 geplante Volkszählung
muss abgesichert werden; denn ohne Zensus wird es
2009 keine Wahlen geben. Auch das Referendum, das
für 2011 geplant ist, wäre gefährdet. Deshalb wäre es fatal, wenn wir den Weg zum Frieden an dieser Stelle abbrechen würden. Es ist konsequent, wenn Deutschland
auf der Grundlage der Resolutionen 1590 und 1784 des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen das Mandat seiner Soldaten verlängert. Die Rahmenbedingungen des
Einsatzes bleiben unverändert.
In diesem Zusammenhang ist natürlich die Krisenregion Darfur zu sehen. Die Sicherheitslage dort hat sich
nicht verbessert. Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die
Geschehnisse vor Ort eingehen, um zu verdeutlichen,
welche Dimension die humanitäre Katastrophe im Sudan
hat. Schätzungen der UNO zufolge wurden in Darfur seit
2003 mindestens 2,3 Millionen Zivilisten vertrieben.
Rund 400 000 Menschen kamen ums Leben. John
Prendergast von der International Crisis Group hat die
Ereignisse in Darfur treffend auf den Punkt gebracht. Er
hat gesagt: „Sudan is Rwanda in slow motion.“
Deutschland hat auf die Ereignisse bereits reagiert
und in diesem Jahr rund 19 Millionen Euro für humanitäre Nothilfe in Darfur bereitgestellt. Hilfslieferungen allein bleiben aber wirkungslos, solange vor Ort Anarchie
und Willkür herrschen. Die Friedensmission der Afrikanischen Union, AMIS, hat die notwendige Stabilität und
Sicherheit nicht herstellen können. Die Realisierung des
Darfur-Friedensabkommens vom Mai 2006 scheint
heute weiter entfernt denn je.
Schlimmer noch, der Bürgerkrieg in Darfur ist ansteckend. Immer mehr Flüchtlinge landen in den Nachbarländern des Sudan: derzeit rund 230 000 im Tschad und
mehrere Zehntausend in der Zentralafrikanischen Republik. Mit ihnen kommen auch von Sudans Regierung unterstützte Milizen. Sie tragen den Flüchtlingen den ethnischen Krieg Darfurs hinterher.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nun an uns,
die wir seit Jahren ein Ende des Mordens und der Vertreibung in der Region Darfur fordern, unseren Worten
Taten folgen zu lassen.
({1})
Mit der Entscheidung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und des Friedens- und Sicherheitsrats der
Afrikanischen Union für UNAMID bietet sich nun endlich die Perspektive, dem Darfur-Friedensabkommen
Leben zu verleihen. UNAMID ist die zurzeit einzige
realistische Möglichkeit, politischen Druck auf die
Konfliktparteien auszuüben und sie wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.
Dazu wird UNAMID ab dem 1. Januar 2008 für zunächst zwölf Monate die Umsetzung des bestehenden
Friedensabkommens unterstützen und die laufenden
Friedensverhandlungen absichern. Für diese Aufgabe
steht UNAMID das größte Blauhelm-Kontingent in der
Geschichte der Vereinten Nationen zur Verfügung. Ab
dem 1. Januar des kommenden Jahres werden bis zu
19 555 Soldaten und über 3 770 Polizisten die Zivilbevölkerung vor Überfällen und Vertreibung schützen. Dafür hat der Sicherheitsrat UNAMID mit einem robusten
Mandat ausgestattet. Deutschland wird sich daran mit
bis zu 250 Soldaten beteiligen. Die Kosten von
2 Millionen Euro sind überschaubar.
Die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft
um eine Lösung des Darfur-Konflikts befinden sich in
einer entscheidenden Phase. Wenn ich „internationale
Gemeinschaft“ sage, meine ich nicht nur unsere Partner.
Auch wir sind Teil der internationalen Gemeinschaft.
Das heißt, wir müssen den Kriegstreibern im Sudan klarmachen, dass sie nicht unbeobachtet sind. Wir müssen
Sorge dafür tragen, dass die Vertreibungen im Sudan
nicht ohne Folgen bleiben. Wir müssen jetzt ein glaubhaftes Signal setzen, damit sich Präsident Baschir keinen
weiteren Wortbruch mehr leisten kann.
({2})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wird der Frieden im
Sudan in Anbetracht der komplexen Konfliktlage nicht
ein Wunschtraum bleiben? Werden wir den Menschen in
diesem Land, welches größer ist als Westeuropa, effektiv
helfen können? Sie erinnern sich sicherlich, dass wir uns
diese Fragen schon einmal gestellt haben, als es galt, die
Wahlen im Kongo abzusichern. Heute, über ein Jahr
nach den Wahlen, können wir sagen: Unser Einsatz im
Kongo hat sich gelohnt.
Ebenso muss es unser Interesse sein, den Sudan als
Ganzes zu erhalten und zu stabilisieren. Als eines der
größten Flächenländer Afrikas, umringt von acht weiteren Staaten, kommt dem Sudan für den Frieden und die
Stabilität in der gesamten Region eine Schlüsselrolle zu.
Deshalb bitte ich heute um breite Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Verlängerung des Mandats der
deutschen UNMIS-Soldaten im Südsudan und für die
Beteiligung deutscher Soldaten an der AU/UN-HybridMission UNAMID in Darfur.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Marina Schuster spricht jetzt für die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Eines schicke ich gleich vorweg: Die FDPFraktion wird heute beiden Mandaten zustimmen. Meine
Kollegin Elke Hoff wird später auf das UNMIS-Mandat
eingehen, ich jetzt nur auf das UNAMID-Mandat. Gerade das UNAMID-Mandat erfüllt mich mit großer
Sorge. Wir alle hier wissen, dass diese Sorge aus mehreren Gründen berechtigt ist.
Erstens. Der Zeitplan für die UNAMID-Mission, aber
auch die Truppensteller stehen nach wie vor nicht fest.
Außerdem hat das Regime in Khartoum jetzt wieder angekündigt, es wolle doch nur eine rein afrikanische
Truppe akzeptieren.
Zweitens. Ich warne nochmals vor den logistischen
Herausforderungen; in der Plenardebatte letzte Woche
wurden diese auch angesprochen. Es gibt bereits jetzt
zahlreiche Probleme vor Ort. Der Tagesspiegel hat das in
einem Bericht über das geplante Hauptquartier in al-Faschir
sehr eindringlich geschildert. Der Bericht zitiert Aussagen von Soldaten der Vorhut:
„600 Leute in drei 100-Mann-Zelten. Kein Platz,
keine Planung, keine Logistik“ … „Jede einzelne
Schraube und jede Flasche Wasser muss da hingebracht werden“ …
Das verdeutlicht ein wesentliches Problem: den
Transport. Darfur ist so groß wie Frankreich und verfügt
quasi über keine Infrastruktur. An Transport- und auch
Kampfhubschraubern fehlt es aber nach wie vor. 30 sollen es mindestens sein. Bisher ist aber noch kein einziger
zugesagt.
Man muss kein Hellseher sein, um sagen zu können:
Voll einsatzbereit wird das Mandat bis zum 31. Dezember dieses Jahres nicht sein. Dabei sind gerade die Erwartungen der Flüchtlinge vor Ort, aber auch die der
internationalen Gemeinschaft sehr hoch. Der UNAMIDKommandeur, General Martin Agwai, hat in einem Interview bereits davon gesprochen, dass die Erwartungen
an dieses Mandat wahrscheinlich zu hoch sind.
Wir alle hoffen, dass durch das langerwartete robuste
Mandat endlich die Sicherheit und der Schutz der Zivilbevölkerung gewährleistet werden. Wir dürfen aber eines nicht vergessen: Das UNAMID-Mandat ist nur ein
Baustein auf dem Weg zu einem friedlichen Darfur. Vor
allem dürfen wir nicht blauäugig sein: Ein breit angelegtes Friedensabkommen gibt es nicht. Das DPA wurde
nur von einer Rebellengruppe unterzeichnet, und wir
wissen, dass die Zersplitterung weitergeht.
Ich fordere die Bundesregierung auf, sich politisch
einzusetzen, statt sich hinter AU- und UN-Zuständigkeiten zu verstecken.
({0})
Wenn wir uns finanziell beteiligen und vor allen Dingen
Soldaten dorthin schicken, dann haben wir eine große
Verantwortung zu tragen. Wir haben die Verantwortung,
unsere Soldaten entsprechend auszustatten. Die internationale Gemeinschaft muss verhindern, dass dieses Mandat, dieser Hoffnungsstrang, zum Waterloo für die Vereinten Nationen wird.
Vielen Dank.
({1})
Nächster Redner ist der Kollege Eckart von Klaeden
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir beschließen heute die Beteiligung deutscher
Streitkräfte an zwei Missionen der Vereinten Nationen
im Sudan: an UNMIS und UNAMID. Grundsätzlich
stellt sich zunächst die Frage, warum der Sudan für uns
ein so wichtiges Land ist. Sudan ist der größte Flächenstaat Afrikas. Sudan ist das Scharnier zwischen der afrikanischen Welt und der arabischen Welt. Sudan ist ein
Land mit großen Energieressourcen. Sudan ist aber auch
ein Land, das inzwischen seit Jahrzehnten von Bürgerkriegen heimgesucht wird.
Der Beschluss vom heutigen Morgen zur Verlängerung des OEF-Mandats hat gezeigt, dass ein Zusammenbruch des Sudan bzw. eine weitere chaotische Entwicklung in diesem Land auch im Nahen und Mittleren Osten
zu tektonischen Erschütterungen führen kann. Deswegen
sind die Herstellung von Stabilität und die Verbesserung
der Lage im Sudan für uns und unsere Sicherheit von besonderer Bedeutung.
Der Konflikt im Südsudan ist eine der längsten und
gewalttätigsten Auseinandersetzungen in Afrika. Dem
Anfang der 80er-Jahre ausgebrochenen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd fielen mehr als 2 Millionen Menschen zum Opfer, meist südsudanesische Zivilisten;
4 Millionen Südsudanesen wurden vertrieben. Der erste
Bürgerkrieg von 1955 bis 1972 hatte bereits schätzungsweise 500 000 bis 700 000 Todesopfer gefordert.
Das Friedensabkommen aus dem Jahre 2005 wird leider nicht so umgesetzt, wie wir es uns wünschen; darauf
hat die Kollegin Irber schon hingewiesen. Das liegt insbesondere daran, dass das Regime in Khartoum seine
Zusagen nicht einhält. Damit dieser Konflikt nicht wieder ausbricht, ist es erforderlich, dass die Einhaltung dieses Friedensabkommens weiterhin im Rahmen von
UNMIS überwacht wird. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich daran mit 75 Soldaten.
Vor UNMIS liegen große Aufgaben. Im Jahr 2011
soll ein Referendum über die Unabhängigkeit des Südens vom Norden durchgeführt werden. Es spricht wenig dafür, dass der Norden den ölreichen Süden ohne
Weiteres ziehen lassen wird. Auch die Parlamentswahlen, für das Jahr 2009 vorgesehen, werfen ihre Schatten
voraus. Dafür braucht man zum einen eine Volkszählung
und zum anderen ein Wahlgesetz. Zur Erarbeitung dieses
Wahlgesetzes ist wiederum die Kooperation des Regimes in Khartoum erforderlich.
Ich will ganz deutlich sagen: Sollte Khartoum trotz
der jetzt zögerlich erteilten Zustimmung zur UNAMIDMission dabei nicht kooperieren, muss die Verhängung
weiterer Wirtschaftssanktionen im Rahmen des Möglichen bleiben. Mit UNAMID soll das Engagement der
Afrikanischen Union in Darfur unterstützt werden. Ziel
ist und bleibt, das Darfur-Friedensabkommen umzusetzen, mit dem der Bürgerkrieg in Darfur, dem seit 2003
mehr als 200 000 Menschen zum Opfer gefallen sind
und der für etwa 2,5 Millionen Flüchtlinge verantwortlich ist, beendet werden soll. Doch auch hier - darauf haben meine Vorredner schon hingewiesen - zeichnet sich
ab, dass das Abkommen nicht so eingehalten wird, wie
es erforderlich ist.
Die Friedensgespräche, die vor wenigen Wochen im
libyschen Sirte stattgefunden haben, müssen wohl als
gescheitert gelten. Es ist erforderlich, dass vor allem die
größten und wichtigsten Rebellengruppen an den weiteren Verhandlungen teilnehmen, die für Mitte Dezember
vorgesehen sind.
Die Lage in Darfur ist außerordentlich unübersichtlich. Das beginnt schon mit der Zahl der Rebellengruppen: Mal ist von 20, mal von 40 Gruppen die Rede, und
es gibt nicht nur den Konflikt zwischen den Rebellen auf
der einen und der Regierung in Khartoum auf der anderen Seite, nein, die Rebellengruppen bekämpfen sich
auch untereinander. Gerade diese unübersichtliche Lage
ist der Grund dafür, dass die Menschen in dieser Region
so leiden müssen.
Diese unübersichtliche und schreckliche Lage verpflichtet die Vereinten Nationen, einzugreifen, und verpflichtet auch uns, zu helfen. 26 000 Soldaten und Polizisten sowie 5 500 zivile Kräfte aus über 50 Ländern
sollen an UNAMID beteiligt sein. Deswegen ist es richtig und gut, dass sich auch Deutschland mit 250 Einsatzkräften beteiligen wird. Dabei handelt es sich um
Einzelpersonal in Stäben, Experten mit Verbindungs-,
Beratungs- und Unterstützungsaufgaben sowie um
Kräfte, die im Rahmen der Lufttransportunterstützung
tätig werden sollen.
UNAMID ist mit einem robusten Mandat nach
Kap. VII der VN-Charta ausgestattet: Die Einsatzkräfte
haben zur Durchsetzung ihrer Aufträge auch das Recht
zur Anwendung von Gewalt sowie die Befugnis zur
Wahrnehmung des Rechts auf bewaffnete Nothilfe. Bei
UNAMID wird es sich um die größte derzeitige Mission
der Vereinten Nationen handeln. Sie muss gelingen, allen Widrigkeiten zum Trotz.
Wir müssen also mehr tun, damit ein Flächenbrand in
der Region und weitere Flüchtlingsströme verhindert
werden können.
Schon jetzt sind die Nachbarländer des Sudan von
dem Konflikt betroffen: Zum Schutz der Lager im
Tschad, in denen sich circa 230 000 aus Darfur Vertriebene aufhalten, und weiterer 48 000 Flüchtlinge, die sich
in der Zentralafrikanischen Republik aufhalten, hat der
VN-Sicherheitsrat auch eine internationale Präsenz in
diesen beiden Ländern mandatiert; sie besteht aus einer
ESVP-Mission sowie einer Polizeimission der Vereinten
Nationen und des Tschad.
Auf einen bereits am Anfang erwähnten Punkt will
ich noch einmal eingehen: auf die großen Energieressourcen im Sudan, vor allem was die Ölvorkommen angeht. Diese Vorkommen machen den Sudan geradezu zu
einem Tummelplatz ausländischer Unternehmen. Das ist
wieder einmal ein Beispiel dafür, dass reiche Rohstoffvorkommen für Länder in Afrika häufig nicht ein Segen,
sondern ein Fluch sind.
In diesem Zusammenhang wird immer wieder zu
Recht auf die Rolle Chinas hingewiesen. In der Tat:
China hat aufgrund seines ständig steigenden Energiebedarfs ein großes Interesse an den sudanesischen Ölfeldern, und es hat zu lange gedauert, bis China und auch
Russland bereit waren, härtere Sanktionen gegen das sudanesische Regime zu verhängen. Doch inzwischen
musste auch China - wenn auch zögerlich - erkennen,
dass Willkür, Korruption und mangelnde Rechtssicherheit im Sudan auch seinen Interessen abträglich sein
können. Nicht zuletzt dieser späten Einsicht Chinas ist es
zu verdanken, dass Khartoum der AU/VN-Hybridmission nach langem Sträuben zugestimmt hat.
({0})
Das kann aber nur ein erster Schritt sein. Wir sind,
wie bereits beschrieben, noch lange nicht am Ziel: der
Befriedung des Sudan. Aus diesem Grunde müssen wir
beide VN-Missionen unterstützen. Ein zerfallender Staat
Sudan hätte furchtbare, folgenschwere Auswirkungen,
nicht nur für Afrika und die arabische Welt, für unsere
Nachbarregionen, den Nahen und Mittleren Osten auch wir würden die Folgen dieser tektonischen Erschütterung zu spüren bekommen. Meine Fraktion wird daher
beiden Anträgen zustimmen.
({1})
Nun hat Dr. Norman Paech für die Fraktion Die Linke
das Wort.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Seit Jahren reden wir an diesem Ort darüber,
wie wir dem zerrissenen und verwüsteten Land Sudan
eine friedliche und sichere Zukunft garantieren können.
Das Ergebnis ist immer das Gleiche: Es wird der Einsatz
des Militärs gefordert. Die Mandate werden verlängert,
und jetzt wird sogar der größte Militäreinsatz der UNO
überhaupt vorbereitet.
Sie meinen immer noch, dass das der richtige Weg ist.
Wir sagen Ihnen aber: Das ist ein Scheitern der Politik
und wird die Situation im Sudan nicht verbessern;
({0})
denn der Schutz von Menschen durch das Militär kann,
wenn das überhaupt möglich ist, immer nur von kurzer
Dauer sein. Langfristig führt der Einsatz von Militär immer nur zu Destabilisierung, zu Zerstörung der sozialen
Strukturen und zu immer mehr Gewalt und weiteren Toten.
Sie beteuern dann immer wieder, dass es politischer
und ziviler Kräfte zur Lösung dieses Konfliktes bedarf.
Wo sind sie? Außer den zahllosen humanitären Organisationen, die die äußerste Not zu bekämpfen versuchen,
sehe ich keine weiteren Kräfte. Es gibt keinen zivilen
Einsatz, der dem Aufwand des Militärs in irgendeiner
Weise vergleichbar ist.
Sie berufen sich auf den Friedensvertrag von 2005,
der unter starkem Druck der USA geschlossen wurde
und dessen Einhaltung die UNMIS nun zu überwachen
und zu sichern hat. Wir können doch nicht übersehen,
dass durch diesen Vertrag die Abspaltung des Südens
vom Norden faktisch vorbereitet wird. Die jüngsten
Spannungen, die erneute Eskalation der Gewalt und
auch die Blockade des Friedensprozesses sind doch gerade Ergebnisse dieses verfehlten Vertrages. Die wiederaufkeimende Gewalt kann durch UNMIS zwar zeitweilig unterdrückt, aber nie dauerhaft beseitigt werden.
UNMIS wird vielmehr - das befürchten wir - zu einer
Partei im Sezessionskonflikt, in dem es schließlich um
eine heftige Konkurrenz mit China um die Ölressourcen
im Süden dieses Landes gehen wird.
Deswegen können wir diesen Konflikt nicht isoliert
und als internes Problem des Sudans sehen. Warum haben die USA nämlich ein neues afrikanisches Militärkommando - AFRICOM genannt - gegründet, welches
alle militärischen Aktivitäten vom Horn von Afrika bis
zum Golf von Guinea koordinieren soll? Das geschah
doch nicht, um dort Frieden herzustellen und Menschenrechte zu sichern. Machen wir uns doch nichts vor: In
der ganzen Region geht es um strategische Rohstoffinteressen.
({1})
Sudans Nachbar Äthiopien - das dürfen wir nicht vergessen - hat seinen Nachbarn Somalia mit Unterstützung
der USA - man kann sogar sagen: auf Anregung - überfallen und bietet sich jetzt als Standort für AFRICOM
an. So legitim Rohstoffinteressen auch sind: Das Militär
hat sich da herauszuhalten.
({2})
Damit komme ich zum zweiten Mandat, zur neuen
Mission UNAMID für das verwüstete Darfur. Es mag
Ihr Gewissen und das Gewissen vieler beruhigen, mit
diesem Mandat wieder etwas getan zu haben. Ich sage
Ihnen aber voraus: Auch dieses gewaltige Militärkontingent wird an der desolaten Situation substanziell nichts
ändern. Blicken Sie doch einmal in den Kongo.
Es ist schon lange kein Krieg der Rebellen von Darfur
gegen die Zentralregierung in Khartoum mehr. Die Zahl
der Rebellengruppen ist unübersehbar geworden. Sie
kämpfen allmählich gegeneinander. Der Friedensvertrag
von Abuja ist vollkommen unzureichend, und die Konferenz in Libyen ist ergebnislos geblieben. Warum? Die
wichtigsten Rebellengruppen nahmen daran gar nicht
mehr teil. Stattdessen haben sie sich zusammengefunden, um die Unabhängigkeit Darfurs vom Sudan zu planen. Das ist unsere Sorge: Wir befürchten die Trennung
Darfurs vom Sudan unter dem Schutz der UNO-Truppen, selbst dann, wenn sie dies niemals gewollt haben.
Was fehlt und was die Linke fordert, ist ein umfassendes politisches Konzept zur Unterstützung des Friedensprozesses. Wir fordern die Aufnahme von neuen Friedensverhandlungen und ein umfassendes Programm für
den Wiederaufbau dieser Region.
({3})
Nur so kann die Einheit des Landes gewahrt werden.
Wenn Sie alle Mittel, die Sie nun wieder in ein militärisches Mandat stecken, für ein großes ziviles Friedensund Wiederaufbauprogramm bereitstellten, hätten Sie
unsere ungeteilte Zustimmung; denn uns trennt doch
nicht die Sorge um die Menschenrechte und das kriegszerrissene Land,
({4})
sondern die Mittel, mit denen Sie jetzt diesem Land und
den dort lebenden Menschen zu Leibe rücken. Dafür bekommen Sie die Zustimmung der Linken nicht.
Danke schön.
({5})
Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Kerstin Müller
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Paech, ich will kurz auf das eingehen, was
Sie zuletzt gesagt haben. Sie fordern eine umfassende zivile Mission für Darfur. Sie kommen sehr pazifistisch
daher. Aber ich frage mich wirklich, wie Sie in einer Situation, in der wir es mit einem schleichenden Völkermord und Massenvergewaltigungen zu tun haben, in der
aus der Luft bombardiert wird, in der also Krieg
herrscht, mit einem ausschließlich zivilen Programm
überhaupt eine Wirkung erzielen wollen. Nötig ist doch,
zuerst die Gewalt einzudämmen und die Menschen zu
schützen, die heute noch nicht einmal in den Flüchtlingslagern Schutz haben.
({0})
Sie basteln sich quasi die Mandate so, wie es in Ihre
Friedensrhetorik passt. Dass UNMIS die zivile Komponente fehle, ist absurd. Deutschland zum Beispiel stellt
im Höchstfall 75 unbewaffnete Beobachter zur Verfügung. Ein großer Teil dieser Mission findet zwar in Uniform statt, ist aber für die Flüchtlingsrückkehr und humanitäre Fragen zuständig. Ich frage Sie: Was hat die
Bereitstellung von unbewaffneten Beobachtern im
Südsudan, die unter schwierigsten Bedingungen einen
Friedensdienst leisten, mit Krieg und mit Militarisierung
zu tun? Was Sie sagen, ist nichts anderes als Rhetorik
und hat mit der Lage vor Ort nichts zu tun.
({1})
Man kann meinen Ausführungen unschwer entnehmen, dass meine Fraktion den Mandaten für UNMIS und
UNAMID zustimmen wird, und zwar UNMIS, weil sie
zur Stabilisierung des fragilen Nord-Süd-Friedensabkommens unabdingbar ist, und im Hinblick auf Darfur,
weil wir uns schon lange für eine robuste UNO-Friedensmission gerade zum Schutz der Menschen vor Gewalt einsetzen. Allerdings, Herr Außenminister, dürfen
wir uns nicht damit zufriedengeben - darüber haben wir
im Ausschuss eine Debatte geführt -, dass UNAMID ab
dem 1. Januar 2008 offiziell die Verantwortung für die
Sicherheit der Menschen übernimmt; denn die tatsächliche Stationierung wird sich - das war heute wieder von
der UNO zu vernehmen - mindestens bis Mitte 2008
hinziehen. Der Generalsekretär der UNO, Ban Ki-moon,
und der Chef des DPKO, Herr Guéhenno, haben noch
einmal vor Verzögerungen bei der UNAMID-Stationierung gewarnt, weil bislang zu wenige Länder bereit sind,
Truppen zu stellen.
Herr Kollege Fischer, Sie haben in der letzten Debatte
dazu gesagt: Wenn wir ein weiteres Jahr debattieren - und
sei es auf UNO-Ebene -, dann hat die Weltgemeinschaft
wieder einmal bei einem Krisenherd versagt. - Ich
stimme Ihnen ausdrücklich zu.
({2})
Diese UNO-Mission braucht eine stärkere Unterstützung
der internationalen Gemeinschaft. Ich fordere die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den europäischen Partnern noch einmal darüber zu beraten, wie der Mission
schnellstmöglich zum Beispiel die fehlenden 24 Transport- und Kampfhubschrauber sowie Spezialeinheiten
zur Verfügung gestellt werden können. Herr Guéhenno
hat heute gesagt: Wenn das nicht passiert, dann droht die
Mission zu scheitern. - Das darf natürlich nicht passieren. Nach langem Ringen hat sich die internationale Gemeinschaft endlich zu einer robusten Friedenstruppe
durchgerungen. Sie darf nicht daran scheitern, dass es zu
wenige Länder gibt, die bereit sind, Truppen für diese
Mission zu stellen. Als internationale Gemeinschaft sind
wir dazu verpflichtet.
({3})
In Darfur - das richte ich auch an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken - ist ein Dreiklang von
Friedensgesprächen, Waffenstillstand und Friedensmission notwendig. Einige Rebellenorganisationen kehren
deshalb nicht mehr an den Verhandlungstisch zurück,
weil sie wollen, dass zuerst die UNO-Truppe ins Land
kommt, um die Flüchtlinge und die Bevölkerung zu
schützen.
Aber nicht nur die Verzögerung auf internationaler
Ebene, sondern auch das Verhalten der sudanesischen
Regierung führt zurzeit dazu, dass die Stationierung nur
schleppend vorankommt. Sie spielt wieder einmal Katz
und Maus mit der internationalen Gemeinschaft. Heute
zum Beispiel hat das DPKO gemeldet, dass der Sudan
die Kontingente aus Thailand, Nepal und Skandinavien
nicht akzeptiert.
Wir müssen uns, glaube ich, noch einmal die Erfahrungen mit dem Regime in Khartoum in den letzten Monaten und Jahren in Erinnerung rufen. Die Zusagen sind
nichts wert. Es reicht nicht, dass die Regierung seinerzeit
der UNAMID-Mission zugestimmt hat. Deshalb appelliere ich an die Bundesregierung und uns alle: Auch hier
ist die internationale Gemeinschaft nur dann glaubwürdig, wenn wir den Druck auf die sudanesische Regierung, die die Mission offensichtlich nicht will, aufrechterhalten, damit sie die Stationierung nicht hintertreibt.
Das dürfen wir alle gemeinsam nicht zulassen.
Kerstin Müller ({4})
({5})
Wir brauchen eine entschlossenere internationale Gemeinschaft, die bereit ist, Konflikte in Afrika nicht einfach treiben zu lassen, und die sich von der sudanesischen Regierung nicht immer wieder an der Nase
herumführen lässt. Wir brauchen eine internationale Gemeinschaft, die bereit ist, sich dauerhaft für den Frieden
in Darfur und im Südsudan zu engagieren und dazu auch
erhebliche Mittel in den Friedensprozess und den Wiederaufbau zu investieren.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. - Ich möchte noch auf das
CPA und den Südsudan eingehen. Herr von Klaeden, Sie
haben zu Recht darauf hingewiesen, dass bei einem
Scheitern des Nord-Süd-Abkommens das Auseinanderfallen des Sudan mit unabsehbaren Konsequenzen - auch
für Europa - droht. Dann ist mit einer Destabilisierung
der gesamten Region zu rechnen. Deshalb müssen wir
auch das verhindern.
Ich erinnere daran, dass die internationale Gemeinschaft die Garantiemacht für das Nord-Süd-Abkommen
übernommen hat. Zurzeit ist sie aber ein zahnloser Tiger.
Auch dabei ist es unsere Pflicht, Druck auf die Regierung in Khartoum auszuüben und darauf zu drängen,
dass das CPA Schritt für Schritt umgesetzt wird, damit es
nicht aufgrund von Verzögerungen und Taktiererei
scheitert. Das hätte in der Tat unabsehbare Folgen, und
zwar nicht nur für das Horn von Afrika, sondern auch für
Europa.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat nun der Kollege Jörn Thießen für die
SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jedes Mal, wenn der Kollege Paech eine Rede im Deutschen Bundestag hält, beschleicht mich die deutliche
Anmutung, dass seine Welt in Hamburg beginnt und in
Bremerhaven aufhört. Das sind schöne Städte, aber sie
haben mit der Weltlage wenig zu tun.
({0})
In Darfur - das wird in diesem Hause oft beklagt herrscht ein furchtbarer und blutiger Konflikt. Das gilt
aber auch für große Teile der Geschichte des Südsudan.
Die Kolleginnen Hoff und Mogg und ich haben uns persönlich im Südsudan davon ein Bild gemacht. Wir haben
uns auch ein Bild gemacht, wie erfolgreich sich die Vereinten Nationen dort sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich einsetzen. Insofern gebührt den deutschen Soldatinnen und Soldaten und den Vereinten
Nationen unser hoher Respekt für ihre Arbeit unter besonders schwierigen Bedingungen.
({1})
Wir haben bereits Militärbeobachter eingesetzt. Wir
müssen den anstehenden Dreiklang bedenken und begleiten. Volkszählung, Referendum und Wahlen sind
richtige Schritte in dieser furchtbar gebeutelten Region.
Ob wir eines Tages vor der Situation stehen, dass sich
der Sudan teilen will, ist in der Tat eine Schwierigkeit,
der wir begegnen wollen, Frau Kollegin Müller. Das ist
aber nicht mit weniger Engagement möglich; notwendig
ist vielmehr ein verstärktes Engagement. Deshalb ist das,
was wir beschließen wollen, vollständig und richtig.
({2})
Der Beitrag der Hybridmission kommt viel zu spät.
Von diesem Ort hier ist viel zu lange ohne großen Druck
beklagt worden, wie schwierig die Situation im Sudan
ist. Es ist richtig, dass wir jetzt tun, was wir tun können.
Deswegen begrüßt die Fraktion der Sozialdemokraten,
dass jetzt im Sicherheitsrat auch eine Einigung mit
China herbeigeführt werden konnte. Wir wissen, China
ist notwendig, um Druck auf Khartoum auszuüben. Wir
wissen aber auch, dass China massive Interessen in dieser Region hat. Wir sind das Gegenteil von naiv. Wir
werben darum, China als internationalen Partner ernst zu
nehmen und China zu ermutigen, in diese Sicherheitsarchitektur mit eigener Autorität einzusteigen.
Die frühere Mission der Afrikanischen Union litt darunter, kein robustes Mandat zu haben. Sie hat Morden
und Vergewaltigungen tatenlos zugesehen; sie war völlig
überfordert. Die jetzige Aktion der UNAMID unterstreicht die Einsicht, dass afrikanische Angelegenheiten
federführend von Afrikanern geleitet und geregelt werden müssen. Aber bei dem, was sie nicht schaffen können, muss Hilfe geleistet werden. Deshalb übernimmt
die Hybridmission den schwierigen Auftrag von AMIS
und versieht ihn mit einem deutlich stärkeren Rückhalt
der internationalen Völkergemeinschaft. Diese zwei
Mandate sind der richtige Weg, zu dem Deutschland mit
Recht Ja sagt.
Zur Flankierung der deutschen Beteiligung an den
Operationen wäre es sinnvoll, an die deutsche Botschaft
in Khartoum einen eigenen Militärstab zu entsenden,
Herr Minister. Die Begründung des Bundesministeriums
der Verteidigung, warum Sie das nicht wollen, habe ich
- mit Verlaub - nicht verstanden. Ich bitte erneut, das zu
bewerten, um unser gemeinsames Ziel zu erreichen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
({3})
Das Wort hat nun die Kollegin Elke Hoff für die FDPFraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich freue mich sehr, dass wir heute wieder
einmal die Gelegenheit haben, unseren Soldaten, die vor
Ort im Sudan ihren Dienst als unbewaffnete Militärbeobachter tun, von Herzen zu danken. Denn das, was
sie in diesem spannungsgeladenen Bereich unbewaffnet
tun, verdient wirklich ein Kompliment und großes Lob.
Ich hoffe sehr, dass die Soldaten, die dort ihren Dienst
tun, nicht zu unseren vergessenen Soldaten gehören,
sondern unsere Anerkennung und unseren Respekt haben.
({0})
Auch meine Fraktion wird der Mandatierung von
UNMIS zustimmen. Wir werden UNMIS nicht nur deshalb zustimmen, weil sie eine militärische Komponente,
sondern auch deshalb, weil sie eine wichtige politische
Komponente hat. Wir nähern uns immer mehr dem
Punkt, an dem die Einlösung genau dieses Teils der Mission einen wesentlichen Aspekt unserer politischen
Handlung betreffen wird.
Wir werden in nächster Zeit im Sudan ein Referendum und Wahlen erleben.
Ich bin der festen Überzeugung, dass dazu auch die
Bundesregierung einen Beitrag, der über den militärischen Beitrag hinausgeht, leisten muss. Es gibt zunehmende Spannungen im Süden. Wenn die Implementierung des CPA nicht funktioniert, wird dies auch
Auswirkungen auf die Umsetzung des Darfur Peace
Agreement haben. Wen sollen wir, die internationale Gemeinschaft, davon überzeugen, dass die Schaffung von
Frieden in Darfur durch unsere Aktivitäten wichtig ist,
wenn wir diesen wichtigen Bereich des CPA vergessen?
({1})
Wir müssen mehr Anstrengungen unternehmen, diesen Prozess zu begleiten. Die Vorbereitung der Volkszählung, die Vorbereitung des Referendums, die Vorbereitung zur Schaffung eines Wahlgesetzes und
Einrichtung einer Wahlkommission sind nach meiner
Auffassung - auch nach den Erfahrungen, die ich vor
Ort gemacht habe - eine der vordringlichsten Aufgaben,
die Deutschland begleiten kann.
Wer nach Juba reist, wird sehen, dass in dieser Stadt,
die der Sitz der südsudanesischen Regierung ist, keine
Entwicklung stattgefunden hat. Es gibt keine Infrastruktur und keine Straßen. Es fällt immer schwerer, die Menschen davon zu überzeugen, dass das internationale
Engagement über den militärischen Beitrag hinaus zur
Verbesserung der Situation der Menschen beiträgt. Deshalb lautet unser Appell an die Bundesregierung, darüber nachzudenken, allmählich einen Dialog mit Vertretern der Verantwortlichen in Khartoum einzuleiten. Nur
so können wir gemeinsam nach Wegen suchen, die nicht
zu militärischer Eskalation führen. Wenn man sieht, dass
heute im Südsudan 50 Prozent des Budgets für Militär
ausgegeben werden, aber für Straßenbau und Infrastruktur nichts übrig ist, dann müssen wir uns fragen lassen, ob
wir an dieser Stelle nicht begleitend mehr Geld in die
Hand nehmen müssen, um die Menschen davon zu überzeugen, dass wir nicht nur Soldaten, sondern auch den
Aufbau von Infrastruktur bezahlen. Es muss ein intelligenter Mix aus dem Einsatz beider Mittel sein. Ich hoffe
sehr, dass wir hier bald die Gelegenheit haben werden,
festzustellen, dass vonseiten der Bundesregierung aktiv
dazu beigetragen wird, dass der Sudan stabilisiert wird
und von ihm keine weiteren schwerwiegenden Konflikte
ausgehen, die wir irgendwann nicht mehr beherrschen
können.
Vielen Dank.
({2})
Nächster Redner ist nun der Kollege Robert
Hochbaum für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Medienberichte
aus dem Sudan zeigen leider immer noch verheerende
Bilder: Frauen, die auf einem Dorfplatz von bewaffneten
Reitermilizen öffentlich gequält und erniedrigt werden,
Kinder, die 50 Zentimeter groß sind und nur knapp zweieinhalb Kilo wiegen. Internationalen Schätzungen zufolge
gibt es mehr als 2,2 Millionen Binnenvertriebene und
nicht zuletzt bis heute mehr als 200 000 - es gibt sogar
Schätzungen bis zu 400 000 - getötete Menschen. Im
flächenmäßig größten Land Afrikas und speziell in Darfur
schauen wir der größten menschenrechtlichen und humanitären Krise weltweit ins Gesicht. Wenn wir hin- und
nicht wegschauen, dann haben wir bei unserem Verständnis von humanitärer Verpflichtung, bei unserem Verständnis von Demokratie und bei unserem Verständnis von
Menschlichkeit einfach die Verpflichtung, zu unterstützen
und zu helfen.
({0})
Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass sich auch
Deutschland an den Friedensmissionen der Vereinten Nationen beteiligt. Wir stimmen den beiden UN-Resolutionen
uneingeschränkt zu und ermutigen die Bundesregierung,
ja, fordern sie geradezu auf, den Friedensprozess im Sudan
aktiv zu unterstützen.
Lassen Sie mich zuerst kurz auf die AMIS-Mission
eingehen. Gelegentlich ist zu lesen, dass AMIS trotz der
Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft
keine Verbesserung der humanitären Situation und der
Sicherheitslage in Darfur herbeiführen konnte. Das ist
teilweise, vor allem aufgrund fehlender Kräfte, sicherlich
richtig; gerade aus diesem Grund ist eine Überführung in
eine umfassende UN-Friedensmission im Sudan zwingend notwendig.
({1})
Gerade wenn man die Gesamtsituation vor Ort betrachtet,
muss man meiner Meinung nach feststellen, dass ohne
die Vorarbeiten der AMIS-Mission UNAMID nicht
möglich geworden wäre. Es ist somit auch ein Erfolg
von AMIS und ein Erfolg unserer Beteiligung, dass es
zukünftig eine UNO-Mission im Sudan gibt. Mit dieser,
wie man sagt, Hybridmission, die sowohl eine
Zustimmung - das ist ganz wichtig - auf sudanesischer
Seite innehat als auch die direkte Beteiligung der Afrikanischen Union vorsieht, besteht nun erstmals die realistische
Chance, das menschliche Leid zu lindern und die Grausamkeiten in Darfur zu beenden. Das - und nur das, Herr
Paech - ist unser Ziel, dem sich meiner Meinung nach
heute alle Mitglieder dieses Hohen Hauses anschließen
könnten und müssten.
({2})
Doch wie geht es weiter? In erster Linie gilt es, in Darfur die Weichen für ein umfassendes Friedensabkommen
zu stellen. Dabei ist es besonders wichtig, alle Rebellengruppen von der Notwendigkeit eines friedlichen Dialogs
zu überzeugen und eine Unterzeichnung des Abkommens
durch alle Konfliktparteien anzustreben. Zudem muss
schnellstens die humanitäre Situation verbessert und die
medizinische Grundversorgung im Land sichergestellt
werden.
Nicht weniger brisant ist der sudanesische Nord-SüdKonflikt - davon haben wir heute schon gehört -, der
mich zum zweiten UNO-Mandat mit deutscher Beteiligung im Sudan bringt, dem UNMIS-Mandat. UNMIS
unterstützt seit Jahren die ehemaligen Konfliktparteien
bei der Umsetzung des Nord-Süd-Friedensvertrages. Es
sind bereits - das wurde heute schon angesprochen erste Erfolge zu verzeichnen. So konnte beispielsweise
die Rückverlegung von Truppen beider Seiten gut vorangehen und der Aufbau der Verwaltungsstrukturen im
Südsudan - Frau Irber hat das schon angesprochen - forciert werden. Ganz besonders wichtig ist, dass zahlreiche
Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren konnten. Sie
bauen sich dort eine neue Existenz auf.
Trotz dieser ersten Erfolge kann man natürlich wahrlich nicht von einem stabilen Frieden im Sudan sprechen.
Dies hat auch der UN-Generalsekretär während seiner
letzten Reise in die Region bestätigt. Er hat die internationale Gemeinschaft und damit auch uns aufgerufen, den
Friedensprozess zu unterstützen. Nicht nur deshalb sollten
wir hier und heute das Mandat, welches die Beteiligung
von bis zu 75 Militärbeobachtern umfasst, um ein weiteres Jahr verlängern.
({3})
UNMIS und UNAMID bilden ein Konglomerat zur
Stabilisierung und Befriedung des Landes Sudan. Es ist
zu betonen, dass es wichtig ist, Hilfe zur Selbsthilfe zu
leisten und den politischen Friedensprozess zu unterstützen. Deutschland und Europa haben ein fundamentales
Interesse daran, stabile und friedliche Verhältnisse in
Afrika aufzubauen und zu erhalten.
Gerade vor dem Hintergrund unseres Verständnisses
von der Wahrung der Menschenrechte und von einer
demokratischen Grundordnung haben wir eine Verantwortung gegenüber der sudanesischen Zivilbevölkerung
und dem Staat Sudan. Dieser Verantwortung sollten wir
uns auch in Zukunft stellen.
Herzlichen Dank.
({4})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie sehr
herzlich bitten, der letzten Rednerin in dieser Debatte
Ihre Aufmerksamkeit zu schenken. - Ich erteile das Wort
der Kollegin Gabriele Groneberg von der SPD-Fraktion.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich möchte unseren Blick an dieser Stelle
noch einmal auf den Zusammenhang zwischen der Mission
und der konkreten Hilfe für die Bevölkerung richten.
Deutschland beteiligt sich an UNMIS vor allen Dingen,
um die für humanitäre Maßnahmen notwendige Sicherheit zu schaffen.
Mit der Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit im Südsudan 2005 leisteten wir ganz konkret
Hilfe: 3 Millionen Euro für den Staatsaufbau und zwei
Experten für die Koordination im wichtigen Bereich
Wasser; außerdem beteiligten wir uns mit 10 Millionen
Euro an dem Fonds, den die internationale Gebergemeinschaft für den Südsudan gebildet hat. All das würde aber
keinen Sinn machen, wenn die Bevölkerung keine Sicherheit spüren würde, wenn sie die Friedensdividende, die
sie dringend braucht, nicht zu spüren bekommen würde.
Ohne die Absicherung durch UNMIS wären die Fortschritte im täglichen Leben nicht erkennbar und könnte
der Aufbau keine konkrete Form annehmen. Sicherlich
ist das alles zähflüssig und das Risiko, dass die Unruhen
wieder ausbrechen, allgegenwärtig. Der heftige Streit um
die Implementierung des Nord-Süd-Friedensabkommens
zeigt deutlich, dass wir den Schutz der Bevölkerung
durch UNMIS noch längere Zeit gewährleisten müssen,
damit der Aufbau vorgenommen werden kann.
Noch schlimmer steht es aber um die Region Darfur.
An dieser Stelle sollten wir uns alle einmal an die eigene
Nase fassen. Die im Mai 2005 installierte Mission der
Afrikanischen Union, AMIS, ist von uns und der internationalen Gemeinschaft von Anfang an unterstützt worden.
Die mangelnde Schutzfunktion dieser Mission und letztlich das Scheitern dieser Mission sind aber nicht allein der
ausführenden AU anzulasten. Alle zusammen sind wir
offensichtlich nicht in der Lage gewesen, diese Mission so
auszustatten, dass sie effektiv wirken konnte.
({0})
Das fängt ganz konkret - das ist schon erwähnt worden - bei der mangelnden Bereitstellung von Personal an
und reicht bis zur mangelnden sächlichen Ausstattung.
Man darf hier nicht unerwähnt lassen, dass die Regierung in Khartoum ihren Teil der Vereinbarung, die sie
mit allen getroffen hat, nicht erfüllt hat.
({1})
Sie hat ihren Arbeitsauftrag nicht erledigt; sie ist ihren
Verpflichtungen in diesem Zusammenhang nicht nachgekommen.
Die unmenschlichen Vorgänge in der Region Darfur,
die hier heute noch einmal geschildert worden sind,
müssen aufhören. Dafür ist es zwingend notwendig, dass
diese Hybridmission endlich installiert und UNAMID mit
einem robusten Mandat für die Sicherheit der Bevölkerung
ausgestattet wird, um humanitäre Hilfe erst zu ermöglichen.
Zurzeit können dort keine Helfer tätig sein, weil die Sicherheit nicht gewährleistet ist.
Herr Paech, ganz ehrlich: An dieser Stelle gerate ich
jedes Mal aus der Fasson. Wie kann man hier Frieden
und humanitäre Hilfe fordern, wenn man weiß, dass die
Helfer dort überhaupt keine Sicherheit haben, also nicht
arbeiten können? Ich kann Sie an dieser Stelle nicht verstehen.
({2})
Wir wollen unsere Unterstützung nicht verweigern,
weder für dieses Mandat noch für die in Aussicht gestellte Entwicklungszusammenarbeit. Gerne würden wir
die Entwicklungszusammenarbeit eher heute als morgen
aufnehmen; die Wiederaufnahme ist aber definitiv von
einigen Bedingungen abhängig, die die sudanesische
Regierung erst einmal erfüllen muss. Wir hoffen, dass
endlich auch von uns Druck ausgeht, um die Regierung
zum Handeln zu zwingen.
Vielen Dank.
({3})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen.
Zunächst Tagesordnungspunkt 7 a. Abstimmung über
die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses
auf Drucksache 16/7141 zu dem Antrag der Bundes-
regierung zur Fortsetzung der Beteiligung deutscher
Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Natio-
nen im Sudan. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf
Drucksache 16/6940 anzunehmen. Es ist namentliche
Abstimmung verlangt.
Ich mache darauf aufmerksam, dass nach dieser na-
mentlichen Abstimmung unmittelbar eine weitere folgen
wird.
Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer,
ihre Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze an den Urnen
besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich
nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.1)
Wir fahren nun fort mit einer weiteren namentlichen
Abstimmung. Tagesordnungspunkt 7 b. Dabei geht es
um die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des
Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/7143 zu
dem Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung be-
waffneter deutscher Streitkräfte an der gemeinsam von
den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union
geführten Friedensmission in Darfur. Der Ausschuss
empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/6941 anzuneh-
men.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen, damit wir zur weite-
ren namentlichen Abstimmung schreiten können.
Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Ich sehe, das
ist der Fall. Dann eröffne ich die zweite namentliche Ab-
stimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich auch diese Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis dieser Abstimmung
wird Ihnen später bekannt gegeben.2)
Bevor wir die Beratungen fortsetzen, bitte ich diejeni-
gen Kolleginnen und Kollegen, die der weiteren Bera-
tung im Haus nicht folgen wollen, ihre Gespräche vor
dem Saal fortzuführen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:
Vereinbarte Debatte
Arbeits- und Legislativprogramm der Europäi-
schen Kommission für 2008
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre dazu kei-
nen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Michael Roth für die SPD-Fraktion
das Wort.
1) Ergebnis Seite 13145 C
2) Ergebnis Seite 13147 D
Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wir haben heute zum zweiten Mal im Deutschen
Bundestag die Gelegenheit, über das sogenannte Arbeits- und Legislativprogramm der Europäischen Kommission zu beraten. Ich finde, diese Debatte gehört in
dieses Parlament. Sie eröffnet uns die Chance, zu einem
möglichst frühen Zeitpunkt Einfluss auf das zu nehmen,
was an Gesetzesinitiativen und Projekten seitens der EUKommission im kommenden Jahr auf den Weg gebracht
wird.
Der Fahrplan für das kommende Jahr ist ambitioniert.
Vor diesem Hintergrund sehe ich es als selbstverständlich an, dass sich nicht nur die Europapolitikerinnen und
Europapolitiker des Deutschen Bundestages, sondern
auch möglichst viele Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker mit dem Arbeits- und Legislativprogramm beschäftigen.
Es freut mich sehr, dass die EU-Kommission offensichtlich eine unserer Erwartungen aus dem vergangenen
Jahr erfüllt hat, nämlich: weniger ist oft mehr. Das Strategieprogramm der EU-Kommission vom Februar dieses
Jahres sah noch weit mehr Gesetzesinitiativen vor. Es ist
sehr wohltuend, wenn man sich jetzt das Programm für
das kommende Jahr anschaut. Denn die Europäische
Kommission muss nicht in allen Bereichen tätig werden.
Es geht in vielen Fällen allein darum, dass man die vorhandenen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien besser
anwendet.
In dem einen oder anderen Fall habe ich auch ein wenig schmunzeln müssen. Ich weiß nämlich nicht, ob es
notwendig ist, auf EU-Ebene eine Studie zum Obstverbrauch an den Schulen zu initiieren; dessen bedarf es sicherlich nicht. Auch hier ist mein Appell an die EUKommission, ganz besonders kritisch darauf zu achten,
dass man sich mit den eigenen Überlegungen vor Ort
nicht lächerlich macht.
({0})
Es ist zwar noch zu früh, eine Bilanz für das Jahr
2007 zu ziehen, aber alles in allem können wir sagen:
Das Jahr 2007 ist erfolgreich gewesen, und wir haben zu
diesem Erfolg nachhaltig beigetragen. Die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands im ersten Halbjahr 2007 hat
hervorragende Ergebnisse erzielt. Wir haben ein klares
inhaltliches Signal für den Klimaschutz gesetzt. Es freut
mich sehr, dass dieser Beitrag zum Klimaschutz auch
von der EU-Kommission in ihrem Arbeitsprogramm für
2008 konstruktiv aufgegriffen und weiterentwickelt wird
und damit nicht eine Eintagsfliege bleibt.
Wir haben in hervorragender Partnerschaft mit der
portugiesischen Präsidentschaft den institutionellen
Stillstand endlich beendet. Im März haben wir den
50. Geburtstag der Europäischen Union gefeiert. Von
diesem Geburtstag ging ein Startsignal für den Juni-Gipfel aus, der ein klares und eng gefasstes Mandat für die
Regierungskonferenz beschließen konnte. Das Ergebnis
liegt uns nun vor.
Jetzt sind wir gefordert, wir, die nationalen Parlamente, zum Teil auch die Bürgerinnen und Bürger. Denn
im nächsten Jahr wird es darum gehen, den Ratifizierungsprozess dieses Reformvertrags zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, damit die Europäische
Union nach innen und nach außen endlich handlungsfähiger wird und wir in vielen Politikfeldern, die uns am
Herzen liegen, nicht allein in der Außen- und Sicherheitspolitik, besser vorangehen können, als das bislang
der Fall war. Wir als Deutscher Bundestag - nicht allein
die Bundesregierung, der wir dennoch herzlich danken können feststellen: Es ist auch unser Verdienst, dass wir
Europa demokratischer, sozialer gemacht haben und
dass Europa vorangekommen ist.
({1})
Neben dem Ratifizierungsprozess - bei dem deutlicher werden muss, dass es dabei nicht um nationale
Egoismen, sondern um gesamteuropäische Interessen
geht - gibt es zwei weitere große, gewichtige Baustellen.
Es ist zum einen der Gesundheitscheck im Bereich
der Agrarpolitik. Wie notwendig grundlegende Reformen im Agrarbereich sind, zeigt nicht zuletzt die neu errungene Transparenz, die Offenlegung der Verwendung
der Agrarmittel. In den vergangenen Tagen war beispielsweise die Offenlegung für den Agrarbereich im
Land Nordrhein-Westfalen Gegenstand der öffentlichen
Debatten. Eines ist deutlich geworden: Hier läuft manches falsch: Menschen, Unternehmen profitieren von der
Agrarförderung, die diese Förderung nicht benötigen.
Deshalb muss für uns zentral sein: Die Agrarpolitik
muss reformiert werden. Hier haben wir uns gemeinsam
mit den Landwirtschaftspolitikerinnen und Landwirtschaftspolitikern des Bundestages schnell darauf zu verständigen, dass Reformbedarf gegeben ist und dass die
EU in der Pflicht steht, die EU-Agrarpolitik im Sinne der
Menschen, im Sinne der Landwirtschaft, im Sinne der
Umwelt nachhaltig und nachdrücklich zu verbessern.
({2})
Ich sehe zum anderen einen Reformbedarf im Bereich
des Finanzrahmens. Im kommenden Jahr wird uns die
Zukunft der EU-Finanzen umtreiben. Die Halbzeitbilanz
steht an. Auch hier bitte ich Sie alle, sich entsprechend
einzubringen. Denn wir müssen mit den vorhandenen
Mitteln ordnungsgemäß umgehen. Die Prüfergebnisse
des Europäischen Rechnungshofs haben sicherlich nicht
nur mich beunruhigt. Da liegt einiges im Argen. Die
Haushaltskontrolle muss besser werden. Ich kann nur
hoffen, dass die kritischen Berichte des Rechnungshofes
von den Verantwortlichen in Brüssel erkannt werden und
dass man die entsprechenden Konsequenzen daraus
zieht.
Lassen Sie mich zum Schluss den Bereich Migration
nenne. Ich freue mich, dass die EU-Kommission ihm die
entsprechende Aufmerksamkeit schenkt. Wir diskutieren
in diesen Wochen nicht allein über die Bluecard; vielmehr geht es darum, wie wir uns als Europäische Union
nicht mehr nur allein im Rahmen von nationalen Regelungen, sondern im Rahmen von gemeinsamen europäischen Regelungen im Hinblick auf den demografischen
Wandel und im Hinblick darauf, dass wir in unserem
Michael Roth ({3})
Land qualifizierte Arbeitskräfte brauchen, zukunftsfest
machen können.
Eines aber muss der EU-Kommission deutlich gesagt
werden: Migration darf niemals ohne den integrativen
Aspekt betrachtet werden. Er ist mindestens gleichrangig einzubeziehen. Integration und Migration gehören
zusammen. Da sind auch wir hier im Deutschen Bundestag in der Pflicht. Auch da ist manches noch verbesserungswürdig. Wenn wir mit der EU-Kommission in einen offenen und kritischen Dialog eintreten, meine ich
schon, darauf hinweisen zu müssen, dass wir im Bereich
der Integration unsere Hausaufgaben zu erfüllen haben,
zumal hier weniger Kompetenzen der Europäischen
Union berührt sind.
({4})
Ich vermisse in diesem Zusammenhang ein stärkeres
Engagement gegen die organisierte Kriminalität. Das,
muss ich sagen, hat mich enttäuscht. Im Strategieprogramm vom Februar waren noch deutliche Initiativen
gegen die organisierte Kriminalität vorgesehen.
Bei aller Rechtfertigung der verschiedenen Initiativen
zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus dürfen
wir die wachsende Gefahr durch die organisierte Kriminalität in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
nicht kleinreden. Ganz im Gegenteil: Hier stehen wir gemeinsam in der Verantwortung. Auch das ist kein nationales Problem, ein Problem, das allein national gelöst
werden kann. Vielmehr müssen die Mitgliedstaaten auch
hierbei noch besser zusammenarbeiten, damit die Menschen vor mafiösen Strukturen, vor Verbrechen, vor Drogenkriminalität - manche verdienen sich dadurch eine
goldene Nase - geschützt werden. Es muss ein klares,
entschiedenes Signal geben, nicht nur von den Mitgliedstaaten, sondern auch von der Europäischen Union.
({5})
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen für den Hinweis.
Ich hoffe, wir können in einem Jahr sagen: Das
Jahr 2008 war ein gutes Jahr für die Europäische Union.
Ich hoffe, dass auch die kritische Überprüfung von
Rechtsakten gelingt. Eines muss klar sein: Eine kritische
Überprüfung der momentan geltenden Rechtsakte auf
europäischer Ebene darf nicht zu einem Abbau von sozialen, ökologischen und Verbraucherschutzstandards
führen. Auch das sollte in unserem gemeinsamen Interesse liegen. In diesem Sinne hat das Programm der
Europäischen Kommission eine ernsthafte und eine konstruktive Debatte verdient.
Vielen Dank.
({0})
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Markus
Löning das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit dem Thema
Bürokratieabbau anfangen; Michael Roth hat es hier am
Schluss seiner Rede angesprochen. Im Gegensatz zu
dem, was hier gerade vorgetragen worden ist, glaube ich,
dass man dabei - wie bei allem in der Politik - mit Augenmaß vorgehen muss. Es ist aber falsch, ausgerechnet
beim Bürokratieabbau als Allererstes Augenmaß zu fordern. Notwendig ist, dass man an die Sache beherzt
herangeht. Ich freue mich schon auf die Auseinandersetzungen zwischen Günter Verheugen und Edmund
Stoiber, den beiden Kämpfern gegen die Bürokratie.
({0})
Ich denke nur an das Affentheater, das wir gerade beim
Thema Äppelwoi erlebt haben. Mit einer solch unbedachten Geschichte wird sehr schnell so viel politische Initiative kaputtgemacht. Man kann gar nicht so viel wiederaufbauen, wie da ganz schnell eingerissen wurde. Wir
brauchen einen vernünftigen Bürokratieabbau. Ich wünsche mir auch von der SPD, dass sie dieses Vorhaben
nicht immer wieder hemmt, sondern uneingeschränkt
mitträgt, und dass Günter Verheugen uneingeschränkt unterstützt wird.
({1})
Das Legislativ- und Arbeitsprogramm enthält ein eigenes Kapitel zum Thema Bürokratieabbau.
Es enthält auch Ausführungen zu einigen anderen
Themen. Ich möchte ganz kurz auf den Bereich Verbesserung der Kommunikation eingehen. Meine Erfahrung
ist, dass die Europäische Kommission dort sehr viel getan hat, und zwar mit einem enormen Mittelaufwand,
und dass durchaus etwas bewirkt wird. In Gesprächen
mit Bürgern, Schülern und Studenten habe ich die Erfahrung gemacht, dass es durchaus ein vernünftiges Niveau
der Information über die Europäische Union gibt. Dieses
Niveau beschränkt sich in der Regel aber auf diejenigen
Segmente, die den Einzelnen interessieren. Es gibt wenig abstraktes Wissen darüber, wie der Prozess der europäischen Gesetzgebung funktioniert. Würden wir dazu
hier herumfragen, hätten wir, glaube ich, ebenfalls ein
paar Ausfälle. Ich möchte aber ausdrücklich loben, dass
die Schüler eine sehr gute Kenntnis dessen haben, was
für sie relevant ist.
Das Kernthema dieses Legislativ- und Arbeitsprogramms - damit werden wir uns im Wesentlichen auseinandersetzen - lautet: Wachstum und Arbeitsplätze. Für
Deutschland ist das eine zentrale Frage. Die Bürger erwarten von uns, dass wir uns nach Abschluss der Debatte über den Reformvertrag der wahren Probleme annehmen, dass wir die Politikfelder bearbeiten, durch die
Wachstum und Arbeitsplätze geschaffen werden. Die
OECD hat uns mit einer Reihe von Punkten mitgeteilt,
was wir tun müssen, um den Binnenmarkt wieder funktionsfähig zu machen, um die Potenziale des Binnenmarktes endlich voll zu heben. Aus meiner Sicht war das
Streichen des Wettbewerbs aus dem Zielkatalog ein
schlechtes Signal. Wichtig ist, dass wir uns jetzt auf das
konzentrieren, was gemacht werden muss.
Im Dienstleistungssektor gibt es ein riesiges Potenzial. Wir hatten eine verheerende Debatte über die
Dienstleistungsrichtlinie. Wenn man das in der Rückschau betrachtet, sieht man: Da wurde nationalistisch,
ängstlich und protektionistisch argumentiert. Da wurde
gegeneinander argumentiert. Die Debatte über die
Dienstleistungsrichtlinie war aus meiner Sicht ein großer
Fehler und ein verheerendes Signal für das europäische
Zusammenwachsen.
({2})
Eine ganze Reihe anderer Sektoren, in denen wir arbeiten müssen - Strommarkt, Gasmarkt und Finanzsektor -, bedarf einer Öffnung für das weite Publikum, für
die Verbraucher. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir aus
dem Arbeitsprogramm der Kommission vor allem die
Elemente, die den Bürgern nützen, unterstreichen und
dass wir sie in unserer Kommunikation mit unseren Bürgern nach vorne stellen.
Es bleibt dabei: Der Deutsche Bundestag wird diese
Dinge viel stärker begleiten müssen, als wir es, wie man
in der Rückschau sehen kann, getan haben. Lieber
Michael Roth, leider ist es nicht so, dass sich Fachpolitiker ausreichend mit dem Arbeitsprogramm beschäftigt
haben. Ich wünsche mir, dass das in Zukunft noch mehr
geschieht. Daran werden wir alle gemeinsam arbeiten
müssen.
Vielen Dank.
({3})
Bevor ich nun als nächster Rednerin der Kollegin
Bellmann das Wort erteile, will ich Ihnen die von den
Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt geben.
Tagesordnungspunkt 7 a: Beschlussempfehlung des
Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Friedensmission der Vereinten Nationen im
Sudan ({0}) auf Grundlage der Resolution 1590
({1}) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom
24. März 2005 und weiterer Mandatsverlängerungen
durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen“;
Drucksachen 16/6940 und 16/7141. Abgegebene Stimmen 572. Mit Ja haben gestimmt 518, mit Nein haben
gestimmt 40, Enthaltungen 14. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 571;
davon
ja: 517
nein: 40
enthalten: 14
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({2})
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({3})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({4})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({5})
Dirk Fischer ({6})
Axel E. Fischer ({7})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({8})
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Ralf Göbel
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Monika Grütters
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({9})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Siegfried Kauder ({10})
Volker Kauder
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({11})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
({12})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer ({13})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Maria Michalk
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Carsten Müller
({14})
Stefan Müller ({15})
Bernd Neumann ({16})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({17})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({18})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({19})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({20})
Andreas Schmidt ({21})
Ingo Schmitt ({22})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Andreas Storm
Thomas Strobl ({23})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({24})
Gerald Weiß ({25})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Ernst Bahr ({26})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({27})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({28})
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({29})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({30})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Dr. Reinhold Hemker
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({31})
Frank Hofmann ({32})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Johannes Jung ({33})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({34})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({35})
Ulrike Merten
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({36})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({37})
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({38})
Michael Roth ({39})
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({40})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({41})
Silvia Schmidt ({42})
Renate Schmidt ({43})
Heinz Schmitt ({44})
Carsten Schneider ({45})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
({46})
Swen Schulz ({47})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({48})
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
({49})
Heidi Wright
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({50})
Uwe Barth
Angelika Brunkhorst
Mechthild Dyckmans
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({51})
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Elke Hoff
Birgit Homburger
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({52})
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({53})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({54})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({55})
Volker Beck ({56})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Dr. Thea Dückert
Kai Gehring
Anja Hajduk
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({57})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Fritz Kuhn
Renate Künast
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Kerstin Müller ({58})
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({59})
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Dr. Peter Gauweiler
Willy Wimmer ({60})
SPD
Petra Hinz ({61})
DIE LINKE
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Eva Bulling-Schröter
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Heike Hänsel
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Jan Korte
Oskar Lafontaine
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Elke Reinke
Volker Schneider
({62})
Dr. Ilja Seifert
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Jörn Wunderlich
fraktionslos
Henry Nitzsche
Enthaltung
CDU/CSU
Dr. Wolf Bauer
FDP
Joachim Günther ({63})
Dr. Heinrich L. Kolb
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Martina Bunge
Dr. Gregor Gysi
Dr. Barbara Höll
Dr. Gesine Lötzsch
Bodo Ramelow
Paul Schäfer ({64})
Dr. Petra Sitte
fraktionslos
Tagesordnungspunkt 7 b: Beschlussempfehlung des
Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur - UNAMID auf Grundlage der Resolution 1769 ({65}) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007“;
16/6941 und 16/7143. Abgegebene Stimmen 569. Mit Ja
haben gestimmt 512, mit Nein 45, Enthaltungen 12.
Auch diese Beschlussempfehlung ist damit angenommen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 568;
davon
ja: 512
nein: 44
enthalten: 12
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Albach
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck
({66})
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Renate Blank
Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen
({67})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({68})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({69})
Dirk Fischer ({70})
Axel E. Fischer ({71})
Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich
({72})
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Michael Glos
Ralf Göbel
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Monika Grütters
Olav Gutting
Holger Haibach
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung ({73})
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Alois Karl
Siegfried Kauder ({74})
Volker Kauder
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({75})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Johann-Henrich
Krummacher
Dr. Hermann Kues
({76})
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer ({77})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Carsten Müller
({78})
Stefan Müller ({79})
Bernd Neumann ({80})
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Daniela Raab
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({81})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht ({82})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({83})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({84})
Andreas Schmidt ({85})
Ingo Schmitt ({86})
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Marion Seib
Bernd Siebert
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Andreas Storm
Thomas Strobl ({87})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg
Gerald Weiß ({88})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth WinkelmeierBecker
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew
SPD
Dr. Lale Akgün
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Ernst Bahr ({89})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({90})
Volker Blumentritt
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
({91})
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Iris Gleicke
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({92})
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({93})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Dr. Reinhold Hemker
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Iris Hoffmann ({94})
Frank Hofmann ({95})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Johannes Jung ({96})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange ({97})
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Petra Merkel ({98})
Ulrike Merten
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller ({99})
Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche ({100})
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({101})
Michael Roth ({102})
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({103})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({104})
Silvia Schmidt ({105})
Renate Schmidt ({106})
Heinz Schmitt ({107})
Carsten Schneider ({108})
Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
({109})
Swen Schulz ({110})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({111})
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff
({112})
Heidi Wright
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({113})
Uwe Barth
Angelika Brunkhorst
Mechthild Dyckmans
Ulrike Flach
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({114})
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Kasan
Elke Hoff
Birgit Homburger
Michael Kauch
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Michael Link ({115})
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto
({116})
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({117})
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Marieluise Beck ({118})
Volker Beck ({119})
Cornelia Behm
Birgitt Bender
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Dr. Thea Dückert
Kai Gehring
Anja Hajduk
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz ({120})
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Fritz Kuhn
Renate Künast
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Kerstin Müller ({121})
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Claudia Roth ({122})
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Irmingard Schewe-Gerigk
Dr. Gerhard Schick
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Nein
CDU/CSU
Dr. Peter Gauweiler
Willy Wimmer ({123})
SPD
Petra Hinz ({124})
FDP
Jürgen Koppelin
DIE LINKE
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Eva Bulling-Schröter
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Heike Hänsel
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Jan Korte
Oskar Lafontaine
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Elke Reinke
Paul Schäfer ({125})
Volker Schneider
({126})
Dr. Ilja Seifert
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Jörn Wunderlich
Fraktionslose Abgeordnete
Henry Nitzsche
Enthaltung
CDU/CSU
Dr. Wolf Bauer
FDP
Dr. Karl Addicks
Joachim Günther ({127})
Dr. Heinrich L. Kolb
DIE LINKE
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Martina Bunge
Dr. Gregor Gysi
Dr. Barbara Höll
Dr. Gesine Lötzsch
Bodo Ramelow
Dr. Petra Sitte
Jetzt muss ich Frau Kollegin Bellmann noch einmal
um ein bisschen Geduld bitten. Mir wird soeben gemeldet, dass auf der Besuchertribüne Abgeordnete aus Afghanistan, aus der Mongolei, aus Kasachstan, aus Usbekistan, aus Kirgisistan, aus Turkmenistan und aus
Tadschikistan Platz genommen haben.
({128})
Diese Kolleginnen und Kollegen nehmen an einer Tagung des Auswärtigen Amtes zur Sicherheitspolitik in
unserem Land teil und werden uns nun ein bisschen bei
der Plenardebatte begleiten.
Ich begrüße Sie sehr herzlich hier im Plenum des
Deutschen Bundestages und wünsche Ihnen, dass Sie einen angenehmen Aufenthalt nicht nur bei Ihrem Seminar, sondern auch in Deutschland haben. Alles Gute!
({129})
So, liebe Frau Bellmann, jetzt haben Sie das Wort.
({130})
Sachsen sind geduldige Menschen. Sie warten schon,
bis sie dran sind. - Sehr verehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte
meinen beiden Vorrednern uneingeschränkt recht geben,
wenn sie sagen: Dass wir heute über dieses Arbeitsprogramm diskutieren, zeigt die gewachsene Rolle der nationalen Parlamente und auch, dass wir, wie Herr Löning
sagte, die Arbeiten aus Europa noch stärker kritisch unter die Lupe nehmen müssen.
Kommissionspräsident Barroso sagte, dass das Arbeitsprogramm 2008 sich auf die Verpflichtung stütze, den
europäischen Bürgerinnen und Bürgern einen Mehrwert zu
bieten. Gerade weil im Zeitalter der Globalisierung Europa
wichtiger denn je sei, werde das Hauptaugenmerk auf den
Bereichen Wachstum und Beschäftigung, Nachhaltigkeit
- insbesondere in der Klima- und Energiepolitik -, Steuerung der Migration sowie der besseren Rechtsetzung
liegen. So heißt denn das Programm auch „Globalisierung als Chance nutzen“. In Anbetracht der Tatsache,
dass in Deutschland 8 Millionen Arbeitsplätze von
27 Millionen Arbeitsplätzen vom Export abhängig sind,
ist es unbestritten, dass die Globalisierung für viele
Menschen in unserem Land einen eindeutigen Vorteil
und Chancen mit sich bringt.
Ebenso unstrittig ist es aber auch, dass der Europäischen Union eine herausragende Bedeutung bei der
Wahrung und Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit ihrer 27 Mitgliedstaaten zukommt. Das Urteil der
Bürger zur Globalisierung fällt aber ganz anders aus. Sie
empfinden die Globalisierung oft als Bedrohung, es gibt
diffuse Ängste.
Wenn Europa im Zeitalter der Globalisierung - wie
Herr Barroso sagt - wichtiger denn je ist, dann muss sich
auch das Arbeitsprogramm konsequenter an den dringendsten Sorgen und Nöten der Bürgerinnen und Bürger
ausrichten. Politik muss sich den Realitäten anpassen
und nicht umgekehrt. Einerseits ist es dringend geboten,
dass wir für unsere Arbeitnehmer beschäftigungsfreundliche Rahmenregelungen finden, insbesondere für Frauen
und ältere Beschäftigte. Andererseits sind wir gleichzeitig gegenüber den Unternehmen verpflichtet, sie in ihrer
Position im internationalen Wettbewerb zu stärken.
Kleine und mittelständische Betriebe brauchen unbürokratische Hilfen - auch von Europa -, gezielte Förderung
von Innovationen und Zukunftstechnologien und mehr
Transparenz bezüglich der Fördermittelvergabe.
Selbst wenn Kommissar Spidla gestern verkündet hat,
dass dem Grünbuch zum Arbeitsrecht zunächst keine gesetzgeberischen Schritte folgen werden, heißt das
Schlagwort für die Zukunft trotzdem „Flexicurity“; dies
beinhaltet Flexibilität und Sicherheit für Arbeitnehmer
und Arbeitgeber.
All diese Aspekte fallen auch unter die Aussage der
Kommissionsvizepräsidentin, Kommissarin Wallström,
zum Arbeitsprogramm der Union, wonach die EU-Kommission ihre Bemühungen, den Bürgern Europa besser
zu vermitteln, intensivieren möchte. Das muss sie auch.
Denn nur dadurch lässt sich die Notwendigkeit des riesigen Brüsseler Behördenapparates mit all seinen nachund beigeordneten Einrichtungen einigermaßen glaubwürdig rechtfertigen.
Ich komme zu den Stichworten „Glaubwürdigkeit“
und „bessere Rechtsetzung“.
({0})
- Dazu komme ich noch, Herr Kollege. - Die Europäische Union muss ihre Standpunkte glaubhafter und konsequenter vertreten. Bei den Beitrittsverhandlungen darf
es keinesfalls immer nur einseitige Zugeständnisse und
politische Rabatte geben. Man kann nicht „bessere
Rechtsetzung“ über alles ins Arbeitsprogramm schreiben, wenn sich anschließend niemand daran halten muss.
So geht das nicht. Alle Vorgaben bleiben wirkungslos,
wenn nicht gleichzeitig auch strikt eingefordert wird,
dass sie uneingeschränkt zu erfüllen sind.
({1})
Die EU-Kommission sollte stärkere Kontrollen der
Verträge ins Pflichtenheft schreiben. Es gibt eine alte
Feldherrenweisheit, die lautet: Erlasse nie einen Befehl,
den du nicht kontrollieren kannst. - Das gilt auch in diesem Fall. Es wäre schön, wenn aus dem Arbeitsprogramm 2008 ableitbar wäre, dass die EU-Kommission
mittelfristig intensiver an der Vertiefung der EU arbeitet
statt an ihrer Erweiterung. Das wäre zumindest die logische Folge aus den schwierigen Kompromissverhandlungen, die schließlich zur Unterzeichnung des Vertrages
von Lissabon geführt haben. Diese haben nämlich in erster Linie eines gezeigt: Die Europäische Union bewegt
sich in vielen Bereichen bereits an den Grenzen ihrer
Handlungsfähigkeit.
({2})
Das gilt auch hinsichtlich der Verfestigung ganz bestimmter europäischer Strukturen. Stichworte sind: Agenturunwesen, Beobachtungsstellen, europäische Informationszentren, wie sie im Rahmen der Gesundheitsrichtlinie
angedacht sind, europäische Kommunikationszentrale im
Rahmen des Telekommunikationsüberwachungsgesetzes.
({3})
Wir müssen entschieden der Tendenz der Kommission entgegentreten, derartige Institutionen mit Geldern
der Mitgliedstaaten in inflationärer Weise errichten und
finanzieren zu wollen. Der Appell geht allerdings nicht
nur an die Kommission, sondern auch an die Mitgliedstaaten, die sich mit der Einrichtung solcher Institutionen gern die Zustimmung für Paketlösungen innerhalb
der Europäischen Union versüßen lassen.
({4})
Ebenso gilt es zu verhindern, dass die EU-Kommission unter dem Deckmantel der sogenannten Arbeiten
zur Gestaltung neuer politischer Konzepte klammheimlich ihre Kompetenzbereiche ausweitet. Auch hier müssen wir unseren kritischen Blick beibehalten.
({5})
Das Subsidiaritätsprinzip ist auch in Zukunft der entscheidende Maßstab, an dem sich das Vorgehen der
Europäischen Kommission messen lassen muss; denn
die Subsidiarität gewährleistet Bürgernähe. Die Kommunikation zwischen den politischen Ebenen und dem Bürger ist, wie ich eingangs beschrieben habe, der sensibelste Bereich der europäischen Politik. Wir sollten also
genau hinschauen, ob, wann und welche Taten die Europäische Kommission ihren Worten aus dem Jahresprogramm 2008 folgen lassen wird.
Herzlichen Dank.
({6})
Nächster Redner ist nun der Kollege Alexander
Ulrich für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Viele Jahre lang bestand in diesem Haus Konsens darüber, dass Europa Frieden und Wohlstand schafft. Frei
nach dem Motto „Wünsch dir was“ hat jede Seite dieses
Hauses ihre eigenen Erwartungen an Europa formuliert.
Die eine Seite des Parlaments wollte, dass Deutschland
durch Europa stärker wird und die Märkte der europäischen Nachbarn sichert. Die andere Seite verstand
Europa als Achse des Friedens und als eine politische
Antwort auf die internationalen Märkte.
Es war die Bundesregierung, die den Sozialstaat in
der europäischen Verfassung bzw. im Vertrag von Lissabon faktisch bekämpfte.
({0})
„Sozialstaat“ wurde durch „wettbewerbsfähige soziale
Marktwirtschaft“ ersetzt. Mir hat noch niemand erklären
können, was er unter Wettbewerbsfähigkeit versteht.
({1})
Soll das etwa eine Situation wie in Deutschland sein:
hohe Arbeitslosigkeit bei großen Exportüberschüssen?
Die europäische Verfassung und der Vertrag von Lissabon müssen nicht das Programm meiner Partei sein.
Trotz alledem sagen wir: Diese Verträge müssen für den
zukünftigen Willen der Europäer offen sein.
({2})
Sie dürfen nicht die Ewigkeitsprinzipien des Grundgesetzes missachten.
Kollege Roth, Sie haben ein sehr positives Bild von
der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands und davon,
wie sich Europa weiterentwickelt hat, gezeichnet.
Manchmal wäre es, wie ich glaube, notwendig, auch in
diesem Hause ein bisschen realistischer zu sein, wenn
man über Europa nachdenkt.
({3})
Wenn sogar ein Linker sagt, der Realismus von Sarkozy
würde uns guttun, weil er ein zutreffenderes Bild von
Europa zeichnet, hat das schon etwas zu sagen. Gestern
hat Sarkozy die Probleme Europas im Europäischen Parlament meines Erachtens gut dargestellt.
({4})
Im Ausschuss haben wir in der letzten Woche eine
Debatte über das Arbeitsprogramm geführt. Dort erzählte uns die Bundesregierung durch Sie, Herr Gloser,
die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sei der Motor des
sozialen Europas gewesen. An den Taten sollte man
auch die Bundesregierung und die EU-Kommission
messen.
Im Februar dieses Jahres unterzeichneten die Arbeitsminister von neun Mitgliedstaaten der Europäischen
Union, darunter Frankreich, Italien, Spanien und Luxemburg, die Erklärung von Paris. Darin wurden soziale
Mindeststandards für Europa gefordert. Der Mann, der
vorgestern erklärte, als Vizekanzler zurückzutreten, hat
diese Erklärung nicht unterschrieben. Er verweigerte
seine Unterschrift. Ich weiß nicht, ob sein Rücktritt, dessen Begründung ich respektiere, an der Ansicht der Bundesregierung etwas ändert. Doch sehr ernst scheinen es
Bundesregierung und EU-Kommission nicht zu meinen,
wenn es um die soziale Gestaltung der Globalisierung
geht, und dies trotz der massiven Zunahme der Armut in
Europa. Die Zunahme der Armut unter Kindern und älteren Menschen in der EU ist ein Skandal. Mit dieser Art
von Politik schaden Sie der europäischen Idee.
({5})
Frau Bellmann hat schon angesprochen, dass EUKommissar Spidla das Grünbuch „Arbeitsrecht“ scheinbar beerdigt hat; es bleibt abzuwarten, ob das für die Arbeitnehmer eine gute oder eine schlechte Nachricht ist.
Dennoch setzt die EU-Kommission weiter auf „Flexicurity“. Sie behauptet nach wie vor, dass durch einen geringen Arbeitnehmerschutz die Arbeitslosigkeit verringert wird. Die OECD hat diese Aussage widerlegt und
gezeigt, dass Wachstum und Beschäftigung viel mehr
mit öffentlichen Investitionen und mit einer vernünftigen
Geldpolitik zu tun haben. Ich hoffe, dass die im internationalen Vergleich immer noch viel zu hohe Zahl von
17 Millionen Arbeitslosen in Europa in der Debatte über
den Stabilitätspakt und über die Koordination der Europäischen Zentralbank etwas bewirkt.
({6})
Wenn es um „Flexicurity“ geht, wird gerne auf den
geringen Kündigungsschutz in Dänemark verwiesen.
({7})
- Dabei wird die hohe Unterstützung, die Arbeitslose in
Dänemark bekommen, allerdings gerne unterschlagen,
Herr Löning. In Dänemark gab es außerdem Druck auf
Arbeitslose, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen.
({8})
Nun einmal zum Vergleich: In Deutschland ist etwa
jeder sechste Arbeitsplatz ein Niedriglohnjob, in
Dänemark nur jeder elfte. Die Anzahl der sogenannten
0-Euro-Jobs in Dänemark, auf die sich deutsche Politiker so gerne berufen,
({9})
umfasste in der Spitze gerade einmal 267 Fälle. Davon
blieben 2005 ganze 8 Fälle übrig.
({10})
Rüttelt es die Bundesregierung eigentlich nicht auf, dass
ein tschechischer EU-Kommissar für das Wohl der Arbeitnehmer in Deutschland eintritt, zum Beispiel bei der
Bekämpfung der Leiharbeit?
Das Gleiche gilt für die Energie- und Klimapolitik.
Hier gibt es Licht und Schatten. Die Atomenergie beschert uns zahlreiche internationale Konflikte; das kann
man jeden Tag nachlesen. Die deutsche Atomforschung
verhindert das von Minister Gabriel hochgepriesene
ökologische Wirtschaftswunder. Die Bundesregierung
und die Europäische Kommission sollten sich daher von
dieser gefährlichen Technologie endlich verabschieden
und nicht, wie wieder vorgesehen, sie weiter fördern.
({11})
Die Europäische Kommission und andere haben gefordert, die europäischen Stromgiganten zu zerschlagen.
Private Monopole setzen die Preise zu hoch, und sie verhindern den politischen Einfluss auf die Energiewende.
Der Vorschlag der Kommission ist ein wichtiger Schritt,
reicht aber bei weitem nicht aus. Netzindustrien werden
immer zu Monopolen führen. Selbst wenn, wie vorgeschlagen, Kraftwerkskapazitäten der Konkurrenz überlassen werden müssten, verhinderte das weder Preisabsprachen noch - wie es Enron in Kalifornien gemacht
hat - die künstliche Verknappung von Kraftwerkskapazitäten. Wir brauchen daher eine öffentliche Kontrolle der
Netze.
Doch selbst die zaghaften Vorschläge der Kommission lehnt die Bundesregierung ab. Die Bundesregierung
kämpft gegen die Kommission und damit für europäische Monopolisten; sie verhindert Mindestlöhne, die vor
der Marktmacht der Arbeitgeber schützen; sie kämpft
sogar, wie im Falle der Post, gegen Arbeitgeber, die
Mindestlöhne wünschen; sie behindert europäische Sozialstandards gegen den Willen wichtiger EU-Partner.
Nennen Sie das soziale Marktwirtschaft? Lassen Sie
mich hinzufügen: Die Bundesregierung hat die Postliberalisierung gegen den Willen vieler EU-Partner durchgesetzt. Die SPD ist beim Postmindestlohn gescheitert.
Deshalb sollte die SPD dem Ende des Postmonopols
nicht zustimmen; das wäre konsequent.
({12})
Lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt eingehen:
500 Menschen sind allein in diesem Jahr bei dem Versuch ertrunken, die sogenannte Festung Europa und
FRONTEX zu überwinden. Die Vereinten Nationen vermuten, dass die Dunkelziffer weit höher liegt. Meine Damen und Herren, Sie diskutieren über eine Bluecard, Sie
diskutieren über eine Partnerschaft mit Afrika, weil
Afrika Energiequellen besitzt; aber Sie lassen Menschen,
die ihre Familien und ihre Herkunft aufgeben, ersaufen
wie Tiere. Bevor Sie nicht Boote schicken, um die Menschen wenigstens vor dem Sterben zu retten, sollte man
das „christliche Menschenbild Europas“ nie wieder in
den Mund nehmen.
({13})
Entscheiden Sie sich, auf welcher Seite Sie stehen! Die
Linke steht auf der Seite der Menschen in Europa, der
Arbeitnehmer und der Schwachen. Die Linke will ein
starkes, ein gerechtes Europa. Welches Europa wollen
Sie? Das Arbeitsprogramm der Kommission und die
Politik der Bundesregierung geben hierauf eine Antwort,
die nichts Gutes für nächstes Jahr erahnen lässt.
Vielen Dank.
({14})
Nächster Redner ist der Kollege Rainder Steenblock
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
({0})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine gute Tradition, dass wir im Deutschen
Bundestag über das Arbeitsprogramm der Europäischen
Union diskutieren. Ich glaube, es ist wichtig für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande, dass sich der
Deutsche Bundestag nicht nur mit den Visionen von
Europa, mit den großen strategischen Entwürfen, die
sich im Reformvertrag widerspiegeln, beschäftigt, sondern dass wir hier im Deutschen Bundestag unsere Verantwortung annehmen, über die ganz konkreten Bausteine der europäischen Politik zu diskutieren, auch um
dafür zu sorgen, dass in allen Köpfen, auch in diesem
Haus, klarer wird, was die Europäische Union leisten
kann, was sie sich vorgenommen hat und was nicht. Das
geht auch in die linke Richtung. Solche Veranstaltungen
wie heute haben auch etwas mit Bildungsarbeit hier zu
tun.
({0})
Denn wir wissen genau, dass es wichtig ist, das Thema
der konkreten Bausteine in Europa zu transportieren.
Ich glaube - da bin ich mir mit dem Kollegen Ulrich
völlig einig -: Wenn wir über das soziale Europa sprechen, das die Menschen - auch in diesem Lande - in allen Umfragen als wichtiges Ziel nennen, dann müssen
wir auf einer Grundlage darüber sprechen, durch die
Vertrauen geschaffen werden kann. Oftmals wird gesagt,
dass dieses Europa schuld daran ist, dass sich die Armut
vergrößert. Diese Form der Auseinandersetzung - ich
will das nur ganz vorsichtig ausdrücken - ist ganz vielen
Politikern zu eigen: Sie verkaufen ihre persönlichen Erfolge in Brüssel als europäische Idee. Wenn sie nach
Hause kommen und es nicht funktioniert, dann sind die
Brüsseler und alle anderen schuld daran, dass das nicht
funktioniert. Dass es in Europa Armut gibt und dass die
sozialen Verhältnisse in den Ländern nicht so sind, wie
wir wollen, hängt am allerwenigsten mit der EU zusammen, weil sie in diesem Bereich kaum Kompetenzen hat;
vielmehr hängt das mit nationaler Politik zusammen.
({1})
Lieber Herr Kollege Ulrich, sich hier hinzustellen und
Europa die Schuld zuzuschieben, ist nicht nur perfide,
sondern es führt die Bürgerinnen und Bürger in diesem
Land auch in die Irre.
({2})
Dadurch wird auch nicht die Debatte über die Frage
möglich, wie wir die Europäische Union so gestalten
können, dass die Erwartungen der Menschen hinsichtlich der sozialen Sicherungssysteme in Europa besser
werden. Das werfe ich Ihnen vor: Sie haben keine Perspektive, Sie instrumentalisieren die Ängste der Menschen in Europa für Ihre Parteipolitik. Das ist unverantwortlich.
({3})
Es ist richtig: Wir müssen über das soziale Europa reden, und wir müssen schauen, welche Möglichkeiten es
gibt, größeres Vertrauen der Menschen zu erwerben. Ein
Beispiel will ich sehr deutlich benennen: In 20 Ländern
der Europäischen Union gibt es den Mindestlohn. Das ist
nicht das Allheilmittel - überhaupt nicht -, aber das ist
ein Instrument, um Sicherheit in Bezug auf die sozialen
Strukturen zu erreichen. Das gilt auch für den Arbeits13154
markt: Die Wachstumsrhetorik allein reicht bei Weitem
nicht aus, die Menschen zu überzeugen, dass die Integration in Europa der Weg ist, den wir gehen müssen.
({4})
Deshalb ist es aus meiner Sicht wirklich beschämend,
was die deutsche Bundesregierung auf dem wichtigen
Feld der europäischen Arbeits- und Sozialpolitik leistet.
({5})
Deutschland ist das Land, das die Sicherheit auf europäischer Ebene am meisten behindert. Das, was die Bundesregierung leistet, ist beschämend.
({6})
Es gibt in diesem Bereich also viel zu tun.
Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Hinsichtlich
des sozialen Europa ist das Arbeitsprogramm der Europäischen Union, über das wir heute hier diskutieren, enttäuschend, weil diese Fragen nicht ausreichend aufgegriffen werden.
Es gibt in dem Arbeitsprogramm aber natürlich auch
positive Seiten. Der zweite für uns ganz wichtige Themenbereich ist die Nachhaltigkeit der Klima- und Umweltpolitik. Hier werden auf der europäischen Ebene die
richtigen Themen angesprochen. Alle wissen: Wenn wir
eine ernsthafte Umweltpolitik und eine Politik in Angriff
nehmen wollen, um diesen Planeten vor dem drohenden
Klimawandel zu retten, dann müssen wir das supranational tun. Die EU ist einer der ganz wenigen Hoffnungsträger auf dieser Welt dafür, dass eine Klimapolitik betrieben wird, durch die tatsächlich Effekte in die
Richtung erzielt werden, die wir wollen.
Deshalb ist es gut, dass die Prioritäten in diesem Bereich richtig gesetzt werden. Wir haben an dieser Stelle
weitergehende Vorstellungen als das, was die EU tut.
Wir wollen aber, dass das, was auf dem Klimagipfel beschlossen worden ist, konsequent umgesetzt wird. Dafür
gibt es im Arbeits- und Legislativprogramm eine Reihe
von konkreten Zielsetzungen. Es muss weitergehen.
Wenn das umgesetzt wird, dann bedeutet das, dass die
Vorreiterrolle von der Europäischen Union angenommen
und von ihr ausgefüllt wird. Es muss an dieser Stelle
weitergehen. Es ist ein richtiges Ziel, die Senkung der
CO2-Emissionen in den Mittelpunkt zu stellen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Ulrich?
Aber gerne.
({0})
Lieber Rainder, ich kann ja verstehen, dass man das,
wenn man an der nationalen Umsetzung der LissabonStrategie als Regierungspolitiker beteiligt war und jetzt
in der Opposition ist, ein bisschen verfälscht.
Gibst du mir nicht doch recht, dass das ein bisschen
- zum Beispiel mit der Lissabon-Strategie; im sozialen
Bereich gilt das natürlich für die nationalen Umsetzungsprogramme - europäisch organisiert worden ist?
Bist du nicht auch der Auffassung, dass die Geldpolitik
der EZB mit dazu beiträgt, dass man zu wenig für
Wachstum und Beschäftigung tun kann? Bist du nicht
auch der Auffassung, dass es falsch war, bei der EU-Erweiterung gänzlich auf soziale Mindeststandards in den
Mitgliedsländern zu verzichten? Bist du angesichts dessen noch immer der Auffassung, dass die Kritik, die du
geübt hast, gerechtfertigt ist?
Lieber Kollege Ulrich, in der Kritik an der LissabonStrategie sind wir uns in diesem Punkt einig. Ich habe
gerade gesagt, dass Wachstumsrhetorik alleine nicht
hilft, die ökonomischen und die sozialen Probleme Europas zu bekämpfen. Deshalb haben wir Grüne sowohl in
der Regierung als auch in der Opposition gesagt - ich
glaube, wir haben hier eine ganz stromlinienförmige
Ausrichtung in der Argumentation; das ist immer sehr
klar gewesen -: Wachstumspolitik, wie sie dort von einigen betrieben wird, reicht überhaupt nicht aus, um die
Herausforderungen der europäischen Integration im Interesse der Menschen zu bewältigen.
Was die EZB angeht, habe ich eine deutlich andere
Position. Ich glaube nicht, dass die Achse Sarkozy/
Lafontaine mit der Forderung nach nationalem Protektionismus die europäische Integration auch nur einen
Schritt voranbringen kann. Sarkozy und Lafontaine sind
in diesem Bereich eine Defensivkonstellation und versuchen nur, nationalen Protektionismus zu organisieren.
Das ist falsch.
({0})
Lieber Kollege Ulrich, wir sind uns sicherlich einig, dass
wir eine soziale Komponente in Europa brauchen. Die
Wege dorthin sind aber bei uns deutlich differenzierter
und weisen nicht die Eindimensionalität der Sarkozy/
Lafontaine-Politik auf. - Vielen Dank.
Lassen Sie mich zum Schluss einen weiteren Bereich
aufgreifen, der in dem angesprochenen Arbeits- und Legislativprogramm eine große Rolle spielt und der für
meine Fraktion wichtig ist: die Migration. Sie ist zu
Recht ein wichtiger Bestandteil des Programms. Die
Kommission plant legislative Vorschläge zur Arbeitsmigration - das wurde schon angesprochen -, aber auch
Vorschläge zu einer gemeinsamen Migrationspolitik und
Maßnahmen für ein gemeinsames europäisches Asylsystem für 2010. Kollege Ulrich, hier sind unsere Positionen dicht beieinander. Wenn man sich die humanitären
Katastrophen in der Mittelmeerregion anschaut, dann
weiß man, dass wir handeln müssen; das ist keine Frage.
Das bedeutet, dass wir auf europäischer Ebene eine gemeinsame, menschenrechtsorientierte Asyl- und Einwanderungspolitik betreiben müssen.
({1})
Es geht also nicht nur um Arbeitsmigration. Vielmehr
brauchen wir eine Politik der Europäischen Union auf
der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention. Das ist
für uns ein zentraler Bezugspunkt. Eine solche Politik
bedeutet uneingeschränkten und umfassenden Flüchtlingsschutz in der EU. Dazu gehört die Pflicht der Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Schutzbedürftige tatsächlich den Zugang zur Europäischen Union behalten.
Das ist ein zentrales Menschenrecht, das ist ein sozial
und humanitär wichtiges Recht. Dafür werden wir
kämpfen.
Die Themen sind auf der Tagesordnung. Darüber, wie
wir alles umsetzen, müssen wir auf nationaler Ebene diskutieren. Aber das gehört dazu.
Vielen Dank.
({2})
Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort
Herrn Staatsminister Günter Gloser.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, die heutige Debatte über das Arbeits- und
Legislativprogramm der EU-Kommission für 2008 ist
ein gutes Zeichen; denn es widerspricht dem Vorurteil,
dass die EU-Kommission alles in alleiniger Machtfülle
entscheidet. Wir, sowohl die Bundesregierung als auch
das Parlament, haben die Möglichkeit, rechtzeitig auf
verschiedene Aktivitäten Einfluss zu nehmen. In der aktuellen Debatte heißt es häufig, das seien die in Brüssel.
Aber niemand führt konkret aus, wer das eigentlich ist.
Insofern finde ich es gut, dass der Bundestag schon zum
zweiten Mal - das ist schon fast eine Tradition - darüber
debattiert.
Lieber Herr Kollege Ulrich, ich weiß nicht, warum
Sie immer dieses Bild in solchen Debatten malen. Ich
bin nicht sehr umfragegläubig, aber in den letzten Monaten gibt es durchaus Signale, dass die Akzeptanz der
Europäischen Union bei den Bürgerinnen und Bürgern
stark gewachsen ist. Herr Ulrich, wie kommt es, dass
viele außerhalb der Europäischen Union, zum Beispiel
aus der Afrikanischen Union und den ASEAN-Ländern,
zu uns kommen und fragen, wie wir diese Europäische
Union gestalten und wie man trotz der Unterschiede zwischen den Ländern Strukturpolitik betreiben und Solidarität zeigen kann. Warum kommen Besucher aus mittelamerikanischen Ländern zu uns, die in Gesprächen mit
Parlamentariern fragen, was sie - wenn auch nicht unbedingt eins zu eins - übernehmen können?
Die Europäische Union ist zwar kein perfektes Modell; sie hat ihre Schwächen, aber sie hat auch Stärken.
Es ist meines Erachtens ein Fehler, immer nur die
Schwächen herauszugreifen und zu unterstellen, dass die
Europäische Union nicht für ein soziales Europa und ein
Europa steht, das sich beispielsweise um den Umweltschutz kümmert oder in andere Richtungen öffnet. Bei
aller Kritik in einzelnen Punkten - darüber können wir
streiten - bitte ich Sie, die Europäische Union nicht immer in ein so düsteres Licht zu stellen.
({0})
Bevor ich einige Punkte aufgreife, möchte ich eine
Vorbemerkung machen: Für das Arbeits- und Legislativprogramm liegen viele Einzelheiten vor. Wir werden uns
in den nächsten Wochen und Monaten sicherlich noch
im Einzelnen damit befassen.
Der wichtigste Punkt ist - das haben Michael Roth
und andere bereits angesprochen -, dass im nächsten
Jahr in allen Mitgliedstaaten der Reformvertrag ratifiziert wird, damit er, wie beabsichtigt - ich erinnere in
diesem Zusammenhang an die Geburtstagsfeier der EU
am 25. März in Berlin -, ein Signal und eine Grundlage
für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr
2009 bieten kann. Das sollte unsere oberste Anstrengung
sein.
({1})
Wir bitten die Europäische Kommission, zu berücksichtigen, wie man mit bestimmten Dossiers umgeht. Sie
haben vorhin die Dienstleistungsrichtlinie angesprochen,
Kollege Löning. Ich finde manche Kritik daran berechtigt. Aber es war sicherlich angesichts der Debatten in
der Europäischen Union ein unglücklicher Zeitpunkt, zu
dem die Kommission weiter an der Initiative festgehalten hat, die letztlich in unserem Nachbarland, in der die
Dienstleistungsrichtlinie quasi als Symbol des damaligen Verfassungsvertrags empfunden wurde, zu Diskussionen geführt hat. Das war falsch. Deshalb ist es richtig,
dass die Kommission auch bei ihren Gesetzgebungsaktivitäten darauf Rücksicht nimmt.
Der Arbeitskalender wird auch dadurch beeinflusst,
dass im Jahr 2009 ein neues Parlament und eine neue
Kommission gewählt werden. Einzelne von Ihnen haben
diesen Arbeitskalender bereits angesprochen. Ich
möchte vier Punkte herausgreifen: Wachstum und Beschäftigung, Orientierung am Bürger, Sicherheit und
Freiheit sowie Europas Rolle in der Welt. Ich glaube,
dass gerade der letzte informelle Gipfel in Lissabon gezeigt hat, dass viele dieser Bereiche in die Debatte der
Europäischen Kommission und auch bei uns eingeführt
werden.
Sie haben zu Recht die Frage der Migration angesprochen, Kollege Steenblock. Bereits in der nächsten Woche findet ein wichtiger Gipfel statt. Es ist völlig richtig,
dass wir einen Gesamtansatz zum Thema Migration
brauchen. Insofern spreche ich für die Bundesregierung.
Wenn es beispielsweise um die legale Migration und um
bestimmte Richtlinienvorschläge geht, analysieren wir
zunächst den Mehrwert dieser Vorschläge. Aber die
grundsätzliche Zuständigkeit der nationalen Mitgliedstaaten für den Zugang zum Arbeitsmarkt muss beibehalten werden. Das ist unsere feste Überzeugung.
Ich komme zu einem anderen wichtigen Punkt. Wir
haben im Frühjahr mit der Weichenstellung in der Frage
der Energie- und Klimaziele begonnen. Auch deshalb
wird es wichtig sein, dass wir das im nächsten Jahr umsetzen. Es trifft eben nicht zu, Herr Kollege Ulrich, dass
wir mit einer kritischen Haltung zu einem bestimmten
Modell der Kommission allein auf weiter Flur stehen.
Diese Position wird oft vertreten: Wir diskutieren einfach über den Nationalstaat und die Kommission. - In
der gesamten Debatte ist es wichtig, ab und zu den Blick
auf die Nachbarstaaten zu richten. Einige unterstützen
die Vorschläge der Kommission; andere vertreten aber
- beispielsweise was die Entflechtung der Netze angeht dieselbe Position wie die deutsche Bundesregierung.
Kurzum: Ich hoffe, dass wir in einem konstruktiven
Dialog die einzelnen Aktivitäten der Kommission offensiv diskutieren können, um zu Recht von einem breiten
Spektrum des Parlaments sprechen zu können. Ich
glaube, nur so gelingt es uns, bei allen Notwendigkeiten
einer zentralen Kommunikationsstrategie auch die Bürgerinnen und Bürger in einzelne Maßnahmen und Gesetzgebungsaktivitäten einzubinden.
Vielen Dank.
({2})
Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar für
die FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Die FDP-Fraktion sieht das vorgelegte Arbeitsund Legislativprogramm grundsätzlich als eine gute Arbeitsgrundlage für das Jahr 2008 an. Ich möchte mich
deshalb vor allem auf die Punkte konzentrieren, bei denen wir der Meinung sind, dass der Bundestag und die
Bundesregierung besonders aufpassen und sich einmischen müssen.
Zum Thema Einmischen. Herr Staatsminister, ich
freue mich sehr, dass Sie es noch einmal begrüßt haben,
dass wir heute diese Debatte führen. Ich würde mir aber
noch nachdrücklicher wünschen, dass die Bundesregierung bei den Gelegenheiten, bei denen der Bundestag
eine klare Stellungnahme abgibt, diese Linie auch mittragen würde. Die Gelegenheit dazu hatten Sie bei der
Errichtung der Grundrechteagentur. Sie haben sie nicht
genutzt; da sind die Bedenken des Bundestages nicht beachtet worden. Das ist ein Verständnis, das so nicht funktionieren kann.
({0})
Im Übrigen: Wenn man sich anschaut, wie diese Agentur
jetzt arbeitet, muss man sagen, dass das, was der Bundestag damals gesagt hat, zu 100 Prozent richtig war.
Die Schwerpunktthemen haben wenig mit der Kontrolle
der Einhaltung der Grundrechtecharta zu tun; das geht
vielmehr in einen sehr weiten Bereich hinein. Man hat
das Gefühl, es gibt da eine gewisse Eigendynamik. Es ist
genau das eingetreten, was wir vorher gesagt haben. Hören Sie öfter auf den Bundestag! Das täte uns allen gut.
({1})
- Da waren wir uns aber doch ziemlich einig.
Insbesondere die Themen Bürokratieabbau und bessere Rechtssetzung - das begrüßen wir als Liberale
natürlich im Besonderen - spielen im neuen Arbeitsprogramm eine große Rolle. Das Europarecht ist gewachsen. Wir wollten vieles, aber auch hier müssen wir uns
bei manchen Dingen sehr kritisch fragen, ob das so bleiben kann.
Wenn die Kommission sagt, dass die Verwaltungsund Bürokratiekosten in den Unternehmen bis 2012 um
25 Prozent gesenkt werden sollen, ist das ein ehrgeiziges
Ziel. Ich glaube, dass das machbar ist. Das bedeutet aber,
dass im Bereich Bürokratieabbau ab dem Jahr 2008 auch
wirklich gearbeitet werden muss. Ich möchte, dass die
Bundesregierung dafür Sorge trägt, dass die Kommission entsprechende Anregungen bekommt. Das kann
nicht allein die Entsendung von Herrn Stoiber sein; das
müssen auch inhaltliche Vorschläge sein. Gleichzeitig
muss natürlich klar sein, dass sich die Kommission einer
externen Evaluierung unterzieht. Die Kommission muss
bereit sein, die Einsparung bei den Verwaltungskosten
um 25 Prozent extern, von Wissenschaftlern, von einer
unabhängigen Institution, von einer Unernehmensberatung oder Ähnlichem, überprüfen zu lassen. Ansonsten
könnte man solche Ersparnismodelle immer so rechnen,
dass es passt. Wenn 25 Prozent versprochen werden,
muss es die Kommission auch auf 25 Prozent bringen,
belastbar und extern evaluiert. Das ist es, was wir wollen.
({2})
Wir haben im Bereich Inneres und Recht einige Initiativen, die genau das Gegenteil von Bürokratieabbau darstellen. Das Arbeitsprogramm beinhaltet weitere Richtlinien zum Thema Antidiskriminierung, die auf Art. 13
gestützt werden sollen. Da ist aber schon die Rechtsgrundlage fragwürdig. Nach Art. 13 dürfen Antidiskriminierungsmaßnahmen nur dort ergriffen werden, wo
die Union nach dem Vertrag zuständig ist. Es gibt keine
Berechtigung, Antidiskriminierungsmaßnahmen für Bereiche durchzuführen, in denen es keine vertragliche Zuständigkeit der Union gibt. Das allgemeine Zivilrecht
liegt nach dem Vertrag nicht in der Zuständigkeit der
Union. Deshalb kann es im Zivilrecht keinen allgemeinen Diskriminierungsschutz auf europarechtlicher
Grundlage geben. Ich möchte, dass die Bundesregierung
hier auf die mangelnde Kompetenz der Union hinweist.
({3})
Es gibt andere Ideen, beispielsweise im Rahmen der
Migrationsbekämpfung den Vorschlag, dass Mutterunternehmen auch für eine illegale Beschäftigung in den
Tochterunternehmen haften. Das ist sicherlich gut gemeint. Auch ich bin für Sanktionen gegen Menschen, die
gegen Gesetze verstoßen. Wenn man aber solche Pflichten in einem Konzernverbund einführt, kommt es zu einem riesigen Kontroll- und Dokumentationsaufwand,
also zu mehr Bürokratiekosten. Wenn wir überall solche
Dinge einführen, sind die 25 Prozent Kostenersparnis sicherlich nicht zu erreichen.
({4})
Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis noch ein letzter
Gedanke: Wir haben im Strafrecht die Tendenz, dass die
Europäische Union materielles Strafrecht, Strafbarkeitsvoraussetzungen und Strafrahmen, immer mehr regeln
und vereinheitlichen möchte. Das sollte aber eigentlich
die Ausnahme sein und nur dann erfolgen, wenn dies
zwingend erforderlich ist, um Europarecht zur Geltung
zu bringen. Diese Entwicklung müssen wir kritisch
beobachten. Wir hatten auch im letzten Quartal dieses
Jahres einige Entscheidungen, die sehr tief in die Kompetenz der Nationalstaaten hineinregiert haben. Das
Strafrecht ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten;
darauf müssen wir achten. Nur wenn es überhaupt nicht
anders geht, muss es europaweit einheitlich geregelt
werden. In diesem Sinne bitte ich die Bundesregierung,
tätig zu werden. Der Bundestag wird daran mitwirken.
Wir werden genau schauen, ob Sie das tun, und Sie in
diesem Sinne kontrollieren.
Hoffen wir, dass das Jahr 2008 ein gutes Jahr für
Europa wird.
({5})
Nächster Redner ist nun der Kollege Bernhard Kaster
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Auch ich möchte zunächst einmal begrüßen, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal die Möglichkeit haben, das Arbeits- und Legislativprogramm der
Europäischen Kommission für das nächste Jahr hier im
Plenum miteinander zu beraten. Damit stärken wir die
Europafähigkeit unseres Hauses; denn eines ist in den
letzten Jahren immer klarer geworden: Was auf europäischer Ebene entschieden wird, hat ganz konkrete Auswirkungen auf die Menschen vor Ort, auf die Länder und
auf die Gemeinden. Diese Debatte bietet deshalb auch
die Chance, das Verständnis für europäische Politik zu
steigern und das Unbehagen vieler Bürger gegenüber der
Europäischen Union abzubauen. Wir müssen die Menschen in der Europapolitik wieder mehr mitnehmen.
({0})
Wir müssen daher die vorgelegten 26 strategischen
Initiativen, 61 Initiativen und Vorschläge in insgesamt
49 Maßnahmepaketen und - man höre hin - 45 Vereinfachungsvorschläge und zehn kommunikativen Prioritäten unter drei Hauptkriterien betrachten. Zum einen
haben wir das Kriterium der Subsidiarität bzw. Subsidiaritätskontrolle - das ist eine wichtige Aufgabe, die wir
hier wahrnehmen -, ich nenne zweitens das Thema Verhältnismäßigkeit und drittens das Thema europäischer
Mehrwert. In dieser Hinsicht müssen wir hier beraten.
Wenn ich etwa sehe, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Weinmarktordnung als Vereinfachungsvorschlag tituliert wird, dann muss ich manch andere neue Maßnahmen, auch wenn sie unter schönen
Überschriften daherkommen, als Drohung verstehen. Ich
will ein Beispiel dafür nennen. Die Kommission kündigt
für 2008 ein Grünbuch zur Qualitätspolitik für Agrarerzeugnisse an. Die gegenwärtig diskutierte europäische
Weinmarktreform verdient aus meiner Sicht eher den
Namen Wettbewerbsverzerrungsordnung oder Einheitsweinverordnung.
({1})
Den ersten Entwurf des Arbeitsprogramms haben wir
bereits im April beraten, und wir haben kritische Punkte
angemerkt. Sehr lobenswert ist - das muss festgestellt
werden -, dass die Initiativen unserer Bundeskanzlerin
zur Klimaschutzpolitik während der deutschen Präsidentschaft einen bemerkenswerten Niederschlag im Arbeitsprogramm gefunden haben. Man kann also sagen:
Die Ratspräsidentschaft unter Leitung unserer Bundeskanzlerin trägt im Arbeitsprogramm für das nächste Jahr
Früchte.
({2})
Andererseits verwundert es schon, dass das industriepolitische Arbeitsprogramm oder auch die neue transatlantische Wirtschaftspartnerschaft mehr oder weniger nur
am Rande Erwähnung findet. Immerhin tagte letzten
Freitag erstmals das transatlantische Wirtschaftsforum,
das beim Gipfel der Europäischen Union und der USA
am 30. April aus der Taufe gehoben wurde. Ich denke, in
diesen Bereichen muss die Kommission noch energischer voranschreiten.
({3})
Seit Wochen beschäftigen wir uns im Europaausschuss mit einem Projekt und seinem bisher unrühmlichen Verlauf, mit dem Projekt Galileo. Das europäische
Satellitennavigationsprojekt ist das größte Industrievorhaben, das jemals auf europäischer Ebene auf den Weg
gebracht wurde. 30 Satelliten sollen in einer Höhe von
24 000 Kilometern die gesamte Erdoberfläche mit Navigationssignalen versorgen können. Wir brauchen in Europa dieses System mit neuen Anwendungen in den Bereichen Verkehr, Telekommunikation, Sicherheit und
Vermessung. Wir brauchen in Europa diese Schlüsseltechnologie, um auch an diesem attraktiven Wachstumsmarkt teilnehmen zu können. Nach dem Scheitern des
bisherigen Realisierungs- und Finanzierungskonzeptes
auf der Basis einer öffentlich-privaten Partnerschaft
drängt nun die Zeit. In 2008 müssen wir hier endlich weiterkommen. Wir brauchen dringend einen akzeptablen
Finanzierungsvorschlag, der einerseits die Obergrenzen
der finanziellen Vorausschau 2007 bis 2013 unangetastet
lässt, andererseits jedoch zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten außerhalb der Europäischen Union, etwa über
die ESA, eröffnet.
({4})
Die von der Kommission vorgeschlagene Beschaffungsstrategie, schlicht und vermeintlich offen auszuschreiben, kann angesichts der Lage auf dem Weltraummarkt im Rahmen dieser Industrie nicht funktionieren.
Wenn man die Strukturen kennt, weiß man, dass dies genau das Gegenteil bewirken würde: Durch eine Ausschreibung in der hier vorgeschlagenen Form würden
Monopolstrukturen gestärkt werden, und zwar Monopolstrukturen außerhalb unseres Landes. Gerade die deutsche Industrie hat bei diesem Projekt große Vorleistungen erbracht, die beim weiteren Vorgehen angemessen
berücksichtigt werden müssen. Deutschland muss industriell und technologisch am Ball bleiben.
({5})
Zu Beginn meiner Rede habe ich darauf hingewiesen,
dass die europäische Politik die Menschen mitnehmen
muss. Ich will auf ein Thema zu sprechen kommen, in
dem es konkret darum geht: die Förderung der Mehrsprachigkeit. Die Kommission will dazu im nächsten
Jahr eine Mitteilung vorlegen, was ich ausdrücklich begrüße. Ich komme aus einer Grenzregion, die man heute
mit Recht als europäische Modellregion bezeichnen
kann, aus der Region Trier/Luxemburg. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es enorm wichtig ist, dass die jungen Menschen auch die Sprache des Nachbarn kennenlernen; bei uns ist das Französisch.
Unter dem Stichwort Mehrsprachigkeit rege ich an,
darüber nachzudenken, dass in den Schulen neben der
heute schon selbstverständlich gewordenen Arbeitssprache Englisch auch die Sprache des Nachbarlandes gelernt wird. Das sollte in Deutschland ebenso wie in ganz
Europa gerade in den Grenzregionen üblich sein. Da und
dort ist das Französisch, in anderen Regionen Polnisch.
In Bayern mag es mit dem Nachbarland Österreich weniger Probleme geben.
({6})
Ich denke, es wäre eine gute Sache, wenn die Sprache
des Nachbarlandes auf dem Stundenplan stünde.
({7})
Dadurch würde mit Sicherheit das Zusammenwachsen
von grenzüberschreitenden Wirtschaftsräumen gefördert
werden. Viel wichtiger ist aber, dass dadurch grenzüberschreitende Kulturräume geschaffen und das grenzüberschreitende Miteinander junger Menschen erheblich gefördert würden. Das ist es, worauf es ankommt. Die
europäische Politik muss die Menschen wieder mitnehmen.
Vielen Dank.
({8})
Nächster Redner ist nun der Kollege Markus Meckel
für die SPD-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Es ist schon gesagt worden, dass es wichtig
ist, über das Arbeitsprogramm der Kommission zu diskutieren. Die Nationalstaaten müssen es sich zur Aufgabe machen, die Akteure der EU - in diesem Fall ist
das die Kommission - zu fragen, was sie konkret tun
bzw. was sie unterstützen.
Der Kollege Michael Roth hat die beeindruckende
Fülle des Arbeitsprogramms bereits dargestellt. Gleichzeitig hat er deutlich gemacht, dass es darauf ankommt,
Schwerpunkte zu setzen. Wir müssen schauen, was konkret passiert und welche Schwerpunkte gesetzt werden.
Ich wende mich der Außenpolitik zu. Ich denke, dass
dies eine gewichtige Aufgabe für die Fraktionen ist. Im
Rahmen der Vorbereitung der Erweiterung der Europäischen Union müssen beispielsweise die Verträge mit der
Türkei und Kroatien ausgehandelt werden. Aber auch
bei dem Abschluss der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den Staaten auf dem westlichen
Balkan spielen wir eine ganz zentrale Rolle; darauf
komme ich gleich zurück. Während der portugiesischen
Präsidentschaft wurde ein Schwerpunkt auf das Vertragsmanagement gelegt, insbesondere auf das Aushandeln, aber auch die Begleitung der Verträge im Rahmen
der Europäischen Nachbarschaftspolitik zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten
und der Europäischen Union.
Im Zusammenhang mit der Außen- und Sicherheitspolitik gibt es eine zentrale Aufgabe - unser Staatsminister,
der auf den Reformvertrag hinwirkt, hat darauf hingewiesen -: Die zwischen Kommission und Rat gesplittete Verantwortung muss mit Einsetzung des Hohen Beauftragten
endlich aufhören, damit Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik ein Stück weit sichtbarer wird. Ich
glaube, auf diese zentrale Aufgabe müssen wir uns angemessen vorbereiten. Die Frage ist natürlich, wie die außenpolitische Verantwortung konkret gestaltet wird: Wie
sieht das Verhältnis des europäischen Außenministers - der
nicht so heißen darf - zum neuen Präsidenten der Kommission bzw. des Rates aus? Es wird darauf ankommen,
beim Aufbau der Administration, des neuen europäischen
diplomatischen Dienstes, unsere eigenen Analysen zur
Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung zusammenzuführen. Für uns alle wird es wichtig sein, in den nächsten Monaten hier konkret nachzufragen und den Prozess
der Bildung einer neuen Struktur, die für uns entscheidend sein wird, parlamentarisch zu begleiten.
Es ist völlig klar: Europäische Außenpolitik ist zuallererst eine Frage des politischen Willens, der Fähigkeit
der Mitgliedstaaten, eine gemeinsame Außenpolitik zu
betreiben. Strukturen können dabei helfen oder hinderlich sein. Wir hoffen, dass wir Strukturen finden, die
wirklich helfen.
Die EU-Mission im Kosovo ist eine zentrale Aufgabe,
vor der wir stehen, ohne dass wir heute sagen könnten,
wie sie genau strukturiert sein wird. Wir alle wissen,
dass das auf uns zukommt. Wir wissen noch nicht, auf
welche Art wir vorgehen, welche Grundlage der Sicherheitsrat schaffen wird. Die Aufgabe ist aber abzusehen;
die Europäische Union bereitet sich seit 18 Monaten darauf vor. Die Frage ist natürlich - gerade im Hinblick auf
die Verteilung der Verantwortung -, wie die Aufgabe
konkret umgesetzt werden soll. Ich hoffe sehr, dass es
gelingt, hier Strukturen zu finden, die dazu führen, dass
die EU-Mission im Kosovo nicht das gleiche Schicksal
erleidet wie die UNMIK, wo der Vertrauensverlust so
immens groß war, dass sie nach wenigen Jahren infrage
gestellt wurde. Am Anfang haben wir die Arbeit von
UNMIK mit großer Bewunderung betrachtet.
Hier wird es sehr auf uns ankommen, aber auch darauf, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen erfüllt sind. Der Erfolg der Mission im Kosovo wird wesentlich davon abhängen, ob es uns gelingt, mit
konkreten Schritten eine realistische Integrationsperspektive für den westlichen Balkan zu entwickeln. Wir
müssen deutlich machen, dass die Integration des westlichen Balkans in die Europäische Union nicht nur eine
vage Perspektive darstellt, sondern unserem Willen entspricht, um Stabilität in Europa zu gewährleisten.
Ein anderer zentraler Punkt, den ich ansprechen
möchte, ist die europäische Nachbarschaftspolitik. Hier
hat es manchen Fortschritt, manche Initiative - auch
manche deutsche Initiative im Rahmen der deutschen
Präsidentschaft - gegeben. Wir alle wissen, dass wir dabei noch immer vor großen Schwierigkeiten stehen. Zur
Balance der Nachbarschaftspolitik im Hinblick auf den
südlichen und den östlichen Flügel muss man sagen:
Bisher gibt es ein klares Ungleichgewicht. Viele Bemühungen konzentrieren sich auf den südlichen Flügel. Wir
brauchen Konzepte, müssen aber auch entsprechenden
Druck aufbauen, damit die Nachbarschaftspolitik im
Hinblick auf den östlichen Flügel gestärkt wird. Gleichzeitig muss die Nachbarschaftspolitik sehr viel differenzierter betrieben werden. Mit den Aktionsplänen und
Verträgen richten wir den Blick unmittelbar auf die Staaten und vernachlässigen dabei zu sehr die Gesellschaften. Wir müssen in Zukunft stärker auf die Balance achten.
Manchmal stehen wir uns auch selbst im Weg. Hier
möchte ich an ein Papier erinnern, das die Kommission
Ende letzten Jahres selbst veröffentlicht hat. Dort wird
auf den Widerspruch zwischen den Aufgaben im Bereich der Nachbarschaftspolitik und unserer eigenen
Visapolitik aufmerksam gemacht, durch den wir die Erfüllung unserer Aufgaben selbst erschweren. Wir müssen ein Interesse daran haben, dass Menschen zu uns
kommen - junge Menschen, Wissenschaftler -, dass es
zu einem Austausch, zu menschlichen Beziehungen
kommt. Im Hinblick auf die Stabilität dieser Länder ist
es eine zentrale Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese
Länder ein europäisches Bild erhalten, dass sie wissen,
wo es langgeht. Die Transformationsstaaten, die neuen
Mitgliedstaaten können ein Lied davon singen, wie
wichtig es ist, dass die Menschen Europa unterstützen.
Hier blockieren wir uns selbst.
Frau Präsidentin, ich bin gleich am Ende meiner
Rede. - Zu Belarus möchte ich sagen: Lukaschenko hat
natürlich überhaupt kein Interesse daran, dass Menschen
in die Europäische Union, in die Nachbarländer reisen.
Er wird also keinen Antrag stellen, die Gebühren für
Visa zu verringern. Die Gebühren werden nun erhöht,
weil die Nachbarländer Mitglieder des Schengen-Raums
sind. Ich glaube, wir müssen noch intensiv daran arbeiten, dass Menschen nach Europa, in die Europäische
Union, kommen können: Schüler, Studenten, Kulturschaffende und Wissenschaftler. Dieser Aufgabe müssen
wir uns widmen, um uns nicht selbst im Weg zu stehen.
Ich danke Ihnen.
({0})
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege
Thomas Silberhorn für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Unsere heutige Diskussion über das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2008 wird wohl
über 2008 hinaus Bedeutung haben. Im Jahr 2009 findet
die Europawahl statt und endet die Amtszeit der
Barroso-Kommission, sodass die Prioritäten für das
nächste Jahr wohl auch die Prioritäten für das Jahr 2009
sein werden. Insoweit begrüße ich es ausdrücklich, dass
wir heute über dieses Legislativ- und Arbeitsprogramm
ausführlich diskutieren können.
Zum Thema „Wachstum und Beschäftigung“ möchte
ich anmerken: Ich halte die Idee der Kommission, die
Wirtschafts- und Währungsunion nach ihrem zehnjährigen Bestehen einer strategischen Überprüfung zu unterziehen, für gut. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass
die unabhängige Geldpolitik der Europäischen Zentralbank der wesentliche Grund dafür ist, dass wir heute einen stabilen Euro haben, der international als Reserveund Anlagewährung zunehmend an Gewicht gewinnt.
({0})
Deswegen müssen wir allen Versuchen widerstehen,
durch politische Einflussnahme protektionistisch die
Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank zu gefährden. Wir müssen die Stabilität der gemeinsamen
europäischen Währung und das Erfolgsprojekt der Währungsunion weiter festigen.
Unter dem Stichwort „Wachstum und Beschäftigung“
diskutiert die Kommission auch die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik. Ich denke, wir sind uns darüber
einig, dass damit nicht die nächste finanzielle Vorausschau ab dem Jahr 2014 vorweggenommen werden
kann. Ich möchte aber auch davor warnen, die gemeinsame Agrarpolitik und ihre Finanzierung als Steinbruch
für Einsparungen oder Umschichtungen im EU-Haushalt
misszuverstehen.
({1})
Wir müssen schon sehr klar sehen, dass sich die Rolle
der Landwirtschaft verändert. Wir stehen vor einem
weltweit wachsenden Bedarf an qualitativ hochwertigen
Nahrungsmitteln.
({2})
Wir sehen, dass die Landwirtschaft zunehmend Bedeutung bei der Gewinnung erneuerbarer Energien hat, mit
denen wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen.
Deswegen ist es sicherlich notwendig, dass wir in der
Landwirtschaft mehr Effizienz erreichen. Wir müssen
die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft weiter verbessern und sicherstellen.
Einige kritische Anmerkungen möchte ich zum integrierten Konzept der Kommission zur Migration machen. Wenn Kommissar Frattini darüber spekuliert, wir
brauchten in Europa 20 Millionen Hochqualifizierte,
dann möchte ich doch dazu raten, einmal die Realität zu
betrachten.
({3})
Wir haben in Deutschland und auch in ganz Europa meines Erachtens keinen begründeten Bedarf an zusätzlicher
Zuwanderung, vor allem nicht an Zuwanderung in soziale Sicherungssysteme. Wir haben im Gegenteil vielleicht ein gewisses wirtschaftlich motiviertes Interesse
daran, billigere Arbeitskräfte von außerhalb der Europäischen Union in die Europäische Union hereinzuholen.
Ich rate, dazu auch einmal den Blick in südliche Mitgliedstaaten wie Spanien oder Italien zu werfen und in
Erfahrung zu bringen, zu welchen Konditionen dort in
der Wirtschaft gearbeitet wird.
Wenn bei uns in Deutschland über einen Fachkräftemangel - beispielsweise bei den Ingenieuren - gesprochen wird, dann möchte ich daran erinnern, dass noch
vor nicht allzu langer Zeit große Unternehmen einen
Einstellungsstopp für Ingenieure hatten. Deswegen
braucht man sich nicht darum zu sorgen, dass jetzt offenbar der Nachwuchs nicht da ist; man hat ja über Jahre
nicht eingestellt.
({4})
Gleichzeitig muss man in Rechnung stellen, dass
viele Ingenieure, die frühverrentet worden sind, derzeit
noch bei der Bundesagentur für Arbeit gelistet sind. Der
Vorrang muss sein, bei uns im Lande auszubilden und
Arbeitnehmer zu qualifizieren. Erst dann kann man darüber nachdenken, zusätzlichen Bedarf von außen zu decken.
({5})
Deswegen ist es wichtig, dass in dieser europäischen
Debatte über die Migrationspolitik das Ausmaß von legaler Migration und damit der Zugang zum Arbeitsmarkt
in den Mitgliedstaaten in der Zuständigkeit der einzelnen
Mitgliedstaaten verbleibt, dass auf europäischer Ebene
nicht ein neues Recht auf dauerhaften Aufenthalt geschaffen wird und damit neue Anreize für Zuwanderung
in soziale Sicherungssysteme gesetzt werden.
Ich meine auch, dass das Paket der Europäischen
Kommission zum Asylrecht kritisch hinterfragt werden
muss. Ich erkenne durchaus einige Argumente dafür an,
die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen zu
vereinheitlichen sowie über einen einheitlichen Rechtsstatus nachzudenken. Ich bitte aber zu bedenken, dass
wir in Deutschland die Besonderheit haben, Asylsuchenden ein individuelles Grundrecht auf Asyl zu gewähren.
Das ist europaweit einmalig. Wir sollten dieses Recht
nicht dadurch infrage stellen, indem jetzt über einen einheitlichen Rechtsstatus auf europäischer Ebene nachgedacht wird.
Was nationale Asylverfahren und Aufnahmebedingungen angeht, will ich durchaus einräumen, dass man
hier zu einer Angleichung kommen kann. Aber ich
meine, auch da muss man sehr kritisch hinschauen, wenn
beispielsweise die Praxis mancher Mitgliedstaaten darin
besteht, Legalisierungsaktionen durchzuführen, die im
Ergebnis eine gemeinsame europäische Politik unterlaufen würden.
Ein letzter Punkt. Dass die Europäische Union eine
europäische Unterstützungsagentur für das Asylwesen
gründen will, ist genauso überflüssig wie viele andere
europäische Einrichtungen. Ich begrüße es, dass die
Bundesregierung - sie ist da offensichtlich die einzige
Regierung - explizit Bedenken dagegen angemeldet hat.
Es ist im Informationszeitalter nicht wichtig, dass wir
neue Einrichtungen und neue Hierarchieebenen schaffen. Wir sollten vielmehr die Möglichkeiten der erleichterten Kommunikation nutzen und das, was vorhanden
ist, besser vernetzen, statt immer neue Einrichtungen zu
schaffen.
({6})
Zum Schluss möchte ich sagen: Das Anliegen der
Europäischen Kommission hinsichtlich einer besseren
Rechtssetzung findet grundsätzlich meine Unterstützung. Aber eine bessere Rechtssetzung durch die Europäische Union darf nicht einfach bedeuten: Besser ist es,
wenn wir es in der Europäischen Union selbst machen.
Eine bessere Rechtssetzung muss den Mitgliedstaaten
ausreichende Handlungsspielräume lassen. Deswegen ist
es wichtig, dass der Deutsche Bundestag in Zusammenarbeit mit allen anderen nationalen Parlamenten seine
Rolle als Wahrer des Subsidiaritätsprinzips ernst nimmt,
die uns im Reformvertrag von Lissabon zugeschrieben
wird.
In diesem Sinne freue ich mich auf ein für die europäische Politik spannendes Jahr 2008.
Vielen Dank.
({7})
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 c auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja
Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Regelsätze erhöhen - Dynamisierung anpassen - Kosten für Schulbedarfe abdecken
- Drucksache 16/7040 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({0})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja
Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Einführung einer Weihnachtsbeihilfe für
Grundsicherungsbezieherinnen und -bezieher
- Drucksache 16/7041 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({1})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Kurth, Brigitte Pothmer, Irmingard ScheweGerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Regelsätze bedarfsgerecht anpassen
- Drucksache 16/7113 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales ({2})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. - Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Katja
Kipping, Fraktion Die Linke, das Wort.
({3})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige
Abgeordnete reagieren nur noch genervt, wenn die Rede
auf Hartz IV kommt. Auch die Reihen der SPD durchzieht in diesem Fall meist ein Raunen „Schon wieder die
Linke mit ihrer Kritik an Hartz IV und ihrer Klage über
Armut“.
({0})
Es gibt sogar Abgeordnete, die demonstrativ das Plenum
verlassen, wann immer es um Hartz IV geht.
({1})
Ich kann verstehen, dass die Auseinandersetzung mit
Armut eher deprimierend ist. Auch ich würde lieber optimistisch mit Ihnen über Luxus für alle philosophieren.
({2})
Fakt ist aber: 7 Millionen Menschen in diesem Land
müssen mit Hartz IV leben. Während es einigen offensichtlich zu viel ist, sich auch nur fünf Minuten mit den
Auswirkungen von Hartz IV auseinanderzusetzen, müssen 7 Millionen mit Hartz IV leben, und das 24 Stunden
am Tag.
({3})
Fakt ist auch: Das Leben mit Hartz IV ist nicht einfacher, sondern schwerer geworden. Die Kosten für Strom
und Lebensmittel sind gestiegen. Seit letzter Woche ist
es nun dank der Untersuchungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auch amtlich: Orientiert
man sich nur an der Preisentwicklung, müsste der Regelsatz um rund 20 Euro aufgestockt werden. Das heißt, seit
Festlegung des Hartz-IV-Regelsatzes ist dieser um
5 Prozent entwertet worden.
Wenn wir also das Arbeitslosengeld II auf seiner jetzigen Höhe belassen, bedeutet das schlicht und ergreifend nichts anderes, als dass die Menschen jeden Monat
faktisch 20 Euro weniger in der Tasche haben. Vor diesem Hintergrund ist es für mich völlig unverständlich,
wieso der noch amtierende Bundesminister für Arbeit
und Soziales trotz dieser Erkenntnis gesagt hat, es bestehe kein Handlungsbedarf. Ich hoffe, der neue Minister
wird sich dieses Themas annehmen.
({4})
Für uns Linke ist es nicht hinnehmbar, dass Hartz-IVBetroffene immer weniger in der Tasche haben.
Aufschwung für alle: Das war die Losung auf dem
SPD-Parteitag. Ehrlicherweise hätten Sie hinzufügen
müssen: Aufschwung für alle, nur nicht für Erwerbslose,
für Niedriglöhner und für Rentner.
({5})
Denn die SPD ist offensichtlich noch nicht einmal bereit,
den realen Kaufkraftverlust auszugleichen. Nötig wäre
so viel mehr, denn der Regelsatz war von Anfang an viel
zu niedrig.
Werfen wir nur einmal einen Blick nach Skandinavien. Dort orientiert sich das Grundsicherungsniveau an
der Armutsrisikogrenze. Für Deutschland liegt die
Armutsrisikogrenze laut den neuesten offiziellen
Berechnungen bei 1 000 Euro. Von skandinavischen
Verhältnissen sind wir also noch wirklich weit entfernt.
In der Praxis reicht das Geld meistens so für 20 Tage,
erzählen mir immer wieder Erwerbslose und fragen mich
dann: Was tun, wenn am Ende des Geldes noch so viel
vom Monat übrig ist?
({6})
Der Paritätische Wohlfahrtsverband bestätigt dieses Alltagswissen. Deswegen schlagen wir, die Linke, Ihnen
vor, den Regelsatz auf 435 Euro zu erheben, und zwar
umgehend.
({7})
Sie von SPD und von CDU/CSU können es doch als
Chance begreifen. Sie können nun auf die vielen Bekundungen, man müsse über die Höhe des Regelsatzes nachdenken, der Regelsatz gehöre auf den Prüfstand, Handlungen folgen lassen.
In einem zweiten Antrag schlägt Ihnen meine Fraktion, die Linke, vor, für Arbeitslosengeld-II-Beziehende,
für Sozialhilfebeziehende und für Asylsuchende eine
Weihnachtsbeihilfe von 40 Euro einzuführen.
({8})
Das alte Bundessozialhilfegesetz sah eine solche Weihnachtsbeihilfe vor, und das aus gutem Grund. Denn
Weihnachten ist für viele ein wichtiges, ja sogar das
wichtigste Familienfest. Für viele ist es darüber hinaus
ein zentraler Bestandteil ihres religiösen Lebens. Ein
solches Fest ist mit höheren Ausgaben verbunden, mit
Ausgaben, die vom Regelsatz nicht zu bestreiten sind.
So sieht die Einkommens- und Verbrauchsstatistik,
die Hartz IV zugrunde liegt, für Geschenke an Kinder
gerade einmal 1,47 Euro vor. 1,47 Euro, meine Damen
und Herren, Hand aufs Herz: Welches Geschenk für Kinder fällt Ihnen ein, das man davon kaufen kann?
({9})
Zu einem besinnlichen Weihnachtsfest gehört nun
wahrlich mehr als Geld. Das ist mir bewusst. Aber so
ganz ohne Geld lässt sich ein Fest auch nicht ausrichten.
Auch Menschen, die auf Arbeitslosengeld II oder auf
Asyl angewiesen sind, sollten die Möglichkeit haben,
mit ihrer Familie oder mit ihren Freunden ein schönes
Weihnachtsfest zu begehen.
({10})
Insofern appelliere ich an Sie, liebe Christ-Demokraten,
und an Sie, liebe Sozial-Demokraten: Geben Sie sich einen Ruck und erwärmen Sie sich für die Idee der Weihnachtsbeihilfe! Stimmen Sie für den Antrag der Linken!
Besten Dank.
({11})
Das Wort hat nun Kollege Max Straubinger, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Zum wiederholten Male setzen wir uns heute in diesem
Haus mit den wahlkampfbedingten Anträgen der Linken
auseinander.
({0})
Wir tun das in dem Bewusstsein, dass Deutschland ein
sehr soziales Land ist und dass Deutschland und insbesondere diese Bundesregierung den sozialhilfebedürftigen Menschen in besonderer Weise beisteht.
({1})
Dies können wir mit der wirtschaftlichen Entwicklung
untermauern, die seit zwei Jahren eingesetzt hat. Wir
zählen in Deutschland 1,5 Millionen mehr Erwerbstätige. Damit haben wir die Chancen der Menschen großartig verbessert.
({2})
Somit haben wir auch mehr Zukunftszutrauen bei den
Menschen erarbeitet.
({3})
Sozialpolitik, werte Kolleginnen und Kollegen von
der Linken, misst sich nicht an der höchsten Geldleistung,
({4})
die in diesem Regelsatz zum Ausdruck gebracht wird,
sondern Sozialpolitik misst sich im Besonderen daran,
wie viele Chancen die Menschen haben, ihr Leben in Eigenverantwortung zu gestalten. Dafür tragen wir besonders Verantwortung. Daran arbeiten wir zuvörderst.
({5})
Werte Damen und Herren, Linke wie auch Bündnis 90/
Die Grünen fordern mit ihren Anträgen letztlich eine
pauschale Erhöhung der Regelsätze bzw. der Regelleistungen im SGB II: Die Linke auf 435 Euro und Bündnis 90/Die Grünen auf 420 Euro. Darüber hinaus wird
gefordert, dass die Bemessung dieser Sätze an den Lebenshaltungskostenindexen ausgerichtet wird. Außerdem sollen weitere Einmalleistungen im Falle der Einschulung von Kindern erbracht werden. Die Linken
möchten, dass für Schülerinnen und Schüler jedes halbe
Jahr zusätzliche Leistungen erbracht werden.
({6})
Wir müssen bei den Linken feststellen: Sie haben
nicht kapiert, dass wir eine Reform durchgeführt haben,
die darauf abzielt, dass die Empfänger von Transferleistungen mit ihrer finanziellen Unterstützung letztendlich
eigenverantwortlich umzugehen haben.
({7})
Der Weg führt weg von Einzelleistungen und Einzeltatbeständen und hin zum selbstverantwortlichen Umgang
mit dem erhaltenen Geld.
Im Juli, im August und auch im September ist über
den Anstieg der Lebensmittelpreise in unserem Land
verstärkt diskutiert worden. Die Regelsätze bemessen
sich allerdings nicht nur an den Lebensmittelpreisen,
sondern an den Gesamtkosten eines Einpersonenhaushalts. Die Höhe des letztendlich beschlossenen Regelsatzes ist nur 20 Prozent niedriger als die unteren 20 Prozent der Einkommen in Deutschland.
({8})
Dieser Abstand ist meines Erachtens notwendig und
sachgerecht. Er wird auch in der Einkommens- und Verbrauchsstatistik - sie wird alle fünf Jahre erstellt, also
2008 wieder; zuletzt geschah dies 2003 - abgebildet.
Wir geben zu, dass mit den nach diesem Regelsatz gezahlten finanziellen Mitteln kein üppiges Leben geführt
werden kann; aber damit kann ein menschenwürdiges
Leben geführt werden.
({9})
Jeder - ob ein Geringverdiener, ein Höchstverdiener
oder ein ALG-II-Empfänger - muss sein persönliches
Ausgabeverhalten nach dem ausrichten, was er zur Verfügung hat. Ich bin überzeugt, dass das möglich ist.
({10})
Wir sollten hier nicht immer nur den Regelsatz von
347 Euro betrachten. Hinzu kommen die finanziellen
Mittel zur Deckung der Kosten für die Unterkunft. Ich
habe es ausrechnen lassen. Eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren, in der beide Elternteile ALG-IIEmpfänger sind, erhält 625 Euro ALG-II-Leistungen
plus 416 Euro für die Kinder; das Kindergeld wird abgezogen,
({11})
also minus 308 Euro. Die durchschnittlichen Kosten für
eine Wohnung liegen bei 628 Euro. Das bedeutet letztendlich eine Nettounterstützung von rund 1 360 Euro.
({12})
Ein Facharbeiter muss schon gehörig arbeiten, um netto
so viel Geld zur Verfügung zu haben.
({13})
Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie fordern einen Mindestlohn von 8 Euro.
({14})
Selbst wenn dies umgesetzt würde, würde kein Lohn in
dieser Höhe ausgezahlt werden. Wenn jemand nämlich
178 Stunden im Monat arbeitet, dann erhält er bei einem
Stundenlohn von 8 Euro brutto 1 424 Euro. Wenn man
davon 20 Prozent Sozialversicherungsbeiträge abzieht,
was geschieht, dann kommt man netto auf 1 139 Euro.
({15})
- Mit Kindergeld ist man dann genauso gestellt. - Allerdings hat der eine 40 Stunden in der Woche gearbeitet,
während der andere keine Arbeitsleistung erbracht hat.
Es geht hier auch um das Lohnabstandsgebot. Der,
der tagtäglich in der Früh aufsteht und hart arbeitet, muss
zum Schluss mehr haben als jemand, der von Sozialleistungen lebt.
({16})
Herr Kollege gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Kipping?
Ja.
({0})
Herr Straubinger, ich habe mit Interesse Ihre Berechnungen verfolgt und habe in diesem Zusammenhang
eine Frage an Sie. Sind Sie bereit, zuzugeben, dass Sie
bei Ihrer Rechnung zwei Fakten außen vor gelassen haben: zum einen, dass Sie bei dem von Ihnen beschriebenen Arbeitenden das Kindergeld, welches obendrauf
kommt, nicht eingerechnet haben, und zum anderen,
dass Ihre Berechnung davon ausgeht, dass nur einer in
der Familie arbeitet, Sie also immer noch das vollkommen altmodische und überkommene Bild vom alleinernährenden Mann in einer Familie zur Grundlage genommen haben, das nicht den modernen Realitäten
entspricht und auch nicht entsprechen sollte?
Frau Kipping, dass Sie den Menschen nicht die Wahlfreiheit lassen wollen, wie sie ihr eigenes Leben einrichten, ist ja bekannt.
({0})
Ich wollte nur darstellen, dass die Mindestlohnforderung nicht einmal ausreicht, die jetzigen Regelsätze zu
erreichen. Regelsätze, wie Sie sie in Ihren Anträgen fordern, würden bedeuten, dass ein noch weit höherer Mindestlohn zu schaffen wäre. Das kann meines Erachtens
nicht richtig sein. Es würde auch bedeuten, dass die
Menschen eigentlich von der Arbeit abgehalten werden.
Das kann es meines Erachtens nicht sein.
({1})
Ich glaube auch, dass es richtig ist, dass die Regelsätze gemäß der Steigerung der Rente angepasst werden.
Herr Kollege, Frau Kipping möchte noch eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie das?
Nein, das lassen wir jetzt.
Dass die Steigerung der Regelsätze der Entwicklung
der Rente entspricht, ist, glaube ich, sehr sachgerecht.
({0})
- Das hat nichts mit Abgeordnetengehältern zu tun, Herr
Schneider. - Diese Anpassung ist sehr sachgerecht, weil
die Rente sich letztendlich so entwickelt, wie sich die
Löhne entwickeln. Wenn die Löhne steigen, dann gibt es
eine Rentensteigerung. Das wird dann auch in den Regelsätzen unterlegt. Alles andere wäre meines Erachtens
gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern, die die
Preissteigerungen des normalen Lebens genauso bewältigen müssen, oder auch gegenüber den Niedrigverdienern, die ebenfalls mit diesen Preissteigerungen konfrontiert sind, nicht zu verantworten.
({1})
Auch sie müssen dies bewältigen. Deshalb ist es meines
Erachtens sehr sachgerecht, wie über zehn Jahre hinweg
die Anpassungen der Regelsätze erfolgten.
Es ist für uns vielleicht auch von Bedeutung, die Lebensverhältnisse zukünftig etwas zeitnäher zu überprüfen. Dies ist möglich, indem wir die Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe nicht wie bisher alle fünf Jahre,
sondern alle drei Jahre erheben, um damit eine zeitnähere Betrachtungsweise der Lebensverhältnisse in unserem Land zu gewinnen. Wir sind bereit, dies umzusetzen.
Aber ich warne davor, zukünftig wieder Sondertatbestände bzw. Einzelleistungen ins Auge zu fassen. Wir
haben bei der Reform bewusst vom mündigen Bürger
gesprochen und gesagt, dass der mündige Bürger seine
Finanzzuweisung selbst einteilen muss. Die Kritik in der
Vergangenheit lautete doch immer, die Sozialämter
schnüffelten sozusagen in den Haushalten. Dies wurde
mit den Pauschalsätzen - damals wurden sie von 295 auf
345 Euro erhöht - abgeschafft. Ich glaube, das ist gut so.
Aber ich warne davor, hier neue Einzeltatbestände aufzunehmen.
Außerdem möchte ich anmerken, dass dies in Bayern
gar nicht notwendig ist. In Bayern ist die Schulwegkostenfreiheit für ALG-II-Empfänger gewährleistet. In Bayern ist die Befreiung vom Büchergeld und von Sonstigem gewährleistet. In Bayern ist auch in vielen anderen
Bereichen eine gute soziale Unterstützung gegeben. Hier
könnte sich die Linke vor allen Dingen dort, wo sie in
unserem Land mitregiert, also in Berlin, wahrscheinlich
eine gute Scheibe von der Sozialpolitik in Bayern abschneiden.
({2})
Ich erteile das Wort Kollegen Heinz-Peter Haustein,
FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Wir sprechen heute über die ALGII-Regelsätze. Wir leben in einem reichen Land.
Deutschland ist reich. Ich lebe gern hier und stehe zu
meinem deutschen Vaterland. Trotzdem gibt es unübersehbare Probleme. Obwohl wir die Hälfte des Haushaltes des Bundes für soziale Leistungen ausgeben und aus
allen Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen
686 Milliarden Euro dafür aufwenden, gibt es Ungerechtigkeiten. Heute sprechen wir über die Bezieherinnen
und Bezieher der Grundsicherung. Das sind Menschen,
die es allein nicht schaffen, sich zu ernähren und für sich
zu sorgen. Dafür muss die Gesellschaft aufkommen. Das
ist richtig so.
Ich will einmal beleuchten, was zur Grundsicherung
gehört. Zum einen ist das die Miete. Die Miete wird bezahlt, unabhängig davon, ob sie steigt oder nicht. Zum
anderen sind es die Mietnebenkosten. Die Heizkosten
werden unabhängig von der Ökosteuer oder der steigenden Mehrwertsteuer bezahlt. Das ist in Ordnung. Ferner
gibt es Sonderbedarfe, zum Beispiel wenn jemand einen
Kühlschrank oder eine Waschmaschine braucht.
({0})
Es gibt außerdem Zuschüsse und Vergünstigungen für
Volkshochschulkurse oder Museumsbesuche. Der Staat
kümmert sich auch um diese Menschen.
({1})
Damit stehen über die Grundsicherung ungefähr
1 200 Euro zur Verfügung. Dafür muss der Empfänger
keine Minute arbeiten.
Zum Vergleich schauen wir uns jetzt einmal die Menschen an, die jeden Morgen zwischen fünf und sechs Uhr
aufstehen und die ganze Woche arbeiten. Sie fahren zum
Beispiel 30 Kilometer zur Arbeit - die Pendlerpauschale
wurde ja zum Teil gestrichen, sodass sie die Kosten dafür selbst tragen müssen -, sie müssen zudem für den
teuren Sprit, die Winterreifen und die Versicherung aufkommen, und sie müssen ihre Miete und die erhöhten
Mietnebenkosten selbst bezahlen. Niemand gibt ihnen
dazu einen Zuschuss. Bei einem Stundenlohn von 8 Euro
kommen sie damit ebenfalls auf ungefähr 1 200 Euro.
({2})
Ich halte es nicht für gerecht, wenn jemand den ganzen
Monat arbeitet und fast das Gleiche erhält wie - zumindest nicht mehr - jemand, der von der Grundsicherung
lebt.
({3})
Deshalb müssen wir daran etwas ändern.
({4})
Dazu haben wir auch die Möglichkeit, indem wir mit
den richtigen Reformen dafür sorgen, dass in erster Linie
mehr Arbeitsplätze entstehen. Wie diese entstehen können, wissen Sie. Eine Reform des Steuersystems und Bürokratieabbau sind die wichtigsten Punkte.
({5})
- Dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden müssen, ist
auch klar. - Wenn uns das gelingen würde, müssten wir
nicht immer wieder über zusätzliche 20 oder 40 Euro an
dieser oder jener Stelle sprechen.
Es gibt sogar noch eine bessere Möglichkeit, nämlich
die Zusammenfassung aller Transferleistungen zu einem
Bürgergeld.
({6})
Das Bürgergeld würde dem Staat Einsparungen in Höhe
von 40 Milliarden Euro bringen, und es wäre gerechter,
weil alle es in gleicher Weise erhalten. Denjenigen, die
viel haben, wird es als negative Einkommensteuer angerechnet.
({7})
Das Bürgergeld wäre eine richtige Maßnahme. Aber warum setzen Sie es in der Großen Koalition nicht um?
Weil Sie sich nur streiten und sich nicht einig werden.
Was sollen die Menschen denken, wenn wir uns im Bundestag nur herumstreiten, statt dieses Land zukunftssicher zu machen und nach vorn zu bringen?
({8})
Schließlich fordern Sie in Ihrem Antrag noch eine
Weihnachtsbeihilfe. Das klingt ja im ersten Moment
ganz gut. Sie begründen Ihren Antrag mit dem religiösen
Weihnachtsfest.
({9})
Beim Lesen habe ich mich aber daran erinnert, wie das
zu DDR-Zeiten so war. Damals war es ein Fest des Friedens,
({10})
von der Geburt Christi war keine Rede.
({11})
Sie haben es nicht einmal fertig gebracht, einen Weihnachtsengel auch als „Engel“ zu bezeichnen. Bei Ihnen
war das eine „Jahresendfigur mit Flügeln“. So sieht sie
aus!
({12})
Und jetzt reden Sie von der religiösen Bedeutung des
Weihnachtsfestes.
({13})
Ihr Antrag ist scheinheilig. Sie streuen den Leuten
Sand in die Augen, ohne ihnen eine Perspektive aufzuzeigen.
In diesem Sinne ein herzliches Glückauf!
({14})
Ich erteile das Wort Kollegin Gabriele Hiller-Ohm,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Weihnachten steht vor der Tür. Damit wir das ja nicht
vergessen, wird von der Linksfraktion rechtzeitig der
passende Weihnachtsantrag vorgelegt. Sie fordern für
alle Bezieher der Grundsicherung die Einführung einer
Weihnachtsbeihilfe von 40 Euro. Wenn das kein schönes Weihnachtsgeschenk ist! Praktisch ist es auch, da
es die Linksfraktion keinen einzigen Cent kostet. Über
die Finanzierung dieser Forderung schweigt sich die
Linksfraktion nämlich, wie sie es immer tut, aus.
({0})
Bezahlen müssten das Ganze Bund, Länder und Kommunen.
Mit dem Titel Ihres Antrags erwecken Sie zudem den
Eindruck, als gäbe es in Deutschland überhaupt keine
Weihnachtsbeihilfe. Das ist falsch. Die Weihnachtsbeihilfe ist im Zuge der Sozialreformen in den Jahren 2004
und 2005 in einen erhöhten pauschalierten Regelsatz
eingeflossen.
({1})
Es wurde also nichts gestrichen oder gekürzt. Erst im
letzten Jahr haben wir sogar Erhöhungen bei der Weihnachtsbeihilfe vorgenommen.
({2})
Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion,
haben sich dabei verweigert.
({3})
Sie haben unserer Initiative nicht Ihre Zustimmung gegeben.
({4})
So sehen Ihr soziales Gewissen und Ihre soziale Verantwortung aus.
({5})
Was den zweiten Antrag der Linksfraktion angeht,
sieht es nicht besser aus. Darin wird eine Erhöhung der
Regelsätze auf pauschal 435 Euro gefordert - eine wirklich mitreißende Forderung.
({6})
Denn wer möchte denen, die am wenigsten haben, nicht
mehr geben?
({7})
Wie diese Erhöhung finanziert und woher das dafür benötigte Geld genommen werden soll, darüber erfahren
wir leider auch in diesem Antrag nichts.
({8})
Wir werden diese Forderung der Linksfraktion ablehnen, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens. Die Finanzierung ist völlig offen. Allein die Anhebung des Regelsatzes kostet mehr als 10 Milliarden Euro.
Die Weihnachtsbeihilfe käme noch hinzu. Die Gegenfinanzierung bleibt offen.
Zweitens. Die Aussagen der Linksfraktion sind widersprüchlich und unglaubwürdig.
({9})
Gerade erst haben wir im Bundestag über den Entwurf
eines Gesetzes, in dem die Kosten der Unterkunft geregelt werden sollen, debattiert. In diesem Zusammenhang
hat die Linksfraktion beklagt, dass die Kommunen mit
Sozialleistungen übermäßig belastet würden. In ihren
heutigen Anträgen sattelt sie noch ordentlich drauf und
fordert für Bund, Länder und Kommunen Mehrbelastungen in Milliardenhöhe.
({10})
Was hier geschieht, das ist reiner Populismus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, Sie fordern in Ihrem Antrag neben der Erhöhung
der Regelsätze eine jährliche Anpassung der Grundsicherungsleistungen an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Hier sehen auch wir Handlungsbedarf.
({11})
Alle fünf Jahre ermittelt das Statistische Bundesamt im
Rahmen einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe,
wie die Situation im untersten Einkommensfünftel der
Gesellschaft aussieht und wofür dieser Personenkreis
Geld ausgibt. Dieses Verfahren hat sich grundsätzlich bewährt.
Es gibt aber ein Problem: Der Abstand von fünf Jahren
zwischen zwei Stichproben ist zu groß. Wir haben in den
letzten Jahren erfahren, dass dadurch nicht schnell genug
auf Verteuerungen der Lebenshaltungskosten reagiert
werden kann. Zu Verteuerungen kam es zum Beispiel aufgrund der gestiegenen Gesundheits- und Energiekosten
sowie im Zuge der Mehrwertsteuererhöhungen.
Im Moment ist die jährliche Anpassung der Leistungen an die Entwicklung der Renten gekoppelt. Ein Ausgleich für steigende Verbrauchspreise ist dadurch jedoch
nicht sichergestellt; denn leider gab es in den letzten Jahren auch bei den Renten Nullrunden. Hier brauchen wir
eine Neuregelung, um das Existenzminimum zu sichern.
Das Sozialministerium bereitet zurzeit an genau dieser Stelle Änderungen vor. Ein Vorschlag ist, den Zeitraum zwischen zwei Einkommens- und Verbrauchsstichproben von fünf Jahren auf drei Jahre zu reduzieren.
({12})
Dies wäre ein ganz deutlicher Fortschritt und würde den
Handlungsdruck bei der jährlichen Anpassung entschärfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Antrag
fordern Sie außerdem eine verstärkte Abdeckung der
Kosten für Schulbedarf. Offensichtlich haben Ihnen die
Vorschläge, die unser Parteivorsitzender Kurt Beck im
Bundesrat gemacht hat, so gut gefallen, dass Sie diese
gleich abgeschrieben haben.
({13})
Wie Sie sich vorstellen können, sind die Anregungen des
Landes Rheinland-Pfalz bei uns und im Ministerium angekommen.
Es ist völlig richtig, die Bildungschancen der Kinder
gerechter zu gestalten. Ich habe aber Zweifel, dass sich
dieses Ziel allein durch immer höhere individuelle Geldleistungen, wie Sie von der Linksfraktion sie fordern, erreichen lässt. Denn wie stellen Sie sicher, dass das Geld
auch bei den Kindern ankommt und für Schulbedarf eingesetzt wird?
({14})
Neben Geldleistungen müssen wir vor allem die soziale Infrastruktur stärken. Im Hinblick auf die Kinder
heißt das: Wir brauchen ein qualifiziertes Bildungs- und
Betreuungsangebot einschließlich gemeinschaftlich organisiertem Essen, mehr und bessere Gesundheitsdienstleistungen, Freizeitmöglichkeiten, zum Beispiel an
Schulen, in Jugendklubs und Sportvereinen.
({15})
Das Lebensumfeld der von Armut betroffenen Menschen muss verbessert werden. Das gilt nicht nur für die
Kinder, sondern auch für die Erwachsenen. Wir müssen
verstärkt in Aus- und Weiterbildung investieren oder öffentlich geförderte Beschäftigung anbieten. Wenn die
Linksfraktion jetzt mehr als 10 Milliarden Euro in höhere Regelsätze investieren will, dann fehlt genau an
dieser Stelle das Geld. Die Menschen werden bei Ihnen
finanziell abgespeist, anstatt über eine verbesserte soziale Infrastruktur aktive Hilfe zu bekommen.
Falsch ist auch die übertriebene Fixierung auf den
Bund. In Deutschland sind Länder und Kommunen für
die Bildung zuständig.
({16})
Wir dürfen diese Ebenen nicht aus der Verantwortung
entlassen. Auch sie müssen die notwendige Infrastruktur
schaffen, um Chancenungerechtigkeit und Armut vor
Ort zu verhindern. Der Bund unterstützt Länder und
Kommunen schon heute durch eine verbesserte Finanzzuweisung, zum Beispiel durch das 4-Milliarden-EuroProgramm zum Ausbau von Ganztagsschulen oder durch
das vor kurzem beschlossene Programm zum Ausbau
von Krippen.
Künftig müssen Bund, Länder und Kommunen noch
stärker an einem Strang ziehen. Wir brauchen in
Deutschland einheitliche Standards für mehr Bildungsgerechtigkeit und zur Verhinderung von Armut insbesondere bei den Kindern. Ein Bündnis gegen Kinderarmut ist überfällig. Die SPD hat deshalb die Einrichtung
einer Kommission beschlossen. Diese soll ein Gesamtkonzept für ein Bündnis gegen Kinderarmut ausarbeiten. Auch Minister Müntefering hat Initiativen angekündigt. Ich bin sicher, dass der neue Minister, Scholz,
diese Anregungen aufnehmen und die Landessozialminister ins Boot holen wird.
Ich fasse zusammen: Wir brauchen ein Gesamtkonzept gegen Armut in Deutschland. Alle staatlichen Ebenen sind gefordert, alle politischen Ressorts müssen mitarbeiten. Zu diesem Konzept gehört sicherlich auch eine
Überarbeitung des Modus für die Ermittlung des Regelsatzes. Die Anträge der Linksfraktion greifen hier aber
zu kurz. Sie blenden zum Beispiel den Ausbau der sozialen Infrastruktur komplett aus.
({17})
Die Vorschläge sind auch finanzpolitisch unseriös: Die
Linksfraktion verspricht wieder einmal die Verteilung
von finanziellen Hilfen aus dem Füllhorn, ohne auch nur
anzudeuten, woher das Geld kommen soll.
({18})
Deshalb lehnen wir die Anträge ab.
Zu dem Antrag der Grünen bin ich jetzt leider nicht
mehr gekommen; meine Redezeit ist abgelaufen.
({19})
Ich muss sagen, Herr Kurth, ich fand es nicht richtig,
dass Sie Ihren Antrag zu einem so wichtigen Thema so
kurzfristig vorgelegt haben.
({20})
Das finde ich nicht angemessen. Aber wir werden ja im
Ausschuss noch Gelegenheit haben, ihn zu behandeln.
({21})
Das Wort erteile ich nun Kollegen Markus Kurth,
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Hiller-Ohm, ich kann Sie trösten: Wir werden sicherlich
nicht den letzten Antrag zu den Regelsätzen vorgelegt
haben. Uns wäre es allerdings lieber, wir müssten nicht
immer wieder auf dieses Thema hinweisen.
Um es vorweg zu sagen: Auch wir sind der Auffassung, dass Armut nicht alleine mit Geldleistungen dauerhaft bekämpft werden kann und dass es eine soziale Infrastruktur braucht.
({0})
Wir wollen den Regelsatz bedarfsgerecht angepasst sehen und ihn nicht gegen eine soziale Infrastruktur ausspielen.
Herr Straubinger, nachdem Sie so viel von eigenverantwortlichem Umgang mit dem Budget gesprochen haben - es ist ja im Prinzip richtig, das zu pauschalieren -,
sollte man sich ein paar Fakten zu der Höhe des Budgets
und zu der Entwicklung in den vergangenen Jahren ansehen.
Fakt Nummer 1. Das Statistische Bundesamt hat
heute, am 15. November 2007, mitgeteilt, dass der Verbraucherpreisindex in Deutschland von Oktober 2006
bis Oktober 2007 um 2,4 Prozent gestiegen ist.
({1})
Das geht insbesondere auf den Anstieg der Nahrungsmittelpreise und der Preise für alkoholfreie Getränke zurück, der 4,6 Prozent beträgt.
Fakt Nummer 2. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung hat schon vor einiger Zeit eine umfangreiche
Studie vorgelegt, wonach es unmöglich ist, mit den geltenden Anteilen des Regelsatzes, die für Ernährung vorgesehen sind, Kinder zu ernähren. Selbst wer nur beim
Discounter kauft - ich zitiere -, muss im Schnitt
4,68 Euro täglich bezahlen, um den Appetit eines Teenagers mit einer ausgewogenen Kost zu stillen.
Fakt Nummer 3. Es kann auch nicht verwundern - ich
zitiere jetzt aus dem Siebten Familienbericht der Bundesregierung, also aus einem Dokument, das Sie selbst
2006 vorgelegt haben -, dass Sie in Ihrer eigenen Berichterstattung zu dem Schluss kommen:
Allerdings gibt zu denken, dass auch ausgebildete
Oekotrophologinnen und Oekotrophologen nicht
im Stande waren, die Familienhaushalte mit dem
verfügbaren Sozialhilfebudget länger als bis zum
24. Tag eines laufenden Monats … zu beköstigen.
Da muss man doch stutzig werden.
({2})
Die Erkenntnisse liegen also auf der Hand. Am
2. November 2007 sagte der jetzt zurückgetretene Bundesminister Müntefering in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung: „Wir sammeln Erkenntnisse zu den
Preisentwicklungen“. Ich weiß nicht, wieso man noch
Erkenntnisse sammeln muss, wenn die Fakten, die ich
gerade genannt habe, so klar auf dem Tisch liegen.
({3})
Nun gut, das Ministerium sammelt also erst einmal.
Ein vorläufiges Resultat ist ein interner Bericht, der
offensichtlich für den Koalitionsausschuss angefertigt
worden ist. Auch in diesem internen Bericht kommt man
zu dem Schluss, dass der Regelsatz alleine dann, wenn
man die Inflationsanpassung vornehmen würde, bei
367 Euro bzw., wenn man das gewichtet, bei 359 Euro
liegen müsste.
({4})
Ist die Konsequenz wenigstens die, dass Sie die Erhöhung des Regelsatzes zumindest um die Inflationsrate
planen? Nein. Sie schreiben: Die weitere Verwendung
des Rentenanpassungswertes für die Fortschreibung des
Eckregelsatzes ist sachgerecht.
Wie kann man angesichts der eigenen Zahlen, die
man hier festgestellt hat, nur zu dieser Konsequenz kommen? Wie kann man dann sagen - das treibt ja jedem Sozialrechtler die Tränen in die Augen -, dass man die Anpassung an den Rentenwert weiter vornehmen will, weil
man sonst ungerechtfertigte Vorteile für Sozialhilfebeziehende bzw. Beziehende von ALG II gegenüber den
Rentnern schaffen würde? Das kann doch wohl nicht
wahr sein.
Die Rente ist ein politisch definierter Wert. Sie wurde
mit Dämpfungsfaktoren versehen, und die Rente ist in
vielen Fällen auch nicht das einzige Einkommen. Wenn
die Rente so niedrig ist, dass man auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist, dann profitiert man schließlich auch von einem höheren Regelsatz.
Sie sollten also wenigstens sozialrechtlich konsistent
argumentieren und die Fakten nicht ignorieren. Das
Mindeste wäre es, die Regelsätze um das Niveau der Inflation, die es in den letzten Jahren gab, anzuheben. Nehmen Sie sich das bitte zu Herzen, sonst bekommen Sie
noch viele Anträge von uns.
Danke schön.
({5})
Da ich das vorhin übersehen habe, erteile ich jetzt der
Kollegin Katja Kipping das Wort für eine Kurzintervention auf die Rede von Kollegin Hiller-Ohm.
Frau Hiller-Ohm, Sie haben zu Recht die Finanzierung angesprochen. Ich möchte gerne noch einmal auf
zwei Fakten verweisen.
Erstens. Ihnen ist doch auch bekannt, dass wir im
Zuge der Haushaltsberatungen entsprechende Einsparungsvorschläge unterbreitet haben, zum Beispiel den
Verzicht auf die Unternehmensteuerreform, welche die
öffentliche Kasse viel Geld kostet, oder Einsparungen
im Militärhaushalt.
({0})
Ihnen müssen unsere Vorschläge nicht gefallen, und
Sie können sagen, dass unsere Einsparungsvorschläge
nicht Ihre politische Zustimmung finden, aber zu behaupten, wir würden nicht sagen, wie man das finanzieren kann, ist eine Verdrehung der Tatsachen.
({1})
Zweitens - auch zur Einsparung. Wenn es einen Mindestlohn gäbe, dann könnten wir jede Menge Kosten einsparen. Bisher zahlen wir jedes Jahr 8 Milliarden Euro
an die sogenannten Aufstocker. Das sind Menschen, die
auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, obwohl sie arbeiten gehen. Wenn ordentliche Löhne gezahlt würden,
dann könnten wir in diesem Bereich sehr viel einsparen.
Frau Hiller-Ohm, abschließend möchte ich Ihnen folgendes Zitat aus der Rede Ihres Spitzenkandidaten in
Hamburg, die auf dem SPD-Parteitag viel Beifall gefunden hat, nicht vorenthalten, weil Sie uns in Ihrer Rede
angegriffen und gesagt haben, wir machten uns zu sehr
für Verteilungsgerechtigkeit stark:
Wer Verteilungsgerechtigkeit als altsozialistische
Ideologie denunziert, verabschiedet sich in Wirklichkeit aus der politischen und ökonomischen Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik und gefährdet
den sozialen Frieden in unserer Zukunft …
({2})
Frau Kollegin, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.
Frau Kollegin, in den Punkten 2 und 3 stimme ich Ihnen zu. Auch wir kämpfen für Mindestlöhne, wie Sie
wissen. Wir sehen die Problematik.
({0})
Dass es zunehmend mehr Aufstocker gibt, ist uns bekannt. Darüber brauchen Sie uns nicht zu belehren.
({1})
Zu Punkt 1: Finanzierung Ihrer Wohltaten. Sicherlich
haben Sie Vorschläge vorgelegt, aber nicht immer zu den
konkreten Anträgen. Wenn man die Forderungen aus Ihren Anträgen zusammennimmt und Ihre Vorschläge zur
Gegenfinanzierung sieht, dann stellt man fest, dass man
unter dem Strich nicht zu einer Null kommt. Ihre Rechnung geht nicht auf. Sie können sich nicht bei jedem Antrag, bei dem Sie nichts zur Gegenfinanzierung sagen,
auf die Unternehmensteuerreform beziehen. Sie können
das Geld nur einmal ausgeben. Sie geben es aber immer
wieder aus. Ich finde es unseriös, dass Sie nicht konkret
sagen, wie Sie es machen wollen. Sie bleiben das immer
schuldig und verweisen nur auf die Unternehmensteuerreform. Dem werden wir uns nicht anschließen.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/7040, 16/7041 und 16/7113 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels
- Drucksache 16/5847 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({0})
- Drucksache 16/7156 Berichterstattung:
Abgeordneter Reinhard Schultz ({1})
Es liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der
FDP und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Albert Rupprecht, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Position ist durch die Ereignisse und auch durch die
Debatten in den letzten Wochen in der Sache bestätigt
worden. Es gibt kurzfristig keine Alternative zur Verschärfung der Missbrauchsaufsicht. Wer unseren Gesetzentwurf heute ablehnt, akzeptiert, dass den Verbrauchern
jährlich bis zu 9,5 Milliarden Euro aus den Taschen gezogen werden, zum Leidwesen der Privathaushalte und
der stromintensiven Industrien. Es besteht die reale Gefahr, dass Produktionslinien und Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden.
Wir haben vor einigen Wochen zu Recht moniert,
dass Eon die Strompreise um 10 Prozent erhöht, und
zwar ohne vernünftige ökonomische Begründung. Wir
hören gestern, dass die Gewinne von Eon im Jahr 2007
bisher um 22 Prozent gestiegen sind. Ein erheblicher
Teil dieser Gewinne stammt aus der Quasimonopolstellung. Das ist Hohn gegenüber den Verbrauchern in unserem Lande. Das Bundeskartellamt muss solche Fälle
schlagkräftig untersuchen und erfolgreich gegen Monopolgewinne vorgehen können. Dazu müssen wir heute
die Verschärfung der Missbrauchsaufsicht beschließen.
Künftig wird die Beweislast umgekehrt. Die Energieversorger müssen ihre Preiserhöhungen begründen. Wenn
sie das nicht können, wird das Bundeskartellamt eine sofortige Preissenkung anordnen.
Die Grünen und die FDP haben angekündigt, gegen
unseren Gesetzentwurf zu stimmen. Frau Andreae, Sie
sagen, die Grünen stimmten nicht zu, weil sonst der
Druck aus dem Kessel genommen werde, um die eigentumsrechtliche Entflechtung durchzusetzen.
({0})
Frau Andreae, Sie fügen den Verbrauchern bewusst
Schaden zu, statt sie kurzfristig zu entlasten. Sie tun das,
um politische Maßnahmen zu erzwingen, die, wenn
überhaupt, frühestens in zehn Jahren wirken werden. Ich
glaube kaum, dass Sie das den Bürgern im Land erklären
können.
In der Diskussion gab es in der Tat auch kritische
Punkte. Eine Sorge war, dass die Gesetzesnovelle das
Auftreten neuer Anbieter verhindert und dass Investitionen in neue Kraftwerke reduziert werden. Das kann aber
aus logischen Gründen nicht der Fall sein: Wer im
Jahr 2008 entscheidet, zu investieren, wird frühestens
2012 ans Netz gehen; Ende 2012 gilt aber der § 29 ({1})
GWB nicht mehr, weil wir ihn zeitlich befristet haben.
Wir gehen nämlich davon aus, dass wir bis 2012 einen
funktionierenden Wettbewerb im Energiebereich geschaffen haben werden; dann ist die verschärfte Form
der Missbrauchsaufsicht nicht mehr notwendig.
Natürlich kann ein Versorger, der investiert, einen höheren Preis ansetzen. Wenn er die Investitionen gegenüber dem Kartellamt erklärt, ist das kein Problem. Es
gibt hier keine Preisdeckelung. Es gibt auch keine schädliche flächendeckende staatliche Preiskontrolle. Wir beschließen heute die einzelfallbezogene, nachträgliche,
aber scharfe Prüfung, ob überhöhte Monopolpreise verlangt werden. Wir beschließen heute, dass überhöhte
Preise sofort gesenkt werden müssen.
Wir haben zudem die Kritik, soweit sie überzeugend
und berechtigt war, in den Gesetzentwurf eingearbeitet.
Insbesondere Professor Weizsäcker hat darauf hingewiesen, dass die Preise nicht unter die Grenzkosten gedrückt
werden dürfen, weil sonst die Produktion einer zusätzlichen Kilowattstunde mehr kostet, als sie einbringt. Das
Ergebnis wäre in der Tat, dass die Produktion heruntergefahren würde. Das wollen wir aber nicht. Deswegen
haben wir in die Gesetzesbegründung den Hinweis aufgenommen, dass sich das Kartellamt bei der Anwendung
insbesondere an den Grenzkosten orientieren muss.
Eine große Sorge der Energieversorger war, dass es zu
einer Prozessflut kommen könnte, wenn das Gesetz nicht
Albert Rupprecht ({2})
nur für die Kartellbehörden gilt, sondern auch zivilrechtlichen Auseinandersetzungen als Grundlage dient. Das
war und ist nicht unsere Intention. Wir wollen keine Prozessflut bei den Zivilgerichten, sondern wir wollen ein
scharfes Schwert für die Kartellbehörden. Deswegen haben wir beschlossen, die Novelle ausschließlich auf kartellrechtliche Verfahren zu begrenzen.
Die Verschärfung der Missbrauchsaufsicht ist eine,
wie es der Präsident des Bundeskartellamtes, Dr. Heitzer,
ausgedrückt hat, notwendige Operation. Sie beseitigt
nicht die Ursachen der Krankheit, aber sie lindert die
Schmerzen erheblich. Die Ursachen für den fehlenden
Wettbewerb bekämpfen wir mittelfristig mit einem ganzen Maßnahmenbündel. Dazu hat Minister Glos in den
vergangenen Monaten ein Paket für die Bereiche Anreizregulierung, Kraftwerksanschlussverordnung, Europäisierung des Wettbewerbs usw. auf den Weg gebracht.
Dieses Paket wirkt aber erst Schritt für Schritt in den
nächsten Jahren. Die Verbraucher erwarten in den
Jahren 2008 und 2009 allerdings zu Recht eine Linderung der Schmerzen. Das erreichen wir mit der Verschärfung der Missbrauchsaufsicht, die wir heute hier beschließen werden.
Neben dem Energiebereich gibt es in der Novelle einen weiteren Schwerpunkt: den § 20 GWB, Diskriminierungsverbot für marktbeherrschende Unternehmen.
Unser Leitbild ist ein fairer Wettbewerb. Unsere Vorstellung ist auch hier, dass der Leistungsträger faire Bedingungen vorfindet und Leistung belohnt wird, sodass der
Mächtige nicht der Gewinner ist. Es hat nichts mit fairem Wettbewerb zu tun, wenn große Discounter mit
Lockvogelangeboten, wie billiger Butter, die Kunden
anlocken und dann das Defizit auf andere Produkte umlegen. Davon hat der Verbraucher nichts, weil er das eine
Produkt zwar billiger bekommt, aber das andere überteuert ist.
Diese Masche ist auch gegenüber dem mittelständischen Einzelhandel um die Ecke nicht fair. Der Mittelstand kann mit der Marktmacht der großen Anbieter
nicht mithalten und verliert Kunden, und zwar nicht,
weil er schlechte Leistung liefert, sondern weil er dieser
Marktmacht, dieser Werbemacht nichts entgegenzusetzen hat. Hinzu kommt die unfaire Praxis, die Preise der
Landwirte zu drücken. Deshalb verbieten wir im Nahrungsmittelbereich künftig den Verkauf unter Einstandspreis, es sei denn, es gibt eine sachliche Rechtfertigung
wie Verderb der Ware oder Saisonartikel im Schlussverkauf. Das schafft faire Bedingungen für die Landwirtschaft und den Mittelstand im Einzelhandel.
Es hat auch nichts mit fairem Wettbewerb zu tun,
wenn die mächtigen Discounter ihren Lieferanten ungünstige Konditionen diktieren. Darunter leiden namhafte kleine und große Markenartikler ganz enorm. Deshalb ändern wir den § 20 Abs. 3. In Zukunft wird es
marktmächtigen Discountern und Ketten untersagt, von
ihren Lieferanten ungünstige Bedingungen zu erzwingen, unabhängig davon, ob diese Lieferanten kleine oder
große Unternehmen sind.
Die großen Mineralölkonzerne haben eine mächtige
Doppelrolle. Auf der einen Seite beliefern sie die freien
Tankstellen, auf der anderen Seite sind sie aber mit ihren
eigenen Tankstellen auch Konkurrenten für die freien
Tankstellen. Es hat nichts, aber auch gar nichts mit fairem Wettbewerb zu tun, dass die großen Mineralölkonzerne, wie in der Vergangenheit mehrfach geschehen, an
den eigenen Tankstellen den Sprit billiger verkaufen, als
sie ihn an die freien mittelständischen Tankstellen liefern. Das ruiniert die freien Tankstellen. Deshalb ändern
wir den § 20 Abs. 4 dahin gehend, dass diese Preis-/Kosten-Schere zukünftig nicht mehr zulässig ist.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir verbessern
mit den Änderungen des § 20 die Rahmenbedingungen
hin zu einem fairen Wettbewerb. Im Energiebereich
schaffen wir heute die Voraussetzungen dafür, dass das
Bundeskartellamt ab dem 1. Januar 2008 scharf gegen
überhöhte Preise im Strombereich zum Wohle der Verbraucher vorgehen kann. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Herzlichen Dank.
({3})
Das Wort hat nun Kollege Martin Zeil, FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ganz sicher ist es eine besonders wichtige Aufgabe in
der Marktwirtschaft, das Kartellrecht zu stärken, auch
innerhalb des Kartellrechts die Missbrauchsaufsicht zu
stärken und so für mehr Wettbewerb zu sorgen. Aber
hier wird Sonderkartellrecht für einen bestimmten Sektor geschaffen. Das ist ein Rückfall gegenüber dem, was
man bei der ersten Reform des Wettbewerbsrechts gemacht hat.
Man macht das Schwert auch noch stumpf, indem man
das Ganze zeitlich befristet, um hier einen gewissen Aktionismus zu zeigen. Es zeigt sich aber in der aktuellen
Diskussion zu anderen Themen, wie zum Beispiel zu
möglichen Preisabsprachen, dass das bestehende Instrumentarium, gerade auch im Zuge des Amtsermittlungsgrundsatzes des Bundeskartellamtes, durchaus greift.
Wir sehen diese Novelle, die Sie hier vorschlagen,
nicht so, wie Sie das hier dargestellt haben, als sei mit
ein bisschen Preiskontrolle mehr Wettbewerb zu schaffen. Im Grunde verkaufen Sie den Leuten ein Placebo,
und die wirklichen Themen, mit denen man mehr Wettbewerb schaffen könnte, gerade im Energiebereich, lassen Sie aus.
({0})
Wir hatten eine sehr ausführliche Anhörung, die für
klare Stellungnahmen gesorgt hat. Nahezu alle Sachverständigen haben sich der Auffassung der Monopolkommission angeschlossen. Ich zitiere:
Das vorgelegte Gesetz ist mindestens verfehlt,
wenn nicht gar kontraproduktiv.
({1})
Anstatt die Ursachen des fehlenden Wettbewerbs zu
adressieren, sollen die Symptome bekämpft werden, was nicht gelingen wird.
- So weit die Experten.
({2})
Das Interessante ist, die Sachverständigen haben auch
gesagt: Dadurch, dass Sie die Preiskontrolle in dieser
Form ausgestalten, schaffen Sie auf der Erzeugerseite
letztlich eine Barriere für den Markteintritt zusätzlicher
Bewerber. Sie haben außerdem gesagt, dass der gewählte
Kostenbegriff erhebliche Rechtsunsicherheiten schafft.
Wir begrüßen, dass Sie in letzter Minute auf einige
unserer Vorstellungen eingegangen sind, was die Beweislastumkehr und den Sofortvollzug angeht. Wir hätten uns darüber hinaus durchaus noch ein bisschen mehr
Bewegung beim Erheblichkeitszuschlag gewünscht.
Auch das von Herrn Kollegen Rupprecht angesprochene
Thema Behinderungsverbot bei der Kosten-Preis-Schere
begrüßen wir.
Aber Sie sollten insgesamt aufhören, sich nur mit den
Symptomen zu befassen, und stattdessen die ökonomischen Ursachen für den fehlenden Wettbewerb anpacken. Ich habe vor wenigen Tagen einen sehr guten Vorschlag des hessischen Ministers für Wirtschaft, Herrn
Rhiel, zur Änderung des GWB vorgefunden. Der Vorschlag zur Entflechtungsnorm kommt dem sehr nahe,
was wir vorgeschlagen haben. Über Details muss man
noch reden. Er will das auf der Kraftwerksebene, während wir das gerne auf der Unternehmensebene hätten.
Mit diesem Vorschlag sollten Sie sich einmal auseinandersetzen. Herr Rhiel legt in seiner Erklärung den Finger
in die Wunde. Er sagt, auch der Staat habe durch höhere
Abgaben und Steuern erheblich zum Anstieg der Strompreise beigetragen.
({3})
Die Politik soll vor der eigenen Haustür kehren. Er übernimmt unseren Vorschlag. Da sollten Sie mitmachen.
Die Stromsteuer sollte mindestens halbiert werden. Dadurch spart ein Durchschnittshaushalt erhebliche Mittel.
({4})
Sie sollten auf die Vorschläge aus den eigenen Reihen
hören. Ich sage das zur Union, weil Sie bei den entscheidenden Dingen herumeiern und keine klare Position haben.
({5})
Noch ein Wort zum Verbot des Verkaufs unter Einstandspreisen. Die Experten in der Anhörungsrunde haben sehr deutlich gemacht, dass ein solches Verbot zu
steigenden und nicht zu sinkenden Endverbraucherpreisen führen wird. Damit zahlt wieder einmal der Verbraucher die Zeche für einen solchen Aktionismus.
Ich darf Ihnen zum Abschluss den schönen Appell eines Sachverständigen wiedergeben. So hat Herr Professor Möschel Ihnen zugerufen: Wenn wir unter Indianern
wären, dann würde ich jetzt sagen: „Steig ab, bevor das
Pferd tot ist!“
({6})
Diesem Urteil zu Ihrem Gesetzentwurf möchte ich mich
ausdrücklich anschließen.
({7})
Ich erteile das Wort Kollegen Reinhard Schultz, SPDFraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die GWB-Novelle, die Reform des Kartellrechts war ein langwieriger Prozess. Das lag nicht zuletzt daran, dass es auch innerhalb der Koalition sehr
sorgfältige Beratungen und sehr unterschiedliche Ausgangspositionen gegeben hat,
({0})
die sich aufeinander zubewegen mussten. Letztendlich
sind wir zu ordentlichen Ergebnissen gekommen.
Herr Zeil, ich bin ausdrücklich nicht der Auffassung,
dass die Stellungnahme von Verbänden, insbesondere
von solchen des Einzelhandels, die im Wesentlichen
durch große Handelsgruppen majorisiert werden - Metro
allein dominiert im Grunde genommen die Stellungnahme eines der Verbände -, aussagekräftig dafür sind,
({1})
was im ortsansässigen Lebensmittelhandel tatsächlich
los ist.
({2})
Gerade Sie als Liberaler werden mir zustimmen, dass
dann, wenn man Preisdumping zulässt - egal ob bei Lebensmitteln, Markenartikeln, Benzin oder Diesel -, am
Ende eine noch stärkere Vermachtung des Marktes stehen wird und wir am Ende hohe Preise haben werden;
denn das ist das Ziel. Jeder Kiosk strebt zum Monopol
- das ist ein ökonomisches Prinzip - mit dem Ziel, die
Preise selbst ohne Wettbewerb festsetzen zu können. Die
großen Handelsketten machen Dumpingangebote, um
die Konsumenten von dem ortsansässigen kleinteiligen
Einzelhandel wegzulocken. Das Ergebnis können wir
schon besichtigen: In vielen Ortsteilen gibt es keine ortsnahe Versorgung mit Lebensmitteln mehr. Wir haben einen erheblichen Druck auf die Anbieter von Markenartikeln im Fachhandel, weil die großen Gruppen selbst
Fachartikel billiger anbieten, ob das Lederwaren, Elektronikartikel oder sonstige Artikel sind. Sie bieten teilweise unter Einstandspreis an, um dem ortsansässigen
Fachhandel das Wasser abzugraben.
Das ist die Situation. Natürlich kann man sagen, dass
das für den Konsumenten kurzfristig gut ist; nach dem
Reinhard Schultz ({3})
Motto: Geiz ist geil. Der Kunde geht in den Media
Markt; dafür geht sein Elektronikhändler in Oberammergau pleite. Am Ende wird die Preispolitik der großen
Gruppen dann aber auch anders aussehen. Ziel ist es
nämlich, die Preise selbst bestimmen zu können. Insofern finde ich es gut, dass wir uns dazu durchgerungen
haben, nicht nur im Bereich der Lebensmittel Untereinstandspreise grundsätzlich zu untersagen, sondern
auch bei allen anderen Waren und Dienstleistungen, es
sei denn, sie sind sachlich gerechtfertigt, zum Beispiel
weil es sich um Vorjahresartikel handelt.
Genau das Gleiche gilt für die aktuelle Diskussion
über die Spritpreise. Die Preise sind gegenwärtig extrem
hoch, allerdings gibt es Preisschwankungen mit einer
Bandbreite von bis zu 30 Cent pro Liter. Das können Sie
feststellen, wenn Sie durch Berlin fahren. Jeder Autofahrer hat die Chance, günstiger zu tanken. Er muss sich nur
Zeit nehmen, was sich bei 30 Cent pro Liter durchaus
lohnt. Er muss nicht zum Signalpreis tanken.
Woran liegt das? Der Wettbewerb findet nicht in erster Linie zwischen den großen Mineralölkonzernen und
ihren Vertragstankstellen statt. Die kleinen Vertragstankstellen und die freien Tankstellen stehen vielmehr im
Wettbewerb mit den großen Vertragstankstellen und den
dahinterstehenden Konzernen. Deswegen bieten die
Mineralölkonzerne über ihre eigenen Vertragstankstellen
den Endverbrauchern den Sprit häufig günstiger an als
dem Zwischenhändler „freie Tankstelle“. Ziel ist natürlich, den freien Wettbewerb auszutrocknen.
Ich finde es gut, dass die Große Koalition die Kraft
und den Mut gefunden hat, dagegen anzugehen. Ich habe
das jahrelang gefordert, aber das Kartellamt war grundsätzlich dagegen. Die jetzige Situation macht besonders
deutlich, dass wir mehr und nicht weniger Wettbewerb
brauchen.
({4})
Beim Thema Energiemärkte sind wir, wie ich finde,
vernünftigerweise aufeinander zugerobbt. Es geht nicht
um eine generelle Preisregulierung. Das wäre ein Rückfall in die Zeit vor 1998. Es geht um eine spezifische
Missbrauchsaufsicht, damit man in den Situationen einschreiten kann, in denen ein übermächtiges, großes Unternehmen seine Marktmacht missbraucht, um auf die
eine oder andere Weise Preise zu diktieren, die extrem
viel höher sind als auf dem Vergleichsmarkt. Das wird
die Ausnahme sein. Damit wird nicht alles eingefangen
werden können. Das ist auch kein Ersatz für einen stärkeren Wettbewerb, den wir durch Anreizregulierung,
Kraftwerksanschlussverordnung und viele andere Mechanismen im europäischen Strom- und Gasmarkt erreichen wollen. Für den Extremfall des Preisdiktates ist
jetzt aber eine schärfere Waffe gefunden worden. Das
halte ich für gerechtfertigt.
Davor braucht kein neuer Anbieter Angst zu haben.
Die Ausgangslage ist anders im Referentenentwurf. Wir
haben eine maßvolle Zuspitzung der Instrumente des
Kartellamtes gefunden. Das hilft, den extremen Missbrauch abzustellen. Wir dürfen aber deshalb nicht darauf
verzichten, eine größere Marktbreite und Marktliquidität
im Strom- und Gasbereich zu fordern bzw. anzuschieben.
Vielen Dank.
({5})
Ich erteile das Wort Kollegin Ulla Lötzer, Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Auch wir
begrüßen die Untersagung von Verkäufen unter Einstandspreis. Das ist ein Grund, warum wir dieser Gesetzesvorlage zustimmen. Eine solche Verschärfung ist tatsächlich im Interesse der letzten verbliebenen kleinen
Tante-Emma-Läden und des Fachhandels. Sie ist richtig,
weil Preisdumping die Versorgung auf dem Land schon
erheblich gefährdet hat.
Kollege Zeil, ich glaube, auch Ihnen ist bekannt, dass
gerade die Discountunternehmen die Verbraucherinnen
und Verbraucher oft mit Lockangeboten in die Läden locken. Hinterher zahlen die aber drauf. Insofern ist es eine
Schutzmaßnahme für die Verbraucherinnen und Verbraucher, diese Lockvogelangebote unter Einstandspreis
zu untersagen.
({0})
Allerdings wären weitere Schritte notwendig, zum
Beispiel eine Stärkung der Rechte der Verbraucherinnen
und Verbraucher, ein Verbandsklagerecht der Verbraucherverbände sowie schärfere Qualitätskontrollen.
Wir unterstützen auch die Missbrauchskontrolle der
Energiepreise. Jedes Instrument gegen den Marktmissbrauch durch die großen Vier ist besser, als überhaupt
nichts zu tun. Deren Oligopolstellung, Kollege Zeil, ist
eine Sondersituation, die allerdings auch Sondermaßnahmen hervorrufen muss. Für völlig absurd halten wir
das Gegenargument, die Missbrauchskontrolle verhindere Wettbewerb, weil der Markt für neue Anbieter geschlossen würde. Ein Recht auf überhöhte Preise hat ein
Investor tatsächlich nicht. Aber, Kollege Rupprecht, dieser Schritt ist kein Grund, sich zur Ruhe zu setzen. Es
kann nur ein weiterer Schritt von Maßnahmen sein, nicht
aber der Endpunkt, wie Sie es wollen.
({1})
- Doch, Sie sagen sehr deutlich: Wir wollen bis 2012 abwarten, was aus diesen Maßnahmen folgt, und erst dann
wollen wir weiter überlegen.
Es gibt kein Recht auf Monopolpreise, aber ein Recht
auf Zugang zu Strom. Strom gehört zu den Gütern der
Daseinsvorsorge. Wer keinen Strom hat, kann nicht produzieren oder sitzt im Dunkeln. Im Dunkeln wird es
dazu noch kalt. Der Mieterbund schätzt, dass die durchschnittlichen Heizkosten für eine 70-QuadratmeterWohnung infolge der gestiegenen Energiekosten um
150 Euro steigen werden. Die Decke wird also noch vielen die Heizung ersetzen.
({2})
Angesichts dieser Situation ist es tatsächlich notwendig, Menschen und Betrieben den Zugang zu Strom zu
sichern. Deshalb fordern wir nach wie vor die Rückkehr
zur staatlichen Preiskontrolle und Sozialtarife und nicht
nur die Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt.
({3})
Das wäre auch kurzfristig die bessere Lösung, Kollege Rupprecht. Dies hat nichts mit der uns in diesem
Zusammenhang immer wieder vorgeworfenen Staatsgläubigkeit zu tun, sondern das ist das Abc des Sozialstaats. Aber in dieser Frage gehören Sie alle zurück auf
die Grundschulbank.
({4})
Die Missbrauchsaufsicht ersetzt erst recht keine
strukturellen Maßnahmen, Kollege Rupprecht. Die Monopolstellung selber ist das Problem, nicht nur in der
Folge die Monopolpreise. Aber an den Monopolpreisen
trifft es die Menschen. Eine Familie zahlt pro Jahr
400 Euro alleine an Monopolaufschlag. 13 Prozent des
Preises gehen auf die Monopolstellung zurück. Auch das
berichtete einer der Sachverständigen.
Deshalb ist es dringend notwendig, ergänzend tatsächlich Entflechtungsmaßnahmen zuzustimmen, wie
sie die europäische Wettbewerbskommission vorgeschlagen hat. Diese lehnen Sie jedoch nach wie vor ab.
Anfang Dezember soll darüber im Europäischen Rat beraten werden. Für eine Entscheidung reicht die qualifizierte Mehrheit der Länder. Es gibt eine Menge Länder,
die dafür sind oder die solche Maßnahmen bereits realisiert haben. Mit Ihrer Politik im Interesse der vier großen
Energiekonzerne zerstören Sie auch den europäischen
Zusammenhalt in dieser Frage. Deshalb fordern wir Sie
noch einmal auf, der Trennung von Netz und Stromerzeugung zuzustimmen, wie sie die Europäische Kommission vorgeschlagen hat. Damit die Netze dann nicht
in die Hände von Heuschrecken geraten, müssen sie
dringend in die öffentliche Hand überführt werden.
Danke.
({5})
Das Wort hat nun die Kollegin Kerstin Andreae für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Herr Rupprecht, Sie haben gesagt, wenn die
Grünen - das haben wir angekündigt, und wir werden
auch so handeln - dieser Novelle nicht zustimmten,
hieße das, dass wir den Verbrauchern 9,5 Milliarden
Euro aus der Tasche ziehen.
({0})
Ich finde es extrem mutig, dass Sie sich hier hinstellen
und behaupten, Sie könnten mit dieser GWB-Novelle
die Strompreise so senken, dass die Verbraucher zukünftig um 9,5 Milliarden Euro entlastet werden. Darüber reden wir in einem Jahr noch einmal, und dann nagele ich
Sie auf diese Zahl fest.
({1})
Sie haben mich dann zitiert. Ich bleibe bei diesem Zitat: Mit dieser GWB-Novelle nehmen Sie den Druck für
mehr Wettbewerb aus den Energiemärkten heraus. Sie
sagen: zunächst bis 2012, und dann schauen wir einmal,
wie das alles greift. - Ich gebe zu, dass in einzelnen Bereichen der GWB-Novelle interessante Aspekte enthalten sind, nur ist es meines Erachtens sehr fraglich, ob sie
greifen.
({2})
Mit der Preiskontrolle, mit der Preisdeckelung haben
Sie nach wie vor ein Problem: Sie ermöglichen nicht,
dass effizientere Anbieter, neue Anbieter auf den Markt
kommen. Sie schotten den Markt ab und wirken damit
kontraproduktiv im Hinblick auf mehr Wettbewerb auf
den Energiemärkten.
({3})
Wir sind uns einig, dass wir uns im Hinblick auf die
vermachteten Marktstrukturen, die nicht erst seit heute
bestehen, sondern die wir schon seit längerem beobachten können, etwas einfallen lassen müssen. Instrumente,
Vorschläge und Debattenpunkte liegen auf dem Tisch.
Das müssen wir jetzt angehen.
Aber wo ist Ihre Diskussion über die Frage der Entflechtung?
({4})
Wo ist denn Ihre Diskussion darüber, das Problem der
vermachteten Marktstrukturen anzugehen?
({5})
Wo ist denn Ihre Diskussion über den Vorschlag des hessischen Wirtschaftsministers Rhiel, der uns gezeigt hat,
was wir tun könnten, um die Monopolstrukturen aufzulösen? Sie führen diese Diskussionen nicht!
Sie schmieden mit der GWB-Novelle ein stumpfes
Schwert, behaupten, damit könnten Sie kurzfristig die
Preise senken - ich glaube, Sie schaffen es damit nicht -,
wirken aber nicht darauf hin, dass wir mehr Wettbewerb
auf den Energiemärkten bekommen, und das ist falsch.
Ihr Handeln an dieser Stelle ist nicht langfristig ausgerichtet. Ihr Handeln an dieser Stelle geht nicht an die Ursache heran. Die Ursache ist, dass es zu wenig Wettbewerber auf dem Energiemarkt gibt.
({6})
Wettbewerb braucht Wettbewerber. Das ist eine alte
Regel. Dafür müssen Sie etwas tun. Das heißt, Sie müssen sich mit allen erdenklichen Instrumenten auseinandersetzen, die geeignet sein könnten, mehr Wettbewerb
herzustellen. Dann werden Sie auch niedrigere Preise
bekommen. Niedrigere Preise erreichen Sie, wenn es einen Wettbewerb gibt und wenn es Anbieter gibt, die
niedrigere Preise anbieten können. Wenn Sie wirklich
Preisbildung auf den Märkten haben, dann sind Sie auf
dem richtigen Weg, aber nicht mit dieser GWB-Novelle.
({7})
Ich will einen Punkt wirklich noch einmal deutlich
machen. Sie sagen, mit der Preisdeckelung könnten am
Ende niedrigere Strompreise erreicht werden. Bei der
Anhörung ist aber dargelegt worden, dass Sie mit der
Preisdeckelung neuen Anbietern den Zutritt zum Markt
erschweren, wenn nicht sogar verwehren. Das bedeutet,
dass es effizientere Anbieter schwer haben werden. Das
ist das Problem, mit dem Sie sich auseinandersetzen
müssen.
Wir sagen: Diese GWB-Novelle ist ein stumpfes
Schwert. Wir sagen: Setzen Sie sich mit den Vorschlägen
auseinander, die für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt sorgen! Wir sagen: Das zögerliche Handeln, das
Sie an den Tag legen, wird sich negativ auswirken. Wettbewerb braucht Wettbewerber. Tun Sie etwas dafür!
Dann gehen Sie einen deutlich besseren Weg.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat nun Kollege Rolf Hempelmann, SPDFraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Wir stehen nach einem Jahr Diskussion - so kann man,
glaube ich, sagen - nun vor der Verabschiedung für eine
Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. In verschiedenen Redebeiträgen ist deutlich geworden, dass dies das einzige Instrument ist - das hat sich
auch bei der Anhörung herausgeschält -, das jedenfalls
kurzfristig wettbewerbliche Wirkungen entfalten kann.
Ich sage ausdrücklich, dass ich manches von der Kritik, die angebracht worden ist, nachvollziehen kann.
Auch die Anhörung hat ergeben, dass in der Anwendung
eines solchen Instruments immer auch Risiken stecken;
völlig klar. Wir versuchen, unsere marktentwickelnden
und wettbewerbsentwickelnden Politiken, die aber nur
mittel- und langfristig wirken können, jetzt sozusagen
durch ein Mittel zu ergänzen, das eigentlich nicht unmittelbar in ein solches Marktinstrumentarium hineinpasst;
das sei zugestanden.
Deswegen haben wir uns sehr viel Mühe gegeben und
lange miteinander darüber diskutiert, wie die Ausgestaltung im Einzelnen sein muss. Herr Schultz hat es eben
auch angesprochen. Ich denke, wir sind zu einem ausgewogenen Ergebnis gekommen.
Ich will ausdrücklich der These widersprechen, dass
wir diese Novelle beschließen, um weitergehende wettbewerbliche Politiken zu vermeiden. Dem ist nicht so.
Wir haben seit Jahren auf diesem Gebiet eine ganze
Menge getan. Beispielsweise haben wir vor zwei Jahren
das Energiewirtschaftsgesetz novelliert. Daran waren
alle vier Fraktionen des Deutschen Bundestages - die
Fraktion Die Linke war damals nicht im Deutschen Bundestag vertreten ({0})
beteiligt: zum einen die rot-grüne Mehrheit im Deutschen Bundestag und zum anderen die schwarz-gelbe
Mehrheit im Bundesrat. Wir haben damals eine operationelle und rechtliche Entflechtung auf der Basis einer europäischen Richtlinie beschlossen.
Die Bundesnetzagentur selbst spricht davon, dies sei
ausreichend, damit könne man einen diskriminierungsfreien Netzzugang durchsetzen und es bedürfe keiner eigentumsrechtlichen Entflechtung, in der - auch das sollte
man letztlich nicht verschweigen - eine ganze Menge Risiken stecken würden. Entsprechende Maßnahmen können überhaupt erst nach sehr langer Frist - da hat Herr
Rupprecht recht - wirken. Ich glaube, dass unser Weg der
richtige ist.
Wer im Übrigen das Hohelied der eigentumsrechtlichen Entflechtung singt und dafür die Kommission lobt,
der sollte einmal ganz genau hinschauen, was sie denn
vorhat. Es ist beileibe nicht so, dass es zu einer echten eigentumsrechtlichen Entflechtung in Ländern mit Staatsmonopolisten wie etwa in Frankreich kommen würde.
Wenn ein solches Instrument geschaffen wird, dann sollten wir schon darauf bestehen, dass sozusagen eine ebene
Spielfläche entsteht und dass die Deutschen nicht
schlechter gestellt werden als andere in Europa.
({1})
Wir haben noch eine ganze Menge an Hausaufgaben
zu erledigen, was das Thema Wettbewerbspolitik angeht. Die Kraftwerksanschlussverordnung ist bereits verabschiedet, die Anreizregulierungsverordnung ebenso.
Was den Netzausbau angeht, werden wir über das Infrastrukturbeschleunigungsgesetz hinaus noch einiges tun
müssen. Die Monopolkommission hat weiter gehende
Vorschläge gemacht. Einige davon, wie etwa zum Regelenergiemarkt, werden wir aufgreifen. Ich denke, all das
im Paket kann dazu beitragen, dass wir möglicherweise
in einigen Jahren auf eine solche verschärfte Missbrauchsaufsicht verzichten können.
Eines will ich noch ganz klar sagen: Wir dürfen die
Hoffnungen, was dieses Instrument betrifft, nicht allzu
sehr in die Höhe jubeln, Herr Rupprecht, auch wenn die
Zahl von 9 Milliarden Euro Monopolgewinne im Raum
steht. Wir werden diese Summe durch eine solche Maßnahme nicht eintreiben können. Unabhängig davon, ob
es sich um Monopole oder um Oligopole handelt, sollten
wir immer schauen, um welche Märkte es sich handelt.
Mein Blick richtet sich zunehmend nicht mehr allein auf
den deutschen, sondern auch auf den europäischen
Markt. Diesen Markt mit seinen großen und kleinen
Wettbewerbern wollen wir weiterentwickeln.
({2})
Das ist der beste Weg, um für die Verbraucher langfristig
faire Preise zu erzielen.
Vielen Dank.
({3})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7156, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/5847 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den
Stimmen von CDU/CSU, SPD und der Linken gegen die
Stimmen von FDP und Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie in
der zweiten Beratung angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7181? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung von
Linkspartei und Grünen abgelehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/7180? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion der Grünen bei
Enthaltung der Fraktionen der FDP und der Linken abgelehnt.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel
Höhn, Hans-Josef Fell, Jürgen Trittin, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Klimaverhandlungen in Bali zum Erfolg machen - Glaubwürdig handeln und verhandeln
für den Klimaschutz
- Drucksache 16/6960 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0})
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Bärbel Höhn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
Spanien sitzen Wissenschaftler zusammen und beraten
über die letzten Einzelheiten des 4. IPCC-Berichts, der
am Samstag veröffentlicht werden soll. Die Nachrichten
in diesem IPCC-Bericht sind alarmierend. Der Klimawandel geht schneller voran als bisher angenommen.
Auch wenn Länder wie China und die USA momentan
noch versuchen, die Ergebnisse ein Stück zu verwässern,
wird deutlich: Die Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, sind sehr viel einschneidender als das, was bisher
immer gesagt worden ist. Wir müssen für den Klimaschutz mehr tun.
({0})
Dieser Bericht wird nach Bali übermittelt und Grundlage der dortigen Verhandlungen sein. Es wird wichtig
sein, dass wir in Bali zu einem Ergebnis kommen. Denn
da geht es darum, dass wir die Weichen für ein Nachfolgeabkommen für das Kioto-Protokoll stellen, das 2012
ausläuft. Das wird ein enorm schwieriger Verhandlungsprozess, da natürlich all die Bremser, die das nicht wollen, mit am Verhandlungstisch sitzen. Deshalb hat die
Bundesregierung bei diesen Verhandlungen die Unterstützung unserer Fraktion. Wir wollen, dass mehr für den
Klimaschutz getan wird.
({1})
Erfolgreich für Klimaschutz werben kann aber nur,
wer im eigenen Land seine Klimahausaufgaben macht.
Es kann nicht sein, dass man auf dem internationalen
Parkett Wasser predigt und zu Hause Wein trinkt. Das ist
nicht überzeugend. Das funktioniert nicht. Genau da
liegt das Problem dieser Bundesregierung: Zwischen den
Worten und den Taten klaffen Welten. Das ist das Problem. Das müssen wir ändern.
({2})
Sie reden vom Klimaschutz, aber dann kämpfen Sie
in der EU dafür, dass deutsche Autos mehr CO2 ausstoßen dürfen. Sie reden vom Klimaschutz, aber Sie verteilen die Emmissionsrechte so, dass die schmutzigsten
Kraftwerke die meisten erhalten. Sie reden vom Klimaschutz, und dann reist Ihr Umweltminister durchs Land
und schwört seine Partei auf neue Kohlekraftwerke ein,
wie das in Krefeld geschehen ist. Sie reden vom Klimaschutz, aber bei Tempo 130 auf Autobahnen, wo Sie
sofort etwas tun und 2,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen könnten, kneifen Sie. Das geht nicht. Sie müssen Ihren Worten Taten folgen lassen.
({3})
Sie reden anders, als Sie handeln. Jeder Vorschlag für
mehr Klimaschutz wird im Dauerstreit der Koalition zerredet. Das schadet Ihrer Glaubwürdigkeit. Das untergräbt auch die Verhandlungsposition in Bali. Da ist ganz
wichtig, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer
sehen, dass wir hier etwas tun.
Die Financial Times hat am Dienstag zusammengefasst: Klima leidet unter Glos und Gabriel. - Dem ist
praktisch nichts hinzuzufügen.
Monitor wird heute Abend einen Bericht mit dem Titel senden: „Merkels Klimapolitik: Die Uhr tickt, die Regierung bremst.“ Auch das beschreibt die Situation gut.
Wenn Sie der Presse und der Opposition nicht glauben, glauben Sie vielleicht dem Kollegen Kelber von der
SPD. Der wurde nämlich gestern in der Berliner Zeitung
mit den Worten zitiert: Die Union muss jetzt klären, wer
beim Klimaschutz den Ton angibt; während die Kanzlerin Sonntagsreden halte, gehe die Fraktion auf Distanz.
({4})
Das ist genau die Kluft zwischen Reden und Handeln,
die ich meine.
Die Kritik von Herrn Kelber richtet sich gegen die
Weigerung der Union, für Deutschland ein CO2-Minderungsziel von 80 Prozent bis 2050 festzulegen. Das ist in
der Tat ein klimapolitisches Armutszeugnis. Da hat der
Kollege Kelber recht. Aber - das muss ich auch sagen anspruchsvolle Ziele bis 2050 sind eine Sache, wichtiger
aber sind konkrete Taten in 2007, in dem Jahr, in dem
wir uns heute befinden.
({5})
Meine Damen und Herren von der Koalition, bekennen Sie sich - da unterstütze ich Herrn Kelber - eindeutig zu dem 80-Prozent-Reduktionsziel bis 2050 ohne
Wenn und Aber. Bekennen Sie sich dazu! Bessern Sie
bei Ihren Klimabeschlüssen nach und setzen Sie sie um!
Stoppen Sie den Neubau von Kohlekraftwerken! Nur
dann, wenn wir keine neuen Kohlekraftwerke bauen,
werden wir im Bereich Klimaschutz einen wichtigen
Schritt vorankommen.
({6})
Setzen Sie sich für Tempo 130 auf Autobahnen ein!
2,5 Millionen Tonnen zu reduzieren, das ist eine Menge.
Also, machen Sie endlich etwas! Beginnen Sie endlich,
zu handeln!
Eines gilt: Ankündigungen und Sonntagsreden haben
wir jetzt genug gehört. Wir wollen, dass etwas geschieht.
Wir wollen, dass der Klimaschutz in Deutschland endlich vorankommt.
Vielen Dank.
({7})
Das Wort hat nun Kollege Andreas Jung, CDU/CSUFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Höhn, zunächst möchte ich Ihnen zumindest in einem Punkt recht geben. Sie haben gesagt: Die Klimaverhandlungen in Bali müssen zu konkreten Ergebnissen
führen.
({0})
- Auf Deutschland, Herr Kollege, komme ich gleich zu
sprechen. Zunächst möchte ich aber auf die Klimaverhandlungen in Bali eingehen, um die es in Ihrem Antrag
geht. - Ich bin überzeugt: Wir können uns in der Tat kein
zweites Nairobi leisten. Wir sind mit großen Hoffnungen
nach Nairobi gefahren und sind enttäuscht zurückgekommen, weil die Ergebnisse nicht so waren, wie wir es
uns erhofft hatten. Dort herrschte ein anderer Geist, und
die Weltgemeinschaft hat nicht beschlossen: Wir packen
dieses Problem gemeinsam an und machen uns gemeinsam auf den Weg. Frau Höhn, ich gebe Ihnen in diesem
Punkt ausdrücklich recht: Wir brauchen Ergebnisse.
Auch wir wollen diese Ergebnisse.
({1})
Sie haben gesagt: Wir unterstützen die Positionen und
die Bemühungen der Bundesregierung. Das fand ich gut.
Ich kann Ihnen versichern: Niemand unterstützt die Bundesregierung und die Bundeskanzlerin - gerade in diesen
Fragen - mehr als die Fraktion der CDU/CSU.
({2})
Es war die Bundeskanzlerin, die den Klimaschutz zum
Topthema gemacht hat, international, im Rahmen der
EU- und der G-8-Präsidentschaft, aber auch national.
Wir haben uns von Anfang an dazu bekannt, dass
Deutschland eine Vorreiterrolle hat und schneller vorangeht, um die anderen mit ins Boot zu holen.
({3})
Sie haben eben gesagt, bei uns passten Reden und
Handeln nicht zusammen. Ich muss Ihnen sagen: Das,
was Sie heute gesagt haben, passt nicht zu dem, was Sie
gemacht haben, als Rot-Grün regiert hat.
({4})
Andreas Jung ({5})
Ich will Ihnen die Richtigkeit meiner Behauptung an
ganz konkreten Punkten belegen. Wir tun schon heute
mehr für den Klimaschutz, als Rot-Grün je gemacht hat.
({6})
Wir haben alles, was Sie im Bereich erneuerbare
Energien gemacht haben, fortgeführt und sogar verbessert.
({7})
Wir tun mehr zur Förderung der regenerativen Wärme.
Sie haben die Kohlekraftwerke angesprochen. Frau
Kollegin, vergleichen Sie einmal den Nationalen Allokationsplan, den Ihr Kollege Jürgen Trittin für die rotgrüne Bundesregierung verantwortet hat,
({8})
mit dem, den die Große Koalition in diesem Jahr auf den
Weg gebracht hat. Sie werden feststellen: Sie haben bei
weitem mehr Verschmutzungsrechte verteilt als die
Große Koalition.
({9})
Die rechtlichen Bestimmungen für Kohlekraftwerke in
Deutschland waren noch nie so hart wie heute. Wir tun
auch in diesem Bereich mehr für den Klimaschutz, als
Rot-Grün getan hat.
({10})
Im Übrigen haben wir das Gebäudesanierungsprogramm - Gebäudesanierung ist der effizienteste Weg,
das Klima zu schützen - nicht nur fortgeführt, sondern,
was seinen Umfang angeht, mehr als verdreifacht. Wir
tun damit bei weitem mehr für CO2-Einsparung, als Sie
es jemals getan haben.
({11})
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Höhn?
Gerne.
Herr Kollege, der Kollege Göppel hat gesagt, durch
die Investition von 1 Milliarde Euro für das Gebäudesanierungsprogramm werde der CO2-Ausstoß um 1 Million Tonnen reduziert. Durch das Tempolimit von
130 Stundenkilometern auf Autobahnen könnten wir,
ohne dass wir Geld investieren, 2,5 Millionen Tonnen
CO2 einsparen. Warum sorgt die Bundesregierung nicht
dafür, dass das Zweieinhalbfache dessen eingespart
wird, was durch das Gebäudesanierungsprogramm erreicht wird, und zwar ohne dass wir Geld investieren
müssen?
({0})
Frau Kollegin, entscheidend ist, was am Ende herauskommt.
({0})
Diese Bundesregierung hat sich dazu bekannt, Vorreiter
zu sein. Sie hat sich dazu bekannt, 40 Prozent CO2Emissionen einzusparen, wenn es in der Europäischen
Union gelingt - wofür wir eintreten -, eine Reduktion
von 30 Prozent herbeizuführen. Wir werden jetzt ganz
konkret.
Wir machen mit dem Programm von Meseberg das
ehrgeizigste Klimaschutzpaket, das es in der Bundesrepublik jemals gegeben hat. Das ist ohne Beispiel. Auch
Rot-Grün hat das nicht gemacht. Ich könnte Sie fragen:
Warum haben Sie das Tempolimit eigentlich nicht mit
Rot-Grün eingeführt, wenn es so eine gute Idee ist?
({1})
Entscheidend ist: Wir sparen mit dem Programm von
Meseberg mehr ein als jemals zuvor. Ich finde, wir bringen ein gutes Paket auf den Weg. Im Übrigen gebe ich
Ihnen recht: Es ist notwendig, hier so weit wie möglich
zu kommen, um vor der Konferenz in Bali so viel wie
möglich auf den Weg zu bringen,
({2})
um mit Nachdruck und glaubwürdig in die Verhandlungen gehen und den anderen sagen zu können: Seht her,
was wir machen! Jetzt macht mit!
Damit bin ich bei der Konferenz von Bali. Wir unterstützen die Position der Bundesregierung ohne Vorbehalte, mit Nachdruck und mit ganzem Herzen.
Das Wichtigste ist aus unserer Sicht, dass es ein Abkommen geben wird. Wir brauchen das Kioto-Folgeabkommen für die Zeit nach 2012 unter dem Dach der
Vereinten Nationen. Es muss unter dem Dach der UN
sein. Wir werden nicht hinnehmen, wenn versucht wird,
irgendwelche Gegenmodelle aufzubauen, wenn von den
Vereinigten Staaten mit einigen Beteiligten unter dem
Ausschluss anderer versucht wird, etwas anderes aufzubauen. Es muss unter dem Dach der Vereinten Nationen
sein.
({3})
Zweitens. Wir wollen, dass das 2-Grad-Ziel international verbindlich festgelegt wird. Dafür ist die Bundeskanzlerin immer eingetreten. Selbstverständlich unterstützen wir auch ihren Vorschlag, dass Grundlage für ein
gerechtes internationales Klimaschutzabkommen sein
sollte, dass wir herunterbrechen und sagen, dass jeder
Mensch auf der Welt das gleiche Recht hat, CO2 auszustoßen. Wir wissen: Wenn wir das 2-Grad-Ziel erreichen
Andreas Jung ({4})
wollen, dann bedeutet das, dass wir bis 2050 weltweit
die CO2-Emissionen halbieren müssen. Das heißt, dass
wir in etwa einen Ausstoß von 2 Tonnen CO2 pro Kopf
erreichen müssen.
({5})
Wir wissen, es sind noch erhebliche Anstrengungen nötig. Wichtig für Bali ist jetzt das 40-Prozent-Ziel bis
2020. Darauf müssen wir aufbauen.
Drittens. Es ist notwendig, dass es endlich gelingt,
die, die beim internationalen Klimaschutz bisher nicht
mitmachen, allen voran die Amerikaner und die Chinesen, in dieses Programm zu holen. Sie haben die aktuelle
Diskussion angesprochen. Ich finde es wenig hilfreich,
wenn jetzt zurückgeschaut wird und von den USA und
China die Frage gestellt wird: Liegt das Fortschreiten
des Klimawandels, das wir in den letzten Jahren
beobachten, daran, dass China seit einigen Jahren erheblich mehr Emissionen hat als zuvor, oder liegt es daran,
dass die USA vor vielen Jahrzehnten viel ausgestoßen
hat?
Wir dürfen den Blick auch bei diesem Punkt nicht
nach hinten richten; wir müssen nach vorne schauen.
Denn die Konsequenz ist entscheidend. Alle müssen
mitmachen: die USA, China und alle Industrie- und
Schwellenländer. Wir wollen, dass alle Staaten bei diesem Klimaschutzabkommen dabei sind. Dafür hat die
Bundeskanzlerin wie keine andere in den letzten Monaten bei all ihren unterschiedlichen Aufgaben geworben.
Wir haben auf diesem Weg schon ganz erhebliche Fortschritte erzielt.
({6})
Der nächste Punkt ist, dass wir nicht nur mehr Staaten
einbeziehen wollen, sondern auch mehr Sektoren. Wir
halten es für notwendig, dass es gelingt, den internationalen Schiffsverkehr und - das ist ganz wichtig - den internationalen Flugverkehr in das Emissionshandelssystem einzubeziehen, dass es gelingt, einen weltweiten
Kohlenstoffmarkt - ausgehend von unserem Emissionshandel in der Europäischen Union - aufzubauen, und
dass es gelingt, eine Grundlage für ein weltweit umspannendes CO2-Handelssystem zu schaffen.
({7})
Bei der Konferenz in Nairobi ist deutlich geworden,
dass wir die Entwicklungsländer in ihren Bemühungen,
den Klimawandel zu bekämpfen, aber auch in ihren Bemühungen, sich an den Klimawandel anzupassen, stärker unterstützen müssen.
({8})
Das, was in Nairobi beschlossen wurde, kann nur ein
erster Schritt gewesen sein. Selbstverständlich brauchen
wir mehr Geld, um die Entwicklungsländer zu unterstützen. Deshalb haben wir beschlossen, dass wir einen Teil
der Mittel, die wir durch die Auktionierung der Emissionsrechte einnehmen, in internationale Klimaschutzprojekte investieren. Das halte ich für richtig. Das muss
der Einstieg sein.
({9})
Wir müssen darauf aufbauen und die flexiblen Mechanismen des Kioto-Protokolls, CDM und JI, weiterentwickeln und auch sie zu einer Finanzierungsquelle für
derartige Maßnahmen machen.
Aus unserer Sicht und aus Sicht der Bundesregierung,
muss ein Schwerpunkt auf all das gelegt werden, was
dem Erhalt und der Aufforstung der Wälder in den Entwicklungsländern dient. Das ist neben der Frage, wie wir
die Entwicklungsländer an ein solches Modell heranführen können, ein ganz wichtiger Punkt der internationalen
Klimaschutzpolitik.
Das alles zeigt: Wir haben große Ziele vor uns und
große Aufgaben zu bewältigen. Wir wünschen uns kein
zweites Nairobi. Wir wünschen uns vielmehr, dass es in
Bali gelingt, einen Durchbruch zu erzielen und einen
konkreten Fahrplan zu beschließen, damit wir im Jahr
2009 ein Klimaschutzabkommen ausgehandelt und bis
2012 in aller Welt ratifiziert haben werden. Das ist notwendig. Die Zeit drängt. Wir, die Bundesregierung und
die sie stützende CDU/CSU-Fraktion, tun alles dafür,
diese Ziele zu erreichen.
Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat nun Kollege Michael Kauch, FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war
eben etwas verwundert, Frau Höhn. Ihr Antrag befasst
sich eigentlich mit den Verhandlungen auf Bali. Aber
von der Verhandlungslinie, die wir Deutschen dort vertreten sollen, habe ich in Ihrer Rede leider nicht viel gehört.
({0})
Stattdessen haben Sie uns erzählt, dass wir in
Deutschland jetzt ein Tempolimit einführen sollen, womit Ihrer Meinung nach 2,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden könnten. Das hört sich viel an. Aber es
entspricht weniger als 0,3 Prozent der deutschen Emissionen und macht weniger als 0,009 Prozent der globalen Emissionen aus. Mit Ihrem Tempolimit retten Sie die
Welt also nicht. Das ist reine Symbolpolitik, die Sie hier
mit Ihrer grünen Ideologie machen. Damit ändern Sie
auf der Welt nichts, aber auch gar nichts.
({1})
Deshalb sollten wir uns lieber Gedanken darüber machen, wie wir tatsächlich zu wirksamen Vereinbarungen
im internationalen Kontext kommen. Zunächst einmal
ist es entscheidend, auf Bali zu erreichen, dass sich viele
Länder zu dem 2-Grad-Ziel der Europäischen Union bekennen, also dazu, die Erderwärmung in diesem Jahrhundert auf 2 Grad zu beschränken. Für uns hier im
Deutschen Bundestag ist dieses Ziel vielleicht selbstverständlich, global ist es das aber nicht. Es wäre ein großer
Erfolg, wenn wir in dieser Richtung weiterkommen würden.
({2})
Weiterhin ist es wichtig, ein Verhandlungsmandat unter dem Dach der Klimarahmenkonvention zu erreichen.
Das würde bedeuten, dass sich auch Länder wie China
und Indien zu etwas verpflichten müssten und es nicht
bei einem unverbindlichen Dialog bliebe. Auch das ist
noch lange nicht selbstverständlich. Es kommt darauf an,
dass wir diese Länder einbeziehen. Wir müssen uns klarmachen: Auch wenn wir eine Vorreiterrolle einnehmen
und das auch wollen,
({3})
ist Deutschland nur für 3 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich, die Europäische Union für weniger
als 20 Prozent. Vorreiter zu sein ist gut und richtig. Aber
wir sollten vielleicht auch noch einmal zurückschauen,
ob ein paar andere mitkommen. Ihr Tempolimit wird das
nicht erreichen.
({4})
Das Leitbild für die Verhandlungen muss es sein, einen globalen Kohlenstoffdioxidmarkt für alle Länder
und alle Sektoren mit ehrgeizigen Reduktionszielen zu
erreichen. In diesem Zusammenhang ist es kontraproduktiv, wenn die Koalition - wie zuletzt - Erneuerungen
des EU-Emissionshandelssystems rundweg ablehnt. Wir
haben beantragt, den Emissionshandel auf die Bereiche
Verkehr und Wärme auszudehnen. Daraufhin sagte mir
die Kollegin Flachsbarth von der CDU, das gehe gar
nicht, was wir hier aufschrieben.
Genau das, was die FDP beantragt hat, hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen als das zielführende
Instrument zum Beispiel zur Förderung der Biomasse
und der erneuerbaren Energien vorgeschlagen. Wenn Sie
schon der FDP nicht glauben, dann glauben Sie wenigstens den Umweltsachverständigen, die die Bundesregierung berufen hat.
({5})
- Doch! Sie sollten das Gutachten einmal lesen. Ich
spreche von der zweiten Stufe, die darin vorgeschlagen
wird. Das habe ich Ihren Kollegen im Umweltausschuss
vorgelesen; Sie waren nicht da. Das hole ich aber gerne
noch einmal privat für Sie nach.
({6})
Kommen wir zum nächsten Etikettenschwindel der
Bundesregierung, nämlich dem Anpassungsfonds. Herr
Jung hat gesagt: Einen Teil der Versteigerungserlöse in
Höhe von 400 Millionen Euro geben wir den Entwicklungsländern. - Das hat die Kanzlerin schon vor Monaten versprochen, ohne dafür eine Finanzierungsgrundlage gehabt zu haben. Dann hat der Umweltminister
gesagt: Mit diesen 400 Millionen Euro fördern wir die
erneuerbaren Energien in Deutschland, insbesondere die
erneuerbare Wärme.
Was ist jetzt herausgekommen? Jedes Ressort hat sich
etwas von diesen 400 Millionen Euro geschnappt. Der
Umweltminister erhält für die Förderung der erneuerbaren Energien gerade einmal 180 Millionen Euro, der
Wirtschaftsminister hat sich ein bisschen Geld für die
KMU-Förderung geschnappt, und mit dem Rest bezahlen wir die Versprechungen von Frau Merkel. Auf diese
Art und Weise in der Welt Versprechungen zu machen,
ist keine seriöse Politik.
({7})
Wir sollten die anderen Fehler, die die Bundesregierung in den Verhandlungen mit der Europäischen Union
gemacht hat, jetzt nicht auf die globale Ebene heben. Es
ist richtig, dass die Kanzlerin sehr erfolgreich war, als es
in der Europäischen Union um die Vereinbarung der
Ziele ging, die den Klimaschutz, die Reduzierung der
CO2-Emissionen und die Förderung der erneuerbaren
Energien betrafen.
({8})
Aber die Kanzlerin hat in diese Politik einen großen
Konstruktionsfehler eingebaut, nämlich eine gesonderte
Zielquote für die Biokraftstoffe. Auch hier empfehle ich
Ihnen, sich anzuschauen, wie sich die Sachverständigen,
die Sie als Bundesregierung benannt haben, dazu äußern.
Sie sagen: Diese Quote ist verfehlt, und sie sollte nach
unten korrigiert werden, weil Biokraftstoffe unter allen
Alternativen in der Biomasse zur geringsten Einsparung
an CO2-Emissionen führen und weil sie außerdem ökologische Probleme mit sich bringen. Das müssen Sie
ernst nehmen, meine Damen und Herren.
({9})
In den weiteren Verhandlungen müssen wir die technologiepolitische Seite des Klimaschutzes stärker gewichten. Wir werden die Chinesen und die Inder nur
dann ins Boot holen können, wenn sie mit einem wirksamen Technologietransfer rechnen können. Das wird der
Staat nicht allein finanzieren können. Dafür fehlen uns
die Haushaltsmittel. Deshalb ist es entscheidend, dass
wir die Instrumente des Kioto-Protokolls - Clean-Development-Mechanism und Entwicklungsprojekte im Bereich des Klimaschutzes - voranbringen.
Es muss Vertrauen in diese Projekte geschaffen werden. Sie müssen reformiert und wirksam gestaltet werden. Wir dürfen nicht blauäugig sein. Wir sollten diese
Instrumente aber auch nicht, wie es manche auf der linken Seite dieses Hauses tun, einfach vom Tisch wischen.
So werden wir die Schwellenländer nämlich nicht ins
Boot holen können.
Vielen Dank.
({10})
Das Wort hat nun die Parlamentarische Staatssekretärin Astrid Klug.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bali wird tatsächlich die hier beschriebene Nagelprobe,
bei der die Staaten, sowohl die Industrie- als auch die
Entwicklungsländer, zeigen müssen, wie ernst es ihnen
mit dem Klimaschutz ist. Das Jahr 2007 stand und steht
nach wie vor ganz im Zeichen des Klimaschutzes: von
den historischen Beschlüssen auf europäischer Ebene im
Frühjahr über die Verleihung des Friedensnobelpreises
an den Weltklimarat und Al Gore bis zur im Dezember
dieses Jahres in Bali stattfindenden Weltklimakonferenz.
Die Aussagen der Wissenschaftler sind eindeutig. Alle
Berichte liegen vor. Alle Reden sind gehalten. Jetzt ist
die Zeit zum Handeln gekommen.
({0})
Ein besseres Zeitfenster als die Weltklimakonferenz
in Bali wird es nicht geben, um eine internationale Verständigung über den Klimaschutz zu erzielen. Deutschland wird bei den Verhandlungen in Bali gemeinsam mit
der EU Vorreiter und Antreiber für mehr globalen Klimaschutz sein. Wir brauchen auf der bevorstehenden
Weltklimakonferenz vor allem den offiziellen Startschuss für umfassende Verhandlungen. Nur wenn diese
Verhandlungen bis 2009 abgeschlossen sind, haben wir
die Chance, vor 2013 ein Folgeabkommen zum KiotoProtokoll in Kraft zu setzen.
Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass die
USA und alle anderen Industrieländer, vor allem aber
auch die Schwellenländer mitmachen. Wenn es gelingt,
die Blockade zwischen den USA und einigen anderen
Industrieländern einerseits und den Schwellenländern
andererseits aufzubrechen, dann stehen die Chancen
nicht schlecht. Wir werden wie in den letzten Monaten
alles, was in unserer Macht steht, tun, um diese Verhandlungen zum Erfolg zu führen.
({1})
Die Kollegen von den Grünen greifen mit den Forderungen und Maßnahmen, die sie in ihrem Antrag beschreiben, fast eins zu eins die Politik der Bundesregierung auf. Wir werten das als Zustimmung zur
grundsätzlichen Linie unserer Klimaschutzpolitik. Viele
der in diesem Antrag beschriebenen Maßnahmen sind
eins zu eins aus den europäischen Beschlüssen, die ja
unter unserer Federführung zustande gekommen sind,
abgeschrieben. So hat sich die Europäische Union bereit
erklärt, die Emission von Treibhausgasen bis 2020 im
Vergleich zum Basisjahr 1990 um 30 Prozent zu reduzieren, wenn es in diesem internationalen Prozess, für den
wir alles tun, gelingt, dass andere in das Klimaschutzboot einsteigen und sich zu vergleichbaren Zielen verpflichten.
Aber selbst wenn niemand in der Welt beim Klimaschutz mitmacht, Frau Kollegin Höhn, findet Klimaschutz in Europa statt, werden wir in Europa unseren
Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um mindestens
20 Prozent reduzieren. Wir haben in Europa die dafür
notwendigen Instrumente beschlossen, nämlich 20 Prozent mehr Energieeffizienz bis 2020 und einen Anteil
der erneuerbaren Energien an der Deckung des gesamten
Energiebedarfs in Europa in Höhe von 20 Prozent. Mit
diesem sehr anspruchsvollen Paket übernimmt Europa
beim Klimaschutz eine Führungsrolle in der Welt. Keine
andere Region in der Welt hat sich bisher zu solch ambitionierten Klimaschutzzielen bekannt. Deshalb kann ich
die Kritik an diesen Beschlüssen im Antrag der Grünen
nicht nachvollziehen.
({2})
Die europäischen Beschlüsse sind ein Meilenstein.
Denn wenn wir die Blockaden bei den internationalen
Klimaschutzverhandlungen überwinden wollen, braucht
es Vorreiter, braucht es Industrieländer, die den Beweis
antreten, dass Klimaschutz und erfolgreiche nachhaltige
wirtschaftliche Entwicklung miteinander vereinbar sind.
Deutschland und Europa sind diese Vorreiter. Wir müssen auch die Schrittmacher und Innovationstreiber sein;
denn wenn wir es nicht sind, wird es in der Welt - insbesondere bei den anstehenden Verhandlungen - niemanden geben. Die Welt schaut in dieser Frage auf Europa
und auf Deutschland.
Zur Glaubwürdigkeit bei den internationalen Verhandlungen gehört ein ambitioniertes nationales Klimaschutzpaket. Wir werden Anfang Dezember mit der Umsetzung der Meseberg-Beschlüsse beginnen und ein
erstes Maßnahmenpaket auf den Weg bringen, das uns in
die Lage versetzen wird, unser eigenes Ziel - 40 Prozent
Minderung der Emissionen bis 2020 - zu erreichen. Damit sind wir Vorreiter. Wir tun dies nicht nur aus ökologischen und klimaschutzpolitischen Gründen, sondern
auch in ökonomischer Verantwortung, in Verantwortung
für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.
({3})
So wird uns die Umsetzung des Klimaschutzprogrammes der Bundesregierung über den Klimaschutzeffekt
hinaus in die Lage versetzen, 2020 5 Milliarden Euro
einzusparen. Wir haben mit unserer Klimaschutzpolitik
also eine dreifache Dividende: eine ökologische, eine
ökonomische und - angesichts knapper werdender Ressourcen - übrigens auch eine Friedensdividende. Deshalb kämpft die Bundesregierung, deshalb kämpft der
Bundesumweltminister in Bali für einen nicht rückholParl. Staatssekretärin Astrid Klug
baren Verhandlungspfad, für einen ambitionierten globalen Klimaschutz.
({4})
Das Wort hat nun Kollegin Eva Bulling-Schröter,
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben es gehört: In Bali muss im Hinblick auf die Zeit
nach 2012 dringend etwas passieren. Wir brauchen verbindliche Ziele für die wichtigsten Emittenten, klare Mechanismen mit Sanktionen und tatsächlich wirkende
ökologische Instrumente. Wenn wir bis 2009 ein PostKioto-Abkommen erreichen wollen, dann muss die Europäische Union hierbei eine Vorreiterrolle übernehmen.
({0})
Wir haben schon in einigen Anträgen gefordert, dass
sich die EU bedingungslos zu einem Minderungsziel von
30 Prozent gegenüber 1990 bekennt. Wir können das
nicht, wie Sie es immer noch tun, davon abhängig machen, dass andere Industrieländer mitspielen. Dies ist inzwischen nicht mehr notwendig. Denn Klimaschutz ist
eben kein Wettbewerbsnachteil, er bringt sogar Geld;
Minister Gabriel hat dazu ja in der vorletzten Woche
eine Pressekonferenz abgehalten.
Die Bundesregierung hat sich inzwischen wenigstens
dazu bekannt, die Emissionen um 40 Prozent senken zu
wollen, und eiert hier nicht mehr herum. Herumeiern tut
die Koalition allerdings, wie wir gestern auch in der Süddeutschen Zeitung lesen durften, beim Langfristziel von
minus 80 Prozent bis 2050. Wie ich lesen konnte, gibt es
auch aus diesem Grund keinen Koalitionsantrag. Herr
Jung hat sich dazu leider nicht geäußert. Das wäre sehr
interessant für uns gewesen.
Ich frage mich allerdings, wie die Bundeskanzlerin
die Einhaltung des globalen 2-Grad-Zieles für Deutschland gewährleisten will, wenn dies nicht in konkrete
Zahlen hinsichtlich der Minderungspflichten im eigenen
Land gegossen wird. Das ist notwendig.
({1})
Genauso unglaubwürdig ist es, wenn die Beschlüsse von
Meseburg sukzessive wieder aufgeweicht werden. Das
Regenerative-Wärme-Gesetz ist gegenüber dem ersten
Entwurf bereits bis zur Unkenntlichkeit zerschossen
worden. Im Übrigen ist es am unglaubhaftesten, wenn
Frau Merkel als Klimaengel in der Welt herumreist und
zu Hause munter 30 neue Kohlekraftwerke geplant werden.
({2})
Herr Jung, Sie haben das verteidigt. Das ist schlimm.
Glauben Sie doch nicht, dass die Welt nicht auch auf
Deutschland schaut und verfolgt, was hier passiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Antrag der Grünen ist unter anderem davon die Rede, dass neue Finanzierungsmechanismen zum Schutz der Tropenwälder
etabliert werden müssen - sehr richtig. Die indonesische
Regierung hat bereits vorgeschlagen, die restlichen Wälder gegen einen finanziellen Ausgleich unter Schutz zu
stellen. Es geht um einmalig rund 1 Milliarde bis
1,3 Milliarden Euro, um den dortigen Restbestand von
circa 90 Millionen Hektar Tropenwälder für die Nachwelt zu schützen - mit all den Waldelefanten, OrangUtans und sonstigen Tieren sowie natürlich auch zum
Nutzen der lokalen Bevölkerung, etwa in Borneo. Ich
finde, das sind im Vergleich zum ökologischen Nutzen
fast schon Peanuts.
({3})
Heute Vormittag haben wir darüber gesprochen. Ich
meine, hier könnte sich Deutschland profilieren und eine
relevante Summe davon übernehmen. Das würde uns in
der Welt wirklich gut dastehen lassen.
Grundsätzlich halten wir ein solches System für wirkungsvoller als die Einbeziehung der Wälder in den
CDM. Das sieht man unter anderem auch an der traurigen Bilanz. Ich habe schon darüber gesprochen. Eine
Anhörung unserer Fraktion Anfang September ergab,
dass 30 bis 50 Prozent der gegenwärtigen Projekte in
Asien nicht zusätzlich durchgeführt werden; das heißt,
ein zusätzlicher Klimaschutz ist hier nicht nachweisbar.
Die auf dieser faulen Basis ausgegebenen Emissionsgutschriften führen aber zu einem Mehrausstoß in den Industrieländern. Das ist Gift für den Klimaschutz.
Zum Schluss noch - ich habe nur wenig Zeit - zur
Anpassung: Hier muss Geld her. Wir können nicht nur
etwas versprechen, sondern es muss jetzt wirklich Geld
in die Hand genommen werden.
({4})
Ich denke, das ist dringend notwendig; denn nur so können wir etwas erreichen.
Wir hoffen, dass wir auf Bali gemeinsam etwas erreichen. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten.
({5})
Das Wort hat nun Kollege Ulrich Kelber, SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Klimaschutz ist so wichtig, dass bestimmte Rituale in den Debatten unterbleiben sollten.
Das erste Ritual ist, dass sich die FDP grundsätzlich
fast mit dem Anspruch, eine heilbringende Sekte zu sein,
hier hinstellt und sagt - egal, wie erfolgreich bestimmte
Instrumente sind -, man müsse nur alles über Bord werfen, auf die FDP hören und alles wäre noch besser.
Herr Kauch, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze;
aber wenn Sie der Großen Koalition hier heute vorwerfen, sie würde die Biokraftstoffe zu sehr fördern, während Ihre eigene Fraktion im Deutschen Bundestag gerade den Antrag eingebracht hat, die Biokraftstoffe
völlig von der Steuer zu befreien und mehr als heute zu
fördern, passt das vorne und hinten nicht zusammen. Sie
haben das Gegenteil Ihres eigenen Antrags erzählt.
({0})
Das zweite langweilige Ritual ist, dass CDU/CSU
und Grüne sich immer gegenseitig vorwerfen, zu ihren
jeweiligen Regierungszeiten nichts für den Klimaschutz
getan zu haben bzw. zu tun.
Ich würde mich freuen, wenn die CDU/CSU anerkennen würden, dass zu rot-grünen Zeiten viele Klimaschutzinstrumente geschaffen wurden, auf die wir heute aufsetzen können - übrigens auch welche, gegen die die CDU/
CSU-Opposition damals gestimmt hat; Sie haben ja gegen alle 18 Klimaschutzinstrumente im Zeitraum von
1998 bis 2005 gestimmt - und die Sie heute mit uns gemeinsam weiterentwickeln.
({1})
Hinsichtlich der Grünen würde ich mich freuen, wenn
man anerkennen würde, dass viele dieser Instrumente
ausgebaut worden sind: mehr Geld für die Gebäudesanierung, mehr Geld für erneuerbare Energien im Wärmebereich, mehr Geld für Forschung auf dem Feld der
erneuerbaren Energien. Sie wissen genau, dass das Kabinett am 5. Dezember einen Gesetzentwurf beschließen
wird, der weitere wichtige Klimaschutzinstrumente vorsieht.
({2})
- Dies ist wichtig, Frau Höhn.
Auf Bali müssen wir zwei Dinge tun: Wir müssen erstens gute Vorschläge für die internationale Klimaschutzpolitik machen und zweitens glaubwürdig sein und entsprechende nationale Maßnahmen ergreifen.
({3})
Das Klimaschutzprogramm von Meseberg, mit dem wir
eine Minderung der CO2-Emissionen von über 30 Prozent
erreichen werden, ist ein erster Schritt. Wir werden mit
weiteren Maßnahmen ab 2008 bzw. 2009 die angestrebten
40 Prozent erreichen müssen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fell?
Ja, bitte.
Herr Kollege Kelber, Sie haben gerade den Wunsch geäußert, wir von der Grünen-Fraktion sollten anerkennen,
dass es eine Verbesserung bereits gemeinsam implementierter Instrumente durch die Große Koalition gegeben
habe. Sie haben dabei das Altbausanierungsprogramm angesprochen. Wir stellen zu unserem Bedauern fest, dass in
diesem Jahr die Neuinvestitionen im Rahmen dieses Programms um 60 Prozent zurückgegangen sind. Eine ähnliche Entwicklung gibt es in anderen Bereichen. So sind die
Investitionen im Bereich von Solarkollektoren um über
30 Prozent zurückgegangen. Auch bei den Biogasanlagen
gibt es einen Rückgang von circa 50 Prozent. Ich könnte
diese Liste fortsetzen. Wie können Sie angesichts dieser
Situation behaupten, dass es eine Verbesserung gebe? Wir
sehen einen starken Einbruch in bestimmten Branchen,
die für den Klimaschutz äußerst wichtig sind.
Das sind drei gute Beispiele. Die Verbesserung besteht zuerst einmal darin, dass mehr Geld zur Verfügung
gestellt wird. Wenn wir uns an gemeinsame Regierungszeiten erinnern, wissen wir, dass auch wir Schwankungen im Rahmen der infrage stehenden Programme hatten
und reagiert haben, zum Beispiel im Bereich der Solarkollektoren mit einer erhöhten Förderung. Das tun wir
auch jetzt.
Im Bereich der Gebäudedämmung müssen wir feststellen, dass der erste Anfangsschwung dahin ist, dass
frühe Adaptierer solcher Maßnahmen gehandelt haben.
Wir müssen nun dafür sorgen, dass dieses Programm attraktiv bleibt und zu weiteren Aufträgen führt. Der gestiegene Ölpreis lässt die Anmeldezahlen wieder steigen.
Die Betreiber von Biogasanlagen haben aufgrund der
deutlich gestiegenen Agrar- und Rohstoffpreise ein großes Problem. Deswegen plädieren wir dafür, dass die
Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Verbesserungen zugunsten der Betreiber von Biogasanlagen
vorsieht, schon zum 1. Januar 2008 in Kraft treten soll.
Am 5. Dezember könnten wir somit durch einen Kabinettsbeschluss das klare Signal geben, dass es sich lohnt,
in Biogasanlagen in Deutschland zu investieren. So kann
Deutschland seine Technik- und Marktführerschaft behalten und ausbauen.
Das sind drei typische Modelle, mit denen man auf
Marktveränderungen reagieren kann.
({0})
Ich komme zurück zur Konferenz auf Bali und zu der
Frage nach der internationalen Glaubwürdigkeit im Zusammenhang damit, dass man auf nationaler Ebene
Maßnahmen ergriffen hat. Der erste Punkt ist: Wir müssen Druck auf die Vereinigten Staaten ausüben. Der
zweite Punkt ist: Die USA in der Zeit nach der Bush-Regierung werden wir nur ins Boot bekommen, wenn auch
die Entwicklungs- und Schwellenländer entsprechend
Verantwortung übernehmen. In der Vergangenheit waren
vor allem die Industriestaaten für den Emissionsausstoß
verantwortlich. Aber auch in den Schwellen- und EntUlrich Kelber
wicklungsländern muss eine Entwicklung stattfinden,
die Klimaschutz ermöglicht.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Bundeskanzlerin Angela Merkel haben als deutsche Position
festgehalten - darüber haben wir im Bundestag mehrfach diskutiert -: Auf Dauer muss es ein globales Emissionsbudget pro Kopf geben. Jeder hat das gleiche
Recht. Das ist die einzige Chance, die Schwellen- und
Entwicklungsländer davon zu überzeugen, dass wir es
mit dem Klimaschutz ernst meinen, dass es sich nicht
um eine neue Idee von Kolonialismus und Unterdrückung von Entwicklung handelt. Auf Dauer müssen alle
die gleichen Rechte haben. Es ist im Hinblick auf Bali
wichtig, dass wir darüber debattiert haben und dass die
Bundesregierung die deutsche Position präzisiert hat.
Denn Indien, China und andere Schwellen- und Entwicklungsländer haben daraufhin gesagt: Wir glauben,
dass ihr es ernst meint; dies ist eine Grundlage für Verhandlungen. Diese Länder haben vor der Konferenz auf
Bali und in Nairobi Verhandlungen grundsätzlich abgelehnt und gesagt: Handelt ihr erst einmal alleine; wir
schauen später. Nun sagen sie: Ihr müsst handeln, aber
wir sind bereit, zu verhandeln.
In der Tat hat es mich gestern sehr geärgert, als es so
aussah, dass wir nicht in der Lage sein werden, diese
wichtige Position der Bundesregierung mit einem Beschluss des Deutschen Bundestages zu unterstützen. Ich
freue mich, dass es nun anders aussieht. Wir werden in
der nächsten Woche klarmachen, dass ein Emissionsbudget von 2 Tonnen pro Kopf, also eine gerechte Lastenverteilung auf der Welt, das Ziel der Bundesregierung
und des Deutschen Bundestages und damit der Bundesrepublik Deutschland ist; das ist ein entscheidender
Punkt. Genauso wie es die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler empfehlen, wollen wir 2020 das 40-Prozent-Ziel und mit der Reduzierung von heute 10 Tonnen
Emissionen pro Kopf auf 2 Tonnen 2050 das 80-Prozent-Ziel erreichen.
Folgendes bleibt festzuhalten: Als Umweltpolitiker
und auch als Vertreter einer Seite der Koalition würde
ich mir wünschen, dass manche Dinge noch schneller
umgesetzt werden; das war zu Zeiten von Rot-Grün
nicht anders.
Das, was diese Bundesregierung und die sie stützende
Koalition jetzt vorgelegt haben, ist das ambitionierteste
Klimaschutzpaket nicht nur in der Geschichte der Bundesrepublik, sondern auch in Europa. Auf internationalen Konferenzen merkt man, dass hiervon das Signal an
die Entwicklungs- und Schwellenländer ausgeht:
Deutschland meint es ernst. Diese Länder sind bereit,
mit Deutschland eine Klimaschutzvereinbarung zu treffen, weil wir glaubwürdig und seriös auftreten.
Wir sollten die deutsche Position im Bundestag gemeinsam unterstützen, damit die Bali-Konferenz ein Erfolg wird.
Vielen Dank.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/6960 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 a auf:
- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
- Drucksache 16/6774 - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch
- Drucksachen 16/7075, 16/7111 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({0})
- Drucksache 16/7149 Berichterstattung:
Abgeordnete Katja Kipping
- Bericht des Haushaltsausschusses ({1})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7150 Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Waltraud Lehn
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe
Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bundestag und Bundesrat haben sich 2004 im Vermittlungsausschuss darauf verständigt, dass die Kommunen
im Zuge der Einführung der sozialen Grundsicherung
um insgesamt 2,5 Milliarden Euro entlastet werden. Die
Kosten für Unterkunft und Heizung von SGB-II-Beziehern sind nach dem Gesetz von den Kommunen zu tragen. Um das Ziel der Entlastung zu erreichen, haben
Bundestag und Bundesrat vereinbart, dass sich der Bund
an diesen Kosten beteiligt. Daneben trägt der Bund - bis
auf wenige Ausnahmen - die gesamten Kosten für passive Leistungen und Eingliederungsleistungen im
Bereich der Grundsicherung. Auch die Anhebungen gehen zulasten des Bundes.
Im ersten SGB-II-Änderungsgesetz wurde im Dezember 2005 für die Jahre 2005 und 2006 die Bundesbeteiligung an den Wohnkosten abschließend auf 29,1 Prozent
festgelegt. Für das Jahr 2007 wurde nach langen Verhandlungen mit den Ländern im letzten Herbst eine Vereinbarung getroffen. Dabei sind zwei Punkte entscheidend:
Erstens. Die Bundesbeteiligung an den Leistungen
der Kommunen für Unterkunft und Heizung wurde für
das Jahr 2007 im Bundesdurchschnitt auf 31,8 Prozent
festgelegt. Aus Sicht des Bundes ergibt sich daraus
eine Entlastung, die deutlich höher als die zugesagten
2,5 Milliarden Euro ist. Für 14 Länder wurde die Bundesbeteiligung auf 31,2 Prozent festgelegt, für BadenWürttemberg auf 35,2 Prozent und für Rheinland-Pfalz
auf 41,2 Prozent.
Zweitens. Die Berechnung zur Be- und Entlastung der
Gesamtheit der Kommunen wurde geändert. Es war ein
Vorschlag der Länder, eine Berechnungsformel zu finden, die künftig Streit vermeiden soll. Wir haben deshalb
vereinbart, dass die weitere Anpassung von der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften im SGB II abhängen sollte.
Um es klar zu sagen: Der Bund steht zu seiner Zusage, die Kommunen insgesamt um 2,5 Milliarden Euro
jährlich zu entlasten.
({0})
Das Wort „insgesamt“ ist dabei wichtig; denn der Bund
kann nicht die Entlastung jeder einzelnen Kommune garantieren. Die Länder müssen im Zuge des kommunalen
Finanzausgleichs für einen angemessenen Ausgleich
sorgen.
Für die Höhe der Bundesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Heizung im Jahr 2008 ist die gesetzliche Anpassungsformel maßgebend, auf die wir uns
im vergangenen Jahr in Bundestag und Bundesrat geeinigt haben. Der Mechanismus ist klar: Die durchschnittliche Zahl der Bedarfsgemeinschaften hat sich um
3,7 Prozent verringert. Damit sinkt die Bundesbeteiligung für das Jahr 2008 um 2,6 Prozentpunkte auf durchschnittlich 29,2 Prozent. Das entspricht dem Auftrag des
Gesetzes.
Die vereinbarten Beteiligungen für einzelne Länder
führen dazu, dass die Bundesbeteiligung gemäß der Anpassungsformel in 2008 für 14 Länder auf eine Höhe von
28,6 Prozent, für Baden-Württemberg auf 32,6 Prozent
und für Rheinland-Pfalz auf 38,6 Prozent festzulegen ist.
Das kann jeder nachrechnen; diese Formel steht so im Gesetz. Das ist das, worauf wir uns Ende 2006 geeinigt haben. Diese gemeinsam gefundene Regelung wird im vorgelegten Gesetzentwurf eins zu eins umgesetzt.
Im Bundesrat wurde diesem Berechnungsmodus mit
klarer Mehrheit zugestimmt, und er wurde so verabschiedet. Deshalb verstehe ich die Stellungnahme des
Bundesrates nicht. Dort wird nach wenigen Monaten
eine Änderung der Anpassungsformel gefordert, obwohl
diese Regelung nur bis 2010 gelten sollte. Nach einer
Überprüfung wäre ab 2011 sowieso eine Neuregelung
möglich.
Die vom Bundesrat jetzt geforderte Änderung würde
nach Auffassung des Bundes außerdem dazu führen, dass
es für die Kommunen kaum Anreize gäbe, die Kosten der
Unterkunft pro Bedarfsgemeinschaft zu begrenzen. Bei
der von den Ländern geforderten neuen Berechnungsgrundlage müsste der Bund auch Mehrausgaben bei Leistungen tragen, die im Wesentlichen von den Kommunen
gesteuert werden. Der Bund selbst hätte damit kein Steuerungsinstrument. Der Bund kann aber nicht das finanzielle
Risiko von Entwicklungen übernehmen, auf die er kaum
Einfluss nehmen kann. Das kann niemanden verwundern
und auch niemand wollen. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung für die nach langen Verhandlungen gefundene
Regelung und für die Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
Herzlichen Dank.
({1})
Nächster Redner ist der Kollege Heinz-Peter
Haustein, FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Wer die Musik bestellt, bezahlt die
Kapelle.
({0})
Das ist ein Grundsatz, den jeder kennt. Niemand käme
doch auf den Gedanken, zu sagen: Ich bezahle nur die
erste Stimme mit den Trompeten, die Altstimme mit den
Waldhörnern und den Tenor mit den Tenorhörnern; den
Bass und den Tiefbass bezahlt jemand anderes.
({1})
Niemand würde das tun.
Bei den Kosten der Unterkunft, über die wir heute reden, ist das aber genau so.
({2})
Der Bund hat, mit heißer Nadel gestrickt, ein Gesetz gemacht, das einen riesigen bürokratischen Aufwand bedeutet. Er lässt die Kommunen letztlich auf einem Teil
ihrer Kosten sitzen. Das ist so nicht in Ordnung; so kann
das nicht gehen.
({3})
Im Haushaltsansatz des letzten Jahres waren
2 Milliarden Euro veranschlagt, die kommunalen Spitzenverbände haben 5,3 Milliarden Euro gefordert, und
man hat sich auf 4,3 Milliarden Euro geeinigt. Hier werden wie auf dem orientalischen Basar die Milliarden hin
und her geschoben. Das kann nicht Grundlage eines Gesetzes sein.
({4})
Den Kommunen wurden die Aufgaben übertragen, und
eine Kostenübernahme wurde versprochen. Es war eine
Entlastung von 2,5 Milliarden Euro geplant. Alleinige
Grundlage dieser Berechnungen sind die Bedarfsgemeinschaften. Das ist falsch, genau das ist der Kardinalfehler.
Denn obwohl die Zahl der Bedarfsgemeinschaften zurückgegangen ist, sind die Kosten gestiegen. Es wird immer wieder gesagt: Die Kommunen sollten sparen. Wie
denn, wenn die Energiepreise hochgehen? Darauf haben
die Kommunen keinen Einfluss.
({5})
So kann es doch nicht gehen.
Die Anhörung im Ausschuss hat gezeigt, dass diese
2,5 Milliarden Euro nicht ausreichend sind.
({6})
Die Kommunen bleiben also auf einem Teil der Kosten
sitzen. Die Kommunen sind aber der wichtigste Teil unseres Staates, sie sind die Säulen unseres Staates. Sie
müssen entlastet und nicht belastet werden.
({7})
Was passiert im Moment? Ich habe es einmal ausrechnen lassen: Im Landkreis Freiberg - ich meine die Universitätsstadt Freiberg in Sachsen - bedeutet das für dieses Jahr eine Mehrbelastung von 500 000 Euro.
({8})
Was machen die Landkreise? Sie holen sich das Geld über
die Kreisumlage von den Kommunen wieder. Was macht
die Kommune, was macht die Gemeinde? Sie hat nur
zwei Möglichkeiten: Sie kann die Steuern erhöhen - da
bleibt nur die Gewerbesteuer oder die Grundsteuer B ; die
Grundsteuer A spielt ja kaum eine Rolle -, oder sie kann
freiwillige Leistungen einschränken - das will niemand -,
was in der Folge zum Beispiel die Kitagebühren steigen
lässt; auch das will niemand.
Es ist nicht fair, dass der Bund ein Gesetz macht und
die Kommunen letztlich auf den Kosten sitzen bleiben.
So kann es nicht gehen, Herr Staatssekretär.
({9})
Es wird immer wieder ins Feld geführt, die Gemeinden müssten stärker dafür Sorge tragen, dass die Kosten
sinken. Aber in der Expertenanhörung der letzten Woche
ist mehrfach deutlich geworden, dass die Einflussmöglichkeiten der Kommunen sehr gering sind. Erschwerend
kommt für die Kommunen hinzu, dass die unter 25-Jährigen wieder bei ihren Eltern wohnen müssen. Dadurch
ging zwar die Zahl der Bedarfsgemeinschaften zurück,
die Unterkunftskosten in den verbleibenden Bedarfsgemeinschaften steigen aber zwangsläufig an, weil mehr
Personen in diesen Haushalten leben.
Das Argument, die Kommunen ließen die Kosten explodieren, weil sie nicht dafür aufkommen müssten,
greift nicht. Schließlich liegt die Kostenverteilung zwischen Bund und Kommunen schon heute bei 30 : 70, sodass ein ausreichender Anreiz zu Einsparungen bei den
Kommunen gegeben ist.
Ich kann hier als Konsequenz nur fordern und bitten:
Lassen Sie die Kommunen und Landkreise nicht auf den
Kosten sitzen! Entlasten Sie sie! Selbst wenn Sie etwas
mehr Geld zur Verfügung stellen würden, so ist das Geld
gut angelegt.
Ich danke Ihnen und schließe mit einem herzlichen
Glückauf aus dem Erzgebirge.
({10})
Nächster Redner ist der Kollege Karl Schiewerling
für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Haustein, um
im Bild zu bleiben: Wir bleiben im System. Die Kapelle
haben nämlich beide bestellt, Bund und Länder. Wir haben nur nicht unterschieden, wer welches Instrument
spielt. Aber dass die Kapelle gemeinsam bezahlt werden
muss, war eindeutig. Im Gesetzentwurf wird das auch in
dieser Weise geregelt.
({0})
Im vorliegenden Gesetzentwurf wird die Beteiligung
des Bundes an den kommunalen Kosten für Unterkunft
und Heizung für die Empfänger der Grundsicherung für
das Jahr 2008 neu festgesetzt. Das geschieht auf der gesetzlichen Grundlage des Zweiten Sozialgesetzbuches.
Auch im Gesetzentwurf wird das Ziel verfolgt, die Kommunen weiterhin jährlich um 2,5 Milliarden Euro bundesweit zu entlasten. Es wurde verabredet, dass die
Kommunen mit Einführung des SGB II im Jahr 2005
jährlich deswegen um diesen Betrag entlastet werden,
damit sie dieses Geld in den Ausbau der Kinderbetreuung investieren. Um das Ziel der Entlastung der Kommunen um 2,5 Milliarden Euro pro Jahr zu erreichen,
wurde mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Zweiten
Sozialgesetzbuches für die Jahre 2005 und 2006 eine
Bundesbeteiligung auf jeweils 29,1 Prozent vereinbart.
Um die Angemessenheit des Bundesanteils gab es jedoch wiederholt Auseinandersetzungen zwischen Bund,
Ländern und Kommunen. Für das Jahr 2007 wurde nach
langen Verhandlungen mit den Ländern eine Vereinbarung getroffen, die im Dezember des letzten Jahres mit
den Stimmen aller Länder im Bundesrat gesetzlich umgesetzt wurde. Mit dieser Vereinbarung wurde die Höhe
der Bundesbeteiligung für das Jahr 2007 auf bundesdurchschnittlich 31,8 Prozent angehoben.
({1})
In dem Anpassungsgesetz wurde nach einem langen politischen Abstimmungsprozess festgelegt, dass die Höhe
der Bundesbeteiligung in den Jahren 2008 bis 2010 gemäß der gesetzlich verankerten Anpassungsformel
anhand der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften zu bestimmen ist. Das heißt: mehr Bedarfsgemeinschaften - mehr Bundeszuschuss, weniger Bedarfsgemeinschaften - weniger Bundeszuschuss. Wir haben
zurzeit weniger Bedarfsgemeinschaften. Die Zahl lag im
Juni 2007 8,9 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Das
ist eine gute Entwicklung, an der der Bund wesentlich
mitgewirkt hat.
({2})
Diese Entwicklung hat zwei wesentliche Gründe. Der
erste ist, dass wir im SGB-II-Änderungsgesetz geregelt
haben, dass Jugendliche unter 25 Jahren nicht mehr so
einfach auf Kosten des Staates aus dem Elternhaus ausziehen können, um eine eigene Bedarfsgemeinschaft zu
gründen. Mittlerweile ist die Gewährung von Leistungen
für Unterkunft und Heizung in diesen Fällen von der Zustimmung des kommunalen Trägers abhängig.
Der zweite Grund ist erfreulich. Seit Oktober 2006
haben wir circa 380 000 Langzeitarbeitslose weniger.
Das beste Programm, mit dem man Kosten senken und
Menschen eine Perspektive geben kann, ist, Beschäftigung zu schaffen. Auch das schlägt sich in dieser Form
nieder.
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf setzen wir die
gemeinsam verabschiedete Regelung um. Länder und
Kommunen wollen die Anpassungsformel nun aber verändern. In der Anhörung haben die Vertreter der Kommunen und der Länder immer wieder das Argument
vorgebracht, die Anpassungsformel bilde nicht die tatsächliche Entwicklung der Kosten ab.
({3})
Wie viele von Ihnen habe auch ich Briefe von Landräten
erhalten, in denen darauf hingewiesen wird, dass die
Kosten trotz der gesunkenen Anzahl von Bedarfsgemeinschaften steigen.
({4})
Als Gründe für die Kostensteigerung führen sie unter anderem die gestiegenen Energiepreise an. Die nun von
Kommunen und Ländern geforderte Anpassung auf der
Basis der Ausgaben wird unter anderem mit den im
Jahr 2006 gestiegenen Ausgaben pro Bedarfsgemeinschaft begründet. Der Anstieg dieser Kosten war aber
ebenso wie die Folgen des im Jahr 2006 geänderten Umzugsrechts von unter 25-Jährigen allen Beteiligten zum
Zeitpunkt der Beschlussfassung bekannt.
({5})
Es fällt mir deshalb schwer, die nachträglich vorgetragene Argumentation nachzuvollziehen. Ohne die Regelung für unter 25-Jährige wären nämlich viele von ihnen
zusätzlich mit eigenen Wohnkostenansprüchen an die
Kommunen herangetreten. Die Kommunen müssen nun
ein Interesse daran haben, die Wohnkosten einer Bedarfsgemeinschaft tatsächlich zu kontrollieren. Wenn die
Wohnkosten einer Bedarfsgemeinschaft extrem - ich betone: extrem - über dem Durchschnitt liegen, muss die
Angemessenheit der Wohnung überprüft werden. Das
werden sie aus Eigeninteresse machen; denn schließlich
tragen die Kommunen über 70 Prozent der Kosten.
({6})
Der Bund wird sich auch weiterhin an den Kosten für
Unterkunft und Heizung beteiligen. Er tut dies, um sicherzustellen, dass die Kommunen im Zuge der SGB-IIEinführung um insgesamt 2,5 Milliarden Euro pro Jahr
entlastet werden. Sollte dies nachweislich nicht geschehen, bin ich allerdings der Auffassung, dass die Bemessungsgrundlage überprüft werden muss. Der Bund hat
sich an die politische Vereinbarung gehalten. Aus diesem Grunde werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen.
({7})
Das Wort erhält die Kollegin Katrin Kunert, Fraktion
Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Aus dieser Debatte kann ich nur ein Fazit ableiten: Der
Bund will sich aus der Verantwortung rechnen. Das kann
nicht sein!
({0})
Herr Andres, den Beweis für eine Entlastung der
Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro sind Sie
bis heute schuldig geblieben.
({1})
- Das ist kein Quatsch. Sie müssen das einmal belegen.
Herr Staatssekretär, ich muss Sie darauf aufmerksam
machen, dass ein Zuruf von der Regierungsbank selbst
dann unzulässig bliebe, wenn er in der Sache richtig
wäre.
({0})
Seit Inkrafttreten des SGB II ist die Kostenbeteiligung des Bundes zwischen Bund und Kommunen umstritten. Regelmäßig gab es lange Debatten darüber, wie
hoch der Bundesanteil sein soll. Regelmäßig standen die
Spitzenverbände auf der Matte, weil die Belastungen vor
allem auf die Kommunen abgewälzt werden.
Nun wollen Sie mit einer Anpassungsformel den
künftigen Bundesanteil errechnen: Je weniger Bedarfsgemeinschaften, desto geringer ist der Bundesanteil,
heißt es. Sie alle wissen, dass die Kosten der Kommunen
trotz einer sinkenden Zahl von Bedarfsgemeinschaften
gleichgeblieben bzw. gestiegen sind. Durchschnittlich
sind die Kosten für Unterkunft um 10 Prozent gestiegen.
Da sich der Anteil des Bundes nach der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften richtet, hat der Bund einfach ihre
Anzahl per Gesetz gesenkt: Junge Erwachsene bis
25 Jahre dürfen nur in Ausnahmefällen eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden. Das ist Nesthockerei per Gesetz. Es ist außerdem Betrug, weil die Kosten für die bestehenden Bedarfsgemeinschaften dadurch steigen.
Für den Landkreis Stendal, aus dem ich komme und
in dem ich selbst kommunale Mandatsträgerin bin,
würde Ihre Formel bedeuten, dass künftig 900 000 Euro
weniger als im Jahre 2007 fließen. Legt man jedoch die
tatsächlichen Kosten zugrunde, wäre stattdessen eine zusätzliche Bundesbeteiligung in Höhe von 1,2 Millionen
Euro erforderlich. Damit ergibt sich für den Landkreis
Stendal eine Finanzierungslücke von 2,1 Millionen Euro
für 2008. Hier erweist sich Ihre Anpassungsformel als
falsch; denn die Faktoren stehen in keinem sachlichen
Zusammenhang. Ihre Formel ist einfach praxisuntauglich.
({0})
Herr Andres, Sie sollten angesichts dieses Defizits in
der Finanzierung einmal deutlich machen, wie man noch
Anreize schaffen will.
({1})
Frau Kollegin, möchten Sie denn jetzt durch eine
Zwischenfrage vielleicht ein bisschen zusätzliche Redezeit?
Nein, das möchte ich nicht. Ich denke, dass ich sehr
deutlich bin.
Die Linke fordert, die realen Kosten von Unterkunft
und Heizung als Basis für die weitere Berechnung des
Anteils zu nehmen.
Eines wird an dieser Stelle wiederum deutlich: Hätten
die Kommunen von Anfang an mit am Verhandlungstisch gesessen, wären beim Bund wenig Ärger und auch
wenig Arbeit entstanden. Man kann nicht mit den Ländern einen Deal zulasten der Kommunen schließen und
sich dann darüber wundern, wenn es Stress gibt.
Herr Kollege Stöckel von der SPD, im Gegensatz zu
Ihnen halte ich die Forderungen der Kommunen nicht
für Propaganda.
({0})
- Er hat es gestern im Ausschuss so gesagt. - Weil es
hier um Menschen und nicht um Zahlen geht, nehme ich
die Forderungen sehr ernst. Es ist sehr bemerkenswert:
Eigentlich müssten Ihnen die Probleme, was die Kosten
der Unterkunft angeht, bekannt sein. Der Kreis Unna ist
bundesweit einer der Kreise mit den meisten Zwangsumzügen. Auch der Landkreistag des Landes NordrheinWestfalen hat dieses Problem festgestellt.
({1})
Der Vorsitzende des Sozial- und Jugendausschusses des
Landkreistages NRW sagte, bei Umsetzung der Quotenabsenkung drohe den 54 Kreisen und kreisfreien Städten
in Nordrhein-Westfalen im nächsten Jahr ein Verlust von
mehr als 130 Millionen Euro. Sie müssten diese Probleme in Nordrhein-Westfalen eigentlich kennen.
({2})
Die Linke fordert ein einklagbares Mitwirkungs- und
Beteiligungsrecht für die kommunalen Spitzenverbände
ohne Wenn und Aber.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Vorwurf der
Koalition an die Kommunen, sie gingen nicht verantwortungsvoll mit den Kosten der Unterkunft um, ist Unsinn. Die Kommunen finanzieren bereits heute einen
Anteil der Kosten von bis zu 70 Prozent und gehen demzufolge in ihrem eigenen Interesse und im Interesse der
Betroffenen vernünftig damit um. Aber der Rückzug des
Bundes aus der Finanzierung treibt die Kommunen dazu,
die Kürzungen an die Betroffenen weiterzugeben, und
das lehnen wir ab.
({3})
Wenn Sie so wenig Vertrauen in die Kommunen haben, später vielleicht verlässliche Zahlen für die Kosten
der Unterkunft zu bekommen, dann erlassen Sie doch
einfach bundesweite Mindeststandards für die Berechnung der Kosten der Unterkunft, die dann auch belastbar
sind. Vorschläge dazu haben wir unterbreitet; sie liegen
auf dem Tisch. Sie haben diese Vorschläge abgelehnt.
Dass es geht, zeigt der rot-rote Senat in Berlin.
Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Ich
bin der Auffassung, dass der Grundsatz, dass derjenige,
der bestellt, auch bezahlen soll, endlich auch im Bundestag in die Praxis umgesetzt werden sollte. Also: Das
Konnexitätsprinzip einhalten!
Vielen Dank.
({4})
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Britta
Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Staatssekretär! Es wird hier von Kapellen gesprochen und davon, wer sie bestellt und bezahlt.
Fazit: Nach Ihrem Vorschlag - das sollten wir festhalten zahlen die Kommunen. Ich gestehe Ihnen meine Verwunderung darüber. Ich wundere mich deshalb, weil
meine Partei doch nicht die einzige ist, die eine kommunale Basis hat. Schreiben Ihnen die vielen redlichen
christdemokratischen und sozialdemokratischen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die vor
Ort mit spitzem Bleistift kalkulieren - übrigens rechnen
sie mit der BA spitz ab, um ihre Gemeinde vor der Haushaltssicherung zu bewahren; das sind keine Wolkenkuckucksheime -, eigentlich nicht? Rufen sie nicht bei Ihnen an? Erklären sie Ihnen nicht, dass das föderale
Fundament weggespart wird, wenn Sie den Bundeszuschuss zu den Kosten der Unterkunft um 400 Millionen
Euro reduzieren, während die realen Kosten für die
Kommunen um 10 Prozent gestiegen sind?
Herr Staatssekretär, Ihre Botschaft lautet an dieser
Stelle ganz einfach: Einmal vereinbart, immer vereinbart. Über Veränderungen sprechen wir ab 2011, egal
wie die harten Zahlen jetzt sind. - Ich sage nur: 10 Prozent Kostensteigerung für die Kommunen. Wie wir alle
wissen, wurde dieser Bundeszuschuss in einem langwierigen, zum Teil abenteuerlichen Verfahren verhandelt.
Dabei wurde die Zahl der Bedarfsgemeinschaften als
Maßstab herangezogen, von dem zu erwarten war, dass
er die reale Kostenentwicklung nicht abbilden kann.
Dann hat man noch über Baden-Württemberg und
Rheinland-Pfalz geredet, die einen kräftigen Abschlag
bekommen haben. - So soll es auch bleiben. Kein
Mensch kann bis heute erklären, warum Rheinland-Pfalz
und Baden-Württemberg eine höhere prozentuale Beteiligung an den Kosten der Unterkunft bekommen als die
anderen 14 Bundesländer. Um eine Begründung, meine
Damen und Herren, kommen Sie an der Stelle nicht herum.
Sie wissen: Zwar ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften gesunken, aber dafür ist ihre Größe gestiegen.
Das ist ein Resultat der unsäglichen Regelung - das sage
ich im Gegensatz zu Ihnen, Herr Schiewerling -, unter
25-Jährige nicht mehr als eigene Bedarfsgemeinschaft
anzuerkennen und zurück zu ihren Eltern zu schicken.
Sie können nicht ernsthaft bestreiten, dass die Kosten
für Miete und Heizung gestiegen sind. Wenn Sie also
wirklich zu dem Versprechen stehen, die Kommunen um
2,5 Milliarden Euro zu entlasten, wenn die Zahl der Bedarfsgemeinschaften von Ihnen als Maßstab gedacht
war, um wirklich die reale Ausgabenentwicklung abzubilden, sich nun aber erwiesen hat, dass dieser Maßstab
nicht geeignet ist, warum ändern Sie ihn dann nicht, sondern warten erst einmal ab?
({0})
Außerdem müssen wir etwas tun - das sage ich auch
ganz deutlich -, um die massive Verlagerung vom
Wohngeld zu den Kosten der Unterkunft zu korrigieren.
({1})
Hier sind alle gefordert, alle, die Einfluss auf die Länder
haben; denn es ist nicht hinnehmbar, wie sich die Länder
an dieser Stelle positionieren. Beim Wohngeld gibt es einen Rückgang von 5,18 Millionen Euro auf 1,16 Millionen Euro und eine absolute Verlagerung hin zu den Kosten der Unterkunft, die wir jetzt bei den Kommunen
abladen. Das wissen alle, die darüber heute hier diskutieren.
({2})
Ich bin gespannt, wie Sie das Ihren Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern vor Ort erklären.
Die Länder - das ist ganz eindeutig - dürfen nicht aus
der Verantwortung entlassen werden.
({3})
Aber auch wir können nicht einfach sagen: Weil es mit
den Ländern so kompliziert ist, lassen wir das Problem
bei den Kommunen; in Klammern: 10 Prozent Kostensteigerung.
Ein weiterer Beleg für diese Problematik vor Ort ist
aus meiner Sicht, dass wir nicht genügend vorgelagerte
Sicherungssysteme wie etwa den Mindestlohn haben.
Wir wissen, dass die größte Problematik die der Aufstocker ist.
({4})
Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass für Menschen, die nicht genug Geld haben oder nicht genug für
ihre Arbeit bekommen, auch Kosten der Unterkunft anfallen. Dafür haben wir eine Verantwortung. Auch dieses
Problem wälzen wir auf die Kommunen ab, indem wir
sagen: Der Schlüssel, wie er vereinbart ist, wird einfach
fortgeschrieben.
Es ist an dieser Stelle den Kommunen gegenüber als
letztem Glied in der Kette nicht fair - wir reden doch
gern von der Verantwortung von Bund, Ländern und
Kommunen -, die Verantwortung abzuschieben, uns auf
einen Schlüssel zu beziehen, der in einem komplizierten
Verfahren vereinbart wurde, und so zu tun, als gehe uns
das nichts an.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Konrad Adenauer hat die Ministerpräsidenten der Länder gern als Zaunkönige bezeichnet.
Wenn Sie so beschließen, wie hier vorgesehen, beweisen
Sie heute, dass die Kommunen bei Ihnen noch nicht einmal Zaunkönige, sondern allenfalls Zaungäste sind.
({5})
Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes erhält der
Kollege Rolf Stöckel für die SPD-Fraktion das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Kurz vor Weihnachten haben wir hier einige Märchen aus dem Erzgebirge gehört.
({0})
Das war Geschichtsklitterung pur. Sie wissen genau, wie
im Vermittlungsausschuss nach langer Vorbereitung und
mit der Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände
und der Länder das Gesetz zur Zusammenlegung von
Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe entstanden ist und dass
die Aufteilung der finanziellen Lasten nicht etwa willkürlich erfolgt ist oder mit heißer Nadel gestrickt war. Es
gab komplizierte Berechnungen der Steuerfachleute der
gesamten Republik.
Für das erste Geltungsjahr des Gesetzes, das Jahr
2005, haben wir eine Beteiligung des Bundes an den Unterkunftskosten von 29,1 Prozent vereinbart - mit Billigung des Bundesrates und der entsprechenden Verbände.
Wenn dieses neue Gesetz in Kraft getreten sein wird und
wirken wird, ist eine Absenkung von 31,8 Prozent im
Schnitt auf dann 29,2 Prozent im Schnitt zu konstatieren;
immerhin noch eine höhere Beteiligung des Bundes als
im Jahr 2005.
Ich will dann etwas zu Frau Kunert sagen, die hier zu
Recht auf die Steigerung der Kosten der Unterkunft bei
den Kommunen hingewiesen hat. Ich finde gut, dass sie
sich auch um die Zahlen im Kreis Unna kümmert. Ich
könnte das noch genauer darlegen. Ich habe nicht nur einen Brief meines Landrates bekommen, sondern ich
werde in der nächsten Woche auch an einer Veranstaltung mit meiner Kreistagsfraktion teilnehmen, bei der es
genau um dieses Thema gehen wird. Im Gegensatz zu
vielen anderen Kollegen, auch aus der Linkspartei, bin
ich nicht bereit, auf kommunaler Ebene anders zu reden
als im Bundestag. Denn wir tragen gemeinsam die Verantwortung für den Bundeshaushalt.
Auf der einen Seite fordern Sie die Erhöhung der Regelsätze und die Erweiterung der Rechtsansprüche im
Bereich des SGB II. Auf der anderen Seite rechnen Sie
aber nicht aus, welche Kostensteigerungen dem Bund,
was die Passivleistungen und die Eingliederungsleistungen angeht, und welche Kostensteigerung Ihren Kommunen durch die Übernahme der Kosten für die Unterkunft entstehen würden.
({1})
Da Sie nach dem Motto „Kann es noch ein Viertelpfund
mehr sein?“ verantwortungslos diese Forderungen aufstellen, sollten Sie einmal sagen, was Ihre Forderung
nach einer Steigerung der Regelsätze kosten würde.
Man muss deutlich sagen, dass der Bund wegen seines prozentualen Anteils - in diesem Punkt möchte ich
Sie einmal aufklären - an den Kostensteigerungen für
die Kommunen bereits beteiligt ist. Wir müssen mit den
Ländern, die diesen Schlüssel einstimmig beschlossen
haben, verhandeln.
({2})
Dass man sich dabei an der Zahl der Bedarfsgemeinschaften orientiert, halte ich für ausgesprochen richtig.
Wir halten uns selbstverständlich an diese Vereinbarung.
Der Kollege Schiewerling hat hier sehr gut begründet,
warum es darauf ankommt, die Kosten vor allem durch
eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu senken, die Zahl der
Bedarfsgemeinschaften zu verringern und die Zahl der
Langzeitarbeitslosen zu senken, indem wir sie qualifizieren und in Arbeit bringen. Außerdem müssen wir vernünftige Angebote für Jugendliche in Sachen Bildung
und Ausbildung machen. Auch da sind Länder und
Kommunen in der Verantwortung. Damit verhindern
wir, dass weitere Bedarfsgemeinschaften und -dynastien
entstehen.
Wir hatten eine Anhörung, in der nicht seriös nachgewiesen werden konnte, wie die aktuellen Kostensteigerungen in den Kommunen sind. Es konnte nicht dargelegt werden, ob die Länder ihre Einsparungen beim
Wohngeld an die Kommunen weitergeben. Es konnte
auch nicht nachgewiesen werden, dass es einen vernünftigen kommunalen Finanzausgleich in den Ländern vor
allem für die besonders betroffenen Kommunen - dazu
gehört auch der Kreis Unna - gibt.
Ich komme zum Schluss. Der Bund hilft den Kommunen vor allen Dingen dadurch, dass er die Eingliederungsmittel im Haushalt 2008 erhöht hat, dass er die
durch den Kommunalkombi öffentlich geförderte Beschäftigung unterstützt und bei der Vermittlung von
Langzeitarbeitslosen mit besonderen Vermittlungshemmnissen Hilfe leistet. Mit Blick auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie auf die Beitrags- und
Steuerzahler in dieser Republik muss er eine abgewogene Überprüfung der Regelsätze und der Regelsatzanpassung und damit der Rechtsansprüche im Rahmen
des SGB II vornehmen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
({3})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD sowie der Bundesregie-
rung eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Der
Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 16/7149, die gleich-
lautenden Gesetzentwürfe auf Drucksachen 16/6774,
16/7075 und 16/7111 als Drittes Gesetz zur Änderung
des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch unverändert anzu-
nehmen. Hierzu liegen mir persönliche Erklärungen zur
Abstimmung der Kollegen Dr. Peter Jahr und Manfred
Kolbe vor.1)
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim-
men wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dage-
gen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen
1) Anlage 6
Präsident Dr. Norbert Lammert
die Stimmen der Opposition und einer Stimme aus der
CDU/CSU-Fraktion angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit der gleichen Mehrheit wie zuvor angenommen.
Ich lasse nun über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/7189 abstimmen. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Der
Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg van
Essen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP
Opferinteressen ernst nehmen - Opferschutz
stärken
- Drucksache 16/7004 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({0})
Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
diese Aussprache wiederum eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten
soll. - Ich hören keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält der Kollege Jörg van Essen für die FDP-Fraktion.
({1})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben diesen Antrag vorgelegt, weil wir die Debatte um
den Opferschutz im Deutschen Bundestag wieder neu
beleben wollen. Ich glaube, es ist uns in den letzten Jahren gelungen, in diesem Bereich eine Menge zu erreichen. Insbesondere das Gesetz von 2004 hat eine erhebliche Verbesserung des Opferschutzes gebracht. Ich
stelle auch fest, dass beispielsweise die Webseite des
Justizministeriums in besonderer Weise den Interessen
der Opfer gerecht wird und dass das Bundesjustizministerium eine Opferfibel herausgegeben hat. Ich freue
mich über diese Entwicklung ganz außerordentlich.
Die Opfer sind immer diejenigen gewesen, die vergessen werden, die insbesondere auch bei der Presseberichterstattung vergessen werden. Wir lesen immer sehr
viel über die schlechte Jugend von Tätern. Aber welche
Folgen eine Tat bei den Opfern, bei den Angehörigen
von Opfern verursacht, darüber lesen wir nur sehr wenig.
Deshalb finde ich es gut, dass wir uns in der Politik gemeinsam darum bemühen, die Rolle der Opfer im Strafprozess zu verbessern. Ich bin den Kollegen, die sich mit
auf diesem Feld engagieren - ich sehe den Kollegen
Kauder, ich sehe den Kollegen Montag, aber auch Kollegen der SPD gehören dazu -, dankbar dafür. Wir sollten
uns gemeinsam darum bemühen, das weiter voranzutreiben.
({0})
Deshalb haben wir in unserem Antrag einige Punkte
aufgeführt, von denen wir glauben, dass die Chance bestehen sollte, gemeinsam an einer Fortentwicklung der
Opferinteressen zu arbeiten. Deshalb gilt unser Antrag
als Einladung an die anderen Fraktionen, das gemeinsam
zu versuchen.
Ich will nicht alle Punkte ansprechen, die wir in unserem Antrag aufgelistet haben. Ein paar sind mir allerdings besonders wichtig.
Diejenigen, die die entsprechenden Debatten in der
Vergangenheit verfolgt haben, wissen, dass mir ein
Thema ganz besonders am Herzen liegt, nämlich die Situation derer, die Opfer von Attentaten im Ausland geworden sind. Ich erinnere etwa an die Anschläge auf
Djerba, auf Bali oder in anderen Orten. Die Deutschen
sind Reiseweltmeister. Deshalb sind immer auch Deutsche von diesen Attentaten betroffen gewesen.
Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass wir insbesondere die Rolle dieser Opfer stärken. Dazu sind einige Maßnahmen ergriffen worden. Das sehe ich. Aber
ich hätte es gern, dass diese Opfer wirklich Rechtsansprüche haben.
({1})
Dass das möglich ist, zeigt beispielsweise unser Nachbarland Österreich, das eben keinen Unterschied macht,
wo man Opfer eines Anschlags geworden ist. Das sucht
man sich selbst ja auch nicht aus.
({2})
Es ist schlimm genug, wenn man Opfer eines Anschlags
geworden ist. Dann darf es keinen Unterschied machen,
ob dieser Anschlag im Inland oder im Ausland passiert
ist. Dann muss man gleiche Rechte und Ansprüche haben.
({3})
Ein zweiter Punkt, der mir auch außerordentlich
wichtig ist, hängt mit meiner dienstlichen Tätigkeit als
Oberstaatsanwalt zusammen. Wer mit Angehörigen gesprochen hat, deren Kind ermordet worden ist, weiß,
welche Belastung das für die Familien bedeutet, nicht
nur unmittelbar nach der Tat, sondern auch noch lange
danach. Hier sollten wir darüber nachdenken, wie wir
die Möglichkeiten, zu Hilfen für die Angehörigen zu
kommen, verbessern können. Ich glaube, sie haben es
verdient,
({4})
dass wir alle Anstrengungen unternehmen, um deren
Rechtsposition zu verbessern.
Ein dritter Punkt - auch er ist mir besonders wichtig ist die Arbeit der Opferschutzorganisationen. Der Kollege Kauder ist in einer wichtigen Opferschutzorganisation, nämlich im Weißen Ring, in verantwortlicher Stellung tätig. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, dass er dieses
ehrenamtliche Engagement ausübt. Ehrenämter von Abgeordneten werden gerade in diesen Tagen immer wieder kritisch beleuchtet. Ich glaube, dass die Tätigkeit von
Herrn Kauder beispielhaft dafür ist, wie sich ein Kollege
von uns im Interesse aller in einer ehrenamtlichen Funktion einsetzt. Wir alle wissen, dass es im Bereich der Opferschutzorganisationen viele Ehrenamtliche gibt, die
wertvolle Hilfe leisten: Sie sind Ansprechpartner und
stützen Menschen.
Alle Opferschutzorganisationen haben erhebliche finanzielle Probleme. Wir möchten hier anstoßen, darüber
nachzudenken, wie es zu einer besseren finanziellen Ausstattung der Opferschutzorganisationen kommen kann.
Angesichts der finanziellen Lage der Länder muss man
dafür Verständnis haben, dass die Justizministerien der
Länder möchten, dass beispielsweise die Einnahmen aus
Geldstrafen in die Länderhaushalte fließen. Es dient uns
allen, darüber nachzudenken, wie Strafgelder in diesem
Zusammenhang genutzt werden können.
Unser Antrag enthält eine Fülle von Anregungen. Ich
hoffe, dass wir ins Gespräch kommen und dass das, was
in der Vergangenheit gelungen ist, nämlich gemeinsam
über vernünftige Lösungen zu streiten, eine Fortsetzung
findet. Dafür einzutreten, das ist meine Bitte. Diese Debatte soll der erste Anstoß dafür sein.
Vielen Dank.
({5})
Siegfried Kauder ist der nächste Redner für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Herr Kollege van Essen, wenn uns der Antrag der FDP
auf einem gemeinsamen Weg zur Verbesserung von Opferrechten verbinden würde, dann wäre er gut. Aber er
spaltet schon beim Titel: „Opferinteressen ernst nehmen Opferschutz stärken“. Das impliziert, dass diejenigen,
die diesem Antrag zustimmen, Opferinteressen ernst
nehmen, und dass diejenigen, die ihn ablehnen, Opferinteressen nicht ernst nehmen.
Dieser Antrag kam mir von Anfang an bekannt vor.
Ich kam auch schnell dahinter, warum: Man hat wortgetreu aus den Strafrechtspolitischen Forderungen des
Weißen Ringes, Stand 20. März 2007, abgeschrieben.
Die Forderung 6 - dabei geht es um die Beteiligung des
Opfers am Deal im Strafverfahren - wurde ausgelassen,
aber sei’s drum.
Ich glaube, wir sollten nicht spalten. Wir von der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion brauchen uns den Vorwurf, Opferinteressen nicht ernst zu nehmen, sicherlich
nicht gefallen zu lassen.
({0})
Der erste Schritt zur Verbesserung des Opferschutzes
wurde im Jahr 1986 mit der Verabschiedung des Opferschutzgesetzes getan, und dann geschah viele Jahre
nichts, weil sich bei Rechtspolitikern, bei Staatsanwälten, bei Richtern, aber auch bei Anwälten erst die Erkenntnis einstellen musste, dass ein Strafverfahren eben
nicht nur ein Verfahren um die Unschuld oder Schuld eines Angeklagten, sondern auch um das Schicksal eines
Opfers ist. Ich wäre froh, wenn von diesem Hause die
Botschaft ausginge, dass wir alle redlich und ernsthaft
bemüht sind, die Situation von Opfern im Strafverfahren
noch weiter zu verbessern, als wir es in letzter Zeit ohnehin schon geschafft haben.
({1})
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat im Jahr 2003
den Entwurf eines 2. Opferschutzgesetzes eingebracht.
Dieser Gesetzentwurf mündete im Jahr 2004 in das sogenannte Opferrechtsreformgesetz, durch das wesentliche Verbesserungen der Position des Opfers erreicht
wurden, insbesondere was das Adhäsionsverfahren anbelangt. Für ein Opfer ist es inzwischen wesentlich
leichter, direkt im Strafverfahren Schmerzensgeldansprüche durchzusetzen.
Aber eine große Baustelle blieb: der Opferschutz im
Jugendstrafverfahren. Auch das ist inzwischen geregelt,
nämlich im 2. Justizmodernisierungsgesetz, das im
Jahr 2006 verabschiedet wurde. Seither gibt es auch im
Jugendstrafverfahren einen umfassenden Opferschutz
mit der Möglichkeit der Nebenklage.
Natürlich kann man immer noch etwas verbessern;
das ist überhaupt keine Frage. Herr Kollege van Essen,
der Weiße Ring darf strafrechtliche Forderungen erheben und darf sich damit an die Politik wenden. Es ist
aber Aufgabe der Politik, so etwas umzusetzen. Wenn
man sich Ihren Antrag anschaut, stellt man sehr schnell
fest, dass er Forderungen enthält, die ohne das Mitwirken der Länder nicht erfüllt werden können.
So verlangen Sie beispielsweise eine Ausweitung des
Katalogs und wollen den Opferanwalt auf Staatskosten,
§ 397 a der Strafprozessordnung. Diese Forderung ist sicherlich berechtigt. Nur, zahlen müssen die dadurch anfallenden Mehrkosten die Länder. Herr van Essen, Sie
haben das Glück, dass Sie in einem Bundesland, in Baden-Württemberg, den Justizminister stellen.
({2})
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Minister Goll
den Finger gehoben hat, als diese Forderungen im Raum
standen.
Das Gleiche gilt für die Forderung, 10 Prozent der
Geldstrafen Opferschutzorganisationen zuzuführen. Natürlich würden wir uns darüber freuen; das ist überhaupt
keine Frage. Ich kann mich sehr wohl daran erinnern, als
die Bundesjustizministerin in der 14. Legislaturperiode
auf der Grundlage des EU-Rahmenbeschlusses vom
15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Straf13192
Siegfried Kauder ({3})
verfahren diese Forderung erhoben hat und in die Länder
zu transportieren versuchte. Auch da hat sich kein Landesjustizminister gemeldet und gesagt: Die Forderung
finde ich berechtigt. Die fiskalischen Interessen gingen
vor.
Die Bundesjustizministerin hat reagiert und in der
nächsten Legislaturperiode, also in der 15., die Forderung, 10 Prozent der Geldstrafen Opferschutzorganisationen zuzuführen, auf 5 Prozent reduziert. Auch da gab
es keine große Freude bei den Landesjustizministern.
Daraus sieht man, dass es nur im Gleichklang mit den
Ländern etwas geben wird.
({4})
Wir dürfen nicht verkennen, dass die Länder inzwischen zahlreiche Initiativen gestartet haben. Am letzten
Freitag ist eine Initiative durch den Bundesrat gelaufen:
Gesetzentwurf zur Stärkung des Opferschutzes im Strafprozess.
({5})
Wenn Sie diesen Entwurf mit dem abgleichen, was Sie
hier fordern, werden Sie feststellen, dass auch dort Kernstück die Forderung nach einem Opferanwalt auf Staatskosten ist, dass aber zwei Strafvorschriften, die Sie gern
eingebunden hätten, in diesem Entwurf nicht enthalten
sind. Den Opferanwalt auf Staatskosten wird es nach
Vorstellung der Länder beim schweren Raub und bei der
räuberischen Erpressung nicht geben. Sie sehen daran,
dass wir gar nicht so weit voneinander entfernt sind, dass
wir deswegen mit einem überzogenen Antrag, der sich in
der Politik nicht umsetzen lassen wird, den Ländern
nicht in den Rücken fallen, sondern wohlwollend deren
Anliegen prüfen sollten.
So fand ich beispielsweise die Idee des Landes
Schleswig-Holstein bemerkenswert, das Adhäsionsverfahren, also das Verfahren, in dem Schmerzensgeld im
Strafverfahren geltend gemacht werden kann, auch auf
das Strafbefehlsverfahren auszuweiten. Diejenigen, die
es zu bezahlen haben, haben innovative Ideen. Wir sollten die Länder in ihren Anliegen unterstützen. Ich freue
mich auf eine gute Beratung, wenn dieser Gesetzentwurf
eingebracht wird.
Zum Antrag der FDP kann ich leider nur sagen: Gut,
dass darüber gesprochen wurde. Mehr kommt dabei
nicht heraus.
({6})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Die Linke spricht sich eindeutig für die Stärkung
des Opferschutzes aus. Welche psychischen, sozialen
und wirtschaftlichen Folgen ein Gewalterlebnis für Betroffene und deren Angehörige haben kann - Herr van
Essen hat eben darüber gesprochen -, was diese Betroffenen empfinden, darf nicht unterschätzt werden. Gewaltopfer benötigen Hilfe, und zwar schnell und unbürokratisch. Deshalb begrüßen wir hier heute den Antrag der
FDP-Fraktion.
({0})
Es geht hier tatsächlich einmal darum, Opfern zu helfen. Denn zu dem, was uns die Große Koalition bisher
vorgelegt hat, Herr Kauder, muss man leider sagen, dass
immer wieder die Forderung nach längeren Strafen erhoben wird, aber keine wirklichen Hilfen für die Opfer vorgeschlagen werden.
({1})
Aber von härteren Strafen können sich die Opfer nichts
kaufen. Deswegen treten wir dafür ein, dass die Gesellschaft mit den Opfern solidarisch ist, ihr Leid anerkennt
und praktisch und unbürokratisch geholfen wird.
Der Antrag der FDP-Fraktion spricht viele wichtige
und richtige Punkte an. Gewaltopfer und ihre Angehörigen brauchen zum Beispiel einen leichteren Zugang zu
psychotherapeutischen Behandlungen. Den Behörden
muss ein größerer Spielraum eingeräumt werden, um
minderjährigen Opfern schnell und unbürokratisch ärztlich und psychologisch helfen zu können. Ich finde auch
sehr wichtig: Wer im Ausland Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist, darf nicht schlechter gestellt werden, als wenn er im Inland die gleiche Schädigung erleidet.
({2})
Meiner Ansicht nach gibt es dennoch einige offene
Punkte, die ich hier heute nur kurz anreißen kann.
Erstens bestehen für Touristen aus dem außereuropäischen Ausland Regelungslücken. Gerade dann, wenn sie
zum Beispiel Opfer rassistischer Gewalt in Deutschland
werden, sollten sie einfachen Zugang zur Entschädigung
erhalten. Das Gleiche gilt übrigens für Menschen ohne
regulären Aufenthaltsstatus. Ich kann einfach nicht einsehen, warum gerade diejenigen, die ohnehin schon von
überholten Ausländergesetzen diskriminiert werden,
auch noch beim Opferschutz schlechter gestellt werden
sollen.
({3})
Zweitens muss die weiter bestehende Ungleichheit
bei der Opferentschädigung von Ost- und Westdeutschen
endlich aufhören. Die Linke wird sich dafür einsetzen,
dass es diesbezüglich keine Unterschiede mehr gibt.
({4})
Was endlich abgeschafft werden sollte, ist zum Beispiel der Ausschlussgrund der politischen Betätigung im
Ausland. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Dieser Ausschlussgrund betrifft Menschen, die in Deutschland Opfer von Racheakten werden, weil sie im Ausland poliUlla Jelpke
tisch aktiv gewesen sind, unter Umständen sogar wegen
dieser Aktivität hier in Deutschland Asyl gefunden haben. Jedenfalls können wir nicht einsehen, warum die
Opfer politischer Gewalt hinter den Opfern sogenannter
normaler Kriminalität zurückstehen sollen.
Darüber hinaus fehlt es noch an Hilfe - wahrscheinlich ist sie nicht einmal angedacht worden - für die Opfer von Gewalt, die im staatlichen Auftrag ausgeführt
wird. Als Beispiel nenne ich den Fall Khaled el-Masri,
den Sie alle kennen. Niemand hat Herrn el-Masri geholfen, als er aus der Folterhölle wieder herauskam. Sie alle
kennen die Situation, in der er sich befunden hat. Es ist
ein Gebot der Menschlichkeit, auch solchen Opfern
Hilfe aus einem Opferfonds zukommen zu lassen bzw.
sie im Gesetz zu berücksichtigen.
Danke schön.
({5})
Für die SPD hat jetzt der Kollege Matthias Miersch
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Ich glaube, das heutige Thema verdient
eine sachliche Auseinandersetzung. Herr Kollege
Kauder, ich bin mir sicher, dass wir das Anliegen der
FDP in der Großen Koalition sorgfältig prüfen
({0})
und die unterschiedlichen Standpunkte in den vor uns
liegenden Beratungen sorgsam abwägen werden.
Rot-Grün hat mit dem Opferrechtsreformgesetz wichtige Opferrechte gestärkt. Ich bin dem Kollegen van
Essen dankbar, dass er darauf hingewiesen hat. Das Adhäsionsverfahren wurde etabliert, und wichtige Informations- und Beteiligungsrechte wurden eingeführt. Somit
wurde der Opferschutz eindeutig gestärkt.
Auch die jetzige Koalition, Herr Kollege Kauder, arbeitet an Problemen wie beispielsweise der Entschädigung von Opfern von Terrorakten im Ausland. Auch die
Bundesjustizministerin hat mehrfach deutlich gemacht,
dass das ein Thema ist. Insofern verdient dieser Antrag
eine sorgfältige Beratung. Das sind wir allen schuldig.
({1})
Der Antrag setzt an zwei Hauptpunkten an: der Strafprozessordnung und dem Opferentschädigungsgesetz.
Eine Forderung ist, den Katalog des § 397 a der Strafprozessordnung um die Delikte Raub, Geiselnahme und
schwere Körperverletzung zu erweitern, also auch in
diesen Fällen einen Opferanwalt auf Staatskosten zur
Verfügung zu stellen. Als Strafverteidiger bin ich der
Auffassung, dass wir sehr sorgfältig prüfen müssen, ob
wir mit diesem Instrumentarium tatsächlich eine Verbesserung erreichen.
Ich war selbst gemäß § 397 a der Strafprozessordnung
mehrfach beigeordneter Anwalt in Menschenhandelsprozessen und weiß, wie wichtig es beispielsweise ist,
die Interessen von Opfern, die sich nicht mehr in der
Bundesrepublik Deutschland aufhalten, auf diese Art
und Weise wahrzunehmen.
Auf der anderen Seite müssen wir uns aber fragen,
was Aufgabe des Strafprozesses ist. Wir müssen aufpassen, dass wir die Funktion des Strafprozesses mit dieser
Forderung nicht unterlaufen. Wir haben die Funktion der
Nebenklage, wir haben die Funktion der Beiordnung
nach § 397 a der Strafprozessordnung in bestimmten
Konstellationen, und wir haben die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe nebst der Möglichkeit des Zeugenbeistands. Das alles sind Punkte, die in der Praxis heute
eine durchaus wichtige Rolle spielen.
Außerdem gibt es die Staatsanwaltschaften, die im
Strafprozess eigentlich die Hauptrolle spielen und den
Strafanspruch des Staates prüfen und durchsetzen müssen. Wenn ich mir die Bundesratsinitiativen bestimmter
Bundesländer vor Augen halte, habe ich an dieser Stelle
durchaus Zweifel. Denn meines Erachtens kann man
sich nicht für die Erweiterung der Opferrechte, beispielsweise durch eine Ausdehnung von § 397 a der Strafprozessordnung, aussprechen und gleichzeitig die
Staatsanwaltschaften in ihrer mehr als unzulänglichen
personellen Situation belassen.
({2})
Gerade Niedersachsen - Herr van Essen, dort ist Ihre
Partei ja an der Regierung beteiligt - hat, was die personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaften und der Gerichte anbelangt, seine Hausaufgaben leider nicht gemacht.
({3})
Der Niedersächsische Richterbund spricht davon, dass
Hunderte von Richtern und Staatsanwälten fehlen. Hier
muss an die Bundesländer appelliert werden. An dieser
Stelle wäre der Opferschutz auch dadurch zu verbessern,
dass man die Institutionen stärkt und sie personell angemessen ausstattet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass
Opferschutz bei der Frage beginnen muss: Wie kommt
es überhaupt zu Straftaten? Es ist wichtig, dass wir dieses Thema nicht nur begutachten, indem wir uns dem
Strafprozess nähern, sondern auch, indem wir uns den
Fragen zuwenden: Was hat es mit der Prävention auf
sich? Was hat es mit Projekten im Bereich der Jugendarbeit auf sich? An vielen Stellen sind die Länder gefordert. Auch hier muss man, wie ich glaube, an sie appellieren.
({4})
Wenn es um die Opferrechte geht, muss man sich
auch sehr sorgsam mit dem Täter-Opfer-Ausgleich beschäftigen.
({5})
Denn gerade hier finden wir eine Konstellation vor, die
auf Ausgleich und nicht auf Konfrontation zielt. In diesen enorm wichtigen Diskussionsprozess müssen wir
eintreten.
Ich bin mir nicht sicher, ob Sie im Zusammenhang
mit den Hinweispflichten bei der Nebenklage einen Bereich aufgezeigt haben, der tatsächlich regelungsbedürftig ist. Ich bin aber bereit, das in den Ausschussberatungen sehr sorgfältig zu prüfen. Ich glaube, dass man auch
das Opferentschädigungsgesetz näher betrachten sollte,
beispielsweise im Hinblick auf Opfer terroristischer Angriffe im Ausland. Allerdings warne ich davor, hier Erwartungen zu wecken, die wir letztlich nicht erfüllen
können.
Wir müssen genau überprüfen, an welchen Stellen der
Staat überhaupt eintreten kann und an welchen Stellen
wir den Zivilprozess ersetzen können. Das wäre beispielsweise dadurch möglich, dass in Konstellationen, in
denen zivilprozessual nichts durchzusetzen ist, die Allgemeinheit bzw. der Staat eintritt. Djerba hat Lücken
aufgezeigt. Djerba hat aber auch klargemacht, dass nicht
alle Risiken versicherbar und durch die Allgemeinheit
abzudecken sind. Hier müssen wir, wie ich glaube, sehr
sorgfältig beraten.
Ich habe meine Zweifel, ob es möglich ist, die Interessen von mittelbar Geschädigten im Rahmen der
Opferentschädigung zu berücksichtigen. Wo sind die
Grenzen? Wo gibt es Regelungslücken? All dies müssen
wir bei der Beratung Ihres Antrags sorgfältig prüfen.
Noch eine Bemerkung zu Ihrer Forderung, die Opferorganisationen finanziell zu stärken. Die Länder können
und dürfen sich nicht verabschieden, wenn es zum Beispiel um die Förderung freier Träger geht. Hier sind auch
die Länder gefordert.
({6})
Ich weise darauf hin, dass es schon zahlreiche Möglichkeiten gibt, Opferorganisationen angemessen zu
unterstützen; als Beispiele nenne ich die Bewährungsauflagen und Einstellungen nach § 153 a der Strafprozessordnung. Dann ist es Aufgabe der Gerichte bzw. der
am Strafprozess Beteiligten, adäquate Lösungen zu finden. Ich bin mir nicht sicher, ob wir an dieser Stelle tatsächlich den richtigen Weg beschreiten, wenn wir sogar
auf noch weiter gehende Möglichkeiten abstellen. Wie
gesagt, es gibt schon zahlreiche Möglichkeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich glaube,
dass ich deutlich gemacht habe, dass ich von vielen Dingen, die in dem Antrag stehen, bislang nicht überzeugt
bin. Ich meine aber, dass wir hier einen Bereich haben,
wo sich die Diskussion lohnt,
({7})
gerade wenn es - ich betone das noch einmal - um Menschen geht, die im Ausland Opfer terroristischer Akte
geworden sind. Hier haben wir Beispiele dafür, dass es
Regelungslücken gibt. Insofern freue ich mich auf eine
angemessene, sachgerechte Diskussion.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({8})
Jerzy Montag spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jeder, der hier einen Antrag oder einen Gesetzentwurf
einbringt, der sich mit Opferinteressen und Opferschutz
beschäftigt, bekommt für den Grundansatz offensichtlich
den Beifall des ganzen Hauses. So haben wir heute erleben können, dass selbst Frau Jelpke und Herr Kauder in
dieser Sache in ihren Beiträgen im Ansatz übereinstimmen konnten.
Trotzdem werde ich den Verdacht nicht los, dass manche der Versuche, dieses Thema hier noch einmal und
noch einmal zur Diskussion zu bringen, etwas wohlfeil
sind. Ich habe mich, als ich diesen Antrag gelesen habe,
ganz konkret gefragt: Warum kommt er eigentlich jetzt,
und was soll es bedeuten, wenn Vorschläge gebracht
werden, wie im Bereich der Strafprozessordnung noch
ein paar vermeintliche oder tatsächliche Lücken geschlossen werden können? Herr Kollege van Essen, ich
traue Ihnen zu, dass Sie uns in einer halben Stunde einen
Gesetzentwurf dazu vorlegen können, zwei oder drei
Stellen zu ändern. Einen solchen Antrag oder Gesetzentwurf hätten Sie vorlegen können.
Soweit es sich um Vorschläge zur Änderung des Opferentschädigungsgesetzes handelt, wissen wir alle in
diesem Hause: Es gibt einen Gesetzentwurf von
Bündnis 90/Die Grünen mit ausgefeilten Formulierungen. Wir haben diesen Gesetzentwurf in der letzten Legislaturperiode eingebracht, und wir haben ihn auch in
dieser Legislaturperiode eingebracht. Wir haben hier am
30. November 2006 darüber diskutiert. Ich verweise darauf, dass der Parlamentarische Staatssekretär vom Arbeits- und Sozialministerium, Herr Thönnes, in seiner
Rede in Erwiderung auf mich gesagt hat: Ein sehr diskutabler Gesetzentwurf mit guten Vorschlägen. - Er hat
vorgeschlagen, sich rasch zusammenzusetzen und darüber zu diskutieren. Seit einem Jahr ist von seinem
Büro aus zweimal der Versuch unternommen worden, einen Termin zu finden, und zweimal hat das Ministerium
den Termin wieder abgesagt.
({0})
Da liegen die Probleme, meine Damen und Herren: Die
Große Koalition bewegt sich in diesen Fragen nicht.
({1})
Aber, lieber Kollege van Essen, wenn Sie diese beiden Themen - die Änderung der §§ 397 a und 406 h
Strafprozessordnung auf der einen Seite und des Opferentschädigungsgesetzes auf der anderen Seite - in einer
parlamentarischen Aktion wie hier in diesem Antrag
bündeln, dann führt alleine die Zuweisung - entweder an
den Ausschuss für Arbeit und Soziales oder an den
Rechtsausschuss - dazu, dass wir die jeweils andere
Seite nicht richtig bearbeiten werden können.
Herr Kollege, der Kollege Kauder hat den Wunsch,
eine Zwischenfrage zu stellen. Möchten Sie sie zulassen?
Aber sehr gerne.
Bitte schön.
Herr Kollege Montag, darf ich Sie etwas beruhigen?
Wenn Sie eine Frage stellen, dann schon.
({0})
- Das war schon die Frage?
Mit dem Opferentschädigungsgesetz befassen wir uns
in der Tat schon seit längerem, nicht erst seit dieser Legislaturperiode. Ich kann mich daran erinnern, dass ich
einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf im Jahr 2002 vorgelegt habe. Die zentrale Frage ist, ob wir eine Anspruchslösung zustande bekommen oder eine Billigkeitsentschädigung. Ich darf Sie beruhigen: Wir werden
in allerkürzester Zeit einen entsprechenden Entwurf vorlegen können, der den Interessen der Opfer mehr dient,
als sich mancher das vorstellt.
({0})
Lieber Kollege Kauder, beruhigt wäre ich erst dann,
wenn ich diesen Vorschlag hätte.
({0})
Ankündigungen haben wir nämlich genug gehört. Wenn
Ihr Antrag oder Ihr Gesetzentwurf, den Sie jetzt ankündigen, auch nur halb so gut ist wie der von uns Grünen,
der seit einem halben Jahr im Parlament liegt,
({1})
dann werden wir, so glaube ich, sehr schnell zu einer guten Lösung für alle Beteiligten kommen.
({2})
- Ja, Sie haben einen Antrag gestellt und damit eine Debatte provoziert. Das ist gut. Ob er bei den einzelnen
Fragen in der Sache weiterführt, will ich doch bestreiten,
weil ich das Gefühl habe, dass Sie in der Strafprozessordnung mit der Lupe nach Lücken suchen.
({3})
Ob es Sinn macht, jeden Punkt, den Sie angesprochen
haben, auch noch anzugehen, hängt auch damit zusammen, welche Struktur und Rolle wir der Strafprozessordnung insgesamt zuweisen wollen. Wir dürfen es nicht
zulassen, dass die Strafprozessordnung, die in der
Hauptsache ja immer noch ein Werk ist, mit dem die
Staatsmacht gegenüber einem Beschuldigten in grundrechtliche Schranken gewiesen wird und durch das die
Rechte des Beschuldigten in einem Ermittlungs- und
Strafverfahren normiert werden, durch Formulierungen
hinsichtlich der Ansprüche des Opfers in eine solche
Disproportionalität gesetzt wird, dass wir die Ausgangsposition des Strafprozesses gar nicht mehr erkennen.
Meine Damen und Herren, sei es im Ausschuss für
Arbeit und Soziales, sei es im Rechtsausschuss - je nachdem, wem die Große Koalition den Antrag zuweist -: Wir
werden über diesen Antrag zu diskutieren haben. Dabei
werden wir alle Probleme, die Sie angesprochen haben,
im Einzelnen aufgreifen. Wir Grünen werden uns an dieser Debatte selbstverständlich gerne und inhaltlich beteiligen.
Danke schön.
({4})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/7004 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Sie sind damit einverstanden. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die elektromagnetische Verträglichkeit
von Betriebsmitteln ({0})
- Drucksache 16/3658 13196
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({1})
- Drucksache 16/7157 Berichterstattung:
Abgeordneter Martin Dörmann
- Bericht des Haushaltsausschusses ({2})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7158 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt J. Rossmanith
Volker Kröning
Ulrike Flach
Roland Claus
Anna Lührmann
Hierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattie-
ren. Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben die Kolle-
ginnen und Kollegen Dr. Martina Krogmann, Martin
Dörmann, Martin Zeil, Sabine Zimmermann und Kerstin
Andreae.1)
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf. Der
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7157,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/3658 in der Ausschussfassung anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung der Koalition gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und des Bündnisses 90/
Die Grünen und bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der
Gesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichen
Stimmverhältnis wie vorher angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Norman Paech, Monika Knoche, HüseyinKenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Einmarsch der Türkei in den Irak verhindern
- Drucksache 16/7039 Hierzu ist ebenfalls verabredet, eine halbe Stunde zu
debattieren. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann
ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst dem
Kollegen Hüseyin-Kenan Aydin für die Linksfraktion
das Wort.
({3})
1) Anlage 11
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Vorweg ein persönliches
Wort: Terror ist keine Lösung. Das sage ich als jemand
mit kurdischem Hintergrund.
Seit 23 Jahren versucht der türkische Staat, die Kurdenfrage mit rein militärischen Mitteln zu lösen - vergeblich. Bis heute steckt die Türkei in einem Krieg fest,
den sie nicht gewinnen kann. Statt den Kurden verfassungsmäßig garantierte Rechte einzuräumen, verbreitet
man die Auffassung: Kurden gleich PKK gleich Terror.
So rechtfertigt man Angriffe auf die Vertreter eines Volkes, das als nationale Minderheit zum großen Teil rechtlos ist. Fest steht: Die ganze Hochrüstung der türkischen
Armee konnte nicht verhindern, dass eine kleine PKKGruppe einen türkischen Posten überfiel, dabei zwölf
Soldaten tötete und acht verschleppte. Das ist eine Folge
der nicht geklärten Kurdenfrage.
Auch der drohende Einmarsch in den Nordirak wird
den Konflikt mit der PKK nicht lösen. Er wird nur noch
mehr Leid über die Kurden und die Irakis, aber auch
über die Türken bringen; denn ein Einmarsch in den
Nordirak würde das von der US-amerikanischen Invasion angezettelte Blutbad im Irak zunächst auf IrakischKurdistan ausdehnen. Es wäre dann nur noch eine Frage
der Zeit, bis der Krieg auch über die Grenzen in die Türkei getragen wird. Ein solcher Einmarsch wird scheitern,
selbst wenn die Türkei alle PKK-Kämpfer umbringt oder
vertreibt; denn ein Krieg sät immer neuen Hass. Er
bringt Armut und Elend. So schafft das Vorgehen der
türkischen Armee selbst den Nährboden, auf dem ihr
Gegner neu rekrutiert.
Die Tatsache, dass die unmittelbare Gefahr eines Einmarsches gebannt zu sein scheint, kann uns nicht beruhigen. Noch immer stehen 100 000 türkische Soldaten an
der Grenze zum Irak. Auch nach dem Treffen mit USPräsident Bush spricht Premierminister Erdogan davon,
man müsse die PKK auslöschen. Diese Sprache führt
nicht zum Ziel. Ich sage: Es ist Zeit, eine friedliche Lösung zu finden,
({0})
eine friedliche Lösung, die dauerhafte Aussöhnung und
den Kurden politische und soziale Rechte bringt. Kurden
sind nach meinem Verständnis ein Teil der türkischen
Bevölkerung und müssen genauso behandelt werden.
Das heißt, am Ende muss eine Verfassungsreform durchgeführt werden, die in der Türkei ein föderales System
nach deutschem Vorbild etabliert, ein System, in dem es
keine Strafe ist, wenn ein Bezirksbürgermeister in Diyarbakir Informationen in Türkisch und Kurdisch anbietet.
Als erster Schritt zu einer dauerhaften Lösung müssen
selbstverständlich die Waffen schweigen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die
PKK hat einen Waffenstillstand erklärt.
({1})
Sie muss ihn auch umsetzen. Ich fordere die PKK auf,
auf Dauer von Waffengewalt Abstand zu nehmen. Das
setzt aber voraus, dass die türkische Regierung klare Signale für Verhandlungen setzt.
({2})
Sie muss endlich auf die 20 Abgeordneten der kurdischen Partei DTP zugehen; denn die DTP könnte eine
Vermittlerrolle spielen. Doch was erleben wir? Das Gegenteil! Die DTP wird verfolgt, weil sie sich für die Freilassung der acht verschleppten Soldaten eingesetzt hat.
Vizepremierminister Çiçek bezeichnete dies als „Propaganda für die Terroristen“. Schlimmer noch: Justizminister Sahin erklärte, er könne sich nicht über die Freilassung der acht verschleppten Soldaten freuen. Die
türkische Tageszeitung Hürriyet nannte es eine Schande,
dass sich die acht Soldaten nicht haben totschießen lassen. Nein, es ist eine Schande, wie Medien bereitwillig
die Menschen aufstacheln, um das Land auf einen möglichen Krieg einzustimmen. Diese Hasspropaganda vergiftet das Klima.
Aber: Mehrere Zehntausend Türken und Kurden haben bereits in Ankara und anderen Städten für den Frieden demonstriert. Noch übertönt das Kriegsgeschrei
diese Stimmen. Es kommt darauf an, dass wir diese
Stimmen des Friedens in Deutschland unterstützen. Warum hat Frau Merkel beim Besuch des US-Präsidenten
nicht klar gesagt, dass die US-amerikanische Hilfe bei
der Bombardierung von kurdischen Stellungen keine Lösung ist?
Ich sage von hier aus an die Adresse von Herrn Erdogan:
Stoppen Sie die Kriegsvorbereitungen! Seit 23 Jahren
versucht die türkische Regierung, den Kurdenkonflikt
rein militärisch zu lösen.
({3})
37 000 Menschen verloren dabei ihr Leben. Es ist
höchste Zeit, dem Morden auf beiden Seiten ein Ende zu
setzen. Ohne ein gleichberechtigtes Miteinander wird es
keinen dauerhaften Frieden zwischen Kurden und Türken in der Türkei geben.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Der Kollege Ruprecht Polenz spricht jetzt für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir debattieren über einen Antrag der Fraktion Die
Linke. Dabei bedarf es zunächst einmal einer Klarstellung: Der Antrag verklärt die Rolle der PKK. Das ist das
Allerletzte, was einer Lösung des Konflikts dient.
({0})
Ihre Formulierung, man solle die PKK auffordern, „vom
bewaffneten Kampf Abstand zu nehmen“, passt in diesen Jargon. Sie sprechen zwar davon, dass dieser Kampf
„auch Opfer in der Zivilbevölkerung“ fordere, unterschlagen aber, dass die PKK zu Recht sowohl in
Deutschland als auch in Europa als eine terroristische
Organisation eingestuft wird. Deshalb ist es falsch, wenn
Sie in Ihrem Statement sagen, das Abstandnehmen vom
bewaffneten Kampf setze voraus, dass dieses oder jenes
geschehe. Nein, es setzt gar nichts voraus! Die PKK soll
endlich mit ihren terroristischen Aktivitäten aufhören.
({1})
Das ist eine Vorbedingung für alles Weitere, das im politischen Prozess erfolgen kann.
({2})
- Nein, das haben Sie so nicht gesagt.
({3})
Die PKK agiert auch in Deutschland mit kriminellen
Methoden, etwa beim Geldeintreiben. Sie destabilisiert,
wie Sie etwa den Aussagen von Talabani entnehmen
können, den Nordirak.
Wenn man sich die Schönrederei der terroristischen
Organisation PKK in Ihrem Antrag anschaut und sich
dann an den Terrorismusvorwurf erinnert, den Ihr Fraktionsvorsitzender gegenüber der NATO erhoben hat,
dann muss man schon feststellen, dass Ihnen bei der
Frage des Terrorismus die Maßstäbe völlig durcheinandergeraten sind.
({4})
Natürlich ist die türkische Regierung durch die Anschläge der PKK unter großen Druck geraten. Über
100 Tote werden beklagt; Teile der Armee nutzen die
Empörung darüber gegenüber der türkischen Regierung
aus.
Lassen Sie auch mich eine Anmerkung zu der Diskussion um die acht gefangenen Soldaten machen: Es hat
mich schon sehr verwundert, dass die türkische Regierung hier zu erkennen gegeben hat, ihr wäre es fast lieber
gewesen, diese Soldaten wären gefallen. Die Türkei ist
ein NATO-Partner. Ich erwarte von NATO-Partnern,
dass sie die Werte, die unserem Bündnis zugrunde liegen, auch in Äußerungen zum Umgang mit eigenen Soldaten zu erkennen geben.
({5})
Ich sehe auch, dass es in der Türkei eine nationalistische Aufwallung gibt, die von der MHP und von Teilen
der Medien gesteuert wird. Das macht die Sache in der
Tat brisant. Natürlich stimme ich der These zu, dass die
Kurdenfrage nur politisch gelöst werden kann. Dazu gehört sicherlich auf der einen Seite, dass der Nordirak
jetzt alles unternimmt, damit die Strategie der PKK nicht
aufgeht, die am besten in einer Karikatur zusammengefasst ist, die in einer Zeitung erschienen ist: Ein türkischer Panzer wird an einem Seil in den Nordirak gezogen; an dem Seil ziehen die PKK-Kämpfer. Denn es ist
ihr Interesse, dass ein militärischer Angriff der Türkei
im Nordirak vorgenommen wird. Damit will die PKK
verloren gegangenes politisches Terrain wettmachen,
denn die AKP, die jetzige Regierungspartei, hatte bei den
Wahlen gerade auch in den Kurdengebieten Erfolg. Man
versucht jetzt, auf diese Weise verloren gegangene politische Bedeutung zurückzugewinnen.
({6})
Auf dieses Spiel sollte die türkische Regierung nicht hereinfallen. Sie sollte eine Strategie verfolgen, die darauf
abzielt, einerseits eine effektive Terrorbekämpfung zu
gewährleisten, aber andererseits nie aus dem Auge zu
verlieren, dass es darauf ankommt, die kurdische Bevölkerung weiter von der PKK zu trennen.
({7})
Das erreicht man am besten dadurch, dass man eben
nicht in den Nordirak einmarschiert; denn das würde der
PKK zweifellos neue Rekrutierungsmöglichkeiten eröffnen.
({8})
Ich will die Gelegenheit nutzen, um auf den EU-Fortschrittsbericht zu verweisen, der der Türkei erneut gravierende Versäumnisse bei der Integration und bei der
Lösung des Kurdenproblems ins Stammbuch schreibt.
Natürlich - was heißt „natürlich“? - hat die Türkei
nach wie vor ihren Minderheitenbegriff nicht verändert.
Er bleibt ein religiöser Minderheitenbegriff. Aber selbst
das sollte - wie die EU richtig ausführt - nicht davon abhalten, Sprache, Kultur, Organisations-, Meinungs- und
Religionsfreiheit sowie eine effektive Teilhabe aller Bürger in öffentlichen Angelegenheiten zu gewährleisten.
Es war auch bedenklich, dass der Hohe Kommissar
für Nationale Minderheiten der OSZE bei seinem letzten
Besuch in Ankara keine Erlaubnis erhalten hat, in den
Südosten der Türkei zu reisen.
({9})
- Lieber Kollege, ich zeige Ihnen ja nur, dass wir uns
beide Seiten kritisch anschauen, dass uns aber dabei
nicht die Maßstäbe verloren gehen, wie das bei Ihnen offensichtlich der Fall ist.
({10})
- Nein, das war bei Ihnen schon der Fall.
Es gibt Fortschritte bei der Pflege des Kurdischen in
Radio- und Fernsehprogrammen; allerdings ist die rigide
Sprachpolitik der türkischen Regierung im Kern unverändert. Es gibt nach wie vor keine Möglichkeit, im öffentlichen oder privaten Schul- oder Erziehungssystem
Kurdisch zu lernen. Auch im öffentlichen Bereich ist
jede andere Sprache als die Türkische als illegal angesehen.
Natürlich bleibt die Situation im Südosten der Türkei
ökonomisch und politisch schwierig, vor allen Dingen
deshalb, weil es kaum politische Initiativen gibt, um die
Kluft zwischen dem Südosten der Türkei und dem Rest
des Landes zu schließen.
Man muss auch darauf hinweisen, dass der berüchtigte § 301 des türkischen Strafgesetzbuches auch bei
gewaltfreien politischen Meinungsäußerungen etwa zum
Kurdenproblem angewandt wird. Umso wichtiger ist es,
dass dieser Paragraf jetzt endlich aus dem türkischen
Strafgesetzbuch verschwindet.
({11})
Die Lösungsansätze liegen, wenn man diese Mängelliste beschreibt, auf der Hand: sprachliche und kulturelle
Freiheiten, mehr kommunale Selbstverwaltung, wirtschaftliche und soziale Programme zur Entwicklung des
Südostens - das ist das, was eigentlich passieren muss.
Ich hoffe, dass die AKP-Regierung hierzu die Kraft findet. Gerade diese Regierung hat vielleicht erstmals die
Chance, diesen Aussöhnungsprozess tatsächlich einzuleiten. Sie spielt eine hervorragende Rolle im Nahostprozess. Der Besuch von Abbas und Peres gerade im Parlament in Ankara ist dafür ein Beleg. Die Türkei spielt
eine wichtige Rolle in Afghanistan, und sie ist - das will
ich hier hinzufügen - ein notwendiger Bestandteil jeder
Iran-Strategie, die wir verfolgen wollen.
({12})
Von daher ist - das möchte ich hier an die Adresse
wessen auch immer sagen - die Europaorientierung der
Türkei in beiderseitigem Interesse, im Interesse der Türkei und in unserem Interesse.
({13})
Sie hat eine Schlüsselrolle für die Energiefragen Europas inne, und deshalb muss es uns darum gehen, die
Türkei so nah wie möglich an Europa heranzuführen,
was immer dann das Ende dieses Prozesses sein mag.
Eine letzte Bemerkung anlässlich der Vorkommnisse,
die wir in Deutschland erlebt haben, als es in der Türkei
im Zusammenhang mit diesen Fragen sehr hoch herging.
Es gibt überhaupt keine, nicht die geringste Legitimation
für in Deutschland lebende Türkischstämmige oder Kurdischstämmige - oder wie immer man sich definiert -,
diesen Krieg sozusagen als Stellvertreterkrieg in
Deutschland zu führen - nicht die geringste!
({14})
Das Grundgesetz garantiert hier ein friedliches Zusammenleben aller Menschen, egal woher sie kommen
und wie sie sich sonst noch definieren mögen. Im Übrigen haben wir während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien gesehen, dass es für die Kroaten, für die Serben
und für die Bosniaken in Deutschland möglich war, hier
friedlich zusammenzuleben, obwohl ihre ethnischen
Brüder und Schwestern im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien im Krieg gegeneinander gestanden haben. Ich
erwarte, dass es keine Gesinnungsrabatte auf Straftaten
gibt und dass der Rechtsstaat mit aller gebotenen Härte
auch gegen Anwandlungen, den Konflikt aus dem Südosten der Türkei auf die deutschen Straßen zu bringen,
vorgeht und wir uns dagegen zur Wehr setzen, dass wir
aber die türkische Regierung bei ihrem Bemühen unterstützen, zu einem friedlichen Ausgleich, zu einem Aussöhnungsprozess, mit den Kurden zu kommen. Das ist
die Lösung. In diesem Sinne werden wir uns politisch
auch weiter verhalten. Der Entschließungsantrag der
Fraktion der Linken ist keine geeignete Basis dafür.
({15})
Jetzt kommt der Kollege Dr. Werner Hoyer für die
FDP-Fraktion zu Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube nicht, dass es einen einzigen Kollegen oder
eine einzige Kollegin hier im Hohen Hause gibt, der
bzw. die einem Einmarsch der Amerikaner in den Norden des Irak das Wort reden würde.
({0})
- Entschuldigung, der Türken. Das war ein Freud’scher
Versprecher. Danke für den Hinweis. Es geht darum,
dass nicht auch noch die Türken dort einmarschieren.
Das andere war schlimm genug. ({1})
Die Debatte hat jetzt ein bisschen Schieflage bekommen durch das, was der Kollege von den Kommunisten
hier eben gesagt hat. Ich finde, es ist ziemlich abenteuerlich, zu sagen: Wir fordern die PKK auf, die Waffen niederzulegen,
({2})
aber die Voraussetzung dafür ist, dass die Türken ihrerseits dieses und jenes machen.
({3})
Diese Konditionierung kann ich nicht akzeptieren.
({4})
Ich erwarte, dass die PKK die Waffen ohne Bedingung
niederlegt und sie liegen lässt. - Ich glaube, der Kollege
möchte eine Frage stellen.
Und Sie möchten diese zulassen?
Ja klar, ich habe sonst zu wenig Redezeit.
Bitte schön.
Herr Kollege Hoyer, nehmen Sie zur Kenntnis, dass
die türkische Regierung seit mehr als 23 Jahren die Kurdenfrage in der Türkei nur mit repressiven, militärischen
Mitteln angegangen ist?
({0})
- Das tut sie weiterhin, ganz aktuell. Ich weiß, wovon
ich spreche.
({1})
Solange der türkische Staat die kurdische Minderheit
wie bisher ignoriert und keine politischen Schritte einleitet, wird die PKK nicht von der Bildfläche verschwinden. Das ist das Ergebnis der türkischen Politik. Die
PKK ist ein Erzeugnis dieser Politik.
({2})
Herr Kollege, ich bin wie wahrscheinlich sehr viele
hier im Hause keineswegs unkritisch, was die Haltung
verschiedener türkischer Regierungen gegenüber den
Kurden gerade in der Vergangenheit angeht. Aber ich
muss schon feststellen, dass sich in den letzten Jahren einiges verändert hat.
({0})
Es ist nicht weitgehend genug; das füge ich hinzu. Aber
einfach zu negieren, dass sich von der Verfassungs- und
Gesetzeslage her einiges zum Besseren verändert hat,
finde ich unfair.
Unabhängig davon, wie der Prozess der Gewährung
von kultureller und sonstiger Autonomie für die kurdische Minderheit in der Türkei weitergeht, ist es doch
völlig unakzeptabel, dass ein Teil einer Minderheit zu
den Waffen greift, um seine Ansprüche durchzusetzen,
und diese Waffen auch noch außerhalb der Türkei einsetzt. Das ist ein völlig inakzeptabler Vorgang. Sie müssten Ihre Position klarstellen. Lesen Sie im Protokoll
nach, was Sie vorhin gesagt haben. Das war kein
Freud’scher Versprecher wie bei mir mit Amerikanern
und Türken; Sie haben den Verzicht der PKK auf den
Gebrauch von Waffen an bestimmte Verhaltensweisen
der türkischen Regierung gebunden. Das kann ich nicht
akzeptieren.
({1})
Wir teilen mit der Türkei und vielen anderen Staaten
in der Region das Interesse, dass die territoriale Integrität des Irak gewahrt wird. Das Problem ist aber doch,
dass die Gefahr für die territoriale Integrität des Irak gegenwärtig nicht in erster Linie von der Türkei ausgeht,
sondern von der PKK. Diese Dinge darf man nicht vermischen. Mit der Türkei steht ein Verbündeter der Bundesrepublik Deutschland vor der Situation, terroristischen Übergriffen ausgesetzt zu sein, die von dem
Territorium eines anderen Staates ihren Ausgang nehmen; das dürfen wir nicht übersehen.
Wir stehen im Übrigen vor der Gefahr, dass die PKK
ihre Aktivitäten auch hier in Deutschland forcieren wird.
Die Innenbehörden könnten uns wahrscheinlich, Herr
Staatssekretär Altmaier, einiges Beunruhigendes dazu
mitteilen. Die Vorgänge, die in verschiedenen deutschen
und anderen europäischen Städten in den letzten Wochen
stattgefunden haben, sprechen eine klare Sprache.
Ich schließe mich dem Wunsch des Kollegen Polenz
an, die Aktivitäten der PKK und den Charakter dieser
Organisation nicht zu verklären. Ich wehre mich auch
dagegen, die Umkehrung dessen vorzunehmen, was Sie
uns vorwerfen, Herr Kollege Aydin. Sie haben gesagt,
wir setzten die Kurden mit der PKK gleich.
({2})
- Dieser Vorwurf wäre vollkommen unbegründet. Sie
haben das im Übrigen vorhin so gesagt.
Umgekehrt kann man natürlich auch nicht sagen, dass
das, was die PKK tut, durch die Interessen der Kurden in
der Türkei, im Irak oder in anderen Gebieten, in denen
sie leben, zu legitimieren ist. Es ist interessant - Herr
Polenz hat darauf hingewiesen -, dass die AKP in Gebieten mit kurdischer Bevölkerungsmehrheit erstaunlich
erfolgreich ist - die Wahlergebnisse weisen darauf hin und dass die Sympathie für die PKK in den sogenannten
Migrationsstädten im Westen der Türkei und in vielen
europäischen Städten größer ist als in der Ost-Türkei.
Das ist ein Fakt, den man nachweisen kann. Das sollte
einem zu denken geben.
Wir reden hier nicht allgemein über die Rolle der Kurden in der Türkei, sondern über einen möglichen Einmarsch der Türkei in den Irak. Daher möchte ich gerne
jenseits des Aspekts der Verklärung anmerken, dass ich
dagegen bin, diese aktuelle Frage mit dem Thema einer
möglichen EU-Mitgliedschaft der Türkei in Verbindung
zu bringen. Wenn man das miteinander vermischt, führt
das zu einer unguten Diskussion in Deutschland.
Die Türkei hat nach meiner Auffassung einen berechtigten Anspruch darauf, dass ihre Partner und Verbündeten in Europa sie bei der Auseinandersetzung mit der
PKK unterstützen. Die Türkei ist gut beraten, das Problem dadurch zu entschärfen, dass sie weiter auf die kurdische Minderheit zugeht. Ich finde, es sind beachtliche
erste Schritte gemacht worden. Die Implementierung
dessen, was im Gesetzestext steht, mag manchmal zu
wünschen übrig lassen; aber es ist viel geleistet worden.
Es ist nicht Aufgabe des Deutschen Bundestages, vorzugeben, ob der nächste Schritt in einer Verfassungsrevision bestehen sollte oder ob im Rahmen der geltenden
Verfassung ein Fortschritt bei der Integration der Kurden
erzielt werden sollte.
Jenseits der Frage, was für unsere innere Sicherheit
aus diesem Konflikt resultiert - ich komme aus einer
Stadt, die von der Auseinandersetzung zwischen kurdischen Türken und türkischen Türken sehr stark geprägt
ist -, muss die Frage angesprochen werden, inwiefern
die Bundesrepublik Deutschland an den Waffenlieferungen an die PKK beteiligt ist. Hierzu liegen beunruhigende Daten vor. Im Juni dieses Jahres hat Die Welt berichtet, dass 60 Prozent der von der türkischen
Gendarmerie bei der PKK beschlagnahmten Landminen
aus Italien stammen und immerhin 6 Prozent aus
Deutschland. Das sind, wenn man das hochrechnet,
1 000 Stück. Hinzu kommt, dass 8 Prozent der beschlagnahmten Handgranaten deutscher Produktion entspringen sollen. Das sind ziemlich beunruhigende Fakten. Ich
bitte die Bundesregierung, uns über die Fakten aufzuklären und uns zu berichten, was man gegen diesen auch im
Hinblick auf das deutsch-türkische Verhältnis unerträglichen Zustand zu tun gedenkt.
({3})
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich glaube,
dass die Debatte über die Zukunft der Kurden in der Türkei wichtig ist - dies ist alle Anstrengungen wert -, aber
die Art und Weise, wie diese Diskussion heute in Schieflage geraten ist, finde ich nicht angemessen.
({4})
Die Kollegin Uta Zapf hat jetzt das Wort für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Ich brauche das, was hier gesagt wurde, nicht noch einUta Zapf
mal zu betonen: Wir alle sind beunruhigt darüber, dass
mit einem Einmarsch gedroht wird. Wir sind beunruhigt
darüber, dass 100 000 Soldaten an der irakischen Grenze
stehen. Es wird auch von bis zu 250 000 Soldaten gesprochen; die Zahlen, die in diesem Zusammenhang genannt werden, schwanken dauernd. Wir sind beunruhigt
darüber, dass die türkische Nationalversammlung dieses
militärische Vorgehen am 17. Oktober autorisiert hat.
Ich glaube, wir müssen den politischen Hintergrund
beleuchten, vor dem es zu dieser Eskalation kam, die sich
über mehrere Monate, vielleicht sogar Jahre hingezogen
hat. Man muss genau hinschauen. Es handelt sich hier um
einen Machtkampf in der Türkei. Es geht darum, die Reformpolitik von Erdogan und seiner Regierung gegen die
alten Strukturen zu verteidigen. Es geht um Privilegien
des Militärs und des Beamtentums, die angegriffen werden. Gleichzeitig sind viele Menschen verunsichert, weil
die Regierung verdächtigt wird, die Säkularisierung des
Staates schleichend durch eine Islamisierungspolitik unterlaufen zu wollen. Wenn wir in die Türkei kommen und
dort mit den Kolleginnen und Kollegen der Parteien sprechen, die immer noch an diesem kemalistischen Hintergrund festhalten, hören wir genau diese Argumente. Sie
sind ein bisschen taub gegenüber der Tatsache, dass diese
Regierung etwas geschafft hat, was bisher keine Regierung zuvor geschafft hat, nämlich endlich die Europäisierung wahr zu machen und Reformen einzuleiten.
Es wurde heute schon gesagt: Nein, wir sind nicht zufrieden. In diesem Zusammenhang ist auch der Fortschrittsbericht genannt worden. Niemand kann mit dem
Fortschrittsbericht zufrieden sein, schon gar nicht derjenige, der öfter in die Türkei reist und sieht, dass die Reformen stagnieren. Ich selber habe das erlebt. Wir haben
vor ungefähr zwei Jahren in der Türkei mit Vertretern
des Menschenrechtsvereins gesprochen, die uns gesagt
haben, dass es wunderbare Fortschritte gegeben habe,
dass sie ganz zufrieden seien, dass sozusagen etwas ausgelöst worden sei. Beim nächsten Mal hatte bereits die
erwähnte Stagnation stattgefunden, und es wurden wieder Klagen über Menschenrechtsverletzungen und über
die „alte Politik“ erhoben.
Die Menschen in der Türkei haben doch durch die
Wahlen am 22. Juli gezeigt, dass sie den bewaffneten
Kampf der PKK satt haben. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die AKP in den kurdischen Gebieten einen höheren Zuspruch bekommen hat als die kurdischen Parteien. Ihr gutes Wahlergebnis in der gesamten
Türkei hat gezeigt, dass man diese Reformpolitik
wünscht und akzeptiert.
Ich halte das, was von Vorrednern bereits gesagt
wurde, durchaus für richtig: Die PKK benutzt die Situation des politischen Machtkampfes in der Türkei, um mit
ihren Provokationen eine rückwärtsgewandte Politik anzustacheln. Es ist sehr traurig, dass viele türkische Medien dieses Spiel mitmachen und die nationalistische
Rhetorik weitertreiben. Mich als Sozialdemokratin
macht es überaus traurig, dass die CHP in genau dasselbe Horn bläst. Das tut mir weh; denn es ist meine
Schwesterpartei in der Türkei. Aber wir sind im Moment
im Umgang miteinander sprachlos, weil es dort keinen
Weg gibt.
Der Anschlag vom 21. Oktober in Hakkari mit zwölf
Toten und acht Verschleppten ist ganz eindeutig eine solche Provokation gewesen. Die PKK muss begreifen,
dass sie mit ihren Anschlägen aufhören muss. Allein in
diesem Jahr waren es mehr als 100 Anschläge, und zwar
in der gesamten Türkei. Das ist keine Harmlosigkeit, lieber Herr Aydin.
({0})
- Ja, aber Sie hätten das vielleicht einmal anführen können.
({1})
Diese Situation löst nicht nur bei uns Besorgnis aus,
sondern auch im kurdischen Teil des Irak, da die türkische Regierung jetzt alle Schuld auf die Kurden im Irak
projiziert, indem sie sagt, dass sie die PKK nicht ausreichend bekämpfen. Das haben sie in der Vergangenheit
vielleicht nicht getan, aber ich erinnere daran, dass die
PKK mit etwa 3 500 bis 3 800 Personen - die Zahlen
schwanken - in einer Ecke des Irak sitzt, die ziemlich
weit von der türkischen Grenze entfernt ist. Dort gibt es
durchaus ein gewisses Monitoring durch die kurdische
Administration und durch die USA. Leider ist dort aber
zu beobachten, dass eine Instrumentalisierung dieser
„Kämpfer“ gegenüber dem Iran stattfindet, was im Übrigen von den USA unterstützt wird. Ich bin der Meinung,
wir sollten deutlich darauf hinweisen, dass dies die
Situation insgesamt destabilisiert.
({2})
Ein weiteres Argument: Die Türkei hat 1 500 Soldaten im Nordirak stehen; das geht auf ein altes Abkommen mit Saddam Hussein zurück. Später waren sie dort
als Friedensmonitoring-Truppen. Mittlerweile sind sie
gebeten worden, sich aus dem Irak zurückzuziehen; das
haben sie nicht gemacht.
Wir beobachten auch, dass die türkischen Truppen in
schöner Regelmäßigkeit kurdische Dörfer im Nordirak
bombardieren. Die nordirakischen Kurden selber haben
mir in den letzten Gesprächen, die wir geführt haben, erklärt, dass sie das um Gottes willen nicht an die große
Glocke hängen möchten, weil sie keine Destabilisierung
der Region wollen. Die irakischen Kurden wären von einer Destabilisierung natürlich am meisten betroffen, im
Übrigen auch der Irak insgesamt. Heute war in der Zeit
zu lesen, dass sich die Situation verbessert hat. Das ist
etwas, das wir gar nicht wahrnehmen, vielleicht auch
nicht wahrzunehmen bereit sind.
Ich möchte noch auf Folgendes eingehen: Vor zwei
Tagen hat die Istanbuler Konferenz stattgefunden.
Talabani hat anlässlich dieser Konferenz zwischen den
USA, der Türkei und dem Irak erklärt, dass der Konflikt
wohl einer Lösung zugeführt würde, und zwar einer
friedlichen Lösung. Das ist etwas, was wir sehr unterstützen sollten.
({3})
Ich denke auch, dass wir das Überschwappen eines
solchen Konfliktes auf unser Land nicht akzeptieren
sollten. Seit ich im Deutschen Bundestag bin, seit 1990,
mache ich Türkei- und Kurdenpolitik. Ich habe in dieser
ganzen Zeit engen Kontakt zu den kurdischen Organisationen gehabt. Ich habe den Transformationsprozess der
demokratischen kurdischen Organisationen hier miterlebt. Ich habe mich mit ihnen in der Vergangenheit darüber gestritten, wie man mit der Türkei umgeht. Ich
habe immer gesagt: Wir müssen die Türkei in ihrem Reformprozess unterstützen - das heißt, wir müssen diesen
Prozess überhaupt erst einmal anstoßen -; es hat keinen
Sinn, dort mit Sanktionen vorzugehen. Vor etlichen Jahren haben diese kurdischen Organisationen zu mir gesagt: Uta, du hast recht. Es geht darum, die Türkei in
Europa zu integrieren, ihr diese Perspektive zu geben;
dann wird es auch zu Reformen kommen.
Ich stimme mit meinen beiden Vorrednern voll überein, die die Unterstützung des Reformprozesses gefordert haben. Wir müssen jetzt verhindern, dass Organisationen wie die Grauen Wölfe und möglicherweise
militante Organisationen der PKK hier wieder Konflikte
anstacheln. Das nützt niemandem. Das nützt nicht uns,
das nützt nicht Europa, das nützt nicht der Türkei, das
nützt auch nicht der gesamten Region.
({4})
Deshalb sollten wir alle Anstrengungen unternehmen,
einen friedlichen Prozess zu unterstützen.
Ich danke Ihnen.
({5})
Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Claudia
Roth.
({0})
Das war ja Beifall von unerwarteter Seite.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die anhaltenden Kämpfe zwischen der PKK und
der türkischen Armee machen sehr deutlich, dass die
Krise keineswegs vorbei ist. Sie zeigen, dass die drohende militärische Intervention nicht abgewandt ist. Ein
solcher Einmarsch aber wäre verhängnisvoll, weil er innerhalb der Türkei eine gewalttätige Re-Ethnisierung
und eine Konfrontation befördern würde, bei der plötzlich wieder von enormer Bedeutung wäre, ob der eine
Türke und der andere Kurde ist. Eine Folge wäre, dass
sich die Spirale der Gewalt in der türkischen Innenpolitik weiter drehen würde. Ein Einmarsch wäre verhängnisvoll, weil der einzige relativ stabile, relativ sichere
Teil des Iraks - das ist nun einmal der Nordirak - dadurch destabilisiert würde, mit nicht absehbaren, sehr
gefährlichen Folgen für eine ganze, sehr fragile Region.
Er wäre verhängnisvoll und gefährlich in den Auswirkungen auf das Verhältnis EU/Türkei. Gerade wenn man
die Rechte der Kurden stärken will, ist dieses Verhältnis
wichtig; denn der Weg der Türkei nach Europa führt
über Diyarbakir. Eines der Kopenhagener Kriterien umfasst gerade die kurdische Frage und die Rechte der Kurden in der Türkei.
Uta Zapf hat recht; man muss die Gründe für diesen
Konflikt benennen. Lieber Herr Aydin, das haben Sie
nicht getan. Zum einen gibt es die große Konfrontation
zwischen den Kräften der alten Türkei, den Nationalisten, den Chauvinisten, den Militaristen, der CHP, der
MHP und der Armee auf der einen Seite und der mit einem sehr umfangreichen Reformprogramm angetretenen
pro-europäischen AKP auf der anderen Seite. Es ist
wichtig, festzustellen, dass die AKP, die Regierungspartei und die Partei des Staatspräsidenten Gül, erdrutschartige Erfolge gerade in den kurdischen Gebieten erzielt
hat. Das macht deutlich, welche Erwartungen die Menschen dort haben.
({0})
Zum anderen - ich hätte erwartet, dass Sie diese Gründe
klar benennen - setzen die Anschläge der PKK, die unter
der Zivilbevölkerung viele Opfer gefordert haben und
bei denen in den letzten Wochen über 100 Soldaten getötet wurden, die Regierung massiv unter Zugzwang. Dieser Druck verstärkt sich täglich in der Öffentlichkeit zu
einem großen propagandistischen Sturm.
Auch ich bin über Äußerungen von Regierungsmitgliedern nach der Freilassung von acht türkischen Soldaten, die positiv zu bewerten ist, erschrocken. Die türkische Regierung darf nicht in diese Falle gehen und von
dieser Welle aus Nationalismus und Chauvinismus beeinflusst werden.
({1})
Für meine Fraktion sage ich klar und deutlich: Das
Agieren der PKK ist durch nichts, aber auch durch gar
nichts zu rechtfertigen. Ein Waffenstillstand kann nicht
an Vorbedingungen geknüpft werden. Das muss klar
sein. Ich hoffe, dass das Konsens in diesem Hause ist.
({2})
Die Kurden brauchen keine Gewalt, keine Bomben und
keinen Krieg. Sie brauchen endlich Frieden und ein
Recht auf Zukunft. Genau das fordere ich von der türkischen Regierung ein. Es darf kein Säbelrasseln und kein
Setzen auf eine militärische Lösung, die keine Lösung
sein kann, geben. Man muss mit Besonnenheit reagieren;
es ist legitim, wenn eine Regierung versucht, mit Besonnenheit terroristische Mordanschläge zu verhindern.
Claudia Roth ({3})
Ich fordere von der türkischen Regierung und von der
türkischen Politik ein, dass der Demokratisierungsprozess fortgesetzt wird und dass endlich konkrete Reformschritte zur Anerkennung der legitimen Rechte der Kurden und zur Anerkennung der kurdischen Realität
hinsichtlich der Sprache, der Bildung und der Medien
unternommen werden. Diese sehr zerstörte und unterentwickelte Region, die viele Jahre unter einem schmutzigen Krieg gelitten hat, muss wiederaufgebaut werden.
Ich fordere von der türkischen Regierung und von der
türkischen Politik ein, dass es keine Kriminalisierung
der kurdischen Partei, der DTP, gibt. Ich fordere einen
Aussöhnungsprozess, mit dem Parlamentarier wie
Ahmed Türk und Akin Birdal als Brückenbauer in diesen Prozess konstruktiv einbezogen werden. Ich fordere,
dass es umfassende Gespräche der türkischen Regierung
mit der irakischen Regierung und der kurdischen Regionalverwaltung gibt.
Ich fordere aber auch die kurdischen Verantwortlichen im Irak auf, nicht länger, wie bisher, die Augen vor
Gewaltaktionen zu verschließen, sondern ihnen tatsächlich etwas entgegenzusetzen.
({4})
Ich fordere außerdem die USA auf, die ganz offensichtliche Unterstützung für den iranischen PKK-Ableger, die
PJAK, einzustellen. Auch das bedeutet verantwortungsvolle Politik.
({5})
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Ja, ich komme zum Ende.
Was dringend gebraucht wird, ist ein politischer Prozess zwischen der Türkei und dem Nordirak. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss Ihnen sagen, dass ich
die völlige Abwesenheit deutscher Politik gerade im
Nordirak - keine konsularische Vertretung, keine Unterstützung beim wirtschaftlichen Aufbau und bei Entwicklungsprojekten zum kulturellen Aufbau, keine Unterstützung von Tausenden von Flüchtlingen - nicht verstehe.
Frau Kollegin!
Da wäre eine Stabilisierungsmaßnahme angesagt. Auf
jeden Fall wäre das glaubwürdiger als eine Politik, wie
sie jetzt schon wieder zu hören war. Sie benutzt diese
schwere Krise dazu, die grundsätzliche Ablehnung gegenüber der Türkei zu begründen.
Frau Kollegin!
Das unterstützt nicht die Reformkräfte und die demokratischen Kräfte. Eine relativierende Haltung zur Gewalt der PPK dient den Kurden ganz sicher am allerwenigsten.
({0})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/7039 mit dem
Titel „Einmarsch der Türkei in den Irak verhindern“.
Es liegt eine Erklärung zur Abstimmung nach § 31
unserer Geschäftsordnung des Kollegen Dr. Hakki
Keskin vor.1)
Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? -
Enthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt bei Zu-
stimmung der Fraktion Die Linke und Gegenstimmen
des übrigen Hauses.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b
sowie den Zusatzpunkt 4 auf:
19 a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. Juli
2007 zwischen der Europäischen Union und
den Vereinigten Staaten von Amerika über die
Verarbeitung von Fluggastdatensätzen ({0}) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an das
United States Department of Homeland Security ({1}) ({2})
- Drucksache 16/6750 Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({3})
- Drucksache 16/7144 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Beatrix Philipp
Wolfgang Gunkel
Ernst Burgbacher
Silke Stokar von Neuforn
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses ({4})
- zu dem Antrag der Abgeordneten Omid
Nouripour, Silke Stokar von Neuforn, Volker
Beck ({5}), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Europäische Datenschutzstandards bei der
Weitergabe von Fluggastdaten an die USA
sicherstellen
1) Anlage 10
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
- zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst
Burgbacher, Dr. Max Stadler, Gisela Piltz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Stärkung des Daten- und Rechtsschutzes bei
der Weitergabe von Fluggastdaten an die
USA
- Drucksachen 16/4445, 16/4577, 16/5929 Berichterstattung:
Abgeordnete Beatrix Philipp
Wolfgang Gunkel
Ernst Burgbacher
Silke Stokar von Neuforn
ZP 4 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes
- Drucksachen 16/6292, 16/6570({6}) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses ({7})
- Drucksache 16/7148 Berichterstattung:
Abgeordnete Ralf Göbel
Wolfgang Gunkel
Petra Pau
Silke Stokar von Neuforn
Zu dem Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung
zum PNR-Abkommen 2007 sowie zu dem Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes liegt
je ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Verabredung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Damit sind
Sie offensichtlich einverstanden.
Dann eröffne ich jetzt die Aussprache und gebe dem
Kollegen Parlamentarischen Staatssekretär Peter Altmaier
das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Mit dem Abschluss des Fluggastdatenabkommens zwischen der Europäischen Union und den USA
hat die Bundesregierung eine der schwierigsten, der anspruchsvollsten, aber auch der wichtigsten Aufgaben der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der transatlantischen Partnerschaft erfolgreich gelöst.
({0})
Die Aufgabe ist so wichtig und das Abkommen hat
deshalb eine so große Bedeutung, weil die Mobilität in
unserer modernen Gesellschaft, insbesondere im Bereich
des Luftverkehrs, einen überragenden Stellenwert hat.
Allein vom Flughafen Frankfurt am Main starten jeden
Tag 145 000 Passagiere, 174 Millionen im Jahr. Zwischen Europa und den USA gibt es täglich 55 000 Flugbewegungen, 20 Millionen jedes Jahr. Diese Zahl, lieber
Kollege Montag, macht deutlich, vor welch schwieriger
Aufgabe wir stehen. Einerseits ist diese Mobilität eine
Voraussetzung des Funktionierens unserer Gesellschaft,
andererseits macht sie uns anfällig für terroristische Anschläge. Jede Störung dieser Mobilität, jeder erfolgreiche Anschlag würde automatisch dazu führen, dass wir
weitreichenden Forderungen nach Kontrollen und verstärkten Sicherheitsmaßnahmen gegenüberstünden.
Wir sind in der Pflicht, die sensiblen und hochanfälligen Verkehrsinfrastrukturen wirksam zu schützen, ohne
die Mobilität der Menschen mehr zu beeinträchtigen, als
unbedingt notwendig ist. Aus diesem scheinbaren Dilemma hilft uns die moderne Informationstechnologie,
indem sie uns die Möglichkeit gibt, die Mobilität der
Menschen zu erhalten, sogar auszubauen und gleichzeitig wirksam gegen internationalen Terrorismus und Verbrechen vorzugehen. Beispiele sind das Schengener Informationssystem, das Visa-Informationssystem, das
ebenfalls unter deutscher Präsidentschaft zustande gekommen ist, das Eurodac-System für Asylbewerber, die
Diskussion über elektronische Grenzen und eben auch
und nicht zuletzt die Frage der Verwendung von Fluggastdaten, die nicht speziell zu Sicherheitszwecken erhoben werden, sondern ohnehin bei den Fluggesellschaften
vorhanden sind.
Die USA und Kanada praktizieren dies seit Jahren.
Die Europäische Kommission hat in der vergangenen
Woche einen Vorschlag für ein europäisches Fluggastdatensystem vorgelegt. Das zeigt, dass wir es hier mit einer
Entwicklung zu tun haben, die allgemein vonstatten
geht, die weltweit im Gang ist und die dazu beitragen
soll, dass Millionen von Menschen sicherer und unbeschwerter reisen können. Aber wie überall, wo Daten
ausgetauscht werden, wie überall, wo der Staat Zugriff
auf Informationen der Bürger hat, muss dies im Rahmen
von rechtsstaatlichen Strukturen geschehen, insbesondere dann, wenn diese Daten über Grenzen hinweg ausgetauscht werden. Wir brauchen Datenschutz, und wir
brauchen Rechtssicherheit für die Betroffenen.
({1})
Das war der Grund, warum die Europäische Union
und insbesondere die Bundesrepublik Deutschland von
Anfang an darauf bestanden haben, dass wir mit den
USA in einem Abkommen die damit zusammenhängenden Fragen des Datenschutzes regeln. Das alte Abkommen, das Bestand hatte, ist vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben worden, nicht etwa wegen Verstoßes
gegen Grund- oder Menschenrechte, auch nicht wegen
Verstoßes gegen Datenschutzbestimmungen, sondern
schlicht und ergreifend, weil es auf eine fehlerhafte
Rechtsgrundlage gestützt war.
Deshalb stand die deutsche EU-Präsidentschaft vor
der schwierigen Aufgabe, in Verhandlungen mit unseren
amerikanischen Partnern für ein neues Abkommen zu
sorgen und dafür zu sorgen, dass auch in Zukunft ein
Höchstmaß an Datenschutz und Rechtssicherheit gewährleistet ist. Ich sage Ihnen freimütig: Diese Aufgabe
war nicht einfach, weil die amerikanischen Partner lange
Zeit der Auffassung waren, dass es eines internationalen
Abkommens in diesem Bereich nicht bedarf und dass sie
den Austausch dieser Daten mit den Fluggesellschaften
bilateral regeln könnten und sollten. Das war unsere
Auffassung nicht.
({2})
Ich bin sehr froh und auch ein wenig stolz, dass es
nach langen zähen und schwierigen Verhandlungen gelungen ist, zu einem Ergebnis zu kommen, das von beiden Seiten getragen wird und mit dem eine Reihe wichtiger Ziele der Europäischen Union erreicht werden
konnte.
Es bleibt bei der Zweckbindung für die Nutzung der
Daten. Sensible Daten werden grundsätzlich nicht genutzt. Sie sind zu filtern und unverzüglich zu löschen,
wenn sie nicht ausnahmsweise zur Abwendung einer
Gefährdung oder schweren Beeinträchtigungen von Leben benötigt werden.
Es ist richtig, dass die Speicherdauer länger ist als
beim ursprünglichen Abkommen. Aber im Hinblick auf
die ursprünglichen Vorstellungen der USA, diese Daten
bis zu 40 Jahre speichern zu können, ist das, was wir erreicht haben, nämlich eine aktive, das heißt voll nutzbare
Speicherung für sieben Jahre und eine daran anschließende acht Jahre lang ruhende Speicherung, ein wesentlicher Fortschritt.
Wichtig ist, dass die Bürger der Europäischen Union
die gleichen Rechte wie die US-Bürger erhalten, ohne
jede Diskriminierung aufgrund von Staatsangehörigkeit
oder Wohnland. Es ist auch wichtig, dass die Fluggesellschaften nun endlich von dem sogenannten Pull-System
auf das Push-System umstellen können. Das heißt, die
Daten werden von den USA nicht einseitig abgerufen,
sondern sie werden von den Fluggesellschaften übermittelt. 13 Fluggesellschaften haben diese Umstellung bereits vorgenommen.
({3})
Die großen Fluggesellschaften sind dabei, die technischen Vorbereitungen zu treffen.
Die USA haben sich bereit erklärt, den Grundsatz der
Gegenseitigkeit voll und ganz anzuwenden. Das heißt,
wenn die Europäische Union ein ähnliches System einführen sollte, werden wir diese Daten von amerikanischer Seite selbstverständlich erhalten und auswerten
können.
Meine Damen und Herren, ich bin mir dessen bewusst, dass nicht alle Wünsche, die es im Vorfeld gegeben hat, bis ins kleinste Detail erfüllt werden konnten.
Internationale Verhandlungen haben es nun einmal so an
sich, dass zwei dazugehören, um zu einem Ergebnis zu
kommen. Ich frage Sie: Wie hätten wir uns denn verhalten sollen, nachdem wir sechs Monate intensivster Verhandlungen unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft hinter uns gebracht hatten, mit wesentlichen, substanziellen
Fortschritten, die noch im April oder Mai kaum jemand
für möglich gehalten hätte? Bereits damals gab es
Schlagzeilen in der Zeitung, dass die Verhandlungen vor
dem Scheitern stehen.
Es ist uns gelungen, etwas in der Substanz wirklich
Vorzeigbares zu erreichen. Hätten wir dann sagen sollen:
„Wir kippen nun sämtliche Verhandlungen unserer
Nachfolgepräsidentschaft vor die Füße, stehlen uns aus
der Verantwortung und tun so, als wäre nichts gewesen“? Glauben Sie, dass es dann möglich gewesen wäre,
zu einem besseren Abkommen zu gelangen? Ich glaube
dies nicht. Vor allen Dingen unsere Partner in der Europäischen Union haben dies zu keinem Zeitpunkt geglaubt. Deshalb hatten wir die Rückendeckung und die
Unterstützung aller Innen- und Justizminister der 27 EUStaaten, dieses Abkommen unter deutscher Präsidentschaft abzuschließen. Es hat in erheblicher Weise zur
Rechtssicherheit beigetragen.
Wir beraten und entscheiden heute auch über die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die die Beförderungsunternehmen dazu verpflichtet, auf Anforderung der jeweiligen nationalen Grenzschutzbehörden bei Flügen aus
Drittstaaten in die Europäische Union bestimmte Passagierdaten innerhalb der EU zu übermitteln. Dies zeigt,
dass die Praxis der USA kein isoliertes Vorgehen ist,
sondern dass wir uns die Möglichkeiten und Chancen
der modernen Informationsmedien zunutze machen
müssen.
Das Gleiche gilt für die maßvolle Verlängerung der
Speicherung der Daten von Videoaufzeichnungen der
Bundespolizei.
Alle drei Vorhaben, die wir heute verabschieden, zeigen eindeutig, dass wir einerseits die Informationstechnologien nutzen, dass wir andererseits aber auch bestrebt
sind, dies mit einem hohen Maß an Datenschutz und Sicherheit für den einzelnen Bürger zu verbinden. Ich bin
überzeugt, dass mit den drei Maßnahmen, die wir heute
verabschieden, ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung und
zum Ausbau der inneren Sicherheit in unserem Land geleistet wird.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz für die FDPFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der vorgelegte Regierungsentwurf soll der Bekämpfung
des internationalen Terrorismus und grenzüberschreitender Kriminalität dienen. Das hören wir häufiger. Ein
wichtiger Teilaspekt soll dabei jetzt der Austausch von
Daten sein, um mögliche Attentäter von Anfang an daran zu hindern, terroristische Anschläge zu begehen. Das
ist sicherlich ein Ziel, das wir alle teilen können.
Seit März 2003 verlangen die USA nun den Onlinezugriff auf den Buchungsdatensatz, den sogenannten
Passenger Name Record, PNR. Dieses Vorgehen war
von Anfang an erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Wir haben die Bundesregierung in
der Vergangenheit häufig aufgefordert, auf Augenhöhe
mit den Partnern aus den USA zu verhandeln. Mehrfach
haben wir den jetzigen Innenminister, aber auch den vorherigen aufgefordert, für einen umfassenden Datenschutz einzutreten. Herr Staatssekretär, ich gebe gerne
zu, dass es, nachdem Rot-Grün das ganze Projekt versemmelt und schon einmal zugestimmt hat, natürlich
sehr schwierig war, das Ganze zurückzuholen.
Im Ergebnis müssen wir aber leider feststellen, dass
die Verhandlungen nicht zu dem Ergebnis geführt haben,
das wir uns vorgestellt haben. Das war sicherlich auch
nicht einfach; das will ich gerne zugestehen. Ich glaube
auch, dass Sie sich Mühe gegeben haben. Aber wie heißt
es in einem Werbespot? Mühe allein genügt nicht, Herr
Altmaier.
({0})
Der jetzt zur Abstimmung vorgesehene Regierungsentwurf stellt eine wesentliche Verschlechterung im Vergleich zum Interimsabkommen vom Oktober 2006 dar,
weil die Datenschutzgarantien noch weiter gelockert
worden sind. Führen wir uns in diesem Zusammenhang
einmal vor Augen, welche Informationen diese Datensätze eigentlich enthalten. Das sind zum Beispiel Essenswünsche, Informationen - weil wir gerade an dieser
Stelle darüber reden - über Ihren Vielfliegerstatus, Gepäckinformationen, alle verfügbaren Kontaktinformationen einschließlich Zahlungs- und Abrechnungsinformationen.
({1})
Das sind sensible Daten, denen man mehr als nur das
Reiseziel entnehmen kann. Solche Daten werden richtigerweise in dieser Masse nicht einmal vom deutschen
Staat erhoben. Die Bundesregierung will aber die Übermittlung dieser Daten an die USA gestatten. Das ist aus
unserer Sicht ein Dammbruch im Datenschutzrecht in
Deutschland.
({2})
Die von Bundesinnenminister Schäuble erhobene
Forderung nach einer weitgehenden Überwachung europäischer Fluggäste hat bereits der EU-Innenkommissar
Frattini aufgenommen und letzte Woche in Brüssel der
Öffentlichkeit präsentiert. Dies zeigt natürlich auch, welche Richtung Europa einschlagen wird.
Die Übermittlung dieser riesigen Datenflut ist aus unserer Sicht ein unverhältnismäßiger Eingriff in die
Rechte der Bürger. Die festgelegte Speicherfrist ist viel
zu lang. Die vom Europäischen Datenschutzbeauftragten
geforderte Speicherdauer von dreieinhalb Jahren hat die
Bundesregierung während ihrer EU-Ratspräsidentschaft
nicht im mindestens durchsetzen können. Künftig werden die Daten sieben Jahre lang in einer aktiven Datenbank und noch einmal acht Jahre lang in einer ruhenden
Datenbank gespeichert. Es ist sehr interessant, wie das
so unterschieden wird. Insgesamt sind es also 15 Jahre.
Zum Vergleich für diejenigen, die sich nicht so gut damit
auskennen: 15 Jahre beträgt auch die Tilgungsfrist beim
Bundeszentralregister bei schweren Straftaten. Ich finde,
das ist kaum vergleichbar und macht das Problem sehr
deutlich.
({3})
Die dem Bürger als Erfolg verkaufte Reduzierung der
zu übermittelnden Datensätze ist eigentlich auch eine
Mogelpackung. Die Anzahl hat sich nur reduziert, weil
man verschiedene Dinge zusammengefasst hat, weil Datengruppen gebündelt wurden. So kann man auch etwas
als Erfolg verkaufen, was gar keiner ist.
Insgesamt werden zukünftig 34 Daten von täglich
circa 50 000 Passagieren an die USA übermittelt werden. Auf diese Weise entstehen für die Fluggesellschaften und damit auch für die Passagiere nicht unerhebliche
Kosten. Die grundsätzlichen Fragen werden von der
Bundesregierung aber gar nicht beantwortet. Welchen
Zugewinn an Sicherheit gibt es eigentlich? Welcher Beitrag wird denn eigentlich zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus geleistet? Diese Fragen muss die
Bundesregierung allein schon deshalb beantworten,
wenn sie sich dafür einsetzt, dass wir auch auf europäischer Ebene eine Regelung zur Fluggastdatenübermittlung bekommen. Wir haben eine Evaluierung der Praxis
gefordert, damit die genannten Fragen endlich geklärt
werden können.
Auch mit dem zweiten Gesetz, das uns heute vorliegt,
dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des
Bundespolizeigesetzes, sollen Fluggastdaten erhoben
werden können. Danach können auf Anordnung der
Bundespolizei personenbezogene Daten von Flugreisenden, die von außerhalb des Schengen-Gebietes nach
Deutschland kommen, erhoben und gespeichert werden.
Diese Vorabübermittlung wird Kraft und Zeit von Personal binden, das man vielleicht auch sinnvoller an den
Grenzen vor Ort einsetzen könnte. Denn wer sich in Datensätzen umschaut, der kann nicht an der Grenze kontrollieren.
Es ist auch klar, dass sich die Kosten der Luftfahrtgesellschaften für das Projekt, die Sie im Moment bei
100 000 Euro ansetzen, am Ende im Zweifel deutlich höher darstellen werden. Wir haben daher gesagt, dass Sie
eine Kompensationsregelung vorsehen müssen, wenn
Sie die Fluggesellschaften als verlängerten Arm der
Bundespolizei benutzen wollen. Eine solche haben Sie
verweigert; das halten wir aus wirtschaftlicher Sicht
nicht für richtig.
Mit der FDP ist dieses Sammeln, Horten und Weitergeben von Fluggastdaten ohne Antritt des Beweises eines echten Sicherheitsgewinns in Deutschland nicht zu
machen. Die informationelle Selbstbestimmung darf
nicht ins Hintertreffen geraten. Daher lehnen wir diese
Gesetzentwürfe ab.
Herzlichen Dank.
({4})
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. CarlChristian Dressel das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben gerade gemerkt, das Thema der Übermittlung von
Fluggastdatensätzen an die Vereinigten Staaten ist
durchaus kontrovers. Aber, Frau Piltz, lassen Sie uns
doch einmal bei der Realität bleiben. Realität ist, dass
die Fluggesellschaften nach innerstaatlichem US-amerikanischem Recht verpflichtet sind, im Einreisefall die
Datensätze an das United States Department of Homeland Security zu übermitteln. Tun sie das nicht, kommt
es nicht zur Einreise, und die Flugunternehmen geraten
in Schwierigkeiten.
Frau Piltz, wollen wir in eine Situation kommen, in
der es Probleme beim Verkehr zwischen den europäischen Mitgliedstaaten und den Vereinigten Staaten von
Amerika gibt? Wir sollten dafür sorgen, dass die bisherige Praxis vom Kopf auf die Füße gestellt wird und dass
wir die Interessen der Vereinigten Staaten in einer Art
und Weise berücksichtigen, die einen möglichst geringen
Grundrechtseingriff bei den betroffenen Bürgerinnen
und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland zur Folge
hat.
Dieser Begründungszusammenhang ist von seiner Ursache her klar. Die Übermittlung und Auswertung dient
nach dem Verständnis der Vereinigten Staaten von Amerika der Bekämpfung von Terrorismus und sonstiger
schwerer Straftaten grenzüberschreitender Art einschließlich der organisierten Kriminalität.
Wenn ich mir das Übereinkommen in seiner Gesamtheit anschaue, muss ich den Verhandlungsleitern, die mit
dem United States Department of Homeland Security
um diese Vereinbarung gerungen haben, wirklich zugestehen, dass sie nach Lage der Dinge wohl ein Optimum
erreicht haben. Das ist keine leichte Aufgabe gewesen.
Gerade aus dem hochsensiblen Bereich der Bekämpfung
des internationalen Terrorismus kennen wir alle genügend Beispiele, dass sich die Vereinigten Staaten von
Amerika nicht gerade sehr verhandlungsbereit gezeigt
haben. Insgesamt können wir mit dem Ergebnis einigermaßen - ich wiederhole: einigermaßen - zufrieden sein.
Das Abkommen garantiert eine Rechtssicherheit, die es
ohne diese Vereinbarung nicht gegeben hätte.
Das bestehende Abkommen wurde im vergangenen
Jahr nach der von Herrn Staatssekretär Altmaier bereits
erwähnten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für nichtig erklärt. Die Europäische Union rutschte
dadurch in eine defensive Rolle und musste die Initiative
ergreifen. Trotzdem gelang es, für alle Mitgliedstaaten
einen gemeinsamen Vertrag abzuschließen. Herr Staatssekretär Altmaier, Herr Staatsminister Gloser, dies ist
vor allem der deutschen Ratspräsidentschaft zu verdanken.
Vom Gesichtspunkt des Datenschutzes aus bin ich
ausgesprochen zufrieden, dass im Zusammenhang mit
der Datenübermittlung ein konkreter Zeitpunkt für die
Umstellung vom Pull-Verfahren auf das datenschutzfreundlichere Push-Verfahren festgesetzt wurde, nämlich
der 1. Januar 2008. Ich denke, das war ein gewaltiger
Schritt nach vorn. Die Datensätze werden nunmehr von
den Fluggesellschaften an die Vereinigten Staaten übermittelt und nicht selbst recherchiert. Dies war eine zentrale europäische Forderung. Die Betroffenen werden im
Hinblick auf ihre Rechtsbehelfe und Möglichkeiten USamerikanischen Staatsangehörigen gleichgestellt.
Wir geben keine offenen Bücher zur unbeschränkten
Einsicht frei. Sensible Daten wie zum Beispiel politische
Meinungen, religiöse Überzeugungen oder Daten über
die Gesundheit und Ähnliches werden nicht gespeichert,
sondern automatisch gelöscht. Nur in Ausnahmefällen
kann auf diese Daten zugegriffen werden. In solchen
Ausnahmefällen geht es um das Leben betroffener Personen oder um die Gefährdung bzw. die ernsthafte Beeinträchtigung Dritter. Damit können wir leben.
Problematisch ist freilich die festgelegte Dauer. Mir
erscheint die Dauer von 15 Jahren als sehr lang. Wir
müssen aber einmal den Ausgang der Verhandlungen mit
dem Beginn der Verhandlungen vergleichen. Wenn ich
sehe, dass die Vereinigten Staaten zunächst eine Dauer
von 40 Jahren forderten, sich dann nicht auf eine Dauer
von unter 20 Jahren festlegen wollten und dennoch
15 Jahre erreicht wurden, so kann ich mit dieser Reduzierung, die im Ergebnis unterhalb der Hälfte der Ausgangsposition liegt, durchaus zufrieden sein.
Die Verlängerung der Speicherdauer der auswertungsfähigen Daten von bisher dreieinhalb Jahren auf sieben
Jahre begrüße ich ausdrücklich nicht. In dem dazwischen
liegenden Zeitraum sind die Datensätze gewissermaßen
archiviert und nur unter zusätzlichen Datenschutzvorkehrungen zugänglich. Mir ist nicht klar, warum die USamerikanische Seite dennoch auf einer so langen Gesamtspeicherzeit beharrt.
Als zumindest mit einem gewissen Beigeschmack
versehen betrachte ich weiterhin, dass die konkreten
Vereinbarungen hinsichtlich der Datenübertragung nicht
Bestandteil des Vertrages sind, sondern in einem Briefwechsel zwischen dem United States Department of
Homeland Security und der Europäischen Kommission
festgehalten wurden; sie ergänzen den Vertrag. Dieser
Briefwechsel hat natürlich die gleiche Rechtskraft. Ich
meine aber, solch zentrale Regelungen sollten nicht auf
diese Art und Weise abgehandelt werden. So etwas gehört in das Abkommen aufgenommen.
Wenn ich mir das Abkommen unter der von mir eingangs meiner Rede gesetzten Prämisse, die Praxis vom
Kopf auf die Füße zu stellen, insgesamt ansehe, muss ich
feststellen: Schlussendlich überwiegen die positiven Aspekte die negativen. Wir kamen nicht umhin, ein Abkommen mit den USA zu schließen, und ich freue mich,
dass es ein gesamteuropäisches Abkommen ist und nicht
eines einzelner EU-Mitgliedstaaten mit den Vereinigten
Staaten. Wir müssen abwägen, ob wir das gesamte Abkommen für zustimmungsfähig erachten oder ob wir das
Abkommen ablehnen, nur weil einige Regelungen unseren europäischen Vorstellungen nicht entsprechen. Ich
sage Ihnen: Die Ablehnung wäre die schlechteste der
Möglichkeiten. Dieses Abkommen verschafft die notwendige Rechtssicherheit, die es ohne diese Grundlage
nicht geben würde.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird daher der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, den Gesetzentwurf zu dem Abkommen mit den Vereinigten Staaten
von Amerika anzunehmen, zustimmen. Ich hoffe, die
Damen und Herren der Oppositionsfraktionen überlegen
sich diesen wichtigen Schritt nochmals.
Ich danke Ihnen.
({0})
Nun hat der Kollege Jan Korte für die Fraktion Die
Linke das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zuerst das Gute: Es ist erfreulich, dass wir darüber jetzt
hier im Plenum diskutieren
({0})
und nicht, wie in der ersten Lesung, möglichst morgens
um 4 Uhr, was sicherlich kein Zufall gewesen ist.
Vielleicht noch einmal zum Verfahren: Auch die Linken hätten Ihre Anstrengungen gerne gewürdigt - wenn
ich denn Belege dafür hätte, dass es Anstrengungen in
unsere Richtung, also für mehr datenschutzrechtliche
Standards, gegeben hätte. Aber Sie waren ja nicht bereit,
den Innenausschuss bzw. den Bundestag detailliert zu informieren, wie diese Verhandlungen denn abgelaufen
sind. Sie haben auf eine Kleine Anfrage und auf unsere
Bitte hin nur mitgeteilt, dass so etwas prinzipiell nicht
üblich ist. Da Nichtwissen noch keinem genützt hat,
muss ich mich darauf konzentrieren, was als Ergebnis
vorliegt, und kann Sie an dieser Stelle leider nicht loben,
selbst wenn Sie sich in unserem Sinne eingesetzt hätten.
Es ist schon zu Recht angesprochen worden, dass es
mehrere Punkte gibt, die dieses Abkommen als nicht gut
erscheinen lassen. Es ist sogar noch schlechter als das
Interimsabkommen, das wir vorher hatten. Es ist ganz
offensichtlich - das ist der zweite Kritikpunkt -, dass
sich die USA mit ihrer ganzen Schlagkraft, die sie im
Kampf gegen den Terrorismus gezeigt haben auch bei
ihren Datenschutzstandards, die kaum vorhanden sind,
durchgesetzt haben.
Auch der dritte Kritikpunkt ist schon angesprochen
worden: eine angebliche Reduzierung der Datensätze.
Ich weiß noch, wie Minister Schäuble bei uns im Innenausschuss gesagt hat: Das entscheidende Erfolgskriterium bei diesem PNR-Abkommen ist, dass die Anzahl
der Datensätze von ehemals 34 auf 19 begrenzt worden
ist. Formal ist das ja richtig. Nur, der Witz dabei ist: Zum
Beispiel Name und Anschrift, die vorher als zwei Daten
gezählt wurden, sind jetzt zu einem Datum zusammengefasst worden. Von einer qualitativen Reduzierung der
Datensätze kann daher keine Rede sein. Real wurde ein
Datum reduziert - immerhin! -; aber von der Substanz
her ist es geblieben wie vorher.
Der vierte Kritikpunkt ist natürlich die Speicherdauer.
Sie lag vorher bei 3,5 Jahren. Jetzt ist sie faktisch auf
15 Jahre ausgedehnt worden. Ich kann nur nochmals
wiederholen, dass ich nicht weiß, was dort verhandelt
worden ist. Sie haben nur gesagt, die USA wollten
40 Jahre. Das kann ich mir gut vorstellen. Aber da ich
nicht weiß, wie die Verhandlungen abgelaufen sind,
kann ich auch nicht wissen, ob nicht vielleicht mehr
hätte herausgeholt werden können, wenn man denn gewollt hätte.
Der fünfte Punkt, den wir schwer kritisieren, betrifft
die Weitergabe an Drittstaaten. Wie das in diesem Abkommen geregelt ist, ist völlig inakzeptabel. Wir haben
in den letzten zwei, drei Jahren ja nun mehrfach Fälle erlebt - auf der ganzen Welt -, wie Leute in eine Maschinerie geraten sind und nicht mehr nachvollzogen werden
konnte, wer welche Daten wem gegeben hat und was das
an Aktionen nach sich gezogen hat. Das ist hochgradig
problematisch; das muss man zumindest einmal erwähnen.
Der sechste Punkt, den wir kritisieren, ist, dass es
ganz im Ermessen der Dienste der Vereinigten Staaten
von Amerika wie CIA, NSA und vielen anderen liegt, ob
und wann sie auf diese Daten zugreifen. Wenn man sich
die Terrorhysterie der Bush-Administration ansieht,
dann kann man sich in etwa vorstellen, in welchem Umfang diese Daten auch von den Diensten in den USA genutzt werden und welche fatalen Folgen das auch für
völlig unschuldige Leute haben kann. Auch das ist ein
Punkt, weswegen wir nicht zustimmen können.
({1})
Besonders bedenklich ist, dass im Rahmen dieser
ganzen Debatten offensichtlich schon Parallelplanungen
stattgefunden haben, das Ganze auch auf innereuropäische Flüge umzusetzen. Diese sind ja wohl schon recht
weit gediehen. Auch darüber wurden wir nicht vernünftig informiert. Auch das finde ich schade; denn wir hätten Sie gerne dabei unterstützt, dieses Ding zu verhindern oder zumindest vernünftige datenschutzrechtliche
Standards einzuhalten. Das, was Herrn Frattini vorschwebt, sind nun wirklich Orwell’sche Fantasien. Wir
fordern Sie eindeutig auf, nicht auch in dieser Frage
nachzugeben, sondern hier einen deutlichen Standpunkt
einzunehmen, mit dem Sie das verneinen.
Es ist stattdessen wichtig, dass wir bei solchen Debatten auch einmal eine wirkliche Evaluierung von Ihnen
darüber bekommen, ob das eigentlich etwas nützt. Sind
durch diese Datensammelorgien wirklich Terroristen herauszufiltern und Anschläge zu verhindern oder nicht?
Das müsste doch einmal geschehen und dem Parlament,
dem dafür zuständigen Gremium, vorgelegt werden. Das
hat es bisher noch nie gegeben, übrigens bei allen sicherJan Korte
heitspolitischen Verschärfungen der letzten Jahre nicht,
die Sie hier im Wochenrhythmus vorlegen.
Deswegen muss es darum gehen, eine Reduzierung
der Datensätze zu erreichen und - dazu fordern wir Sie
auch auf - der Totalausforschung der Flugreisenden nun auch innereuropäisch - einen Riegel vorzuschieben.
Das, was hier offensichtlich schlecht ausgehandelt
wurde, ist ein weiterer tiefer Eingriff in die Grund- und
Freiheitsrechte und wird von uns selbstverständlich abgelehnt.
Schönen Dank.
({2})
Das Wort hat der Kollege Omid Nouripour für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns
liegt jetzt ein Abkommen vor, in das wir nur einmal hineinschauen müssen, um zu sehen, dass sich zumindest
die Verhandlungsführer seitens der EU nicht wirklich
mit Ruhm bekleckert haben. Der Grund dafür ist eindeutig und auch vom Kollegen Altmaier gerade benannt
worden: Wenn man in eine Verhandlung geht und bestimmte Optionen von vornherein ausschließt, zum Beispiel eine kritische Auseinandersetzung mit den Datenschutzstandards der Vereinigten Staaten, dann kann
eigentlich auch nur ein solches Ergebnis herauskommen.
Vom Kollegen Dressel ist gerade gesagt worden, es
ginge um den Schutz der europäischen Luftfahrtgesellschaften. Ich kann nur sagen: Man sieht heutzutage in einem anderen Bereich, wie dieser Schutz aussieht. Dazu
muss man sich nur ansehen, wie die Lufthansa von Russland behandelt wird. Daran kann man erkennen, dass die
Luftfahrtgesellschaften zumindest bei der Bundesregierung nicht wirklich gut aufgehoben sind.
({0})
Die Kooperation mit den USA bei der Bekämpfung
des Terrorismus und natürlich auch in Sicherheitsfragen
ist und bleibt richtig. Die Frage ist aber, welchen Preis
wir hinsichtlich unserer eigenen Standards beim Datenschutz und bei den Bürgerrechten eigentlich bezahlen.
Der Preis, der hier bezahlt wurde, ist aus meiner Sicht
völlig inakzeptabel.
Das Dokument ist von Ignoranz gegenüber dem Datenschutz und den Datenschützern in der EU geprägt.
Nationale Datenschutzbeauftragte, das Europäische Parlament und der Europäische Datenschutzbeauftragte, sie
alle haben das Abkommen kritisiert. Aber nicht nur das:
Sie haben mit sehr konkreten und konstruktiven Verbesserungsvorschlägen auch dargelegt, wie es ginge.
Ich kann nur ein Beispiel nennen und dabei den Europäischen Datenschutzbeauftragten Peter Johan Hustinx
zitieren, der klargemacht hat, dass das Abkommen mit
Kanada, das sehr ähnlich ist, eigentlich ein sehr gutes
Beispiel ist. Er hat zwei klare Aspekte genannt: Der eine
ist eine kleinere Liste der PNR-Daten, der andere ist eine
Kontrolle für diejenigen, die Datenschutz betreiben. Beides finden wir hier nicht.
Zum ersten Punkt ist gerade gesagt worden, dass die
Liste nicht wesentlich verkürzt wurde. Zum Beispiel
wird all das, was vorher über das persönliche Umfeld
von Flugpassagieren darin stand, nun mit „Kontakte“ bezeichnet. Darunter sind ganz einfach viele Merkmale zusammengefasst worden. Die Zahl ist also nicht wirklich
substanziell verkleinert worden.
Zum zweiten Punkt. Es gibt keine effektive Datenschutzkontrolle. Wir wissen, dass es einmal im Jahr eine
Evaluation geben wird. Dazu wird es aber keine Konsultation von Datenschützern geben. Das ist einfach ein
Skandal und eine Katastrophe für den Datenschutz in
diesem Bereich.
({1})
Wofür gibt es eigentlich die entsprechenden Institutionen? Wofür gibt es die Datenschutzgruppe nach Art. 29?
Wofür gibt es Datenschutzbeauftragte? Ich weiß, dass
das auch etwas mit den Institutionen zu tun hat. Wofür
gibt es eigentlich das Europäische Parlament? So viel
Ignoranz gegenüber dem Datenschutz zeigt, dass die
Bürgerrechte gefährdet werden, dass aber auch Vertrauen verspielt wird.
Ein Filter für die Software - eigentlich ein Technikum, das kein Problem gewesen wäre, weil es dem Abkommen nicht widerspricht - ist nicht durchgesetzt worden. Ein solcher Filter hätte sichergestellt, dass die
Daten so übermittelt werden, wie es das Abkommen vorsieht. Nun gibt es noch nicht einmal eine technische Absicherung, die dafür sorgt, dass das beschlossene Abkommen eingehalten wird. Auf das Problem mit der
Datenspeicherzeit wurde bereits hingewiesen. So kann
es eigentlich nicht weitergehen, weil wir hier mit unserem Datenschutz spielen. In blindem Kopiereifer machen wir das demnächst in der Europäischen Union anscheinend nach. Mir ist noch immer nicht klar, ob es eine
Evaluation gibt. Ich habe mehrfach nachgefragt, wo ich
nachlesen kann, was die Europäische Union aus dem,
was die Amerikaner machen, lernen kann.
Wir haben den Prümer Vertrag, APIS und ein erweitertes Abkommen für Europol. Name, Geburtsdatum,
Nationalität, Passnummer, Geschlecht und biometrische
Daten werden schon jetzt erfasst. Wozu brauchen wir
dann noch ein EU-PNR? Das ist überhaupt nicht sinnvoll. Wir schaffen zunehmend mehr Datenbanken.
Gleichzeitig bauen wir Personal in den Ländern ab. Es
gibt mittlerweile nicht mehr genügend Polizistinnen und
Polizisten, die in all diesen Datenbanken nachschauen
könnten. Sie bauen nicht nur Bürgerrechte ab, sondern
schaffen auch weniger Sicherheit mit Ihrer Datensammelwut. So geht es nicht weiter.
Ihrem Gesetzentwurf können wir nicht zustimmen.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich unseren Antrag
durchzulesen. Dort steht, wie man es besser machen
kann. Sicherheit und Freiheit lassen sich durchaus miteinander vereinbaren, aber nicht mit dem vorliegenden
Abkommen.
Herzlichen Dank.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu
dem Abkommen zwischen der Europäischen Union und
den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen und deren Übermittlung
durch die Fluggesellschaften an das United States Department of Homeland Security. Der Innenausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7144, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 16/6750 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu
erheben. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf gegen die Stimmen
der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Zustimmung der
Unionsfraktion und der SPD-Fraktion angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7182. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der
Entschließungsantrag ist damit gegen die Stimmen der
Antragsteller, der Fraktion Die Linke und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 16/5929.
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4445
mit dem Titel „Europäische Datenschutzstandards bei
der Weitergabe von Fluggastdaten an die USA sicherstellen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/4577 mit dem Titel „Stärkung des Daten- und
Rechtsschutzes bei der Weitergabe von Fluggastdaten an
die USA“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 4. Abstimmung über
den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Bundespolizeigesetzes. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 16/7148, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 16/6292 und 16/6570
({0}) in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der FDPFraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7183. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenprobe! Gibt es Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist
damit abgelehnt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Britta
Haßelmann, Krista Sager, Ekin Deligöz, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Bildungspolitische Katastrophe verhindern Betreuungsgeld eine Absage erteilen
- Drucksache 16/7114 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({1})
Finanzausschuss
Haushaltsausschuss
Wir nehmen die Reden des Kollegen Thomas Bareiß
aus der Unionsfraktion, der Kollegin Marlene Rupprecht
aus der SPD-Fraktion, der Kollegin Ina Lenke aus der
FDP-Fraktion, der Kollegin Diana Golze aus der Frak-
tion Die Linke und der Kollegin Britta Haßelmann aus
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Protokoll.1)
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
Drucksache 16/7114 zu überweisen: zur federführenden
Beratung an den Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend und zur Mitberatung an den Finanz-
ausschuss und den Haushaltsausschuss. Gibt es dazu an-
derweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({2}) zu dem Antrag der Abgeordneten Laurenz Meyer ({3}), Andreas G.
Lämmel, Klaus Hofbauer, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-
ordneten Andrea Wicklein, Doris Barnett,
Engelbert Wistuba, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD
1) Anlage 12
Vizepräsidentin Petra Pau
Die wirtschaftlichen und arbeitsplatzschaffen-
den Erfolge der Gemeinschaftsaufgabe „Ver-
besserung der regionalen Wirtschaftsstruk-
tur“ nutzen - Regionales Wachstum und
Beschäftigungseffekte intensivieren
- Drucksachen 16/5607, 16/6837 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Doris Barnett
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Zimmermann, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine
Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Fördermittel Aufbau Ost in voller Höhe beibe-
halten - Geplante Kürzung der Gemein-
schaftsaufgabe von 100 Mio. Euro zurückneh-
men
- Drucksache 16/7042 -
Auch hier nehmen wir die Redebeiträge zu Protokoll.
Das betrifft den Kollegen Andreas Lämmel aus der
Unionsfraktion, die Kollegin Doris Barnett und die Kol-
legin Andrea Wicklein aus der SPD-Fraktion, die Kolle-
gin Gudrun Kopp aus der FDP-Fraktion, die Kollegin
Sabine Zimmermann aus der Fraktion Die Linke und die
Kollegin Cornelia Behm aus der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen.1)
Wir kommen damit zur Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD mit dem
Titel „Die wirtschaftlichen und arbeitsplatzschaffenden
Erfolge der Gemeinschaftsaufgabe ‚Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur‘ nutzen - Regionales
Wachstum und Beschäftigungseffekte intensivieren“.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 16/6837, den Antrag der Fraktionen der
CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/5607 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/7042 mit dem Titel „Fördermittel Aufbau Ost in voller Höhe beibehalten Geplante Kürzung der Gemeinschaftsaufgabe von
100 Mio. Euro zurücknehmen“. Wer stimmt für diesen
Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael
Link ({4}), Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Das Instrument der Wahlbeobachtungen
durch die OSZE darf nicht geschwächt wer-
den - ODIHR muss handlungsfähig und unab-
hängig bleiben
- Drucksache 16/7001 -
1) Anlage 13
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({5})
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Es gibt inzwischen eine neue Verabredung zur Rednerreihenfolge. Deshalb wird nicht der Kollege Link für
die Antragsteller als Erster sprechen, sondern es hat der
Kollege Manfred Grund für die Unionsfraktion das
Wort.
({6})
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir beraten heute aus einem sehr aktuellen Anlass einen Antrag, den die FDP nachher vorstellen wird.
Es geht um die Beibehaltung der uneingeschränkten
Wahlbeobachtung durch die OSZE, die Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.
Aktueller Anlass ist folgender: Am 2. Dezember 2007
wird es in Russland zu Wahlen zur Staatsduma kommen,
und die russische Regierung hat bis heute nicht zu erkennen gegeben, dass sie bereit ist, in Russland eine uneingeschränkte Wahlbeobachtungsmission der OSZE durchführen zu lassen.
Die Geschichte der OSZE, der Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, ist eine Erfolgsgeschichte. Sie nahm am 3. Juli 1973 mit dem
Beginn der Helsinki-Konferenz ihren Anfang. In der Abfolge dieser Konferenz haben die damaligen europäischen Staaten und die Sowjetunion gemeinsam mehrere Abkommen getroffen. Diese Abkommen waren in
der Folge sehr wichtig, insbesondere sehr wichtig für die
Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs.
Es gab insgesamt drei sogenannte Körbe. Von diesen
drei Körben hat sich der dritte Korb mit den Menschenrechten beschäftigt. Letztendlich haben die Ostblockstaaten ein Tauschgeschäft gemacht. Sie haben die Anerkennung ihrer staatlichen Souveränität und ihrer
Grenzen nach dem Zweiten Weltkrieg quasi gegen das
Zugeständnis eingetauscht, dass sie sich im Bereich der
Menschenrechte, also der Religionsfreiheit, der Pressefreiheit, der Informationsfreiheit und der Reisefreiheit,
auf Standards verpflichten, die im freien Teil Europas
schon immer gegolten haben. Diese Standards wurden
- wenn auch zunächst nur theoretisch und auf dem Papier - verpflichtend eingegangen.
Für mich, der ich in der ehemaligen DDR aufgewachsen bin, war es sehr wichtig, dass die Ostblockstaaten,
auch die DDR, verpflichtet waren, diese Standards, diese
Vereinbarung, abzudrucken. Wir konnten das nehmen
und konnten sagen: Hier steht es im Neuen Deutschland.
Ihr dürft uns nicht wegen unserer Kirchenzugehörigkeit
von der Weiterbildung, vom Studium ausschließen; ihr
dürft uns nicht verfolgen, weil wir Informationen,
Druckschriften aus dem westlichen Teil Europas besitzen oder weitergeben; und ihr dürft uns nicht an der Berliner Mauer erschießen. Das war sehr wichtig.
Von diesem Prozess des dritten Korbes ausgehend,
haben sich in den Ostblockstaaten viele Menschenrechtsorganisationen gefunden und darauf gegründet: die
Charta 77 in der ČSSR, die polnischen und sowjetischen
Menschenrechtsorganisationen und natürlich auch die
Bürgerrechtsbewegung in der damaligen DDR.
Infolge dieses KSZE-Prozesses, der seit 1995 der
OSZE-Prozess ist, kam es zu einem Wandel durch Annäherung, der letztendlich 1989 mit dem Fall der Mauer,
mit dem Fall des Eisernen Vorhangs seinen Höhepunkt
gefunden hat. Möglicherweise sind es diese durchaus
dramatischen Entwicklungen, die durch die Anerkennung der Menschenrechte und die Informationsfreiheit
eingetreten sind, die dazu beitragen, dass heute Russland
unter dem Präsidenten Putin mit diesem OSZE-Prozess
und mit den Wahlbeobachtungsmissionen, die sich darauf gründen, sehr restriktiv umgeht. Das betrifft nicht
allein Russland. 2004 haben sich in Astana die GUSStaaten mit einem Appell an die anderen Mitgliedstaaten
dieses OSZE-Prozesses - das sind 56; alle Staaten Europas, Kanada und die USA sowie ein Teil der asiatischen
Staaten - gewandt, der darauf hinausläuft, dass eine freie
und faire Berichterstattung und eine Wahlbeobachtungsmission erschwert werden.
Wir müssen ein großes Interesse daran haben, dass
Wahlbeobachtungsmissionen nicht nur jetzt bei der
Dumawahl in Russland, sondern bei allen Wahlen in den
Ländern, die OSZE-Vereinbarungen abgeschlossen und
versprochen haben, Standards einzuhalten, stattfinden
können.
({0})
Das sind wir nicht nur uns selbst und dem Wandel schuldig, den KSZE und OSZE in den ehemaligen Ostblockstaaten verursacht haben, sondern auch den Erwartungen
der Menschen in den Transformationsländern. Diese
Transformationsländer, die postkommunistischen Staaten, haben ganz unterschiedliche Erwartungen an uns. Es
besteht durchaus die Erwartung, dass wir durch Wahlbeobachtungsmissionen den Weg bestätigen, den sie in
Richtung Demokratie, Parlamentarismus und Rechtsstaatlichkeit genommen haben, was manchmal ein qualvoller Prozess für die Staaten ist, weil sie einen ganz anderen Hintergrund haben. Wer - manche von uns sind als
Wahlbeobachter unterwegs - in diesen Ländern gewesen
ist, weiß auch, dass diejenigen, die als Büroleiter in den
Wahlbüros, zu denen wir kommen, tätig sind und dort
ihre Arbeit machen, froh und dankbar sind, wenn wir
nach der Prüfung, nach dem Checken all dessen, was mit
der Wahlbeobachtungsmission zusammenhängt, sagen
können: Besser als ihr die Wahlen vorbereitet und durchgeführt habt, hätten auch wir in Deutschland es nicht
machen können. - Es ist also in vielerlei Hinsicht wichtig, dass wir in Wahlbeobachtungsmissionen unterwegs
sind. Deswegen geben wir unsere Zustimmung zu diesem Teil des Antrags der FDP.
Der Antrag beinhaltet aber eines, dem wir bzw. ich
nicht zustimmen kann. Es steht darin, dass die Bewerbung Kasachstans um den Vorsitz der OSZE in nächster
Zeit nicht von der Bundesregierung unterstützt werden
soll. Ich meine, wir sollten gerade die Bewerbung Kasachstans für den OSZE-Vorsitz unterstützen. Zum einen
wäre damit zum ersten Mal ein postkommunistisches
Transformationsland mit dem Vorsitz der OSZE beauftragt. Zum anderen würde man anerkennen, dass insbesondere Kasachstan bei der Respektierung der Menschenrechte Fortschritte gemacht hat, wenn auch nicht in
dem Maße, wie es wünschenswert wäre. Ich selbst war
am 18. August im Rahmen einer Wahlbeobachtungsmission in Astana, als das kasachische Parlament gewählt
wurde. Ich kann sagen: Für mich und viele der Wahlbeobachter - ich war mit einem Kollegen aus Österreich
unterwegs - war die Vorbereitung und die Durchführung
der Wahl in Ordnung. Das war weitestgehend frei und
fair. Das sollte man anerkennen. In diesem Prozess sollten wir ein Land wie Kasachstan unterstützen.
({1})
Ich finde, es würde Russland wesentlich schwerer fallen,
fundamentale Kritik an der OSZE und an Wahlbeobachtungsmissionen zu üben, wenn ein Land wie Kasachstan,
ein Transformationsland, mit dem temporären Vorsitz
beauftragt wird.
Ein Letztes: Es gibt den Vorwurf, dass die OSZE und
ODIHR doppelte Standards anlegen. Da müssen wir
wirklich sehr aufpassen, dass diesem Vorwurf nicht Nahrung gegeben wird. Die Standards, die in Kasachstan
gelten sollen, müssen natürlich genauso in Italien gelten.
Wenn wir wollen, dass unabhängige Wahlbeobachter in
Transformationsländern einen Zugang zu Wahllokalen
erhalten, muss dieser Zugang auch in allen anderen
OSZE-Staaten gewährleistet werden. Nur so können wir
Vertrauen in diesen Prozess schaffen und die Länder ermutigen, die sich auf dem Weg in Richtung Europa befinden. Manchmal ist dieser Weg steinig und schwierig.
Wir begrüßen die Intention, die dem Antrag der FDP
innewohnt, teilen aber auch die Sorge über eine sehr autoritäre und restriktive Entwicklung in Russland. Wir
haben die Hoffnung, dass Russland sehr bald eine Wahlbeobachtungsmission der OSZE, von ODIHR, zulässt.
Je mehr Tage vergehen, desto unwahrscheinlicher wird
es, dass das organisatorisch noch zu leisten ist. Von hier
aus appelliere ich daher an Russland, die OSZE-Verpflichtungen möglichst bald zu erfüllen.
Vielen Dank.
({2})
Nun hat der Kollege Michael Link für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen! Geehrte Kollegen! Herr Grund ist auf Kasachstan eingegangen; darauf will ich zum Schluss zu sprechen kommen. Ich
Michael Link ({0})
möchte vorweg ein paar allgemeine Bemerkungen zur
OSZE machen, die uns zur Formulierung dieses Antrags
veranlasst haben.
Die FDP legt dem Haus heute einen Antrag zum
Schutz und Ausbau der Wahlbeobachtungsinstrumente
der OSZE vor. Anlass sind die Forderungen einer Reihe
von OSZE-Mitgliedern - an der Spitze steht Russland -,
Wahlbeobachtungsmissionen der OSZE substanziell zu
erschweren. Wir meinen, es ist höchste Zeit für den Bundestag, sich wieder einmal intensiv mit dem Thema
OSZE zu befassen. Das ist ein Thema, das in der Öffentlichkeit zu Unrecht ein Schattendasein führt. Dabei ist
die OSZE die einzige gesamteuropäische Organisation
zwischenstaatlicher Art, die aktiv arbeitet, und zwar
nicht nur auf europäischer Ebene, sondern - das ist ein
oft bemühtes Bild - von Vancouver bis Wladiwostok.
Durch die aktive Mitarbeit Kanadas und der USA als
Vollmitglieder ist die OSZE ein wichtiger Teil der transatlantischen Zusammenarbeit in Ergänzung zur NATO,
zugegebenermaßen auf einem ganz anderen Gebiet, aber
auf einem sehr wichtigen.
Die OSZE hat viele Tätigkeitsbereiche. Aus unserer
Sicht ist die sogenannte humane, die menschliche Dimension der OSZE, also der Einsatz für Demokratie und
Menschenrechte, das Wichtigste. Jetzt komme ich zum
entscheidenden Teil des Antrages: Mit der Begründung
des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte - die englische Abkürzung ODIHR steht für
Office for Democratic Institutions and Human Rights wurde 1990 ein wichtiges und entscheidendes Instrument für den Aufbau demokratischer Institutionen und
für Wahlbeobachtung geschaffen. Das Instrument der
Wahlbeobachtungen, das dem institutionell und vertraglich bisher unabhängigen ODIHR mit Sitz in Warschau
zur Verfügung steht, ist eines der schärfsten Schwerter,
über das die OSZE heute verfügt. Die langfristig angelegten Wahlbeobachtermissionen der OSZE über
ODIHR leisten einen ganz entscheidenden Beitrag zum
Ansehen dieser Organisation.
Leider hat Russland seit den von Moskau aufs Heftigste kritisierten OSZE-Wahlbeobachtungen im Umfeld der Rosenrevolution in Georgien und der Orangenen
Revolution in der Ukraine nie verhehlt, dass es eine
starke und unabhängige Position der OSZE-Wahlbeobachter und des ODIHR ablehnt. Die jüngste Ankündigung des Vorsitzenden der russischen Wahlkommission,
Wladimir Tschurow, die Zahl der OSZE-Wahlbeobachter für Russland auf 50 zu begrenzen, zeigt deutlich, wie
entschlossen die Regierenden in Moskau sind, sicherzustellen, dass die internationale Gemeinschaft bei den anstehenden Dumawahlen am 2. Dezember nicht genau
hinschauen kann. Die Motivation des Machterhalts in
der gelenkten Demokratie demonstriert, wie unglaubwürdig die russische Kritik an den Wahlbeobachtermissionen der OSZE ist.
Bei diesem Vorgehen, bei der Forderung nach einer
Schwächung des ODIHR wird Russland von Kasachstan
unterstützt. Herr Grund, damit komme ich zu dem Punkt,
den Sie angesprochen haben. Kasachstan ist ein von uns
geschätzter Partner in Zentralasien. Kasachstan ist ein
Land, dessen Parlamentswahlen weder frei noch fair waren. Hier sind wir wahrscheinlich unterschiedlicher
Meinung. Aber der Abschlussbericht der OSZE-Wahlbeobachter vom 18. August 2007 - auch ich habe an der
Wahlbeobachtung teilgenommen - zeigt gerade durch
die von den OSZE-Wahlbeobachtern gewählte Terminologie deutlich, dass sich hier mitnichten eine Demokratie
um den OSZE-Vorsitz bewirbt.
Kasachstan ist ein Staat, dessen Präsidialpartei bei
dieser Wahl ein Traumergebnis von 90 Prozent für sich
reklamiert und als einzige Partei ins Parlament eingezogen ist. Kasachstan ist ein Staat, der sich nun für das
Jahr 2009 um den OSZE-Vorsitz beworben hat. Die
Bundesregierung unterstützt diese Bewerbung bisher.
Ich denke, es ist aufgrund des nicht akzeptablen Ablaufs
der kasachischen Wahlen vom August 2007 höchste
Zeit, dass die Bundesregierung diese Unterstützung
überdenkt.
({1})
Kasachstans OSZE-Vorsitz könnte nur dann eines Tages infrage kommen, wenn es sich zukünftig demokratisch entwickelt. Eine Demokratie auf dem Papier kann
und darf von Berlin keine Unterstützung für das hohe
Amt des OSZE-Vorsitzes bekommen, bei allen Anreizen, die auch ich akzeptiere und die auch wir sehen.
Aber es geht nicht um Mitgliedschaft, sondern es geht
um die bedeutende Frage des Vorsitzes in der OSZE.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang einmal daran,
wofür die OSZE steht. Herr Grund, Sie haben es mit beredten Worten selbst gesagt: Die OSZE steht für eine
lange und erfolgreiche Geschichte der Wahlbeobachtung. Häufig wird vergessen, dass alle heutigen EU-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa in den 90er-Jahren
OSZE-Beobachtermissionen hatten, die auch eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Kopenhagener
Kriterien gespielt haben, zum Beispiel gerade in den drei
baltischen Staaten. Die OSZE hat in den 90er-Jahren
eine wichtige Rolle bei der Heranführung dieser Staaten
an die EU gespielt. Übrigens spielt sie heute gerade auch
im Kosovo, in Albanien und in Mazedonien durch ihre
dortigen Missionen immer noch eine wichtige Rolle.
Vieles von dem Positiven, was wir im Kosovo, in Albanien und in Mazedonien erreicht haben - wir wissen,
dass beileibe nicht alles positiv ist -, haben wir aufgrund
der OSZE-Missionen erreicht, die oft von Deutschen geleitet werden und wurden.
Aus meiner Sicht gibt es also genügend Gründe, dass
wir das wichtige Amt des OSZE-Vorsitzes - ich wiederhole: es geht nicht um Mitgliedschaft, sondern um den
Vorsitz - nicht einer Demokratie auf dem Papier, wie es
Kasachstan zurzeit leider noch ist, übertragen.
Am 29. November 2007 steht in Madrid der nächste
Ministerrat der OSZE an. Damit, Herr Staatsminister,
kommen wir zum aktuellen Teil unseres Antrags. Der
Antrag enthält viele Punkte, die einer generellen Diskussion würdig sind. Schon Ende November steht die Entscheidung über den Vorschlag unter anderem Russlands
an, die ODIHR-Beobachtungen neu zu regeln. Dieser
konkrete Vorschlag Russlands, Armeniens, Kasachstans,
Michael Link ({2})
Kirgistans, Tadschikistans, Usbekistans und Weißrusslands, also zumindest entwicklungsbedürftiger Demokratien, darf in dieser Form nicht angenommen werden.
Würde er angenommen, dann würde das Instrument der
Wahlbeobachtung der OSZE zur Farce verkommen.
Ich komme zum Schluss. Herr Grund hat zu Recht gesagt, dass die KSZE für viele engagierte Bürgerrechtler
in der damaligen DDR ein wichtiger Punkt war, um
Hoffnung zu schöpfen und an den menschenrechtlichen
Korb der KSZE anzuknüpfen. Heute ist die OSZE für
viele Bürgerrechtler unter anderem in Usbekistan und in
Weißrussland, aber auch in Russland nicht minder wichtig. Wir sollten deshalb gemeinsam daran arbeiten, die
OSZE nicht ihres Sinns zu berauben.
Danke.
({3})
Den Beitrag der Kollegin Heike Hänsel von der Frak-
tion Die Linke nehmen wir zu Protokoll.1)
Das Wort hat der Kollege Rolf Kramer für die SPDFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Kollege Manfred Grund hat in aus meiner
Sicht richtigen Worten den Prozess der KSZE aus östli-
cher Sicht dargestellt. Wir können konstatieren, dass der
KSZE-Prozess in den 70er-Jahren zu einer Auflösung
der Blöcke beigetragen hat und letzten Endes auch zu
der Situation geführt hat, dass sich die beiden deutschen
Staaten wiedervereinigt haben und dass die Konfronta-
tion der ehemaligen Blöcke nicht mehr besteht.
Wir stehen jetzt vor der Frage, was in Zukunft mit
den verschiedenen OSZE-Aktivitäten geschehen soll.
Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik
fragte 2006: Ist die OSZE-Wahlbeobachtung ein Opfer
ihres eigenen Erfolgs?
Damals wie heute ging es darum, wie die Zukunft der
Wahlbeobachtermissionen im Rahmen der OSZE ausse-
hen soll. Eine Gruppe von Staaten um Russland forderte
damals wie auch heute, dass sich die OSZE weniger um
die Wahlbeobachtung, um die Beachtung demokrati-
scher Standards und um die Einhaltung der Menschen-
rechte kümmern sollte.
Das darf aber nicht geschehen. Notwendige Verände-
rungen und verstärkte Aktivitäten der OSZE in den Be-
reichen Sicherheit, Wirtschaft und Umweltschutz dürfen
keinesfalls zulasten der menschlichen Dimension gehen
und die Werte und Überzeugungen der OSZE schwä-
chen.
1) Anlage 14
Die OSZE hat Aufgaben wahrzunehmen, die auch
zukünftig von zentraler Bedeutung sein werden, zum
Beispiel ihre Teilnehmerstaaten immer wieder an die
eingegangenen Verpflichtungen zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte sowie Abrüstung und
Rüstungskontrolle zu erinnern und sie bei deren Umsetzung zu unterstützen. Mit ihren Wahlbeobachtungsmissionen leistet die OSZE einen entscheidenden Beitrag
zur Legitimität der Parlamente und der Regierungen ihrer Mitgliedstaaten. Wer an der Unabhängigkeit dieser
Mission rüttelt und die Wahlstandards infrage stellt, der
erschüttert aus meiner Sicht auch die Grundfesten der
OSZE.
Gerade die Entwicklung in der Ukraine im Jahre 2004
hat uns allen ganz deutlich gemacht, dass wir in Europa
und in der OSZE zu den Grundsätzen der Demokratie
stehen müssen. Wahlen dürfen nicht verfälscht werden,
und ein Ergebnis muss den Mehrheitswillen des Volkes
ehrlich zum Ausdruck bringen. Die russische Regierung
bezeichnet die Orangene Revolution in der Ukraine
demgegenüber als Beispiel dafür, wie mithilfe der OSZE
und ihrer Wahlbeobachter ein Regimewechsel initiiert
worden sei.
Richtig ist dagegen, dass diese Wahlbeobachter zahlreiche Manipulationen und Verstöße der Regierung des
damaligen Präsidenten Kutschma dokumentiert hatten
und so die Vorwürfe der Opposition glaubhaft belegen
konnten. Der schließlich korrekt verlaufene dritte Wahlgang wäre ohne die technische Unterstützung und weiterhin erfolgte Beobachtung durch die OSZE kaum möglich gewesen. In diesem Wahlgang hatte der von Moskau
unterstützte Kandidat Janukowitsch eine deutliche Niederlage gegen den heutigen Präsidenten Juschtschenko
erlitten. Ähnlich verlief aus Moskauer Sicht der Machtwechsel in Georgien, der mit Präsident Saakaschwili einen ebenfalls westlich orientierten Politiker an die Spitze
gebracht hatte.
Gleichzeitig kam der OSZE die Rolle eines Katalysators zu, als ihre Beobachter die Wahlfälschung des ehemaligen kirgisischen Präsidenten Akajew dokumentierten und so dessen Ablösung beförderten.
Alle diese Beispiele zeigen aus meiner Sicht, trotz der
vorgebrachten Kritik: Die Wahlbeobachtung der OSZE
ist ein allgemeines Gütesiegel geworden. Das beweist
nicht zuletzt das große Interesse anderer Länder in Ost
und West an ihr, so auch bei den Präsidentschaftswahlen
in Afghanistan. Hier wurden von der OSZE und dem
zuständigen, unabhängig agierenden Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte, ODIHR, in
Warschau Maßstäbe gesetzt. Deshalb sollte die Wahlbeobachtung, die die Organisation auch für die Öffentlichkeit in allen Mitgliedstaaten sichtbar macht, beibehalten
und ausgebaut werden.
Die intensive Wahlbeobachtung kann dabei als wichtiges Merkmal für die OSZE und Vorteil gegenüber anderen internationalen Akteuren begriffen werden und
sollte nicht vernachlässigt werden. Eine verstärkte Beteiligung der Parlamentarischen Versammlung kann die
Transparenz der Wahlbeobachtung durch die Organisation nur erhöhen.
Ähnliches gilt für die OSZE-Feldmissionen, die weiter ausgebaut und deren Teilnehmer noch professioneller
werden sollten.
Freie und korrekte Wahlen bilden einen der Grundpfeiler jedes demokratischen Regimes. Doch setzen sie
auch das Vorhandensein einer demokratischen Kultur
voraus. Hier muss eingeräumt werden, dass eine solche,
eben eine demokratische Kultur, aus Gründen, die im
Erbe der Vergangenheit und in Schwierigkeiten der Gegenwart liegen, in manchen Mitgliedstaaten der OSZE
noch fehlt. Aus diesem Grund ist die von der OSZE
durchgeführte Wahlbeobachtung absolut unerlässlich,
um den korrekten Ablauf der Wahlen zu gewährleisten.
({0})
Überdies wurde Anfang der 90er-Jahre beschlossen,
dass die OSZE die Transformationsstaaten beim Aufbau
demokratischer Strukturen unterstützen sollte. Diese
Aufgabe ist aus meiner Sicht weiter erforderlich. Die
OSZE kommt hier ihrer originären Aufgabe nach, die von
allen 55 OSZE-Staaten freiwillig übernommenen Verpflichtungen - hier die Achtung der Prinzipien der
Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie - zu überwachen.
Diese Tätigkeit findet auf zwei Ebenen statt. Die von
der OSZE durchgeführte Wahlbeobachtung erfolgt im
Allgemeinen gemäß einer Kooperationsvereinbarung,
die vom Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und dem amtierenden Vorsitzenden der
OSZE am 2. September 1997 unterzeichnet wurde. Die
Aufgabe der OSZE besteht darin, demokratische Wahlprozesse durch genaue Beobachtung nationaler und lokaler Wahlgänge zu fördern.
Das ODIHR muss ebenfalls Wahlhilfeprojekte durchführen, die eine echte partizipatorische Demokratie begünstigen und die Teilnehmerstaaten bei der Erfüllung
ihrer Verpflichtungen in der menschlichen Dimension
unterstützen, indem es sein Fachwissen einbringt und
praktische Unterstützung bei der Festigung der demokratischen Institutionen leistet.
Die Parlamentarische Versammlung der OSZE wird
dann im Wahlvorgang tätig, indem sie Beobachter entsendet, die überprüfen, ob die Wahlen ordnungsgemäß
ablaufen. Wichtig ist dabei, dass so bald wie möglich
nach Abschluss des Wahlganges eine Beurteilung darüber veröffentlicht wird, ob die Wahlen demokratisch
waren oder nicht.
Aus meinen bisherigen Ausführungen entnehmen Sie
sicherlich, dass der Antrag der FDP auch bei uns durchaus auf Sympathie trifft. Von den acht Forderungen, die
im zweiten Teil des Antrages an die Bundesregierung
gerichtet werden, trifft die überwiegende Zahl auf unsere
Zustimmung.
Etwas genauer hinsehen müssen wir unter anderem
bei den Forderungen nach dem Status der von der
OSZE-PV und von ODIHR eingesetzten Wahlbeobachter sowie der Stellung der Parlamentarierversammlung
innerhalb der OSZE-Organisation. Ich glaube aber, dass
wir in den Ausschussberatungen zu einem konstruktiven
Ergebnis kommen können.
Der Erhalt und der Ausbau der OSZE und ihrer Einrichtungen sind in unser aller Interesse. Es geht dabei um
die Erneuerung und um den Erhalt des bisher Erreichten.
Diese Herausforderung können wir allerdings nur gemeinsam meistern. Sie erfordert unser aller Engagement.
Herzlichen Dank.
({1})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
Kollegin Marieluise Beck das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich hätte es sehr gut gefunden, wenn diese Debatte, die
auch uns Parlamentarier und unsere Präsenz innerhalb der
OSZE betrifft, von unseren Delegationsleitern begleitet
worden wäre. Das wäre dieser Debatte angemessen und
würde zeigen, dass wir alle sehr gut beraten wären, uns
noch einmal über unser Engagement in der Parlamentarischen Versammlung zu verständigen. Diese Arbeit erledigen wir manchmal nur nebenbei. Obwohl wir alle sehr
wichtige Geschäfte zu erledigen haben, sollten wir uns
alle - ich nehme mich da gar nicht aus - darüber verständigen, dass unsere aktive Mitarbeit in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE unglaublich wichtig ist.
Das gilt besonders in dieser Zeit - das ist von der FDP in
ihrem Antrag zu Recht dokumentiert worden -, in der die
Angriffe auf die OSZE immer massiver werden.
({0})
Die Entscheidung Russlands, die Begleitung und Beobachtung der Wahlen auf diese massive Weise einzuschränken, ist einmalig in der Geschichte der OSZE. Anlässlich der Wahlen in diesem Land mit 95 000
Wahllokalen sind 70 Beobachter der OSZE von russischer Seite zugelassen. Selbst wir OSZE-Parlamentarier
können zum Teil als Wahlbeobachter nicht fungieren.
Das ist schlichtweg skandalös. Russland hat sowohl
1999 in Istanbul als auch im Dezember 2006 das Konsensprinzip anerkannt und sich verpflichtet, die Wahlbeobachtung und auch ODIHR zu stärken.
Noch eine Bemerkung zu ODIHR. Wenn Parlamentarier freitags anreisen und montags wieder fahren, können
sie Wahlbeobachtung nur oberflächlich durchführen. Die
eigentliche Arbeit wird von ODIHR geleistet. Dazu werden der freie Zugang zu Medien, der Zugang der einzelnen Parteien zu den Wahlen, die Kandidatenkür und die
Art der Auseinandersetzung über einen langen Zeitraum
überprüft. Dafür gibt es ein international anerkanntes
Benchmarking-Verfahren. Das ist die eigentliche Grundlage, auf der letztlich die Fairness und die Freiheit der
Wahlen beurteilt werden.
Marieluise Beck ({1})
Wir können beobachten, dass systematisch die Axt an
ODIHR gelegt wird, sowohl von russischer Seite, aber
auch von anderen GUS-Nachfolgestaaten. Offensichtlich
ist erkannt worden, dass faire und freie Wahlen tatsächlich dazu führen können, dass Regierungen an die Macht
gelangen, die nicht von denjenigen gewollt sind, die
glaubten, fest im Sattel zu sitzen, auch über - so will ich
in diesem Zusammenhang einmal sagen - prekäre Wahlverfahren.
Mit den Wahlen in der Ukraine und mit dem Erfolg
wirklich freier und fairer Wahlen und einem Regimewechsel dort ist offensichtlich innerhalb von GUS-Ländern und in Russland ein systematischer Versuch losgetreten worden, dieser Form von Wahlbeobachtung zu
Leibe zu rücken. Dem müssen wir uns mit aller Entschiedenheit entgegenstellen; denn sonst wird eines der
zentralen Instrumente der OSZE kaputtgemacht.
({2})
Ein kurzer Satz zu Kasachstan. Auch wir waren der
Meinung, dass es eigentlich gut ist, wenn die zentralasiatischen Länder über so einen Vorsitz eingebunden werden. Wenn sich Kasachstan aber in dieser Weise an dem
Schleifen der eigentlichen Aufgabe, nämlich Wahlbeobachtung, beteiligt, haben wir allen Grund, darüber mit
Kasachstan zu sprechen und untereinander zu beraten,
ob wir das wirklich so aufrechterhalten können. Ich
glaube, wir haben in den Ausschüssen noch einmal Gelegenheit, uns darüber auszutauschen.
Schönen Dank.
({3})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/7001 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten
Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes
- Drucksachen 16/6518, 16/6966 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses ({0})
- Drucksache 16/7152 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Frank Schäffler
Dr. Gerhard Schick
Wir nehmen die Reden der Kollegen Klaus-Peter
Flosbach für die Unionsfraktion, Dr. Hans-Ulrich Krüger
für die SPD-Fraktion, Frank Schäffler für die FDP-Frak-
tion, Axel Troost für die Fraktion Die Linke, Dr. Gerhard
Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und den
Beitrag der Parlamentarischen Staatssekretärin
Dr. Barbara Hendricks zu Protokoll.1)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/7152, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 16/6518 und 16/6966 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist
mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion
und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die
Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Nicole Maisch, Cornelia Behm, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Verbraucherfreundliche Lebensmittelkennzeichnung einführen
- Drucksache 16/6788 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({1})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Auch hier nehmen wir die Beiträge zu Protokoll. Das
betrifft die Kollegin Uda Heller für die Unionsfraktion,
die Kollegin Dr. Marlies Volkmer für die SPD-Fraktion,
den Kollegen Michael Goldmann für die FDP-Fraktion,
die Kollegin Karin Binder für die Fraktion Die Linke
und die Kollegin Ulrike Höfken für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.2)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/6788 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung des Wirtschaftsplans des
ERP-Sondervermögens für das Jahr 2008
({2})
- Drucksache 16/6565 -
1) Anlage 15
2) Anlage 16
Vizepräsidentin Petra Pau
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({3})
- Drucksache 16/7154 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Martin Zeil
Auch hier gehen die Beiträge zu Protokoll. Der Kol-
lege Hans Michelbach hat für die Unionsfraktion seine
Rede zu Protokoll gegeben, der Kollege Garrelt Duin für
die SPD-Fraktion, der Kollege Martin Zeil für die FDP-
Fraktion, der Kollege Dr. Herbert Schui für die Fraktion
Die Linke und der Kollege Hans-Josef Fell für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.1)
Wir kommen damit zur Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines ERP-
Wirtschaftsplangesetzes 2008. Der Ausschuss für Wirt-
schaft und Technologie empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 16/7154, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/6565
anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-
wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzent-
wurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetz-
entwurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion, der
SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP-Frak-
tion angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Priska
Hinz ({4}), Hans-Josef Fell, Birgitt Bender,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nanotechnologie - Forschung verstärken und
Vorsorgeprinzip anwenden
- Drucksache 16/7115 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung ({5})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Bericht der Bundesregierung zum Verände-
rungsbedarf des bestehenden Rechtsrahmens
für Anwendungen der Nanotechnologie
- Drucksache 16/6337 -
1) Anlage 17
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung ({6})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Auch hier gehen die Reden zu Protokoll. Der Kollege
Johann-Henrich Krummacher für die Unionsfraktion,
der Kollege René Röspel für die SPD-Fraktion, die Kollegin Cornelia Pieper für die FDP-Fraktion, die Kollegin
Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke und die Kollegin Priska Hinz ({7}) für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.2)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/7115 und 16/6337 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Produkte
({8})
- Drucksache 16/6651 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({9})
- Drucksache 16/7155 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Joachim Pfeiffer
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor.
Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, dass auch
die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll
gehen. Das betrifft die Redebeiträge des Kollegen
Dr. Joachim Pfeiffer für die Unionsfraktion, des Kolle-
gen Dr. Axel Berg für die SPD-Fraktion, der Kollegin
Gudrun Kopp für die FDP-Fraktion, des Kollegen Hans-
Kurt Hill für die Fraktion Die Linke und des Kollegen
Hans-Josef Fell für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen.3)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über
die umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Pro-
dukte. Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/7155, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf Drucksache 16/6651 in der Ausschussfassung anzu-
nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung bei Enthaltung
2) Anlage 18
3) Anlage 19
Vizepräsidentin Petra Pau
der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen der Unionsfraktion
und der SPD-Fraktion bei Enthaltung der FDP-Fraktion,
der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
auf Drucksache 16/7184. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist gegen die
Stimmen der Antragsteller und die Stimmen der Fraktion
Die Linke abgelehnt.
Ich rufe den Zusatzpunkt 5 auf:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur
Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 16/6543 Erste Beschlussempfehlung und erster Bericht
des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({10})
- Drucksache 16/7166 Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Herlitzius
- Bericht des Haushaltsausschusses ({11})
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7167 Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Dr. Frank Schmidt
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Anna Lührmann
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth.
({12})
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Nach Jahren und Jahrzehnten vergeblicher
Bemühungen ist es jetzt gelungen, eine für den Bund
günstige Lösung bei der Beendigung des Treuhandverhältnisses im Hinblick auf das Bergmannssiedlungsvermögen mit dem Wohnungsunternehmen THS zu erreichen. Für die Ablösung seiner Rechte erhält der Bund
insgesamt 450 Millionen Euro von der THS, die in vier
Jahresraten ab Ende 2008 bis 2011 ausgezahlt werden.
Die Bundesregierung hat sich - vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
und das Bundesministerium der Finanzen - mit dem
Wohnungsunternehmen THS durch Vergleichsvertrag
über die Beendigung des Treuhandverhältnisses und den
Ablösebetrag in Höhe von 450 Millionen Euro geeinigt.
Der Vertrag ist aber erst dann wirksam, wenn das
nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über Bergmannssiedlungen
begründete Treuhandverhältnis aufgehoben ist. Daher
wird die THS durch den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf aus der Auflistung der Treuhandstellen, die das
Bergmannssiedlungsvermögen verwalten, gestrichen
und damit aus dem Regelungsbereich des Gesetzes entlassen.
Mit dem Wirksamwerden des Vergleichs ist der Ablösebetrag zu verzinsen, und zwar mit dem Zinssatz des
Bundes für eine Laufzeit von vier Jahren. Dies sind derzeit immerhin 4 Prozent, sodass dem Bund ab dem
Wirksamwerden täglich Zinsen in Höhe von rund
50 000 Euro zufallen. Je früher das Gesetz in Kraft tritt,
desto besser für den Bund. Daher wollen wir im Bundesrat noch Ende November, spätestens aber Mitte Dezember erreichen, dass das Gesetz noch in diesem Jahr in
Kraft tritt.
Welchen Erfolg dieser Vergleich darstellt, kann man
erst ermessen, wenn man sich die komplexen und zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsgrundlagen im
Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse am Bergmannssiedlungsvermögen, das nach dem Ersten Weltkrieg zwischen 1920 und 1923 entstanden ist, vor Augen führt.
Denn die Frage, wer Eigentümer des Bergmannssiedlungsvermögens ist, ist strittig. Dazu liegen entgegengesetzte Gutachten namhafter Professoren vor.
Darüber hinaus ist auch höchst umstritten, welchen
Wert und Umfang das Bergmannssiedlungsvermögen
heute, rund 90 Jahre nach seiner Entstehung, hat, da neben der Kohleabgabe von 1920 bis 1923 in dieser langen
Zeit weitere Kapitalzuflüsse erfolgt sind, die dem Bergmannssiedlungsvermögen nicht zugerechnet werden
können. Diese Rechtsunsicherheit konnte nur durch einen Vergleich beendet werden. Auch der Versuch eines
langen und kostspieligen gerichtlichen Verfahrens wäre
letztlich nach allen Erfahrungen in einem Vergleich gemündet, aber verbunden mit erheblichen Prozesskosten.
Eine Ablösesumme von 450 Millionen Euro ist für den
Bund also ein gutes Ergebnis. Sie repräsentiert gut ein
Drittel des Unternehmenswertes. Neben dem Treuhandvermögen gibt es zwei wirtschaftliche Inhaber der
THS GmbH - das Unternehmen Evonik, vormals RAG,
sowie die Gewerkschaft IG BCE -, die diese Ablösesumme auch akzeptieren mussten. Sie haben es erst nach
komplizierten und langwierigen Verhandlungen getan.
Wir sollten das Ergebnis daher nicht infrage stellen.
In den Ausschussberatungen ist immer wieder die Befürchtung geäußert worden, dass der Bund mit dem Vergleich Wohnungsvermögen an „Heuschrecken“ verschleudern würde. Ich möchte ausdrücklich erklären:
Der Bund verkauft die Wohnungen nicht, sondern er beendet ein Treuhandverhältnis.
({0})
Eigentümer der Wohnungen sind und bleiben die
IG BCE und die ehemalige RAG.
({1})
Für die Mieter ändert sich dadurch gar nichts. Das ist
sehr wichtig, und ich habe das auch im Ausschuss klargestellt. Bindungen der sozialen Wohnraumförderung
und des Bergarbeiterwohnungsbaus, die nach 1945 entstanden sind, bleiben vollständig erhalten.
Außerdem ist ein sogenannter Besserungsschein vereinbart worden, der sicherstellt, dass der Bund bei einem
Weiterverkauf von Gesellschaftsanteilen an der THS an
einem eventuell höheren Verkaufserlös partizipiert. Der
Besserungsschein hat Gültigkeit bis 2011. Sie sehen,
dass wir auch für diesen Fall Vorsorge getroffen haben.
Zusammengefasst: Mit dem Vergleich werden ein bisher unlösbar erscheinendes Problem rechtlicher und
wirtschaftlicher Natur endlich geklärt und günstige Bedingungen für den Bund erhalten. Ich bitte Sie daher eindringlich, die gesetzlichen Bestimmungen zu schaffen,
mit denen wir dieses Problem aus Sicht des Bundes in
einer guten Art und Weise lösen können.
({2})
Für die FDP-Fraktion erhält nun der Kollege Döring
das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Staatssekretärin, wenn Sie sich so sicher sind, dass
das ein gutes Geschäft ist und dass jener Tag, an dem die
Gesetzesänderung in Kraft tritt, ein guter Tag für die
Bundesregierung und die Bundesrepublik ist, dann frage
ich mich Folgendes: Warum sind vom Tag des Abschlusses des Vergleichsvertrages bis zur Einbringung dieses
Gesetzes mehr als drei Monate vergangen? Warum
haben Sie versucht, die beiden Artikel zu den Bergmannssiedlungen und zum Bergarbeiterwohnungsbau
zusammen mit den wohngeldrechtlichen Änderungen
durchzuschieben? Und warum warten Sie vor allen Dingen nicht den Bericht des Bundesrechnungshofes ab,
der, soweit ich weiß, in 14 Tagen vorliegen wird, um
diese komplizierten Fragen zu klären?
Auch die FDP-Fraktion ist dafür, die stillen Reserven
des Treuhandsiedlungsvermögens zu heben. Da gibt es
überhaupt keinen Dissens; das habe ich auch im Ausschuss gesagt. Die Frage ist, ob der Ablösebetrag tatsächlich in einer Größenordnung vereinbart wurde, die
den Anteil der Bundesrepublik widerspiegelt.
Noch einmal: 1981 hat die Bundesrepublik Deutschland - dieser Vertrag liegt vor - eine stille Einlage in
Höhe von mehr als 50 Millionen DM zum Aufbau der
THS GmbH erbracht, die IG BCE und die RAG jeweils
3,7 Millionen DM. Mit diesem belastbaren Vermögen in
Höhe von 61 Millionen DM in der Bilanz - die Wohnungen waren nämlich unbelastet - konnte man wohnungswirtschaftlich erfolgreich arbeiten und ein großes,
bedeutendes Immobilienunternehmen aufbauen. Aus
diesem Vermögen des Bundes - Frau Roth, Sie haben
die Entstehungsgeschichte des Bergmannssiedlungsvermögens dargestellt - ist ein hochprofitabler, wertvoller
Unternehmensbereich entstanden.
Zu den Zahlen: Das Unternehmen hat ausweislich seiner Bilanz ein Grundstücksvermögen von 2,4 Milliarden
Euro. Das Unternehmen macht rund 400 Millionen Euro
Umsatz und knapp 40 Millionen Euro Gewinn pro Jahr.
({0})
Das Unternehmen hat eine Gewinnrücklage von
600 Millionen Euro. Das sind die Zahlen, über die wir
sprechen. Im Hinblick auf dieses Unternehmen geben
wir unser Sicherungsvermögen und all unsere Möglichkeiten auf.
({1})
Wir haben einmal 87 Prozent des Stammkapitals eingebracht. Deshalb haben wir in den Debatten im Haushaltsausschuss und im Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung über die Frage nachgedacht: Ist es vernünftig, sich mit einem Drittel des von der Bundesregierung festgestellten Wertes auszahlen zu lassen? Ich
finde, diese Frage ist auch um 20.30 Uhr noch berechtigt.
({2})
Da wir letztlich ein Drittel bekommen, glauben wir, die
Freien Demokraten, dass der Wunsch der Bundesregierung absolut nicht zu unterstützen ist.
Es gibt aber Unklarheiten im Hinblick auf den Wert
des Unternehmens und die Drittelregelung. Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade klargestellt, dass Gutachten
mit unterschiedlicher Aussagekraft vorliegen. Jetzt bin
ich beruhigt. Am Mittwoch haben Sie das nämlich noch
anders gesehen. Diese Gutachten möchte der Bundesrechnungshof sehen. Erst gestern ist mir gesagt worden,
dass sie dem Bundesrechnungshof vorenthalten werden;
auch das ist noch ungeklärt.
({3})
In dieser Situation sagen Sie, es sei ein guter Tag,
wenn wir heute dafür sorgen würden, dass dieses Gesetz
schnell in Kraft trete. Meinetwegen kann die Regierung
das so sehen. Das Parlament - das ist jedenfalls meine
Überzeugung und die Überzeugung der FDP-Fraktion sollte das nicht so sehen.
({4})
Eine letzte Bemerkung. Wem nützt das Ganze eigentlich? Wir vermuten - dieser Verdacht liegt nahe -, dass
mit der Ablösung unseres Anteils alle eigentumsrechtlichen Streitigkeiten beseitigt werden und IG BCE und
RAG ein hochprofitables und voller Vermögen bzw. stiller Reserven steckendes Unternehmen zu einem relativ
geringen Preis vor die Füße gelegt bekommen.
({5})
Die Union hält die Steigbügel, um die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie zu einer der wohlhabendsten, streikfähigsten und vermögendsten Gewerkschaften zu machen. Denn die Gewinnrücklage von
600 Millionen Euro, auf die wir auch verzichten, kann
jederzeit zu gleichen Teilen an RAG und IG BCE ausgezahlt und das Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote
von über 1 Milliarde Euro jederzeit zusätzlich belastet
werden. Der IG BCE wird sozusagen ein trockener
Schwamm hingelegt, der jederzeit befeuchtet und, um
mehr Liquidität zu erhalten, ausgequetscht werden kann.
Das kann man so machen. Als Regierung würde ich diesen Gedanken sogar weiterverfolgen. Man darf aber
nicht erwarten, dass das Parlament und die Opposition
im Parlament dabei mitmachen.
Ich komme zum Schluss. Wir lehnen den vorliegenden Gesetzentwurf ab, weil wir die offenen Fragen noch
hätten klären können. Wenn es Ihnen so wichtig ist, dass
dieses Gesetz in Kraft tritt, dann müssen Sie dem Bundesrechnungshof die Gutachten vorlegen und unmittelbar nach Vergleichsschluss ein Gesetzgebungsverfahren
einleiten; damit dürfen Sie nicht mehr als drei Monate
warten.
Herzlichen Dank.
({6})
Das Wort hat der Kollege Gero Storjohann für die
Unionsfraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir diskutieren heute über das Erste Gesetz zur
Änderung des Gesetzes über Bergmannssiedlungen. Ich
möchte Wiederholungen vermeiden, da die Staatssekretärin - sie ist noch kurzfristig in die Rednerliste aufgenommen worden - schon zu den grundsätzlichen
Problemstellungen Ausführungen gemacht hat. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass es im vorliegenden Fall nicht um den Verkauf von Wohnungen geht.
Es geht ausschließlich um einen Vergleichsvertrag mit
der Treuhandstelle.
Der Kollege Döring von der FDP hat hier sehr wortreich erklärt, dass er mit dem Verhandlungsergebnis
nicht zufrieden ist. Ich erinnere mich an viele ähnliche
Deals, auch in Schleswig-Holstein, bei denen wir als Opposition nie mit dem Ergebnis zufrieden waren und das
auch herausgestellt haben. Das ist auch Ihr gutes Recht.
In der Sache möchte ich aber sagen, dass der Bund
nicht Eigentümer dieser Wohnungen ist. Gesellschafter
der THS sind vielmehr je zur Hälfte die Ruhrkohle AG
und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Aufgrund der in der Vergangenheit vom Bund geleisteten Subventionen gibt es jetzt keine Wohnungsbindung mehr. Seit über 20 Jahren ist daher versucht
worden, einen Vergleich herbeizuführen. Das zeigt, wie
schwierig die Materie zu beurteilen ist.
Aufgrund des geplanten Börsenganges der
Ruhrkohle AG ist jetzt endlich eine Einigung erreicht
worden, die einen Ablösebetrag in Höhe von 450 Millionen Euro vorsieht. Hierzu hat es im Vorfeld Gutachten
gegeben. Dass es unterschiedliche Aussagen gab, ist,
glaube ich, normal. Diese Gutachten hatten einerseits
den Wert der THS zum Gegenstand; andererseits wurde
begutachtet, welcher Anteil dieses Wertes auf den in der
Vergangenheit gezahlten Subventionen beruhe.
Wie uns gestern im Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung von der Bundesregierung glaubhaft
versichert wurde, sieht die Bundesregierung den erzielten Vergleich als einen Erfolg an. Nach übereinstimmender Auffassung des Bundesfinanzministeriums und des
Bundesverkehrsministeriums ist der Vergleich eine
Chance, einen Teil der gewährten Subventionen zurückzuholen. Die Vergleichssumme - so die Bundesregierung - sei vor dem Hintergrund des Wertes der THS und
des Umfangs der gezahlten Subventionen angemessen.
Ich sagte schon, es ist schwierig, den heutigen Wert der
in der Vergangenheit gezahlten Subventionen festzustellen. Zudem sei bei weiteren Verhandlungen eine Erhöhung nicht mehr zu erwarten. Wir können gerne Wünsche äußern; aber drei Vertragspartner müssen sich hier
einigen.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung darauf aufmerksam gemacht, dass Verzögerungen bei der Umsetzung dieses Vergleichs Nachteile für den Bund nach sich
ziehen. Es ist gesagt worden, dass dem Bund täglich Zinsen in Höhe von mehr als 50 000 Euro verloren gehen
würden, wenn das Gesetz verspätet in Kraft träte.
Der Haushaltsausschuss hat nach seinen Beratungen
empfohlen, das Gesetz in der nun vorliegenden Form anzunehmen. Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag wird deshalb diesem Ersten Gesetz zur Änderung
des Gesetzes über Bergmannssiedlungen ihre Zustimmung geben.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Heidrun Bluhm für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Frau Staatssekretärin Roth, Sie haben in Ihren
Ausführungen eben noch einmal darauf hingewiesen,
dass der Bund keine Wohnungen verkauft, sondern ein
Treuhandverhältnis beendet. Wir sind uns sicher einig
darüber, dass wir über eine Wohnungsgesellschaft reden,
eine Gesellschaft also, die Wohnungen verwaltet, in die
der Bund einmal - Herr Döring hat das eben eindrucksvoll dargestellt - 87 Prozent der Eigentümeranteile eingebracht hat. Es ist auch kein Geheimnis, dass die Muttergesellschaft kurz vor dem Börsengang steht.
Wenn Sie dann darstellen, dass Sie ein Treuhandverhältnis beenden wollen, stelle ich schon einmal die Frage
- ich habe sie auch am Mittwoch im Ausschuss gestellt -:
Wem gehören denn die Wohnungen, wer steht als Eigentümer im Grundbuch? Denn Immobilien werden ja letztlich immer im Grundbuch verzeichnet, sodass man ablesen kann, wer der Eigentümer ist. Selbst wenn es sich
um eine Gesellschaft handelt, an der wir nur Gesellschafteranteile haben, sind wir durch diese Gesellschaft
anteilig Eigentümer dieser Wohnungen; so habe ich das
zumindest gelernt, als ich mich vor über 16 Jahren
selbstständig gemacht habe.
Die Bundesregierung hat dazu ihren Anteil an der
Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten, THS, abgetreten und soll nunmehr im Gegenzug 450 Millionen
Euro als Ablösebetrag bekommen. Für mich ist das ein
Immobiliengeschäft, das durch den Bund beendet wird.
Ich möchte hier vor allem für meine Fraktion zum Ausdruck bringen, dass wir Wohnungsprivatisierungen und
Börsengänge von Wohnungsunternehmen, die der öffentlichen Daseinsvorsorge widersprechen, natürlich
strikt ablehnen.
Es ist also zu befürchten, dass die sozialen Orientierungen der THS unter Druck geraten werden. Mietervereine im Ruhrgebiet wie das Mieterforum Ruhr verweisen
darauf, dass der Bergarbeiterwohnungsbau bis heute sozial gebunden ist. Kann der Schutz der Mieter und der
Siedlungen durch diese Bindungen auch nach dem Börsengang noch gewährleistet werden? Das ist ebenfalls
eine Frage, die die Linke stellt.
Meine Damen und Herren, der Deutsche Mieterbund
hat bereits im August dieses Jahres die völlige Intransparenz des Abtretungsvorganges scharf kritisiert und von
einer Nacht-und-Nebel-Aktion gesprochen. Dieser Kritik schließen wir uns an. Über die Abtretung, den Vergleichsvertrag und die Abfindung ist damals im Parlament nicht diskutiert worden. Wir sollen heute den Weg
für einen Vorgang freimachen, an dem das Parlament
bislang nicht beteiligt worden ist und der dann auch noch
in der Novelle zum Wohngeldgesetz versteckt wurde.
({0})
In der gestrigen Ausschussberatung sind dazu eine
Menge Fragen offengeblieben oder konnten gar nicht gestellt werden, da auch dieser Deal nunmehr in Eile
durchgezogen werden soll.
In der THS ist das aus Steuergeldern finanzierte sogenannte Bergmannssiedlungsvermögen enthalten. Wir,
die Linke, stellen fest:
Erstens. Es hat hinter dem Rücken des Parlaments
eine bisher unentgeltliche Eigentumsübertragung in Bezug auf 78 000 Wohnungen gegeben.
Zweitens. Dieser Tatbestand sollte mit der Novelle
zum Wohngeldgesetz - einem Artikelgesetz - klammheimlich bereinigt werden. Nur weil das Parlament diese
Novelle nicht durchgewunken hat, ist dieser Deal nun
zutage getreten.
Drittens. Der Bundesrechnungshof hat im Zuge seines
Prüfungsverfahrens Bedenken zur Höhe der Geldzahlungen geäußert.
Eigentlich kann man aus diesen Gründen nur ablehnen. Die Linke enthält sich jedoch in dieser Abstimmung
der Stimme, weil der Bund sonst gegebenenfalls Gefahr
läuft, nicht einmal mehr diese 450 Millionen Euro zu erhalten; denn das Vermögen des Bundes und damit des
Steuerzahlers ist längst weg.
Danke schön.
({1})
Das Wort hat die Kollegin Bettina Herlitzius für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und liebe Kolleginnen! Auch
wenn es der Titel des Gesetzentwurfes nicht vermuten
lässt, beschäftigen wir uns jetzt mit der Privatisierung
von öffentlichem Wohnungsvermögen. Dabei geht es
nicht um einzelne Verkäufe von Wohnungen, sondern
um ein Vermögen, das der Bund an dieser Stelle freigibt.
Still und leise und mit unzureichenden Informationen
und verwirrenden Fachauskünften in den Ausschüssen
versuchen die Koalitionspartner, diesen Verkauf von
Bergmannssiedlungen aus dem Bundesvermögen zu einem Schnäppchenpreis von 450 Millionen Euro durchzuwinken.
Ich bin zwar neu im Bundestag, aber in meiner bisherigen politischen Praxis in der Kommune ist mir so etwas noch nicht vorgekommen. Es kann doch nicht sein,
dass ein solcher Beschluss über so schlechte Vorlagen
ohne vernünftige Informationen und dann auch noch fast
ohne Debatte in einer derartigen Geschwindigkeit gefasst werden soll. Dieses Verhalten macht misstrauisch ich denke, nicht zu Unrecht, da vor allen Dingen dann,
wenn Fragen gestellt werden, immer größere Ungereimtheiten auftauchen.
Noch einmal zurück zu dem, worum es hier geht.
90 Jahre lang hat der Bund im Ruhrgebiet Siedlungen
für Bergleute gefördert. Daraus ist nach dem Krieg die
THS, die Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten,
entstanden. Mittlerweise ist aus der THS ein recht respektables Wohnungsbauunternehmen mit 80 000 Wohnungen und einem Bilanzwert im Jahre 2006 von
2,6 Milliarden Euro geworden.
Gesellschafter der THS mit jeweils hälftigem Stimmrecht sind die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie,
Energie und das Nachfolgeunternehmen der RAG, die
Evonik. Wir, der Bund, waren nett und haben einfach
nur Geld gegeben: einmal Stammkapital und dann viele
Jahre lang Geld über den Kohlepfennig, den sozialen
Wohnungsbau und diverse weitere Förderungen.
({0})
Doch leider hat wohl niemand aufgeschrieben, was
wir die ganze Zeit gezahlt haben. Das verwundert mich
etwas. Ich bin mit großen Erwartungen in den Bundestag
gegangen. Ich dachte nicht, dass so etwas passieren
kann. Aber offensichtlich hat niemand Buch darüber geführt, sodass wir heute nicht mehr wissen, welches Vermögen wir eingebracht haben. Wir können es daher auch
nicht verzinsen. Wir haben also dieser Gesellschaft Geld
gegeben und wissen nicht mehr, wie viel es ist. Wir können auch nicht mehr genau sagen, ob es uns oder anteilig
mehr den anderen gehört.
Gutachten sind erstellt worden. Die beiden vorliegenden Gutachten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das scheint wirklich schwierig zu sein. Aber auch
die Vermögensbewertung der aktuellen THS ist unklar.
Das entscheidende Gutachten liegt nicht vor; der Kollege hat es lang und breit ausgeführt. Trotzdem sollen
wir entscheiden. Das ist einfach ein Unding.
({1})
Aber die Kollegen von der Großen Koalition scheint das
nicht zu stören. Sie unterstützen dieses unseriöse Vorgehen weiter. Hier soll das Bundesvermögen zu einem
niedrigen Preis verschleudert werden. Eine Ablösesumme von 450 Millionen Euro ist offensichtlich eine
politische und keine wirtschaftliche Lösung.
Legt man die Zahlen der FDP-Kollegen zugrunde,
kann man davon ausgehen, dass der Wert der Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis von 300 Euro berechnet wird. Das ist richtig günstig; vielleicht sollten wir
uns das noch einmal überlegen. Man kann davon ausgehen, dass der tatsächliche Wert der 78 000 Wohnungen
wesentlich höher ist als der geschätzte Vermögenswert,
von dem wir nur ein Drittel bekommen. Dieser merkwürdige Vorgang kann nicht Grundlage einer vernünftigen Berechnung von Vermögensverhältnissen sein.
({2})
Seit nunmehr 20 Jahren verhandelt man; Sie haben
das eindrucksvoll dargelegt, Frau Staatssekretärin. Es
verwundert, dass man gerade jetzt, kurz vor dem Börsengang der Evonik, zu einer Einigung kommt. Der Verdacht, dass man damit das Grundkapital der RAG/Evonik noch einmal aufbessert, liegt nahe. Ich glaube, mit
dieser bösen Vermutung liegen wir nicht ganz daneben.
Ganz nebenbei werden die Wohnungen durch den Rückzug des Bundes privatisiert. Man muss das so nennen,
auch wenn es nur um den Verlust bzw. den günstigen
Verzicht auf öffentliches Eigentum geht. Zurzeit sind die
Mietverhältnisse der ehemaligen Bergarbeiter noch geschützt. Aber mit dem Börsengang der RAG wird auch
die THS unter Renditedruck kommen. Sie mögen jetzt
noch abwinken und sagen, alles sei gesichert. Aber wir
wissen, wie viele Gesellschaften sich in solchen Situationen relativ schnell verändert haben.
Die THS muss nun die 450 Millionen Euro aufbringen. Es kommt noch einiges hinzu: Steuern, Zinsen usw.
Die THS ist bisher ein sehr solide aufgestelltes Unternehmen, das relativ geringe Rücklagen gebildet und
seine Einnahmen immer recht schnell in den Wohnungsbestand investiert hat.
Kollegin Herlitzius, auch wenn Sie Ihr Manuskript
darüber halten: Das Blinklicht sagt Ihnen, wie weit Sie
über die Redezeit sind.
({0})
Ich dachte, zu so später Stunde könnte ich ein bisschen tricksen.
Wir sind nach wie vor der Meinung - deshalb stimmen
wir gegen die geplante schnelle Teilprivatisierung -, dass
Wohnungen im öffentlichen Bestand ein wichtiges Element der Stadtentwicklung und der Stadtgestaltung sind.
Auch der Bund sollte Unternehmen, die so wichtig sind
wie die THS für das Ruhrgebiet, nicht im Regen stehen
lassen.
Danke schön.
({0})
Das war die erste Rede der Kollegin Herlitzius im
Deutschen Bundestag.
({0})
Wir gratulieren Ihnen herzlich zu dieser Premiere und
wünschen Ihnen alles Gute für die Arbeit im Hohen
Hause und darüber hinaus.
({1})
Das Wort hat der Kollege Sören Bartol für die SPDFraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich wollte schon immer einmal der letzte Redner an einem anstrengenden Tag sein. Ich freue mich,
dass noch so viele gekommen sind, um mir zuzuhören.
Ich glaube, die Grunddetails, um die es geht, sind von
den verschiedenen Rednern in dieser Debatte schon dargelegt worden. Ich möchte daher auf ein paar kleinere
Punkte eingehen.
Ich kann verstehen, dass die Opposition dazu neigt,
zu skandalisieren.
({0})
Offizielle Missstände sollen aufgedeckt werden, um
der Öffentlichkeit klarzumachen: Hier ist etwas völlig
faul im Staate. Fast alle Redner von der Opposition
- nicht Frau Bluhm - haben sich darüber beschwert, dass
dieser Gesetzentwurf plötzlich über sie gekommen sei.
Jetzt muss ich Ihnen sagen - Sie sind genau wie ich Berichterstatter im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung -: Wir haben den Entwurf einer Wohnrechtsnovelle seit Monaten auf dem Tisch.
({1})
- Ja, gut, von mir aus. Den Regierungsfraktionen liegt er
schon ein bisschen länger vor. Trotzdem: Nach dem
26. September war genug Zeit, den „Skandal“ sofort zu
entdecken.
({2})
Wir haben im Ausschuss über eine Verschiebung geredet und dann gemeinsam beschlossen, dass es, weil das
Wohngeldrecht eine so wichtige Angelegenheit ist, am
12. Dezember eine Anhörung geben muss. Jetzt ist die
Frage: Wo ist der Skandal?
Wir haben dann gesagt: Weil es eine Anhörung geben
soll, wir aber aufgrund des drohenden Zinsverlustes gezwungen sind, Art. 4 und 5 der Wohnrechtsnovelle zügig
zu verabschieden, wollen wir diese Artikel aus der Novelle herauslösen. - Das ist allerdings Knall auf Fall erfolgt - das ist richtig -, damit wir möglichst schnell fertig werden und eine Verabschiedung vor Anfang
nächsten Jahres erreichen. Das ist der „Skandal“, um den
es Ihnen anscheinend geht. Eigentlich hatte jeder genug
Zeit, sich ausführlich damit auseinanderzusetzen.
Kurz zum Inhalt. Klar ist, dass wir hier etwas geschafft haben. Es geht nicht darum, den Eigentümer zu
ermitteln, sondern darum, ein Treuhandverhältnis zu beenden. Man kann jetzt skandalisieren und spekulieren,
hier würden 78 000 Wohnungen privatisiert, an Heuschrecken abgegeben.
({3})
Ich kann an dieser Stelle eigentlich nur dem letzten
Satz von Frau Bluhm zustimmen: Würden wir die Novelle nicht verabschieden, bekämen wir gar nichts, weil
es jahrelang umstritten war, ob wir überhaupt Eigentum
haben.
({4})
Es gibt dazu unterschiedliche Rechtsauffassungen. Es
ist eine schwierige Materie; denn alles liegt schon sehr
lange zurück. Es gab sehr viele unterschiedliche Förderungen. Aus meiner Sicht ist es wichtig, herauszustellen:
Hierbei geht es auch um ein starkes Stück Sozialpartnerschaft.
Die Wohnungsbaugesellschaft geht an die RAG, jetzt
Evonik, und die IG BCE. Ich glaube, es ist gut, dass sich
der Bund hier zurückzieht. Ich glaube auch, dass es gut
ist, dass der Bund, obwohl alles völlig strittig ist, noch
450 Millionen Euro herausgehandelt hat. Es ist vernünftig und auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass
wir keinen Zinsverlust in Kauf nehmen.
Es ist die Rede von Zinsen in Höhe von ungefähr
50 000 Euro pro Tag. Da lohnt es sich, zu versuchen, zügig einen Beschluss zu fassen. Frau Bluhm, die Linke
hat sich übrigens im Haushaltsausschuss unserer Meinung angeschlossen. Dort wurde mit den Stimmen der
Koalition und der Linksfraktion zugestimmt. Deswegen
hoffe ich, dass Sie Ihr Abstimmungsverhalten überdenken.
Etwas weniger Skandalisierung täte gut. Ich glaube,
die Gesellschaft ist bei den Sozialpartnern gut aufgehoben. Mit der Summe von 450 Millionen Euro fahren wir
sehr gut.
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend.
({5})
Die Rede des Kollegen Bartol war die letzte zu diesem Tagesordnungspunkt.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften. Der Ausschuss
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt unter
Nr. 1 seiner zunächst vorgelegten ersten Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7166, Art. 4 und 5 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf Drucksache 16/6543
als Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Bergmannssiedlungen in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenprobe! - Wer möchte sich enthalten? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Unionsfraktion und
der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung
der Fraktion Die Linke angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7166 empfiehlt der Ausschuss, den übrigen Teil
des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/6543 einer späteren Beschlussfassung vorzubehalten. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist damit
angenommen.
Vizepräsidentin Petra Pau
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei
Gefährdung des Kindeswohls
- Drucksache 16/6815 Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss ({0})
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Hier wurde vereinbart, die Reden zu Protokoll zu neh-
men. Wir nehmen die Beiträge der Kollegin Ute Granold
von der Unionsfraktion, der Kollegin Christine
Lambrecht von der SPD-Fraktion, der Kollegin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP-Fraktion, des
Kollegen Jörn Wunderlich von der Fraktion Die Linke,
des Kollegen Jerzy Montag von der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen und die Rede des Parlamentarischen
Staatssekretärs Alfred Hartenbach zu Protokoll. 1)
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/6815 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts ({1})
- Drucksache 16/7076 Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss ({2})
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Auch hier gehen die Reden zu Protokoll. Das betrifft
die Beiträge des Kollegen Ralf Göbel von der Unions-
fraktion, des Kollegen Siegmund Ehrmann von der SPD-
Fraktion, des Kollegen Dr. Max Stadler von der FDP-
Fraktion, der Kollegin Silke Stokar von Neuforn von der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und von Petra Pau von
der Fraktion Die Linke.2)
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/7076 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur
Änderung des Steuerberatungsgesetzes
- Drucksache 16/7077 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({3})
Rechtsausschuss
1) Anlage 20
2) Anlage 21
Auch hier wurde vereinbart, die Reden zu Protokoll
zu nehmen. Dies gilt für die Beiträge der Kollegin Antje
Tillmann von der Unionsfraktion, der Kollegin Lydia
Westrich von der SPD-Fraktion, des Kollegen Dr. Volker
Wissing von der FDP-Fraktion, der Kollegin Dr. Barbara
Höll von der Fraktion Die Linke und der Kollegin
Christine Scheel von der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.3)
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/7077 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Erhaltung der Weinbaukultur durch vernünftige Reform der EU-Weinmarktordnung
- Drucksache 16/6959 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({4})
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Dies
gilt für die Beiträge der Kollegin Julia Klöckner von der
Unionsfraktion, des Kollegen Gustav Herzog von der
SPD-Fraktion, des Kollegen Dr. Volker Wissing von der
FDP-Fraktion, der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann von
der Fraktion Die Linke und der Kollegin Ulrike Höfken
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.4)
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/6959 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Aufsichtsstruktur der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
({5})
- Drucksache 16/7078 Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss ({6})
Haushaltsausschuss
Wir nehmen die Reden des Kollegen Leo
Dautzenberg von der Unionsfraktion, des Kollegen Jörg-
Otto Spiller von der SPD-Fraktion, des Kollegen Frank
Schäffler von der FDP-Fraktion, des Kollegen Dr. Axel
Troost von der Fraktion Die Linke und des Kollegen
Dr. Gerhard Schick von der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen zu Protokoll.5)
3) Anlage 22
4) Anlage 23
5) Anlage 24
Vizepräsidentin Petra Pau
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/7078 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dorothee Bär, Wolfgang Börnsen ({7}),
Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Monika Griefahn, Jörg Tauss, Martin Dörmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Wertvolle Computerspiele fördern, Medienkompetenz stärken
- Drucksache 16/7116 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien ({8})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Auch hierzu nehmen wir die Reden zu Protokoll. Das
betrifft die Beiträge der Kollegin Dorothee Bär für die
Unionsfraktion, der Kollegin Monika Griefahn für die
SPD-Fraktion, des Kollegen Christoph Waitz für die
FDP-Fraktion, des Kollegen Dr. Lothar Bisky für die
Fraktion Die Linke und der Kollegin Grietje Bettin für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.1)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/7116 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 16. November 2007,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.