Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a bis d sowie Zu-
satzpunkt 5 auf:
31 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung
- Drucksache 16/8305 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({0})
- Drucksache 16/9469 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Joachim Pfeiffer
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Öffnung des Messwesens bei Strom und
Gas für Wettbewerb
- Drucksache 16/8306 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({1})
- Drucksache 16/9470 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Ulla Lötzer
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({2}) zu dem Antrag der Abge-
ordneten Gudrun Kopp, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Öffnung des Messwesens bei Strom und Gas
für Wettbewerb beschleunigen
- Drucksachen 16/7872, 16/9470 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Ulla Lötzer
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten HansJosef Fell, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kraft-Wärme-Kopplung entschlossen fördern
und ausbauen
- Drucksache 16/9432 ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel
Höhn, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Handeln statt Reden - Klimaschutz jetzt
- Drucksache 16/9426 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({3})
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt
es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann
ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Joachim Pfeiffer von der CDU/
CSU-Fraktion das Wort.
({4})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute wird geliefert.
({0})
- Ich hoffe, Sie haben heute Morgen schon ein Glas getrunken.
({1})
Redetext
Heute wird geliefert, und zwar der erste Teil des Integrierten Energie- und Klimapakets. Es wird heute parlamentarisch in zweiter und dritter Lesung unter Dach und
Fach gebracht. Damit wird das, was im letzten Jahr
durch unsere Bundeskanzlerin auf europäischer Ebene
begonnen worden war und auf internationaler Ebene
seine Fortsetzung fand, in Deutschland mit dem ambitioniertesten und umfangreichsten Programm zum Klimaschutz umgesetzt, das es weltweit bisher gibt.
Wir leisten damit einen Beitrag, um bis 2020 mindestens in einer Größenordnung von 220 Millionen Tonnen
CO2 einzusparen. Aber es wird nicht nur bei der CO2Einsparung das Klimaschutzziel erreicht, wir leisten
damit auch einen Beitrag zur Versorgungssicherung,
indem wir den Anteil der erneuerbaren Energien deutlich
stärken: im Bereich des Stroms auf 30 Prozent, im Bereich der Wärme auf mindestens 14 bis 15 Prozent. Auch
im Transportsektor soll der Einsatz alternativer Kraftstoffe ausgeweitet werden. Damit werden wir Deutschland von Importen fossiler Energien unabhängiger machen.
({2})
Mit diesem Programm leisten wir auch einen Beitrag
zur Wettbewerbsfähigkeit, indem wir zahlreiche Stellschrauben so ändern, dass langfristig neue Technologien
auf den Markt kommen und die erneuerbaren Energien
in ihrer gesamten Bandbreite besser in den Markt integriert werden. Letztlich werden wir auch etwas für die
Wirtschaftlichkeit, die Technologieoffenheit und die
Technologieführerschaft Deutschlands in diesem Bereich tun. Im Folgenden werde ich einige konkrete
Punkte ansprechen, die wir jetzt umsetzen.
Zur Kraft-Wärme-Kopplung, also der gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme oder auch Kühlung: Gegenüber dem Regierungsentwurf haben wir
zahlreiche Verbesserungen erreicht. Insgesamt wollen
wir den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der
Stromerzeugung von heute knapp über 10 Prozent auf
25 Prozent steigern. Dies wird uns gelingen, indem wir
zum einen die Kleinst-KWK, also in Privathaushalten
und Mehrfamilienhäusern, deutlich besser fördern, als es
ursprünglich vorgesehen war. Wir werden die KleinstKWK von der Degression ausnehmen und die Eigenstromversorgung entsprechend fördern. Das heißt, jede
Kilowattstunde Strom, die aus KWK erzeugt wird, wird
gefördert, womit wir einen Anreiz schaffen, das gesetzte
Ziel zu erreichen. Auch über die Förderdauer hinaus
wird eine Anschluss- und Abnahmepflicht bestehen bleiben. Dies führt dazu, dass derjenige, der sich mit einem
Kleinst-KWK engagiert, dauerhaft Planungssicherheit
hat und nicht zum Spielball wird.
({3})
Wir werden bei Kleinst-KWK-Anlagen wie auch bei
der KWK insgesamt Planungssicherheit schaffen, indem
wir eine Deckelung der Fördersumme in Höhe von
750 Millionen Euro pro Jahr vorsehen, damit der Verbraucher weiß, welche Mehrbelastungen maximal auf
ihn zukommen.
Wir schaffen den Spagat, die Mehrbelastung des Verbrauchers auf die 750 Millionen Euro pro Jahr zu begrenzen und gleichzeitig die angestrebten Ziele zu erreichen, indem wir einen atmenden, einen flexiblen Deckel
einführen, der aber nicht für Kleinst-KWK-Anlagen gilt.
Für diese besteht absolute Planungssicherheit. Bei der
industriellen KWK, bei der große Potenziale liegen, bleiben die Entgeltansprüche im Falle des Erreichens der
Deckelungsgrenze durch ein Notifizierungsverfahren erhalten, und das Entgelt wird dann rückwirkend gezahlt.
Wir schaffen es also, mehrere Punkte unter einen Hut
zu bringen. Damit werden wir die von uns in der KWK
angestrebten Ziele bis 2020 erreichen.
({4})
Wir werden auch in anderen Bereichen die Stellschrauben bedienen. Damit komme ich zum Mess- und
Zählerwesen. Heute ist die Stromrechnung eine Blackbox. Der Verbraucher bekommt einmal im Jahr eine Abrechnung und leistet monatliche Abschlagszahlungen. Er
kennt aber nicht seinen aktuellen Verbrauch, weder für
laufende elektrische Geräte noch für den Stand-by-Betrieb. Durch die Einführung eines intelligenten Zählerund Messwesens werden die IuK-Technologien, die im
Telekommunikationsbereich zu mehr Transparenz, Innovationen, neuen Produkte und neuen Arten von Dienstleistungen geführt haben, auch im Strombereich Einzug
halten. Durch die Visualisierung erhält der Verbraucher
bessere Informationen über sein Verbrauchsverhalten, ob
tagsüber oder nachts. Damit kann er entsprechende Maßnahmen zur Energieeinsparung treffen und sich durch
die Wahl günstiger Tarife marktgerecht verhalten.
Wir werden in diesem Bereich eine Revolution mit
neuen tageszeit- und lastabhängigen Tarifen und anderen
Neuerungen erleben, die dazu führen werden, dass die
Souveränität des Verbrauchers gestärkt wird. Im gleichen Atemzug werden wir die Energieeffizienz deutlich
erhöhen und mit neuer Technologie in diesem Bereich
Fortschritte erzielen.
({5})
Wir setzen dabei aber beim Bürger auf Freiwilligkeit,
was die Nutzung der Angebote angeht. Wir verpflichten
die Stromversorgungsunternehmen, ein Angebot zu unterbreiten. Ob der Bürger dieses Angebot annimmt,
bleibt aber ihm überlassen. Wir zwingen ihn nicht dazu.
Ich habe bereits anhand einiger Beispiele versucht, deutlich zu machen, dass dieses Angebot für den Bürger attraktiv ist. Wir wollen damit einen marktorientierten
Weg gehen. Wir werden aber auch Lenkungsanreize setzen, indem wir vorschreiben, dass in Neubauten ab 2011
nur noch diese neue Technologie zum Einsatz kommt.
Insofern werden wir Schritt für Schritt vorankommen.
Nicht nur bei der KWK und der Modernisierung des
Messwesens, sondern auch in anderen Bereichen werden
wir Fortschritte erzielen. Der Bereich erneuerbare
Wärme wird deutlich technologieoffener gestaltet, als es
ursprünglich geplant war. Warum soll nicht Biogas zum
Einsatz kommen, wenn es ebenso geeignet ist, die Klimaschutzziele zu erreichen, wie manch andere TechnoDr. Joachim Pfeiffer
logie, dabei aber viel wirtschaftlicher ist? Das sollten wir
dem Bürger überlassen.
({6})
Auch hierbei werden wir ein klares Zeichen setzen, indem wir den Anteil von Biogas in Verbindung mit der
KWK deutlich senken, und zwar von den ursprünglich
vorgesehenen über 50 Prozent auf 30 Prozent.
Auch bei den erneuerbaren Energien im Strombereich
werden wir deutlich bessere Anreize schaffen, indem wir
neben den Differenzkosten - also den Kosten, die über
die Stromkosten aus konventioneller Produktion hinausgehen - insbesondere bei der Veredelung des Stromes,
also des unsteten Stromes, oder beim Überwälzungsmechanismus zu Verbesserungen kommen.
Die Bundesnetzagentur hat uns mitgeteilt, dass fast
1 Milliarde Euro Mehrkosten für Netzentgelte auf den
Verbraucher zukommt. Durch eine intelligentere, bessere
und marktorientiertere Gestaltung mit dem Element Direktvermarktung - der Markt ist das beste virtuelle Kombikraftwerk, um die Technologie auch bei den erneuerbaren Energien zum Einsatz zu bringen, die sinnvoll und
notwendig ist - werden wir deutlich Kosten einsparen.
({7})
Last, but not least werden wir die Vergütungssätze in den
einzelnen Bereichen so justieren, dass wir unsere Ziele
bei den erneuerbaren Energien auch im Strombereich erreichen.
Der heutige Tag, an dem wir das Klimaschutzpaket
verabschieden, ist ein guter Tag nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für Deutschland und die Handlungsfähigkeit der Großen Koalition. Sie hat auch hier
bewiesen, dass sie nicht nur schöne Worte macht, sondern dann, wenn es darauf ankommt, nach hartem Ringen in der Lage ist, zu liefern. Heute wird geliefert.
Vielen Dank.
({8})
Das Wort hat die Kollegin Gudrun Kopp von der
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen!
Heute wird geliefert und - lieber Kollege Pfeiffer, ich
möchte das ergänzen - die Chaospolitik dieser Bundesregierung fortgesetzt.
({0})
Kollege Pfeiffer, diese Bundesregierung hat nicht nur
Chaos bei der Kfz-Steuerreform und der Biokraftstoffstrategie verursacht und das nach außen getragen.
Vielmehr wird sie auch mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz scheitern. Sie lassen die weiteren Belastungen der Verbraucher völlig außen vor. Effizienz bedeutet nicht nur effiziente Nutzung der Energie, sondern
auch Kosteneffizienz. Die Spirale staatlich verursachter
Belastungen der Verbraucher durch ständig steigende
Steuern und Abgaben bei den Energiepreisen drehen Sie
weiter nach oben. Es gibt kein Anzeichen für eine Entlastung der Bürger von diesen hohen Kosten.
({1})
Insofern ist das keine Strategie, auf die Sie stolz sein
können. Es ist ein schlechter Tag für die Verbraucher
und den Klimaschutz in Deutschland.
({2})
Die Kraft-Wärme-Kopplung, also die Verbindung von
Strom und Wärme bei der Nutzung, ist eine hervorragende und sehr effiziente Technik. Solche Anlagen rechnen sich und brauchen keine zusätzliche Förderung. Es
hat sich gezeigt, dass das alte Gesetz, das Sie heute fortschreiben, nicht die Wirkung erzielt hat, die Sie sich erhofft haben. Gerade einmal 10 Millionen Tonnen CO2
würden Sie bei anvisierten 20 Millionen Tonnen einsparen, und das bei einem hohen Kostenvolumen von
5,6 Milliarden Euro. Ursprünglich sollte das KraftWärme-Kopplungsgesetz 2010 auslaufen. Sie legen aber
nach. Sie verbreitern den Kreis derjenigen, die anspruchsberechtigt sind. Sie beziehen den Ausbau der
Wärmenetze ein, deckeln die Gesamtsumme auf 750 Millionen Euro und verkaufen dies als ein hervorragendes
Klimaschutzprogramm. Das kann Ihnen niemand abnehmen. Wir tun das auf gar keinen Fall.
({3})
Ich möchte herausstellen, dass Sie mit der Verlängerung der Förderungsdauer und der Verbreiterung des
Kreises der Anspruchsberechtigten mindestens weitere
8 Milliarden Euro an Fördergeldern und Überwälzungskosten zulasten der Stromkunden in Umlauf bringen.
Das ist alles andere als ein Erfolg. Ich möchte auf ein
paar Widersprüche zu sprechen kommen.
Das neue, fortgeschriebene Gesetz sieht die Anspruchsberechtigung von großen Industrieanlagen vor,
Stichwort „Prozesswärme“. Es gibt industrielle Anlagen,
in denen Prozesswärme entsteht und quasi als Abfallprodukt ganz nebenbei Strom erzeugt wird. Sie fördern sogar die Stromlieferung, die ohnehin da ist und die ohnehin ins Netz eingespeist und vergütet wird. Sie sehen
schon an diesem Beispiel, dass es eine Menge von Mitnahmeeffekten zulasten der Verbraucher gibt.
Ich nenne als weiteres Beispiel die Solarthermie. Sie
fördern auf der einen Seite die Solarthermie im Rahmen
des Wärmegesetzes, zu dem wir nachher noch kommen,
also die dezentrale, punktgenaue Versorgung der Verbraucher mit Wärme, setzen aber auf der anderen Seite
mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz einen Kontrapunkt zu dezentraler Wärmezufuhr und dem Anschluss
der Verbraucher. Das sind in sich widersprüchliche Anreizsignale. Sie setzen auf der einen Seite das Signal, in
den Haushalten dezentrale Anlagen zur Wärmeerzeugung zu installieren, auf der anderen Seite setzen Sie mit
dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz einen Kontra17716
punkt. Das ist nicht mit den Zielen zu vereinbaren, die
wir für richtig halten.
({4})
Bei der Anhörung haben alle Sachverständigen dargestellt, dass die von Ihnen genannte Deckelung von
750 Millionen Euro nicht ausreichen wird, um das, was
Sie wollen, zu erreichen. Im Gesetz steht, dass 25 Prozent der Stromproduktion aus Kraft-Wärme-KopplungsAnlagen stammen soll, koste es, was es wolle. Die Sachverständigen sagten, dass man das so machen könne,
aber der Betrag dafür nicht reichen werde. Warten wir
einmal ab, was Sie im Laufe des Verfahrens noch oben
drauflegen werden! Sie setzen mit diesem Gesetz die falschen Signale, Sie erlegen den Verbrauchern höhere
Kosten auf, aber Sie sorgen nicht für eine höhere Effizienz. Schauen Sie sich an, wie hoch die Strompreise im
Augenblick sind! Kraft-Wärme-Kopplung würde sich in
den allermeisten Fällen rechnen. Sie fördern heute auch
die Anlagen, von denen wir bisher zu Recht angenommen haben, dass sie sich ohnehin rechnen. Das ist wirklich nicht zielführend.
({5})
Bei allen Podiumsdiskussionen, die wir zu diesem
Thema hatten, haben die Lobbyisten eine hervorragende
Arbeit geleistet. Ich habe immer wieder wahrgenommen,
wie sehr die Abgeordneten bedrängt wurden, noch mehr
zu fördern, die Fördersumme zu erhöhen oder die Förderzeit zu verlängern, damit sich die Investitionen lohnen. Anderenfalls werde man keine Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen bauen. Schauen wir uns die Politik der
Grünen oder gar der Linken an! Sie wollen keinerlei Deckelung, sondern alles finanzieren. Das ist eine Politik
zulasten der Stromkunden, eine Politik, die Dauersubventionen befördert und keine Entlastung bringt.
({6})
Es liegt heute ein weiterer Antrag vor, und zwar zur
Marktöffnung beim Mess- und Zählwesen. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bundesregierung bei Neubauten künftig die Pflicht zum Einbau von neuen Messgeräten vorsieht, die auch fernablesbar sind. Das bringt eine
Menge Erleichterung. Aber wir glauben, dass Sie auch
bei der Markteinführung der neuen Geräte scheitern werden. Wir müssen es hinbekommen, dass die Basistechnik
flächendeckend in Deutschland installiert werden kann.
Der Wettbewerb muss sich auf die intelligente Technologie, den Chip, konzentrieren, die bei dem Stromzähler
eingesetzt wird. An dieser Stelle ist Wettbewerb angebracht. In Holland und Großbritannien war jedoch die
Markteinführung nicht zufriedenstellend. Es wurden
ganz unterschiedliche Stromzähler und Techniken eingeführt, die nicht miteinander kombinierbar waren. Die
Verbraucher konnten die Einzelverbräuche nicht ablesen, wie es eigentlich nötig gewesen wäre. Sie hatten außerdem hohe Kosten. Noch wichtiger: Was machen eigentlich die Verbraucher, die sich unterschiedliche
Stromzähler kaufen und einbauen lassen, wenn sie den
Stromanbieter wechseln wollen? Man hat dann große
Schwierigkeiten, den Wechsel zu bewerkstelligen. Das
kann für die Stromversorger ein weiteres Kundenbindungselement sein. Davor kann ich nur warnen. Wenn es
dazu käme, wäre das nicht im Sinne des Erfinders.
Auf der Website www.energie-verstehen.de des heute
Morgen leider nicht anwesenden Bundesministers Glos
({7})
sehen Sie eine Darstellung dessen, was er unter einem
richtigen Energiemix versteht. Er beschreibt dort die
hervorragende Nutzung von kerntechnischen Anlagen.
Dort steht, wie wichtig es ist, dass diese auch in Zukunft
Teil des Energiemix sind. Außerdem bietet er eine Lösung für die Endlagerproblematik; er schreibt, Gorleben
eigne sich als Endlager. Das Ganze erscheint als Energiepolitik der Bundesregierung. Wenn Sie auf die Website des Bundesumweltministers schauen, dann finden
Sie eine völlig andere Darstellung. Daher kann ich Ihnen
nur sagen: Eigentlich müsste die Bundesregierung einen
neuen Link einrichten, nämlich www.bundesregierungverstehen.de; denn draußen versteht niemand, was Sie
eigentlich wollen.
({8})
Sie haben inkonsistente, also einander widersprechende Programme. Ich sage Ihnen: Die FDP-Bundestagsfraktion sieht als einziges richtiges Klimaschutzsignal einen umfassenden Emissionshandel, durch den
Klimaverschmutzung tatsächlich einen Preis hat. Parallellaufende Instrumente, die Sie zulasten der Stromkunden immer weiter ausbauen, müssten wegfallen. Also:
Runter mit der staatlichen Belastung des Energieverbrauchs! Denken Sie an die Verbraucher und weniger daran, dass Sie Ihre eigenen Scharmützel mit zig Förderprogrammen zulasten derjenigen unterlegen, die diesen
ganzen politischen Irrsinn am Ende kaum noch bezahlen
können!
Vielen Dank.
({9})
Das Wort hat der Kollege Rolf Hempelmann von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Entgegen allen Unkenrufen hat die Koalition es geschafft, einen ambitionierten Zeitplan einzuhalten und
heute ein Bündel mit gleich vier Gesetzentwürfen zum
Energie- und Klimapaket vorzulegen. Ich denke, das
kann sich sehen lassen. Kollege Dr. Pfeiffer hat schon
gesagt: Es zeigt eben auch, dass die Union und die SPD,
also die Koalition, in einem so komplexen Politikfeld
wie der Energiepolitik handlungsfähig sind.
({0})
Mit dem Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung - Herr
Westerwelle, hören Sie ruhig zu; Sie können eine Menge
lernen - haben wir jetzt das konkrete Ziel vor Augen, die
Verdoppelung des Anteils der Kraft-Wärme-Kopplung am Strommarkt bis zum Jahre 2020 zu erreichen.
25 Prozent der Stromerzeugung sollen dann aus der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen. Dies
ist nicht nur ein Klimaschutzziel, sondern durchaus auch
ein Ziel, das ökonomisch Sinn macht. Wir wollen die
Energieeffizienz steigern; wir wollen die Energieproduktivität bis 2020 verdoppeln. Ohne einen substanziellen
Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung wird das nicht gehen.
({1})
Wer sich mit diesem Thema auskennt - wie ich sehe,
hat Herr Westerwelle schon alles gelernt -, weiß, dass
der Energiegehalt des Energieträgers in normalen Kraftwerken bis zu 40 oder 45 Prozent ausgenutzt werden
kann. Bei der Kraft-Wärme-Kopplung ist es aber so,
dass 90 Prozent des Energiegehalts der Steinkohle, der
Braunkohle oder des Gases ausgeschöpft werden können. Wir liefern hier also auch einen Beitrag zur Ressourcenschonung, und wir reduzieren den jährlichen
CO2-Ausstoß um über 15 Millionen Tonnen.
KWK, Frau Kopp, macht auch aus wirtschaftlichen
Gründen Sinn. Wenn wir den Anteil der Kraft-WärmeKopplung ausweiten, dann ist das letztlich auch ein Beitrag zur Energiekostenbegrenzung. Sie haben sich große
Sorgen um den Kunden, insbesondere um das, was er für
die Energie zu zahlen hat, gemacht.Diese Sorgen machen wir uns auch. In diesem Zusammenhang muss man
wissen, dass beispielsweise Gas seit 2002 um 72 Prozent
im Preis gestiegen ist. Bei Steinkohle beträgt der
Preisanstieg immerhin 53 Prozent. Wenn wir einen Beitrag dazu leisten, dass diese Energieträger zu 90 Prozent
ausgenutzt werden, tun wir damit am Ende auch etwas
dafür, dass der Kunde kurz-, mittel- und langfristig weniger zahlt, als er bei jeder anderen Alternative zahlen
würde.
({2})
Die Anhörung zum Thema Kraft-Wärme-Kopplung
ist bereits erwähnt worden. In dieser Anhörung bestand
große Einigkeit dahin gehend, dass dieses Paket in der
vorgelegten Form - jedenfalls erst einmal im Grundsatz - ein guter Beitrag zum Ausbau der Kraft-WärmeKopplung ist. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass
es ein richtiger Ansatz ist, auch den Ausbau der Nahund Fernwärmenetze zu unterstützen. Es macht nämlich keinen Sinn, nur in Kraftwerke zu investieren und
die Netze, also die Wärmesenken, zu vernachlässigen.
Die Kraft-Wärme-Kopplung ist erst dann wertvoll, wenn
die dort entstehende Wärme auch tatsächlich Verwendung findet. Darum kümmern wir uns mit diesem Gesetz.
Es gibt eine ganze Menge von Details, die ich jetzt
nicht erwähnen möchte, weil Kollege Pfeiffer das im
Großen und Ganzen schon getan hat.
In einer solchen Debatte muss man allerdings auch
einmal darauf hinweisen, dass wir mit dem Ausbau der
Kraft-Wärme-Kopplung gerade auch für die energieintensiven Industrien, die auf den grundlastfähigen Strom
aus Gas und insbesondere aus Kohle angewiesen sind,
einen wichtigen Beitrag leisten. Wir alle wissen, dass
eine klimaverträgliche Verbrennung und Nutzung fossiler Energieträger in Zukunft nur noch im Rahmen von
Kraft-Wärme-Kopplung möglich ist oder eventuell mit
CCS-, also CO2-freien oder -armen Kraftwerken, wobei
wir alle wissen, dass es bei diesem Thema noch eine
Menge unbeantwortete Fragen gibt. Die Vorteile der
Kraft-Wärme-Kopplung kennen wir allerdings. Deswegen wollen wir diesen Weg gehen.
Wir haben eine ganze Menge von Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Kabinettsentwurf erreicht.
Ein wesentlicher Punkt scheint mir die flexible Verwendung der 750 Millionen Euro über den gesamten Förderzeitraum zu sein. In der Anhörung ist deutlich geworden, dass der eine oder andere gerne auch mehr Geld
gehabt hätte. Wahrscheinlich wird man in jeder Anhörung zu jedem Thema erleben, dass die jeweiligen Branchen sich auch mehr vorstellen können. Ich gebe gerne
zu, dass meine Fraktion diese Vorstellungen durchaus
gerne unterstützt hätte. Wir erkennen aber auch den Stellenwert, den eine Kostenbegrenzung in diesem Bereich
besitzt. Deswegen sind wir mit der Verstetigung dieser
750 Millionen Euro jährlich zufrieden. In der Anhörung
wurde diesem Punkt ebenfalls deutliche Priorität beigemessen. Er war den Branchenvertretern auch wichtiger
als eine Erhöhung der Mittel. Das bringt Verlässlichkeit
und Planbarkeit. Gerade für Wirtschaftsakteure ist dies
ein Wert an sich.
({3})
Wir haben eine ganze Menge von Dingen vorgesehen,
deren gesamte Auswirkungen wir in einem Monitoring
überprüfen wollen, das im Jahre 2011 stattfinden wird.
Dieses Gesetz ist ein lernendes System. Wir haben das
Ziel einer Verdoppelung bis 2020. Auf der Wegstrecke
wollen wir schauen, ob wir möglicherweise nachjustieren müssen. Bei diesem doch recht langen Zeitraum ist
das sehr sinnvoll. Deswegen ist ein Monitoring bei einem solchen Gesetz geradezu Pflicht.
Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz tun wir
auch eine ganze Menge, um die Anbieterlandschaft im
Stromsektor zu erweitern. Wir alle beklagen, dass im
Grunde einige wenige Große den Kraftwerksmarkt dominieren. Mit der Verdoppelung der Kraft-WärmeKopplung - die in der Regel in Kraftwerken mittlerer
Größenordnung eingesetzt wird - werden wir die Zahl
der Akteure in diesem Markt deutlich erweitern. Das ist
gut für den Wettbewerb und damit letztlich auch ein Beitrag, um die Preise für den Kunden in den Griff zu bekommen.
Diesen Beitrag wollen wir auch mit dem zweiten Gesetz, von dem heute die Rede ist, leisten: Ich meine das
Gesetz zur Liberalisierung des Zähl- und Messwesens.
Ich denke, dass wir mit diesem Gesetz in der Tat einen
ganz hervorragenden Schritt machen, um den Kunden in
die Lage zu versetzen, auf der einen Seite seine Energie17718
kosten zu begrenzen und auf der anderen Seite seine
Energieverhaltensweisen, insbesondere im Privathaushalt, zu erkennen und zu steuern. Wir setzen nämlich
darauf, dass mit dieser Liberalisierung zugleich auch
Modernisierungs- und Innovationsmaßnahmen im Messund Zählwesen stattfinden. Konkret: Wir wollen, dass
möglichst viele Haushalte möglichst bald mit sogenannten intelligenten Zählern ausgestattet sind, die es dem
Kunden ermöglichen, sein Verbrauchsverhalten zu analysieren und gegebenenfalls zu verändern. Das bringt
Ersparnisse für den Einzelnen; es wirkt sich auf sein
Portemonnaie aus. Das bringt aber auch insgesamt Ersparnisse für die Volkswirtschaft, und mit dem reduzierten Energieverbrauch entstehen natürlich auch Klimavorteile. Mit diesem Ansatz können wir also eine ganze
Menge von positiven Effekten miteinander verbinden.
({4})
Auch zu diesem Punkt haben wir eine Anhörung
durchgeführt. Es war hochinteressant, dass ausgerechnet
die Liberalen in diesem Bereich auf Zwangsmaßnahmen setzten. Wir nehmen das zur Kenntnis. Wir werden
sicherlich auch im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit, beispielsweise wenn wir mit Verbraucherverbänden
oder Kunden vor Ort diskutieren, deutlich machen, dass
gerade die Liberalen eher auf Zwang setzen und nicht
darauf vertrauen wollten, dass der Kunde hier selbstständig die richtige Entscheidung trifft.
({5})
In der genannten Anhörung haben gerade die Verbraucherverbände davor gewarnt, Zwang auf den Kunden
auszuüben, haben aber zugleich angeboten, ihrerseits
eine Kampagne, und zwar nicht nur eine kurzfristige,
sondern eine längerfristige begleitende Kampagne, zu
fahren, um für den Einbau solcher intelligenten Zähler
zu werben. Ich denke, darauf sollten wir setzen und nicht
auf Zwang gegenüber dem einzelnen Kunden.
Meine Damen und Herren, wir haben natürlich den
Ehrgeiz, dass möglichst schnell solche intelligenten Zähler in großer Stückzahl eingeführt werden. Deswegen
macht es Sinn, sich nicht nur auf freiwillige Umrüstaktionen zu verlassen,
({6})
sondern dafür zu sorgen, dass vonseiten der Anbieter,
also der Messstellenbetreiber, dem Kunden ein Angebot
unterbreitet wird. Wir haben also den Spieß umgedreht
und eine Angebotspflicht vorgesehen. Ich glaube, das
liegt im Interesse beider Seiten; denn wenn alle Anbieter
solche Angebote machen müssen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein entsprechender Wettbewerb stattfindet, dass sich die Qualität der intelligenten Zähler von Jahr zu Jahr weiterentwickelt, dass die
Kosten für diese Zähler aufgrund des Wettbewerbs und
der Herstellung großer Stückzahlen möglichst gering
ausfallen usw. So werden Skaleneffekte ausgelöst, die
sich insgesamt zugunsten des Kunden auswirken.
Herr Kollege Hempelmann, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kopp?
Gerne.
Bitte schön, Frau Kopp.
Herr Kollege Hempelmann, ich kann Sie beruhigen:
Die FDP setzt nach wie vor auf die Stärkung des Wettbewerbs und auf die Marktkräfte.
({0})
Machen Sie sich keine Sorgen.
Ich möchte Ihnen nur sagen: Die Skaleneffekte, die
erreicht werden sollen, können nur dann tatsächlich erzielt werden, wenn eine standardisierte Grundtechnik
zum Einsatz kommt. Das ist der Punkt. Ich habe ja davon gesprochen, wie wichtig es ist, auf Nachbarländer zu
schauen, um nicht die Fehler zu machen, die dort begangen wurden. Wie wollen Sie nun verhindern, dass durch
die Installation unterschiedlicher Techniken, die nicht
kompatibel sind, die Stromanbieter die Wechselfähigkeit von Stromkunden, die zum Wechsel bereit wären,
unterbinden oder erschweren? Wenn die Installation
neuer Zähler als Kundenbindungsinstrument genutzt
würde, würde genau das Gegenteil von dem eintreten,
was wir uns wünschen, nämlich mehr Wettbewerb.
Frau Kopp, ich freue mich zunächst einmal, dass ich
mir keine Sorgen machen muss; denn in der kurzen Zeit
nach Ihrer Rede haben Sie offenbar Ihre Meinung und
Ihre Position geändert und setzen jetzt auf Freiwilligkeit
bei den Kunden.
({0})
Genauso müssen Sie sich keine Sorgen machen. Denn
Ihr berechtigtes Anliegen ist bei der Koalition in guten
Händen. Wir haben im Rahmen unserer Verhandlungen
eine Protokollnotiz erstellt, in der vorgesehen ist, dass
das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit der
Bundesnetzagentur ein Verfahren entwickelt, das zur
Standardisierung in dem Bereich des Mess- und Zählwesens führt. Es ist doch klar - da haben Sie völlig
recht -: Wir brauchen Standards, die dazu führen, dass
die unterschiedlichen Geräte untereinander kompatibel
sind und ein Anbieterwechsel nicht erschwert oder verhindert wird.
({1})
Durch die Arbeit der Bundesnetzagentur, die in diesem
Bereich schon Zuständigkeiten hat, ist sichergestellt,
dass dieser Punkt beachtet wird. Darauf können Sie sich
verlassen.
Ein anderer Punkt, der in diesem Zusammenhang von
uns als sehr wichtig erachtet wird, ist die Pflicht der AnRolf Hempelmann
bieter, lastvariablen- bzw. tageszeitabhängige Tarife
anzubieten. Auch dafür braucht man Standardisierungen.
Es ist daher sehr sinnvoll, wenn wir die Einführung intelligenter Zähler zügig vorantreiben. Es wird auch zunehmend das Interesse der Anbieterseite sein, dass sich
möglichst viele Kunden für beispielsweise tageszeitabhängige Tarife entscheiden. Daraus ergibt sich nicht nur
ein Vorteil auf der Kundenseite.
Zu der Zeit, in der Kraftwerke besonders ausgelastet
sind, wird der Kunde seine Spül- oder Waschmaschine
nicht anstellen, sondern dann, wenn es eine Minderauslastung der Kraftwerke gibt, was zum Beispiel nachts
der Fall ist.
({2})
Davon hat auch der Kraftwerksbereich einen Vorteil.
Wenn man nämlich auf diese Art und Weise den Einsatz
von Kraftwerken verstetigen kann und wenn man weniger Spitzenlaststrom braucht, dann führt das dazu, dass
man möglicherweise weniger Kraftwerke bauen muss.
Man kommt also mit einem geringeren Stromangebot
aus, als dies bei jedem anderen Szenario der Fall sein
würde. Es gibt also Vorteile sowohl für die Angebotswie für die Nachfrageseite. Alle Experten haben gesagt,
dass das ein ganz wichtiger Punkt ist. Der Fortschritt im
Mess- und Zählwesen und im Bereich der intelligenten
Zähler kann sich auf diese Weise segensreich auswirken.
Meine Damen und Herren, diese Entwicklung wollen
wir kurzfristig mit dem vorliegenden Gesetz anstoßen.
Ich glaube, dass wir damit eine Chance haben, mittelund längerfristig die Energielandschaft in Deutschland
entscheidend weiterzuentwickeln und zu verändern. Es
kommt zu einer völlig anderen Form der Vernetzung
von Anbietern und Kunden. Der Kunde wird sozusagen zum Prosumer; denn der Verbraucher, also der
Consumer, wird gleichzeitig Produzent. Das gilt besonders für den Bereich der erneuerbaren Energien, da wir
viele Haushalte dazu bringen wollen, sich mit Fotovoltaik und ähnlicher Technik auszustatten.
Es ist zwingend notwendig, dass es hier zu einer sehr
viel engeren Verbindung von Nachfrage- und Angebotsseite kommt. Das wird dazu führen, dass auch diejenigen, die bisher nur Kilowattstunden verkauft haben und
dementsprechend ein großes Interesse an dem Verkauf
von möglichst großen Strommengen hatten - das ist ja
unter klimaschutzpolitischen Gesichtspunkten nicht das
Gelbe vom Ei -, ihr Geld nicht mehr mit Mengenverkauf, sondern mit Energiedienstleistungen verdienen
werden.
Wir sehen diese Entwicklung im Bereich des Contracting, also bei den Verträgen, die Energieanbieter mit
großen Kunden abschließen. Es ist völlig klar, dass sich
eine entsprechende Entwicklung im Bereich der normalen Haushaltskunden anbahnt. Der Kunde kauft dann
nicht mehr Kilowattstunden Strom, sondern Kälte,
Wärme und die Energieversorgung seiner elektrischen
Geräte zu einem Fixpreis mit bestimmten Nebenabreden
im Falle von Mehr- bzw. Minderverbrauch.
Ich denke, das ist ein Modell der Zukunft. Dafür müssen die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen
werden. Das tun wir mit der Liberalisierung des Messund Zählwesens und mit der Einführung intelligenter
Zähler für lastvariable- und tageszeitabhängige Tarife.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf mich für
Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
({3})
Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Kurt Hill von der
Fraktion Die Linke.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Klimaschutz bedeutet, Energie klug zu nutzen. KraftWärme-Kopplung, KWK genannt, ist das Konzept für
Zukunftskraftwerke. Sie nutzen Strom und Wärme.
Heute wird so viel durch Stromerzeugung entstehende
Wärme fortgeworfen, dass man mit der Gesamtmenge
alle Haushaltungen heizen könnte. Wir können es uns
nicht leisten, so mit den teuren endlichen Brennstoffen
umzugehen.
({0})
Aber was heißt das? Erstens. Das Kraftwerk gehört
vor Ort. Zweitens. Dort wird so viel Energie erzeugt, wie
gebraucht wird - möglichst sauber und möglichst effizient. Drittens. Wer Strom erzeugt, sollte auch die anfallende Wärme umfassend nutzen. Viertens. Deshalb
macht die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung Sinn.
Fünftens. Diese effiziente Energieerzeugung nutzt bis zu
90 Prozent des Brennstoffes aus. Zum Vergleich: Ein
herkömmliches Kohlekraftwerk lässt zwei Drittel der
eingesetzten Energie ungenutzt.
In den letzten Wochen und Monaten mussten wir bei
diesem Thema Erstaunliches erleben. Bundesumweltminister und Bundeswirtschaftsminister - sonst zu keinen
Gemeinsamkeiten bereit - fordern neue große Kohlekraftwerke, die nicht einmal die Hälfte der eingesetzten
Energie nutzen. Nicht nur das: Eine Gruppe aus Energiebossen und Vertretern der CDU/CSU will uns erklären,
dass diese Energieverschwendungsanlagen billigen
Strom lieferten und umweltfreundlich seien.
({1})
Und: Sie bekämpfen die Förderung der Kraft-WärmeKopplung als nicht marktgerecht.
Ich möchte das einmal so bewerten: Klug war das
nicht. Denn die gebeutelten Stromkundinnen und -kunden fragen sich natürlich mit Blick auf RWE & Co: Was
für ein Markt? So ist es auch kein Wunder, dass sich
Bürgerinnen und Bürger landauf, landab gegen Megakraftwerke der Konzerne wehren - und das mit Erfolg.
Es zeigt sich auch, dass die Vorstellung von Vattenfall:
„Dumm, dümmer, Kunde“ nach hinten losgegangen ist;
denn die Leute sind klug genug, den Stromversorger zu
wechseln.
Damit die Stromangebote bezahlbar bleiben und
transparent sind, sollen heute der Entwurf eines Gesetzes
zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung und der Entwurf eines Gesetzes für Wettbewerb im Messwesen verabschiedet werden; auf beide möchte ich kurz eingehen.
Das KWK-Gesetz hat das Ziel, die effiziente Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung auf 25 Prozent
zu erhöhen. In der Tat enthält der Gesetzentwurf zahlreiche gute Vorschläge - wohl nachdem die Hardliner in
den Reihen der CDU/CSU etwas zurückgepfiffen wurden. Im Kern muss aber festgestellt werden, dass die
Vorlage nach wie vor entscheidende Mängel hat.
Ich will deshalb noch einmal deutlich machen, warum
wir die Kraft-Wärme-Kopplung nicht halbherzig fördern
dürfen. Kluge Energieerzeugung schafft Arbeit. In der
herkömmlichen Energiewirtschaft werden bis 2020 mindestens 45 000 Stellen verloren gehen - gerade wegen
neu geplanter Megakraftwerke, die fast ohne Personal
laufen. Im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung können
bis zu 60 000 neue Arbeitsplätze entstehen, wenn das
KWK-Potenzial genutzt wird. Nach einer Studie des
Bremer Energie-Instituts könnte der KWK-Anteil bis
2020 sogar auf 36 Prozent wachsen. Deshalb wäre es absurd, wenn nicht einmal ein Viertel geschafft wird.
Wer sich dem Ausbau kluger Energieanlagen verweigert, der riskiert in der Tat zwei Probleme: erstens das
Verfehlen der erforderlichen Ziele im Klimaschutz zur
Senkung der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020
- ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Beseitigung der Folgen der Erderwärmung um ein Vielfaches
teurer ist als ambitionierter Klimaschutz - und zweitens
die Gefahr einer Stromlücke und damit die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken.
Damit sind wir beim Kern der Debatte. Teile der
CDU/CSU wollen die Zukunftsenergien gezielt gegen
die Wand fahren, um die Stromwirtschaft von gestern zu
bedienen. Diese Verweigerer sind es, die mit den Ängsten hinsichtlich der Versorgungssicherheit spielen. Das
ist mit uns nicht zu machen.
({2})
Wir, die Linke, fordern Sie deshalb auf, sich für ein kluges KWK-Gesetz starkzumachen. Beseitigen Sie die
grundlegenden Mängel.
Erstens. Der angestrebte KWK-Anteil wird nicht erreicht werden, da die Anreize zu gering sind. Es reicht
nicht aus, Herr Kelber, 25 Prozent als Ziel aufs Deckblatt zu schreiben. Man muss auch den Weg zu diesem
Ziel aufzeigen.
({3})
Die Linksfraktion fordert deshalb eine Erhöhung der
Förderdauer auf acht Jahre oder 40 000 Volllaststunden
und eine vollständige Aufhebung der jährlichen Förderbegrenzung.
Zweitens. Auch klimaschädliche Kohlekraftwerke
werden mit dem vorliegenden Entwurf staatlich gefördert. Wenn es um konsequenten Klimaschutz geht, kneift
die Große Koalition. Das ist ebenfalls nicht hinnehmbar.
Aus diesem Grund muss sich die Linke bei dieser Abstimmung enthalten.
Dem Entwurf eines Gesetzes zum Messwesen werden
wir zustimmen, auch wenn die Regierung in diesem Fall
zu zögerlich ist. Die Öffnung der Messdienstleistung
dient der Transparenz für die Strom- und Gaskunden.
Durch bessere Information und so genannte intelligente
Zähler bekommen die Haushalte einen besseren Überblick über ihren Strom- und Gasverbrauch. So fällt es
leichter, Energie zu sparen und mehr für das Klima zu
tun.
Ich fasse zusammen: Wer Energieverschwendung mit
ganzseitigen Anzeigen in Tageszeitungen rechtfertigt, ist
unglaubwürdig. Er will Kasse machen, statt Strom und
Wärme zu bezahlbaren Preisen zu liefern. Glaubwürdig
sind konsequenter Klimaschutz, kluge Energieerzeugung
und Transparenz für die Strom- und Gaskunden. Das ist
der beste Garant für eine stabile, sichere und umweltfreundliche Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen
und mehr Beschäftigung mit neuer Energie.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat die Kollegin Bärbel Höhn von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
Gesetzentwurf, über den wir heute sprechen, ist ein Musterbeispiel für die Klimapolitik der Bundesregierung:
Erst machen Sie große Ankündigungen, dann wird lange
gestritten, und am Ende kommt ein unzureichendes Gesetz heraus, mit dem die angekündigten Ziele verfehlt
werden. So sieht Klimaschutz nicht aus.
({0})
Sie versprechen viel, Sie streiten viel und Sie tun wenig.
Das ist eine enttäuschende Bilanz Ihrer KWK-Novelle.
Das ist auch eine enttäuschende Bilanz der gesamten
Klima- und Energiepolitik der Bundesregierung.
Worum geht es in diesem Gesetz? Es geht um Kraftwerke, die Strom erzeugen, aber gleichzeitig die Wärme,
die sie dabei produzieren, nutzbar machen sollen. Das ist
gerade in Zeiten, in denen die Energiepreise immer weiter nach oben gehen, absolut wichtig. Wir müssen einfach mehr Energie einsparen, um den steigenden Energiepreisen etwas entgegenzusetzen. Das ist ein soziales
Problem.
({1})
Deshalb ist es wichtig, dass wir Kraft-WärmeKopplungs-Anlagen bauen. Aber solche Kraftwerke
entstehen nicht auf der grünen Wiese - wo soll denn
dann die Wärme hin? -, sondern solche Kraftwerke entBärbel Höhn
stehen nur als kleine Kraftwerke in den Zentren, wo man
die Wärme in die Wohnungen leiten kann. Deshalb müssen wir über die Kraftwerksstruktur nachdenken; denn es
ist absolut unangemessen, dass die großen Kraftwerke
über 50 Prozent ihrer Energie als Wärme ungenutzt in
die Luft entlassen. Ihre Förderung von großen Kohlekraftwerken ist das Gegenteil von dem, was mit der
Kraft-Wärme-Kopplung erreicht werden muss.
({2})
Leider gibt es in Deutschland zu wenig effiziente
Kraftwerke. Ihr Anteil beträgt gerade einmal 12 Prozent.
Damit liegt Deutschland innerhalb der EU auf dem
zwölften Platz. In Finnland beträgt der Anteil 39 Prozent, in Dänemark sogar über 50 Prozent. Woran liegt
das? Die Wirtschaft hatte eine freiwillige Selbstverpflichtung formuliert und angestrebt, den Anteil der
Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung bis
2010 von 20 Prozent zu erreichen. Dieses Ziel hat die
Wirtschaft weit verfehlt. Die Wirtschaft hat sich mit ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung kräftig blamiert. Es
ist ein Armutszeugnis, dass das Ziel nicht erreicht worden ist.
({3})
Es muss etwas geschehen. Sie sagen jetzt, dass der
Anteil von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplung bis 2020
auf 25 Prozent erhöht werden soll. Damit würden wir
aber keinen Spitzenplatz einnehmen. Auch dann würden
wir immer noch weit hinter anderen Ländern liegen. Wir
würden gerade einmal das Niveau erreichen, das Rumänien heute hat. Dieses Land wird 2020 aber wahrscheinlich weiter als heute sein.
Das Ziel, das Sie in diesem Gesetz vorgeben, werden
Sie mit diesem Gesetz nicht erreichen. In der Anhörung
haben - darauf hat Herr Hempelmann schon hingewiesen - alle Experten gesagt: Die Mittel, die Sie einsetzen,
sind zu gering. Herr Pfeiffer, Sie wollen darauf mit der
Erfindung des sogenannten atmenden Deckels reagieren.
Dazu muss ich sagen: Wenn die Mittel zu gering sind,
nützt es auch nichts, wenn man sie von dem einen Jahr
auf das andere Jahr übertragen kann. Das heißt de facto:
Wir brauchen mehr Mittel, damit Kraft-Wärme-Kopplung besser gefördert werden kann.
({4})
Über die Fördermittel, die Sie vorsehen, werden wir
höchstens eine Steigerung des Anteils von Kraft-WärmeKopplung auf 18 bis 19 Prozent erreichen. Das Ziel von
25 Prozent, das Sie vorgeben, werden Sie weit verfehlen.
Mutiger Klimaschutz sieht anders aus als das, was Sie
uns heute vorlegen.
({5})
Mit Ihrer Zögerlichkeit beim Ausbau der KraftWärme-Kopplung reißen Sie neue Lücken in das ohnehin löchrige Klimapaket. Über Kraft-Wärme-Kopplung
sollten eigentlich 20 Millionen Tonnen CO2-Emissionen
eingespart werden. Sie werden es auf höchstens 7 bis
10 Millionen Tonnen bringen. Sie werden noch nicht
einmal die Hälfte von dem erreichen, was Sie vor einem
Jahr versprochen haben. Wenn man bedenkt, dass das
Ziel im Jahr 2020 liegt und schon ein Jahr nach Verkündigung dieses Ziels nur noch die Hälfte der Vorgabe erreicht werden kann, muss man sagen: Das ist ein Armutszeugnis. Wo landen Sie wohl 2020? Das ist wirklich
ein Armutszeugnis!
({6})
Ein sehr schlimmer Effekt kann eintreten, wenn große
Kohlekraftwerke, die nur einen Teil der Wärme auskoppeln - das hat Herr Hill eben angesprochen -, aufgrund einer EU-Regelung über dieses Gesetz gefördert
werden könnten. Damit würde der Klimaschutz ad absurdum geführt werden. Es wäre doch absurd, wenn wir
große Klimakiller, die nur einen Teil ihrer Wärme auskoppeln, über dieses Gesetz fördern würden. Sorgen Sie
dafür, dass das nicht geschieht. Sonst würde das wenige
Geld auch noch in die falschen Kraftwerke gesteckt.
({7})
- Das Problem ist, dass Sie die Mittel zu den falschen
Kraftwerken lenken. Das ist nicht in Ordnung.
Das andere Gesetz, über das wir hier diskutieren, ist
das Gesetz zum Zähl- und Messwesen. Das finden wir
okay. Das zielt in die richtige Richtung. Das ist ein gutes
Instrument. Ich muss aber ehrlich sagen: Das könnte ruhig schneller eingeführt werden. Sie könnten ruhig mal
„ein Schüppchen“ drauflegen. Man soll sagen können:
Wenn ich die Energie dann oder dann nutze, dann zahle
ich weniger. Dafür brauchen wir intelligente Zähler.
({8})
Diese Zähler sind gut und werden von den Verbrauchern
gefordert.
Ich komme zum Schluss.
({9})
Wenn Sie die Zeitungsartikel der letzten Wochen studiert
haben, haben Sie festgestellt, dass Ihre Politik zunehmend in die Kritik gerät. In großen Artikeln wird die
Politik der Klimakanzlerin zerfleddert. Immer mehr
Leute erkennen, dass das, was sie verspricht, nicht umgesetzt wird. Die Menschen merken, dass Sie viel versprechen, aber wenig halten. Daran merkt man, dass Ihre
Politik nicht gut ist. Setzen Sie endlich das um, was Sie
versprechen!
Vielen Dank.
({10})
Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die
KWK-Novelle ist ein zentraler Bestandteil des Integrierten Energie- und Klimapakets der Bundesregierung. Das
ist ein ganz wichtiges Gesetzgebungsvorhaben. Der Minister hätte hier gerne selbst vorgetragen, aber er befindet sich heute auf dem Energieministerrat. Angesichts
der Situation im internationalen Energiebereich werden
Sie verstehen, dass das sein muss.
Wenn ich diese Debatte auf mich wirken lassen,
komme ich zu interessanten Feststellungen:
Die FDP sagt, dass das Ganze zu viel ist. Gleichzeitig
sagt sie aber, dass 750 Millionen Euro an Fördermitteln
nicht ausreichen. Das habe ich bei Ihnen als die beiden
Kernsätze wahrgenommen, Frau Kopp.
({0})
Sie sagen, es werde zu teuer.
Die Linken sagen, man müsse KWK noch viel stärker
fördern; doch draußen im Lande beschweren sie sich
über Preissteigerungen im Energiebereich und beschimpfen die Bundesregierung.
Zu den Grünen, Frau Höhn: Wir verbessern mit dieser
Novelle das KWK-Gesetz, das Sie in der rot-grünen Regierungszeit auf den Weg gebracht haben, und zwar in
ganz wesentlichen Punkten. Genau das ist richtig.
Wir halten mit dem Koalitionsentwurf die Mitte zwischen der Optimierung und der Effizienzsteigerung in
der Energiegewinnung. Dabei ist die KWK enorm wichtig und gut. An keiner Stelle können wir so viel zusätzliche Effizienz aus eingesetzter Primärenergie holen, solange wir die KWK intelligent nutzen; das ist ein großer
Vorteil.
({1})
Ein weiterer Punkt ist, dass wir sagen: Es muss bezahlbar bleiben. Deswegen müssen wir das Ganze deckeln. Denn wir sind in einer sehr schwierigen Gemengelage. Wir sind im Umbau unserer Energiepolitik. Wir
reden hier über einen Anteil der KWK von 25 Prozent an
der Stromerzeugung in der Zukunft. Da sind die Technologie und die Zielsetzung, die CO2-Emissionen zu reduzieren, eine ganz wichtige Größenordnung; die Bezahlbarkeit ist die andere. Das geht nicht anders, als dass
man einen vernünftigen mittleren Kurs setzt. Denn wir
dürfen die Bürger nicht unnötig belasten,
({2})
und wir müssen die energieintensive Industrie im Lande
halten.
({3})
Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Dies haben wir sehr
vernünftig angelegt. Es ist ein Kurs der Mitte, der zum
Ziel führt.
Die erstmals größenunabhängig angelegte Förderung
des Ausbaus und der Wiedereinführung der Modernisierung von KWK-Anlagen ist wichtig. Auch da wollen wir
Erneuerung und nicht nur mit den alten Technologien
KWK betreiben. Wir wissen um die Sorgen von bestimmten energieintensiven Betrieben, die sich bisher
nicht zu einer Nutzung durchringen konnten. Frau Höhn,
auch Sie kennen das Problem: Bürgerinitiativen behindern die eine oder andere KWK-Einrichtung, weil man
ein Kleinkraftwerk nicht in der Nähe haben will. Da sind
Grüne häufig dabei. Es ist die Gemengelage. In Ihren
Köpfen und Ihrer Strategie ist in diesem Zusammenhang
ausgesprochen viel Unordnung zu erkennen. Deswegen
sagen Sie bitte nicht mit dem erhobenen Zeigefinger:
Wir haben den einzig klaren Weg, und die Große Koalition verweigert sich mit kleinen Schritten. - So geht es
nicht.
({4})
Die Einbeziehung der KWK-Eigenstromnutzung in
die Förderung ist sinnvoll. Die Reduzierung der CO2Emissionen ist vorrangig. Warum muss ich den Strom
erst begünstigt ins Netz einspeisen, um ihn dann ganz
normal aus dem Netz zu erwerben? Warum geht man
nicht den direkten Weg und sagt: Unmittelbar da, wo er
erzeugt worden ist, darf er eingesetzt werden und wird in
die Begünstigung aufgenommen?
Auch die Erstreckung der Förderung auf den Ausund Neubau von Wärmenetzen ist geboten, vernünftig
und sinnvoll. Wer kann dagegen sein?
Aber nicht nur die Novelle des KWK-Gesetzes trägt
zur Erreichung des ambitionierten Ziels - ein Anteil von
25 Prozent an der Stromerzeugung - bei, auch die Wirtschaft muss zu der von ihr abgegebenen Selbstverpflichtung zum KWK-Ausbau stehen. Die KWKNovellierung und die Selbstverpflichtung der Wirtschaft
sind die zentralen Bausteine der KWK-Strategie der
Bundesregierung.
Ein Punkt ist im Zusammenhang mit der Novellierung des KWK-Gesetzes besonders wichtig: Strom muss
bezahlbar bleiben. Ich habe das schon erwähnt. Deswegen deckeln wir die von den Stromkunden zu tragende
KWK-Umlage auf 750 Millionen Euro. Damit sich keine
falschen Vorstellungen im Raum festsetzen, sage ich:
Wir haben die Deckelung bei 750 Millionen Euro beweglich gemacht. Wir werden abwarten, wie sich das
Ganze vor dieser Förderkulisse entwickelt. Wenn die
Summe von 750 Millionen Euro überschritten wird,
kann dennoch weiter gefördert werden. Mehr Beweglichkeit kann man an eine Deckelung nicht knüpfen. Da
muss man ja schon fast die Frage stellen, ob es überhaupt eine wirksame Deckelung ist. Dennoch halte ich
das Signal, dass wir das Ganze deckeln und erst am Ende
sehen, welche nachlaufenden FinanzierungsnotwendigParl. Staatssekretär Hartmut Schauerte
keiten sich ergeben, hinsichtlich der notwendigen Offenheit für wichtig. Gleichzeitig ist dies ein Hinweis darauf,
dass wir bei der Preisentwicklung vernünftig bleiben
müssen.
Frau Kopp, ich bin sehr gespannt, wie Sie bei den
weiteren Schritten in der Politik hinsichtlich alternativer Energien mitgehen und welche Position Sie beziehen. KWK wirkt sich auf die Strompreise immer noch
am günstigsten aus; hinsichtlich der Kosten für die Vermeidung von CO2-Emissionen ist sie ausgesprochen
günstig, viel günstiger als die meisten anderen Maßnahmen. Sie hat eine ganz hohe - fast 100 Prozent - Wertschöpfung bezüglich der Anlagentechnik hier im Land.
Das alles können wir für den Solarstrom in dieser Eindeutigkeit nicht so formulieren.
({5})
KWK ist die vernünftigste, kostengünstigste und effektivste Methode, den Umbau unserer Energiepolitik im
Hinblick auf CO2-Emissionen und Preise zumutbar zu
organisieren.
({6})
Ich komme zum Messwesen. Mit dem „Entwurf eines
Gesetzes zur Öffnung des Messwesens bei Strom und
Gas für Wettbewerb“ legen wir zehn Jahre nach der gesetzlichen Öffnung der Strom- und Gasmärkte nach. Das
ist ein sehr interessanter Schritt; denn unser Messwesen
ist völlig verkrustet. Es lässt den Konsumenten dumm
und regt ihn nicht dazu an, die Veränderungen der Verbrauchswerte aufmerksam zu beobachten. Die Konsumenten warten lediglich ab, bis sie am Jahresende ihre
Rechnung erhalten.
Wir müssen mit zusätzlichen intelligenten Angeboten
dafür sorgen, dass das Messwesen in die tägliche Wahrnehmung der Menschen rückt. Es soll nicht nur gemessen werden, wie viel Strom verbraucht wird, sondern es
sollte auch abgelesen werden können, wie hoch die Jahresrechnung sein wird und wie hoch die Preise pro Einheit sind. Wie beim Tanken sollte man nicht nur die Zahl
der getankten Liter im Blick haben, sondern auch den
Preis pro Liter. Viele Leute achten beim Tanken aber gar
nicht auf die Literzahl, sondern nur auf den Preis.
Durch intelligente Messtechnik kann man noch viel
mehr erreichen. Ich sage: Frühe Information ist der beste
Weg, um das Verhalten der Menschen zu ändern. Denn
nur mit Daten und Informationen kann man das Verhalten vernünftiger Bürger ändern. Man meint zwar, das sei
nur eine relativ kleine Stellschraube. Sie hat aber eine
enorme Wirkung.
Ich bin froh und dankbar, dass wir die Öffnung des
Messwesens bei Strom und Gas für Wettbewerb jetzt
herbeiführen. Damit bauen wir einen ganz neuen Wertschöpfungs- und Dienstleistungsapparat auf. Das kommt
allen, die in diesem Bereich tätig sind, zugute. Denn dadurch bekommen sie neue Aufträge. Wenn sich die Menschen an der Höhe der Verbrauchswerte und an der Entwicklung der Kosten orientieren, führt das außerdem zu
einer größeren Bereitschaft, sich anders und damit ökologisch und ökonomisch sinnvoller zu verhalten.
({7})
Ich denke, das ist eine gute Sache.
Ich möchte darauf hinweisen: Die Gesetzentwürfe
sind erstens ein sehr wichtiger Schritt, um bis zum Jahr
2020 etwa 25 Prozent der Stromerzeugung aus der
Kraft-Wärme-Kopplung zu gewinnen. Zweitens sind sie
sehr wichtig, weil durch sie das Verhalten geändert und
die Informationslage verbessert werden. Unter dem Gesichtspunkt der preislichen Belastung sind sie sehr wahrscheinlich eine der günstigsten Operationen, die wir
beim schwierigen Umbau unserer Energiepolitik vor uns
haben.
Ich möchte betonen: Wer noch nicht einmal bei diesem Schritt dabei ist, wird es sehr schwer haben, bei den
nächsten anstehenden Schritten noch eine ernst zu nehmende CO2-Vermeidungsstrategie zu erklären.
Herzlichen Dank.
({8})
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Hans-Kurt Hill.
Herr Staatssekretär Schauerte, gestatten Sie mir eine
Feststellung und eine kurze Nachfrage. Sie haben kritisiert, wir würden uns außerhalb des Parlaments darüber
beschweren, dass die Strompreise steigen. Erklären Sie
mir bitte einmal, wieso eine KWK-Förderung zu Strompreiserhöhungen führen soll. Ist es nicht eher so, dass
mit diesem Gesetz eine dezentrale Struktur einschließlich Kleinst-KWK-Anlagen geschaffen wird, womit man
dem Monopol entgegentritt, was letztlich günstigere
Preise zur Folge haben sollte?
Herr Staatssekretär Schauerte zur Erwiderung, bitte.
Herr Kollege, wenn Sie das so sehen - ich bin nicht
ganz Ihrer Meinung -, warum stimmen Sie dann nicht
zu?
({0})
Das Wort hat der Kollege Hans-Josef Fell vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung zerbröselt an fast allen Ecken und Enden.
({0})
Zu Recht beklagt der Umweltminister, dass die Union
beim Klimaschutz nur bremst. Es ist gut, dass er in den
letzten Tagen den Mut hatte, dies auch öffentlich zu sagen. Der Klimaschutzheiligenschein von Kanzlerin
Merkel ist längst verblasst, vor allem deshalb, weil sie
Wirtschaftsminister Glos und die Unionsfraktion gegen
den Klimaschutz agitieren lässt.
({1})
Umweltminister Gabriel hat keine Legitimation, dies
zu kritisieren, tritt er doch selbst als Schutzpatron der
Produktion von spritfressenden Autos auf. Nicht nur
Kanzlerin Merkel und Minister Glos versagen, die gesamte Bundesregierung versagt, wenn es um wirksame
Maßnahmen zum Klimaschutz geht.
({2})
Ein Paradebeispiel ist der Entwurf eines Gesetzes zur
Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, über den wir
heute beraten. In der Tat könnte und müsste die Abwärme, die bei der Stromerzeugung anfällt, endlich für
Raumheizung, als industrielle Prozesswärme und zur
Kühlung nutzbar gemacht werden. Doch dies geht in der
Regel nur mit dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung, nicht
mit neuen großen Kohlekraftwerken und auch nicht mit
einer Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken.
In vielen heutigen Kraftwerken werden zwei Drittel der
zur Stromerzeugung eingesetzten Energie nicht genutzt,
sondern an die Umwelt abgegeben. Flüsse werden aufgeheizt, große Dampfwolken steigen über Kühltürmen
auf - mit fatalen Folgen für die Umwelt und das Klima.
Mit zunehmender Klimaerwärmung wächst im
Sommer die Notwendigkeit, die großen Kraftwerke zu
drosseln oder sie gar abzuschalten, weil die aufgeheizten
Flüsse die Kraftwerke nicht mehr ausreichend kühlen
können. Großflächiges Fischesterben ist die Folge. Und
bei alldem geht es um gigantische CO2-Emissionen, die
vermeidbar sind. Wer heute noch in große Wärmekraftwerke investiert, erhöht das Risiko, dass im Hochsommer die Stromversorgung zusammenbricht.
({3})
Die Kraft-Wärme-Kopplung ist ein wichtiger Teil der
Lösung. Es ist gut, dass die Große Koalition den Anteil
der Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung
bis 2020 auf 25 Prozent erhöhen will. Doch wie immer
bleibt es bei einer Zielvorstellung. Wie die Sachverständigen in der Anhörung gesagt haben: Solange die jährliche Förderung auf 750 Millionen Euro beschränkt ist,
werden Sie das KWK-Ziel nicht erreichen.
({4})
Nun gibt es im heute zu beratenden Gesetzentwurf
gegenüber dem Regierungsentwurf durchaus einige Verbesserungen, etwa die Abschaffung der unsinnigen jährlichen Degression der Vergütungssätze. Doch die finanzielle Deckelung haben Sie nicht gestrichen. Wir sehen
in Ihrem neuen Vorschlag für eine Flexibilisierung keine
Lösung, da das Gesamtvolumen weiterhin gedeckelt
bleibt. So wird das Ziel von 25 Prozent Kraft-WärmeKopplung an der Stromerzeugung bis 2020 nicht erreichbar sein.
({5})
Sie binden die Definition von Kraft-Wärme-Kopplung an die kommende EU-Richtlinie. Doch in dieser
wird - welch Graus! - noch eine geringfügige Wärmeauskopplung aus neuen großen Kohlekraftwerken als
Kraft-Wärme-Kopplung definiert. Sie missbrauchen damit das Gesetz zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung zur finanziellen Unterstützung neuer großer Kohlekraftwerke.
({6})
So, meine Damen und Herren von der Großen Koalition,
werden Sie nicht Klimaschutz erreichen, sondern zu
weiterer Klimazerstörung beitragen.
Lernen könnten Sie vom Musterland der KraftWärme-Kopplung, von Dänemark. Mit einem Anteil der
Kraft-Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung von
über 50 Prozent glänzen die Dänen. In den 90er-Jahren
haben sie ein Moratorium für den Neubau von Kohlekraftwerken erlassen. Binnen weniger Jahre wurde so
der hohe KWK-Anteil erreicht.
Wir Grünen fordern von Ihnen auch für Deutschland
ein Moratorium für den Neubau von Kohlekraftwerken.
Der größte Verhinderer ist ausgerechnet Umweltminister
Gabriel, der immer mehr zum deutschen Kohleminister
wird. Herr Kohleminister Gabriel, lassen Sie endlich ab
von dem Irrweg der Kohle! Schaffen Sie ein Gesetz zur
Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, das diesen Namen verdient! Und entwickeln Sie endlich eine Strategie
für Stromeinsparung! Dann wird in Verbindung mit dem
Ausbau der erneuerbaren Energien wirklicher Klimaschutz möglich.
({7})
Das Wort hat der Kollege Dirk Becker von der SPDFraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Gestatten Sie mir, bevor ich auf die - man kann nicht sagen: Argumente ({0})
zusammenhanglosen, inhaltsleeren Ausführungen einiger Oppositionspolitiker
({1})
eingehe, eine kurze Rückschau.
({2})
- Warten Sie es ab; Sie können sich gleich noch aufregen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat vor fast genau zwei
Jahren begonnen, die Novellierung des KWKGs vorzubereiten. Es gab damals ein Fachgespräch, bei dem es
darum ging, warum wir mit dem bisherigen KWKG unser Ziel - wie wir gehört haben - nicht erreichen werden.
Es wurden im Wesentlichen drei Dinge herausgearbeitet:
zum Ersten, dass neben der Modernisierung zukünftig
auch der Neubau in die Regelung einbezogen werden
muss; zum Zweiten, dass der gesamte erzeugte KWKStrom, auch der der industriellen KWK, einbezogen
werden muss; zum Dritten, dass wir uns parallel darum
kümmern müssen, die Wärme zu den Verbrauchern zu
leiten, also auch hinsichtlich der Wärmenetze Regelungen zu treffen.
Daraus ist in zwei Jahren ein Gesetzentwurf entstanden, den wir im letzten Jahr mit dem klaren Ziel vorgelegt haben, den Anteil des KWK-Stroms in Deutschland
bis 2020 zu verdoppeln.
({3})
Wir alle haben gewusst, dass das nicht einfach wird, aber
ich glaube, wir haben in sehr intensiven und langen Verhandlungen mit der Union gute Überzeugungsarbeit geleistet.
({4})
- Doch, Frau Reiche. Ich sage Ihnen nur eines: Ich habe
eben die Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs,
Herrn Schauerte, mit Interesse gehört und zu Rolf
Hempelmann gesagt: Diese Rede hätte er vor zwei Jahren noch nicht gehalten. Das zeigt die gute Entwicklung
in Ihrer Fraktion.
({5})
Liebe Kollegen der Großen Koalition, entscheidend ist
doch eines: Wir stehen heute gemeinsam für einen Entwurf gerade, der sich in der Tat sehen lassen kann.
Herr Fell, mit Verlaub: Das, was Sie eben gesagt haben, entbehrt jeglicher Grundlage.
({6})
Sie haben mittlerweile eine Standardrede, die Sie in jeder Debatte über Energiepolitik vortragen: Die Große
Koalition scheitert.
({7})
Ich sage Ihnen einmal Folgendes: Das Problem ist, dass
Sie in Ihrer Kammer bzw. Ihrem Turm sitzen und zuallererst stinksauer darüber sind, dass Sie bei der Erarbeitung dieser erfolgreichen Gesetze nicht mitgemacht
haben. Der Stachel sitzt tief.
({8})
Die Branche ist in der Lage, diese Gesetze objektiv zu
bewerten. Sowohl hinsichtlich des Erneuerbare-Energien-Gesetzes als auch hinsichtlich des KWKG sagen
uns eben nicht nur die Großen, sondern vor allen Dingen
auch der VKU und die Kleineren: Das ist ein guter Entwurf. Damit können wir jetzt etwas machen. Nehmen
Sie das einmal zur Kenntnis.
({9})
Ich will noch etwas sagen: Es scheint für manche
nicht begreifbar zu sein, was es mit dem Deckel bei der
Förderung der KWK auf sich hat. Ich weiß nicht, ob
ich noch einmal versuchen soll, das zu erklären. Rolf
Hempelmann hat gesagt, dass die SPD zunächst die Forderung des Bundesrates aufgegriffen hat, den Deckel sozusagen auf 950 Millionen Euro zu erhöhen. Wir standen vor der Überlegung, was das bedeutet hätte. Das
hätte dazu geführt, dass diese 950 Millionen Euro zwar
zur Verfügung gestanden hätten, in den ersten Jahren
aber nicht abgeflossen wären, weil die Investitionen ja
erst einmal getätigt werden müssen. Es müssen Aufträge
erteilt werden etc.
Die Branche hat uns gesagt: Uns ist es lieber, den Deckel bei 750 Millionen Euro zu belassen, die Förderung
bei Erreichen dieser Summe aber nicht zu beenden, sondern die Möglichkeit zu haben, die Förderansprüche in
die Folgejahre zu übertragen. Das heißt, jeder, der hier
investiert, bekommt sein Geld. Diese Botschaft sollten
wir auch nach draußen senden und nicht, wie Sie, verkürzt darstellen. Durch diese Regelung tragen wir dazu
bei, den Anteil von 25 Prozent zu erreichen. Jeder erhält
seine Förderung.
({10})
- Sie können hier noch 30-mal dazwischenrufen. Das
ändert nichts an der Falscheinschätzung.
Frau Höhn ist nicht mehr da; sie muss sich jetzt wahrscheinlich auf die nächste Runde vorbereiten. Die Darstellung, wir würden auch mit dem KWKG wieder nur
Geld hinter großen Konzernen herschmeißen, ist falsch.
Wenn man das Gesetz liest und auch versteht - das ist ja
ein Unterschied -, dann erkennt man zwei Voraussetzungen: Zum einen wird nur hocheffiziente KWK im Sinne
der EU-Richtlinie gefördert. Wenn man sich das durch17726
liest, dann erkennt man, dass sich die Argumentation
von Frau Höhn erübrigt.
({11})
Zum anderen wird nur der durch KWK erzeugte Anteil
gefördert. Es ist wichtig, das zu verstehen, um dem Vorwurf, das sei wieder nur ein Gesetz für die Großen, zu
widersprechen.
({12})
Ich will die ganzen inhaltlichen Punkte hier nicht
mehr aufgreifen. Herr Dr. Pfeiffer, Herr Hempelmann
und andere haben dargestellt, welche Regelungen wir
getroffen haben.
Wir haben das Ziel festgeschrieben, die gesamte
KWK zu fördern. Das gilt auch für die der kleinen Unternehmen. Das ist wichtig; denn eines ist für die Leute
draußen interessant, die wahrscheinlich immer noch
nicht wissen, über was wir bei der KWK reden: Mit der
Förderung der KWK erreichen wir auch die Großen.
Diese wollen wir auch erreichen, weil wir sie brauchen.
Wir wollen große Kraftwerke, bei denen Kraft-WärmeKopplung betrieben wird. Mit der KWK kann aber auch
jeder Häuslebesitzer zum Kraftwerksbetreiber werden.
Jeder in seinem Keller, jedes Krankenhaus, jede Universität, wirklich jeder hat die Möglichkeit, mit einer auf
ihn passend zugeschnittenen Anlage sein eigener Kraftwerksbetreiber zu werden und auf diesem Weg einen
großen Beitrag zum Klimaschutz und zur Unabhängigkeit zu leisten, weil der Energieverbrauch dadurch deutlich reduziert wird. Ich denke, das ist eine gute Botschaft
für alle Menschen in diesem Land.
({13})
Wichtig ist mir auch, zu betonen, dass die vier Gesetze, die wir heute beraten, deutlich zeigen - die Bundeskanzlerin ist jetzt leider nicht mehr da; aber das mache ich mit einem gewissen Stolz mit Blick auf die
eigene Fraktion -: Die SPD steht nicht nur, wenn es darum geht, Ziele zu vereinbaren und tolle Zahlen zu beschließen, sondern sie steht auch dann, wenn es darum
geht, diese Ziele in Gesetze umzusetzen. Darauf kann
diese Fraktion besonders stolz sein.
({14})
Zum Schluss ein Wort zu der unsäglichen Debatte gerade von Leuten, Frau Kopp,
({15})
die sich immer eines besonders großen wirtschaftspolitischen Verstandes rühmen.
({16})
- Sie beweisen hier aber ständig das Gegenteil.
({17})
Zu argumentieren, das alles führe zu mehr Belastungen
der Verbraucher,
({18})
ist eine derart kurzsichtige Betrachtung, dass sie eigentlich nicht einmal für eine Wahlperiode reicht.
({19})
Völlig klar ist, dass wir - das sollte hier mittlerweile eigentlich zum Abc gehören - eine Umsteuerung in der
Energiepolitik wollen und brauchen: hin zu erneuerbaren
Energien, zu mehr Einsparung von Energie, aber auch zu
Effizienz. Effizienz ist ein wesentliches Kriterium.
({20})
- Ja, nicht zu jedem Preis. Diese Argumentation hätte
ich gerne beim Thema Kernenergie von Ihnen gehört.
({21})
Der Umbau der Energiepolitik in diesem Land kostet
Geld. Das muss man den Menschen sagen. Wir werden
heute mit moderaten Umlagen den Menschen eine Erhöhung der Stromrechnung um 3, 4, 5 Prozent abverlangen.
({22})
Wenn Sie das nicht wollen, sind Sie diejenigen, die dafür
sorgen, dass die bisher bestehenden Energieversorgungsstrukturen beibehalten werden. Sie wollen das Geld weiter nach Saudi-Arabien und Russland schaffen.
({23})
Wir wollen eine Energieversorgung, mit der im eigenen
Land durch Effizienzmaßnahmen, durch den Ausbau erneuerbarer Energien die Wertschöpfung ausgebaut und
stärker im Land belassen wird. Davon haben alle etwas,
die Handwerker und alle Menschen in diesem Land. Wir
werden unabhängiger von Energieimporten und schaffen
neue wirtschaftliche Strukturen.
({24})
Frau Kopp, wir sind nicht nur Weltmarktführer im
Bereich klassischer Kraftwerkstechnologien, sondern
auch in den meisten Branchen der erneuerbaren Energien.
({25})
Wir wollen mit unserer Politik die Versorgungssicherheit, die wirtschaftspolitischen Aspekte, den gesamten
volkswirtschaftlichen Nutzen und den Klimaschutz unter
einen Hut bringen. Genau das geschieht heute mit den
vier Gesetzen, die wir vorgelegt haben. Ich gebe Herrn
Dr. Pfeiffer ausdrücklich recht: Es ist ein guter Tag für
die Energiepolitik in diesem Land.
Danke.
({26})
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich das Wort dem Kollegen Franz Obermeier von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die
Kraft-Wärme-Kopplung genoss in der Bundesrepublik
Deutschland in der Vergangenheit ein Schattendasein. Es
muss Gründe dafür geben, warum in der Bundesrepublik
Deutschland der Anteil der Stromerzeugung aus KraftWärme-Kopplung bei gut 12 Prozent liegt, während er in
anderen industrialisierten Ländern deutlich darüber liegt,
bis 40, 50 Prozent. Der Frage nachzugehen lohnt sich.
Die Koalitionsfraktionen haben sich des Themas angenommen und für meine Begriffe einen ersten wesentlichen Schritt zur Zielerreichung getan, nämlich eine Verdoppelung des Anteils der Stromerzeugung aus KraftWärme-Kopplung.
Nun kann man darüber philosophieren, ob wir bis
2020 das Ziel erreichen oder nicht. Dass das nicht einfach ist, wird wohl jeder Sachkundige sehen. Aber wir
haben in den nächsten zwölf Jahren Gelegenheit, nachzujustieren und dort nachzubessern, wo es sein muss.
Wo liegen die Probleme in Deutschland? Warum sind
wir in der Vergangenheit bei der Kraft-Wärme-Kopplung nicht so vorangekommen, wie wir das gern gehabt
hätten? - Bei der Gelegenheit: Solange ich den Herrn
Staatssekretär kenne, ist er ein Anhänger von Effizienz.
({0})
Er hat meines Erachtens also keinen Bedarf an Nachhilfe
in diesen Fragen.
Woran hapert es in der Bundesrepublik Deutschland
beim Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung? Meines
Erachtens haben wir nicht ein Erkenntnisproblem, sondern ein Problem bei der Verteilung der Wärme. Wir haben in der Vergangenheit viel zu wenig darauf geachtet,
dass bei neuen industriellen Produktionsanlagen stärker
Druck dahin ausgeübt wird, die notwendige Wärme in
Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung produktionsstandortnah zu erzeugen.
Das ist deswegen interessant, weil wir in den zurückliegenden Jahren schon einen Umbau der Strukturen in
der Stromerzeugung in der Bundesrepublik Deutschland
erlebt haben. Ich habe in meinem Heimatland Bayern erlebt, dass die großen Kraftwerke, Kohlekraftwerke zum
Beispiel, bis auf einen Standort stillgelegt wurden. Die
Substitution dieser Erzeugungskapazitäten ist überwiegend durch kleinere Anlagen unterschiedlichster Art erfolgt. Trotzdem haben wir mit dieser eher dezentralen
Struktur keinen nennenswerten Fortschritt in der Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung erreicht.
Das Gesetz, das wir heute beschließen, bedeutet meines Erachtens einen ganz entscheidenden Schritt, weil
wir darin wichtige Anreize für die Verbraucher, auch für
die kleineren, schaffen. Für Anlagen bis 50 kW
5,11 Cent je Kilowattstunde, das ist doch was. Das gilt
aber auch für Anlagen in der Größenordnung von 50 kW
bis 2 MW.
Ein ganz wichtiges Element dieses Gesetzes ist die
Förderung des Baus von Fernwärmeleitungen. Da haben wir natürlich ein Problem. Auf der einen Seite reduzieren wir den Wärmebedarf in Gebäuden, und auf der
anderen Seite wollen wir vernünftige Amortisationszeiten für Fernwärmeleitungen. Das ist ein Widerspruch.
Deshalb wollen wir durch die Förderung beim Leitungsbau eine Kompensation schaffen.
Frau Kopp, weil ich Sie gerade im Visier habe
({1})
- das gilt aber auch für Herrn Fell und Herrn Hill; von
Frau Höhn ganz zu schweigen -: Ich habe verfolgt, wie
Sie sich bemüht haben, etwas Kritisches herauszuarbeiten, allerdings erfolglos. Da fällt mir eigentlich nur ein:
Opposition ist Mist.
({2})
Jetzt will ich Ihnen zwei Dinge sagen: Erstens. Es
hieß, der Verbraucher werde stärker belastet. Auch in der
Opposition sollte der Grundsatz gelten, dass man sich
bei Reden vor der Öffentlichkeit wenigstens einigermaßen an den Fakten orientiert.
({3})
- Frau Kopp, wenn Sie in der Anhörung waren, haben
Sie gehört, dass die Förderung der Kraft-WärmeKopplung im Jahr 2006 850 Millionen Euro betrug.
({4})
In diesem Gesetz ist ein Deckel - das soll flexibel gehandhabt werden - von 750 Millionen Euro vorgesehen.
Wenn Sie jetzt die Gesetze der Arithmetik beachten,
({5})
stellen Sie fest: Der Verbraucher hat im Grunde genommen weniger zu tragen.
({6})
- Nicht „Was?“! Wenn 2006 850 Millionen Euro ausgegeben wurden und im Gesetz ein Deckel von 750 Millionen Euro vorgesehen ist, dann sagen Sie bitte nicht
„Was?“!
({7})
Zweitens. Sie sagen, die Förderung der Fernwärme
und die Solarthermie widersprächen sich. Nein, sie widersprechen sich nicht, weil Deutschland ein heterogenes Land mit vielfältigen Strukturen ist. Wenn jemandem eine Solarthermieanlage besser erscheint, weil er
Fernwärme nicht nutzen kann oder will, dann muss er
sich doch dafür entscheiden können.
Frau Höhn, große Töne, viel Streit, aber es kommt
nichts heraus.
({8})
Während der rot-grünen Zeit gab es keinen nennenswerten Aufwuchs bei der Kraft-Wärme-Kopplung. Sieben
Jahre hatten Sie Zeit, diese glorreiche Erkenntnis umzusetzen. Sie haben es aber nicht gemacht. Wir machen
jetzt einen Sprung. Wir möchten den Anteil der KWK an
der Stromerzeugung bis 2020 verdoppeln. Das sollten
Sie nicht schlechtreden.
Herr Kollege Obermeier, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?
Selbstverständlich.
Herr Kollege Obermeier, Sie haben ja eben meine
Rede angehört. Haben Sie auch gehört, dass ich eine Begründung geliefert habe, warum wir momentan eine so
geringe Quote von 12 Prozent haben? Können Sie bestätigen, dass die Wirtschaft im Hinblick auf die KWKQuote eine freiwillige Vereinbarung unterzeichnet hat, in
der sie sich verpflichtet hat, bis 2010 bei 20 Prozent zu
landen? Warum machen Sie dann der rot-grünen Regierung einen Vorwurf? Letzten Endes hat doch die Wirtschaft und nicht die rot-grüne Regierung versagt.
({0})
Ich kann das überhaupt nicht bestätigen. Die rotgrüne Bundesregierung hätte zur Zielerreichung einen
Gesetzentwurf vorlegen können.
({0})
- Die Selbstverpflichtungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, wie wir in der Vergangenheit lernen mussten.
({1})
Wir in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind nicht diejenigen, die freiwillige Selbstverpflichtungen als Allheilmittel in allen Ecken unserer Gesetzgebungsverfahren ansehen.
({2})
Der Umbau der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland kostet mit Sicherheit Geld; hier gebe
ich meinem Vorredner Recht. Aber diese Tatsache enthebt uns nicht der Pflicht, die kostengünstigsten Möglichkeiten zu suchen. Kraft-Wärme-Kopplung ist kostengünstig. Deswegen sind wir auf einem hervorragenden
Weg.
Vielen Dank.
({3})
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin
Gudrun Kopp das Wort.
Herr Kollege Obermeier, Sie haben versucht, meine
Rede zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und die von
mir genannten Zahlen in Zweifel zu ziehen.
({0})
Ich weise noch einmal darauf hin, dass bei der Anhörung, an der ich ebenso wie Sie, wenn ich mich recht erinnere, teilgenommen habe, ein Durchschnittsförderwert
pro Jahr von 750 Millionen Euro genannt worden ist.
Dieser Wert schwankte in den einzelnen Jahren; das ist
völlig klar.
Ich möchte, dass Sie einfach zur Kenntnis nehmen,
dass Sie mit diesem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz die
Verbraucher auf Dauer erheblich belasten. Über den gesamten Zeitraum der geplanten Förderung werden Sie
den Bürgern mindestens weitere 8 Milliarden Euro aufdrücken, und zwar auf ihre Stromrechnungen.
({1})
Da können Sie noch so sehr versuchen, die Zahlen herunterzudrücken, indem Sie davon reden, Sie planten
keine höhere Förderung, sondern blieben bei der bisherigen. Vorgesehen war, dass das Gesetz im Jahre 2010 ausläuft. Sie verlängern jetzt den Subventionszeitraum und
fördern in großem Maße Anlagen, die ohne eine Förderung, also ohne die enormen Belastungen der Stromkunden, überhaupt nicht gebaut würden, weil der erforderliche Fernwärmenetz- und Leitungsbau hohe Kosten und
Energieverluste mit sich bringt. Natürlich rechnet sich
jeder aus, inwieweit dies effizient ist.
({2})
Ich möchte Sie auch noch zum Thema Kraft-WärmeKopplung und Wärmegesetz belehren. Ich weise noch
einmal darauf hin, dass Sie im Wärmegesetz quasi eine
Zwangs-Kraft-Wärme-Kopplung verankert haben. Das
haben Sie hier in Abrede gestellt. Lesen Sie im Gesetzentwurf nach!
Wenn Sie auf der einen Seite Solarthermie - also die
Wärmeversorgung dezentral im eigenen Gebäude - fördern, aber auf der anderen Seite den Anschluss an eine
Kraft-Wärme-Kopplungsanlage im Gesetzentwurf festlegen, dann ist das kontraproduktiv. Ich bitte Sie, erst
einmal nachzudenken, bevor Sie Gegenteiliges äußern.
({3})
Zur Erwiderung Kollege Obermeier.
Frau Kopp, es tut mir leid, aber auch Ihr Nachschlag
entbehrt jeder Logik. Sie sind uns den Beweis schuldig
geblieben, an welcher Stelle Sie die zusätzliche BelasFranz Obermeier
tung der Verbraucher in Höhe von 8 Milliarden Euro sehen.
({0})
- Nein, wir müssen der Frage nachgehen.
Im Übrigen bleibt es dabei: Was wir heute beschließen, schließt eine Deckelung der jährlichen Fördersumme auf 750 Millionen Euro ein. Dabei bleibt es.
({1})
Es geht nicht an, dass die Belastung weiterhin diese
Summe übersteigt, wie es beispielsweise 2006 der Fall
war. Das bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, auch
wenn Sie meinen, uns belehren zu müssen.
Ich habe Ihre Ausführungen nicht in Zweifel gezogen.
Ich habe vielmehr festgestellt, dass Sie Fakten verdreht
dargestellt und Falschaussagen gemacht haben. Das sind
keine Zweifel; das ist ganz konkret.
Vielen Dank.
({2})
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Förde-
rung der Kraft-Wärme-Kopplung. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 16/9469, den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/8305 in
der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? -
Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Bera-
tung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Ge-
genstimmen der Fraktionen der FDP und Bündnis 90/
Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke an-
genommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist mit gleichem Stimmverhältnis angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung ein-
gebrachten Gesetzentwurf zur Öffnung des Messwesens
bei Strom und Gas für Wettbewerb. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt unter Buchstabe a
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/9470,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Druck-
sache 16/8306 in der Ausschussfassung anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. -
Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist in zweiter Beratung mit den Stimmen aller Fraktionen
bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. -
Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist mit gleichem Stimmverhältnis angenommen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft
und Technologie zu dem Antrag der Fraktion der FDP
mit dem Titel „Öffnung des Messwesens bei Strom und
Gas für Wettbewerb beschleunigen“. Der Ausschuss
empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/9470, den Antrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 16/7872 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstim-
men? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Frak-
tion Die Linke bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9432 mit dem Ti-
tel „Kraft-Wärme-Kopplung entschlossen fördern und
ausbauen“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstim-
men? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Ge-
genstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/
Die Grünen abgelehnt.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/9426 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 c sowie
Zusatzpunkte 6 und 7 auf:
32 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren
Energien im Strombereich und zur Änderung
damit zusammenhängender Vorschriften
- Drucksachen 16/8148, 16/8393 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0})
- Drucksache 16/9477 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth
Michael Kauch
Hans-Josef Fell
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Förderung Erneuerbarer Energien im
Wärmebereich ({1})
- Drucksachen 16/8149, 16/8395 17730
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({2})
- Drucksache 16/9476 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth
Michael Kauch
Hans-Josef Fell
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten HansJosef Fell, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Klimafreundlich heizen mit erneuerbaren
Energien - Das Wärmegesetz zum Motor für
Klimaschutz, Innovation und Wirtschaftswachstum machen
- Drucksache 16/9429 ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit ({3}) zu dem
Antrag der Abgeordneten Michael Kauch,
Angelika Brunkhorst, Horst Meierhofer, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Perspektiven für eine sektorale Ausweitung
des Emissionshandels sowie für die Nutzung
erneuerbarer Energien im Wärmesektor
- Drucksachen 16/5610, 16/7387 Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth
Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael
Kauch, Gudrun Kopp, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Differenzierte Mengensteuerung zur Förderung erneuerbarer Energien im Stromsektor
- Drucksache 16/8408 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({4})
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Über den von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der
erneuerbaren Energien im Strombereich stimmen wir
später auf Verlangen der FDP namentlich ab. Zu diesem
Gesetzentwurf liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich liegt
ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt
es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann
ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Ulrich Kelber von der SPD-Fraktion
das Wort.
({5})
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist Weltmeister beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Mit den Gesetzen, die wir heute
beschließen, werden wir diesen Ausbau beschleunigen.
Davon profitiert unser Land in vielfacher Hinsicht. Erstens. Ein Jobwunder wird fortgesetzt. In den letzten
zehn Jahren sind 250 000 Arbeitsplätze im Bereich der
erneuerbaren Energien entstanden. Wir legen heute die
Grundlage, dass es im Jahr 2020 500 000 Arbeitsplätze
in Deutschland sein können.
Zweitens. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird das beste Klimaschutzinstrument weiter geschärft. Ein Großteil der Minderung der Treibhausgasemissionen, die wir als deutsches Klimaschutzziel bis
2020 erreichen müssen, beruht auf diesen Gesetzen.
Drittens. Erneuerbare Energien leisten den wichtigsten Beitrag zur Energieversorgungssicherheit. Sie machen uns unabhängig von Importen. Sie sind wesentlich
weniger anfällig für Ausfälle bei Wetterextremen.
Viertens. Wir schaffen mit den erneuerbaren Energien
eine volkswirtschaftliche Lebensversicherung und für
die Haushalte die Möglichkeit, sich von steigenden
Energiepreisen unabhängig zu machen.
({0})
Ich möchte auf diese vier Punkte kurz eingehen. Es
geht nicht nur um die großen Firmen, die in den letzten
zehn Jahren entstanden sind. Manche dieser Gründungswunder grenzen an das, was um 1880 als Grundlage für
den späteren Siemens-Konzern geschaffen wurde. Wer
in den Gegenden in Ostdeutschland, in denen die Solarfirmen jeden Tag eine neue Halle hochziehen, unterwegs
ist und in die Orte seines Wahlkreises und die Städte unseres Landes geht und die Handwerker, die längst in diesen Bereichen ihr Einkommen erzielen, die Zulieferbetriebe, die mit Steuerungstechnologie Geld verdienen,
und ehemalige Fensterfirmen sieht, die ihren Schwerpunkt nun auf die Solartechnologie gelegt haben, stellt
fest: Unsere Wertschöpfung beruht zunehmend auf einer
Technologie, bei der das Geld in Arbeitsplätze im eigenen Land und nicht in den Import von Energie gesteckt
wird.
({1})
Diese Erfolgsstory, die noch vor wenigen Jahren von der
Mehrzahl der Kommentatorinnen und Kommentatoren
für unmöglich gehalten wurde, wird beschleunigt fortgesetzt. Die Reaktionen auf die von der Koalition getroffenen Beschlüsse an der Börse und bei den betreffenden
Branchenverbänden zeigen, wie viel Vertrauen in das gesetzt wird, was wir heute beschließen.
Zum Klimaschutz: Wir wollen das deutsche Klimaschutzziel, bis 2020 die Treibhausgasemissionen um
40 Prozent zu mindern, erreichen. Das ist unser Beitrag,
um die Erde lebenswert zu halten. Die Besonderheit der
erneuerbaren Energien ist, dass sie mit jedem Jahr preiswerter und nicht wie andere Technologien teurer werden. Deswegen ist es richtig, dass wir hier den Schwerpunkt setzen. Das ist der Weg in die Zukunft. Wir
erschließen mit der Technologieförderung Potenziale für
eine weitere Verminderung der Treibhausgasemissionen
über das Jahr 2020 hinaus. Wir alle wissen, wie stark der
Umbau unserer Industriegesellschaft sein muss, um in
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen um insgesamt 80 Prozent zu verringern.
({2})
Drittens. Es sind die erneuerbaren Energien - da muss
die Diskussion vom Kopf auf die Füße gestellt werden -,
die längst zur Energieversorgungssicherheit beitragen. Großkraftwerke werden abgeschaltet, wenn im
Hochsommer die Kühlflüssigkeit fehlt. Wenn große
Kraftwerke abgestellt werden müssen, wie es dieser
Tage in Slowenien der Fall war, haben Länder Schwierigkeiten, ihre Stromversorgung zu gewährleisten. Wir
sehen, dass verschiedene Entwicklungen dazu führen,
dass jedes Jahr der Preis für Strom aus der zentralen
Energieversorgung - wenige zentrale Erzeugungsblöcke,
viele abhängige Verbraucherinnen und Verbraucher weiter steigt. Zudem müssen wir damit rechnen, dass es
in verschiedenen Zulieferungsbereichen, sei es der fossilen Energieträger, sei es der nuklearen Energieträger, zu
Versorgungsengpässen kommt, weil Förderung und Verbrauch nicht mehr zusammenpassen. Es muss uns doch
alarmieren, wenn die Ölfirmen selbst zugeben, dass sie
es nicht mehr schaffen, die Ölförderung zu steigern. Die
Ölförderung auf den wichtigsten Feldern wird zurückgehen. Eine zurückgehende Förderung bei steigendem Verbrauch bedeutet explodierende Preise. Bei den heutigen
hohen Ölpreisen erinnern wir uns fast mit Wehmut an
die niedrigen Preise der vergangenen Jahre. Jeder
Schritt, mit der diese fossilen Einheiten durch Effizienz
oder erneuerbare Energien ersetzt werden, bedeutet mehr
Versorgungssicherheit für unser Land.
({3})
Deswegen ist es richtig, jetzt einen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 30 Prozent an der Stromerzeugung zu fordern. Wenn die Entwicklung bei den
fossilen und nuklearen Energieträgern so weitergeht,
dann werden daraus 35 oder 40 Prozent im Jahr 2020
werden. Wir wollen das Gleiche im Wärmebereich durch
eine Verpflichtung bei den Neubauten und durch eine
massive Förderung bei der Umrüstung bestehender Gebäude.
Letzter Punkt: Die steigenden Energiepreise bedrücken immer mehr Menschen. Es gibt Menschen, die
nicht mehr wissen, wie sie ihre Energiepreise bezahlen
sollen. Auf dieses Problem muss es eine große Anzahl
von Antworten geben. Die Menschen wollen eine Antwort der Politik. Eine dieser Antworten ist: Wir müssen
auch dafür sorgen, dass wir unabhängiger von einem
Preiskartell weniger Monopolisten werden. Die erneuerbaren Energien sind ein Teil dieser Strategie. Sie sind
eine Lebensversicherung für die Volkswirtschaft, und
sie sind eine Unabhängigkeitserklärung des Einzelnen.
Ich nenne als Beispiel die Fotovoltaik, die in den letzten
Wochen massiv angegriffen wurde. Das hat damit zu
tun, dass das die einzige Technologie ist, mit der Firmen
wie Eon und RWE in dieser Republik kein Geld verdienen können, weil die Stromerzeugung dezentral beim
Verbraucher erfolgt. Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dazu führt, dass in fünf, sechs Jahren
Strom aus einer Fotovoltaikanlage billiger ist als der
Strom aus der Steckdose. Ab diesem Tag ist die Fotovoltaik die Stromproduktion des kleinen Mannes. Wenn
man sich eine solche Anlage auf das Dach setzt, dann
macht man sich unabhängig von den Stromrechnungen.
Es wird eintreten, was in einer bekannten Werbung über
die Miete gesagt wird: Sie haben über all die Jahre vergessen, was Miete zahlen eigentlich ist. - Auf einen solchen Zustand bewegen wir uns mit den erneuerbaren
Energien zu. Deswegen ist heute ein guter Tag für die
Verbraucherinnen und Verbraucher.
Vielen Dank.
({4})
Das Wort hat der Kollege Michael Kauch von der
FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bundeskanzlerin Merkel und ihre Bundesregierung sind angetreten, um den Wärmemarkt als schlafenden Riesen im
Klimaschutz zu wekken und die Potenziale der erneuerbaren Energien zu nutzen. Doch das, was die Bundesregierung mit ihrem Entwurf eines Wärmegesetzes vorlegt, wird den Riesen nicht einmal kitzeln, geschweige
denn aufwecken.
({0})
Schwarz-Rot ist an dieser Stelle aus meiner Sicht
deutlich gescheitert; denn die großen Ankündigungen
lauteten: Wir schaffen ein Gesetz, das unabhängig von
den Haushaltsmitteln und von Steuersubventionen einen
Markt für die erneuerbaren Energien im Wärmebereich schafft. Das Gegenteil haben Sie jetzt beschlossen. Anstatt den Markt für erneuerbare Energien im
Wärmebereich zu schaffen, üben Sie Zwang und Kontrolle über die Bürger aus. Statt mehr erneuerbare Energien auf den Markt zu bringen, werden Sie mehr Bürokratie schaffen. Ihr Gesetzentwurf ist völlig unwirksam,
weil er sich insbesondere nicht mit der Frage beschäftigt,
wie wir im Altbaubestand eine Lösung schaffen.
({1})
Sie haben an dieser Stelle keine Lösung. Wir wollen
diese Nutzungspflicht nicht, nicht für den Neubau und
nicht für den Altbau. Sie wollen die Nutzungspflicht
zwar nicht für den Altbau, aber für den Neubau. Sie haben hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, der für den Altbau keinerlei positive Ergebnisse bringen wird.
({2})
Da Sie das wissen, haben Sie die Subventionen verdoppelt, anstatt sie zu senken, wie Sie es angekündigt haben.
({3})
Im Übrigen hat die Kollegin Kopp natürlich völlig
recht: Mit der Zwangsfernwärme - dass es dazu kommt,
wird durch die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs
erleichtert - schaden Sie den erneuerbaren Energien im
Wärmemarkt und Sie nutzen ihnen nicht.
({4})
Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz ist zudem willkürlich, und es ist eben nicht technologieoffen. Es ist in
der Tat ein Solarthermieförder- und ein Biogasdiskriminierungsgesetz.
({5})
Es gibt keine umweltpolitische Begründung für die
Steine, die Sie dem Biogas hier in den Weg legen. Was
wäre denn so schlecht daran, wenn man es jedem Bürger
ermöglichen würde, sich - so wie er es heute für Ökostrom tun kann - für Ökogas zu entscheiden? Das dürfen
sie nach diesem Gesetzentwurf nicht.
({6})
Sie sagen: Biogas darf nur in KWK-Anlagen genutzt
werden, wenn man die Förderung bekommen möchte.
({7})
Das ist nicht akzeptabel.
Deshalb haben wir als FDP-Bundestagsfraktion einen
Alternativvorschlag in den Deutschen Bundestag eingebracht, über den wir heute ebenfalls abstimmen werden.
Wir möchten die Brennstoffhändler verpflichten, eine
feste Menge erneuerbarer Wärme nachzuweisen. Diesen
Nachweis können sie erbringen, indem sie entweder selber beispielsweise Biogas einspeisen oder indem sie bei
den Hausbesitzern, auch bei Besitzern von Altbauten,
entsprechende Nachweise einkaufen.
({8})
Dadurch würde nicht nur im Neubaubereich - angesichts
des demografischen Wandels wird heute ohnehin nicht
mehr so viel gebaut -, sondern auch im Altbaubereich
ein Investitionsanreiz geschaffen.
Die FDP unterstützt das Ziel, den Anteil erneuerbarer
Energien am Energieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf
20 Prozent zu erhöhen. Wir wollen die Stromversorger
nicht nur mit einer Zielsetzung, sondern sogar rechtsverbindlich dazu verpflichten, den Nachweis zu erbringen,
dass sie mindestens 30 Prozent erneuerbare Energien in
den Markt bringen. Diese Rechtsverbindlichkeit geht
weiter als die reine Zielsetzung in Ihrem EEG-Gesetz.
Sie sehen also: Der FDP ist es mit der Förderung erneuerbarer Energien ernst. Worum wir streiten, sind
nicht die Ziele, sondern die Instrumente, mit denen wir
diese Ziele erreichen.
({9})
Durch die Verabschiedung der Entwürfe der Koalition
entstünden schlichtweg zu hohe Kosten und würde der
Wettbewerb zwischen den Anlagen verzerrt.
({10})
Um es deutlich zu sagen: Klimaschutz ist nicht zum
Nulltarif zu haben. Auch die Umsetzung der Vorschläge
der FDP kostet Geld. Aber wir Liberale setzen uns dafür
ein, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nur so
stark belastet werden, wie es zur Erreichung der Ziele
unbedingt erforderlich ist.
({11})
Wir Liberale stehen dafür ein, dass mit den eingesetzten Mitteln so viel erneuerbare Energie wie möglich erzeugt wird. Deshalb setzen wir darauf, dass die erneuerbaren Energien auch in den Wettbewerb untereinander
um die besten Lösungen eintreten.
({12})
Bei allen Fördermaßnahmen müssen wir im Blick haben, welche Ziele wir verfolgen. Nur bei klaren Zielen
kann man treffsichere Instrumente wählen. Das gilt gerade für den Ökostrom. Unser Ziel als Liberale in der
Energiepolitik ist es, den Dreiklang von Klimaschutz,
Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Ginge es nur um den Klimaschutz, brauchten
wir im Stromsektor kein weiteres Förderinstrument für
erneuerbare Energien; denn der Emissionshandel begrenzt die CO2-Emissionen bereits mit einem festen Deckel.
Allerdings stellt sich die Frage: Was würde unter diesem Deckel passieren? Man würde CO2-Emissionen nur
zu den geringsten Kosten vermeiden. Das würde einen
massiven Brennstoffwechsel - weg von der Kohle und
hin zum Gas - bedeuten. Das wiederum würde unsere
Versorgungssicherheit gefährden. Wenn wir also Klimaschutz wollen, ohne uns den Putins und Medwedews
dieser Welt auszusetzen, dann brauchen wir in der Tat
ein Förderinstrument für erneuerbare Energien.
({13})
Aber wir brauchen nicht unbedingt das Instrument, über
das wir heute beraten.
Die FDP plädiert weiterhin dafür, dass der Staat die
Menge an erneuerbarem Strom vorgibt und dass der
Markt dann die kostengünstigsten Möglichkeiten findet.
Lediglich bei sich noch entwickelnden Technologien wie
Solarstrom und ökologisch besonders vorteilhaften Biomasseverstromungen wollen wir zusätzliche Zuschüsse
zu den Erlösen geben.
Es bleibt dabei: Die heutige Einspeisung zu staatlich
verordneten Preisen und die selektive Förderung von
Technologien sind anfällig für Lobbyismus. Das haben
wir beim aktuellen Gesetzgebungsverfahren wieder vorgeführt bekommen. Jede Branche hat an Herrn Glos und
Herrn Gabriel herumgezerrt. Manche Branchen waren
dabei erfolgreich und manche Branchen nicht.
Bei dieser EEG-Novelle kommt es nicht darauf an, ob
die Förderung in dieser Form tatsächlich notwendig ist.
Vielmehr kommt es darauf an, ob jemand gute Kontakte
zur SPD und zur CDU hat oder nicht.
Das Paradebeispiel dafür ist die Solarstromförderung. Wir haben das unsägliche Gezerre gesehen:
7 Prozent Degression, 10 Prozent Degression, 20 Prozent Degression kam von Wirtschaftspolitikern der
Union
({14})
- vorher noch 30 Prozent -, nach dem Motto: Wer bietet
mehr? Wer bietet weniger?
Angeblich geht es doch beiden Koalitionspartnern darum, die Kostensenkungen bei der Technologie in die
Förderung umzusetzen. Ich frage mich: Wie schlampig
ist die Gesetzesvorbereitung in den Ministerien eigentlich? Wie schlampig sind die Analysen, wenn Sie bei Ihren Forderungen derart weit auseinander liegen können?
({15})
Wenn wir schon beim Lobbyismus sind: Die letzte
Partei, die sich zum Hüter der Marktwirtschaft aufspielen sollte, wie das Herr Glos immer wieder gerne tut, ist
die CSU. Einerseits hat sie sich gegen die Solarstromförderung engagiert. Andererseits gibt es keine andere
Partei, die so hemmungslos wie die CSU eine Luxusförderung für kleinste Mini-Biogasanlagen in den Gesetzentwurf geschrieben hat.
Ihnen geht es um die Landtagswahl. Die Bauern sollen für Sie stimmen. Das Ganze geht auf Kosten der Verbraucher, und zwar auch der bayerischen Verbraucher,
meine Damen und Herren.
({16})
- Die 55 Prozent werden Sie auch nicht mehr erreichen.
({17})
Trotz dieser Kritik hat sich die FDP-Bundestagsfraktion konstruktiv am Gesetzgebungsverfahren beteiligt
und Änderungsanträge eingebracht. In einigen Punkten
waren wir auch erfolgreich, beispielsweise bei der Eigenvermarktung.
Aber was ist geblieben? Geblieben sind massive
Nachteile insbesondere für größere Biomasseanlagen gerade für solche, die eine stoffliche Produktion umfassen wie beispielsweise Zellulosefabriken in Ostdeutschland. Diese werden im Gegensatz zu Ihren Kleinstanlagen in Bayern benachteiligt.
({18})
Auch die Blockheizkraftwerke, die Pflanzenöle nutzen, werden benachteiligt, wenn sie eine bestimmte
Größe überschreiten.
Ein weiteres Beispiel für die Benachteiligung großer
Anlagen ist die Leistungsbegrenzung beim Repowering
von Windkraftanlagen. Ihnen geht es keineswegs darum,
Energie so günstig wie möglich zu fördern. Ihr ausschließliches Ziel ist es, den Lobbys Genüge zu tun oder
dem Ideal einer kleinen Anlage auf dem Bauernhof zu
folgen.
Damit werden Sie aber nicht die Mengen an erneuerbaren Energien erreichen, die wir in den Strommarkt hineinbringen wollen.
({19})
Die beiden Gesetzgebungsverfahren zum EEG und
zum Wärmegesetz haben bewiesen: Die schwarz-rote
Koalition ist heillos zerstritten. Sie streiten sich wie die
Kesselflicker - zwischen den Parteien, aber insbesondere auch innerhalb der Union.
Deshalb haben wir namentliche Abstimmung beantragt. Dann werden wir sehen, ob bei der Abstimmung
auch das berücksichtigt wird, was einige Abgeordnete
der Union vorher gesagt haben.
({20})
Meine Damen und Herren, mit der Novellierung des
EEG retten Sie sich nur schleppend ins Ziel; dieses
Thema steht ja auf der Tagesordnung. Vor allem haben
Sie damit aber eine massive Verunsicherung sowohl der
Branche als auch der Verbraucher erreicht. Den Flurschaden, den Sie auf dem Gebiet der erneuerbaren
Wärme angerichtet haben, habe ich bereits beschrieben.
Mit Ihrem Gesetz werden Sie viel Bürokratie schaffen. Sie werden die erneuerbare Wärme aber nicht in den
Markt bringen. Ihr Wärmegesetz ist ein stumpfes
Schwert. So erreichen Sie Ihre Klimaschutzziele nicht.
({21})
Das Wort hat die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth von
der CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
vergangene Jahr stand ganz im Zeichen des Klimaschutzes. Die Weltklimaberichte der Vereinten Nationen
machten deutlich, dass der Klimawandel vom Menschen
verursacht ist und gravierende negative Auswirkungen
auf Frieden und Wohlstand weltweit haben könnte.
Klimaschutz und Energieeffizienz sind deshalb
Schwerpunktthemen der Großen Koalition. Während der
deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der G-8-Präsi17734
dentschaft im letzten Jahr konnte Angela Merkel ambitionierte Klimaschutzziele international vereinbaren.
Derzeit setzt Deutschland die Vorgaben der EU in nationales Recht um. Das Bundeskabinett hat deshalb das Integrierte Energie- und Klimapaket beschlossen, welches
pünktlich zur Weltklimakonferenz im Dezember letzten
Jahres vorgelegt wurde. Ein zweites, kleineres Paket
folgt noch vor der Sommerpause.
Meine Damen und Herren, während im vergangenen
Jahr der Klimaschutz im Mittelpunkt stand, steht dieses
Jahr zunehmend unter dem Zeichen steigender Energiepreise. Ein Ölpreis von zweitweise 135 Dollar pro Fass
ließ die Kraftstoffpreise auf mehr als 1,50 Euro pro Liter
steigen. Heizöl verteuerte sich im Vergleich zum Vorjahr
um bis zu 65 Prozent. Die Inflationsrate stieg infolgedessen auf bis zu 3 Prozent. Die Union nimmt deshalb die
Sorgen und Nöte der Menschen sehr ernst, die sie sich
derzeit wegen der extrem steigenden Energiepreise machen, die wiederum aus einem unguten Mix von gesteigerter Nachfrage, begrenztem Angebot und Finanzspekulationen entstehen. Leider ist nicht davon auszugehen,
dass es auf Sicht zu einer nachhaltigen Senkung der
Preise kommt.
Als Sofortmaßnahme hat die Große Koalition deshalb
eine Erhöhung von Wohngeld und Heizkostenzuschüssen beschlossen - der Gesetzentwurf hängt allerdings
derzeit im Bundesrat -; auf diese Weise wird versucht,
mit staatlichem Geld die gröbsten Härten zu mindern.
Doch das kuriert nur an den Symptomen, stellt aber
keine nachhaltige Lösung dar. Diese kann nur in der Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern
wie Öl und Gas liegen; denn die internationalen Energiemärkte werden von Angebot und Nachfrage gesteuert.
Die Nachfrage steigt, da immer mehr Menschen auf dieser Welt bei wachsendem Wohlstand immer mehr Energie verbrauchen. Doch das Angebot bleibt konstant, die
Öl- und Gasreserven gehen auf Sicht sogar zur Neige.
Erst in dieser Woche hat der französische Ölmulti Total
mit dieser Nachricht für Aufmerksamkeit gesorgt.
({0})
Ein nachhaltiges Instrument in diesem Zusammenhang ist das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Es
sieht vor, dass im Jahr 2020 14 Prozent der Wärme- und
Kälteenergie aus erneuerbaren Energien erzeugt werden.
({1})
Die Pflicht zur anteiligen Nutzung erneuerbarer
Wärme bei Neubauten aus einer Vielzahl von Energieträgern - von Sonne über Holz, Biogas bis zum Klärschlamm - kann auch durch Wärmedämmung oder Nutzung von Fernwärme, Kraft-Wärme-Kopplung bzw.
Abwärme oder durch eine Kombination entsprechender
Maßnahmen ersetzt werden. Der Union ist es besonders
wichtig, dieses Gesetz technologieoffen auszugestalten.
Das haben wir erreicht.
({2})
Aber auch Bestandsgebäude, Herr Kauch, werden im
Rahmen von Förderprogrammen, nicht von Zwangsmaßnahmen berücksichtigt:
({3})
Für das Marktanreizprogramm, das wir in das Wärmegesetz aufgenommen und mit einer Ausstattung von
500 Millionen Euro pro Jahr verrechtlicht und verstetigt
haben, sind bereits im ersten Quartal dieses Jahres fast
30 000 Anträge mit einem Fördervolumen von 26 Millionen Euro eingegangen.
Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm führte im ersten Quartal dieses Jahres bereits zu Kreditzusagen für
energieeffizientes Bauen und Sanieren in Höhe von
1,4 Milliarden Euro; das sind 44 Prozent mehr als im
Vorjahreszeitraum. Es handelt sich um ein Gesamtinvestitionsvolumen in Höhe von 2,9 Milliarden Euro.
({4})
Man kann nun wirklich nicht sagen, dass das keine Erfolgsstory ist. Das ist ein großer Erfolg, und zwar nicht
nur für das Klima und die Besitzer und Bewohner von
sanierten Häusern und Wohnungen, sondern es tut auch
dem örtlichen Handwerk gut, das von Aufträgen profitiert. Das ist Mittelstandsförderung pur.
({5})
Meine Damen und Herren, Maßstab für die Energiepolitik der Union war und ist das Zieldreieck aus Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit. Deshalb sprechen wir uns für einen
breiten Energiemix von den Erneuerbaren über Kohle
und Öl bis hin zur Kernenergie aus.
({6})
Bei der Versorgungssicherheit ist die hohe Importquote der fossilen Energieträger und deren Verfügbarkeit
in der Zukunft zu beachten. Der effiziente Einsatz und
intelligente Ersatz fossiler Brennstoffe durch in 2007
weit über 70 000 Gigawattstunden regenerativer Energie
stellt somit einen Beitrag zur Versorgungssicherheit
und Generationengerechtigkeit dar.
({7})
Die Wirtschaftlichkeit des Energiemixes ist entscheidender Standortfaktor für Industrie und Gewerbe. Während Deutschland 2006 mehr als 70 Milliarden Euro für
den Import fossiler Energieträger aus teilweise politisch
instabilen Ländern bezahlen musste, sind erneuerbare
Energien heimische Energieträger. Die 70 Milliarden
Euro sind weg; bei den Erneuerbaren findet trotz deren
Differenzkosten in Höhe von 3,3 Milliarden Euro die
Bruttowertschöpfung hier im eigenen Land statt.
({8})
Meine Damen und Herren, die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes lässt die Erneuerbaren erwachsen werden. Sie wachsen heraus aus der beschützenden
Struktur von Abnahmezwang und Vergütung. Denn wir
haben mit dieser Novelle das Gesetz auch qualitativ weiterentwickelt. Dazu gehört, dass die Erneuerbaren - zeitlich begrenzt - an den Markt gehen, aber auch zur bisherigen Vergütungsstruktur zurückkehren können. Wir
haben damit ein niederschwelliges Angebot geschaffen,
um Markt auszuprobieren.
Zudem sieht die Novelle Verordnungsermächtigungen mit Zustimmungspflicht durch den Bundestag vor,
mit der die Direktvermarktung, die Netzintegration,
nachfrageorientierte Vergütung und virtuelle Kraftwerke ermöglicht werden sollen und der Wälzungsmechanismus überarbeitet werden kann. Unabhängige Erzeuger sollen sich am Regelenergiemarkt beteiligen
können.
Daneben haben wir natürlich auch die unterschiedlichen Förderungsbedingungen für die einzelnen Energieträger neu festgelegt. 30 Prozent des Stroms aus
Erneuerbaren bis 2020 bedeuten mehr als eine Verdoppelung in den nächsten zwölf Jahren. Eine effiziente und
kostengünstige Förderung ist unabdingbar. Erneuerbare
sind nicht umsonst; aber die Kosten bleiben im Rahmen
und sind vorhersehbar: Der Gesetzesbegründung entnehmen wir, dass die Differenzkosten bis 2015 auf ein Maximum von 6,2 Milliarden Euro steigen werden. Das
EEG hat derzeit einen Anteil am Strompreis von 3 bis
4 Prozent. Eine vierköpfige Familie zahlt dafür im Moment 40 Euro im Jahr.
Bei den Fördersätzen für die Solarenergie gab es ein
besonders großes Potenzial, Anreize für mehr Effizienz
zu setzen. Deshalb haben wir gegenüber dem Regierungsentwurf eine noch stärkere jährliche Absenkung
der Vergütung zwischen acht und fast 13 Prozent vor
allem für große Anlagen über 1 000 Kilowatt festgelegt.
Hinzu kommt ein atmender Deckel, je nachdem wie sich
der Zubau der Solarenergie entwickelt.
Hinsichtlich der Biomasse haben wir neue Förderregelungen für die Nutzung von Gülle als Gärsubstrat vorgelegt. Wird Gülle direkt auf die Felder ausgebracht, ergibt sich eine Methanausgasung in großem Maße. Da
Methan wesentlich klimaschädlicher als CO2 ist, wollen
wir mit dem Güllebonus erreichen, dass die betriebseigene Gülle erst durch die Biogasanlagen gelenkt wird,
um so die Methanausgasung zu vermeiden.
({9})
Daneben verbessern wir die Bedingungen für den
Einsatz effizienter Kraft-Wärme-Kopplung sowie zur
Biogasaufbereitung und -einspeisung. Das Gas muss
dort verstromt werden, wo es Wärmesenken gibt. Das
halten wir für einen ausgesprochen zukunftsweisenden
Weg.
Den Nawaro-Bonus haben wir bei Alt- und Neuanlagen - genauso wie die Grundvergütung bei Anlagen bis
500 Kilowatt - erhöht, um den gestiegenen Substratpreisen und auch den erhöhten Anforderungen im Rahmen
des Immissionsschutzes Rechnung zu tragen.
Bei der Wasserkraft setzen wir Anreize für eine weitere ökologische Modernisierung der Anlagen, um die
vorhandenen Potenziale nachhaltig zu nutzen.
Die Geothermie lieferte zwar bislang keine bedeutenden Strommengen. Allerdings hat sie großes Potenzial, gerade grundlastfähigen Strom zu liefern.
({10})
Deshalb haben wir Anreize zu einem schnelleren Einstieg in diese Technologie gesetzt. Außerdem wollen wir
den Einsatz effizienter Kraft-Wärme-Kopplung und neuartiger HDR-Verfahren fördern.
Die Windenergie ist mit einem Anteil von 60 Prozent
am erneuerbaren Strom das Arbeitspferd der Erneuerbaren schlechthin. Den Vergütungssatz für Onshore-Anlagen, also Anlagen im Binnenland, haben wir deshalb auf
9,2 Cent erhöht, um die gestiegenen Kosten für Rohstoffe zu kompensieren. Daneben wurden die Bedingungen für das Repowering verbessert und ein Systemintegrationsbonus für die erhöhten Anforderungen an das
Einspeisemanagement der Anlagen vorgesehen.
Für Offshore-Anlagen, also Anlagen in der offenen
See, ist es uns wichtig, mit einem Frühstarterbonus und
erhöhter Vergütung die Ampeln auf Grün zu stellen, um
trotz noch erheblicher technologischer Probleme und
Herausforderungen einen zügigen Ausbau zu ermöglichen.
Die Bundesrepublik setzt mit dem IKEP und insbesondere mit den heute zu beschließenden Gesetzen für
erneuerbaren Strom und erneuerbare Wärme energiepolitische Weichenstellungen in die Zukunft. Das IKEP ist
nicht nur in der Geschichte der deutschen Klimapolitik,
sondern auch international einmalig. Es gibt kein vergleichbares Industrieland mit einem ähnlich ambitionierten und konkret ausgestalteten Programm.
Wir haben ein ausgewogenes Konzept vorgelegt, mit
dem wir unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen
können, die Versorgungssicherheit verbessern und einen
langfristig wirksamen Beitrag gegen steigende Energiepreise auf den Weg gebracht haben. Ich bitte Sie deshalb
um Ihre Zustimmung zu diesen beiden Gesetzen.
Herzlichen Dank.
({11})
Ich gebe das Wort dem Kollegen Hans-Kurt Hill,
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Erfolgsmodell.
Ich will es gleich vorwegnehmen: Die Linke wird der
Neuregelung des EEG zustimmen.
({0})
Strom aus Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Erdwärme steht für bezahlbare Energien und wirksamen
Klimaschutz. Erneuerbare Energien sichern die Strom17736
versorgung der Zukunft. Sie sind eine Investition in
den Frieden, und sie schaffen neue sichere Arbeitsplätze.
({1})
Diese Entwicklung wurde durch das EEG möglich; das
muss klar gesagt werden.
Wie nicht anders zu erwarten: Die FDP lehnt den Gesetzentwurf und damit die gesamte Erfolgsgeschichte ab.
Gut, wer sich bis auf die Knochen blamieren will, der
kann das tun. Man muss aber mit Blick auf die Debatte
der letzten Tage und Wochen feststellen: Das EEG bleibt
nur deshalb ein Erfolg, weil die CDU/CSU ihre Kettenhunde der Atomlobby „zurückgepfeiffert“ hat.
({2})
Herr Kelber, Ihnen und Ihren Kollegen gilt mein Respekt in der Sache. Ich freue mich, dass ich viele Vorschläge der Linksfraktion in der Endfassung wiedergefunden habe.
({3})
Beim nächsten Mal sollten wir - das müssen Sie mir versprechen - die Gelegenheit haben, unsere Änderungsvorschläge vor der Vorlage der Endfassung einzubringen. Denn wir wollen, dass den Netzbetreibern endlich
in Sachen Einspeisung auf die Finger geklopft und Biomasse effizienter genutzt wird.
Bei den Importen von Agroenergie ist uns der Gesetzentwurf allerdings nicht konsequent genug. Wir wollen
keine Einfuhr von Soja und Palmöl.
({4})
Wir haben gute Startbedingungen für Offshorewindenergie und Geothermie. Gleichwohl muss auch Kritik erlaubt sein; denn die Qualität des EEG hat unter dem
Dauerstreit zwischen Christ- und Sozialdemokraten doch
einigermaßen gelitten.
Beispiel Solarenergie. Die Linksfraktion hätte sich
gewünscht, dass die jährlichen Fördersätze nicht so drastisch gesenkt werden, um für die kleinen Leute, also in
Kleinstanlagen von bis zu 5 Kilowatt Leistung, die Möglichkeit der Erzeugung von Solarstrom zu erhalten.
({5})
- Frau Flachsbarth, hier fordern wir nach wie vor den
Erhalt der Degression bei 5 Prozent.
Jetzt gibt es einen atmenden Deckel - Sie haben es
ausgeführt - und, was ich erstaunlich finde, eine Erfolgsstrafe. Die Fördersätze sinken jährlich um 8 bis 10 Prozent.
({6})
Wenn mehr Solaranlagen ans Netz gehen, als im Schnitt
zu erwarten ist, wird der Zuschuss noch einmal gekürzt.
Das ist, milde gesagt, Unsinn.
Ich will aber auch einräumen, dass die großen Hersteller von Solaranlagen in der Öffentlichkeit nicht immer ein gutes Bild abgegeben haben. Hohe Gewinne
werden nicht in Deutschland investiert, und die Arbeitsbedingungen lassen zu wünschen übrig.
({7})
- Doch, doch, Herr Fell. Zwölfstundenschichten und
schlechte Bezahlung sind keine guten Voraussetzungen
für eine Zukunftsbranche. Zu Recht fordern die Gewerkschaften bessere Sozialstandards.
({8})
Dennoch entstehen vor allem in Ostdeutschland Zehntausende neue und sichere Arbeitsplätze. Man muss zur
Kenntnis nehmen: Die Solarbranche schafft echte Perspektiven für den Osten dieser Republik.
({9})
Sie ist dort eine Schlüsselindustrie.
({10})
Dennoch hat die CDU/CSU alles getan, um den Solarstrom mit dubiosen Gutachten aus der Energiewirtschaft
schlechtzureden. Meiner Meinung nach hat unser Umweltminister dem weitgehend tatenlos zugesehen.
An einem einfachen Beispiel möchte ich deutlich machen, dass sich der Klimaschutz auch mit Fotovoltaik
rechnet. Der Emissionshandel wird zwischen 2005 und
2012 zu einer CO2-Minderung von 32 Millionen Tonnen
führen. Das schafft allein der Solarstrom locker, und der
macht nur 4 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien aus. Der Emissionshandel wird die Stromkundinnen und -kunden bis 2012 rund 65 Milliarden
Euro kosten. Das ist eine ungeheure Summe, die sich allein die Energiekonzerne in die Tasche stecken. Die Kosten aus dem EEG für Solarstrom betragen nur einen
Bruchteil. Gleichzeitig sparen die erneuerbaren Energien
Kosten, da sie Importe von fossilen Energien sowie Umweltschäden vermeiden. Darüber hinaus hat die Solarbranche im letzten Jahr 4,7 Milliarden Euro investiert
und beschäftigt mittlerweile 51 000 Menschen.
Speziell für Herrn Minister Glos - er ist heute leider
nicht da, aber Herr Schauerte wird es ihm bestimmt mitteilen - möchte ich einen Vergleich ziehen: Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums waren im vergangenen Jahr in der herkömmlichen Stromwirtschaft
noch 121 500 Menschen beschäftigt. Seit Beginn der
Strommarktliberalisierung im Jahr 1998 sind das 40 000
Arbeitsplätze weniger. Bis 2020 werden hier noch einmal mindestens 45 000 Stellen abgebaut werden. Die
Branche der erneuerbaren Energien beschäftigt mittlerweile über 250 000 Menschen, den größten Teil im
Strombereich. Allein in den letzten drei Jahren sind
88 000 Arbeitsplätze hinzugekommen. Bis 2020 wird
hier eine halbe Million Menschen Beschäftigung finden.
Ich frage an die Adresse des Wirtschaftsministers: Wo
bleibt Ihr Engagement für die Energiewirtschaft der Zukunft? Was hat die gefährliche Atomenergie dem entgegenzustellen? Handeln Sie endlich, und hören Sie auf
Ihre ostdeutschen CDU-Kolleginnen und -Kollegen!
({11})
Nichthandeln ist auch der Titel des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes, das heute ebenfalls zur Abstimmung steht. Die Linksfraktion lehnt den
Gesetzentwurf der Bundesregierung als wirkungslos ab.
Die Unwirksamkeit wird darin deutlich, dass sich die
Regelungen des Gesetzentwurfes auf Neubauten beschränken. Regelungen zum Gebäudebestand, der den
überragenden Beitrag zur Energieeinsparung und zum
Klimaschutz leistet, werden ausgeklammert.
({12})
Das verschärft die soziale Lage, Frau Flachsbarth;
denn Mieterinnen und Mieter, die bei den Heizkosten unter den hohen Belastungen leiden, können von Energiesanierungen überdeutlich profitieren. Das bestätigt auch
der Deutsche Mieterbund. Eine Einbeziehung des Altbaus hätte die Wohnungswirtschaft endlich zum Handeln
gezwungen und dem Handwerk Aufträge gebracht.
Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf ein viel zu
niedriges Ziel für erneuerbare Energien im Wärmebereich angibt und das noch nicht einmal verbindlich festschreibt. Die Regelungen sind auch so ausgelegt, dass
die erneuerbaren Energien nicht nach ihrer energetischen
und klimaschutzbezogenen Wirksamkeit geordnet sind.
Sinn macht die Reihenfolge: zuerst Solar, wenn das nicht
geht, Geothermie, wenn das nicht geht, Biogas; dann erst
flüssige und feste Biomasse. Zudem können diese Regelungen durch die Ausnahmen leicht umgangen werden.
Die Linksfraktion hat deshalb einen Entschließungsantrag vorgelegt. Stimmen Sie unseren Änderungen zu, um
den Fehlgriff, der weder Heizkosten noch den CO2-Ausstoß senkt, zu beheben.
Ich fasse zusammen: Klimaschutz wird durch erneuerbare Energien erreicht und macht Strom und Wärme
bezahlbar, schafft Arbeit und sichert die Energieversorgung der Zukunft. Aber man muss es auch ernst meinen.
Danke schön.
({13})
Nächster Redner ist der Kollege Hans-Josef Fell,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die vollständige Umstellung der weltweiten
Energieversorgung auf erneuerbare Energien ist die
entscheidende Lösung, um das Klima zu schützen sowie
der Menschheit eine sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Energiequelle zu geben. Die Sonne schickt
uns noch 5 Milliarden Jahre lang jährlich viel mehr
Energie, als die Menschheit braucht. Eine industrielle
Technikrevolution für erneuerbare Energien gehört damit zu den Überlebensstrategien der Menschheit.
Die ganze Welt schaut staunend auf Deutschland, wo
sich in kürzester Zeit eine von vielen Zweiflern niemals
für möglich gehaltene industrielle Entwicklung für Solarzellen, Windkraft und Biogas entwickelt hat. Viele
neue Fabriken und Hunderttausende Arbeitsplätze wuchsen und wachsen gleichzeitig mit dem Sinken von CO2Emissionen und dem Purzeln der Preise für erneuerbare
Energien.
Ursache ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz, welches auf Betreiben der Grünen im Jahr 2000 von der rotgrünen Bundestagsmehrheit mit großem Mut durchgesetzt wurde.
({0})
Der Weitblick der damals verantwortlichen Abgeordneten wurde lange belächelt und bekämpft - bis heute von
den Liberalen und bis 2005 auch von der Union. So
wurde die damalige forschungspolitische Sprecherin der
Union, Frau Reiche, im August 2005 im Technology Review mit der Aussage zitiert:
Finden Sie es nicht seltsam, dass das ErneuerbareEnergien-Gesetz die Stromkonzerne zwingt, bestimmte Arten von Strom abzunehmen, die eigentlich nicht wettbewerbsfähig sind? Ich kann darin
keinen volkswirtschaftlichen Nutzen erkennen.
Es ist gut, dass Frau Reiche und mit ihr die Unionsfraktion ihre Meinung zum Erneuerbare-Energien-Gesetz
geändert haben.
({1})
Das resultiert jedoch aus dem nicht mehr zu übersehenden volkswirtschaftlichen Nutzen und basiert eben nicht
auf Weitblick.
Offensichtlich werden Ihre Visionslosigkeit und Ihr
fehlender Weitblick bei dem heute vorliegenden Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Sie behaupten, mit dem
Gesetz die CO2-Emissionen reduzieren zu wollen. Doch
das ist mit Ihrem Gesetz faktisch unmöglich; denn der
gesamte heutige Gebäudebestand wird von der Baupflicht nicht erfasst. Aber nur dort gibt es heute Emissionen aus Wärmenutzung und nicht bei Neubauten, weil
diese noch gar nicht stehen. Nun gilt Ihre Baupflicht
aber nur für Neubauten. Wie wollen Sie denn Emissionen verringern, die es heute noch gar nicht gibt?
({2})
Ihr Wärmegesetz ist ein Torso und passt zu Ihrem Versagen bei vielen anderen Punkten im Klimaschutzpaket.
In der heute vorliegenden Novelle des ErneuerbareEnergien-Gesetzes gibt es durchaus viel Licht. Sie bietet
viel Grund zur Hoffnung für die Branche der erneuerba17738
ren Energien. Aber auch gravierende Fehlentwicklungen
sind bereits abzusehen. Wir werden uns deshalb der
Stimme enthalten.
Wir bedauern sehr, dass Sie mit einer wichtigen Tradition in diesem Hohen Hause gebrochen haben: Vor jeder EEG-Novelle hat Rot-Grün in Verhandlungsrunden
versucht, die Zustimmung der damaligen Oppositionsfraktionen zu erreichen. Die Machtpolitik der Großen
Koalition hat das verhindert, sicherlich, weil Sie manche
der im EEG vorgesehenen drastischen Verschlechterungen nicht vorher kundtun wollten.
Wir begrüßen die deutlichen Verbesserungen bei der
Windkraft an Land und auf See. Wir vermissen aber einen eigenen Vergütungssatz für Kleinwindanlagen. Wir
begrüßen die Verbesserungen bei der Geothermie, vermissen aber solche bei den Meeresenergien. Wir begrüßen die Besserstellung bei Biogas und hoffen sehr, dass
damit viele Anlagenhersteller und Biogasproduzenten
vor dem Konkurs bewahrt werden können. In diese Notlage kam die Biogasbranche, weil die Große Koalition
nicht schnell genug auf Markteinbrüche reagierte. Wir
vermissen ganz besonders eine Stärkung der Nachhaltigkeit bei Bioenergien. Die Besserstellung von Gülleund Abwärmenutzung ist sehr gut. Wir vermissen aber
eine Nachhaltigkeitsverordnung und weitere Regelungen, die dem einseitigen Einsatz von Mais entgegentreten.
({3})
Wir haben die Sorge, dass die Erfolgsgeschichte der
Solartechnik einen Knick bekommen wird. Zwar sind
die Vorstellungen mancher Unionsabgeordneten, die die
Fotovoltaik gänzlich beenden wollten, nicht realisiert
worden; doch ein schnell wachsender Markt braucht sensible Marktunterstützung und nicht auf Jahre hinweg
starr festgelegte, drastische Vergütungssenkungen.
Unglaublich ist, dass Sie die Senkung der Vergütung
um 25 Prozent für große Dachanlagen über 1 Megawatt
bisher verschwiegen haben.
({4})
Sie haben den Umweltausschuss während der Beratung
in falscher Sicherheit gewiegt.
({5})
Die Union sprach im Umweltausschuss von einer Degression von mehr als 12 Prozent.
({6})
Mit keinem Wort war von der im Gesetz stehenden Degression in Höhe von 25 Prozent die Rede. Dadurch,
dass Sie dem Umweltausschuss den Änderungsantrag so
spät vorgelegt haben, dass eine Prüfung durch uns nicht
mehr möglich war, entstand der Verdacht, dass Sie sogar
vorsätzlich gehandelt haben, um die Ausschussberatungen nicht zu belasten.
({7})
Mit der in den Beratungen verschwiegenen 25-prozentigen Vergütungssenkung werden Sie das wichtige
Marktsegment der großen Dachanlagen zerstören. Sie
haben die Aktienmärkte im Vorfeld getäuscht und das
Vertrauen in die Politik geschmälert. Ja, auch wir Grünen glauben an eine starke Kostensenkung bei der
Fotovoltaik. Dies ist ein großer Erfolg unseres bisherigen Gesetzes. Den Vorschlag der Grünen, die Senkung
der Vergütungssätze nicht mehr starr festzuschreiben,
sondern an die Marktentwicklung anzubinden, haben Sie
im Prinzip sogar aufgenommen. Ohne unseren Vorschlag
wäre in der turbulenten Fraktionssitzung der Union am
letzten Dienstag die gesamte EEG-Novelle sogar gescheitert.
({8})
Leider haben Sie die von uns vorgeschlagenen Modalitäten nur schlampig übernommen, sodass mögliche Markteinbrüche kaum aufgefangen werden können.
({9})
Meine Damen und Herren von der Großen Koalition,
mittlerweile verwalten Sie mehr schlecht als recht den
Klimaschutz und die Energiepolitik. Zu mutigen und visionären Gesetzentwürfen, wie wir damals unter RotGrün - vom alten Stromeinspeisegesetz zum Erneuerbare-Energien-Gesetz -, haben Sie keine Kraft.
({10})
Herr Kollege Fell.
Es braucht wieder Grüne in der Regierungsverantwortung. Nur so können ein erfolgreiches Wärmegesetz
und Klimaschutz verwirklicht werden.
({0})
Für die SPD-Fraktion gebe ich das Wort der Kollegin
Waltraud Wolff.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das, was man hier zu hören bekommt, ist teilweise haarsträubend. Wollen wir doch einmal richtigstellen, lieber Kollege Fell: SPD und Grüne haben vor acht
Jahren einen tollen Einstieg in die erneuerbaren Energien und deren Nutzung erreicht.
({0})
Das ist richtig. Aber hier den Rest der Welt in den Schatten zu stellen, ist nicht richtig. In Richtung FDP möchte
Waltraud Wolff ({1})
ich sagen: Es ist nicht so, dass die Kanzlerin einen schlafenden Riesen wekken will. Der Riese ist da,
({2})
und er braucht nicht geweckt zu werden.
({3})
Über das Erneuerbare-Energien-Gesetz als Erfolgsstory haben wir hier schon in Breite diskutiert. Heute
schreiben wir die Fortsetzung. Es gilt für alle Formen
der erneuerbaren Energien, genauso wie für den Klimaschutz und für den Bereich, den ich vertrete, nämlich die
Landwirtschaft. Niemand hätte vor acht Jahren gedacht, welche Dynamik in diesem Gesetz steckt. Oder
hätte sich jemand von Ihnen möglicherweise vorstellen
können, dass Berichte zum Biogas ein ganz normaler
Bestandteil landwirtschaftlicher Zeitungen werden? Ich
glaube nicht. Wir haben - das zeigen diese Berichte eindeutig - mit dem EEG im Bereich der Bioenergien ein
zusätzliches Standbein für die Landwirtschaft geschaffen.
Diese letzten Jahre sind weder an der Technik noch an
der Landwirtschaft spurlos vorübergegangen. Mit der
Neufassung reagieren wir jetzt auf diese Entwicklungen.
Es ist ganz klar, dass ein dynamisches Gesetz immer
wieder angepasst werden muss. Etwas, was wir vor acht
Jahren nicht im Blick hatten, ist heute auch ganz klar:
Die Frage des nachhaltigen Anbaus ist in den Mittelpunkt der Debatte gerutscht. Nachhaltig heißt in dem
Fall für mich, effizient mit der erzeugten Energie umzugehen und die Konkurrenz insbesondere zu den Nahrungsmitteln zu vermeiden.
({4})
Gerade in Regionen mit intensiver Tierhaltung, wie
Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, wird durch
Biogasanlagen der Druck auf die Fläche erhöht. Auch
darauf haben wir reagiert. Wir haben zum einen die
Kraft-Wärme-Kopplung gestärkt und damit die Biomasse effizienter gemacht. Zum anderen ist es uns wichtig, ein Gleichgewicht zwischen einer verträglichen Entwicklung der Biogasproduktion und der Landwirtschaft
zu erreichen. Genau aus diesem Grund haben wir die
vorgeschlagene Kopplung des Bonus für nachwachsende
Rohstoffe an die Preisentwicklung abgelehnt. Schließlich wird auch der Schweinepreis nicht an die Preisentwicklung der Futtermittel gekoppelt. Wir brauchen hier
eine gleichgewichtige Entwicklung.
Wir haben auch eine gute Lösung für das Problem der
Konkurrenz von Mais und Boden gefunden. Wir haben
die Grundvergütung der Altanlagen und den Bonus für
nachwachsende Rohstoffe maßvoll steigen lassen. Wir
haben eine Erweiterung des Potenzials der Biomasse erreicht, indem wir den Güllebonus eingeführt haben.
Auch das war eine wegweisende Entscheidung.
Mit der jetzigen Neufassung wird der Schwerpunkt
natürlich eindeutig verschoben, weg vom Einsatz der
nachwachsenden Rohstoffe. Es werden Veredelungsbetriebe begünstigt, die biologische Reststoffe nutzen. Ich
glaube, das ist richtig. Ich weise aber darauf hin, dass
wir uns in einem dynamischen Prozess befinden. Es ist
sehr wichtig, dass wir die Erfahrungen mit dem EEG
auch in Zukunft auswerten und es anpassen.
Das ist auch aus einem anderen Grund wichtig: Nicht
zu leugnen ist der Strukturwandel weg von landwirtschaftlichen Bioenergieproduzenten hin zu Energieversorgungsunternehmen und Kapitalanlegern. Welche
Auswirkungen hat dies auf die Bioenergieproduktion?
Die Bedeutung von Gärresten in der Verarbeitung
wächst natürlich mit der Größe der Anlage. Welche Auswirkungen hat in einer solchen Situation der Bonus für
die Kraft-Wärme-Koppelung auf die Trocknung von
Gärresten?
Frau Kollegin.
Ich komme zum Schluss. - Welche Auswirkungen hat
dieser Strukturwandel auf die Landwirtschaft und auf
den Bodenbesitz? Meine Damen und Herren, im nächsten Erfahrungsbericht sollten wir bei diesen Fragen
Schwerpunkte setzen.
({0})
Frau Kollegin!
Insgesamt haben wir einen guten Gesetzentwurf vorgelegt. Ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.
Vielen Dank.
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Bärbel Höhn,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Nichts ist so überzeugend wie der Erfolg. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Riesenerfolg, ein Erfolg,
den wir Grüne mit unserem Umweltminister Jürgen
Trittin vor neun Jahren auf den Weg gebracht haben.
({0})
Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch in Deutschland beträgt heute 14 Prozent, und in
diesem Bereich wurden 250 000 Arbeitsplätze geschaffen. Diese Erfolgszahlen haben sogar die Union überzeugt, die jetzt das Erneuerbare-Energien-Gesetz fortschreibt.
Ich möchte Ihnen aus einer denkwürdigen Rede von
Herrn Dr. Pfeiffer von der Union vorlesen, die er am
2. April 2004 hier im Bundestag zum EEG gehalten hat.
In dieser Rede hat er der rot-grünen Bundesregierung
vorgeworfen, bei den erneuerbaren Energien dem Zentralismus zu frönen. Er sagte, die rot-grüne Koalition sei
auf dem Weg in die Staats- und Planwirtschaft. Weiter
sagte er - ich zitiere -:
Diesen ideologiebetriebenen Wahnsinn werden wir,
die Union, nicht mitmachen. … Hier kann man in
der Tat unseren alten Spruch wieder ausgraben:
Freiheit statt Sozialismus!
({1})
So Herr Pfeiffer vor vier Jahren. Heute steht sein Name
unter dem EEG.
({2})
Meine Damen und Herren, diesen Lernprozess finden
wir gut. Wenn Sie jetzt auch noch bei den Themen Tempolimit, Kohlekraftwerke und Autogrenzwerte von uns
lernen würden, dann wäre Deutschland beim Klimaschutz schon ein gutes Stück weiter.
Wir werden dem EEG, wie Hans-Josef Fell gerade gesagt hat, nicht zustimmen. Wir werden uns enthalten.
({3})
Das EEG ist eine Erfolgsgeschichte. Aber trotz aller Erfolge, die in den letzten Tagen noch erzielt werden konnten, weist Ihr Gesetzentwurf nach wie vor große Defizite
auf.
Erstens kann es nicht sein, dass Sie für große Dachflächen eine 25-prozentige Degression und bei Freiflächen
eine von mehr als 10 Prozent vorsehen. Wir brauchen
diese Flächen, vor allem deshalb, weil wir in der Grundlast auch Fotovoltaik einsetzen wollen. Bei diesen großen Investitionen dürfen Sie nicht nachlassen.
Der zweite wichtige Punkt betrifft die Bioenergien.
Sie fördern kleine Biogasanlagen viel stärker als bisher.
Es gibt aber noch keine Nachhaltigkeitsverordnung. Es
ist also noch nicht geregelt, wie wir das, was uns momentan umtreibt, begrenzen können. Mit diesem EEG
fördern Sie den Umbruch von Grünland zu Mais. Das
wollen wir nicht. Maismonokulturen können wir in
Deutschland nicht gebrauchen,
({4})
insbesondere deshalb, weil man durch jeden Umbruch
von Grünland letzten Endes eine negative CO2-Bilanz
produziert.
({5})
Aus diesem Grunde werden wir auch zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz Nein sagen. Es ist zwar mit
vielen Hoffnungen gestartet. Letzten Endes sind aber
alle Ankündigungen im Sande versickert. Sie beschränken sich in Ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung
Erneuerbarer Energien im Wärmebereich auf Neubauten, obwohl Sie wissen, dass 99 Prozent des Gebäudebestands Altbauten sind. Das ist nicht in Ordnung, und das
werden wir nicht mitmachen.
({6})
Frau Kollegin Höhn, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?
Ja, gerne.
({0})
- Es ist immer nett, wenn man angesprochen wird. - Ich
mache es kurz.
Sie lassen die Mieterinnen und Mieter angesichts der
steigenden Energiepreise, die zunehmend zu einem sozialen Problem werden, im Stich. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie hier mehr tun.
Zum Schluss. Herr Gabriel, so wie Sie das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz haben zerrupfen lassen,
kann man keine Klimapolitik für Deutschland machen.
Sie schaden darüber hinaus den Mieterinnen und Mietern.
Vielen Dank.
({1})
Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort der Kollegin Flachsbarth.
Frau Kollegin Höhn, Sie haben darauf hingewiesen,
dass das Bezahlen der Heizrechnung ein soziales Problem wird. Wenn wir eine Pflicht zur Sanierung der
Bestandsgebäude festgeschrieben hätten, wie sollte das
die junge Familie, die ein altes Haus gekauft hat, wie
sollten das die alten Leute, die seit Jahrzehnten in ihrer
Wohnung wohnen, bezahlen? Dazu sind diese Leute oft
nicht in der Lage. Wir würden gerade sozial schwache
Menschen in stärkste Bedrängnis bringen.
Wir haben uns dazu entschieden, nachhaltig und vernünftig zu fördern, und setzen dabei auf Freiwilligkeit.
Wer sich die Zahlen anschaut, sieht, dass wir damit Erfolg haben.
({0})
Frau Kollegin Höhn, Sie können antworten.
Frau Kollegin, ich muss sagen, dass Sie wenig Fantasie beweisen. Denn gerade junge Familien mit Kindern
leiden unter den steigenden Energiepreisen. Wenn wir
sagen, man brauchte eine Verpflichtung, schließt das
doch nicht aus, dass man zum Beispiel ContractingModelle hinzufügt und damit deutlich macht: Die hohen
Investitionen brauchen einem nicht zu schaden, die hat
man in wenigen Jahren durch die Energiekosten, die
man einspart, wieder drin.
Deshalb sage ich: Liebe Koalition, wir müssen mehr
tun, gerade für junge Familien mit Kindern, gerade für
die Menschen, die wenig Einkommen haben. Sie lassen
diese Menschen mit den hohen Energiepreisen allein und
bieten keine Lösung an. Das ist, gerade unter sozialen
Gesichtspunkten, nicht in Ordnung.
({0})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Katherina Reiche,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als 1987 im Kreis Dithmarschen der erste Windpark
ans Netz ging, haben sich wohl nur wenige vorstellen
können,
({0})
dass heute, knapp 20 Jahre später, der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung 14,2 Prozent
betragen würde. Gefördert wurde dieser Windpark übrigens, Frau Höhn, nicht von einem Umweltminister und
auch nicht von einem Wirtschaftsminister, sondern von
einem Forschungsminister: Heinz Riesenhuber hat als
Bundesminister für Forschung und Technologie ein Förderprogramm aufgelegt, um diese damals noch visionäre
Idee zu verwirklichen. Auch das Stromeinspeisungsgesetz hat eine unionsgeführte Bundesregierung auf den
Weg gebracht. Wenn man schon historische Betrachtungen unternimmt, muss man am Anfang beginnen, darf
nicht da beginnen, wo es einem gerade passt.
({1})
Mittlerweile sind die Herausforderungen andere.
China und Indien wachsen enorm. Mit 3 Milliarden
Menschen wollen diese Volkswirtschaften in die Weltwirtschaft friedlich integriert werden. Wir haben es mit
einer Verknappung von Ressourcen, von Rohstoffen und
Wasser zu tun. Insbesondere die Verknappung der fossilen Energieträger wird immer deutlicher spürbar. Auf die
dramatischen Preissteigerungen ist heute hinreichend oft
hingewiesen worden: 135 Dollar pro Barrel Öl, das hätten noch vor einem Jahr nur wenige für möglich gehalten. Gleichzeitig schreitet die globale Erwärmung voran.
Auch die Anzahl der Meldungen über Unwetterkatastrophen und Folgeschäden nimmt zu.
Man ist weltweit auf der Suche nach Lösungen. Diese
Lösungen werden vielfältig sein, so vielfältig wie die
Instrumente, die wir in dem Klimapaket vorstellen, das
wir heute zur Diskussion und Abstimmung stellen. Die
Technologien, die zur Anwendung kommen, werden
ebenso vielfältig sein. Deshalb sollten diese nach Auffassung der Union vorurteilsfrei diskutiert werden. Dazu
gehören ohne Zweifel erneuerbare Energien, aber eben
auch eine saubere Kohleverstromung und die Kernenergie. Irgendeine Quelle auszuschließen hieße eben, den
Dreisatz „sauber, sicher, sozial“ aufzugeben. Das wollen
wir nicht.
({2})
Mit den erneuerbaren Energien wird ein wichtiger
Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Sie machen uns unabhängiger von Importen. Das haben viele Vorredner
bereits betont. Klimaschutz und Energiesicherheit
sind gerade bei den erneuerbaren Energien zwei Seiten
einer Medaille. Nicht zuletzt wurde durch die eben
schon erwähnte dramatische Entwicklung der Öl- und
Gaspreise in den letzten Monaten erneut aufgezeigt, dass
wir mit der Nutzung der erneuerbaren Energien auf dem
richtigen Weg sind.
Es ist richtig - das adressiere ich insbesondere an die
FDP -: Durch die erneuerbaren Energien wird Energie
kurzfristig sicherlich nicht billiger. Wenn man aber über
den Tellerrand hinausschaut, dann stellt man sehr schnell
fest, dass wir, wenn wir jetzt nicht handeln, dieses Nichthandeln später teuer bezahlen müssen.
Mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz beschreiten wir in der Tat Neuland. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmebereitstellung lag bislang
bei 6,6 Prozent. Es gibt entsprechende Technologien,
aber es fehlt an der Marktdurchdringung.
Frau Höhn, eines möchte ich schon sagen: Sie betonen hier, wie sehr Ihnen junge Familien aufgrund der
hohen Energiepreise leidtun. Uns tun sie auch leid, aber
mit dem, was wir anbieten, dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm und dem Marktanreizprogramm, für
das mehr als doppelt so viele Mittel zur Verfügung gestellt werden als zu Ihrer Regierungszeit, bieten wir gerade für Familien und Menschen, die sich das nicht leisten können, eine Hilfe. Wir sagen nicht, dass sie das tun
müssen, aber wir stellen Mittel zur Verfügung und lassen
marktgerechte Antworten zu.
({3})
Der FDP möchte ich sagen: Sie fordern, der Staat
solle sich heraushalten. Gleichzeitig führen Sie Beschwerde darüber, dass der Altbaubestand nicht enthalten ist.
Katherina Reiche ({4})
({5})
Hätten wir ihn mit aufgenommen, dann wäre Folgendes
passiert: entweder wäre gar nicht oder verzögert investiert worden oder die Investitionen wären zerstückelt
worden. Dadurch wäre weder den Familien noch dem
Klima geholfen. Deshalb glauben wir: Die mehr als Verdopplung der Mittel für das Marktanreizprogramm, das
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in seiner jetzigen
Struktur und das CO2-Gebäudesanierungsprogramm bieten ein stimmiges Paket dafür, den Wärmemarkt zu
durchdringen und in diesem Bereich etwas zum Wohle
der Bürgerinnen und Bürger tun, mit dem wir sie nicht
überfordern, wie das bei der Umsetzung Ihrer Forderungen der Fall gewesen wäre.
({6})
Abschließend zum Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Das deutsche EEG gilt in der Welt als Modell und Vorbild dafür, wie man erneuerbare Energien im Strombereich fördern kann. Auch die Europäische Kommission
hat sich hinreichend lobend zu unserem EEG geäußert.
({7})
- Danke, Herr Kelber. Donnerwetter, Sie sind auch einmal dabei.
({8})
Mit der Weiterentwicklung werden wir auch unser
avisiertes Ziel, bis 2020 einen Anteil der erneuerbaren
Energien an der Stromversorgung von 30 Prozent zu erreichen, verwirklichen. Auch mit dem jetzigen EEG leisten wir bereits einen nicht zu unterschätzenden Beitrag.
57 Millionen Tonnen CO2 sind durch die Technologien,
die wir hier einsetzen, vermieden worden.
({9})
- Ich komme hier ganz durcheinander. Ständig kommt
Applaus von Seiten, von denen ich es nicht vermute.
Es entstehen neue Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien, aber auch im Handwerk - Maria
Flachsbarth hat es angesprochen -, also dort, wo wir Arbeitsplätze schaffen wollen. Mittlerweile sind netto über
90 000 Menschen in einem Bereich beschäftigt, der vorher nicht entwickelt war. Wir sind bei den erneuerbaren
Energien auch der Technologieexporteur.
Das wird sich aber nur unter bestimmten Voraussetzungen fortsetzen lassen. Ich muss sagen: Es war richtig,
dass wir darüber diskutiert haben, wie hoch die Vergütung sein soll und wie stark eine Degression sein muss.
Wir werden bei den Innovationen nur weiterkommen,
wenn die Degression Anreiz dazu gibt, die Technologie
zu verbessern, sodass der Erfindergeist rege bleibt; denn
die ausländische Konkurrenz ist längst aus den Startblöcken heraus. Die erneuerbaren Energien werden weltweit immer mehr zum normalen Energieträger; sie nähern sich der Marktreife. Diesen Prozess wollen wir
unterstützen.
Deshalb war es wichtig, den Regierungsentwurf zu
verbessern, nicht nur im Hinblick auf virtuelle Kraftwerke, Direkt- und Eigenvermarktung und den Wälzungsmechanismus.
Es war auch wichtig, intensiv über das Thema Fotovoltaik, über die Solarbranche, zu sprechen. Sosehr wir
uns über den damit verbundenen Zuwachs an Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern freuen - über die
entstandenen großen Cluster und die erkennbare Dynamik im Handwerksbereich -, halten wir diese Strombranche doch zumindest für diskussionswürdig; denn sie
verursacht mehr als 1 Milliarde Euro Differenzkosten,
liefert zurzeit aber nur einen Anteil von 0,6 Prozent an
der gesamten Strommenge. So war es richtig, dass sich
auch kritische Stimmen erhoben haben und es hier zu einer Verschärfung gekommen ist. Herr Fell, Sie mögen
das beklagen; aber wir halten das für eine vernünftige
Balance zwischen Anreiz und Vergütung, zwischen Erhalt von Arbeitsplätzen und Entlastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
({10})
Mit dem Anlagenregister schaffen wir erstmals ein
Instrument, um in Zukunft Klarheit über den Zubau von
Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien zu haben.
Zudem haben wir den überflüssigen Fassadenbonus gestrichen.
Dieses Klimapaket ist ein Meilenstein, ein wichtiger
Beitrag zur Energiesicherheit und zum Klimaschutz, den
Deutschland leistet; es ist in der Europäischen Union
und sicherlich auch weltweit ein Vorbild.
({11})
Das Wort hat der Minister für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist
ein schöner Tag, wenn sich die Parteien über die Frage
streiten, wer das Recht auf Vaterschaft oder Mutterschaft
für das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat. Ich finde, das
ist eine gute Entwicklung in Deutschland. Die Wahrheit
ist natürlich, dass das Stromeinspeisungsgesetz von der
CDU/CSU durchgesetzt wurde, dass Rot-Grün auf dieser Grundlage das Erneuerbare-Energien-Gesetz entwickelt hat und jetzt SPD und CDU/CSU eine gewaltige
Fortentwicklung in Angriff nehmen. Damit schließt sich
der Kreis ganz gut.
({0})
Es ist ein guter Tag, und zwar in zweierlei Hinsicht:
für die Energiewende in unserem Land, die sicherlich
auch der Energiewende in Europa einen Schub gibt, und
für den Klimaschutz. Wir haben im Hinblick auf die
Senkung der Treibhausgasemissionen heute etwa die
Hälfte des Weges zur Zielzahl für das Jahr 2020 hinter
uns gebracht. Wir wollen bis 2020 die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent senken; bis zu diesem Jahr
haben wir eine Senkung um 20 Prozent erreicht. Im Kioto-Protokoll hat sich Deutschland übrigens verpflichtet,
die Emissionen bis 2012 um 21 Prozent zu senken. Das
heißt, wir sind schon in diesem Jahr kurz vor der Zielerfüllung.
Es wäre übrigens gut, wenn andere Länder in Europa
ihre Klimaschutzauflagen genauso gut erfüllen würden
wie wir. Ich richte mich an die Grünen: Es wäre gut,
wenn Sie hier und im Europäischen Parlament nicht immer ausgerechnet die kritisierten, die derzeit in Europa
Vorreiter bei der Verfolgung der Klimaschutzziele sind,
sondern mit denen redeten, die weit hinter den vertraglichen Vereinbarungen zum Klimaschutz zurückbleiben.
({1})
Bis 2020 liegt noch eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 20 Prozentpunkte vor uns. Mit der Verabschiedung der vier Gesetze, über die wir heute debattieren, schafft der Deutsche Bundestag die Grundlage für
die Bewältigung der Hälfte dieses Weges: Mit den Gesetzen zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren
Energien im Strombereich, zur Förderung Erneuerbarer
Energien im Wärmebereich, zur Förderung der KraftWärme-Kopplung und zur Öffnung des Messwesens bei
Strom und Gas schaffen wir bis 2020 eine Senkung um
weitere 10 Prozentpunkte. Damit leisten wir einen Beitrag zur Einhaltung unserer Klimaschutzziele. Das ist ein
gewaltiger Schritt nach vorne. Ich kenne kein anderes
Land in Europa und auf der Welt, das solch eine Vorreiterrolle einnimmt und das in der Praxis umsetzt, was in
vielen anderen Ländern bisher nur theoretisch diskutiert
wird.
({2})
Wir verdoppeln den Anteil der Stromproduktion aus
Kraft-Wärme-Kopplung. Ich habe vorhin interessiert
dem zugehört, was von den Grünen erklärt wurde. Zwischen 2002 und 2007 stieg der Anteil der Stromproduktion aus Kraft-Wärme-Kopplung von 9 Prozent auf gerade mal 12 Prozent.
({3})
Sie sind diejenigen, die froh darüber sein müssten, dass
wir es endlich schaffen, die industrielle Kraft-WärmeKopplung, also Erzeugung von Strom und Wärme, in die
Förderung hineinzunehmen. Sie haben in der Vergangenheit Vorschläge zur Förderung von Bestandsanlagen gemacht und dafür 5 Milliarden Euro vorgesehen. Wir fördern neue Anlagen zum Ausbau der Kraft-WärmeKopplung in der Industrie. Das ist der vernünftige Weg.
Deswegen schaffen wir die Verdoppelung. Sie sollten
froh sein, dass wir das machen, und in der Öffentlichkeit
nicht das Gegenteil erzählen.
({4})
- Herr Fell, ich kann nichts dafür, dass Sie sich in Ihrer
Fraktion zum damaligen Zeitpunkt nicht haben durchsetzen können.
Im Erneuerbare-Energien-Gesetz lautet bislang das
Ausbauziel: 20 Prozent Anteil der erneuerbaren Energien am Strommarkt bis 2020. Jetzt wollen wir mindestens 30 Prozent erreichen. Herr Fell erklärt immer, wir
sollten 100 Prozent schaffen.
({5})
Wie nahe wir an dem sind, Herr Fell, was der Bundesverband Erneuerbare Energie sozusagen für den Optimalfall
hält, können Sie daran ermessen, dass dieser Verband
sagt, wir könnten bis 2020 35 Prozent schaffen. Wir wollen nun mindestens 30 Prozent erreichen. So weit liegen
wir und sozusagen der Haupttreiber der Branche nicht
auseinander. Das ist ein Riesenerfolg. Darum haben wir
in den Debatten gerungen, aber es ist wirklich auch ein
riesiger Beitrag zum Klimaschutz und zu mehr Unabhängigkeit von Energieimporten.
Ich staune darüber, was hier im Bundestag von Grünen und von der FDP zum Wärmegesetz erzählt wird.
Herr Kollege Kauch, Sie müssen sich jetzt einmal entscheiden. Erst sagen Sie, wir würden den Leuten zu viel
Geld aus dem Haushalt geben, und dann erklären Sie,
Ordnungsrecht wollten Sie auch nicht. Wenn Sie weder
Geld geben, noch Ordnungsrecht schaffen wollen, dann
werden Sie erneuerbare Energien im Wärmesektor wohl
gar nicht fördern können. Das wäre dann allerdings in
der Tradition Ihrer Partei zu dem Thema.
({6})
An die Grünen gerichtet sage ich: Frau Kollegin
Höhn, Sie sind wirklich eine professionelle Anscheinserweckerin, wenn Sie versuchen, durch Lautstärke Inhalte zu überdecken.
({7})
Sie haben eben erklärt, wir würden den Familien nicht
helfen. 130 Millionen Euro betrug die Förderung der
Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien real im
Jahr 2005. Im Jahr 2008 beträgt sie 350 Millionen Euro.
Die Fraktionen haben sich außerdem darauf verständigt,
dass sie in den nächsten Jahren weiter aufwächst. Das
sind Fördermittel für junge Familien genauso wie für Ältere, für jeden, der in dem Bereich etwas machen will.
Nichts davon haben Sie in Ihrer Rede erwähnt. Sie sind
eine professionelle Anscheinserweckerin. Sie diskreditieren Politik und sagen nicht die Wahrheit über das, was
wir hier heute verabschieden.
({8})
Dass wir keine Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energien im Altbaubereich schaffen, liegt schlicht
und ergreifend daran: Ich glaube nicht, dass die Länder
ein paar Tausend Leute für die Polizei einstellen werden,
damit vor Ort überprüft werden kann, ob jemand seinen
Kessel austauscht, um erneuerbare Energien zu nutzen.
Im Neubau ist das möglich. Im Altbaubereich wollen wir
Finanzmittel zur Verfügung stellen.
An die Adresse der FDP sage ich: Das ist ein Beitrag
zur Senkung der Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Frau Kopp, Sie tun so, als ob wir immer nur
Kosten auslösen. Die Wahrheit ist: Wer 10 000 Euro in
eine Solarthermieanlage investiert, bekommt jetzt ungefähr 1 000 Euro Zuschuss, und in wenigen Jahren wird
sich das rentieren, weil die Heizkostenrechnungen deutlich sinken. Das ist der Gegenstand des Gesetzes. Wir
helfen, Geld zu sparen, wir schaffen Jobs im Handwerk,
und wir tun etwas für das Klima. Das ist die Wahrheit
über die Gesetze, die wir heute hier beraten und verabschieden.
({9})
Zu der Frage, warum wir kein Bioöl zur Verbrennung
zulassen.
({10})
- Biogas und Bioöl. Um beides ging es in der Debatte
mit den Mineralölhändlern. - Herr Kauch, ich würde
nicht das tun, was Sie gemacht haben, nämlich eine solche Rede halten und dann anderen den Vorwurf des Lobbyismus machen, um das einmal ganz zurückhaltend
auszudrücken. Vor ein paar Wochen haben Sie eine ganz
interessante Debatte über die negativen Auswirkungen
der Verbrennung von Biokraftstoffen geführt und vorgebracht, dass es ineffizient ist, wenn man Biokraftstoffe
einfach nur verbrennt. Jetzt fordern Sie sozusagen die
Potenzierung ein, indem Sie sagen: Erneuerbare Energien, das ist, wenn man dem Mineralöl ein bisschen
Bioöl und dem Gas ein bisschen Biogas zumischt. - Das
können Sie doch nicht ernsthaft machen! Das, was Sie
heute gefordert haben, ist doch das Gegenteil dessen,
was Sie hier vor vier Wochen lautstark verkündeten. Die
Politik, die Sie hier betreiben, passt hinten und vorne
nicht zusammen.
({11})
Wir haben im Erneuerbaren-Energien-Gesetz den
Einsatz von Palmöl und Sojaöl beim Betreiben von
Blockheizkraftwerken de facto ausgeschlossen. Das,
meine Damen und Herren von den Grünen, ist der erste
Schritt zur Nachhaltigkeit. Wir sorgen mit diesem Gesetz dafür, dass das, was nicht nachhaltig angebaut worden ist, in Deutschland nicht eingesetzt werden darf. Im
alten Gesetz war das nicht ausdrücklich so geregelt. Es
gibt bei uns tausend Anlagen, in denen diese Öle eingesetzt werden. Dies beenden wir nun. Dann werden wir in
der EU Nachhaltigkeitskriterien durchsetzen. Nur das,
was die EU in diesem Jahr dazu verabschieden wird,
wird für den deutschen Markt zugelassen werden. Ansonsten verbieten wir den Einsatz von Palmöl und Sojaöl
im Rahmen der erneuerbaren Energien, und das ist auch
dringend notwendig.
({12})
Herr Minister, der Herr Kollege Kauch möchte eine
Zwischenfrage stellen.
Wenn ich am Ende noch Redezeit übrig habe, Frau
Präsidentin, dann herzlich gerne.
Der zweite wichtige Punkt betrifft die Anzahl von
Jobs; darauf ist schon hingewiesen worden. Wir wollen
die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich von
250 000 auf mindestens 400 000 steigern.
Eine letzte Bemerkung zu den Kosten der erneuerbaren Energien: Hier wird so getan, als löste die Beibehaltung der jetzigen Energiepolitik, lieber Herr Kauch, liebe
Frau Kopp und die FDP-Fraktion, keine Kosten aus. Ich
weiß nicht, ob an Ihnen die gesamte Klimadebatte mitsamt den Berechnungen der Folgekosten des Klimawandels vorbeigegangen ist. Wir haben heute Kosten, die
aber die Allgemeinheit zahlt: für Fluten, Flüchtlingsströme, Überschwemmungen, aber auch für Trockenheit
und Dürre. Wenn wir nichts dagegen tun, dann wird es
bei dieser Form von Schadenssozialismus bleiben, womit ich meine, dass der Schaden auf die Allgemeinheit
abgewälzt wird. Das scheint Ihre Politik zu sein. Wollen
Sie dies nicht, dann gilt wirtschaftspolitisch das, was Sie
auch ansonsten fordern: Wenn man Gewinn machen
will, muss man vorher investieren. Deshalb investieren
wir jetzt in den umfassenden Ausbau erneuerbarer Energien, damit unsere Kinder und Enkel, aber auch wir
selbst davon endlich profitieren können.
({0})
Herr Minister, die Kollegin Höhn würde auch gern
eine Zwischenfrage stellen.
Das verstehe ich; aber da gilt leider dasselbe wie für
den Kollegen Kauch.
Meine Damen und Herren, wir müssen unabhängiger
werden. Heute zahlt jeder Haushalt in Deutschland
3 Euro pro Monat für den Ausbau erneuerbarer Energien. Dieser Betrag wird in der Tat bis 2015 auf 5 Euro
im Monat ansteigen. Nun kann man sagen, dies sei zu
viel. Ich aber sage Ihnen Folgendes: Erstens werden dadurch mindestens 400 000 Arbeitsplätze geschaffen. Es
ist teurer, wenn diese Leute zum Arbeitsamt geschickt
werden; dies kostet die Verbraucherinnen und Verbraucher
mehr Geld. Zweitens sind, um es offen zu sagen, für die
Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder 3 oder 5 Euro im
Monat verdammt preiswert. Deswegen stehen wir zu
dieser Form der Förderung. Bei anderen Technologieförderungen - vom Airbus bis zur Kernenergie - hat sich
niemand so aufgeregt, wie es heute bei den erneuerbaren
Energien der Fall ist, obwohl wir hier etwas schaffen,
was dem Hochtechnologiestandort Deutschland nützt
und dazu beiträgt, dass Deutschland auf diesem Gebiet
Exportweltmeister bleiben kann und bei uns eine Vielzahl von Arbeitsplätzen entsteht.
Jetzt, Frau Präsidentin, gebe ich gern Antworten auf
Zwischenfragen, wenn Sie es noch wollen.
Nein, das kann ich jetzt nicht mehr wollen, weil Sie
Ihre Redezeit bereits überschritten haben, Herr Minister.
Frau Präsidentin, das bedauere ich zutiefst. - Ich
hoffe, dass wir zu einer guten Abstimmung kommen,
und freue mich darüber, dass wir heute bei der Energiewende und beim Klimaschutz einen so großen Schritt
nach vorne machen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({0})
Jetzt gebe ich dem Kollegen Kauch das Wort zu einer
Kurzintervention.
Herr Minister, es ist bei Ihnen inzwischen gute
Übung, nach Frau Höhn und mir zu reden, weil Sie offenkundig Angst vor den Reaktionen der Opposition haben. Außerdem können Sie uns dann die Worte im
Munde herumdrehen. Das ist heute wieder einmal geschehen.
({0})
Es ist nicht hinzunehmen, dass Legendenbildung betrieben wird, insbesondere was die Frage der Biogasnutzung angeht. Meine Bemerkung, dass es ökologisch unsinnig ist, Biogas nur in KWK-Anlagen einsetzen zu
dürfen, während das fossile Erdgas in Gasheizungen verbrannt werden darf,
({1})
dass der umgekehrte Fall aber auch kein ökologischer
Vorteil wäre, bezog sich auf Biogasanlagen, bei denen
beispielsweise vorher Gülle und organische Reststoffe
eingesetzt worden sind. Es ging nicht darum, Palmöl zu
Heizzwecken in den Tank eines Einfamilienhauses füllen zu wollen, wie Sie es uns vorgeworfen haben.
({2})
Das ist unredlich. Dies hat die FDP niemals gefordert.
({3})
Wir sind darüber hinaus der Meinung, dass die Nachhaltigkeitsverordnung, die Sie vorbereiten wollen, ein
stumpfes Schwert ist. Die Nachweise, die Sie beim
Palmöl anerkennen wollen, stammen aus Ländern, in denen Korruption herrscht und in denen von Good Governance keine Rede sein kann. Insofern machen Sie dem
deutschen Volk etwas vor, wenn Sie feststellen, dass Ihre
Nachhaltigkeitsverordnung dazu beiträgt, den Regenwald zu schützen. Das wird nicht der Fall sein. Deswegen sind wir gerade bei Neuanlagen dafür, dass Blockheizkraftwerke nicht mit Palmöl betrieben werden
dürfen.
({4})
Herr Minister, die Kollegin Bärbel Höhn hat sich
noch zu einer Kurzintervention gemeldet. Würden Sie
beide Kurzinterventionen zusammen beantworten? - Ich
danke Ihnen.
Frau Höhn, Sie haben das Wort.
Herr Minister, Sie haben mir eben vorgeworfen, ich
sei eine professionelle Anscheinserweckerin. Ich muss
ehrlich sagen: Sie sind ein professioneller Ankündiger.
Insofern müssen Sie sich damit auseinandersetzen, dass
wir überprüfen, ob Sie Ihre Ankündigungen auch umsetzen.
Im Meseberg-Paket hatten Sie vor, im ErneuerbareEnergien-Wärmegesetz bei Altbausanierungen eine Nutzungspflicht von 10 Prozent erneuerbarer Energien einzuführen. In diesem wichtigen Punkt ist es jetzt zu einer
Änderung gekommen, indem Sie von den 10 Prozent
Abstand genommen haben. Ist das richtig? Ja oder nein?
Herr Minister, jetzt haben Sie die Möglichkeit, zu antworten.
Frau Kollegin Höhn, in Meseberg haben wir damals
beschlossen, keine zusätzlichen Fördermittel für die Altbausanierung aufzubringen; wir wollten das sozusagen
ordnungsrechtlich regeln. Dann haben wir festgestellt,
dass wir bei einem riesigen bürokratischen Aufwand den
Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch
in Altbauten nur um rund 1 Prozent steigern würden. Ich
will das an einem Beispiel verdeutlichen. Bei einer Altbausanierung - diese liegt zum Beispiel dann vor, wenn
ein Kessel ausgetauscht und zwei oder drei andere Maßnahmen durchgeführt werden - war eine Nutzungspflicht für erneuerbare Wärme vorgesehen. Wir sind davon ausgegangen, dass jemand, der diese Verpflichtung
umgehen will, die geplanten Maßnahmen auf zwei Jahre
aufteilen würde. Dann hätten wir keine Chance gehabt,
ihn zur Nutzung von erneuerbarer Wärme zu zwingen.
Des Weiteren hätten nach der vorgesehenen Regelung
bis zum 31. Dezember 2008 alle, die eine Altbausanierung durchgeführt hätten, Fördermittel bekommen; ab
dem 1. Januar 2009 hätten wir aber unter Hinweis auf
die dann geltenden ordnungsrechtlichen Vorgaben die
Förderung wieder eingestellt. Das hätte kein Mensch
verstanden.
Deswegen haben wir unser Vorhaben geändert. Wir
haben auf die Vorschrift in Bezug auf die Altbauten verzichtet; dafür erhöhen wir aber massiv die Fördermittel.
Ich bin sicher, dass den Bürgerinnen und Bürgern damit
weit mehr geholfen ist als mit ordnungsrechtlichen Vorgaben, die man nicht vollziehen kann, weil ihnen jeder
entgehen kann, und mit denen wir den Menschen auch
noch die Möglichkeit nehmen, staatliche Fördermittel zu
bekommen. Ich bin sicher, dass das der klügere Weg ist.
Wir sind klüger geworden. Sie werden es vielleicht
auch noch, Frau Kollegin Höhn.
({0})
Herr Kauch, Sie haben sich darüber beschwert, dass
ich nach Ihnen geredet habe. Das ist gelegentlich notwendig, wenn man vermeiden will, dass im Bundestag
unwidersprochen Ausführungen gemacht werden, die
mit dem Thema, über das wir diskutieren, relativ wenig
zu tun haben.
Sie haben ein Beispiel angeführt. Sie können auch
nach dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz Biogas
einsetzen, und zwar in Verbindung mit einer hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung. Wenn Sie das kritisieren, dann bleibt nur eine Alternative, die wir ausdrücklich nicht wollen, nämlich die reine Beimischung von
Biogas oder Bioöl. Das haben Sie in Bezug auf die Mineralölhändler gefordert.
Wir wollen das nicht; denn es ist ineffizient. Wir wollen den Einsatz von Biogas an die Kraft-Wärme-Kopplung binden. Wir wollen die vorhandenen Probleme im
Zusammenhang mit der Biomasse nicht dadurch verschärfen, dass diese ineffizient verbrannt wird.
Das ist die Antwort auf Ihre Frage. Es macht durchaus
Sinn, gelegentlich erst einmal Ihre Ausführungen zu verfolgen und anschließend darauf hinzuweisen, dass das
nur begrenzt etwas mit der Realität gemein hat.
Vielen Dank.
({1})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben noch
zwei Redner. Ich bitte, den Rednern zuzuhören und die
Gespräche vielleicht außerhalb des Saales fortzusetzen.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Georg Nüßlein,
CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Kauch, Angst vor der Opposition und
speziell vor der FDP muss an dieser Stelle niemand haben; denn Ihre Reaktionen sind so reflexartig, dass wir
sie alle schon kennen.
({0})
In steter Regelmäßigkeit bieten Sie uns ein Quotenmodell
als Ersatz für das EEG und nun auch für das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz an, weil es viel besser sei.
Wenn Sie sich damit ernsthaft befassten, könnten Sie im
europäischen Vergleich sehen: Der Ausbau läuft überall
dort besser, wo es ähnliche Modelle wie das unsrige gibt.
Vor allem sind die erneuerbaren Energien dort sehr viel
günstiger, wo es Einspeisegesetze gibt, als dort, wo es
Quoten gibt. Für mich ist entscheidend: Sie lieferten mit
einem Quotenmodell den großen Konzernen das Thema
erneuerbare Energien frei Haus.
({1})
Die Landwirtschaft und der Mittelstand kommen bei Ihnen gar nicht vor. Dabei gerieren Sie sich sonst als Verfechter des Mittelstandes. Ich bitte Sie, darüber ernsthaft
nachzudenken.
({2})
Herr Hill, Sie haben von den Kettenhunden der Atomlobby gesprochen. Abgesehen von der Wortwahl, hat
niemand außer Ihnen über die Kernenergie geredet. Wir
wollen das an dieser Stelle auch nicht vertiefen. Aber eines ist wahr: Wir von der Union stehen hinter dem Ziel,
den Anteil der erneuerbaren Energien - so steht es im
Gesetz - auf mindestens 30 Prozent auszubauen. Somit
bleiben 70 Prozent übrig.
({3})
Darüber, wie dieser Strombedarf gedeckt werden soll,
müssen wir irgendwann im Deutschen Bundestag mit
Vernunft und Augenmaß diskutieren. Dann spielt die
Kernenergie sicherlich wieder eine Rolle.
({4})
Diese Debatte müssen wir aber an anderer Stelle vertiefen.
Zur Fotovoltaik. Sie haben kritisiert, dass es bei uns
eine Diskussion darüber gab, wie die Degression und die
Vergütung der Fotovoltaik ausgestaltet werden sollen.
Ich sage Ihnen offen: Diese Diskussion ist notwendig.
({5})
Niemand von uns kennt die Erfahrungswerte und damit
die Kostendegressionsmöglichkeiten der Unternehmen,
die in diesem innovativen Bereich tätig sind. Aber es
muss uns darum gehen, die Vergütungssysteme so auszugestalten, dass sie das Ganze möglichst präzise abbilden, um die Unternehmen zu Innovationen anzuhalten
und sicherzustellen, dass Kostensenkungspotenziale
weitergegeben werden.
({6})
Deshalb haben wir diese Diskussion zu Recht geführt.
Wir sind am Ende zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen. Wir führen die Degression nicht mit Schwung
zurück und schauen dann, wer übrig bleibt, sondern wir
gestalten das Ganze ausgewogen, verlässlich und planbar, sodass die Unternehmen wissen, wohin die Reise
geht.
({7})
- Eine Diskussion, die lange währt, wird am Ende gut.
Sie sollten manchmal ein bisschen länger abwägen, bevor Sie hier etwas vortragen, Herr Hill.
({8})
Die Fotovoltaikbranche ist aufgefordert, die Diskussion ernst zu nehmen. Sie sollte vorangehen und so dafür
sorgen, dass wir die kommenden Diskussionen, die es
bei zukünftigen Novellierungen des EEG geben wird,
bestehen können. Um das Ganze qualifiziert nachprüfen
zu können, schaffen wir nun ein Anlagenregister, das für
mehr Transparenz sorgen wird, sodass man sehen kann,
wie sich die Branche entwickelt. Das halte ich für ganz
entscheidend.
Frau Höhn, lassen Sie mich etwas zu Ihrer pauschalen
Kritik im Zusammenhang mit dem Thema Biomasse sagen. Sie sprechen von Maismonokulturen. Liebe Frau
Höhn, wenn ich mich recht erinnere, waren Sie einmal
Landwirtschaftsministerin. Sie sollten daher wissen, was
man unter guter fachlicher Praxis versteht. Dass Maismonokulturen dem entgegenstehen, wissen Sie doch
selbstverständlich. Deshalb bitte ich Sie, bei Wahrheit
und Klarheit zu bleiben und nicht solche Behauptungen
aufzustellen.
({9})
Sie schaden einer Branche, die - Gott sei Dank - sehr
landwirtschaftlich geprägt ist. Bei alledem, was wir bei
den Vergütungssystemen getan haben - angefangen vom
Güllebonus über die Überarbeitung der Positiv/NegativListe bis hin zur Gewichtung der Grundvergütung im
Vergleich zum Nawaro-Bonus -, war unser Ziel, die
Konkurrenzfähigkeit der Landwirtschaft gegenüber
den großen Playern in diesem Bereich zu sichern und zu
erhalten. Ich glaube, das ist ein hehres Ziel, das in weiten
Teilen strukturpolitisch so vertreten werden muss.
Herzlichen Dank.
({10})
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Marko Mühlstein, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Heute ist ein historischer Tag für die deutsche
Energiepolitik. Mit der zweiten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes stellen wir einen Tag nach dem
Weltumwelttag die Weichen für einen nachhaltigen
Energiemix. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz - das
kann man an der Stelle sagen - ist eine einmalige Erfolgsstory. Heute haben die erneuerbaren Energien im
Strombereich bereits einen Anteil von 15 Prozent. Das
heißt, bei der morgigen Eröffnung der Fußballeuropameisterschaft wird jedes siebente Fernsehgerät mit erneuerbaren Energien funktionieren.
({0})
Wenn wir unser Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln, erreichen werden, dann wird bereits bei der Europameisterschaft im
Jahr 2020 jedes dritte TV-Gerät mit erneuerbaren Energien laufen.
({1})
Bei der Beratung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz standen wir - das ist bekannt - vor zahlreichen Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Solarenergie, im Bereich der Windenergie und ganz besonders
im Bereich der Bioenergie. Dort haben wir - darauf
möchte ich detaillierter eingehen - gute Regelungen gefunden, um vor allem eine verstärkte Nutzung der Wärmeenergie bei Biogasanlagen zu ermöglichen und den
3 800 be-stehenden Biogasanlagen eine wirkliche Zukunft zu geben. Die Diskussion über die Lebensmittelkonkurrenz im Bereich der Bioenergie hat uns in den
letzten Wochen und Monaten sehr intensiv beschäftigt.
Ich denke, dass wir eine gute Balance zwischen der energetischen Nutzung von Agrarrohstoffen und der von
vielfach anfallenden Reststoffen hergestellt haben.
Ich komme aus Sachsen-Anhalt, einem Bundesland,
wo der Ausbau der erneuerbaren Energien fest mit der
Schaffung von über 10 000 Arbeitsplätzen verbunden
wird.
({2})
Ich bin mir sehr sicher, dass diese wirkliche Wachstumsbranche der letzten Jahre durch die Maßnahmen, die wir
mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz getroffen haben, weitere
Impulse erhält. Ich möchte mich sehr herzlich bei meinen Kollegen Dirk Becker und Ulrich Kelber für das
Engagement und die intensive Zusammenarbeit bedanken, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen der
CDU/CSU. Ich denke, das waren spannende, aber auch
erfolgreiche Wochen der Beratung.
({3})
Diese Gesetze - das Erneuerbare-Energien-Gesetz,
das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - sind die einzig richtige
Antwort auf die Herausforderungen des Klimaschutzes,
sie führen zu Energieeffizienz und sorgen für eine nachhaltige Energieversorgung. Ich freue mich, dass wir es
geschafft haben, die CDU/CSU auf die richtige Seite zu
bekommen. Mithilfe des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
werden wir die energiepolitischen Herausforderungen
der nächsten Jahre meistern, genau wie unsere Fußballnationalmannschaft die Europameisterschaft 2008 meis17748
tern wird. Wir legen heute mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz den Ball auf den Elfmeterpunkt. Nun muss
die Branche der erneuerbaren Energien ihn verwandeln.
Beiden wünsche ich maximale Erfolge mit neuer Energie.
Herzlichen Dank.
({4})
Ich schließe die Aussprache.
Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, weise ich
darauf hin, dass wir nach der namentlichen Abstimmung
noch etliche strittige Abstimmungen durchführen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien
im Strombereich und zur Änderung damit zusammen-
hängender Vorschriften. Mir liegen einige Erklärungen
zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung vor.1)
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 16/9477, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksachen 16/8148 und 16/8393
in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejeni-
gen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt da-
gegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit
in zweiter Beratung mit den Stimmen der Linken, der
SPD und der CDU/CSU bei Enthaltung der Grünen und
Gegenstimmen der FDP angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Wir stimmen nun über den Ge-
setzentwurf auf Verlangen der FDP namentlich ab. Ich
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorge-
sehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? -
Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.2)
Ich setze die Abstimmungen fort und bitte die Kolle-
ginnen und Kollegen wirklich, die Plätze einzunehmen.
Wenn Sie dies nicht tun, ist es für mich hier oben sehr
schwierig, die Mehrheiten festzustellen.
Tagesordnungspunkt 32 a. Die Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD haben beantragt, die Entschließung
unter Ziffer II der Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf
Drucksache 16/9477 zur Beratung an den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie gemäß § 82 Abs. 3 der Ge-
schäftsordnung zurückzuverweisen. Mitberatungen
1) Anlagen 2 bis 5
2) Seite17750 D
durch andere Ausschüsse sind nicht mehr vorgesehen.
Wer stimmt für die von den Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD beantragte Zurückverweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie? - Wer stimmt
dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag auf Zurückverweisung ist bei Gegenstimmen der Grünen mit den Stimmen des Hauses im Übrigen angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/9511? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von
CDU/CSU, SPD und FDP bei Gegenstimmen der Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 32 b: Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/9476, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksachen 16/8149 und 16/8395
in der Ausschussfassung anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf
ist damit auch in dritter Beratung mit den Stimmen der
Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen.
Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben beantragt, die Entschließung unter Ziffer II der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit auf Drucksache 16/9476 zur Beratung an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zurückzuverweisen. Mitberatungen durch andere Ausschüsse sind nicht mehr vorgesehen. Wer
stimmt für die von den Fraktionen der CDU/CSU und
SPD beantragte Zurückverweisung an den Ausschuss für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag auf Zurückverweisung ist bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen mit den Stimmen des Hauses im Übrigen angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke. Wer stimmt für den
Entschließungsantrag auf Drucksache 16/9488? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und
FDP bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen und
Gegenstimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Tagesordnungspunkt 32 c: Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/9429 mit dem Titel: „Klimafreundlich Heizen
mit erneuerbaren Energien - Das Wärmegesetz zum Motor für Klimaschutz, Innovation und Wirtschaftswachstum machen“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer
stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei
Gegenstimmen der Grünen mit den Stimmen des Hauses
im Übrigen abgelehnt.
Zusatzpunkt 6: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu
dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel: „Perspektiven für eine sektorale Ausweitung des Emissionshandels sowie für die Nutzung erneuerbarer Energien im
Wärmesektor“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/7387, den Antrag
der FDP auf Drucksache 16/5610 abzulehnen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der FDP und Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen.
Zusatzpunkt 7: Interfraktionell wird Überweisung der
Vorlage auf Drucksache 16/8408 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion DIE LINKE
eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes über die Bildung
eines Sachverständigenrates zur Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
- Drucksache 16/8980 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({0})
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Gregor Gysi.
({1})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht
hier um eine wichtige Frage für unsere Demokratie,
nämlich um den Grad an Öffentlichkeit und an Transparenz in unserer Gesellschaft. Seit 1963 gibt es einen
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er gilt so ein bisschen als heilig. Immer wenn er sein Gutachten vorstellt, wird davon
in der Tagesschau oder in der heute-Sendung berichtet,
und die jeweilige Bundeskanzlerin bzw. der jeweilige
Bundeskanzler und die entsprechenden Bundesminister
sind schwer beeindruckt.
Wenn man sich die Gutachten dieses Rates anschaut,
stellt man Folgendes fest: In der Zeit, als der Zeitgeist
von Keynes bestimmt war, also die Meinung herrschte,
dass man darauf achten muss, dass die Nachfrage in der
Gesellschaft stimmt, indem gute Löhne, hohe Sozialleistungen und gute Renten gezahlt werden, damit entsprechend gekauft und Dienstleistungen in Anspruch genommen werden und kleine Unternehmen gut von der
Binnenwirtschaft leben können, folgte auch der Sachverständigenrat dieser Meinung.
Als sich dann der Zeitgeist änderte und die herrschende Lehrmeinung plötzlich auf Angebotsorientierung abhob, als es also darum ging, die Preisstruktur zu
verändern, und deshalb Löhne und Renten sowie Sozialleistungen real sinken sollten, änderte sich auch die Meinung des Sachverständigenrates. Er diskutierte genau im
Sinne des nun herrschenden Zeitgeistes und gab Orientierungen dieser Art.
Das ist ja etwas, was mich ärgern kann, aber mich
nichts weiter angeht;
({0})
denn der Sachverständigenrat ist ja unabhängig und soll
seine diesbezüglichen Standpunkte kundtun. Das Problem ist ein anderes: Das Problem ist, dass die Mitglieder von der Bundesregierung berufen werden - jeweils
fünf für fünf Jahre -, aber man nicht weiß, von wem sie
für welche Zwecke eigentlich noch bezahlt werden. Das
ist das eigentliche Problem.
({1})
Nun haben wir vorgeschlagen, das entsprechende Gesetz nur so zu ändern, dass die Mitglieder dieses Sachverständigenrates verpflichtet werden, Einkünfte aus
solchen Tätigkeiten bekannt zu geben, bei denen es zu
Interessenkonflikten kommen könnte. Dazu möchte ich
Ihnen drei Beispiele nennen.
Der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Professor
Bert Rürup, tritt häufig als Referent für Versicherungsund Finanzdienstleister wie die Credit Suisse und MLP
AG auf. Herr Rürup ist auch Vorsitzender des Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel, das vom Gesamtverband der Deutschen
Versicherungswirtschaft finanziert wird. Das muss doch
die Bevölkerung wissen.
({2})
Wenn man nämlich seine Meinung hört, weiß man dann,
weshalb er bestimmte Standpunkte vertritt.
({3})
Professor Franz gehört auch diesem von der Versicherungswirtschaft gesponserten Institut an.
Frau Professor Weder di Mauro ist Mitglied des Aufsichtsrates der Ergo-Versicherungsgruppe und Mitglied
im Verwaltungsrat des Pharmakonzerns Hoffmann-LaRoche.
Das kann ja alles sein. Verstehen Sie: Ich möchte nur,
dass das bekannt gegeben wird. Wir Bundestagsabgeordnete sind verpflichtet, alle Nebeneinkünfte im Interesse
der Transparenz und der Öffentlichkeit bekannt zu geben.
({4})
Was spricht denn bei so gut bezahlten Sachverständigen
dagegen, dass sie verpflichtet werden, das bekannt zu
geben? Aus meiner Sicht gar nichts.
({5})
Oskar Lafontaine geht ja noch einen Schritt weiter
und fordert, dass man auch bei Fernsehtalkshows unter
die Professorennamen schreibt, von wem sie bezahlt
werden. Dann wüsste man nämlich sofort, warum sie
wie reden.
({6})
Aber darum geht es hier gar nicht. Ich will das gar nicht
einführen.
({7})
- Aber ganz klar, ganz dicke. Da brauchen Sie sich gar
keine Sorgen zu machen. Sie brauchen da gar nichts zu
sagen; darum kümmern sich immer schon alle anderen.
Ich will nun auf etwas anderes hinaus: Mir ist wichtig,
dass wir hier Transparenz einführen, und zwar deshalb,
weil ich wissen möchte, ob aus der Art der Bezahlung
auch eine bestimmte Meinung resultiert. Wenn das so ist,
handelt es sich nämlich nicht mehr um unabhängige
Sachverständige.
({8})
Wenn ich von der Versicherungswirtschaft bezahlt
werde, ist doch klar, dass ich keine Gutachten gegen die
Interessen der Versicherungswirtschaft erstelle. So einfach ist das. Deshalb halte ich unser Anliegen für völlig
angemessen und für völlig richtig.
Ich habe zwar vorhin gesagt, dass die Sachverständigen in der Regel in Richtung des neoliberalen Zeitgeistes
agieren, bin mir aber bewusst, dass das zum Beispiel für
Professor Bofinger nicht stimmt. Er argumentiert nach
wie vor eher nachfrageorientiert. Aber er ist der Einzige
von den Fünfen, der diese Auffassung vertritt. Die vier
anderen vertreten eine andere Auffassung.
({9})
- Journalisten? Ich fände es nicht schlecht; mir ist das
aber völlig wurscht.
({10})
Bei Journalisten kommt es immer darauf an. Das wäre
aber ein anderes Thema. Damit beschäftigen wir uns
heute nicht. Wir können uns aber gerne einmal darüber
unterhalten, ob jemand, der eine Talkshow leitet, offenlegen soll, woher er sonst noch Geld bekommt.
({11})
Ich habe nichts dagegen.
Entweder wollen wir in diesen Fragen Transparenz,
oder wir wollen sie nicht. Es hat so lange gedauert, bis
der Bundestag dazu bereit war, sich diesbezüglich selbst
Auflagen zu machen. Nun haben wir sie, und damit haben wir auch die moralische Legitimation, Gleiches von
anderen zu verlangen.
({12})
Ich möchte wissen, von wem die fünf Sachverständigen, die so bedeutend auftreten und die die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einschätzen - fast alle Bundesregierungen richten sich häufig nach ihren Urteilen,
abgesehen davon, dass sie diese im laufenden Jahr zweibis dreimal korrigieren; aber dazu will ich jetzt nichts sagen -, ansonsten bezahlt werden. Das schafft Klarheit.
Dann kann man ihre Urteile sehr viel besser einordnen.
Ich finde, das ist nicht zu viel verlangt.
({13})
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Gegenargumente. Warum stimmen Sie unserem Gesetzentwurf nicht einfach
zu? Den fünf Sachverständigen tut es nur ein bisschen
weh. Außerdem wird niemand gezwungen, Mitglied des
Sachverständigenrates zu werden. Wenn sie genug Geld
von anderer Seite bekommen, dann lassen sie es einfach
bleiben. Das wäre auch keine Katastrophe. Dann bekommen wir vielleicht fünf ungebundene Sachverständige.
Genau die brauchen wir.
Danke schön.
({14})
Ich komme zurück zum Tagesordnungspunkt 32 a
und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung
über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit
zusammenhängender Vorschriften bekannt - es handelt
sich um die Drucksachen 16/8148, 16/8393 und 16/9477 -:
Abgegebene Stimmen 522. Mit Ja haben gestimmt 413,
mit Nein haben gestimmt 52, Enthaltungen 57. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 522;
davon
ja: 413
nein: 52
enthalten: 57
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Albach
Peter Altmaier
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen
({0})
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Dr. Stephan Eisel
Anke Eymer ({1})
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer ({2})
Klaus-Peter Flosbach
Dr. Hans-Peter Friedrich
({3})
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Olav Gutting
Holger Haibach
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Peter Hintze
Christian Hirte
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung ({4})
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Siegfried Kauder ({5})
Volker Kauder
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler ({6})
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers ({7})
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Eduard Lintner
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer ({8})
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Laurenz Meyer ({9})
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
({10})
Stefan Müller ({11})
Dr. Gerd Müller
Hildegard Müller
Bernd Neumann ({12})
Eduard Oswald
Ulrich Petzold
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Katherina Reiche ({13})
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Albert Rupprecht ({14})
Peter Rzepka
Anita Schäfer ({15})
Hermann-Josef Scharf
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt ({16})
Andreas Schmidt ({17})
Ingo Schmitt ({18})
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Christian Freiherr von Stetten
Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Thomas Strobl ({19})
Michael Stübgen
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Uwe Vogel
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Marcus Weinberg
Peter Weiß ({20})
Gerald Weiß ({21})
Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Anette Widmann-Mauz
Elisabeth WinkelmeierBecker
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zöller
SPD
Gregor Amann
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr ({22})
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Sabine Bätzing
Uwe Beckmeyer
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding ({23})
Volker Blumentritt
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Bernhard Brinkmann
({24})
Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Renate Gradistanac
Angelika Graf ({25})
Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann
({26})
Nina Hauer
Hubertus Heil
Dr. Reinhold Hemker
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Stephan Hilsberg
Petra Hinz ({27})
Gerd Höfer
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Iris Hoffmann ({28})
Frank Hofmann ({29})
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung ({30})
Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Ernst Kranz
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange ({31})
Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Katja Mast
Petra Merkel ({32})
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Detlef Müller ({33})
Michael Müller ({34})
Gesine Multhaupt
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Mechthild Rawert
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel RiemannHanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth ({35})
Michael Roth ({36})
Ortwin Runde
Anton Schaaf
Axel Schäfer ({37})
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt ({38})
Silvia Schmidt ({39})
Heinz Schmitt ({40})
Carsten Schneider ({41})
Ottmar Schreiner
({42})
Swen Schulz ({43})
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
({44})
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Engelbert Wistuba
Dr. Wolfgang Wodarg
({45})
Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
DIE LINKE
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Lutz Heilmann
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Jan Korte
Katrin Kunert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Kersten Naumann
Wolfgang Nešković
Bodo Ramelow
Elke Reinke
Paul Schäfer ({46})
Volker Schneider
({47})
Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann
fraktionslos
Gert Winkelmeier
Nein
CDU/CSU
Leo Dautzenberg
Axel E. Fischer ({48})
Erich G. Fritz
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Klaus W. Lippold
Philipp Mißfelder
Peter Rauen
Kai Wegner
Willi Zylajew
FDP
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Daniel Bahr ({49})
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich ({50})
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link ({51})
Markus Löning
Patrick Meinhardt
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Gisela Piltz
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff ({52})
Enthalten
CDU/CSU
Renate Blank
Andreas G. Lämmel
FDP
Uwe Barth
Mechthild Dyckmans
Miriam Gruß
Sabine LeutheusserSchnarrenberger
Horst Meierhofer
Cornelia Pieper
Jörg Rohde
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
DIE LINKE
Hüseyin-Kenan Aydin
Sevim Dağdelen
Ulla Jelpke
Dr. Norman Paech
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Birgitt Bender
Alexander Bonde
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans Josef Fell
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Priska Hinz ({53})
Dr. Anton Hofreiter
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Fritz Kuhn
Renate Künast
Undine Kurth ({54})
Markus Kurth
Monika Lazar
Anna Lührmann
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller ({55})
Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Claudia Roth ({56})
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Christine Scheel
Dr. Gerhard Schick
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Wolfgang StrengmannKuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Fuchs,
CDU/CSU-Fraktion.
({57})
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen! Meine
lieben Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Herr „Mister Intransparenz“ Gysi! „Das
Erreichte nicht verspielen“ - mit dieser eindringlichen
Aufforderung hat uns der Sachverständigenrat sein Jahresgutachten 2007/2008 Ende November letzten Jahres
übersandt. Dieser Titel ist wahrlich keine Lobeshymne
für uns; er ist für die Große Koalition unbequem. Er
zeigt, dass wir mit dem steinigen Reformkurs weitermachen müssen und dass wir uns nicht hinsetzen und sagen
können, wir hätten bereits alles erreicht. Das ist völlig
richtig.
Herr Gysi, dieser Titel zeigt aber auch, dass der Sachverständigenrat von der Bundesregierung unabhängig
ist. Sonst würde er mit solchen unbequemen Äußerungen sehr zurückhaltend sein.
({0})
Ich denke, die meisten von Ihnen, liebe Kolleginnen und
Kollegen, werden mir zustimmen, wenn ich sage: Der
Sachverständigenrat leistet eine ausgesprochen gute Arbeit; er entspricht den hohen Anforderungen, die wir an
ihn stellen, und er hat seine Berufung gerechtfertigt. Ich
habe bis jetzt kein einziges Mal festgestellt, dass er seine
Arbeit in irgendeiner gearteten Abhängigkeit von jemandem geleistet hat - schon gar nicht von Ihnen.
({1})
Es ist nichts zu spüren von der Vertretung privatwirtschaftlicher Interessen. Herr Kollege Gysi - Herr
Lafontaine hat ja für solche Debatten keine Zeit -, Ihr
Gesetzentwurf soll uns glauben machen, dass Sie heldenhaft für Transparenz kämpfen. Es fällt mir aber sehr
schwer, Ihnen gerade dies abzunehmen.
({2})
„Transparenz“ ist ein Begriff, den die meisten von uns
eindeutig positiv bewerten. „Transparenz“ bedeutet
Durchlässigkeit, Durchsichtigkeit und im weiteren Sinne
auch Offenheit und Klarheit. „Transparenz“ ist deswegen ein Wort, das sich ausgesprochen selten in den
Sprachgebrauch der Linken verirrt.
({3})
Es passt nicht in den sozialistischen Staatszentralismus
und schon gar nicht zu Ihren üblichen Verschwörungstheorien, mit denen Sie uns hier langweilen.
({4})
Wenn Sie das Wort „Deregulierung“ hören, dann vermuten Sie wahrscheinlich Anarchie. Vielleicht wäre ein
Fremdwörterbuch für Sie ganz nützlich.
Das Schlimmste aber ist, dass es Ihnen offensichtlich
Freude bereitet, den Menschen in unserem Land mit Ihren Unwahrheiten Angst zu machen. So haben Sie sich
auch nicht davor gescheut, vor kurzem in einer Talkshow eines obendrein auch noch öffentlich-rechtlichen
Senders unserer Bundeskanzlerin Dinge zu unterstellen,
die auch nicht im Geringsten etwas mit der Wirklichkeit
und der Wahrheit zu tun haben. Das waren nicht Sie,
Herr Gysi; aber es gibt ja noch andere bei Ihnen.
Es erfordert schon ein besonderes Maß an Dreistigkeit, in einer Fernsehsendung Zahlen und Daten herunterzurasseln, die schlichtweg erfunden sind. Aber das
machen Sie gerne, gerade bei Themen, die mit dem
Haushalt, dem Arbeitsmarkt, der Sicherheit unseres Landes etc. zu tun haben. So fällt es Ihnen auch nicht
schwer, in Ihrem Gesetzentwurf den Sachverständigenrat ganz nebenbei unter Generalverdacht zu stellen. Das
ist nicht in Ordnung. Wir stellen uns da ganz eindeutig
vor den Sachverständigenrat.
Eines muss man dem Kollegen Lafontaine lassen: Es
ist wirklich beeindruckend, mit welcher Unverfrorenheit
er Unwahrheiten behauptet und im gleichen Atemzug
Transparenz von hochangesehenen Gremien fordert. Wir
haben Behörden, um Transparenz zu schaffen. Wir haben zum Beispiel die Birthler-Behörde bzw. die Beauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes
der ehemaligen DDR.
({5})
Marianne Birthler war gestern nochmals vor einem Ausschuss, der in diesem Hohen Hause Transparenz schaffen soll;
({6})
der eine oder andere Kollege war dabei. Das ist eine
Aufgabe. Warum bekommen wir keine Transparenz,
Herr Gysi? Warum helfen Sie nicht mit?
({7})
Es wäre doch einfach für Sie, uns darin zu unterstützen,
dass wir diese ganze Arbeit in diesem Ausschuss nicht
zu machen brauchen. Sie drücken sich doch vor jeglicher
Transparenz. Deswegen sind Sie bei allem, was mit
Transparenz zu tun hat, absolut unglaubwürdig.
({8})
Man muss sich das einmal vorstellen: Genosse
Lafontaine hatte nach den Äußerungen von Frau Birthler
nichts Eiligeres zu tun, als sofort ihre Ablösung zu fordern. Es ist doch ein Skandal, dass ein demokratisch gewähltes Mitglied dieses Hohen Hauses sein Amt missbraucht, um Recht zu verdrehen und die Aufklärung der
Vergangenheit eines Mitglieds seiner Fraktion nach persönlichem Gusto zu verhindern.
({9})
Ich möchte Ihnen darum eine gewisse Lektüreempfehlung geben. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat in seinem Bericht vom
10. November 2006 alle Abgeordneten namentlich genannt, die sich freiwillig einer Überprüfung auf Tätigkeit
oder politische Verantwortung für die Stasi in der ehemaligen DDR gemäß § 44 c Abgeordnetengesetz unterzogen haben. Ich habe mir einmal angeschaut, wer das
gemacht hat, wer bereit war, sich dieser Prüfung zu unterziehen. Sie nicht, Herr Gysi.
({10})
Sie alle haben nicht den Mut dazu gehabt. Nicht ein Einziger aus der Fraktion der Linken hat sich dazu bereit erklärt, sich prüfen zu lassen.
({11})
Schauen Sie sich die Liste an! Das ist beschämend.
({12})
Das zeigt, wie sehr Sie gegen jegliche Transparenzregeln
verstoßen. Das zeigt auch, wie wenig Sie das Recht haben, in diesem Hohen Hause von Transparenz zu sprechen. Sie biegen sich Ihre Gesetze so hin, wie Sie es
brauchen. Sie haben mit den Prinzipien des Rechtsstaats
nun wahrlich nicht viel zu tun.
Es fällt mir zwar ein bisschen schwer, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aber einmal muss ich
den Berliner Bürgermeister zitieren. Er hat ja manchmal
recht, zumindest in einer Aussage. Da hat er in Anbetracht all dieser Selbstherrlichkeit gesagt: „Hütet euch
vor Lafontaine!“ - Ich füge hinzu: Und nehmt euch in
Acht vor Gysi!
({13})
Der beispiellose Populismus, den diese Herrschaften
an den Tag legen, stinkt zum Himmel. Das geht immer
nach dem Motto: Im Himmel ist Jahrmarkt, und der Eintritt ist frei. Wir alle sind ja Gutmenschen. - Lieber Herr
Gysi, kennen Sie eigentlich den Unterschied zwischen
Gutmenschen und guten Menschen? Ganz einfach: Gute
Menschen spenden ihr eigenes Geld und setzen es ein,
um anderen zu helfen. Gutmenschen verteilen das von
anderen. Dafür sind Sie bekannt. Geld von anderen zu
verteilen, das können Sie.
Zur Wirklichkeit Ihrer Partei gehört auch, dass Sie
sich jetzt mit berühmten Genossen - es gibt ja Gott sei
Dank nicht allzu viele -, zum Beispiel mit dem Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, treffen. Der wird dann
auch noch von Ihnen sehr intensiv verteidigt.
({14})
Herr Lafontaine hat letztes Jahr in einem Interview sehr
viel Verständnis für Herrn Chávez geäußert. Dieser hat,
nebenbei gesagt, in rigoroser Weise einen oppositionellen Fernsehsender geschlossen. Lafontaine hat ihm gesagt, das sei nicht so schlimm; er habe ja nur die Konzession nicht verlängert. So geht er damit um.
({15})
Das hat er früher aber selber schon einmal gemacht.
Vor 14 Jahren war Lafontaine noch als SPD-Mitglied
Ministerpräsident im Saarland. Damals wollte er das
Presserecht einschränken, indem er versucht hat, die
Fernsehsendung Panorama daran zu hindern, einen Bericht über seine Bekanntschaft mit dem Rotlichtmilieu
im Saarland auszustrahlen.
({16})
Das zeigt seine ganze Geisteshaltung. Erst versucht man,
das Presserecht einzuschränken, dann verbrüdert man
sich mit den Diktatoren in Lateinamerika, die bereit sind,
jegliches Recht außer Kraft zu setzen, um ihre Macht zu
erhalten. Eine solche Denke hat mit Transparenz nichts
zu tun.
({17})
Der vorliegende Gesetzentwurf der Linken stellt in
seinen Formulierungen den Sachverständigenrat als Gremium als verdächtig dar.
({18})
Das ist er für uns nicht. Wir wollen den Sachverständigenrat in seiner Unabhängigkeit, so wie er ist, erhalten.
({19})
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die ganze
Wirtschaft in Misskredit gebracht. Ich kann Ihnen nur
sagen: Das läuft mit uns nicht. Wir lehnen Ihren Antrag
im Ausschuss, aber auch im Deutschen Bundestag gerne
ab. Nichts Besseres hat er verdient.
({20})
Nächster Redner ist der Kollege Martin Zeil, FDPFraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ludwig Erhard, der erste Bundeswirtschaftsminister und
Vater der sozialen Marktwirtschaft, hat 1963 mit dem
Sachverständigenrat einen Hort des ordnungspolitischen
Denkens geschaffen. Vorbild war damals der amerikanische Council of Economic Advisers. Dieser ist aber direkt dem Präsidenten unterstellt. Die Mitglieder können
jederzeit und ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Ähnlich verhält es sich in Frankreich. Dort ist das
entsprechende Gremium unmittelbar dem Premierminister unterstellt.
Ludwig Erhard war dagegen von Anfang an die Unabhängigkeit des Sachverständigenrates wichtig, auch
wenn Bundeskanzler Adenauer in seiner unnachahmlichen Art für solche Unabhängigkeit wenig Verständnis
hatte. Er hat damals zu Erhard gesagt: „Erhard, woll’n
Se sich ’ne Laus in’n Pelz setzen?“. Erhard setzte sich
durch, und der deutsche Sachverständigenrat bekam
seine bis heute untadelige Unabhängigkeit.
({0})
Diese Unabhängigkeit ist sogar gesetzlich geschützt. Die
Mitglieder des Rates sind an keine Weisungen gebunden.
Sie können fünf Jahre lang frei sagen und schreiben, was
sie für richtig halten. Dadurch genießt der Sachverständigenrat, Herr Kollege Gysi, in der Bevölkerung und
überall bis heute höchste Anerkennung als wirtschaftspolitisches Gewissen in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit. Manche sprechen sogar von dem „Olymp
von Wiesbaden“. Mit Axel Weber steht heute ein ehemaliger Wirtschaftsweiser an der Spitze der Deutschen
Bundesbank.
Im Laufe der letzten 45 Jahre haben viele vergeblich
versucht, Einfluss auf den Rat zu nehmen und ihn in ihrem Sinne zu nutzen. Eine besonders gegen die Unabhängigkeit eines Sachverständigen gerichtete Einflussnahme - hören Sie gut zu, jetzt komme ich zu Ihnen kam übrigens von einem Gründungsvater der Linken.
Der von der Gewerkschaftsseite 1994 berufene
Wolfgang Franz erlaubte sich eine im besten Sinne des
Gesetzes unabhängige Haltung.
({1})
Weil er sich nicht in sein ordnungspolitisches Gewissen
hineinreden lassen wollte, begann ein Sturm der Entrüstung, angeführt von dem damaligen Finanzminister
Oskar Lafontaine, der - ein einmaliger Vorgang - 1999
für dessen Abberufung sorgte. Ein besonders trauriges
Beispiel von Einflussnahme!
({2})
Kommen wir jetzt ganz konkret zu Ihrem Gesetzentwurf. Sie fordern zusätzliche Offenlegungspflichten, indem Sie einen angeblichen Interessenkonflikt zwischen
den Formen privater Vorsorge und den Empfehlungen
des Rates konstruieren. Da Sie auch Namen nennen, ist
dieser Entwurf aus unserer Sicht nichts anderes als eine
billige Mixtur von Diffamierung, Neid und an den Haaren herbeigezogenen Beispielen.
({3})
Das ist aber kein Wunder; denn das entspricht der Tradition der Diffamierungs- und Verleumdungsmethoden Ihrer Vorgängerpartei.
({4})
Was sind die Fakten? Alle Sachverständigen behalten
während ihrer Tätigkeit ihre Professur. Die von Ihnen
beschriebenen Nebentätigkeiten sind gemäß den einschlägigen Gesetzen ohnehin anzeige- und genehmigungspflichtig. Des Weiteren dürfen die Ratsmitglieder
weder der Regierung noch einem Wirtschaftsverband,
einer Arbeitgeberorganisation oder einer gewerkschaftlichen Organisation angehören.
Fest steht: Die Kollegen von der Linken haben einen
überflüssigen Gesetzentwurf vorgelegt. Man muss ihn
eher als Misstrauenserklärung gegenüber dem Rat, seiner Unabhängigkeit und vor allen Dingen den von ihm
vertretenen Auffassungen sehen. Sie tun nur so, als wollten Sie die Unabhängigkeit des Rates sichern.
Aus Sicht meiner Fraktion ist es nicht so, dass die
Mitglieder des Rates nicht unabhängig genug sind. Das
ist nicht das Hauptproblem. Das eigentliche Problem ist
doch, dass die Empfehlungen der Sachverständigen in
der praktischen Politik viel zu wenig Niederschlag finden.
({5})
Die schwarz-rote Koalition pickt sich aus den Empfehlungen die Rosinen heraus und tut das, was sie ohnehin
getan hätte. Der Sachverständigenrat hat unter dieser Regierung leider nur eine Alibifunktion.
({6})
Werfen wir zum Schluss einen Blick in das aktuelle
Gutachten des Sachverständigenrates - ich zitiere -:
So erfreulich es ist, dass der finanzielle Gestaltungsrahmen der Politik wieder größer geworden
ist, so unbefriedigend ist es, dass hinter einer ganzen Reihe der in der letzten Zeit angestrebten oder
bereits ergriffenen Maßnahmen keine klare wirtschaftspolitische Strategie erkennbar ist, sondern
vielmehr wahltaktische Überlegungen durchscheinen.
({7})
Gute Politik erfordert nicht immer die großen
Würfe. Auch eine dem politischen Kompromissgebot geschuldete Politik der kleineren Schritte kann
eine gute Politik sein, vorausgesetzt diese kleinen
Schritte gehen in die gleiche Richtung und folgen
einer in sich geschlossenen Konzeption.
Wenn ich berücksichtige, dass Herr Beck - wie die
Agenturen heute melden - von einer „Steuersenkungshysterie“ spricht, muss ich sagen, dass bei dieser Koalition eine einheitliche Konzeption überhaupt nicht zu erkennen ist.
({8})
Es droht - so schreibt der Sachverständigenrat -, dass
wegweisende Reformen zurückgedreht werden. Als Beispiele nennt er die Rente mit 67, das Arbeitslosengeld II
und die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes. Diese Aussage sollte uns eine Mahnung sein und
nicht solche Schaufensteranträge der Linken.
Nach der jüngsten Prognose des Kieler Instituts für
Weltwirtschaft wird sich die Konjunktur in Deutschland
nach einem schwungvollen Start ins Jahr merklich abkühlen. Deshalb sage ich: Verehrte Koalitionäre, beenden Sie den Vorwahlkampf, gehen Sie wieder an die
Arbeit, und setzen Sie die Empfehlungen Ihrer unabhängigen Berater endlich um!
Auch die ständige Selbstbeweihräucherung der Bundesregierung findet in dem Gutachten keine Stütze. Ein
letztes Zitat:
Die klassische Abfolge des Aufschwungs … spricht
dafür, dass die aktuell sehr günstige wirtschaftliche
Lage in beträchtlichem Maße auf zyklische Faktoren zurückzuführen ist.
Das ist die vornehme Sprache des Sachverständigenrates. Übersetzt heißt das: Der Aufschwung ist nur zu einem sehr geringen Teil auf die Politik zurückzuführen.
Eine Abschlussbemerkung in Richtung Linkspartei:
Beenden Sie Ihre scheinheiligen Angriffe auf die Unabhängigkeit und das freie Denken des Sachverständigenrates!
({9})
Für die SPD-Fraktion gebe ich das Wort dem Kollegen Reinhard Schultz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich war etwas verblüfft, dass dieser wegweisende, historische Gesetzentwurf der Linkspartei ausgerechnet in der
Kernzeit am Freitagmittag behandelt werden soll, und
das eine ganze Stunde. Das gibt ihm viel Gewicht. Für
mich armes Schwein, der ich 19 Minuten darüber reden
soll, ist das nicht schön.
({0})
Frau Andreae, ich weiß, dass Sie Ihren Flieger kriegen
müssen. Ich werde versuchen, darauf Rücksicht zu nehmen. Trotzdem muss man die Gelegenheit nutzen, auf
das Wesen des Sachverständigenrats und darauf, was er
machen soll und was nicht, einzugehen.
Unter der Problembeschreibung in Ihrem Antrag steht
- ich zitiere -:
Mit der zunehmenden Privatisierung der Sozialversicherungssysteme bzw. deren Ergänzung durch
private Vorsorge, wie beispielsweise durch die sogenannten Riester- und Rürup-Renten, ist die Gefahr der Einflussnahme auf die Analysen und Empfehlungen der Mitglieder des Sachverständigenrates
durch private Unternehmen, die diese Leistungen
erbringen und daran verdienen, gestiegen.
Das ist eine Generalanklage, mit der ein unmittelbarer
Zusammenhang zwischen Teilen der Wirtschaft und dem
Sachverständigenrat quasi als Transmissionsriemen
wirtschaftlicher Interessen und dem, was die Politik
letztendlich entscheidet, unterstellt wird.
Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen,
dass Herr Rürup, der Vorsitzender verschiedener Kommissionen war, an dem Gutachten, das schließlich zur
Reform der Altersvorsorge geführt hat, nicht in seiner
Eigenschaft als Sachverständigenratsmitglied geschrieben hat, sondern in anderer unabhängiger Eigenschaft.
Hier werden Dinge miteinander vermischt. Konkrete
Gesetzgebungsverfahren wurden in der Vergangenheit
durch Sonderkommissionen vorbereitet und begleitet,
welche in der Regel vom jeweiligen Fachminister eingesetzt wurden und nicht vom Sachverständigenrat. Der
Sachverständigenrat hat einen Generalauftrag; er gibt
jährlich ein Gutachten ab und nach Bedarf auch Einzelstellungnahmen.
Nach § 1 Abs. 2 des Sachverständigenratgesetzes sollen die Mitglieder wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse und volkswirtschaftliche Erfahrung haben. Hier
stellt sich die Frage: Woher? Die wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse können Sie erlernt haben; das
mündet dann irgendwann in einem hohen akademischen
Grad. Die volkswirtschaftliche Erfahrung kann man
nicht erlernen. Man kann sie nur in einem langen Leben
erwerben, indem man sich wirtschaftlich betätigt oder
wirtschaftsnah arbeitet. Wer das ausdrücklich nicht will,
schafft ein Leitbild von einem Wirtschaftssachverständigen, einem Berater der Bundesregierung, das der Karriere des Kollegen Schui nahekommt:
({1})
Er schreibt in einem Elfenbeinturm seiner eigenen Ideologie verpflichtet etwas auf, das niemand wissen will.
Deswegen bittet ihn auch niemand um Rat und bezahlt
ihn dafür.
({2})
Ich verstehe, dass er den Ausweg ins Parlament gesucht
und gefunden hat. So kann er unmittelbar seine Überlegungen und sein Wissen an den Mann bringen. - Dem
können wir aber nicht folgen.
In ihrem Gesetzentwurf gehen die Linken - übrigens
ähnlich wie Herr Zeil und Herr Fuchs - irrtümlich davon
aus, dass der Sachverständigenrat auch Empfehlungen
Reinhard Schultz ({3})
abzugeben hat. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. § 2
letzter Satz des Sachverständigenratgesetzes besagt:
Der Sachverständigenrat soll Fehlentwicklungen
und Möglichkeiten zu deren Vermeidung … aufzeigen, jedoch keine Empfehlungen für bestimmte
wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen aussprechen.
Herr Kollege Schultz, der Kollege Schui würde gerne
eine Zwischenfrage stellen.
Lassen Sie mich diesen Gedanken zu Ende führen.
Dann werde ich gern darauf zurückkommen.
Die Annahme, der Sachverständigenrat gebe Empfehlungen ab, ist weit verbreitet. Das bringt jede Bundesregierung, egal wer sie gerade stellt, und den Bundestag
in die Verlegenheit, sich rechtfertigen zu müssen, warum
man den Empfehlungen nicht gefolgt ist. Der Sachverständigenrat ist verpflichtet, nachzudenken, aber er trägt
keine politische Verantwortung. Die politische Verantwortung tragen ausschließlich die Bundesregierung und
in erster Linie das Parlament. Es fließen nicht nur ordnungspolitische Leitsätze in die Entscheidungsfindung
ein, sondern auch andere Gesichtspunkte, manchmal
auch parteipolitische Gesichtspunkte, aber das ist in einer Demokratie auch legitim. Ausschlaggebend ist auch
die Rücksichtnahme auf bestimmte Bevölkerungsgruppen und deren Empfindlichkeiten. Es ist sogar die Pflicht
der Politik, so zu handeln. Denn wenn sie das nicht täte,
würden diejenigen, die so handeln, irgendwann nicht
mehr politisch tätig sein. Dieser sehr praktische Dialog
zwischen Wählern und Gewählten spiegelt sich auch im
politischen Handeln wider. Davon braucht sich ein Sachverständigenrat aber nicht ankränkeln zu lassen. Um das
sicherzustellen, ist von vornherein festgelegt worden: Er
soll keine Empfehlungen abgeben, sondern analysieren.
Er soll Alternativen, Wege und Instrumente aufzeigen,
die die Politik bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen sollte.
Anlässlich des 40. Jubiläums des Sachverständigenrates hat sein damaliger Vorsitzender übrigens gefordert,
diesen Paragrafen zu streichen. Wie wir wissen, würde
jeder Professor am liebsten selbst regieren; das ist klar.
Angesichts der Fülle von Erkenntnissen, die ein Professor hat, liegt es nahe, dass er die Dinge am liebsten
gleich selbst regeln möchte. Das ist überall so, das
nehme ich auch niemandem übel. Das beste Beispiel war
der politisch nicht gerade erfolgreiche Professor
Kirchhof. Er hat versucht, sein theoretisches Modell in
die politische Praxis umzusetzen, musste aber zur
Kenntnis nehmen, dass das Publikum von seinen Vorstellungen nicht begeistert war.
({0})
So etwas kann vorkommen. Das würde auch dem Sachverständigenrat passieren.
Herr Kollege Schultz, ich mache einen neuen Anlauf.
Möchten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Kollegen
Schui zulassen?
Herr Kollege Schui, als ich noch Juso war, habe ich
Ihre Veröffentlichungen immer gerne gelesen. Dann bin
ich darüber aber hinweggekommen.
({0})
Irgendetwas muss uns ja miteinander verbinden. Wir sollten in einem Punkt ins Reine kommen: Wirtschaft ist Gegenstand von Interesse. Diejenigen, die die
Wirtschaft analysieren, zum Beispiel Sachverständige
und Professoren, sind nicht frei von Interessen. Es ist gar
nicht möglich, dass die Wissenschaft, die sich mit etwas
Interessenbehaftetem wie Wirtschaft beschäftigt, ihrerseits frei von Interessen ist; das gibt es nicht. Weil das so
ist, wird der Sachverständigenrat mit jeweils einem Mitglied beschickt, das die besondere Billigung der Gewerkschaften hat. Denn allen, auch dem Gesetzgeber,
war klar, dass es keine reine Wirtschaftswissenschaft
gibt.
({0})
Nun zu meinen Publikationen, die angeblich niemand
lesen will. Meine letzte Veröffentlichung war eine Analyse der neoliberalen Theorie.
({1})
Zumindest Benedikt Köhler von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat sie gelesen und sehr positiv beurteilt.
({2})
Daraufhin hat sich das Buch auch recht gut verkauft.
Ich glaube, ich habe den Anfang Ihrer Frage verpasst.
Daher können Sie nicht sagen, niemand wolle wissen,
was ich schreibe.
({0})
Herr Kollege Schui, ich habe, ehrlich gesagt, den Anfang Ihrer Frage vermisst. Ich weiß nicht, was Sie mich
gefragt haben.
({0})
Reinhard Schultz ({1})
Ihre Frage war so lang wie die Redezeit, die der Partei
der Linken normalerweise in einer ganzen Kernzeitdebatte zur Verfügung steht.
({2})
Ich will aber nicht darüber richten, sondern versuchen,
auf den Kern Ihrer Rede einzugehen.
Ich kann bestätigen: Es gibt keine Wirtschafts- oder
Gesellschaftswissenschaft - wahrscheinlich gar keine
Wissenschaft -, die nicht auch von Interessen geleitet ist;
das ist gar keine Frage, und das weiß ich. Eine Bundesregierung informiert sich im Vorfeld natürlich ganz genau, wen sie als Mitglied des Sachverständigenrates vorschlägt. In der Regel werden Hochschullehrer berufen,
die eine lange Liste von Veröffentlichungen vorweisen
können und Mitglied vieler Beiräte etc. sind. Daraus ergibt sich ein Gesamtprofil des jeweiligen Kandidaten,
das mit ausschlaggebend dafür ist, ob er berufen wird
oder nicht. Jede Bundesregierung setzt hier andere Akzente, je nachdem, welche Parteien an ihr beteiligt sind.
Wenn man sich die Liste der Mitglieder des Sachverständigenrates seit 1963 durchliest, stellt man fest, dass
durchaus Verschiebungen stattgefunden haben, sowohl
bei den Personen als auch bei den Ansichten, die vertreten wurden.
Herr Kollege Gysi hat vorhin darauf hingewiesen,
dass auch der Zeitgeist eine Rolle spielt. Natürlich spielt
der Zeitgeist eine Rolle. Denn die Denkschulen, die zum
Mainstream der Wirtschaftswissenschaften gehören, spiegeln sich auch in politischen Auffassungen wider - und
umgekehrt. Das ist oftmals allerdings erst zeitversetzt
der Fall. Beispielsweise hatte der Sachverständigenrat
eine Zeitlang sehr angebotsorientierte Mitglieder, die auf
die Politik offensichtlich nur geringen Einfluss hatten.
Nach Durchsicht der Jahresgutachten kann man insgesamt feststellen: Im Regelfall werden die Analysen
des Sachverständigenrates sehr ernst genommen; sie
sind ein Hort der Erkenntnis. Die praktischen Empfehlungen des Sachverständigenrates, die er eigentlich gar
nicht abgeben dürfte, wurden von den seit 1963 amtierenden Bundesregierungen aber so gut wie nie zum Gegenstand ihres praktischen Handelns gemacht. Man hat
sich die Erkenntnisse, die Analysen, die Trends und die
Prognosen über zu befürchtende Fehlentwicklungen, die
dargestellt wurden, angeschaut, daraus aber seine eigenen Schlüsse gezogen. Das ist auch der Sinn. Die Konstruktion des Sachverständigenrates - Herr Zeil hat zu
Recht darauf hingewiesen - ist im Vergleich zur Konstruktion entsprechender Beratungsgremien in anderen
Ländern geradezu ideal. Die Sachverständigen haben einen hohen Grad an Freiheit. Sie sind nicht unmittelbar
Bestandteil des Regierungshandelns.
In den USA ist das anders; dort gibt es eine Truppe,
die ideologisch-inhaltlich zusammengeschmiedet ist. Sie
ist sozusagen die wirtschaftspolitische Knüppelgarde des
jeweiligen Präsidenten - so die Chicago Boys von
Ronald Reagan, die einen radikalen Wechsel in der Wirtschaftspolitik eingeleitet haben, oder die aus meiner persönlichen Sicht - ich konnte sie kennenlernen - merkwürdige Mormonentruppe, mit der sich Bush umgeben
hat.
({3})
Da findet keine unabhängige Beratung statt. Das ist ein
gleichförmiges, nichtpluralistisch angelegtes Beratergremium, das nur dazu dient, dem Präsidenten Instrumente
an die Hand zu geben, mit denen er seine Meinung untermauern kann. Das ist ein Riesenunterschied.
In Frankreich hat das entsprechende Beratungsgremium einen Charakter wie bei uns der Wissenschaftliche
Beirat des Finanz- oder des Wirtschaftsministeriums.
Die Berater sind handverlesen - durch den dortigen Premierminister -, sie können auch entlassen werden. Auch
da ist eine Unabhängigkeit in dem Maße wie bei uns
nicht gegeben. Im Vordergrund steht der instrumentelle,
durchsetzungsbezogene Charakter des Gremiums.
Insofern ist unsere Konstruktion gut. Die Sachverständigen werden auf Zeit gewählt. Sie werden übrigens
nicht alle auf einmal ersetzt, sondern es gibt eine Art
Rotationsverfahren. Wer als Erster ausscheidet, wird
durch Los ermittelt. Dieses Rotationssystem war bereits
1963 im Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung angelegt - lange bevor die Grünen ein solches System entdeckt und dann wieder verworfen haben.
({4})
Das unterstreicht die Unabhängigkeit, es unterstreicht
aber auch die Anpassung des Sachverständigenrates an
neuere, auch wissenschaftliche Entwicklungen. Die
Dinge verknöchern nicht, Innovationen sind grundsätzlich möglich.
Vor diesem Hintergrund sollten wir im Hinblick darauf, dass der Sachverständigenrat am 26. Juni dieses
Jahres 45 Jahre alt wird, bestätigen: Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung ist seinen Aufgaben gerecht geworden. Ich
persönlich - ich überblicke zwar nicht den ganzen Zeitraum von 1963 bis heute, aber doch eine ganze Weile kann sagen: Ich habe mich regelmäßig über Teile der
Gutachten schwarzgeärgert - „rotgeärgert“ müsste ich
wohl sagen -; das ändert aber nichts daran, dass ich die
analytische Brillanz, die Erkenntnisse, das Wissen, das
einem als Politiker zur Verfügung gestellt wird, zu schätzen weiß. Letztendlich entscheidet jeder in eigener Verantwortung, ob er linksherum oder rechtsherum geht.
Vielen Dank.
({5})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Andreae,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Bevor ich zu dem Gesetzentwurf der Linken
komme, möchte ich anmerken, dass ich es bedauere,
dass wir schon in den letzten Wochen durchaus großKerstin Andreae
zügig mit der wertvollen Kernzeit umgegangen sind, viel
über Berichte und weniger über wichtige Punkte gesprochen haben. Die Große Koalition hat anscheinend, von
ein paar Ausnahmen abgesehen, zum Beispiel dem
IKEP, keine wirklich wichtigen Gesetzesvorhaben mehr.
({0})
Ein Punkt des Gesetzentwurfs der Linken ist es
durchaus wert, diskutiert zu werden: die Frage der
Transparenz und der Offenlegung. Wir müssen wissen:
Wie frei agieren die, die Entscheidungskompetenzen und
Beratungskompetenzen haben?
Darüber diskutieren wir, was unsere Mandate angeht,
immer wieder. Im Hinblick auf unsere Mandate ist eine
Entscheidung getroffen, die wir Grünen kritisieren, weil
nur in drei Stufen angegeben werden muss, wie hoch die
Einkünfte sind, die durch Nebentätigkeiten erzielt werden. Woher diese Einkünfte kommen, ist jedoch nicht
transparent. Ich fände es im Zusammenhang mit der Debatte über die Energiepolitik durchaus interessant, zu
wissen, welche Abgeordneten in diesem Hohen Hause
zum Beispiel auf der Payroll der Energieversorgungsunternehmen stehen.
({1})
Transparenz und Offenlegung sind wichtig; aber man
muss aufpassen, dass man über das Ziel nicht hinausschießt. Wie viel unterstellt man bei geleiteten Interessen, und wie viel davon ist kontraproduktiv?
Herr Gysi, bei Ihrem Debattenbeitrag kam vorhin der
Einwurf von der FDP, ob das bei Journalisten auch gelten solle. Sie haben gesagt, dass Sie es ziemlich interessant fänden, wenn das bei Journalisten auch gelten
würde. Jetzt möchte ich doch einmal die Frage stellen,
ob wir nun damit anfangen, uns Beruf für Beruf und
Gremium für Gremium Gedanken darüber zu machen,
wo noch Finanzen bzw. Einkünfte herkommen. Wo fängt
das an, und wo hört das auf?
Ich glaube, es ist wichtig, dass man eine Unterscheidung trifft, die da heißt: Es gibt die Entscheider, die dann
auch die Verantwortung dafür übernehmen, und es gibt
die Berater, die beraten. Diese Unterscheidung scheint
mir eine Antwort auf die Frage zu sein, wie wir bei dieser Offenlegung vorgehen. Wir sagen: Bei den Entscheidern - also den Mandatsträgern hier im Parlament - ist
eine Offenlegung nötig, und zwar in größerem Umfang,
als dies heute schon geschieht. Hinsichtlich der Berater
wäre ich aber vorsichtig, ob wir hier nicht über das Ziel
hinausschießen.
Im Übrigen finde ich es eine interessante Frage, ob
wir uns mit solchen Diskussionen nicht auch unserer eigenen Kompetenz beschneiden. Wenn mir gesagt wird,
dass der Vorsitzende der Rürup-Kommission einen Vorschlag im Interesse der Versicherungswirtschaft macht
- geleitet von der Krankenversicherung -, dann muss ich
mir als in den Deutschen Bundestag gewählte Abgeordnete doch die Fragen stellen, ob ich erstens nicht in der
Lage bin, dies zu erkennen, und ob ich zweitens nicht in
der Lage bin, diesen Vorschlag, den er macht, jenseits
meiner nicht vorhandenen Einkünfte aus Versicherungsunternehmen durchaus auf seinen Sinn bzw. seine Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Wir beschneiden mit solchen
Debatten doch unsere eigene Kompetenz.
({2})
Vorletzter Punkt. Ich weiß nicht, wer das angesprochen hat, aber ich finde die Überlegung darüber, wie wir
mit den Ergebnissen des Sachverständigenrates umgehen, gut. Herr Zeil, ich glaube, Sie waren es. Ich weiß
nicht, ob Sie das Buch Eine kurze Geschichte der ökonomischen Unvernunft von Bernd Ziesemer kennen. Das
Buch hat kein Grüner geschrieben, aber es ist ziemlich
interessant. Er behandelt darin einen Aspekt im Zusammenhang mit dem Sachverständigenrat. Ich finde, er mokiert sich völlig zu Recht darüber, dass der Sachverständigenrat - im Übrigen auch andere Beratergremien Jahr für Jahr dicke Berichte vorlegt, die, ehrlich gesagt,
vielleicht eine Handvoll Leute liest, wenn überhaupt.
Die Interpretationshoheit liegt dann auch noch bei jedem
Einzelnen. Man zieht sich nämlich das heraus, was für
einen persönlich besonders wichtig ist.
Auch wir finden, dass der Sachverständigenrat uns
mit unserer Politik recht gibt, dass wir nämlich die Reformen endlich weiterführen müssen. Das steht ja auch
da drin. Wir sollten uns einmal überlegen, wie wir mit
den Ergebnissen umgehen, die uns der Sachverständigenrat in seiner wissenschaftlichen Kompetenz, die
durchaus breit gefächert ist, auf den Tisch legt, und in
welchem Umfang wir diese Arbeit honorieren, indem
wir das diskutieren, was darin steht.
Letzter Punkt. Die Linke hat hier diesen Antrag gestellt. Wie gesagt: Ich finde, über Transparenz und Offenheit muss man diskutieren. Manchmal braucht man
aber nicht gleich Gesetze, sondern kann das auch selber
machen. Insofern gehe ich natürlich davon aus, dass die
Linke in Berlin die Beratergremien des Wirtschaftssenators Harald Wolf auffordern wird, hier offenzulegen, wo
ihre Einkünfte herkommen. Er hat nämlich einen ganzen
Haufen Berater. Hier könnte man ja einmal mit gutem
Beispiel vorangehen.
Es wäre im Übrigen auch interessant und im Grundsatz richtig, einmal zu überlegen, wo sie früher gearbeitet haben, um ein bisschen Transparenz und Offenheit zu
erreichen.
({3})
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({4})
Das Wort hat nun der Kollege Ernst Hinsken für die
Unionsfraktion.
({0})
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und
Kollegen! Seit über 45 Jahren leistet der Sachverständigenrat eine hervorragende Arbeit. In ihm sind herausragende Wissenschaftler vertreten: die Crème de la Crème
der Wirtschaftswissenschaften aus der ganzen Bundesrepublik Deutschland. Ich möchte hier darauf verweisen,
dass die Namen Professor Rürup, Professor Bofinger,
Professor Franz, Professor Wiegard und Frau Professor
Weder di Mauro für einen positiven Begriff stehen. Das
beste Kompliment, das dem Sachverständigenrat gemacht werden kann, ist sein inoffizieller Name: die fünf
Weisen.
Herr Schui ist nicht mehr da. Er hat sich als Gegengutachter auch einen kleinen Namen gemacht. Damit ist
er aber größtenteils nicht angekommen.
Ich meine, dass es glücklich, großartig und gut für die
betroffenen Mitglieder des Sachverständigenrats ist, dass
sie zu Recht respektvoll als „Weise“ bezeichnet werden.
Der Sachverständigenrat gehört zu den angesehensten
Institutionen der Bundesrepublik Deutschland. Er ist das
Flaggschiff der wirtschaftswissenschaftlichen Beratung.
Er genießt höchste Reputation. Er verdient unser aller
Unterstützung. Sein Sachverstand ist unverzichtbar, und
er hat fast immer richtig gelegen.
Linker Populismus und Misstrauen bringen uns nicht
weiter. Das möchte ich insbesondere an Sie sagen, Herr
Gysi, der Sie vorhin gesprochen haben. Wer alles verspricht und vieles nicht offenlegt, ist nicht seriös und
führt ins Abseits. Dies zeigen auch 40 Jahre DDR. Fakten müssen zählen. Was wir brauchen, sind ganz konkrete, an der aktuellen politischen und wirtschaftlichen
Situation orientierte Vorschläge, wie sie der Sachverständigenrat liefert. Alle Jahre warten Wirtschaft und
Politik mit höchster Spannung auf den Jahresbericht.
Wünschenswert wäre, wenn fast alle Ratschläge, die hier
kommen, auch Berücksichtigung fänden.
Ich erinnere: Der Sachverständigenrat wurde 1963
durch ein einstimmig verabschiedetes Gesetz eingerichtet. Ich meine, wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn
möglichst bald einrichten. Seine über Parteigrenzen hinweg erworbene Anerkennung wollen wir stärken und
lassen diese jetzt nicht durch Sie, die Linke, kaputtmachen. Bisher und in der Vergangenheit haben Sie und
Ihre Vorgänger bewiesen, dass Sie von der Wirtschaft
keine Ahnung haben. Sie haben hier unter Beweis gestellt, dass es mit Ihnen meistens nach unten gegangen
ist. Das beste Beispiel ist der Untergang der DDR.
({0})
Auch heute zeigt sich in der Bundesrepublik: Dort,
wo die Linke mitregiert wie in Berlin oder früher in
Mecklenburg-Vorpommern, geht bzw. ging es den Bach
runter. Dort, wo, wie im Saarland, Oskar Lafontaine regiert hat, sah es auch nicht besser aus. Man befand sich
am Ende der Wirtschaftskraft der Länder. Es musste
Peter Müller kommen, der als Ministerpräsident das
Saarland wieder nach vorne gebracht hat.
({1})
Für jedes Bundesland, ja die ganze Republik ist es das
Beste, wenn Sie von der Linken niemals in einer Regierung Verantwortung übernehmen.
({2})
Es ist unverfroren, dass Sie jetzt versuchen, die Arbeit
des Sachverständigenrates in Zweifel zu ziehen, und unterstellen, dass die Mitglieder nicht unabhängig wären,
eine wahrlich infame Unterstellung.
({3})
Die Unabhängigkeit des Sachverständigenrates ist
durch Gesetz gesichert. Die Kollegen Fuchs, Zeil und
Schultz haben bereits darauf verwiesen. Die Mitglieder
üben ihr Amt als Nebentätigkeit aus. Man beachte die
Fakten, die von den Rednern vor mir dazu genannt worden sind. Wenn bei diesem Sachverständigenrat die Offenlegung von Einkünften aus Nebentätigkeiten gefordert
wird, dann müsste dies auch bei der Monopolkommission
und der Sachverständigenkommission für Gesundheit der
Fall sein.
({4})
Ich bin der Meinung, wir verzichten am Besten ganz darauf. Entweder Sie unterwerfen alle Beratungsgremien
einem solchen Zwang, oder - noch besser - Sie verzichten ganz darauf.
Es ist doch klar: Sie wollen Verunsicherung und
Neidkomplexe schüren. Mit diesen niedrigsten Instinkten zu argumentieren, lohnt sich immer. Ohne Zweifel:
Der Zwang zur Offenlegung würde den Anreiz zur nebenberuflichen, arbeitsintensiven Mitarbeit im Sachverständigenrat erheblich mindern. Gerade hier brauchen
wir die besten Leute. Niemand kann ein Interesse daran
haben, dass das nicht so ist. Die Unabhängigkeit der
Sachverständigen wird mit der gegebenen Regelung ausreichend gesichert. Es gibt keinen Grund, hier etwas zu
ändern. Wer eine unabhängige Beratung von hoher Qualität will, der muss diesen kontraproduktiven Antrag deshalb ablehnen.
Wir vertrauen darauf: Die Mitglieder des Sachverständigenrates sind unabhängig. Wir werden sie vor linker Gängelung schützen.
({5})
„Nicht mit uns!“, möchte ich Ihnen zurufen. Sie von
der Linken wollen den Mitgliedern des Sachverständigenrats doch etwas anhängen, weil die Reformvorschläge
nicht in Ihre linken Denkschablonen passen. Wenn Sie
ihn nicht inhaltlich fundiert kritisieren können, dann lassen Sie es bitte! Ich bin sicher: Keinem der fünf Weisen
können Sie, wie Sie da sitzen - das gälte auch, wenn Ihre
Fraktion vollständig anwesend wäre -, das Wasser reichen.
({6})
Besonders wichtig ist die Weiterentwicklung der Arbeitsweise des Sachverständigenrats, die die Bundesregierung gemeinsam mit ihm im März vergangenen Jahres vorgenommen hat. Bundeskanzlerin Merkel und
Bundeswirtschaftsminister Glos haben eine Neuausrichtung auf den Weg gebracht, um die ohnehin schon hervorragende Beratungsleistung des Sachverständigenrats
noch weiter zu verbessern. Das ist der richtige Weg. Der
Sachverständigenrat gibt jetzt zusätzlich zum Jahresgutachten regelmäßig im Frühjahr ein Sondergutachten zu
einem ausgewählten Thema heraus. Dies finden wir
richtig.
Der Sachverständigenrat hat weiter unser Vertrauen
und unsere nachhaltige Unterstützung. Wir werden gerade bei den jetzt anstehenden Beratungen immer wieder
darauf verweisen, dass von ihm, wie ich eingangs sagte,
hervorragende Arbeit geleistet wird, die nicht bekrittelt
werden sollte, sondern die wir seitens der Politik beflügeln sollten.
({7})
Vor allen Dingen müssen wir den einzelnen Sachverständigen die Möglichkeit geben, sich frei entfaltend einzubringen, wie das vorhin von einigen Kollegen bereits gesagt wurde. Das ist die Aufgabe für uns alle. Deshalb
gibt es von uns ein klares Nein zum Gesetzentwurf der
Linken.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
({8})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/8980 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Trittin, Ute Koczy, Kerstin Müller ({0}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Staatsaufbau in Afghanistan - Paris-Konferenz zur kritischen Überprüfung und Kurskorrektur des Afghanistan-Compacts nutzen
- Drucksache 16/9428 Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss ({1})
Innenausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so
beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Paris-Konferenz in der nächsten Woche ist ein wichtiger
Zwischenstopp im Aufbauprozess Afghanistans. Ich
glaube, dass diese Konferenz für die Zukunft Afghanistans und für den Erfolg der internationalen Mission in
Afghanistan wichtiger ist als das, was wir gern unter Afghanistan-Debatten verstehen.
({0})
Sie ist wichtiger als die Diskussion, die im Zusammenhang mit dem letzten NATO-Gipfel über die Frage stattgefunden hat, in welchen Bereichen welche NATOTruppen operieren. Sie ist wichtiger als so manche aufgeregte Debatte, die immer wieder um das eine kreist,
nämlich um die Frage, ob man für oder gegen die eine
oder andere Form von Militär ist.
({1})
Um das deutlich zu sagen: So notwendig Soldaten
dort sind, über den Erfolg der Stabilisierung Afghanistans entscheiden nicht Soldaten; über diesen Erfolg entscheiden am Ende die Fortschritte beim Aufbau. Ob wir
in der Lage sind, wirklich wirksam Hilfe zu leisten, den
Menschen wirtschaftlich und gesellschaftlich eine Zukunft zu geben und zu erreichen, dass Afghanistan nach
über 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg endlich zu rechtsstaatlichen Verhältnissen zurückkehrt, ist die entscheidende Frage.
({2})
Diese Konferenz soll eine Zwischenbilanz über das
ziehen, was vor wenigen Jahren in London im sogenannten Afghanistan-Compact beschlossen worden ist. Die
Benchmarks, wie das so schön heißt, also die Zielpunkte, für Sicherheit, Regierungsfähigkeit, Wahrung
der Menschenrechte dort müssen in der Tat einer sehr
kritischen Inspektion unterzogen werden.
In vielen Bereichen sind wir weit davon entfernt, bessere Verhältnisse zu erreichen. Ich gebe Ihnen dafür ein
kleines Beispiel: In London hat sich Italien dazu bereit
erklärt, sich im Rahmen des Afghanistan Compact um
den Justizaufbau zu kümmern.
({3})
Nach wie vor sitzt der afghanische Journalist Kambakhsh
in der Todeszelle, weil er aus dem Internet etwas Kritisches, nicht etwa etwas Pornografisches, heruntergeladen hat. Hier sind wir von einem befriedigenden Zustand
beim Aufbau der Justiz noch sehr, sehr weit entfernt.
({4})
Die afghanische Regierung hat nun eine Afghan National Development Strategy mit dem Ziel vorgestellt, den
Aufbau stärker in afghanische Hände zurückzugeben,
was mit Afghan Ownership umschrieben wird. Wir begrüßen den Schritt in diese Richtung. Aber man muss
sich auch über die Dimensionen des Ganzen im Klaren
sein. Wenn man die Afghan National Development Strategy ernst nimmt, dann muss man darüber reden, dass
hier bis 2013 ein Betrag von ungefähr 50 Milliarden
Dollar zu investieren ist.
Bei einer kritischen Bilanzierung kann es nicht so
weitergehen, wie es bisher gewesen ist. Schauen wir nur
ein Jahr zurück: Damals hat Deutschland jährlich
80 Millionen Euro für den Aufbau zur Verfügung gestellt. Erst massives Drängen - ich betone: nicht nur der
Opposition - aus allen Fraktionen dieses Hauses hat diesen Betrag heute auf 140 Millionen Euro hochgetrieben.
Aber wenn Sie in Paris wirklich ernsthaft mitwirken
wollen, dann müssen Sie diesen Betrag noch weiter steigern. Wir glauben, dass Sie mindestens 200 Millionen
Euro pro Jahr investieren müssen.
({5})
Ein anderes Beispiel ist die Polizeihilfe: Vor einem
Jahr waren in Afghanistan 30 deutsche Polizisten tätig.
Nach vielem Drängen auch aus diesem Haus ist endlich
beschlossen worden, die europäische Polizeimission auf
400 Personen aufzustocken, von denen 200 aus Deutschland kommen sollen. Das ist ein Schritt in die richtige
Richtung, aber es ist immer noch nicht genug, wenn wir
wirklich für die Sicherheit der Afghaninnen und Afghanen im Alltag sorgen wollen.
({6})
Geld ist nicht alles. In Paris muss erreicht werden,
dass die Rolle der Vereinten Nationen und ihres Vertreters Kai Eide endlich zu dem wird, was sie sein muss:
die zentrale steuernde Instanz für die Hilfe und den Wiederaufbau in Afghanistan, die Schnittstelle, an der tatsächlich alles zusammenläuft und wo das Nebeneinander
von gut funktionierendem militärischen und schlecht
funktionierendem zivilen Einsatz endlich beendet wird.
({7})
Meine Damen und Herren, für Afghanistan brauchen wir
mehr zivile Hilfe, und diese Hilfe muss besser koordiniert sein. Das ist die Herausforderung, der sich die Bundesregierung, die Bundesrepublik und die internationale
Gemeinschaft endlich stellen müssen.
Vielen Dank.
({8})
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege
Dr. Christian Ruck das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit einem gewissen Bedauern muss ich sagen, Herr Trittin,
dass ich das meiste von dem, was Sie gesagt haben, unterstreichen kann.
({0})
Der Aufbau Afghanistans ist in einer kritischen Phase.
Ein Scheitern können wir uns weder sicherheitspolitisch
noch entwicklungspolitisch leisten. Sichtbare Erfolge in
Afghanistan sind mehr und mehr gegenüber unseren eigenen Bürgern notwendig. Wir sehen deutliche Fortschritte im Gesundheits- und Erziehungsbereich, bei der
Infrastruktur und auch beim Aufbau der Armee. Es gibt
ein bemerkenswertes Wirtschaftswachstum auch ohne
Drogen. Unsere Arbeit genießt bei den Afghanen eine
große Wertschätzung, wie die Studie der FU Berlin gezeigt hat.
Aber diese entwicklungspolitischen Erfolge haben
noch nicht die kritische Masse erreicht, um einen durchgreifenden Wandel zu einer friedlichen Entwicklung herbeizuführen. Es gibt in Afghanistan wegen der Drogen
riesige strukturelle Probleme. Die Sicherheitsprobleme
nehmen eher zu als ab. Wir haben es mit enorm schwachen staatlichen Strukturen, einer verbreiteten Korruption und einer geringen Eigenfinanzierungskapazität zu
tun. Zudem gibt es in der Tat auch Koordinationsprobleme unter den Gebern.
Deswegen ist es wichtig, dass die Konferenz in Paris
nächste Woche für neuen Schwung und neue Ideen sorgt.
Ich begrüße, dass Präsident Karzai neue Strategiedokumente seiner Regierung mitbringen wird, die mehr
Selbstbewusstsein und auch mehr Eigenverantwortlichkeit demonstrieren sollen. Der Schlüssel zu einer positiven Entwicklung liegt in der Tat darin, dass Afghanistan
verstärkt sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Dazu
gehört aber auch der entschlossene Wille der Führung,
gegen schwarze Schafe im eigenen Land und in der eigenen Regierung, gegen Drogenbarone und gegen die Korruption vorzugehen.
Wir können und müssen als Gebergemeinschaft den
Weg zur Eigenverantwortlichkeit unterstützen. Auch wir
sind für eine Aufstockung der Mittel. Auch wir sind gerade beim Aufbau von Armee, Polizei und Justiz dafür,
weniger halbherzig vorzugehen. Auch wir glauben, dass
wir in vielen Fällen durch bessere Koordination mehr erreichen. Wir müssen eine bessere Optimierung zwischen
unseren eigenen Ressorts hinbekommen,
({1})
aber auch international die Abstimmung verbessern. Ich
glaube, dass es auf der EU-Ebene inzwischen gut läuft;
es läuft aber - auch im zivilen Bereich - nicht optimal
mit den Amerikanern, und es läuft nicht optimal, was das
Engagement der Vereinten Nationen angeht. Hier müssen wir zu besseren Lösungen kommen.
Was die Aufbauarbeit anbetrifft, gibt es zwei Denkrichtungen, die oft gegenübergestellt werden. Die eine
Denkrichtung zielt darauf ab, alles in afghanische Hände
zu übertragen. Unter den Begriffen „Afghan Ownership“
und „Capacity Building“ wird der Aufbau eigener afghanischer Organisationen angestrebt. Ziel ist es, weniger
Geld für teure ausländische Fachkräfte auszugeben. Die
andere Denkrichtung zielt auf schnelle und sichtbare Erfolge in der Grundbedürfnisstrategie und der Infrastruktur, um zu zeigen, dass sich Demokratie lohnt.
Ich glaube aber, dass in Wirklichkeit beides notwendig ist. Wir müssen eine Parallelstrategie verfolgen.
Unsere Exit-Strategie muss gerade darin bestehen, die
Afghanen zu befähigen, ihren Staat so bald wie möglich
ohne ausländische Hilfe zu führen. Deswegen ist es richtig, wenn wir so viel wie möglich in Capacity Building
bzw. in Bildung und Ausbildung investieren, und zwar
an allen Fronten.
({2})
Es ist aber auch richtig, dass Afghanistan schnelle,
sichtbare Erfolge braucht, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie und den Kampf gegen die
Drogenwirtschaft zu gewinnen. Dazu sind über weite
Strecken auch noch mittelfristig ausländische Experten
notwendig, selbst wenn sie teuer bezahlt werden müssen.
Dies liegt auch daran, dass das Gelände in Afghanistan
auch für Ausländer weiterhin vermint ist. Notwendig ist
auch nach wie vor der optimale Übergang von militärischen Aktivitäten zur Aufbauarbeit. Denn gerade bei
dieser Scharnierfunktion geht es darum, die Herzen und
das Vertrauen der Afghanen zu gewinnen.
Ich möchte auf ein Ärgernis in diesem Zusammenhang hinweisen, das es unbedingt abzustellen gilt, nämlich dass zu oft die wenigen ausgebildeten afghanischen
Fachkräfte in der Bürokratie von ausländischen oder
auch inländischen privaten und staatlichen Hilfsorganisationen abgeworben werden. Die Beispiele häufen sich,
dass jemand lieber als gutbezahlter Fahrer für eine Organisation als in seinem erlernten Beruf, zum Beispiel dem
des Lehrers, arbeitet. Es wäre wichtig und richtig, dass
man sich in Paris zu einer Selbstverpflichtung durchringt, die die großen NGOs einschließt, und erklärt: Solche Dinge sind zu unterlassen. Das sollte im Rahmen einer Selbstverpflichtung koordiniert werden. Ich glaube,
das wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
({3})
Der Antrag der Grünen
({4})
ist in weiten Teilen nicht schlecht.
({5})
Aber es gibt natürlich einen schwachen Punkt - Herr
Trittin, darauf haben Sie selbst hingewiesen, obwohl Sie
gesagt haben, es spiele keine Rolle -, in dem Sie sich
von uns unterscheiden. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Es ist das, was Sie zur Sicherheitspolitik und zu
OEF gesagt haben. Wir glauben, dass die Aufbauarbeit
noch lange Zeit unter entsprechenden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen und dem Schutz von Operation Enduring Freedom geleistet werden muss. Das ist
meiner Ansicht nach auch für die Entwicklungszusammenarbeit weiterhin unabdingbar. Man kann sicherlich
darüber diskutieren, wie es in Zukunft weitergeht. Aber
wir stimmen dem, was Sie geschrieben und gesagt haben, nicht zu.
Wir haben sicherlich in der Debatte, die sich an die
Regierungserklärung zu diesem Thema in der übernächsten Woche anschließt, Gelegenheit, das weiter zu
vertiefen. Bis dahin wünschen wir alle der Paris-Konferenz viel Erfolg.
({6})
Das Wort hat der Kollege Hellmut Königshaus für die
FDP-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann
mich den guten Wünschen an die Paris-Konferenz nur
anschließen. Ich gebe dem Kollegen Ruck recht: An dem
Antrag der Grünen ist nicht allzu viel auszusetzen. Er
stellt insgesamt eine sehr gute Zusammenfassung der
Probleme dar.
({0})
Aber man merkt dem Antrag an, dass es den Antragstellern eigentlich weniger um den Frieden in Afghanistan
als um den Frieden in ihrer Partei geht. Sie arbeiten sich
mehr an der Aufarbeitung Ihres eigenen Afghanistanparteitagstraumas ab als an den realen Problemen vor Ort.
({1})
Alle vier bis sechs Wochen stellen Sie von den Grünen einen neuen Afghanistan-Antrag,
({2})
mit immer den gleichen Inhalten, mit immer den gleichen Zielen. Die meisten sind richtig. Andere sind
falsch. Offenbar brauchen Sie diese ständige Selbstvergewisserung; das kann ich verstehen. Aber warum behelligen Sie immer das Parlament mit Ihren parteiinternen Duftmarken? Warum setzen sich Herr Trittin, Herr
Zion und Herr Nachtwei nicht einfach zusammen und
bestätigen sich gegenseitig, dass sie sich wahrscheinlich
nicht einigen können?
({3})
Auch der vorliegende Antrag benennt wieder eine
ganze Reihe wichtiger Ziele; das haben wir schon vom
Kollegen Ruck gehört. Das ist richtig. Aber was ist daran
wirklich neu? Sie stellen doch einen Antrag, um etwas
zu verändern. Gibt es eine neue Schwerpunktsetzung?
Gibt es überhaupt eine Schwerpunktsetzung in dem Antrag? Auch nach mehrmaligem Lesen ist das nicht zu erkennen. Das ist kein Wunder; denn ersichtlich wichtige
Themenfelder sind weitgehend ausgeblendet. Beispiel
Drogenproblematik: Wer eine Neuausrichtung des Afghanistan Compact fordert, kann sich nicht auf ein paar
Bemerkungen zu diesem Thema beschränken, wie das
im vorliegenden Antrag der Fall ist. Auch zur wuchernden Korruption lässt sich in Ihrem Antrag keine konkrete
Antwort finden. Was soll es denn konkret bedeuten,
wenn Sie fordern, die „Korruptionsbekämpfung effektiver zu machen und die nationale Korruptionsbekämpfungsbehörde arbeitsfähig zu machen“? Was meinen Sie
damit: therapeutische Gespräche mit dem Karzai-Clan
und den Gebietsherrschern oder Mittelstreichung?
Nichts Genaues wird gesagt. Es genügt nicht, Fragen zu
stellen. Sie müssen auch Antworten geben. Sonst brauchen Sie keine Anträge zu stellen.
({4})
Dabei sind dies die zentralen Themen. Alle afghanischen Gesprächspartner - gerade war wieder eine afghanische Delegation von Parlamentskollegen da - benennen die Korruption als das zentrale Hindernis beim
Staatsaufbau. Alle außer Herrn Karzai bezeichnen übrigens in diesem Zusammenhang den Karzai-Clan als einen der Hauptnutznießer von Drogenhandel und Korruption. Was ist nun Ihre Antwort darauf? Sie jedenfalls
wollen, so Ihr Antrag - jetzt zitiere ich wieder wörtlich -,
„ohne Rücksicht auf Stellung und Funktion Einzelner
strafrechtlich“ vorgehen. Wie schön. Nur, wer soll das
denn tun? Die deutsche Justiz? Die afghanische Justiz?
Falls Letzteres der Fall ist: Wie wollen Sie die dazu veranlassen? Wollen Sie Herrn Karzai bitten, dass er den
Staatsanwalt losschickt, damit dieser gegen ihn selbst
oder gegen seinen Bruder ermittelt? Ohne konkrete Antworten darauf bleiben wir doch viel zu sehr im Ungefähren.
Die Sicherheitspolitik hat der Kollege Ruck gerade
angesprochen. Sind Sie nun für oder gegen den Bundeswehreinsatz? In Ihrem Antrag finden wir darauf keine
Antwort. Auch der Kollege Ruck hat im Übrigen hier
zum ersten Mal, wie ich mich zu erinnern glaube, von einer Exit-Strategie gesprochen. Ich halte das für voreilig.
Wir können natürlich nicht darum herumreden, dass wir
irgendwann einmal aus Afghanistan hinaus wollen, aber
dass wir schon heute, in einer Zeit, in der sich die Situation eher verschlimmert als verbessert, über Exit reden,
ist, glaube ich, das falsche Signal.
Für die Polizei gilt genau das Gleiche. Herr Trittin
sagt: Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben schon
den Einsatz von 400 Polizisten beschlossen. ({5})
Aber da sind sie eben noch nicht. Das ist das Problem.
86 sind es von 200, die wir schicken wollten. Schauen
Sie sich das Land an! Es ist doppelt so groß wie
Deutschland, und dafür gibt es 86 Polizisten. Das ist der
entscheidende Beitrag. Da kann man wirklich Zweifel
haben.
({6})
- Ich rede jetzt über Ihren Antrag. Über unsere Anträge
können wir reden, wenn wir sie einbringen.
In einem Punkt aber können wir wirklich mit Freude
feststellen, dass Sie uns folgen. Wir haben schon seit
Jahren gefordert, dass die Mittel für den Aufbau Afghanistans erhöht werden. Es ist sicher kein Zufall, dass
auch Sie nun genau die Summe, die wir immer gefordert
haben, nämlich 200 Millionen Euro, fordern. Nur, Sie
haben diese Anträge immer abgelehnt. Warum eigentlich?
({7})
Wir freuen uns darüber, dass Sie uns nun folgen. Wir
würden uns freuen, wenn Sie sich bei den nächsten
Haushaltsberatungen daran erinnern könnten.
({8})
- Nein, ich sage nicht die Unwahrheit. ({9})
Es wäre schön, wenn es Ihnen gelänge, die Kollegen von
der Koalition davon zu überzeugen. Die Ministerin hat
eben entsetzt aufgeschrien, als Sie diese Summe genannt
haben. Wir folgen Ihnen in diesem Fall und geben Ihnen
recht. Da stehen wir zusammen.
Lassen Sie uns die Themen angehen, die angegangen
werden müssen. Wir brauchen mehr Geld für den Aufbau, aber ich füge hinzu: Wir brauchen dafür auch die
Sicherheit, die nur durch unseren Militäreinsatz gewährleistet wird.
Danke.
({10})
Das Wort hat der Kollege Detlef Dzembritzki für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Mir tut es immer leid, Kollege Königshaus, wenn ich die
Verpflichtung habe, nach Ihnen zu sprechen. Ich finde,
es wird dem Anliegen, das wir hier im Hause haben,
nicht gerecht, das Thema auf eine solche Ebene zu ziehen.
({0})
Ich habe überhaupt kein Problem damit, der Fraktion der
Grünen zu sagen: Ich finde es gut, dass Sie diesen Antrag eingebracht haben.
Das Neue an der ganzen Geschichte ist, dass wir
nächste Woche eine Paris-Konferenz haben,
({1})
die sich mit den Leistungen auseinandersetzt, die die internationale Gemeinschaft, die afghanische Regierung,
das Parlament und die Menschen dort haben erbringen
können, bzw. damit, wo Stellschrauben verändert werden müssen. Die Diskussionen hier haben sich bisher
immer dadurch ausgezeichnet, dass wir geschaut haben,
wo wir bei diesem diffizilen Thema im Parlament
Schnittmengen haben. Die Verantwortung tragen wir
doch gemeinsam. Ich persönlich bin sehr dankbar für
den Antrag, weil ich hier schon des Öfteren in den
Debatten über Afghanistan darauf hingewiesen habe,
wie wichtig der Afghanistan-Compact vom Januar/Februar 2006 ist. Ich habe dieses Papier bei allen Diskussionen, die ich zum Thema Afghanistan führe, dabei;
denn das ist in gewissem Sinne die Roadmap. Ich habe
überhaupt keine Scheu, im Zweifel zu sagen: Das ist die
Exit-Strategie, und zwar eine erfolgreiche. Wenn wir das
erreicht haben, was im Afghanistan-Compact vereinbart
worden ist, dann haben wir die Chance, uns aus diesem
Land Schritt für Schritt zurückzuziehen. Das ist die Philosophie, die hinter dem Afghanistan-Compact steht.
({2})
Ich glaube, es ist notwendig, auf Folgendes hinzuweisen - Kollege Ruck hat damit ein Stück weit begonnen -: Das, was die internationale Gemeinschaft sich
vorgenommen und die afghanische Regierung mit eingebracht hat, beginnt zu greifen, wenn auch nicht in dem
Umfang, wie wir es erhofft haben. Wer sich die Mühe
machen konnte, im Land etwas mehr als nur in den Militärcamps von Masar-i-Scharif und Kunduz unterwegs zu
sein, der konnte unzweifelhaft feststellen, dass es riesige
Veränderungen gegeben hat. Man betrachte allein die Infrastruktur und das, was auch deutsche Ingenieure vollbracht haben - wenn ich es schon einmal gesagt habe,
bitte ich um Nachsicht -: Die Energieversorgung für
Kabul ist - wenn auch nicht im notwendigen Ausmaße sicher. Dort werden hervorragende Leistungen erbracht,
zum Teil unter Bedingungen, die eine ordentliche Bezahlung nun wirklich notwendig machen. Mit diesen
Worten will ich das zusammenfassen.
Schauen wir uns die Polizeireform an; wir haben oft
darüber gesprochen. Ich muss hier noch einmal betonen:
Es geht nicht um Kritik an dem Verhalten der Beamtinnen und Beamten sowie der Polizistinnen und Polizisten,
die in Kabul und anderswo in Afghanistan die Ausbildung gemacht haben. Sie haben das zum allergrößten
Teil hervorragend gemacht. Die politischen Voraussetzungen, die die Europäische Union und wir geschaffen
haben, waren nicht so umfassend, dass dort ein noch größerer Erfolg hätte erzielt werden können.
Von dem Beispiel Polizei ausgehend, will ich sagen:
Ich erwarte von der Paris-Konferenz, dass der Afghanistan-Compact nicht mehr nur als Absichtserklärung benutzt wird, sondern dass man sich zusammensetzt, eine
Art Bestandsaufnahme durchführt - was ist erreicht worden? -, um festzustellen, was bis 2010/2011 noch geleistet werden muss. Dann kann man nämlich sagen, welche
Ressourcen wir dafür einsetzen müssen, ob 400 Polizistinnen und Polizisten reichen, ob das, was für die Armeeausbildung im Augenblick eingebracht wird, reicht
oder ob sowohl materielle als auch personelle Ressourcen erweitert werden müssen. Herr Königshaus, das Erwerben des Wissens, das notwendig ist, um bestimmte
Kapazitäten zu schaffen, kann man durchaus als ExitStrategie bezeichnen. Ich will mich auf diesen Begriff
nicht festlegen, weil er offensichtlich negativ besetzt ist;
ich dagegen möchte ihn positiv verstanden wissen.
Eines ist doch genauso klar: dass Polizei und Militär
nicht die Sicherheit, nicht die staatliche Funktionalität
schaffen können, die notwendig sind, um Vertrauen in
den Staat selbst zu haben. Wenn man sich anschaut, wie
schwach staatsanwaltliche, gerichtliche Institutionen
ausgebildet sind - der Gerichtsapparat steht nicht zur
Verfügung, um das, was wir als Recht betrachten, Recht
werden zu lassen -, fragt man sich: Wie soll Polizei
funktionieren?
({3})
Hier ist viel nachzuholen; hier ist eine riesige Arbeit zu
leisten.
Heinemann hat gesagt: Wer mit dem Finger auf jemand anders zeigt, sollte daran denken, dass in dieser
Hand zugleich drei Finger auf ihn zurückweisen. Ich
zeige daher überhaupt nicht auf irgendein Land. Wahrscheinlich müssen die Europäische Gemeinschaft und
die internationale Gemeinschaft auch hier eine viel stärkere Gemeinschaftsleistung vollbringen, als das bisher
der Fall war. Sie müssen eben die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen, damit das Land eine materielle und eine inhaltliche Infrastruktur - Stichwort „Justiz“ - bekommt. Erst dann wird man die Möglichkeit
haben - der Drogenbereich ist angesprochen worden -,
kriminelle Energie in diesem Bereich, etwa Drogenanbau, rechtsstaatlich zu verfolgen. Bisher kann diese
Energie nur gezügelt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Mittwoch haben
wir in der Parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union den Bericht zur politischen Entwicklung Pakistans und Afghanistans verabschiedet. Ich
will nicht unbescheiden sein; ich hatte die Berichterstattung für diesen Teil übernommen. Was die Parlamentarier der Westeuropäischen Union und der inzwischen
dazugekommenen EU-Länder damit beschlossen haben,
trifft genau den Kern: Wir erwarten, dass die Paris-Konferenz nicht eine Pledging-Konferenz ist, sondern eine
Konferenz, auf der bilanziert wird, nachjustiert wird,
Vereinbarungen getroffen werden und Verbindlichkeit
hergestellt wird.
Herr Kollege Trittin, dann wird man im Einzelnen
schauen müssen, wo im Zweifel für einen gewissen Zeitraum bestimmte zusätzliche Mittel bereitgestellt werden
müssen, um diese Zielvorgaben zu erreichen.
Wir erwarten aber auch - ich denke, da im Namen des
Deutschen Bundestages zu sprechen -, dass ernsthafte
Anstrengungen unternommen werden, um das europäische Konzept kohärent zu machen, damit es gelingt, dass
wir dort nicht als 20 bilaterale Akteure operieren, sondern mit einem einheitlichen europäischen Konzept tätig
werden.
In diesem Sinne sollten wir zum Beispiel die Arbeit
von Kai Eide unterstützen, damit die Vereinten Nationen
innerhalb des Afghanistan-Compact tatsächlich die
Funktion erhalten, das Koordinierungs- und Kooperationsglied zu sein.
Ich finde Ihre Überlegung in Ordnung, dass dieses
Beratungs- und Monitoringboard möglicherweise nur in
Afghanistan tagt. Hier sollte man mit einer substanziellen Verbesserung zu dessen Handlungsfähigkeit beitragen. Das kann ich nur unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der vorigen Woche haben wir zusammen mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, die - wie auch andere Organisationen - in Afghanistan wirklich gute Arbeit leistet, ein sogenanntes
Young Leaders Forum durchgeführt - mit jungen afghanischen Akademikern, die in Afghanistan ihre akademische Bildung abgeschlossen haben und dort quasi als
Potenzial zur Verfügung stehen. Es war ein wirkliches
Vergnügen, sich mit diesen jungen Leuten zu unterhalten
und deren Wissen, deren Kompetenz und deren Erfahrung über die Situation in ihrem Land kennenzulernen.
So etwas ist zum Beispiel eine Antwort auf die Kritik
dahin gehend, dass die Menschen immer von den dort
eingesetzten Milliardenbeträgen hören und sich fragen:
Wo kommen die Milliarden von Entwicklungsgeldern
eigentlich an? Wie sieht es im ländlichen Bereich aus?
Findet dort die gleiche Unterstützung statt wie in den
Städten?
Es ist beeindruckend, mit diesen jungen Leuten zu
diskutieren und allein ihre Sprachfertigkeit zu erleben.
Das ist doch ein Signal dafür, dass sich in diesem Land
in den letzten sechs Jahren wirklich etwas verändert hat.
Mit dieser Ausbildung in Afghanistan werden junge
Menschen tatsächlich befähigt, sich für ihr Land einzusetzen und Aufgaben zu übernehmen.
Wenn wir als internationale Gemeinschaft es jetzt
schaffen, dort für einen bestimmten Zeitraum zu materieller Sicherheit beizutragen, können wir gemeinsam
mit der afghanischen Regierung versuchen, in den Administrationen bzw. in den Ministerien solche in Afghanistan selbst ausgebildeten jungen Leute mit Aufgaben
zu betrauen, die für ihr Land wichtig sind, um die überkommenen Eliten abzulösen.
Herr Kollege Dzembritzki, achten Sie bitte auf die
Zeit.
Sofort. - Man könnte es auch anders formulieren: um
das Land von der Korruption zu befreien und die entsprechenden Personen durch solche jungen Leute zu ersetzen.
Von daher gehe ich mit einem großen Schuss Hoffnung in die nächste Woche, obwohl ich es schade finde,
dass wir Parlamentarier bei der Paris-Konferenz nun
ausgeklammert worden sind. Umso mehr freue ich mich
auf die Regierungserklärung in der übernächsten Woche;
denn dann können wir unsere Diskussion fortsetzen.
Frau Präsidentin, ich bedanke mich für die Nachsicht.
({0})
Das Wort hat die Kollegin Monika Knoche für die
Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Herren und
Damen! Die Paris-Konferenz vor Augen, will ich auf
Folgendes hinweisen: Ein Vater verkauft zwei Mädchen
zum Preis von 500 Dollar, damit weder er noch diese
Kinder verhungern. Frauen, die Witwen geworden sind,
nehmen sich das Leben, weil sie keinen Lebensunterhalt
haben. Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen nehmen als Folge der wachsenden fundamentalistischen
Frauenfeindlichkeit zu. Ohne Burka auf die Straße zu
gehen, ist für eine Frau nicht möglich. - Das alles geschieht heute, im Jahre 2008. Von einer Verbesserung
der Lage und von Erfolgen zu reden, halte ich für nahezu
schamlos.
Zwar ist die entwürdigende Lage der Frauen unter
den Taliban als moralische Legitimation für die deutsche
Kriegsbeteiligung angeführt worden. Aber alle politisch
klar Denkenden haben vorausgesagt, dass man mit Militär Frauenrechte nicht herbeizwingen kann. Das ist auch
so geblieben.
({0})
Nicht mit Militär wird Zivilgesellschaft aufgebaut. Vielmehr verhindert das Militär die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Afghanistan. Das ist an vielen Beispielen zu
erleben.
({1})
Zeugnis davon erhalten wir morgen auf der Afghanistan-Friedenskonferenz in Hannover. Hier werden Frau
Soja von der Frauenrechtsorganisation RAWA und Professor Dr. Safi, ein Völkerrechtler der Universität Kabul,
sprechen. Ich begrüße beide auf der Besuchertribüne.
({2})
Sie fordern den Rückzug des ausländischen Militärs
und weisen nach, dass eben jene Taliban, die vor 2001
mithilfe zum Beispiel des damaligen US-Präsidenten
Bill Clinton an die Macht kamen, heute noch immer die
Geschicke lenken. Karzai wurde - ich erinnere daran von den Grünen und auch von ihrem Außenminister
Fischer hoch gepriesen; er wird von Warlords und Clans,
die ihr Geld mit Drogen und Korruption verdienen, getragen. In diese Mafiastrukturen investiert der gesamte
Westen seither Milliarden von Dollar mit dem Ergebnis,
dass das Volk hungert und der Mohnanbau blüht. Wer
diese korrupte, kriminelle Staatselite stützt, darf nicht
mehr für sich in Anspruch nehmen, tatsächlich den Aufbau von Zivilstrukturen zu fördern. Wohin die geforderten 200 Millionen Euro fließen werden, bleibt genauso
fragwürdig wie der Verbleib des Geldes, das in der Vergangenheit investiert worden ist.
Es ist falsch, zu behaupten, der Militärabzug, den die
Linke fordert, führe ins Desaster. Desaströs ist die Situation jetzt schon: Es besteht nämlich strukturelle und reale Korruption. Es ist an der Zeit, die demokratischen
Kräfte zu unterstützen und ihnen uneingeschränkte Hilfe
zukommen zu lassen, damit sich in dem Land auf Basis
der eigenen demokratischen Kräfte ein Reformprozess
vollziehen kann. Menschen, die daran mitwirken, müsste
auf dem Pariser Kongress zum Afghanistan-Compact
der erste Rang auf den Bühnen eingeräumt werden. Ihnen müsste es gestattet werden, ein authentisches Bild
über Afghanistan zu zeichnen. Dieser konkreten Realität, die von engagierten zivilen Kräften aus der afghanischen Bevölkerung getragen wird, geben Sie keine
Bühne, wenn Sie weiterhin nur die herrschenden Strukturen finanzieren.
({3})
Wenn Sie diesen Menschen ein Forum bieten würden
- das fordern wir als Linke ausdrücklich und unterstützen es mit all unseren Kräften -, dann wäre auch klar,
dass nichts, was die westliche Vormacht bisher präsentiert hat, tatsächlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Frieden bringen kann. Demokratie braucht
nämlich Freiheit. Die gibt es bisher in Afghanistan nicht.
Unter den Besatzungsbedingungen, die dort herrschen
- davon hat auch die Menschenrechtlerin Malalai Joya
ein eindrucksvolles Zeugnis gegeben -, gibt es keine
freie Rede und auch keine Pressefreiheit. Beide sind aber
Grundbestandteile für den Aufbau eines demokratischen
Rechtsstaates. Aber selbst nach sieben Jahren können
diese noch nicht gewährleistet werden.
Ich bilanziere: Der Aufbau von Militär- und Polizeistrukturen ist in Afghanistan nicht geglückt, weil man
sich auf Clanmitglieder und ehemalige Taliban gestützt
hat und diese in die neuen Strukturen aufgenommen hat.
So kann kein Rechtsstaat entstehen.
Frau Kollegin Knoche, achten Sie bitte auf die Zeit.
Auch bezüglich des Polizeiaufbaus fällt die Bilanz
sehr kritisch aus. Fragen Sie sich einmal, wen Sie bislang unterstützt haben. Glauben Sie mir, nur eine Streichung der Unterstützung und eine Abkehr von der
Karzai-Regierung
({0})
und eine Förderung der Menschen, die es ernst meinen
mit Demokratie, werden Entwicklung und Zivilität in
Afghanistan ermöglichen.
({1})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/9428 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 b auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft
- Drucksache 16/8540 Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz ({0})
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. - Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die FDPFraktion hat der Kollege Dr. Edmund Geisen.
({1})
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Diese Woche haben sich
Bilder in unseren Köpfen festgesetzt, die widersprüchlicher kaum sein könnten und die wir so schnell nicht vergessen werden: auf der einen Seite hungernde Menschen
bei gewalttätigen Demonstrationen und auf der anderen
Seite wütende Milchbauern, die literweise Milch wegschütten und Molkereien blockieren.
Eines wird dabei ganz deutlich: Die Landwirtschaft,
die jahrelang sowohl bei uns als auch weltweit als vernachlässigbar galt und auch belächelt wurde, steht jetzt
plötzlich wieder im Zentrum der medialen und politischen Aufmerksamkeit. Warum? Weil wir verblüfft feststellen müssen, dass Lebensmittel kein Gut wie jedes andere sind, sondern unsere blanke Existenz sichern.
Während wir hier jammern, dass wir möglicherweise
bald 14 Prozent statt gegenwärtig 11 Prozent unseres
verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben
müssen, beträgt dieser Anteil in den Entwicklungsländern schon jetzt 70 Prozent. Es ist also kein Wunder,
dass die hungernden Menschen auf die Straße gehen.
Auf der gestern zu Ende gegangenen FAO-Konferenz
warnte der FAO-Chef bereits vor Bürgerkriegen und vor
einer Gefahr für den Weltfrieden.
Selbst wenn die aktuellen Probleme mit Sofortmaßnahmen kurzfristig gelöst werden könnten, muss angesichts der drastisch wachsenden Weltbevölkerung in den
nächsten Jahrzehnten, so UN-Generalsekretär Ban
Kimoon, die Lebensmittelproduktion bis 2030 um sage
und schreibe 50 Prozent gesteigert werden. Dabei steht
uns die eigentliche Herausforderung noch bevor: der
Klimawandel.
Fazit: Wir müssen umdenken in der Agrarpolitik. Es
ist fünf vor zwölf. Wir brauchen eine grüne Revolution
auf dem Acker, oder wie es der UN-Generalsekretär etwas weniger plakativ formulierte: Wir müssen die historische Gelegenheit für eine Wiederbelebung der Landwirtschaft nutzen, und zwar nicht nur in Afrika, sondern
auch bei uns. - Wir brauchen den Ausstieg aus der Philosophie des Ausstiegs.
Das ist die Kernbotschaft des FDP-Antrags „Klimaschutz durch effiziente Landwirtschaft“ sowie unseres
jüngst verabschiedeten Fünf-Punkte-Programms zur Sicherung der Welternährung. Unsere Forderungen im
Einzelnen:
Erstens. Nur eine effiziente, innovative und unternehmerische Landwirtschaft, mit der standortangepasst und
nachhaltig die Erträge zu steigern sind, kann die Ernährungs- und Versorgungssicherheit auf Dauer gewährleisten. Das gilt für den heimischen Standort ebenso wie für
die Entwicklungsländer.
Zur Steigerung der Produktivität in der Land- und Ernährungswirtschaft müssen wir Innovationen und technischen Fortschritt nutzen und dürfen ihn nicht verteufeln.
Das gilt für moderne Landtechnik genauso wie für modernste Betriebsmittel, für Pflanzenzüchtung und Bewässerungssysteme. Dabei gilt es auch, die verantwortbaren Möglichkeiten der Biotechnologie zu nutzen.
Entsprechende Aus- und Fortbildungen sind notwendig.
Zweitens. Deutlich gesteigert werden müssen die Investitionen in die Agrarforschung, national wie international. Hier ist in den vergangenen Jahren viel zu wenig
passiert. Forschung und Entwicklung sind der Schlüssel
für künftigen Wohlstand und angesichts der Herausforderungen des Klimawandels von entscheidender Bedeutung.
({0})
Drittens. Wir brauchen die Bioenergie, auch die aus
Biomasse. Verbesserte Lebensverhältnisse in Ländern
wie China oder Indien ziehen nicht nur eine gesteigerte
Nachfrage nach Lebensmitteln nach sich, der Energiebedarf steigt ebenfalls rasant an. Gleichzeitig sind unsere
Vorkommen an fossilen Rohstoffen begrenzt.
Ich wundere mich immer wieder, wie einige es schaffen, mit gleicher Vehemenz und Dogmatik erst für die
vermeintlich umweltfreundliche Alternative zu kämpfen, nur um sie später genauso vehement zu bekämpfen.
Deshalb gibt es nicht die Alternative: Teller oder Tank.
Nein, für die Liberalen gilt: Teller und Tank, wobei dem
Teller immer Vorrang einzuräumen ist.
({1})
Viertens. Unsere Landwirte brauchen Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen, um auf dem
zunehmend globalisierten Markt wettbewerbsfähig zu
bleiben. Deshalb gibt es für die FDP auch keine Diskussion über die Direktzahlungen der ersten Säule bis 2013.
Pacta sunt servanda!
Fünftens. Wir müssen die Liberalisierung des Welthandels fortsetzen; denn freier Handel ist fairer Handel.
Sowohl die Nahrungsmittelkrise als auch der Klimawandel machen deutlich: Wir leben hier doch nicht auf einer
einsamen Insel mitten im Nirgendwo. Wir können und
wollen uns doch gar nicht von den globalen Entwicklungen abkoppeln.
({2})
Wer aber wie Minister Seehofer wider besseres Wissen
öffentlich über Autarkie in der Landwirtschaft sinniert,
handelt verantwortungslos;
({3})
denn er bedient populistische Forderungen, die den heimischen Landwirten ebendiese Insel vorgaukeln.
({4})
Minister Seehofer, reden Sie doch einmal über die Chancen unserer hochwertigen Qualitätsprodukte auf dem
Weltmarkt, statt immer nur über protektionistische Maßnahmen nachzudenken!
({5})
Wir Liberale haben unsere Hausaufgaben gemacht.
Nun ist die Bundesregierung an der Reihe. Hier erwarten
wir statt ewig schöner Worte und runder Tische endlich
gute Taten. Da Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer
bei einem dieser runden Tische erklärt hat, die Politik
müsse wesentlich wirksamer werden, um ihre Ziele zu
erreichen, sage ich: Richtig, Herr Minister. Fangen Sie
doch endlich an!
Herzlichen Dank für Ihr Zuhören.
({6})
Nun hat die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula
Heinen das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lieber Kollege Dr. Geisen, ich muss ehrlich
sagen, unter dem Titel „Klimaschutz durch effiziente
Landwirtschaft“ hätte ich mir etwas anderes vorgestellt
als eine Generaldebatte über die Landwirtschaftspolitik.
({0})
Ich bin gerne bereit, mein Manuskript zur Seite zu legen
und mit Ihnen darüber ausführlich zu diskutieren.
Fangen wir mit den Themen an, die Sie angesprochen
und die Sie kritisiert haben. Sie sagen, wir würden in der
Forschung nichts tun. Dazu muss man ganz klar sagen:
Wir sind diejenigen gewesen - und dies mithilfe der
SPD und der CDU/CSU; die Grünen haben es ebenfalls
so gesehen -, die die Ressortforschung auf neue Füße
gestellt haben. Wir haben die Ressortforschung so ausgerichtet, dass sie den neuen Herausforderungen auch
tatsächlich genügt. Ich nenne nur die Themen Welternährung und Biotechnologie. Ich kann nicht erkennen,
wo wir Nachhilfebedarf haben sollten.
({1})
In einem weiteren Teil Ihrer Rede kamen die üblichen
Plattitüden vor. Gerade von Ihnen hätte ich erwartet,
dass Sie seriöser argumentieren, statt diese unselige Teller-Tank-Diskussion anzuzetteln. Das enttäuscht mich
wirklich. Denn ich glaube, dass in diesem Haus Übereinstimmung darin besteht, wie wir mit der Versorgungssicherheit in der Ernährungsfrage umgehen. Sie hat natürlich Priorität. Wir haben heute Morgen drei Stunden
auch über die Bioenergie diskutiert, darüber, was die
Bioenergie leisten soll und kann, um den Klimawandel
zu stoppen. Wir haben heute Morgen Gesetze verabschiedet, die sich genau damit befasst haben.
({2})
Sie haben jetzt wieder gesagt, der Teller gehe vor und
der Tank komme danach. Das ist doch selbstverständlich. Gerade wir in diesem Haus sollten nicht mit solchen Plattitüden arbeiten, sondern uns seriös mit diesen
Fragen befassen.
({3})
Die Biotechnologie ist ja nicht der Heilsbringer bei
allen Problemen, die wir in der Landwirtschaft haben.
Ich glaube, es ist selbst bei denjenigen, die der Gentechnik skeptisch gegenüberstehen, unbestritten, dass sie zur
Schädlingsbekämpfung beitragen und helfen kann, den
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln usw. zu reduzieren.
Sie als generellen Heilsbringer zur Lösung der Nahrungsmittelkrise zu bezeichnen, halte ich für ziemlich
weit hergeholt. Gerade bei der Gentechnik und der Biotechnologie müssen wir ein Stück darauf achten, dass
ihre Anwendung tatsächlich sicher ist. Wir haben in den
vergangenen drei Wochen in Bonn nicht umsonst darüber diskutiert, wie wir unsere Arten schützen und wie
das auch im Hinblick auf die Gentechnik insgesamt geht.
Lassen Sie mich zum eigentlichen Thema zurückkommen - ich musste gerade kurz auf meinen Vorredner
eingehen, weil das offensichtlich die Zeit der Generalabrechnung gewesen ist -, nämlich den Klimawandel und
den Klimaschutz. In der Tat ist es so, dass die Land- und
Forstwirtschaft den Treibhauseffekt im positiven Sinne
beeinflusst, weil sie CO2 in erheblichem Maße bindet.
Wir müssen aber auch sagen: Wir haben die Landwirtschaft aus den Vereinbarungen zum Klimaschutz herausgenommen, weil es sich bei diesen Emissionen größtenteils um natürliche Effekte handelt, die wir nicht steuern
können, es sei denn, wir wollten die Tierhaltung in
Deutschland noch weiter zurückfahren. Nur so könnten
wir verhindern, dass es hier zu Treibhausgasemissionen
kommt. Es wäre doch eine Idee für die neuen Länder, die
Zahl der Kühe zu verringern. Das würde im Übrigen
aber nicht Ihrem Antrag entsprechen.
({4})
- Da gibt es nicht so viele? Gut, wie dem auch sei. Wir
alle wissen, dass es sich um natürliche Effekte handelt,
wenn es um Treibhausgasemissionen im Bereich der
Landwirtschaft geht. Hier geht es weniger um Effekte
aufgrund von technisch verursachten Emissionen.
Aus diesem Grund haben wir im Ministerium Maßnahmen vorgeschlagen, die dafür sorgen, dass die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Klimapolitik leisten kann.
Der erste Punkt ist ohne Zweifel die Förderung der Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Hier sind wir in
Deutschland ein gutes Stück vorangekommen. Es ist für
uns selbstverständlich, dass dies mit Augenmaß erfolgt
und so die Versorgungssicherheit der Bevölkerung nicht
gefährdet wird. Das heißt, dass die Ackerflächen in erster Linie für die Nahrungsmittel und nicht nur für nachwachsende Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden. Ich
darf hierzu die weltweiten Zahlen in Erinnerung rufen:
Weniger als 2 Prozent der weltweit verfügbaren Ackerflächen werden im Moment für nachwachsende Rohstoffe genutzt. Deshalb können wir nicht davon sprechen, dass es sich hier um Nutzungskonkurrenzen
handelt.
Der zweite Punkt ist, dass wir auf Anreize für eine
Emissionsminderung im Hinblick auf mehr Effizienz bei
der Stickstoffdüngung setzen. Es geht zudem um mehr
Energieeinsparung und die Steigerung eines effizienten
Energieeinsatzes in der Landwirtschaft. Es geht auch um
die Förderung des ökologischen Landbaus. Die Laufzeit
des Bundesprogramms mit einem Finanzvolumen von
16 Millionen Euro wurde verlängert. Es geht um gezielte
Agrarumweltmaßnahmen. Es geht um verstärkte Aufklärung und Information über klimafreundliche Ernährung.
Klimafreundliche Ernährung heißt in diesem Fall der
Bezug von regionalen und saisonalen Lebensmitteln und
eine gesunde Ernährung. Durch all diese Maßnahmen
können Landwirtschaft und Agrarpolitik zu einem wirksamen Klimaschutz und zu einem Stopp des Klimawandels beitragen. Gerade in Deutschland tragen die Landwirte ihren Teil dazu bei.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auf diese wirklich
wichtigen Themen in Ihrer Rede stärker eingegangen
wären, als Sie es getan haben. Verschonen Sie uns in Zukunft bitte mit Ihren Plattitüden.
Herzlichen Dank.
({5})
Für die Fraktion die Linke hat nun die Kollegin
Dr. Kirsten Tackmann das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Gäste! Die gestern in Rom zu Ende gegangene
FAO-Konferenz zur Nahrungsmittelkrise hat gezeigt,
wie sehr Klimaschutz, Hunger und die Stärkung der regionalen Landwirtschaft miteinander verbunden sind.
Die Konferenz in Rom hat gezeigt: Das Recht auf Nahrung muss Leitbild des kritischen Handelns werden und
ist eine gemeinsame Verantwortung der internationalen
Staatengemeinschaft. Konsequentes Handeln ist sowohl
auf internationaler Ebene als auch auf der Ebene der nationalen Regierungen und in der Zivilgesellschaft dringend erforderlich.
Der vorliegende Antrag der FDP zeigt eines ganz
deutlich: Wir müssen uns darüber verständigen, was wir
unter effizienter Landwirtschaft verstehen. Die FDP
setzt auf das technisch Machbare. Da melde ich Widerspruch an. Wir brauchen eine Ausrichtung auf das agrartechnisch Notwendige und das ökologisch Vernünftige.
({0})
Wir dürfen beispielsweise die Leistungsfähigkeit von
Hochleistungstieren nicht an einmaligen Bestmarken
messen, sondern müssen sie daran messen, welche Leistung sie im Laufe ihres gesamten Lebens erbringen.
Standortangepasste Sorten sind allemal weniger riskant
und besser geeignet als gentechnisch veränderte. Fest
steht aber auch: Um den Klimawandel bekämpfen zu
können, sind vielfältige Lösungen in der Landwirtschaft
notwendig, und zwar weltweit.
In diesem Zusammenhang empfiehlt sich ein Blick in
den aktuellen Bericht des Weltagrarrates, den 400 Expertinnen und Experten erstellt haben. Angesichts der Nahrungsmittelkrise und des Klimawandels wird eine radikale Neuausrichtung der Landwirtschaft gefordert. Die
Anbaumethoden müssten weltweit geändert werden, um
Arme besser versorgen und - das ist wichtig - den Gefahren sozialer Unruhen durch ökologische Katastrophen besser begegnen zu können. Die industrialisierte
Landwirtschaft mit Monokultur und intensivem Einsatz
von Kapital und Pestiziden sei mit Blick auf die Lösung
des Welthungerproblems gescheitert. Das ist das Ergebnis des Weltagrarrates.
Der Bericht ist ein ganz klares Plädoyer für die Multifunktionalität der Landwirtschaft. Nur eine enge Verbindung zwischen der Landwirtschaft und den kulturellen,
sozialen und landwirtschaftlichen Besonderheiten einer
jeden Region der Welt gewährleistet den langfristigen
Erhalt der natürlichen Ressourcen Wasser, Wald und Boden. Es macht nachweislich keinen Sinn, mit Saatgut,
Dünger und Pestiziden technische Standardbausätze für
den Einsatz in der gesamten Welt zu liefern. Stattdessen
müssen Wissenschaft und Landwirtschaft lokal angepasste Lösungen finden. Die Landwirtschaft wird ihren
Teil zum Schatz des Klimas beitragen, wenn wieder gilt:
Global denken, lokal handeln.
Davon abgesehen beinhaltet der Antrag der FDP
durchaus einige Punkte, die wir unterstützen. Richtig ist
zum Beispiel die Forderung, das Bundeswaldgesetz endlich zu überarbeiten. Dazu haben wir einen eigenen Antrag vorgelegt. Die Anlage von Agroforstsystemen muss
dringend erleichtert werden. Sie leisten einen wirksamen
Beitrag zum Klimaschutz und machen die Agrarlandschaft ganz nebenbei deutlich attraktiver.
Auch die Forderung nach einer Steuerbefreiung der
reinen Biokraftstoffe haben wir immer unterstützt. Die
Zwangsbeimischung sehen wir allerdings noch sehr viel
kritischer als die FDP. Sie wirkt sich doppelt negativ aus:
Sie zerstört die heimische mittelständische Biodieselwirtschaft und beschleunigt die Abholzung von Regenwäldern. Internationale Zertifizierungssysteme für Biokraftstoffe bzw. Biomasse sind aus unserer Sicht vor Ort
nicht durchsetzbar. Außerdem fehlt uns die Einbindung
sozialer Standards.
Auch wenn einzelne Forderungen des FDP-Antrages
zustimmungsfähig sind, lehnen wir das Grundkonzept
des Antrages ab. Eine allgemeine Forderung nach einer
Intensivierung der Landwirtschaft orientiert sich an allzu
kurzfristigem Denken.
({1})
Wer sich beim Handel mit Grundnahrungsmitteln an der
ungerechten Weltmarktordnung nach WTO-Leitsätzen
orientiert, macht Hunger zum Spekulationsobjekt. Das
müssen wir derzeit erleben.
Die Linke sieht eine regional angepasste Landwirtschaft in der Verantwortung, ihren Beitrag zum Kampf
gegen den Klimawandel zu leisten. Das wird sie tun, und
zwar überall auf der Welt.
Vielen Dank.
({2})
Das Wort hat die Kollegin Waltraud Wolff für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der Stern Review von 2006 hat uns alle ziemlich ernüchtert. Das Ergebnis der Untersuchung war:
Waltraud Wolff ({0})
14 Prozent der Treibhausgasemissionen werden durch
die Landwirtschaft verursacht, weitere 18 Prozent entstehen durch die Rodung von Wäldern und die Herstellung von neuen Feldern und Weiden. Aber auch die Freisetzung von Lachgas, von Methan und der Verlust von
CO2-Speichern durch den Humusabbau belasten die Klimabilanz der Landwirtschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich dies
einmal sagen: Wir können natürlich immer in die Ferne
schweifen und die großen Aufgaben lösen wollen. Wir
sollten aber erst einmal die Probleme lösen, die vor unseren Füßen liegen.
({1})
Wir sagen immer wieder, dass Landwirtschaft nachhaltig sein muss. Was meinen wir damit? Wir müssen
klären, welche Potenziale wir in den Bereichen Düngung, Tierhaltung und Bodennutzung haben.
Haben wir schon alles getan, um zu einem möglichst
niedrigen Energieverbrauch in der Landwirtschaft und
im Gartenbau zu kommen? Haben wir schon etwas getan, um den Lachgas- und Methanausstoß zu minimieren? Wie schaffen wir es, den Humus und die CO2-Speicher zu erhalten?
Es geht nicht darum, dass wir Landwirtschaftspolitiker die Landwirtschaft an den Pranger stellen. Aber wir
müssen die Landwirtschaft als Wirtschaftszweig wie jeden anderen auch sehen. Wir müssen schauen: Welche
Potenziale gilt es zu nutzen? Wo können wir den Berufsstand dazu bringen, zu einer besseren Klimabilanz zu
kommen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen?
({2})
Wir haben gerade heute Vormittag die Neufassung
des EEG beschlossen. Ich hatte das Glück, aus landwirtschaftlicher Sicht dazu reden zu dürfen. Das EEG leistet
einen sehr großen Beitrag zum Klimaschutz, unter anderem dadurch, dass wir die Erzeugung der Bioenergie
jetzt maßvoll vorantreiben. Die Landwirtschaft emittiert
ja nicht nur Klimagase, sondern sie kann auch über Biomassenutzung einen Beitrag zur Minimierung der Emissionen leisten. Hier haben wir heute Morgen Pflöcke
eingeschlagen. Die jetzige Neuausrichtung verschiebt zu
Recht den Schwerpunkt weg vom Einsatz nachwachsender Rohstoffe - auch damit verbessern wir die Bilanz hin zur Nutzung von landwirtschaftlichen Reststoffen.
Ich will explizit die Gülle nennen. Wir haben hier eine
gute Möglichkeit, Methangasemissionen zu vermeiden.
Die Frage der Nachhaltigkeit der Erzeugung von Biomasse ist in den Mittelpunkt gerückt. Die FDP fordert
daher - zu Recht - in ihrem Klimaschutzantrag, auf internationaler Ebene über Zertifizierungssysteme die
Nachhaltigkeitsstandards sicherzustellen. Schön, man
kann ja auch noch auf den Weihnachtsmann hoffen. Wir
haben beschlossen, das jetzt schon ins EEG zu schreiben. Wir haben also bereits vorhin die Forderungen der
FDP beschlossen.
({3})
Man fragt sich, ob diese Forderung der FDP ein echter
Wunsch oder vielleicht doch nur ein Lippenbekenntnis
ist. Denn im Antrag der FDP zum EEG wird gefordert
- man höre und staune -, die Verordnungsermächtigung
zur Nachhaltigkeitsverordnung zu streichen. Was gilt
denn nun? Wenn es um die Nachhaltigkeit von Biomasse
geht, stehen Palm- und Sojaöl im Mittelpunkt. Beides
sind Produkte, die statt tropischer Regenwälder angebaut
werden und in der ganzen tropischen Region zu Hause
sind. Wir haben ins EEG geschrieben, dass diese beiden
Öle nachweislich nachhaltig produziert werden müssen.
Ich verstehe das so, dass wir im Moment keine Möglichkeit haben, das nach dem EEG zu fördern.
Bis wir Zertifizierungssysteme aufgebaut haben, ist es
notwendig, hier Schranken aufzubauen. Ich denke, ich
muss nicht ausführen, warum wir das tun müssen. Wir
alle haben die Schlagzeilen noch in den Ohren und vor
Augen. Hier wird sich entscheiden, wie ernst wir es in
Deutschland mit der Nachhaltigkeit meinen. Die FDP
hat einen Antrag vorgelegt, in dem genau darauf Bezug
genommen wird. Die Lösung überrascht allerdings etwas. Für Altanlagen müsse die Weiterverwendung von
Palm- und Sojaöl möglich sein. Ich muss Sie fragen:
Geht Wirtschaftlichkeit dann doch vor Nachhaltigkeit?
Um es kurz zu sagen: Der Antrag der FDP ist ein
Schaufensterantrag.
({4})
Er enthält schöne Worte, die Taten der FDP sprechen
aber eine andere Sprache. Wir stellen ständig fest: Wenn
es konkret wird, will die FDP den Klimaschutz nicht unterstützen. Warum also dieser Antrag? Ich denke, es
hilft, sich einmal die Frage zu stellen, was die FDP eigentlich fordert. Interessant ist hier ein Blick auf die Forderungen, die die FDP zum Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik gestellt hat.
Die EU-Kommission hat damals zu Recht darauf hingewiesen, dass es neue Herausforderungen gibt, unter
anderem den Klimawandel, und dass die europäische
Agrarpolitik darauf reagieren muss. Es gibt also neue
Herausforderungen, aber die EU hat uns leider nicht
mehr Geld zur Verfügung gestellt. Es wird schwierig, die
vorgesehenen EU-Mittel bis 2013 zu erhalten. Wie es
hinterher aussieht, das ist offen.
Auf die zweite Säule kommen nicht nur neue Aufgaben zu. Die ländliche Entwicklung leidet bereits heute
unter der Kürzung der Mittel; das wissen wir alle. Wir
brauchen eine bessere finanzielle Ausstattung der zweiten Säule. Ich unterstütze den Vorschlag der EU-Kommission zum Gesundheitscheck. Dann können die erforderlichen Mittel durch stärkere Modulation bereitgestellt
werden.
Die FDP lehnt dies ab. Wie die Anpassung stattdessen
finanziert werden soll, davon lese ich in Ihrem Antrag
allerdings nichts. Sie satteln sogar noch drauf und fordern, die obligatorische Flächenstilllegung abzuschaffen. Da es aber im Interesse des Naturschutzes vorteilhaft sei, die Flächenstilllegung zu nutzen, seien hierfür
gesonderte Programme zu schaffen.
Waltraud Wolff ({5})
({6})
Es stellen sich die Fragen: Von wem? Mit welchem
Geld? Die Programme, die Sie hier ansprechen, meine
Herren und Damen von der FDP, sind Programme der
zweiten Säule. Gleichzeitig wollen Sie, dass die Unterfinanzierung festgeschrieben wird. Da fragt man sich: Was
legen Sie eigentlich für Anträge vor, und was machen
Sie für eine Politik?
({7})
Wir müssen über die zweite Säule eingreifen.
({8})
Wir müssen für eine Abschwächung des Klimawandels
sorgen und eine klimaschonende Landbewirtschaftung,
tiergerechte Haltungsformen und sachgemäßes Wassermanagement gewährleisten. Ich hätte mir gewünscht,
dass Sie die Fragen, die sich uns allen im Rahmen der
gemeinsamen Agrarpolitik zum Thema Klimaschutz
stellen, beantworten. Dazu haben Sie sich aber nicht geäußert.
({9})
Wie ich sehe, ist meine Redezeit gleich zu Ende; ich
möchte dieses Thema auch nicht überstrapazieren. Ich
jedenfalls finde: Herausforderungen anzunehmen, bedeutet, zu handeln und nicht nur zu reden. Ich finde es
gut, dass Ihr heute vorliegender Antrag am gleichen Tag
wie das EEG behandelt wird. Daran wird nämlich deutlich: Sie reden nur, wir handeln.
({10})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
Kollegin Ulrike Höfken das Wort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass die
Koalitionsfraktionen dem Antrag der FDP-Fraktion
nicht zustimmen. Ich finde aber, mit dem Handeln ist es
auch bei der Koalition nicht besonders weit her.
({0})
Heute Morgen haben wir ein Gesetzespaket verabschiedet, das zum Ausdruck bringt, dass die Klimaschutzziele deutlich verfehlt werden. Dass die Landwirtschaft für 14 Prozent der Emissionen verantwortlich ist
- darauf hat auch die Kollegin Wolff hingewiesen -,
wird bei den Reduktionszielen nicht einmal berücksichtigt. Gerade beim aktuellen Thema: der EU-Agrarreform
und dem Health-Check. Alle Vorschläge, die die EUKommission macht, um den Umwelt- und Klimaschutz
zu verstärken, werden von der Bundesregierung blockiert. Hier wäre Handeln gefragt.
Zu den Liberalen muss man sagen - das bereitet mir
wirklich Probleme -: Mit Ihrer Agrarpolitik und mit den
Vorschlägen, die Sie machen, hintertreiben Sie jeden
Ansatz von Klimaschutz. Denn Sie befürworten ganz
eindeutig die Industrialisierung und Intensivierung der
Landwirtschaft, und das ist nicht nachhaltig.
({1})
Die Stichworte, die für Sie wichtig sind, lauten: Chemisierung und Agrogentechnik. Das sind die Ziele, die Sie
mit Ihrem Antrag verfolgen. Dadurch werden die sozialen und ökologischen Probleme in diesem Bereich massiv verschärft.
({2})
Das dürfen wir nicht zulassen.
Was das Recht auf Nahrung - Frau Tackmann hat auf
die FAO-Konferenz in Rom hingewiesen - angeht, wissen wir doch: Wir brauchen eine Ausrichtung auf die
Förderung von Kleinbauern. Die ländlichen Räume müssen entwickelt werden. Wir brauchen angepasste Technologien. Darin bestärkt uns der Weltagrarbericht der
UNESCO. Auch in ihm heißt es, dass die Abhängigkeit
von Agrarkonzernen, von Gentechnik riskant ist. Umweltschädliche Methoden - dazu zählt die Agrogentechnik - dürfen nicht weiter forciert werden, sollen
nicht weitere Risiken für die Ernährungssicherheit herbeigeführt werden. Die Biodiversität muss zum Schutz
der Lebensgrundlagen unbedingt erhalten werden.
({3})
Wir gehen den Weg in die Nachhaltigkeit mit angepassten Agrarmethoden, wie sie im Weltagrarbericht
ebenfalls vorgeschlagen werden. Übrigens ist der Ökolandbau in diesem Hinblick eine der effizientesten Methoden.
({4})
Die FDP hat das in ihrem Antrag mit keinem Wort erwähnt.
({5})
Ich finde das unglaublich.
Dies ist auch das Ergebnis einer großen Konferenz
der FAO: Das Beste für den Klimaschutz und die Artenvielfalt sind mehrgliedrige Fruchtfolgen, Stickstoffreduktion wie beim Ökolandbau und dann niedrige
Lachgas- und Methanemissionen.
({6})
In diesen Bereichen brauchen wir mehr Forschung und
Innovation.
Um auf den Bereich Bioenergie einzugehen, fehlt mir
die Zeit.
Wir haben einen Antrag zum Gesundheitscheck der
europäischen Agrarpolitik eingebracht, in dem wir fordern, die anstehende Reform der EU-Agrarpolitik dazu
zu nutzen, nicht nur die Direktzahlungen, sondern beide
Säulen zu stärken - für den Klimaschutz, für den Artenschutz, für die Umwelt. Cross Compliance, wie die
Kommission auch vorschlägt, sollte entsprechend erweitert werden. Ganz klar ist - das haben auch die Milchbauern auf ihrer Demo gestern gesagt -: Wir wollen
nicht weiter in eine wahnsinnige Exportorientierung,
Weltmarktorientierung gehen,
({7})
wir wollen Qualität und faire Preise. Die Bauern wollen
sich am Verbraucher orientieren. Sie erbringen gesellschaftliche Leistungen. Dafür brauchen Sie mehr Unterstützung. Die Bundesregierung kann sie konkret unterstützen.
Schönen Dank.
({8})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/8540 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 18. Juni 2008, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.