Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Als Thema der heutigen Kabinettssitzung hat die
Bundesregierung mitgeteilt: Agrarpolitischer Bericht
2011 der Bundesregierung.
Für den einleitenden fünfminütigen Bericht gebe ich
der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz, Ilse Aigner, das Wort.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Ihnen heute vorliegende
Agrarpolitische Bericht ist zum ersten Mal für einen
Zeitraum von vier Jahren erstellt worden; bis 2007
wurde er jährlich vorgelegt. Er beinhaltet die aktuellen
Herausforderungen für den Bereich der Land-, Forstund Fischereiwirtschaft. Er zeigt die politischen Maßnahmen der Bundesregierung auf und wirft einen Blick
auf die Lage der Landwirtschaft in den vergangenen vier
Wirtschaftsjahren.
Das Leitbild unserer Agrarpolitik ist eine leistungsfähige Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die nach dem
Grundprinzip der Nachhaltigkeit wirtschaftet. Das heißt,
Landwirtschaft muss ausreichend Lebensmittel von hoher Qualität und Rohstoffe für die Energiegewinnung
und die Industrie liefern. Landbewirtschaftung muss
aber auch die Grundlage für Erwerb und Wohlstand der
Landwirte selbst sein sowie die Ressourcen schonen.
Landwirte müssen eine angemessene soziale Absicherung genießen. Unsere Landnutzung muss Natur und
Umwelt auch für nachfolgende Generationen erhalten.
Diesem Leitbild folge ich bei den konkreten Ausrichtungen meiner Agrarpolitik, wie Sie im gesamten Agrarbericht nachlesen können.
Wir in Deutschland sind bei der Umsetzung der EUAgrarpolitik weiter als die meisten Mitgliedstaaten; wir
sind vorne. Dieser Weg muss in ganz Europa nachvollzogen werden. Marktorientierung ist nicht gefährlich. Im
Gegenteil: Die Lage der Landwirtschaft sowie der gesamten deutschen Ernährungswirtschaft offenbart den
Erfolgskurs dieser Branche: Die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft ist erfolgreich; das zeigen unter anderem die steigenden Exportzahlen.
Wir haben uns im Rahmen der Agrarsozialpolitik in
schwierigen Phasen an die Seite unserer Landwirte gestellt. Zum Beispiel haben wir in den letzten vier Jahren
speziell für die landwirtschaftliche Unfallversicherung
zusätzlich 300 Millionen Euro in die Hand genommen
und damit eine wesentliche Unterstützung gewährleistet.
Wir richten den Blick natürlich auch auf die Verbraucherinnen und Verbraucher, die wir sehr ernst nehmen.
Daher setze ich derzeit einen umfassenden Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Sicherheit bei den Futtermitteln um. Das ist gut für die Verbraucher, aber auch für
die Landwirte selbst.
Die Landwirtschaft erfüllt heute vielfältige Aufgaben:
Sie erzeugt natürlich in erster Linie Nahrungsmittel, leistet aber auch einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung; nicht zuletzt ist sie die Stütze des ländlichen Raumes.
Ich komme zum Ausblick; ein paar Punkte zur Lage
der Landwirtschaft. Die Land- und Ernährungswirtschaft
hatte im Jahr 2009 rund 5 Millionen Beschäftigte. Sie
stellt also jeden achten Arbeitsplatz in Deutschland. Die
Zahlen sprechen für sich.
Die Lage der Landwirtschaft ist inzwischen wieder
von steigenden Agrarpreisen gekennzeichnet, allein der
Getreidepreis hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Inwieweit sich das nachhaltig auf die Einkommen
der Landwirte auswirken wird, lässt sich noch nicht einschätzen; denn wir müssen auch die Kostenseite betrachten. Ich nenne zum Beispiel die Futtermittel.
Wir hoffen, dass durch den Aufwärtstrend der Agrarpreise der Einbruch durch die Finanzkrise überwunden
ist. Ungeachtet dessen muss man insgesamt darauf verweisen, dass die Direktzahlungen der Europäischen
Redetext
Union im Durchschnitt gut 52 Prozent der Einkommen
der Landwirte ausmachen und daher auch in der Ausgestaltung der zukünftigen Gemeinsamen Agrarpolitik einen wesentlichen Beitrag für die Stabilisierung des
Agrarsektors leisten werden.
Der deutsche Agrarexport hat 2010, nach dem Einschnitt durch die Finanzkrise 2009, sein langfristiges
Wachstum fortgesetzt. Jeder vierte Euro im Bereich der
Ernährungswirtschaft wird mittlerweile auf Auslandsmärkten erzielt.
Der vorliegende Agrarbericht greift zahlreiche Handlungsfelder auf. Übergreifende Politiken wie die Energie- und Ressourcenpolitik spielen eine immer größere
Rolle, und auch die Landwirtschaft wird bei der Ausgestaltung der Energiepolitik der Zukunft einen nennenswerten Beitrag leisten müssen.
Außerdem müssen wir das Problem des Schwundes
wertvoller Ackerflächen lösen. Ein Flächenverbrauch
von 90 Fußballfeldern pro Tag ist noch deutlich von unserem Ziel von 30 Hektar entfernt. Daher sehe ich auch
die Notwendigkeit, dass wir über alle Fragen, die die
Landwirtschaft und die politischen Handlungsfelder betreffen, einen offenen Dialog führen.
Ich habe einen Prozess zur Erstellung einer Charta für
Landwirtschaft und Verbraucher eingeleitet, um die Verbraucher und die Landwirte an einen Tisch zu bringen.
Zum Jahresende werde ich die Charta erstellen und die
Ziele und Handlungsfelder einer modernen und zukunftsfähigen Agrarpolitik für die landwirtschaftliche
Produktion und die gesamte Lebensmittelkette aufzeigen.
({0})
Frau Ministerin, vielen Dank. - Die erste Frage stellt
die Kollegin Happach-Kasan.
Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihren
Bericht. - Ich möchte Ihnen ausdrücklich zustimmen,
dass es gerade die Branche der Landwirtschaft gemeinsam mit der Ernährungswirtschaft besonders gut geschafft hat, aus der Krise von 2009 herauszukommen.
Damit haben wir eine Bestätigung für unsere Landwirtschaftspolitik erhalten, die vom unternehmerischen
Landwirt, der sich am Markt orientiert, geprägt ist. Ich
glaube, dass wir da sehr erfolgreich gewesen sind. Wir
sehen auch, dass unsere Landwirte im ländlichen Raum
die Möglichkeiten der Diversifizierung ergreifen und
sich weitere Einkommensfelder erschließen. Das ist eine
positive Entwicklung, die wir gemeinsam weiter begleiten sollten.
Oftmals wird die Exportorientierung der Landwirtschaft kritisiert. Aus Ihren Unterlagen geht hervor, dass
80 Prozent der Exporte in unsere Nachbarländer gehen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in irgendeiner
Weise negativ ist, dass Schleswig-Holstein mit Dänemark handelt oder Baden-Württemberg mit Frankreich.
Ich hoffe, Sie stimmen mir zu. Meine Frage ist: Welche
Bedeutung hat die Exportstrategie der Bundesregierung
für die Zukunft unserer Landwirtschaft? Was bedeutet
das für unsere Landwirte in den ländlichen Räumen?
Vielen Dank, Frau Kollegin Happach-Kasan. - Ich
hatte schon gesagt, dass 5 Millionen Beschäftigte im Bereich Ernährungs- und Landwirtschaft tätig sind. Jeder
vierte Arbeitsplatz ist exportabhängig, auch abhängig
vom Export in unsere europäischen Nachbarländer. Die
Zahl zeigt, dass wir sehr gut aufgestellt sind, dass die Ernährungswirtschaft gut aufgestellt ist und dass die Verbraucher in den umliegenden Ländern die Qualität und
das Preisniveau sehr schätzen. Deshalb wäre eine Einschränkung des Exports mit dem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden. Das wäre die Konsequenz.
({0})
Der Nächste ist der Kollege Priesmeier.
Verehrte Frau Ministerin, ich darf mich zunächst einmal herzlich für die zeitnahe Information bedanken, zumal der Agrarbericht als Drucksache bis heute Morgen
im Informationsdienst des Deutschen Bundestages nicht
zur Verfügung stand. Wir mussten aus der Opposition
heraus andere Quellen nutzen. Ich glaube aber, das ist
lässlich.
Ich frage Sie nach erster Durchsicht des Agrarberichtes insbesondere zu dem Bereich der Flächenkonkurrenz
und zur Biomassestrategie, die die Bundesregierung hat.
Wir haben verschiedene Ziele vereinbart: erstens unsere
Biodiversität zu erhalten, zweitens die Produktion im
Hinblick auf die Welternährungssituation zu steigern.
Zum Dritten haben wir im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel, den Flächenverbrauch, den
Sie eben schon erwähnt haben, drastisch zu senken.
Wie sehen Sie die Perspektiven Ihrer eigenen Politik
im Hinblick auf die Ziele und im Hinblick auf das Konzept, das zum gegenwärtigen Zeitpunkt zur Biomassenutzung für 2020 und darüber hinaus diskutiert wird?
Wie können wir diese Ziele kongruent machen? Das
kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkennen.
Vielen Dank, Herr Kollege Priesmeier. - Ich bitte um
Nachsicht, dass der Bericht heute früh noch nicht im Internet verfügbar war. Ich glaube aber, es ist normal, dass
zunächst das Kabinett beschließt und man den Bericht
erst danach dort einstellt. Das ist von der Reihenfolge
her nachvollziehbar. Uns war aber daran gelegen, Sie unmittelbar nach dem Kabinett zu informieren. - Das vielleicht noch einmal zur Erklärung.
Die Perspektive ist nach wie vor sehr gut. Ich glaube,
wir haben die Aufgabe und die Pflicht, einen Beitrag zu
leisten, und zwar in beiden Bereichen, nämlich bei der
Ernährungssicherung sowie bei den erneuerbaren Energien. Wir werden aber mit Sicherheit weiter über Umstellungen sprechen. Deshalb verhandeln wir zum Beispiel über das Erneuerbare-Energien-Gesetz, wo die
Frage der Nutzungskonkurrenzen insbesondere im Biogassektor auf den Prüfstand gestellt wird. In der Kurzfassung würde ich sagen: mehr hin zur Reststoffverwertung, zu dezentraleren Strukturen. Ein Punkt ist zum
Beispiel die Frage des Güllebonus, der momentan in
viehhaltenden Betrieben durch den einzuhaltenden Mindestgülleanteil von 30 Prozent zu Problemen führt.
Ich will die Bedeutung der Biomasse insgesamt für die
erneuerbaren Energien noch etwas genauer ausführen: In
allen Einsatzbereichen der erneuerbaren Energien, also
Wärme, Kraftstoff und Stromerzeugung, kommen ungefähr zwei Drittel der Energie aus der Biomasse. Daran
sieht man schon: Wenn wir ein Gesamtkonzept haben,
können wir auf diesen Bereich nicht verzichten; wir müssen es nur intelligent und verträglich machen. Dazu brauchen wir natürlich die gute fachliche Praxis bei der Bewirtschaftung der Böden, und dabei - das habe ich
ausgeführt - gilt das Prinzip der Nachhaltigkeit.
Frau Mortler, bitte.
Frau Ministerin, Sie haben erwähnt, dass auf der einen Seite im Bereich der Ernährungswirtschaft inzwischen jeder vierte Euro auf Auslandsmärkten erzielt
wird. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Vorwürfe aus bestimmten Richtungen, wir - Deutschland
und Europa - würden die Entwicklungsländer mit unseren Agrargütern bzw. Lebensmitteln zuschütten. Sind
Sie auch der Meinung, dass das die wirkliche Ursache
für die Probleme der Entwicklungsländer ist, in denen
immer mehr Menschen an Hunger leiden? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in der Zwischenzeit ergriffen, um einen eigenen Beitrag zu leisten?
Danke schön.
Vielen Dank, Frau Kollegin Mortler. - Das ist in der
Tat eine große Herausforderung. Wir haben erst vor kurzem gehört, dass die Bevölkerung der Welt noch schneller
wächst, als wir prognostiziert haben. Insgesamt stellen
wir uns auf eine Bevölkerung von 9 Milliarden Menschen
im Jahr 2050 ein. Die Bevölkerung wird insbesondere in
den Entwicklungsländern stark wachsen. Deshalb ist für
uns - auch für die Bundesregierung - eine wesentliche
Aufgabe, dieses Problem lösen zu helfen. Ich bin sehr
froh, dass ich mit dem Kollegen Entwicklungshilfeminister, dem Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
({0})
- Entschuldigung, was habe ich jetzt falsch gesagt? Dirk
Niebel auf alle Fälle; alles richtig -, mit dem geschätzten
Kollegen Dirk Niebel, an einem Strang ziehe, was die
ländliche Entwicklung in den Entwicklungsländern betrifft.
Es ist auch richtig, hier den Schwerpunkt zu setzen,
weil der Schlüssel in der Tat in den Ländern vor Ort
liegt. Dort muss man die Landwirtschaft verträglich entwickeln. Da gibt es meines Erachtens noch viel zu tun.
Das hat generell etwas zu tun mit dem Zugang zum
Land, auch mit dem verlässlichen Zugang zum Land. Es
muss darum gehen, nicht nur anzubauen, sondern auch
zu ernten und das, was geerntet wird, möglichst nicht zu
verlieren. Bei 40 Prozent Ernteverlust gibt es noch ein
gewaltiges Potenzial zu erschließen. Das Ganze umzusetzen, zum Beispiel im Süd-Süd-Handel, ist ein ganz
wichtiger Punkt.
Wir können unter anderem das notwendige Knowhow liefern. Ich verweise zum Beispiel auf unser Demonstrationsprojekt, das wir hierzu in Äthiopien durchführen. In diesem Bereich ist noch viel Potenzial vorhanden.
Ich glaube wirklich, dass der Schlüssel vor Ort liegt.
Deshalb ist es richtig, dass wir in der Entwicklungspolitik umsteuern, hin zu mehr ländlicher Entwicklung.
Auch die Entscheidung, auf diesem Gebiet finanzielle
Schwerpunkte zu setzen, war hervorragend.
Jetzt bitte der Kollege Süßmair.
Frau Ministerin Aigner, ich habe eine Frage zur Einkommenssituation der landwirtschaftlichen Betriebe.
Die Regierung legt ja immer sehr viel Wert auf die unternehmerisch orientierte Landwirtschaft. Das wird in dem
Bericht deutlich. Sie haben gerade auch den Export angesprochen. Anscheinend hat das Ganze aber nicht wirksam dazu beigetragen - das ist die Frage -, die Einkommenssituation zu verbessern. Wenn man sich den
Bericht, der sich auf die vergangenen Jahre bezieht, ansieht, stellt man fest, dass das Einkommensniveau im
Bereich der Landwirtschaft - ich meine nicht nur die
Bäuerinnen und Bauern, sondern auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in landwirtschaftlichen
Betrieben angestellt sind - deutlich unter dem Einkommensniveau anderer Gruppen der Gesellschaft liegt. In
manchen Berichtsjahren gab es einen Unterschied von
bis zu 30 Prozent.
In diesem Zusammenhang frage ich auch nach der
Einkommenssituation der Rentnerinnen und Rentner, die
im Bereich der Landwirtschaft tätig waren. Auf den Bereich der Sozialversicherung wird im Bericht leider nicht
ausführlich eingegangen. Dort findet man keine Aussage
zur sozialen Lage der Rentnerinnen und Rentner, die
aber auch etwas mit den Einkommen zu tun hat.
In diesem Zusammenhang würde mich noch etwas interessieren. Wir haben über die Energieerzeugung
gesprochen. Ich nenne das Stichwort „Biomasse“. Die
Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe aus Energieerzeugung sind in dem Bericht weitgehend außen vor geblieben. Häufig wird eine Anlage zur Energieerzeugung
als eigenständiger Betrieb ausgegliedert, zum Beispiel
wenn es sich um eine 500-kW-Anlage handelt. Die Einnahmen tauchen dementsprechend nicht in der Bilanz
des landwirtschaftlichen Betriebs auf. Das ist in dem Bericht übrigens auch der Fall. Die Frage ist aber: Welchen
Anteil haben die Einnahmen aus Energieerzeugung am
Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte? Ich
finde diesen Punkt sehr wichtig. Schließlich führen wir
viele Debatten über die Strategieänderung im Bereich
Biomasse, wir haben die Novellierung des EEG auf der
Tagesordnung, und Ihr Kollege, Herr Röttgen,
({0})
hat ja, wenn ich das richtig verstanden habe, zum Güllebonus und dergleichen gesagt - das ist ein erster Vorschlag -, dass er eine Absenkung der Förderung bei den
kleineren Anlagen will.
Meine Frage lautet: Was sagen Sie zu der Einkommensentwicklung im Bereich der unternehmerischen
Landwirtschaft, und was sagen Sie zur Einkommensentwicklung vor dem Hintergrund der Novellierung des
EEG? Der Bericht spiegelt die Lage eigentlich nicht wider.
Vielen Dank, Herr Kollege Süßmair. - Es ist in der
Tat so, dass die Einkommen sehr stark schwanken. Sie
alle sind auf diesem Fachgebiet schon längere Zeit tätig
und wissen, dass wir im Berichtszeitraum eine lange
Hochphase hatten, in der die Einkommen teilweise an
die Vergleichseinkommen herangekommen sind; der
Unterschied betrug nur noch etwa 5 Prozent. Während
der Krisenjahre, die wir hinter uns gebracht haben, ist
das Niveau aber um bis zu 30 Prozent unter das Niveau
in anderen gesellschaftlichen Gruppen abgesackt. Das
zeigt, dass die Wirkung der Schwankungen bei den
Agrarpreisen auf die Einkommen sehr groß ist. Deshalb
habe ich darauf verwiesen, dass die Direktzahlungen von
der europäischen Ebene - 52 Prozent Anteil am Einkommen - eine ganz wesentliche stabilisierende Rolle für die
Einkommen spielen und damit Planungssicherheit für
die Landwirte schaffen. Ich habe explizit darauf hingewiesen, um deutlich zu machen, dass uns das auch bei
den zukünftigen Verhandlungen sehr wichtig ist.
Zu Ihrer zweiten Frage: Es ist in der Tat so, dass wir
bei Haupterwerbsbetrieben keinen Zugriff auf die Daten
bezüglich der zusätzlichen Einkommen haben. Das ist
letztendlich ein eigenständiger Gewerbebetrieb, egal ob
es um Photovoltaik, Biogas oder andere gewerbliche Erzeugnisse geht. Wir müssten uns um diese Daten bemühen und datenschutzrechtliche Fragen klären. Das wäre
auch ein zusätzlicher statistischer Aufwand. Wir haben
uns auf die Agrarwirtschaft konzentriert, also auf die
Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft.
Zu Ihrer Frage zu den Renten: Ich will nur allgemein
auf die Bedeutung der Sozialpolitik verweisen. Der
Haushalt des Bundes im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz umfasst ungefähr 5,5 Milliarden Euro. 3,75 Milliarden Euro davon beziehen sich
auf den Bereich der Agrarsozialpolitik. Allein schon daran sieht man, welche Bedeutung die agrarsoziale Sicherung neben den Direktzahlungen für die Landwirte hat.
Es gibt zwei Leistungsgesetze für die Bereiche der Alterssicherung und der Krankenversicherung. Hinzu
kommt die Unfallversicherung, auf die ich verwiesen
habe. Diese haben wir in schwierigen Zeiten im Rahmen
eines Sonderprogramms zusätzlich mit 300 Millionen
Euro bestückt. Ich glaube, das war das Effektivste, was
wir im Bereich der Sozialpolitik machen konnten.
Herr Dr. Lehmer, bitte.
Vielen Dank, Frau Ministern, für Ihren Bericht und
auch für die Darstellung der positiven Zukunftsperspektive der Landwirtschaft. - Meine Frage: Welche Bedeutung messen Sie der Agrarforschung bei, und wo sehen
Sie die wichtigsten Schwerpunkte für die nähere Zukunft?
Vielen herzlichen Dank, Herr Dr. Lehmer. - Die
Agrarforschung spielt in meinem Ressort eine herausragende Rolle. Um das einmal darzustellen: 10 Prozent der
Ausgaben meines Ministeriums gehen in die Forschung.
Wir haben eine hervorragend aufgestellte Ressortforschung. Vier Institute sind beispielgebend. Ich will hier
nur als ein Beispiel das Friedrich-Loeffler-Institut, in
dem Tierseuchen erforscht werden, hervorheben. Im
letzten Jahr durften wir den Neubau einweihen; wir haben dort 300 Millionen Euro investiert. Das ist auf europäischer Ebene ein Leuchtturm, auf den viele schauen.
Deshalb ist die Forschung für uns natürlich unverzichtbar. Durch die Ressortforschung gewinnen wir neue Erkenntnisse und entwickeln neue Technologien, die wir
verantwortungsvoll einsetzen, zum Beispiel bei Züchtungen. Das ist also ein ganz wichtiger Punkt, auf den
ich sehr viel Wert lege und auf den ich auch stolz bin.
Herr Ostendorff, bitte.
Schönen Dank, Frau Ministerin, für den Bericht. - Es
fällt uns in unseren Reihen etwas schwer, uns angesichts
des Besuchs unseres zukünftigen Landwirtschaftsministers, Ihres Länderkollegen, zu konzentrieren. Aber wir
wollen uns jetzt trotzdem dem Bericht zuwenden. - Ja,
dieser Bericht lag sehr kurzfristig vor, aber das ist eben
so; das gestehen wir zu.
Wir als Grüne bitten - das ist eine Anmerkung - um
eine Vereinheitlichung der Zahlen zum Klimawandel. Im
Bericht steht, dass der Anteil der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft 13 Prozent beträgt; Staatssekretär Bleser hat bisher immer von 7 Prozent gesprochen.
Wir wären dafür, dass die Zahlen angeglichen werden
und einheitlich von 13 Prozent gesprochen wird. Ich
denke, das ist der Stand, den die meisten von uns haben.
Agrarkommissar Ciolos hat neue Herausforderungen
für die Agrarreform formuliert. Sie, die Bundesregierung
und Sie als Ministerin, haben sich der Frage der neuen
Herausforderungen bisher sehr zurückhaltend genähert.
Im Agrarbericht selbst wird das Thema jetzt sehr offensiv behandelt. Der Duktus ist neu. Welche Politik ergibt
sich für Sie daraus, dass Sie die neuen Herausforderungen jetzt als große Aufgabe begreifen? Was werden Sie
hier konkret einbringen?
Beim Thema Tierschutz, das ja im Agrarbericht eine
große Rolle spielt, ergibt sich für uns zwangsläufig eine
Frage. Im Agrarbericht ist von einem Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration und von einem Verbot der
Käfighaltung die Rede. Wie wollen Sie das mit den
Koalitionsfraktionen umsetzen? Im Ausschuss spiegelt
sich diese im Bericht dargestellte Auffassung so nicht
wider.
Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege Ostendorff. Als Erstes sei mir gestattet, dem Kollegen Bonde ganz
herzlich zu gratulieren. Wir kennen uns schon seit vielen
Jahren. Ich freue mich natürlich auf die Zusammenarbeit. Ich hoffe, dass die Konzentration dadurch jetzt
nicht wesentlich gestört wird.
Zweitens möchte ich eine Anmerkung zu den Zahlen
bezüglich der Treibhausgasemissionen machen. Das ist
eine Frage der Betrachtung. Wenn man die Landwirtschaft an sich betrachtet, dann sind es 7 Prozent. Wenn
man alle vor- und nachgelagerten Bereiche dazuzählt,
dann sind es 13 Prozent. Es ist immer eine Frage der Betrachtungsweise. Das ist wie beim Straßenverkehr: Wenn
Sie nur die Emissionen der Autos betrachten, ist es weniger, als wenn Sie die Produktion der Autos und den Straßenbau einbeziehen. Deshalb gibt es unterschiedliche
Zahlen. Das wollte ich zur Erläuterung sagen.
Zur Frage der Umweltziele. Ich bin froh, dass Sie die
Frage gestellt haben. Das gibt mir die Gelegenheit, noch
einmal darzustellen, was wir in Deutschland momentan
schon umsetzen. Dabei handelt es sich übrigens auch um
Beschlüsse, die noch die Vorgängerregierung gefasst
hatte. Sie sind für unsere Landwirte eine große Herausforderung und verlangen ihnen schon jetzt sehr viel ab.
Es geht um die Umstellung von einer produktionsbezogenen Förderung, von Direktzahlungen, auf eine reine
Flächenprämie, bei der für die Bewirtschaftung der Fläche gezahlt wird. Dies ist eine vollkommene Entkopplung und bedeutet eine Verschiebung innerhalb der
Landwirtschaft. Jetzt nehme ich einmal als Beispiel
Grünland. In den nächsten drei Jahren werden Grünlandstandorte mit 600 Millionen Euro gefördert. Das ist
schon eine große Herausforderung. Ich habe Grünland
angesprochen, weil das indirekt ein gewisses Greening
ist. Künftig wird Grünland also genauso gefördert wie
Ackerbau. Es gibt also eine deutliche Verschiebung.
Wir diskutieren im Moment darüber hinaus über die
Frage, wie sonstige Umweltstandards eingebaut werden
sollen. Für mich stellt sich immer die Frage: Wie kann
man etwas, das nicht nur der Landwirtschaft, sondern
auch der Umwelt nutzt, effektiv und ohne zu viel Bürokratie erreichen? Das ist die entscheidende Frage. Wir
warten auf die Vorschläge der Kommission. Ich bin gespannt. Wir werden sie auch an der Umsetzung, daran,
wie bürokratisch es gemacht wird, messen. Aber noch
einmal: Wir machen in Deutschland schon jetzt viel
mehr, als manche vielleicht registriert haben.
({0})
- Entschuldigung! Bezüglich des Tierschutzes ist es so,
dass wir eine Legehennenverordnung auf den Weg gebracht haben, nach der es für bestehende Betriebe einen
Bestandsschutz gibt.
Zur Frage der Ferkelkastration. Es gibt einen Beschluss auf europäischer Ebene, die sogenannte Brüsseler Erklärung, nach der man 2018 aus der Ferkelkastration aussteigen will. Auch darüber werden wir im Herbst
noch zu diskutieren haben.
Herr Dr. Geisen, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrte Frau
Ministerin, können Sie kurz darüber berichten, welche
Auswirkungen die Einrichtung des Spitzenverbandes bei
den landwirtschaftlichen Sozialversicherungen gehabt
hat und welche Maßnahmen in Zukunft noch getroffen
werden müssen, um ein effizientes, eigenständiges landwirtschaftliches Versicherungssystem zu erhalten?
Ich habe noch eine zweite Frage. Wie hat sich eigentlich die von der sozial-liberalen Regierung eingeführte
steuerliche Harmonisierung bei Agrardiesel auf die
Landwirtschaft ausgewirkt? Ist mit einer Verstetigung
dieser Maßnahme zu rechnen?
Vielen Dank.
({0})
Vielen Dank. - Ich fange mit der letzten Frage an.
Momentan sind wir in Bezug auf die Entfristung beim
Agrardiesel auf europäischer Ebene bei der Notifizierung. Hinsichtlich der Frage der Verstetigung müssen
wir noch abwarten. Wir hängen da auch am Beihilferecht
in Europa. Unterm Strich kann man sagen, dass es bei
den betroffenen Betrieben einen zusätzlichen Einkommenseffekt gibt. Das ist eindeutig nachzuweisen. Es ist
auch keine Frage, dass er je nach Verbrauch unterschiedlich ausfällt.
Die erste Frage bezog sich auf die Träger der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es mehrere solcher Träger und einen Dachverband. Die Struktur ist sehr dezentral. Es gibt
auch unterschiedliche Beitragssätze. Ziel ist eigentlich
gewesen, irgendwann einmal einen einheitlichen Sozialversicherungsträger zu schaffen. Wir sind da im Moment
mit dem für diese Maßnahmen federführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Gespräch.
Das Ganze ist natürlich mit Aufwand verbunden. Wir
haben bei den Beratungen über den Haushalt herausverhandeln können, dass wir für die nächsten drei Jahre zusätzlich 150 Millionen Euro bekommen, wenn es einen
einheitlichen Sozialversicherungsträger gibt. Wenn es
nicht dazu kommt, sind die 150 Millionen Euro sozusagen gesperrt und werden dann wahrscheinlich nicht zur
Verfügung stehen.
Der Kollege Paula, bitte.
Frau Ministerin, Sie haben darauf hingewiesen, dass
das Thema Ferkelkastration im Herbst zu diskutieren
sein wird.
Ich möchte bei einigen anderen Punkten nachhaken,
weil es mir ähnlich wie dem Kollegen Ostendorff geht.
Sie nannten zwei Punkte, die von unserer Fraktion
eingebracht worden sind. Dabei geht es um die Aufnahme der Haltung von Kaninchen in die Nutztierverordnung. Des Weiteren geht es um Tierschutzkennzeichnung. Sie wissen, dass wir hierzu ebenfalls einen Antrag
eingebracht haben. Beide Anträge wurden im vorigen
Jahr abgelehnt. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass Sie
in Ihrem Haus trotz der Ablehnung aus der Regierungskoalition bereits Vorarbeiten getätigt haben. Meine erste
Frage lautet: Wie ist der Sachstand dieser Vorarbeiten,
und bis wann können wir hier mit konkreten Vorschlägen aus Ihrem Hause rechnen?
Zweitens. Sie wissen, dass in Niedersachsen ein umfangreiches Paket im Bereich des Tierschutzes auf den
Weg gebracht wurde, welches auch uns wiederum auffordert, zum Beispiel bei der Nutztierhaltungsverordnung - hier bezüglich der Junghennen - entsprechend
initiativ zu werden. Wenn Sie uns hierzu konkrete zeitliche Dimensionen und eventuell auch schon den einen
oder anderen inhaltlichen Punkt aufzeigen könnten, wäre
ich Ihnen sehr dankbar.
Vielen herzlichen Dank. - Ich fange mit dem letzten
Punkt an. In Niedersachsen ist der Kollege Lindemann
mit vielen Verbänden im Gespräch. Er hat mehrere
Punkte aufgegriffen. Einer davon betrifft die Frage der
Jungküken. Deshalb sind wir auch mit Niedersachsen im
Gespräch. Wir brauchen hierzu eine Lösung, zum Beispiel das Screening schon beim Ei. Es geht aber auch um
andere Maßnahmen. Hier befinden wir uns in der Abstimmung und wollen das mit Niedersachsen sozusagen
im Gleichklang machen. Deshalb kann ich dazu noch
keinen genauen Zeitpunkt nennen.
Auf alle Fälle wird es im Herbst eine Novellierung
des Tierschutzgesetzes geben. Wir müssen das Tierschutzgesetz verändern, weil wir die europäische Versuchstierrichtlinie umsetzen müssen. Unter anderem
wird dann zum Beispiel auch die Frage der Mastkaninchen geregelt werden. Das ist geplant und mit den Koalitionsfraktionen entsprechend abgesprochen worden.
Als Nächstes zur Tierschutzkennzeichnung. Um was
geht es eigentlich? Mir geht es nicht um eine nationale
Kennzeichnung. Das Problem ist - es ist letztendlich auf
europäischer Ebene zu lösen -, dass derzeit jeder irgendetwas auf seine Produkte schreibt, aber keiner genau
nachvollziehen kann: Bedeutet es wirklich mehr Tierschutz als das, was wir gesetzlich bereits vorgeschrieben
haben?
Mir geht es um eine Vereinheitlichung, ähnlich wie
beim Ökolabel. Auch hier hat anfangs jeder irgendetwas
auf seine Produkte geschrieben. Die Verbraucher wussten irgendwann nicht mehr, was sich dahinter verbirgt.
Bei der Tierschutzkennzeichnung geht es um eine freiwillige Kennzeichnung, die allerdings ein gewisses Qualitätsniveau haben muss, damit ausgeschlossen werden
kann, dass der Verbraucher getäuscht wird und nur mehr
zahlen muss, obwohl nichts dahintersteckt.
Das ist momentan der Sachstand. Dieses Vorhaben
muss auf europäischer Ebene angestoßen werden,
sprich: Die Europäische Kommission muss dazu einen
Vorschlag vorlegen. Insofern liegt dies vor allem in den
Händen der Kommission. Aber von uns ist das Signal
gekommen, bitte schnellstmöglich zu handeln.
Herr Kollege Holzenkamp, bitte.
Danke, Frau Präsidentin. - Vielen Dank für Ihren Bericht, Frau Ministerin. Ich habe zwei Fragen.
Erste Frage. Wie beurteilen Sie die Bedeutung der
Landwirtschaft in der Zukunft - damit meine ich die gesamte Agrarwirtschaft -, und ist die Förderung der ländlichen Bereiche in ausreichendem Maße an den Herausforderungen ausgerichtet?
Zweite Frage. Die Diskussion über das Thema „Teller
und Tank“ hat zunehmende Aktualität erfahren, sowohl
aufgrund steigender Nahrungsmittelpreise, die wir zur
Kenntnis nehmen müssen, und der sehr großen Rohstoffknappheit als auch aufgrund der Weiterentwicklung des
Energiekonzeptes, das wir aktuell umsetzen. Welches
Potenzial hat Ihrer Meinung nach Biomasse in Deutschland?
Herzlichen Dank. - Auch in Zukunft wird es wie in
der Vergangenheit nicht ohne Landwirtschaft gehen.
Dies ist schon allein deshalb der Fall, weil die Produktion von Lebensmitteln die Grundlage des Lebens
betrifft; da brauchen wir uns nichts vorzumachen. In
Deutschland haben wir ein sehr hohes Niveau erreicht
- auch dies muss man immer wieder hervorheben -, das
weltweit anerkannt ist.
Die Landwirtschaft wird auch in der Zukunft einer
der zentralen Wirtschaftszweige in Deutschland sein. Ich
finde, ein Wirtschaftsbereich, auf den 6,5 Prozent der
Wertschöpfung eines Landes entfallen, ist kein ganz so
kleiner Wirtschaftsbereich.
({0})
Das wird vielleicht vielfach nicht sofort erkannt; aber
auch dies muss man immer wieder betonen. Da jeder
achte Arbeitsplatz in Deutschland in diesem Bereich zu
finden ist, handelt es sich um einen ganz entscheidenden
Wirtschafts- und Arbeitsplatzfaktor, dessen Schwerpunkt in den ländlichen Räumen liegt. Angesichts der
demografischen Entwicklung und der Probleme, die es
in den ländlichen Räumen gibt, wäre die Lage in vielen
Bereichen ohne die Landwirtschaft noch etwas schwieriger, wenn ich das einmal so formulieren darf.
Zu Ihrer zweiten Frage, in der es um das Potenzial
von Biomasse geht. Ich möchte mich an dieser Stelle auf
die Biogasproduktion konzentrieren. Ich habe schon erwähnt: Mir geht es darum, dass wir ein Stück weit in
Richtung Reststoffverwertung umsteuern, um mehr
Gülle, aber auch Grünschnitt, Kompost und was sonst
noch an Reststoffen da ist, zu verwerten. Vor diesem
Hintergrund ist die Ausgestaltung der Boni in der Zukunft eine entscheidende Frage.
Ich glaube, wir müssen mehr als bisher deutlich machen, warum Biogas eine sehr wichtige Rolle spielt. Gas
ist ein speicherfähiges Medium. Man kann es zur Verstromung verwenden und dann den Strom ins Netz einspeisen, wenn Wind und Sonne als Energiequelle nicht
vorhanden sind. Mit Biogas kann man andere Energieträger ersetzen, oder man kann es in Spitzenlastzeiten,
wenn viel Strom gebraucht wird, zusätzlich nutzen. Man
kann es aber auch aufarbeiten, ins Erdgasnetz einspeisen
und im Rahmen der Gasversorgung als grundlastfähigen
Energieträger verwenden.
Für uns ist entscheidend, dass auch die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Wir wollen mehr Reststoffe als bisher verwerten, und zwar dezentral, damit die Fahrtwege
kürzer sind. Ich glaube, dies ist eine große Chance für
die ländlichen Räume; denn die Wertschöpfung bleibt in
den ländlichen Räumen.
Herr Kollege Kelber, bitte.
({0})
Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen.
Ich finde es ausgesprochen positiv, dass Sie noch am
gleichen Tag, an dem sich das Kabinett mit dem Agrarpolitischen Bericht befasst hat, ihn hier vorstellen. Im
Fachausschuss werden wir Sie, nachdem wir die Gelegenheit hatten, die 84 Seiten zu lesen, noch löchern.
Beim Durchblättern des Exemplars, das der Kollege
Priesmeier aufgetrieben hat, haben sich für mich Fragen
in Bezug auf den häufig verwendeten Begriff der Nachhaltigkeit ergeben. Es geht dabei um zwei Aspekte.
Erstens. Auf Seite 35 gehen Sie darauf ein, dass die
Europäische Union den Mitgliedstaaten im Bereich der
Grünen Gentechnik in Zukunft mehr Kompetenzen zuweisen will, und schreiben dann, dass Sie das nutzen
wollen, indem Sie auf Abstandsregelungen im Rahmen
der Verhältnismäßigkeit und innerhalb eines bundeseinheitlichen Rahmens setzen. Werden Sie also von dem
von Ihnen und Ihrer Fraktion früher angekündigten Anbauverbot auf nationaler oder regionaler Ebene abweichen?
Zweitens habe ich eine Frage zum Thema Nachhaltigkeit und Wald. Auf Seite 42 ist von „nachhaltiger Waldbewirtschaftung“ die Rede. Sind Sie bereit, diesen Fachbegriff in das Waldgesetz aufzunehmen?
Auf Seite 74 schreiben Sie, dass nach den Daten des
Jahres 2008 derzeit im deutschen Wald 10 Prozent Holz
pro Jahr mehr zuwächst, als geerntet wird. Mehrere Experten gehen davon aus, dass ein solcher Zuwachs im
Jahr 2011 wegen der verstärkten Nutzung nicht mehr
existiert. Sind Ihnen diese Fakten bekannt? Teilen Sie
diese Auffassung? Was können wir tun, wenn sich in den
nächsten Jahren das Verhältnis umkehren sollte?
Zu Ihrer ersten Frage kann ich feststellen: Was die
Abstandsregelungen betrifft, setze ich exakt den Koalitionsvertrag um, der auch von meiner Fraktion, der CSU,
unterschrieben worden ist und der insofern auch unsere
Position widerspiegelt. Das Vorhaben ist derzeit in der
Ressortabstimmung. Regelungen werden demnächst
vorgelegt.
Zu der Frage nach der nachhaltigen Waldbewirtschaftung sei der Hinweis erlaubt, dass der Nachhaltigkeitsbegriff in der Waldwirtschaft geboren wurde. Insofern habe
ich kein Problem, ihn in das Waldgesetz mit aufzunehmen. Nachhaltige Waldbewirtschaftung ist eine Selbstverständlichkeit. Dies bedeutet im Grunde genommen,
dass man nur so viel Holz einschlagen darf, wie nachwächst oder nachgepflanzt wird. Das ist eine relativ einfache Regelung, um der Nachwelt den Wald zu erhalten.
Das, was Sie angesprochen haben, ist mir nicht bekannt. Ich kenne die derzeitigen Zuwachsraten: Der Zuwachs ist um 10 Prozent höher als die Nutzung. Deshalb
ist es, glaube ich, richtig, sich für eine nachhaltige Wald12252
bewirtschaftung einzusetzen. Ich habe darauf hingewiesen, dass der Anteil der Biomasse als Träger erneuerbarer Energien etwa zwei Drittel beträgt. Dazu leistet die
Waldwirtschaft einen wesentlichen Beitrag.
Mir geht es aber auch um eine verstärkte Kaskadennutzung, das heißt zuerst die stoffliche Verwertung und
dann die energetische Verwertung. Ein hervorragendes
Beispiel ist der Neubau der Fachagentur Nachwachsende
Rohstoffe in Gülzow, den ich gestern anlässlich seiner
Einweihung besucht habe. Das Gebäude, das neuen
Raum für 30 Mitarbeiter schafft, besteht zu 100 Prozent
aus nachwachsenden Rohstoffen, vom Ziegenfellteppich
bis zur Lehmschicht. Das Raumklima ist hervorragend.
Ich kann den Kollegen einen Besuch nur ans Herz legen.
({0})
Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie man mit nachwachsenden Rohstoffen eine hervorragende Bauqualität erreichen kann.
Es sollte also zuerst die stoffliche und dann die energetische Nutzung erfolgen. Dazu brauchen wir eine
nachhaltige Waldbewirtschaftung.
Es gibt zwar noch einige Wortmeldungen. Sie können
aber nicht mehr berücksichtigt werden, weil wir bedauerlicherweise am Ende der Regierungsbefragung sind.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
- Drucksache 17/5733 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hermann Kues zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 der Kollegin Caren Marks auf:
Wie viele Personen, die zuvor nicht erwerbstätig gewesen
sind, erhalten über zwölf Monate das Mindestelterngeld ({0}), und wie viele Personen erhalten Elterngeld neben einer Teilzeitberufstätigkeit ({1})?
Herr Staatssekretär, bitte.
In der Frage wird eine sehr differenzierte Aufschlüsselung nach Hausfrauen, Hausmännern sowie Studentinnen und Studenten erbeten. Dazu liegen uns keine Daten
und Informationen vor. Auf eine allgemeine Frage könnten wir ausführlicher antworten.
2010 haben laut Statistik zum Elterngeld - es handelt
sich um die gemeldeten beendeten Leistungsbezüge rund 284 000 Frauen und rund 34 000 Männer das Mindestelterngeld bezogen. Rund 262 000 Frauen und rund
26 000 Männer, die Elterngeld bezogen haben, waren
vor der Geburt der Kinder nicht erwerbstätig. Wie gesagt, zu den einzelnen Gruppen, nach denen in Ihrer
Frage differenziert wird, liegen uns keine Daten vor.
Frau Marks, Sie haben eine Nachfrage. Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
vielen Dank für die Antwort. Sie haben eben mitgeteilt,
dass es Ihnen nicht möglich ist - weil die Daten nicht
vorliegen -, das Ganze, so wie es in meiner Frage formuliert ist, aufzuschlüsseln. Meine Nachfrage lautet: Wird
seitens der Bundesregierung beabsichtigt, diese Daten zu
erheben - dann könnte ich gegebenenfalls in einigen
Wochen eine entsprechende Antwort bekommen -, und
wenn nein, warum nicht?
Wir haben eine detaillierte Evaluierung beim Elterngeld vorgenommen. Im Jahre 2009 ist die letzte erfolgt.
Wir werden natürlich eine weitere Evaluierung vornehmen. Ich glaube, 2011 ist die nächste vorgesehen. Mir ist
aber nicht bekannt, ob auch nach dem gefragt wird, was
Sie wissen wollen; meines Wissens ist das nicht der Fall.
Aber das ist sicherlich bedenkenswert. Dazu wäre eine
etwas umfänglichere Expertise notwendig, um dazu eine
Aussage treffen zu können.
Frau Marks, haben Sie eine zweite Nachfrage? - Das
ist nicht der Fall. Dann hat jetzt Herr Wunderlich das
Fragerecht.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
Sie sagen, dass keine Erkenntnisse vorliegen. Die Antwort auf die Frage von Frau Marks lautet: Elterngeld bekommt jeder, der es beantragt hat. Die entscheidende
Frage lautet aber: Was bekommt man tatsächlich ins
Portemonnaie?
Als wir damals die Bundesregierung danach gefragt
haben, lagen keine Erkenntnisse zu Hartz-IV-Beziehern
vor. Jetzt frage ich erneut: Haben Sie inzwischen Erkenntnisse darüber, wie viele Hartz-IV-Empfängerinnen
und Hartz-IV-Empfänger betroffen sind? Das heißt, ich
möchte die Anzahl der betroffenen Hartz-IV-Haushalte
sowie die Höhe der Kürzungen wissen. Weiterhin frage
ich Sie in diesem Zusammenhang: Liegen der Regierung
inzwischen Erkenntnisse über die Rückforderungen der
Jobcenter vor, und wie wird mit denjenigen Hartz-IVEmpfängern verfahren, die aufgrund ihrer finanziellen
Situation nicht in der Lage sind, die Gelder zurückzuzahlen?
Ich kann Ihnen eine globale Zahl nennen - es handelt
sich dabei nach wie vor um eine Schätzung, weil uns Detailzahlen auch hierzu nicht vorliegen; die Regelung ist
noch relativ neu -: Wir gehen von 100 000 Bedarfsgemeinschaften pro Geburtsjahr aus. Wie viele Personen
konkret betroffen sind, wissen wir nicht. Die Haushalte
bzw. die Bedarfsgemeinschaften sind sehr unterschiedlich. Außerdem gibt es teilweise noch Nachforderungen
bzw. Nachbewilligungen. Ich erinnere Sie nur an die Änderungen, die wir im letzten Jahr bei den Regelungen für
das Elterngeld vorgenommen haben. Wir gehen davon
aus, dass die Neuregelung bezüglich der Aufhebung der
Anrechnungsfreiheit, wenn sie dann voll wirksam wird,
mit Minderausgaben in Höhe von 335 Millionen Euro
für den Bund verbunden ist. Das ist das, was wir wissen.
Dann sind wir bei Frage 2 der Kollegin Marks:
Führt die Anrechnung des Elterngeldes auf Leistungen
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und/oder dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht zu einer Ungleichbehandlung mit denjenigen Gruppen von Elternteilen, die vor
der Geburt ebenfalls kein Einkommen erzielt haben, aber das
Elterngeld auch nach dem 1. Januar 2011 weiterhin beziehen
({0})?
Bereits beim Beschluss hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass die Anrechnung des Elterngeldes
auf die Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften
Buch Sozialgesetzbuch systemgerecht ist. Danach muss
jeder Hilfebedürftige zuerst sein Einkommen einsetzen,
um für sich und seine Familie aufzukommen. Wenn er
das mit seinem eigenen Einkommen nicht schafft, dann
hat er Anspruch auf Hilfe nach SGB II und SGB XII.
Das Elterngeld wird - das ist systemgerecht - genauso
angerechnet wie andere Leistungen, zum Beispiel Arbeitslosengeld, Unterhaltsleistungen, Unterhaltsvorschussleistungen und Kindergeld. All dies ist zu berücksichtigen.
Wir berücksichtigen in diesem Sinne - systemgerecht auch das Elterngeld, weil davon auszugehen ist, dass der
gesamte Familienbedarf - darüber haben unterschiedliche Koalitionen in den letzten Jahren entsprechende Beschlüsse gefasst - durch die Grundsicherungsleistung
nach SGB II und SGB XII gedeckt wird.
Frau Marks, eine Nachfrage? - Bitte schön.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass es üblich sei, dass das Elterngeld angerechnet
werde. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass
wir in der Großen Koalition das Elterngeld auf SPDInitiative hin gemeinsam eingeführt haben. Die SPD hat
sich damals gegen die Systematik ausgesprochen, dass
das Elterngeld bei ALG-II-Bezieherinnen und -Beziehern angerechnet wird, weil es uns wichtig war, dass es
das Elterngeld für alle Familien als Erziehungsleistung
gibt, wodurch den Eltern mit kleinen Kindern ein Schonraum für einen Zeitraum von 12 bis 14 Monaten ermöglicht wird.
Womit begründen Sie, dass diese Regelung, die wir
damals gemeinsam in der Großen Koalition verabschiedet haben, durch die neue Gesetzgebung außer Kraft gesetzt und das Elterngeld jetzt angerechnet wird, was
dazu führt, dass Eltern, die Hartz IV bekommen, kein Elterngeld beziehen? Das ist doch die Wahrheit.
Sie selbst haben das Stichwort „Schonraum“ genannt.
Das heißt, dass man sich für eine gewisse Zeit, 12 bis
14 Monate, voll um das Kind kümmern kann, egal ob
Mann oder Frau, Vater oder Mutter. Das ist der Gedanke
gewesen. Der Gedanke beim Elterngeld ist, dass es keinen Einbruch beim Einkommen gibt und dass man finanziell abgesichert ist. Es handelt sich in der Regel um
junge Familien, die kein besonders hohes Einkommen
haben. Auch das wissen wir. Man wollte eine attraktive
Regelung schaffen, damit die Familien keine Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Das bezeichnet man
als Schonraum.
Wenn jemand Unterstützung nach SGB II oder
SGB XII bezieht, dann befindet er sich in einer ganz anderen Situation. Er ist leider nicht erwerbstätig. Dafür
bekommt er vom Staat, von der Gemeinschaft der Steuerzahler, für eine Übergangszeit Unterhaltsleistungen.
Das ist keine Dauerregelung. Sie wissen, dass es bei diesem Personenkreis eine hohe Fluktuation gibt - Gott sei
Dank - und dass viele wieder aus dem SGB-II-Bezug
ausscheiden. Das ist unser gemeinsames Ziel. Das gilt
umso mehr in der jetzigen wirtschaftlichen Situation.
Wir haben überlegt, ob es rechtssystematisch richtig
ist, jemandem, der eine für Familien ausreichende Ausstattung, wie wir sie gemeinsam definiert haben, erhält,
noch zusätzliche Leistungen zu gewähren. Man kann darüber diskutieren, ob dann überhaupt noch ein Anreiz
gegeben ist, einen Teil des Einkommens selbst zu erwirtschaften. Wir haben intern mehrfach darüber diskutiert.
Wir haben immer die Auffassung vertreten, dass wir alles dafür tun müssen, dass beispielsweise junge Mütter
und junge Väter möglichst bald eine Chance bekommen,
einen Teil des Lebensunterhalts für sich und das eigene
Kind selbst zu erwirtschaften.
Sie haben eine weitere Nachfrage? - Bitte schön, Frau
Marks.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie nutzen in Ihren Ausführungen unterschiedliche Argumentationsstränge. Eltern, die vorher berufstätig waren, haben jetzt
einen Schonraum von 12 bis 14 Monaten, in dem sie
nicht arbeiten, in dem sie durch das Elterngeld finanziell
aufgefangen werden und in dem sie Zeit haben, sich um
ihre Kinder zu kümmern. Das ist bei ALG-II-Beziehern
nicht der Fall, weil sie nicht erwerbstätig sind. Ich finde
es richtig, dass die Eltern dem Arbeitsmarkt dann, wenn
das Kind 12 oder 14 Monate alt ist, wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Diesen Schonraum wollen
wir aber grundsätzlich allen Männern und Frauen zugestehen, auch denen, die sich im ALG-II-Bezug befinden.
Wenn man Ihrer Logik folgt, dass das Elterngeld nur
für diejenigen bestimmt sei, die vorher erwerbstätig waren und jetzt zu Hause sind, dann hätten Sie die Unterstützung auch für Hausfrauen oder Hausmänner abschaffen müssen. Ich möchte nicht falsch verstanden werden:
Die SPD hat sich dafür eingesetzt, dass sowohl ALG-IIBezieherinnen und -Bezieher als auch Hausfrauen und
Hausmänner sowie Studierende das sogenannte Mindestelterngeld beziehen. In Ihren Ausführungen sehe ich allerdings keine Systematik.
Der Schonraum ist das Hauptargument gewesen. Darauf ist die Systematik insgesamt ausgerichtet. Sie haben
recht: Wir haben gesagt, dass es für diejenigen, die nicht
erwerbstätig und die zu Hause sind, aber nicht voll im
Grundsicherungsleistungsbezug stehen, eine gewisse
Anerkennung für die Erziehungsleistung, die sie erbringen, geben soll. Das ist - wenn Sie so wollen - im Gesetzgebungsverfahren ein Kompromiss gewesen. Es
musste nach Abschaffung des Erziehungsgeldes ein Anschluss gefunden werden. Diese Abschaffung war für
den einen oder anderen gerade im unteren Einkommensbereich natürlich schon ein erheblicher Schritt. Für diese
Menschen sollte es einen entsprechenden Anreiz geben,
sich um die Kindererziehung zu kümmern. Da ist mit
dem Mindestelterngeld ein eigener Akzent gesetzt worden. Dahinter stecken auch unterschiedliche Vorstellungen darüber, worauf man Wert zu legen hat.
Wir kommen jetzt zur Frage 3 des Kollegen Stefan
Schwartze zum gleichen Themenbereich:
Ist die Anrechnung des Elterngeldes bei Leistungsbezieherinnen und -beziehern nach dem Sozialgesetzbuch rechtlich
unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten geprüft worden,
und, wenn ja, welche rechtliche Bewertung liegt dem Ergebnis zugrunde?
Ich erlaube mir, die Fragen 3 und 4 zusammen zu beantworten, weil sie in einem Sachzusammenhang stehen.
Dann rufe ich auch noch die Frage 4 des Kollegen
Stefan Schwartze auf:
Sieht die Bundesregierung in der Anrechnung des Elterngeldes auf Leistungsbezieherinnen und -bezieher nach dem
Sozialgesetzbuch eine Benachteiligung von Kindern gegenüber Kindern von ökonomisch abgesicherten Hausfrauen,
und, wenn nein, warum nicht?
Es ist so, dass die Berücksichtigung des Elterngeldes
bei der Ermittlung des Anspruchs auf entsprechende
Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II oder nach dem
Sozialgesetzbuch XII aus den Gründen, die ich eben genannt habe, systemgerecht ist, weil man vom Staat ausreichend versorgt wird. Deshalb wird das Einkommen
entsprechend angerechnet. Der Grundgedanke beim
SGB II und beim SGB XII ist, dass jeder zunächst sein
eigenes Einkommen einsetzen muss, um für sich und
seine Familie aufzukommen. Das Elterngeld wird hier
- das ist systematisch, was vorher nicht der Fall war genauso berücksichtigt wie Arbeitslosengeld, Unterhaltsvorschussleistungen und Kindergeld. Der gesamte
Familienbedarf wird also durch diese Leistungen abgedeckt.
Vielleicht sollte man bei dieser Gelegenheit auch darauf hinweisen, dass durch Beschluss des Bundestages
und des Bundesrates bedürftige Familien in großem Umfang von den Mitteln, die jetzt zur Verfügung gestellt
worden sind, profitieren werden. Es gibt bei der Umsetzung des Beschlusses Reibungsverluste, die wir alle kennen. Aber es ist ein gewaltiges Paket mit einem Volumen
von 1,6 Milliarden Euro, das auf den Weg gebracht wird,
um bedürftigen Kindern und Jugendlichen bessere Lebenschancen und Entwicklungschancen zu eröffnen. Damit soll auch ein Beitrag zu mehr Motivation, mehr Bildung und Chancen für die Zukunft geleistet werden.
Herr Schwartze, Sie dürfen insgesamt vier Nachfragen stellen. Ihre erste Nachfrage, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
es gibt durchaus auch andere rechtliche Bewertungen,
was die Anrechnung des Elterngeldes betrifft. Sind Ihnen diese bekannt, und, wenn ja, mit welchen Argumenten geht das Ministerium darüber hinweg?
Das Ministerium geht nicht darüber hinweg. Ich habe
ja eben die Argumente genannt. Sie können politisch
sehr unterschiedlich - für oder gegen Elterngeld - argumentieren. Sie können auch lange darüber diskutieren,
ob es richtig ist, Erwerbseinkommen auszugleichen. Das
hat auch etwas mit Lebensformen zu tun. Darüber haben
wir damals intensiv diskutiert. Aber es ist seinerzeit die
Entscheidung der Großen Koalition gewesen, dass man
am Erwerbseinkommen anknüpft und es bei den Ausnahmen in Sachen Mindestelterngeld, die ich eben beschrieben habe, belässt.
Rechtlich ist es eigentlich unstrittig, dass man es so
machen kann. Man kann zu anderen politischen Einschätzungen kommen. Das ist völlig richtig. Aber ich
glaube auch, dass wir sehen müssen: Wir brauchen im
Bereich der Familienpolitik Regelungen - das gilt auch
für das Elterngeld -, die dazu ermutigen, das Leben mit
Kindern tatsächlich zu wagen. Es geht darum, dafür
finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen. Es kann
nicht darum gehen, ob diese oder jene Leistung gezahlt
wird.
Die aktuelle Diskussion zeigt im Übrigen auch: Es ist
eine Illusion, zu glauben, dass man nur Geld einsetzen
muss, um entsprechende Resultate zu erzielen. Das ist
schon etwas komplexer. Rechtlich können Sie, glaube
ich, kaum begründen, dass die Anrechnung des Elterngeldes rechtswidrig ist. Sie können politisch eine andere
Meinung haben, wie sie von der Kollegin vorhin geäußert wurde.
Herr Schwartze, eine weitere Frage? - Keine weitere
Frage. Herr Wunderlich, bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Das Bundeserziehungsgeld war eine sozialpolitische Maßnahme, um tatsächlich bei den Eltern, die über wenig finanzielle Mittel
verfügen, die entsprechenden zusätzlichen Kosten aufgrund des Aufwandes, den ein Kleinkind nun einmal
verursacht, jedenfalls zum Teil auszugleichen. Herr
Dr. Kues, Sie haben es gerade angesprochen: Das Bundeserziehungsgeld ist seinerzeit abgeschafft worden.
Von dieser sozialpolitischen Komponente hat man
sich durch die Einführung des Bundeselterngeldgesetzes
verabschiedet. Das fiel auf. Dann wurde dieser Sockelbetrag als sozialpolitische Komponente in das Gesetz
eingefügt. Mittlerweile ist er gänzlich gestrichen worden. Wenn Sie Ihr Vorgehen hier schon so begründen,
wie sie es tun, dann haben Sie auch den Schneid, zu sagen: Gut, diese Regierung will bedürftigen Familien
keine sozialpolitischen Leistungen zukommen lassen;
das Bundeserziehungsgeld und sämtliche damit verbundenen sozialpolitischen Tendenzen sind gestrichen worden; wir wollen diese Leistungen denjenigen Familien,
die sie eigentlich brauchten, nicht mehr gewähren.
Das ist keine Frage des Schneides, sondern dessen,
was richtig und was falsch ist.
({0})
Das Bundeserziehungsgeld ist in den 1980er-Jahren
eingeführt worden; vorher hat es das nicht gegeben. Es
war in erster Linie nicht als Sozialleistung gedacht; dahinter steckte vielmehr der Gedanke - das hat etwas mit
dem Familienbild zu tun -, dass diejenigen, die ihre Kinder zu Hause, in der Familie, erziehen - in der Regel
sind es die Mütter gewesen -, einen Ausgleich bekommen.
({1})
Gesprochen wurde damals auch von einem Erziehungsgehalt. Das hatte nichts mit Sozialpolitik zu tun.
Ich will noch einmal deutlich sagen: Familienpolitik
ist etwas anderes als Sozialpolitik. Familienpolitik heißt,
etwas für die Lebens- und Rahmenbedingungen von Familien zu tun.
({2})
Das ist der entscheidende Punkt. Familienpolitik ist
keine reine Sozialpolitik. Deswegen kann man die Wertigkeit unseres Vorgehens nicht daran festmachen, wer
im Einzelnen wie viel bekommt. Der familienpolitische
Ansatz ist, dass derjenige Leistungen erhalten soll, der
Kinder erzieht, und nicht derjenige, der keine Kinder erzieht.
({3})
Um es noch einmal klar zu sagen: Familienpolitik ist etwas anderes als Sozialpolitik. Diese Unterscheidung ist
nicht ganz unwichtig.
Trifft man diese Unterscheidung nicht, könnte man
nämlich mit dem Hinweis auf Sozialleistungen sagen,
wir würden Familienleistungen kürzen. Das Erziehungsgeld wurde über all die Jahre immer mehr zusammengestrichen - auch das muss gesagt werden -, weil man
die Bemessungsgrenze immer weiter gesenkt hat. Das
ging so weit, dass im Endeffekt sehr häufig nur noch
Sozialhilfeempfänger und Bezieher von Einkommen, die
geringfügig darüber lagen, einen Anspruch auf Erziehungsgeld hatten. Das ist problematisch gewesen; denn
man hat ganz gezielt nur noch in bestimmte Einkommensgruppen investiert. Sozialpolitisch lässt sich das begründen, familienpolitisch meines Erachtens nicht.
Frau Marks, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie sagen: Familienpolitisch können Sie das nicht begründen, nur sozialpolitisch. Das ermuntert mich, nachzufragen. Meines Erachtens kann
man Familien- und Sozialpolitik nicht völlig voneinander trennen; vielmehr ist es wie ein Paar Schuhe, also
etwas, was zusammengehört. Familienpolitik muss sich
darum kümmern - ich bin ganz Ihrer Meinung -, die Lebensbedingungen von Familien, das heißt von Eltern und
deren Kindern, in unserem Land zu optimieren, etwa indem für sie gute Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dabei geht es um die Infrastruktur für Familien,
beispielsweise um Kinderbetreuungsplätze. Dabei geht
es auch um die Zeit, die man für die Familie hat. Unser
gemeinsames Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass Eltern
Zeit für ihre Kinder haben.
Es geht aber auch um die finanzielle Unterstützung
von Familien. Ich hoffe, wir sind uns darin einig, dass
die Lebenssituation von Familien durchaus unterschiedlich ist, auch in finanzieller Hinsicht, und dass insbesondere die Bekämpfung der Armut in diesem Land zur Fa12256
milienpolitik gehört. Wir wissen - auch Ihnen ist das
durchaus bewusst; eigentlich wollen Sie das gemeinsam
mit uns ändern -, dass die Armut von Familien in unserem Land zunimmt. Insofern muss es ein Ziel von Familien- und Sozialpolitik sein, dass sich die Lebenssituation von Familien mit geringem Einkommen verbessert.
Sie geben mir sicherlich recht, wenn ich sage, dass
die von der Großen Koalition bewusst getroffene Entscheidung, dass Familien mit einem Kind im ersten Lebensjahr auch im ALG-II-Bezug 300 Euro Mindestelterngeld zusätzlich erhalten haben - der Bezug dieses
Geldes wurde nicht auf die Höhe weiterer Transferleistungen angerechnet -, dazu geführt hat, dass diese Eltern
in der Lage waren, insbesondere solche Anschaffungen
zu tätigen, die im ersten Lebensjahr eines Kindes häufig
notwendig sind und die die Lebenssituation dieser Kinder verbessern. Ihre Situation ist aber durch das Streichen dieses Geldes mit Sicherheit nicht gleich geblieben,
sondern sie hat sich verschlechtert.
({0})
Soll ich das jetzt kommentieren oder darauf antworten? Was wollen Sie fragen?
({0})
Die Frage war, Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Ob ich Ihnen zustimme?
- ob Sie mir zustimmen, dass Familien- und Sozialpolitik nicht völlig voneinander zu trennen sind. Zum
Schluss habe ich gefragt, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, dass die Anrechnung des Elterngeldes auf die
ALG-II-Leistungen dazu führt, dass sich die Situation
derjenigen Familien verschlechtert, die durch die Neuregelung kein Elterngeld mehr bekommen werden. Das
trägt dem von Ihnen formulierten Ansinnen, die Situation von Familien zu verbessern, nicht gerade Rechnung.
Das war die Frage.
Im letzten Punkt sind wir uns einig: Wir müssen uns
gemeinsam bemühen, dass Familienpolitik langfristig
angelegt ist und es Verlässlichkeit gibt, am besten über
Jahrzehnte hinweg. Das wäre ein eindeutiges Signal an
die jungen Leute. Ich sage aber auch: Die Situation von
Familien - das hat auch familienpolitische Bedeutung;
es handelt sich nicht nur um Sozialpolitik - hat sich stark
verbessert. Das liegt daran, dass wir einen erheblichen
Rückgang bei der Arbeitslosigkeit hinbekommen haben.
Das war aber nicht die Bundesregierung allein. Auch die
Menschen hier im Land haben das geschafft. Dadurch
sind viele Familien nicht mehr auf Sozialhilfe- oder
ALG-II-Leistungen angewiesen. Das ist eine große sozialpolitische und auch eine erhebliche familienpolitische Leistung.
Wenn Sie sich näher mit diesem Thema beschäftigen
- das tun Sie ja, Frau Kollegin -, dann wissen Sie auch,
dass einem Sozialhilfehilfeempfänger oder einem Empfänger von ALG-II-Leistungen bei der Geburt eines Kindes Einmalleistungen zustehen. Diese Einmalleistungen
bekommt aber derjenige, der dem Sozialhilfebezug entwichen ist, weil er es geschafft hat, sich ein Einkommen
zu erwirtschaften, nicht. Das Thema muss also auch unter diesem Gesichtspunkt diskutiert werden. Ein Empfänger von Sozialhilfe- oder ALG-II-Leistungen soll
umfänglich abgesichert sein; diesen Anspruch haben
wir. Die Leistungen, die er bekommt, sind nicht üppig;
das ist mir völlig klar. Wir müssen aber auch vergleichen, was derjenige, der das Einkommen für seine Familie mit zwei, drei Kindern auf dem Arbeitsmarkt erwirtschaftet und der keine Sonderleistungen mehr bekommt,
zur Verfügung hat und derjenige, der Sozialleistungen
bekommt.
Im Übrigen haben wir in Bezug auf die 1,6 Milliarden
Euro - das wurde auch vom Bundesrat so beschlossen ganz genau hingeschaut und uns gefragt, an welche Familien wir besonders denken müssen. Bei den Geringverdienern haben wir Familien mit Kindern, deren Eltern
Wohngeldempfänger sind - ich nenne sie einmal „Zuschlagskinder“ -, als Maßstab genommen. Wir haben
gesagt, dass man speziell bei dieser Gruppe ansetzen
muss.
Insofern stimme ich Ihrer Aussage nicht zu, dass die
Situation der Familien schlechter geworden ist. Alle
Zahlen belegen etwas anderes. Natürlich können wir dieses Thema immer wieder aufs Neue diskutieren; das ist
völlig klar. Dass das Elterngeld nun auf ALG-II-Leistungen angerechnet wird, ist systematisch und erschwert die
Bedingungen in keiner Weise. Ich finde, dass wir in den
letzten Jahren ein gewaltiges Stück vorangekommen
sind. Das wird uns auch von allen internationalen Studien bestätigt. All diejenigen, die schlichte Zusammenhänge zwischen Familienpolitik und irgendwelchen Ergebnissen herstellen, an denen man Familienpolitik nicht
messen kann, sind nun vielleicht etwas erstaunt. Sie,
Frau Kollegin, tun das natürlich nicht. Denn Sie kennen
sich gut aus.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Möglichkeit
von Frage, Gegenfrage und Erklären der Frage hier nicht
vorgesehen ist.
Wir kommen jetzt zur Frage 5 der Kollegin Crone:
Zu welchem Ergebnis - bitte detailliert darlegen - ist die
Prüfung der Bundesregierung bezüglich der Nichtberücksichtigung nachgezahlter Elterngeldbeträge wegen des Widerrufs
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
der Verlängerungsoption als Einkommen in der Grundsicherung gelangt ({0})?
Herr Staatssekretär, bitte.
Noch einmal zum Thema Elterngeld; hier hat es Veränderungen gegeben. Nach der bisherigen Regelung
blieb das Elterngeld, das im Rahmen der Verlängerungsoption bezogen wurde, bei der Berechnung von Grundsicherungsleistungen in Höhe von 150 Euro anrechnungsfrei. Dies hat sich nun mit den neuen Regelungen zur
Berücksichtigung des Elterngeldes bei Grundsicherungsleistungen geändert. Um sicherzustellen, dass auch Elterngeldbeträge aus Nachzahlungen infolge einer im Jahr
2010 widerrufenen Verlängerungsoption, die erst im Jahr
2011 zufließen, in Höhe von 150 Euro je Lebensmonat
anrechnungsfrei bleiben, hat die Bundesregierung geregelt, dass auch 2011 aus einer widerrufenen Verlängerungsoption zufließende Elterngeldbeträge in Höhe von
150 Euro je Lebensmonat anrechnungsfrei bleiben. Voraussetzung dafür ist, dass die Verlängerungsoption noch
bis zum 31. Dezember 2010 widerrufen worden ist und
die betreffenden Lebensmonate vor dem 1. Januar 2011
begonnen haben. Auf diese Art und Weise ist, glaube
ich, ein fairer Weg gefunden worden. Nach meiner Erinnerung habe ich das hier schon einmal vorgetragen. Die
betroffenen Berechtigten sind auch über die Möglichkeit
des Widerrufs informiert worden.
Haben Sie eine Nachfrage? - Nein, das ist nicht der
Fall.
Dann kommen wir direkt zur Frage 6 der Abgeordneten Crone:
Wie viele Widersprüche wurden von Elterngeldbezieherinnen und Elterngeldbeziehern, die Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch beziehen, eingereicht, die
von der Verlängerungsoption des Elterngeldes auf 24 Monate
Gebrauch gemacht haben, und haben alle diese Antragstellerinnen und Antragsteller inzwischen Bescheid erhalten ({0})?
In dieser Frage geht es darum, ob uns einzelne Daten
vorliegen. Da beim Eltergeld der Vollzug von den Ländern geleistet wird, verfügen wir über keine Daten hinsichtlich der bei den in den Ländern zuständigen Stellen
eingereichten Zahl der Widerrufe der Verlängerungsoption. Wir haben auch keine Daten zur Zahl der erteilten
Bescheide.
Da die Länder sich bei der Information über die Widerrufsmöglichkeit sehr konstruktiv gezeigt haben, gehe
ich davon aus, dass das zur Zufriedenheit geregelt worden ist. Wir haben keine Hinweise darauf, dass dies nicht
der Fall wäre.
Sie haben eine Nachfrage, Frau Crone.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär,
mich würde noch interessieren, wie hoch die Verwaltungskosten in diesem Fall sind. Sie konnten mir jetzt
zwar keine Zahlen nennen. Aber es hat doch sicherlich
hohe Verwaltungskosten gegeben.
Es hat sicherlich Verwaltungskosten gegeben. Mit jeder gesetzlichen Änderung, durch die sich Verfahren ändern, sind Verwaltungskosten verbunden. Diese Zahlen
liegen uns nicht vor. Ich nehme an, dass wir sie auch
nicht verfügbar haben.
Frau Marks, bitte.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben gerade
gesagt, dass die entsprechenden Erkenntnisse in den
Ländern vorliegen. Beabsichtigen Sie, die Daten in den
jeweiligen Bundesländern zu erheben und uns als Parlament entsprechend zu unterrichten, damit wir wissen, inwieweit die Information gegenüber den Eltern, die ja
grundsätzlich diesen Anspruch haben, erfolgreich war,
und wir nachvollziehen können, wie viele Eltern davon
letztlich wirklich Gebrauch gemacht haben?
Wir werden Sie sicherlich informieren können. Sie
müssen uns ein wenig Zeit lassen. Wir haben jetzt Mai
2011. Diese Regelung gibt es seit 1. Januar 2011. Die
Verlängerung im Einzelfall erfolgt sogar noch gegenwärtig. Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass die Länder
erst nach Abschluss dieses Verfahrens umfassend informieren können. Ich habe ja gesagt, dass der Beginn der
Anrechnungszeit der geförderten Monate theoretisch bis
Dezember 2010 hätte erfolgen können. Deswegen wird
man wahrscheinlich erst Ende dieses Jahres Näheres
dazu sagen können.
({0})
Dann kommen wir jetzt zur Frage 7 des Kollegen
Sönke Rix:
Trägt das Elterngeld nach Einschätzung der Bundesregierung zu einer besseren Gleichstellung von Frauen und Männern bei, und, wenn ja, müsste es dann nicht gerade auch im
Hinblick auf die Partnermonate weiterentwickelt werden?
Herr Kollege, ich würde Ihre beiden Fragen gern zusammen beantworten. Das wäre gut; denn beide Fragen
hängen eng miteinander zusammen.
Dann rufe ich auch die Frage 8 des Kollegen Rix auf:
Wie lässt sich die Ankündigung der Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder,
dass die Väterpolitik zukünftig einen höheren Stellenwert haben soll ({0}), mit der Ankündigung, dass eine Weiterentwicklung
des Elterngeldes aufgrund des Finanzierungsvorbehalts nicht
erfolgen soll, in Einklang bringen?
Wir sind der festen Überzeugung, dass das Elterngeld
Frauen und Männern die Rückkehr in den Beruf erleichtert und dass insofern auch ein Beitrag zur Entwicklung
einer familienfreundlichen Arbeits- und Unternehmenskultur geleistet wird. Das nehmen wir sogar gemeinsam
wahr, glaube ich.
Wir wissen auch, dass die Väterbeteiligung seit Einführung des Elterngeldes und der Partnermonate kontinuierlich gestiegen ist. Nach aktuellen Zahlen für das
dritte Quartal 2009 liegt die Väterbeteiligung bei
23,9 Prozent aller abgeschlossenen Elterngeldanträge.
Dabei gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern. In Berlin liegt die Väterbeteiligung bei
30,4 Prozent, in Sachsen bei 30,2 Prozent und in Bayern
bei ungefähr 30 Prozent.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die Väterbeteiligung den Müttern hilft und sie auch die Bindung zwischen Vater und Kind fördert. Einzelne uns vorliegende
Expertisen belegen das.
Wir sind auch der festen Überzeugung, dass sich dies
positiv auf die Unternehmenskultur auswirkt. Sie wissen, dass sich die Bundesministerin Kristina Schröder
die Themen Arbeitszeit, Zeitabläufe im Betrieb und familienfreundliche Arbeitszeiten vorgenommen hat. Insofern stehen, um das gleich dazuzusagen, die Partnermonate weiterhin auf der Agenda. Es ist nicht so, wie es
gelegentlich in einigen Medien zu lesen war, dass die
Pläne hierzu gestrichen werden sollen. Das, was wir uns
vorgenommen haben, beabsichtigen wir nach wie vor.
Wir müssen es aber in die Haushaltsentwicklungen einbinden.
An dieser Stelle gibt es auch einige positive Erkenntnisse. Meines Erachtens wäre es zum jetzigen Zeitpunkt
aber völlig falsch, dass für jeden einzelnen Sachbereich
daraus schon Konsequenzen gezogen werden. Das ist
auch nicht unsere Aufgabe.
Herr Rix, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön.
Vielen Dank. - Ich weiß, dass die Ministerin zumindest in den Medien angekündigt hat, die Regelungen zur
Arbeitszeit zu hinterfragen. Noch liegen keine Konzepte
vor. Gibt es hierzu vielleicht schon erste Eckpunkte?
Weil der Kollege Staatssekretär beide Fragen zusammen beantwortet hat, erlaube ich mir jetzt auch, noch
eine zweite Frage zu stellen. Es ist schön, zu hören, dass
die Pläne, die es zur Ausweitung der Vätermonate gab,
nicht gestrichen wurden. In welcher Form soll denn nun
eine Weiterentwicklung stattfinden?
Sie dürfen, soweit ich die Geschäftsordnung kenne,
sogar vier Zusatzfragen stellen, also nicht nur eine weitere, wenn die Präsidentin damit einverstanden ist.
Wie wir das im Einzelnen weiterentwickeln, kann ich
logischerweise jetzt nicht sagen. Ich sage nur ganz klar:
Wir haben das Vorhaben nicht gekippt, sondern es zurückstellen müssen. Wir werden weiter darüber reden.
Das Anliegen bleibt. Wie man es konkret ausgestaltet,
darüber wird man reden müssen. Es wird mit Sicherheit
nicht so kommen, wie es die Sozialministerin von, ich
glaube, Mecklenburg-Vorpommern vorgeschlagen hat.
Das wird nicht der Fall sein; denn das würde vor dem
Hintergrund der jetzigen Situation ganz konkret bedeuten - ich habe Ihnen ja gesagt, dass der Anteil der Partnermonate in den günstigsten Fällen bei 30 Prozent und
sonst bei 23,9 Prozent liegt -, dass es zu einer drastischen Reduzierung des Elterngeldes für einen ganz bestimmten Personenkreis kommt. Das kann man nicht
wollen. Es wird also Veränderungen geben. Wir müssen
klug überlegen, wie wir das handhaben, um wirklich einen Fortschritt zu erzielen. Das Ganze steht jedenfalls
nach wie vor auf der Agenda.
Haben Sie noch eine weitere Nachfrage? - Das ist
nicht der Fall.
Frau Marks, bitte.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben in Aussicht gestellt, dass es zu einer Weiterentwicklung des Elterngeldes in Bezug auf die Partnermonate kommen wird. Es
freut uns, wenn dieses Vorhaben nicht komplett auf Eis
gelegt wird, sondern durchaus noch im Kopf ist. Wie es
dann partnerschaftlich weiterentwickelt wird, darüber
werden wir sicherlich sowohl im Ausschuss als auch im
Plenum dieses Hohen Hauses noch entsprechend diskutieren.
Darüber können wir partnerschaftlich diskutieren.
Bezüglich der partnerschaftlichen Weiterentwicklung
des Elterngeldes und der Gleichbehandlung beim Elterngeld - das war gerade das Thema meines Kollegen Rix habe ich noch eine Nachfrage, und zwar, ob Sie es als
Vertreter der Bundesregierung unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten für erforderlich halten, dass der doppelte Anspruchsverbrauch bei Inanspruchnahme von Elterngeld und Teilzeit - das heißt, beide Eltern arbeiten
Teilzeit und beziehen zeitgleich Elterngeld - abgestellt
wird, und, wenn nein, warum nicht.
Sie wissen ja, dass es bislang, wenn beide Eltern Teilzeit arbeiten und Elterngeld beziehen, dazu kommt, dass
der Elterngeldanspruch für diese Eltern, die wirklich
partnerschaftlich leben, bereits nach sieben Monaten
aufgebraucht ist. Wir setzen uns dafür ein, dass dieser
sogenannte doppelte Anspruchsverbrauch abgeschafft
wird und die Eltern, die wirklich partnerschaftlich leben,
auch einen Anspruch von 14 Monaten erhalten. Mich
würde sehr interessieren, welche Absichten die Bundesregierung hinsichtlich einer solchen Weiterentwicklung
hat.
Frau Kollegin, ich kann mir viele Möglichkeiten vorstellen, wie das Elterngeld weiterentwickelt werden
kann. Es werden ja alle möglichen Varianten vorgeschlagen; darüber haben wir schon einmal diskutiert. Ich gehe
aber davon aus, dass die Partei, der Sie angehören, wenn
sie irgendwann und irgendwo wieder Regierungsverantwortung trägt, auch feststellen wird, dass die zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt sind. Wir sollten uns
also von dem Gedanken lösen, dass eine Weiterentwicklung ausschließlich mit mehr Geld möglich ist. Wenn
wir es hinbekommen, dass in Unternehmen die Einsicht
wächst - sie wird angesichts der demografischen Entwicklung und aufgrund vieler weiterer Faktoren wachsen -, dass Männer und Frauen einbezogen werden müssen, dann ist das viel wichtiger. Das hat nichts mit Geld
zu tun, sondern das ist eine Frage der Unternehmenskultur und der Mentalität. Wir sollten somit zu gegebener
Zeit in Ruhe darüber diskutieren, was wir darüber hinaus
strukturell ändern müssen.
Wir haben auch zugesagt - das müssen wir sowieso -,
dass wir alle familienpolitischen Leistungen immer wieder evaluieren werden und schauen, was wir besser machen können. Ich sage aber ausdrücklich: Es muss auch
Verlässlichkeit geben; man darf nicht pausenlos von einer Variante zur anderen springen. Verlässlichkeit ist
nämlich für die jungen Leute, die sich für Kinder entscheiden, wichtig. Sie müssen auf die Hilfe vonseiten
des Staates setzen können.
Ich stelle fest, dass Sie zufrieden sind.
({0})
Wir hatten schon geklärt, dass ein Dialog nicht möglich ist.
Ich rufe nun die Frage 9 der Kollegin Rupprecht auf:
Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass sie
mit der Anrechnung von Partnereinkommen ab einer bestimmten Höhe des Einkommens den Grundansatz des Elterngeldes als Lohnersatzleistung verlässt, und wie verträgt sich
dies mit der Gesetzesbegründung zum Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz, dass alle Eltern in den ersten 12 bzw.
14 Lebensmonaten des Kindes einen sogenannten Schonraum
ohne große Einkommenseinbußen haben sollen?
Es ist so, dass ein nach dem Bundeselterngeld- und
Elternzeitgesetz bestehender Anspruch entfällt, wenn die
berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum ein nach § 2 Einkommensteuergesetz zu
versteuerndes Einkommen in Höhe von mehr als
250 000 Euro hat bzw. zusammen veranlagte Eltern ein
Einkommen in Höhe von mehr als 500 000 Euro haben.
In diesen Fällen gehen wir davon aus, dass der Schonraum nach der Geburt auch ohne Elterngeld gewährleistet ist. Das hat nichts damit zu tun, dass das Elterngeld
im Prinzip - darüber haben wir in einem anderen Zusammenhang diskutiert - eine finanzielle Leistung ist, die
sich am Einkommen orientiert.
Frau Rupprecht, haben Sie eine Nachfrage dazu?
Ich möchte sie nach der Beantwortung meiner zweiten Frage stellen.
Gut. - Dann rufe ich auch die Frage 10 der Kollegin
Rupprecht auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass dieser sogenannte Schonraum gerade auch für junge Familien, die einkommensschwächer sind, sehr viel bedeutender ist als für einkommensstarke Familien ({0})?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Natürlich ist es so, dass dort, wo ein großes Einkommen vorhanden ist, über viele Dinge nicht gesprochen
werden muss und zumindest von der finanziellen Seite
her ein Schonraum nicht von so zentraler Bedeutung ist.
Einkommensstarke Familien werden es auch ohne finanzielle Nöte schaffen, sich der Betreuung ihrer Kinder zu
widmen, wenn sie das wollen.
Ich sage aber auch: In den Fällen, in denen - das haben Sie mit Ihrer Frage angesprochen - die sogenannte
Reichensteuerregelung greift, ist eine finanzielle Unterstützung der Eltern durch das Elterngeld nicht erforderlich und entfällt daher. Entsprechend haben wir hier ar12260
gumentiert. Diese Sparmaßnahmen beim Elterngeld
haben uns durchaus wehgetan, waren aber notwendig;
denn wir mussten unseren Beitrag zu den erforderlichen
Einsparungen leisten - ich habe eben schon eine Summe
genannt -, was wir auf diese Weise getan haben. Aber
damit ist für uns das Thema auch beendet. Wir werden
das weiter evaluieren, wie seinerzeit entschieden worden
ist. Damit haben wir einen Beitrag geleistet, und das
wird reichen.
Frau Rupprecht, bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie sagten bei der Beantwortung
der Frage von Herrn Wunderlich, dass derjenige Elterngeld bekommen soll, der seine Kinder erzieht; die anderen sollen kein Elterngeld bekommen. Da ALG-II-Empfänger und -Empfängerinnen und Sozialhilfeberechtigte
kein Elterngeld mehr bekommen, frage ich Sie: Erziehen
die ihre Kinder nicht?
Das Zweite. Das Verfassungsgericht hat einmal
- zwar in einem anderen Zusammenhang, aber es gilt
grundsätzlich - festgestellt, dass das Sozialrecht nicht
als Strafinstrument dienen soll. Wenn wir nun - so habe
ich Ihre Äußerung zumindest verstanden - Menschen,
die nicht erwerbstätig sind, sanktionieren wollen, indem
wir ihnen kein Elterngeld mehr geben, dann benutzen
wir das Sozialrecht als Strafinstrument. Das widerspricht
dem Gleichheitsgrundsatz, nach dem Menschen in gleicher Situation gleich zu behandeln sind und niemand benachteiligt werden darf. Wie begründen Sie also - meiner Ansicht nach ist das verfassungsrechtlich nicht zu
begründen, aber das würde ich gerne von Ihnen hören -,
dass wir die Leistung gerade bei denen auf das Einkommen anrechnen, die ALG II oder Sozialhilfe empfangen?
Warum machen wir da so gravierende Unterschiede?
Steckt dahinter die vom Verfassungsgericht nicht erlaubte Strafabsicht?
Frau Kollegin, ich stimme Ihnen zunächst einmal ausdrücklich darin zu, dass das Sozialrecht nicht für Strafaktionen genutzt werden darf. Davon halten ich und
auch die Bundesregierung überhaupt nichts. Das ist in
der Regel auch nicht zu Ende überlegt. Das Sozialrecht
enthält Regelungen für diejenigen, die sich allein nicht
helfen können. Das ist der entscheidende Punkt. Es ist,
glaube ich, durchaus konsequent, wenn der Staat sagt:
Jeder, der sich in einem gewissen Umfang selbst helfen
kann und nicht auf die Gemeinschaft angewiesen ist, der
soll das, soweit es eben geht, auch tun. Darin liegt die
Anrechnung begründet. Sie soll vermeiden, dass jemand,
der vom Staat volle Unterstützung bekommt, das Elterngeld zusätzlich bekommt. Das ist für mich auch eine Gerechtigkeitsfrage: Es ist gerecht gegenüber denjenigen,
die sich ihr Einkommen mit viel Mühe so eben erwirtschaften und aus dem Bezug von Grundsicherungsleistungen herauskommen, was im unteren Einkommensbereich nicht ganz einfach ist, wenn man zwei oder drei
Kinder hat. Das ist die Frage, die Sie auch beantworten
müssen: Ist es gerecht? Sie müssen auf dieser Ebene miteinander vergleichen.
Ich glaube, dass das Sozialrecht kein Strafrecht sein
sollte, aber auch, dass es völlig in Ordnung ist, wenn der
Staat die Bedingungen nennt; er kann da sicherlich abwägen. Ich habe eben darauf hingewiesen - Sie haben
die Zahlen mit Sicherheit gelegentlich schon gehört -,
wozu die ständige Absenkung des Erziehungsgeldes geführt hat: Sie hat dazu geführt, dass das Erziehungsgeld
im Wesentlichen denjenigen gezahlt worden ist, die aufgrund eines Sozialhilfeanspruchs das, was sie für ihre
Familie brauchten, ohnehin abgegolten bekamen. Das
war vom Ansatz her falsch. Dazu habe ich eben gesagt:
Familienpolitik ist etwas anderes als Sozialpolitik; sie ist
mehr als Sozialpolitik.
Frau Rupprecht, haben Sie eine weitere Frage?
Ja.
Bitte.
Es ist eine politische Entscheidung, zu sagen, dass Familienpolitik über das Sozialrecht hinausgeht. Dann
muss man aber in der Familienpolitik ohne Ansehen des
Einkommens handeln: Auch wenn jemand das minimalste Einkommen hat, nämlich die Existenzsicherung
durch Grundsicherung, darf man den Wegfall des Elterngeldes nicht in Betracht ziehen, sonst verletzt man den
Gleichheitsgrundsatz. Deshalb die Frage: Warum behandeln Sie Eltern, die ein minimales Einkommen aus der
Grundsicherung haben - es muss die Existenz sichern -,
und Eltern, die ein durch Erwerbsarbeit erwirtschaftetes
Einkommen haben, so unterschiedlich? Dahinter steckt
doch der Gedanke: Derjenige, der nicht erwerbstätig ist,
ist selbst schuld.
Nein.
Anders kann ich es nicht werten. Denn beide Kinder,
das Kind der Eltern mit einem Einkommen aus Erwerbsarbeit und das Kind der Eltern mit einem Einkommen
aus der Grundsicherung, haben das Recht, unter ähnlichen oder gleichen Bedingungen aufzuwachsen. Ich
finde, dass da der Gleichheitsgrundsatz verletzt wird.
Ich habe eben schon versucht, das zu erläutern. Ich
sage ausdrücklich: Wenn jemand in jungen Jahren - mit
18 oder 19 Jahren - ein Kind bekommt, dann hat er in
der Regel ein geringes Einkommen. In diesem Fall sagt
man: Er soll sich zumindest 12 Monate - zusammen mit
dem Partner 14 Monate - um sein Kind kümmern können. Das ist so etwas wie ein Schonraum. Das ist etwas
ganz anderes, als wenn der Staat jemandem sagt: Du
wirst so versorgt, dass du mit deinem Kind leben kannst.
In diesem Fall kann er sich um sein Kind kümmern und
muss nicht erwerbstätig sein. Das ist der Punkt.
Im Übrigen wissen Sie, dass ich Ihr Engagement
schätze. Deswegen sage ich ausdrücklich: Ich glaube,
bei einer 18- oder 19-jährigen jungen Frau, die ein Kind
bekommt, ist es viel wichtiger, dass wir uns darum kümmern, dass sie ihre Ausbildung abschließen und ihren
Lebensunterhalt irgendwann selbst erwirtschaften kann.
Da ist es nicht entscheidend, wie viel Geld man draufpackt.
Für mich geht es darum, Chancen zu eröffnen; das
muss Familienpolitik leisten. Familienpolitik darf sich
nicht darauf beschränken, möglichst viel Geld an unterschiedliche Leute auszugeben und darüber unter Gleichheitsgesichtspunkten zu diskutieren. Wenn man darüber
unter Gleichheits- und Gerechtigkeitsgesichtspunkten
diskutiert, dann muss man denjenigen, der darauf angewiesen ist, alles vom Staat zu bekommen, mit demjenigen vergleichen, der den Lebensunterhalt für seine Familie so eben erwirtschaftet. Das ist Gerechtigkeit.
Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Hier steht die Parlamentarische Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz zur Verfügung.
Zunächst rufe ich die Frage 11 des Abgeordneten
Edgar Franke auf:
Wie steht die Bundesregierung zu den in der Presse geäußerten Befürchtungen von Arbeitgebern, Gewerkschaften und
Krankenkassen, Gesundheitsminister Rösler könne sein Versprechen nicht halten, den Sozialausgleich unbürokratisch zu
gestalten?
Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege
Dr. Franke, die Bundesregierung kann die angesprochenen Befürchtungen nicht nachvollziehen. Mit dem neuen
Verfahren wird ein Sozialausgleich im Bereich der GKV
etabliert, der zeitnah, antragslos für die Versicherten und
in den weit überwiegenden Fällen automatisch erfolgen
wird.
Herr Franke, Sie haben eine Nachfrage?
Ich habe eine Nachfrage, Frau Präsidentin. - Frau
Staatssekretärin, bei den Fällen, in denen Arbeitnehmer
mehrere Einnahmequellen haben - wenn sie nicht nur
Lohn beziehen, sondern auch eine Rente erhalten oder
vielleicht Einnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit
erzielen; das ist bei 10, 15 oder sogar 20 Prozent der
Fall -, sagen alle Experten, dass es äußerst problematisch ist, eine Berechnung im Hinblick auf den Sozialausgleich durchzuführen, vor allem dann, wenn ein Arbeitnehmer mehr Zusatzbeiträge zahlen muss, als sein
Einkommen es vorgibt. Das ist dann der Fall, wenn der
Zusatzbeitrag mehr als 2 Prozent des Einkommens beträgt. Das ist sehr kompliziert. Es scheint auch erhebliche Kosten zu verursachen, jedenfalls aus unserer Sicht.
Herr Kollege, auch bei denjenigen, die nicht nur eine
Einkommensquelle haben, ist das Verfahren einfach und
transparent. Bezieht zum Beispiel ein Mitglied Einkünfte aus mehreren beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen, so prüft die Krankenkasse die Anspruchsberechtigung auf einen Sozialausgleich und informiert
den jeweiligen Träger über das anzuwendende Verfahren
zur Beitragsbemessung. Der Sozialausgleich wird dann
von dem Träger ausgeführt, bei dem das Mitglied sein
Haupteinkommen bezieht. Die weitere beitragsabführende Stelle hat die dortigen beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 10,2 Prozent des Einkommens zu verbeitragen. Durch dieses Verfahren wird sichergestellt,
dass auch bei schwankenden Einkommensquellen der
Sozialausgleich in korrekter Höhe gewährt wird.
Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass die Zahl der
Menschen, die von dem Beitragseinzugsverfahren betroffen ist, nicht so hoch ist, wie in der Presse veröffentlicht. Wir gehen von etwa 5 Millionen Mitgliedern aus
und schätzen deshalb die Zahl der durchgeführten Verfahren deutlich geringer ein. Zudem führt der Bezug
mehrerer beitragspflichtiger Einnahmen in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht zu einem hohen administrativen Aufwand für die Beteiligten, weil es sich häufig
um kontinuierliche und relativ konstante zweite Einkommen handelt.
Herr Franke, Sie haben eine zweite Nachfrage? - Das
ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 12 des Kollegen Franke auf:
Welche Bürokratiekosten für den Sozialausgleich sind der
Bundesregierung bekannt, und bei welchen zusätzlichen Verwaltungsaufgaben sind die Kosten derzeit nicht bekannt und
warum?
Herr Kollege Franke, den Arbeitgebern entstehen aufgrund der Durchführung des Sozialausgleichs für den
Zusatzbeitrag der Versicherten zur gesetzlichen Krankenversicherung und den hieraus resultierenden neuen
Meldepflichten gewisse Mehrbelastungen. Das wird von
uns nicht bestritten. Die Mehrkosten, die sich aufgrund
regelmäßiger Datenmeldungen an die Krankenkassen ergeben, belaufen sich nach den Berechnungen der Bundesregierung auf circa 3 Millionen Euro jährlich. Die
einmaligen Umstellungskosten im Rahmen der Softwareanpassung können nicht gesondert beziffert werden.
Für die eigentliche Durchführung des Sozialausgleichs
seitens der Arbeitgeber werden in den nächsten Jahren
aufgrund der Umsetzung des Sozialausgleichs im Rahmen EDV-gestützter Abrechnungen allenfalls geringe
Kosten anfallen.
Haben Sie noch eine Nachfrage? - Das ist nicht der
Fall.
Dann rufe ich die Frage 13 des Kollegen Dr. Lauterbach
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Befürchtungen von
Arbeitgebern, Gewerkschaften und Krankenkassen, zweistellige Millionenbeträge in ein Verfahren zu investieren, das
vielleicht nie gebraucht werde, wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kosten für die Einführung dieses Verfahrens,
und hält sie diese trotzdem für vertretbar?
Herr Kollege Dr. Lauterbach, die Bundesregierung
hält einen Sozialausgleich für die gesetzlich Krankenversicherten, die durch die Zahlung des Zusatzbeitrages
überfordert wären, aus Gerechtigkeitsgründen für unverzichtbar. Sie hält deshalb die durch die Einführung des
für die Versicherten verlässlichen und grundsätzlich antragslosen Verfahrens entstehenden und nicht näher bezifferbaren Kosten für vertretbar.
Herr Lauterbach? - Sie haben keine Nachfrage.
Dann rufe ich die Frage 14 des Kollegen Lauterbach
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung der
BDA nach Vereinfachungen an dem als zu bürokratisch kritisierten Sozialausgleich, plant die Bundesregierung, Änderungen an diesem als bürokratisch kritisierten Verfahren des Sozialausgleichs vorzunehmen, und, wenn ja, welche, und in
welchem Gesetz sollen diese umgesetzt werden, damit sie
noch rechtzeitig vor dem Start des Sozialausgleichs wirksam
werden können?
Bitte.
Herr Kollege Dr. Lauterbach, für die Bundesregierung ist kein Verfahren erkennbar, dass das Ziel eines
GKV-weiten Sozialausgleichs ohne Antragsverfahren
für die Versicherten mit geringerem Aufwand erreichen
könnte.
Haben Sie eine Nachfrage? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 15 der Abgeordneten Bas auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Gesundheit, Daniel Bahr, der in einem Interview für die Januarausgabe 2011 des Magazins Lohn + Gehalt ausgeführt hat,
dass in den Expertenanhörungen die einfache Umsetzung des
Sozialausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung bestätigt worden sei, und wie steht die Bundesregierung zu den
Äußerungen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA, die in der Märzausgabe desselben Magazins ausgeführt hat: „Dies ist nicht zutreffend. Sowohl die
BDA als auch die Deutsche Rentenversicherung hatten sich
sehr kritisch zum vorgesehenen Sozialausgleichsverfahren geäußert“?
Frau Kollegin Bas, die Bundesregierung sieht sich
durch die fortschreitenden Vorarbeiten zur Einführung
des Sozialausgleichs durch die Spitzenorganisationen
der Sozialversicherung darin bestätigt, dass die Umsetzung handhabbar ist. Sie sieht keine Alternative, mit geringerem Aufwand das gleiche Ziel zu erreichen, nämlich einen GKV-weiten, für die Versicherten automatisch
funktionierenden Sozialausgleich zu schaffen.
Eine Nachfrage, Frau Bas? - Bitte schön.
Vielen Dank. - Ihre Antwort überrascht mich etwas.
Die Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss, an der
ich teilgenommen habe, fand am 25. Oktober 2010 statt.
Da haben Organisationen wie Bundesagentur für Arbeit,
Deutsche Rentenversicherung, Zentralverband des Deutschen Handwerks und der BDA sehr deutlich mitgeteilt,
welcher bürokratische Aufwand und welche Zusatzkosten durch den Sozialausgleich auf uns zukommen.
Deshalb frage ich einfach einmal: Ignoriert Staatssekretär Bahr diese Organisationen, oder erkennt er sie als
Experten nicht an?
Frau Kollegin Bas, wir haben im Rahmen der Anhörungen im Vorfeld der Erarbeitung des Gesetzentwurfes
sehr ausführlich mit allen Beteiligten gesprochen. Wie
ich Ihnen aber gerade mitgeteilt habe und wie das auch
der Normenkontrollrat festgestellt hat, ist unter Maßgabe
der Erreichung der gleichen Ziele von niemandem ein
anderes, unbürokratischeres Verfahren vorgeschlagen
worden.
Ich will folgenden Bezug herstellen: Stellen Sie sich
einmal vor, der Sozialausgleich würde - wie von vielen
gefordert - durch die Krankenkassen durchgeführt. Das
würde bedeuten, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung für alle Mitglieder ein verwaltungsintensives
Antragsverfahren bei den Krankenkassen eingerichtet
werden müsste. Die Antragsteller würden zu Bittstellern
degradiert. Die Krankenkassen mit einkommensschwachen Mitgliedern würden wieder Wettbewerbsnachteile
erleiden.
Ein gangbarer Vorschlag zur Einführung eines GKVweiten Sozialausgleichs liegt von niemandem vor. Deshalb ist es für uns richtig, dass wir diesen Weg weiter gehen. Die beteiligten Verantwortlichen in der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen begleiten diesen Weg
sehr konstruktiv.
Haben Sie noch eine Nachfrage? - Das ist nicht der
Fall.
Dann würde ich gerne die Fragen 20 und 21 vorziehen, weil die sich auch um diesen Themenbereich drehen.
Ich rufe zunächst die Frage 20 der Kollegin Volkmer
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die anhaltende Kritik
an den Regelungen des Sozialausgleichs durch den Nationalen Normenkontrollrat, die sich besonders auf die „erheblichen bürokratischen Belastungen der Arbeitgeber, der Rentenversicherungsträger und der Krankenkassen“ beziehen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Frau Kollegin Dr. Volkmer, Ziel des Sozialausgleichs
in der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dass kein
Mitglied durch die Zahlung des Zusatzbeitrags überfordert wird. Darüber hinaus soll der Sozialausgleich für
das Mitglied automatisch und damit ohne Antrag erfolgen. Diese Ziele werden mit dem vorliegenden Verfahren erreicht. Der Normenkontrollrat hat in seiner Stellungnahme zur Finanzierungsreform deutlich gemacht,
dass er kein Verfahren erkennen könne, das das gefasste
Ziel, nämlich den GKV-weiten Sozialausgleich ohne
Antragsverfahren, mit geringerem Aufwand umsetzen
könnte. Eine andere Stellungnahme des Normenkontrollrats liegt hierzu nicht vor.
Eine Nachfrage? - Frau Volkmer, bitte.
Wenn der Normenkontrollrat zu der Auffassung
kommt, es gebe beim automatischen Sozialausgleich
- der aber notwendig ist bei Erhebung des Zusatzbeitrags - kein unbürokratisches Verfahren, liegt dann nicht
der Schluss nahe, auf den Zusatzbeitrag zu verzichten
und wieder zu einer anderen, gangbaren Regelung zu
kommen?
Frau Kollegin Dr. Volkmer, diese Alternative scheidet
für die Bundesregierung aus, weil wir mit der neuen
Finanzierungsform der gesetzlichen Krankenversicherung verschiedene Ziele verfolgen: vor allen Dingen die
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Krankenkassen sowie mehr Transparenz - insbesondere für die Versicherten - hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der
Leistungen ihrer Krankenversicherungen und der Krankenversicherungsangebote. Wir wollen dies in einer solidarischen und sozial ausgewogenen Art und Weise
durchführen. Ich habe die Ziele, die wir mit dem Gesetz
erreichen wollen, bereits mehrfach genannt. Sie sind uns
diesen geringfügigen Aufwand wert.
Im Übrigen kann ich nur darauf verweisen, dass
gerade die etwas mehr belasteten Arbeitgeber durch die
Finanzierungsreform perspektivisch auf der anderen
Seite eine Entlastung erfahren, sodass sich hier Aufwand
und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis befinden.
Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Volkmer auf:
Wie wird die Kritik des Nationalen Normenkontrollrates
durch die Bundesregierung gewürdigt, und mit welchen Maßnahmen reagiert die Bundesregierung auf die Kritik?
Frau Kollegin Volkmer, der Normenkontrollrat hat in
seiner Stellungnahme zur Finanzierungsreform deutlich
gemacht, dass er kein Verfahren erkennen könne, das das
gefasste Ziel, den GKV-weiten Sozialausgleich ohne
Antragsverfahren, mit geringerem Aufwand umsetzen
könnte. Das Bundesministerium für Gesundheit hat die
Fragen des Normenkontrollrats zum mit dem Sozialausgleich verbundenen Bürokratieaufwand umfassend beantwortet. Die Bundesregierung wird die Umsetzung
weiterhin konstruktiv begleiten.
Haben Sie noch eine Nachfrage, Frau Volkmer? - Das
ist nicht der Fall. Dann gehe ich jetzt in der Reihenfolge
wieder zurück.
Die Fragen 16 und 17 der Abgeordneten Kramme
werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Uwe Kekeritz auf:
Welche über den taz.de-Artikel ({0}) hinausgehenden Informationen liegen der Bundesregierung über
das am 4. Mai 2011 durchgeführte Gespräch zwischen der
Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, WHO,
Dr. Margaret Chan, und der Initiative für eine unabhängige
WHO vor, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung
aus den ihr bekannten Gesprächsinhalten - insbesondere der
Revidierung der Todesfallzahlen infolge der Tschernobyl-Katastrophe durch die Generaldirektorin - für ihre Arbeit im
Exekutivrat der WHO bzw. bei der anstehenden Weltgesundheitsversammlung?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Herr Kollege Kekeritz, die Bundesregierung hat an
dem Gespräch der WHO-Generaldirektorin Dr. Chan mit
der Initiative für eine unabhängige WHO am 4. Mai dieses Jahres nicht teilgenommen und verfügt neben der
öffentlich zugänglichen Pressemitteilung der WHO zu
dem Gespräch über keinerlei weiter gehende Informationen.
Die Angaben zur Anzahl der Opfer der Katastrophe
von Tschernobyl sind durchaus sehr unterschiedlich. Sie
hängen unter anderem davon ab, ob die Liquidatoren,
evakuierte Personen, die am meisten betroffenen Länder,
Ukraine und Weißrussland, oder die ehemalige Sowjetunion oder Europa betrachtet werden. Viele Angaben beruhen auf Schätzungen, die auf Annahmen und Einschätzungen von Experten und oft nicht belegbaren Daten
über verstrahlte Bevölkerungsgruppen beruhen. Aktuelle
Zahlen wurden kürzlich vom Wissenschaftlichen Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der
Auswirkungen der atomaren Strahlung, UNSCEAR,
United Nations Scientific Committee on the Effects of
Atomic Radiation, veröffentlicht.
Herr Kekeritz, eine Nachfrage? - Bitte schön.
Herzlichen Dank. - Auch ich war bei diesem Gespräch nicht dabei, aber ich lese natürlich Zeitung. Ich
fand diese Nachricht hochinteressant, zumal ich vorher
an die Bundesregierung die Frage gestellt habe, inwieweit sie in dem Vertrag zwischen WHO und IAEO eine
Einschränkung der Unabhängigkeit der WHO sieht. Ihre
Antwort war etwas verblüffend. Sie sagten: Es ist sichergestellt, dass die WHO nicht eingeschränkt ist. Ich frage
mich natürlich schon, wie Sie zu einem solchen Ergebnis
kommen.
Wenn wir uns die Verträge zwischen IAEO und WHO
anschauen, stellen wir fest, dass dort definitiv steht, dass
sämtliche Veröffentlichungen der WHO nach Absprache
zwischen IAEO und WHO erfolgen sollen. Ich bin zu
wenig juristisch bewandert, um den Begriff „sollen“
nach internationalem Recht zu interpretieren. Wenn die
deutsche Interpretation aber nur halbwegs zulässig ist,
dann ist der Begriff „sollen“ klar, dann heißt das, es
muss eine Absprache zwischen WHO und IAEO stattfinden. Damit ist natürlich die Unabhängigkeit der WHO
nicht mehr gegeben.
Dass die Unabhängigkeit nicht mehr gegeben ist, hat
auch Herr Nakajima - seinerzeit Generalsekretär der
WHO - im Jahr 2001 definitiv bestätigt. Zur Tschernobyl-Katastrophe wurden über 700 Studien erstellt. Davon hat die WHO zwölf veröffentlicht. Auf Nachfrage,
warum denn nur zwölf veröffentlicht worden sind, hat
Herr Nakajima im Jahr 2001 definitiv bestätigt: Das ist
auf Druck der IAEO geschehen.
Wie kommt die Bundesregierung dazu, zu behaupten,
dass die WHO von der IAEO unabhängig ist?
Herr Kollege Kekeritz, zunächst einmal: Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass die Weltgesundheitsorganisation nicht für die Veröffentlichung von
Messwerten anderer Organisationen zuständig ist.
Was die Zusammenarbeit mit der IAEA betrifft, will
ich einfach noch einmal deutlich machen, dass Sie hier
immer wieder suggerieren, es seien vertragliche Grundlagen geschaffen worden, die die Unabhängigkeit der
Weltgesundheitsorganisation beeinträchtigen. Das ist
aber nicht der Fall. Wir haben hier keine vertraglichen
Grundlagen, die die Unabhängigkeit beeinträchtigen.
Für diese Annahme besteht kein Grund.
Die Forderung spielt auf das Abkommen zwischen
der WHO und der Internationalen Atomenergie-Organisation vom Mai 1959 an. Bei dem Abkommen zwischen
der WHO und der Internationalen Atomenergiebehörde
vom Mai 1959 handelt es sich um ein Standardabkommen, wie es zwischen Institutionen der Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen üblich
ist. Entsprechend der gängigen Praxis der Institutionen
der Vereinten Nationen hat die WHO Verträge mit fast
identischem Wortlaut in den Jahren 1958 und 1959 mit
verschiedenen anderen internationalen Organisationen
geschlossen. Diese Vereinbarungen dienen dem allgemeinen Zweck, die Arbeitsfelder der betroffenen internationalen Organisationen aufeinander abzustimmen.
Der Verweis in dieser Vereinbarung vom Mai 1959 auf
Art. 1 Abs. 1 der Satzung der WHO verdeutlicht, dass
das Abkommen nicht das Ziel hat, die unabhängige, an
objektiven Kriterien orientierte Arbeit der WHO zu beeinträchtigen oder auszuschließen. Vielmehr dient die
Vereinbarung der Förderung der Zusammenarbeit und
der Konsultation zwischen WHO und IAEA.
Lassen Sie mich bitte ergänzen, dass die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der WHO in diesem Zusammenhang nach wie vor gewährleistet sind. Das hat
die WHO im Übrigen bereits im Jahr 2001 in einer Stellungnahme umfassend bestätigt. Gegenüber der Bundesregierung hat die WHO die aktuell vorgebrachten Befürchtungen einer Beschränkung ihrer Tätigkeit durch
das Abkommen als unbegründet bezeichnet. Deshalb sehen wir die Befürchtungen, die Sie in diesem Kontext
haben, nicht. Sie wissen, dass in der nächsten Woche die
Weltgesundheitsversammlung stattfindet. Über das Thema
wird dort sicherlich diskutiert werden. Wir werden diesen Diskussionsprozess aufmerksam verfolgen. Wenn
wir zu der Erkenntnis kommen, dass Handlungsbedarf
besteht, dann werden wir hier ausführlich darüber beraten.
Sie haben noch eine zweite Nachfrage, Herr
Kekeritz? - Bitte.
Das ist eine merkwürdige Kombination, die mich etwas durcheinanderbringt. Zum einen sagen Sie, vielleicht werde das nächste Woche in Genf besprochen,
zum anderen sagen Sie, es gebe keine Einschränkung der
Unabhängigkeit. Ich sehe da einen Widerspruch.
Wenn ich jetzt noch einmal auf diesen Dialog der Generaldirektorin Chan mit den Demonstranten, die seit
vier Jahren vor der WHO regelmäßig für die Unabhängigkeit der WHO demonstrieren, eingehe und die Aussage von Frau Chan betrachte, dann muss ich feststellen,
dass sie ganz klar sagt, dass noch sehr viel getan werden
muss, um eine wirkliche Unabhängigkeit zu erreichen.
Meine Frage an Sie lautet: Wieso steht im Vertrag,
dass die WHO, wenn sie doch unabhängig ist, Veröffentlichungen nur in Absprache mit der IAEO vornehmen
kann? Was soll eine solche Absprache erreichen? Gerade
in Bezug auf die Veröffentlichungen der WHO zu
Tschernobyl und Harrisburg ist das mehr als bedenklich.
Herr Kollege Kekeritz, zunächst einmal zu Ihrer ersten Bemerkung. Wir haben transparente Verfahren und
möchten der Diskussion auf der Weltgesundheitsversammlung nicht vorgreifen und die Beiträge der Teilnehmer nicht beeinflussen.
Lassen Sie mich zum eigentlichen Inhalt der Frage
noch einmal Stellung nehmen. Es ist in internationalen
Organisationen relevant, dass es eine Arbeitsteilung gibt
und jeder das verlautbart, wofür er federführend zuständig ist. Darüber hinaus gibt es Verträge, die die Zusammenarbeit und damit den Informationsaustausch gewährleisten. In diesem Falle ist das der Vertrag, den ich
angesprochen habe. Aus diesem Vertrag lassen sich Ihre
Befürchtungen nicht ableiten. Das möchte ich hier noch
einmal deutlich zur Kenntnis geben.
Wie gesagt: Die Diskussionen, die über die Presseberichterstattung und die uns zugänglichen Informationen stattfinden werden, werden wir mit Aufmerksamkeit
verfolgen. Uns liegt ja daran, dass die WHO ihre Unabhängigkeit weiter praktizieren kann. Sollte es aus unserer Sicht strukturelle und substanzielle Belege dafür
geben, dass ihre Unabhängigkeit gefährdet ist, dann
wäre das für uns ein gravierendes Problem, über das diskutiert werden muss. Solch ein Problem erkennen wir
aber derzeit nicht.
Herr Kollege Ott, bitte.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, ich
bin Völkerrechtler und kann Ihnen sagen, dass diese Vereinbarung - ich habe sie mir angeschaut - deutlich macht,
dass die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen
und die Durchführung von Maßnahmen der WHO nur im
Einvernehmen mit der Internationalen Atomenergiebehörde möglich sind. Alle sachkundigen Beobachter sagen
das. Wie gesagt: Seit vier Jahren sind Demonstranten Tag
für Tag vor der Weltgesundheitsorganisation, um darauf
aufmerksam zu machen. Das Problem ist jetzt durch eine
Anhörung, die wir im Umweltausschuss zum Atomausstieg durchgeführt haben, erneut deutlich geworden. Dort
hat die Generalsekretärin der Internationalen Ärzte für
die Verhütung des Atomkrieges das als eines der größten
Hemmnisse bei der sachgerechten, sinnvollen Berichterstattung über die Gefahren der Atomenergie dargestellt,
das es auf internationaler Ebene gibt.
Ich frage Sie - vielleicht lösen Sie sich von Ihrem
vorgegebenen Text - noch einmal: Ist es nicht doch
denkbar, dass die Bundesregierung das auf der nächsten
Weltgesundheitsversammlung tatsächlich zum Thema
macht und darauf drängt, diesen Vertrag zu lösen? Das
ist ein Knebelvertrag.
Herr Kollege, ich kann mich an der Stelle nur wiederholen. Sie scheinen Erkenntnisse zu haben, die die Bundesregierung nicht hat. Nach den uns vorliegenden Texten handelt es sich um ein Abkommen, das es in dieser
Form häufig gibt und das in keiner Weise die Unabhängigkeit einschränkt. Auch sind uns entsprechende Vorschriften nicht ersichtlich, die einen solchen Verdacht
bestätigen. Wir haben uns mit der Weltgesundheitsorganisation in Verbindung gesetzt. Uns gegenüber wurde
auch von ihr die Unabhängigkeit an dieser Stelle bestätigt. Von daher wäre ich dankbar, wenn Sie uns die entsprechenden Regelungen und vertraglichen Bestandteile
sowie Ihre Einschätzung bzw. Interpretation zukommen
ließen. Sie lassen hier in Bezug auf die international üblichen Verträge eine deutlich andere Sichtweise erkennen. Aus unserer Sicht besteht die Abhängigkeit nicht;
aber wir sind offen und gesprächsbereit und werden auch
Ihre Einschätzungen an der Stelle konkret prüfen.
({0})
Jetzt die Kollegin Volkmer bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin gesagt, dass
es durchaus üblich ist, dass es eine Arbeitsteilung zwischen den internationalen Gremien gibt. Das ist irgendwie auch logisch. Die Internationale Atomenergie-Organisation ist für bestimmte, die Atomenergie betreffende
Fragen zuständig. Für Gesundheitsfragen im Zusammenhang mit Atomkraft ist aber doch wohl die WHO zuständig. Von daher erschließt es sich mir nicht, warum es
hier Absprachen zwischen der WHO und der Internationalen Atomenergie-Organisation geben muss. Wie beurteilen Sie das denn?
Frau Kollegin Volkmer, noch einmal: Aus dem Vertrag geht in keiner Weise hervor, dass sich die WHO in
irgendwelchen Arbeitsfeldern einer anderen Organisation unterwerfen muss. Das wird ja hier suggeriert und
vorgeworfen. Es ist hier aber doch sinnvoll - so, wie
man sich auch in der Bundesregierung zwischen den unterschiedlichen Ressorts, wo es ebenfalls unterschiedliche Zuständigkeiten sowie überlappende und Querschnittsaufgaben gibt, abstimmt -, zu koordinieren. Eine
Unterwerfung ist hier aber nicht vertraglich vereinbart.
Die findet sich aus unserer Sicht in den entsprechenden
vertraglichen Grundlagen nicht. Deshalb sind an dieser
Stelle die vorgeschriebene Unabhängigkeit und Unpar12266
teilichkeit aus unserer Sicht nicht gefährdet. Daher handelt es sich um ganz normale Koordinierungs- und
Abstimmungsverfahren, die in internationalen Organisationen üblich sind, aber, wie gesagt, nicht um Unterwerfung. Das heißt natürlich auch, dass die WHO in ihren
Einschätzungen frei ist und frei bleibt.
Dann kommen wir jetzt zur Frage 19 des Kollegen
Kekeritz:
In welcher Form beabsichtigt die Bundesregierung darauf
hinzuwirken, dass die WHO künftig wieder über eigene Kompetenzen verfügt, die Auswirkungen ionisierender Strahlung
auf die menschliche Gesundheit zu untersuchen, vor dem Hintergrund, dass die Generaldirektorin im oben genannten Artikel einräumt, dass die WHO hier über fast keine eigenen
Kompetenzen mehr verfügt und sich mithin unhinterfragt auf
die ihr zugelieferten Informationen von der Internationalen
Atomenergie-Organisation verlassen muss, und wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass die WHO wenigstens
die ihr durch die CTBTO ({0}) bekannten Messwerte aus Japan auch veröffentlicht und nicht weiter unter
Verschluss hält, um so unabhängigen Wissenschaftlern weltweit eine Bewertung zu ermöglichen?
Herr Kollege Kekeritz, auf unmittelbare Nachfrage
bestätigte die WHO gegenüber der Bundesregierung,
dass sich am Hauptsitz der WHO in Genf zwei Mitarbeiter ausschließlich mit den gesundheitlichen Folgen ionisierender Strahlung auseinandersetzen. Die WHO greift
darüber hinaus auf ein weltweites Netzwerk von mehr
als 40 Kollaborationszentren zurück, die die WHO bei
der wissenschaftlichen Auswertung und Analyse unterstützen. Aus Sicht der Bundesregierung ist die WHO
nicht für die Veröffentlichung von Messwerten zuständig, die die Organisation des Vertrages über ein umfassendes Verbot von Nuklearversuchen, CTBTO, erhoben
hat. Auf der Internetseite der CTBTO nimmt diese auch
selber öffentlich zu den in Japan erhobenen Messdaten
Stellung. Die Bundesregierung hat für Deutschland die
Ergebnisse der Spurenmessstellen im Internet verfügbar
gemacht. Auf der Homepage des Bundesamtes für Strahlenschutz sowie auf der Homepage der Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe sind sie einzusehen.
Herr Kekeritz, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte
schön.
Danke schön. - Ich habe eine Nachfrage. Sie kennen
ja den Hintergrund dieser gesamten Fragestellung. Es
geht um Fukushima und um die Messergebnisse, die
Tepco, der Betreiber, erstellt und veröffentlicht hat. Sie
sind dann auch von der japanischen Regierung veröffentlicht worden und haben sich hinterher als falsch herausgestellt.
Wenn die Informationen, die mir vorliegen, korrekt
sind, wurden diese Daten auch an die IAEO übermittelt.
Die IAEO hat diese Daten ebenfalls bestätigt. Traurigerweise hat auch die WHO diese Daten veröffentlicht. Ich
würde sagen: Das ist ein Plagiat; denn die WHO hat den
Eindruck erweckt, dass sie diese Daten selbst erhoben
hat. Genau das ist aber nicht der Fall. Die WHO ist auf
diesem Gebiet nicht entsprechend ausgestattet. Sie verfügt nicht über die notwendigen Messinstrumente, und
im Gegensatz zu früher, als es eine eigene Abteilung für
Strahlenunfälle gab, sind dort nur noch eine Strahlenbiologin und eine zweite wissenschaftliche Kraft beschäftigt; welche Qualifikation diese Kraft hat, weiß ich nicht.
Die WHO ist also überhaupt nicht in der Lage, sich mit
diesem Thema zu befassen.
Ich glaube, gerade aufgrund des enorm großen Risikopotenzials im Hinblick auf die Gesundheit der Menschen muss die WHO hierfür zuständig sein, niemand
sonst. Die IAEO kann es nicht, die Betreiber können es
nicht, und die nationalen Regierungen können es auch
nicht. Ich denke, die Weltgemeinschaft hat einen Anspruch darauf, richtig informiert zu werden, und sie hat
einen Anspruch darauf, dass ihr geeignete Maßnahmen
empfohlen werden. Meine Frage an Sie: Werden Sie sich
in Genf dafür einsetzen, dass die WHO, wie es früher
schon einmal der Fall war, eine eigene Abteilung bekommen wird, die sicherstellen kann, dass die Messergebnisse ehrlich und offen veröffentlicht werden, und
dass die WHO wieder in die Lage versetzt wird, vernünftige Maßnahmen zu empfehlen?
Herr Kollege Kekeritz, wie bereits dargestellt, nutzt
die Weltgesundheitsorganisation ein internationales
Netzwerk von 40 Kollaborationszentren. Aus unserer
Sicht ist dies sehr sinnvoll, da die WHO so über eigene
wissenschaftliche Expertise aus den Regionen verfügen
kann.
Ich habe die zwei Stellen angesprochen. Aus unserer
Sicht muss im Nachgang zu Fukushima und als Konsequenz aus Tschernobyl darüber nachgedacht werden, ob
lediglich zwei solcher Planstellen bei der WHO in diesem wichtigen Bereich ausreichend sind. Hier teilen wir
Ihre Einschätzung. Deutschland hat der Weltgesundheitsorganisation im Übrigen bereits die Entsendung von
Experten auf diesem Gebiet für eine bestimmte Zeit angeboten. Zurzeit prüft die WHO, welche Kompetenzen
sie genau benötigt; an uns soll und wird es also nicht
liegen. Danach werden wir über das weitere Vorgehen
entscheiden. Wir teilen Ihre Einschätzung, dass dieses
Themas eine große Bedeutung hat, und legen ein Augenmerk darauf, dass die WHO ihre Aufgaben an dieser
Stelle sachgerecht erfüllen kann.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Mücke zur Verfügung.
Die Fragen 22 und 23 der Kollegin Behm werden
schriftlich beantwortet.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Hacker auf:
Wie ist der Stand bei der Überarbeitung der Fragenkataloge zur Prüfung zum Erwerb des beschränkt gültigen Funkbetriebszeugnisses, SRC, und des Allgemeinen Funkbetriebszeugnisses, LRC, die sich aus dem Antrag „Attraktivität des
Wassertourismus und des Wassersports stärken“ ({0}) ergibt, und für wann ist der Einführungstermin geplant?
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Diese Frage beantworte ich für die Bundesregierung wie folgt: Die Prüfungsfragenkataloge im Hinblick auf SRC und LRC sind
überarbeitet, auf das Multiple-Choice-Verfahren umgestellt und schon im August 2009 im Verkehrsblatt veröffentlicht worden. Der Umfang beider Fragenkataloge ist
um jeweils ein Drittel reduziert worden. Gemäß Bekanntmachung im Verkehrsblatt vom Februar 2011 erfolgt die Inkraftsetzung der Fragenkataloge zum 1. Oktober 2011.
Herr Hacker, Sie haben eine Nachfrage. - Bitte schön.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär Mücke, was den
genannten Antrag aus der letzten Legislaturperiode betrifft, kam es uns insbesondere darauf an, dass die betreffenden Verbände in die Arbeiten zur Novellierung der
wasserrechtlichen Regelungen einbezogen werden.
Meine Frage: Haben Sie bei der Überarbeitung der Vorschriften bezüglich der Funkzeugnisse auch die betroffenen Wassersportverbände einbezogen und die Hinweise
und Anregungen aufgenommen?
Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin würde ich an dieser Stelle gerne die Frage 25 beantworten; denn diese
Frage haben Sie eben noch einmal mündlich gestellt.
Dann rufe ich Frage 25 des Abgeordneten HansJoachim Hacker auf:
In welcher Weise sichert die Bundesregierung bei der
Überarbeitung des Fragenkataloges zum Erwerb des UKWSprechfunkzeugnisses für den Binnenschifffahrtsfunk, UBI,
die Einbeziehung der betroffenen Sportverbände zu, und zu
welchem Termin ist die Einführung des neuen Zeugnisses geplant?
Herr Staatssekretär, bitte.
Die Bundesregierung hat wie zuvor schon bei den
Fragenkatalogen zu SRC und LRC im Rahmen einer öffentlichen Anhörung am 23. März 2011 im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in
Bonn die betroffenen Sportverbände einbezogen. Die Inkraftsetzung des neuen UBI-Fragenkataloges, die im
Übrigen kein neues Zeugnis begründet, ist ebenfalls zum
1. Oktober 2011 vorgesehen.
Haben Sie noch weitere Nachfragen? - Das ist nicht
der Fall. Dann sind diese Fragen beantwortet.
Die Frage 26 des Abgeordneten Klaus Hagemann
wird schriftlich beantwortet. Damit ist dieser Geschäftsbereich beendet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Hans-Josef Fell, die
Fragen 29 und 30 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, die
Frage 31 der Kollegin Bärbel Höhn und die Frage 32 des
Kollegen Oliver Krischer werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die
Frage 33 des Kollegen Oliver Krischer wird ebenfalls
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zu Frage 34 des Kollegen Oliver
Kaczmarek:
Durch welche Maßnahmen des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung werden im beginnenden deutsch-russischen Wissenschaftsjahr die deutsch-russischen Diskussionen zum Thema der erneuerbaren Energien explizit gefördert?
Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel zur Verfügung.
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Kaczmarek, das
deutsch-russische Jahr der Bildung, Wissenschaft und
Innovation wird am 23. Mai in Moskau durch Bundesforschungsministerin, Frau Professor Annette Schavan,
und ihren Ministerkollegen, Professor Fursenko, eröffnet
werden. Als Teil der Eröffnungsveranstaltung organisieren das BMBF und das Ministerium für Bildung und
Wissenschaft der Russischen Föderation ein Fachgespräch zum Thema Klimawandel und die Stadt der Zukunft.
Ziel ist es, zwischen den deutschen und den russischen Wissenschaftlern die Vision der CO2-neutralen
Stadt als eine mögliche Antwort auf den Klimawandel
zu diskutieren. In diesem systemischen Ansatz, der die
Erzeugung, die Speicherung, den Transport und die Nutzung von Energie im urbanen Raum umfasst und der im
Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung
entwickelt wurde, nehmen erneuerbare Energien eine herausragende Rolle ein.
Das deutsch-russische Wissenschaftsjahr, an dem sich
erfreulicherweise eine Vielzahl von Hochschulen und
wissenschaftlichen Einrichtungen beteiligen, dient generell der Erweiterung und Vertiefung der Zusammenarbeit
mit Russland im Bereich Bildung, Wissenschaft und
Forschung. Daraus können sich auch neue Initiativen zu
den erneuerbaren Energien ergeben.
Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kaczmarek? - Das
ist nicht der Fall.
Die Frage 35 des Kollegen Kaczmarek wird später im
Themenbereich Wirtschaft und Technologie behandelt.
Die Fragen 36 und 37 wurden vom Kollegen
Rossmann gestellt, der nicht im Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Frage 38 des Kollegen Klaus Hagemann wird
schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Die Frage 39
des Kollegen Hans-Christian Ströbele wird schriftlich
beantwortet.
Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Die Frage 40 des Kollegen Volker Beck, die
Fragen 41 und 42 der Kollegin Sevim Dağdelen und die
Frage 43 des Kollegen Volker Beck werden schriftlich
beantwortet.
Der Kollege Wieland, der die Frage 44 gestellt hat, ist
nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Fragen 45 und 46 des Kollegen Dr. Rolf
Mützenich werden schriftlich beantwortet.
Die Frage 47 wurde von der Kollegin Kerstin Müller
gestellt, die ebenfalls nicht im Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Frage 48 wurde vom Kollegen Andrej Hunko gestellt, der ebenfalls nicht anwesend ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Auch die Frage 49 wurde vom
Kollegen Andrej Hunko gestellt, der nicht anwesend ist.
Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich bin sehr froh, dass wir als Fragesteller zu diesem
Geschäftsbereich Josef Winkler in unseren Reihen begrüßen dürfen.
Dann rufe ich die Frage 50 des Kollegen Josef Philip
Winkler auf:
Wie steht die Bundesregierung zu den Vorschlägen einiger
EU-Mitgliedstaaten, in bestimmten Situationen die Kontrollen an den Binnengrenzen einseitig oder bilateral wieder einzuführen, und inwieweit hält die Bundesregierung diese Vorschläge mit dem Grundwert der europäischen Freizügigkeit
für vereinbar?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder zur Verfügung.
Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat ebenso wie auch andere EU-Mitgliedstaaten ein
großes Interesse an der Stärkung des Schengener Rechtsrahmens. Die Europäische Kommission hat dies in der
Mitteilung zur Migration vom 4. Mai 2011 aufgegriffen.
Den Überlegungen zur Reform des Schengen-Systems sieht die Bundesregierung mit Interesse entgegen.
Die EU-Kommission erwägt eine stärkere Einbindung
der Agentur für den Außengrenzschutz, Frontex, im
Rahmen der Schengen-Evaluierung sowie ein Verfahren,
das es der EU ermöglicht, Fälle zu regeln, in denen ein
Mitgliedstaat seiner Verpflichtung, seinen Abschnitt der
EU-Außengrenzen zu kontrollieren, nicht nachkommt,
oder eine Lösung zu finden, wenn ein bestimmter Grenzabschnitt aufgrund externer Vorfälle unerwartet unter
Druck gerät. Dies wird von der Bundesregierung grundsätzlich befürwortet. Allerdings sind die Freizügigkeit
und das Reisen ohne Grenzkontrollen im SchengenRaum eine der großen Errungenschaften und für die Bürger von großer Bedeutung. Dies gilt es zu wahren. Bei
der Diskussion über Maßnahmen innerhalb des Schengen-Raums muss dies berücksichtigt werden.
Ferner sollen die Verantwortung und die originäre Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Schutz der
EU-Außengrenzen sowie die Durchführung des nationalen Grenzmanagements unberührt bleiben. Die Vorschläge werden im Einzelnen gründlich zu prüfen sein.
Herr Kollege Winkler, bitte schön, eine Nachfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, in
welchem Zusammenhang hat denn die Bundespolizei
Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze vorgenommen, bei denen dann insgesamt 36 tunesische
Flüchtlinge registriert wurden? Ich beziehe mich auf eine
Pressemitteilung des Innenministeriums vom 4. Mai.
19 der 36 tunesischen Flüchtlinge wurde die Einreise
nach Deutschland gestattet, weil sie die Voraussetzungen
erfüllt hatten und unter anderem ausreichende finanzielle
Mittel nachgewiesen hatten.
Wir lassen im grenznahen Bereich lageangepasst
Kontrollen durchführen. Das sind aber keine Kontrollen
direkt an der Grenze.
Kann ich also davon ausgehen, dass für die Bundesregierung angesichts der Zahl von 36 tunesischen Flüchtlingen kein Fall einer schwerwiegenden Bedrohung der
öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit nach
dem Schengener Grenzkodex vorgelegen hat?
Wenn eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit vorliegt, dann
dürfen gemäß Art. 23 des Grenzkodexes Grenzkontrollen wieder eingeführt werden. Aber auch wenn keine
konkrete schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen
Ordnung vorliegt, ist es selbstverständlich auch außerhalb des Rechtsrahmens des Art. 23 möglich, lageangeParl. Staatssekretär Dr. Ole Schröder
passt Personen zu kontrollieren. Wenn jemand nicht die
notwendigen Mittel hat, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, dann ist es möglich, denjenigen in sein
Herkunftsland zurückzuweisen.
Wir kommen zu Frage 51 des Abgeordneten Josef
Philip Winkler:
In welcher Weise wird die Bundesregierung beim kommenden Sondertreffen am 12. Mai 2011 der EU-Justiz- und
-Innenminister die Bereitschaft Deutschlands signalisieren,
weitere finanzielle Unterstützung für die am stärksten betroffenen EU-Staaten an den Außengrenzen zu leisten und in Anwendung der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen und Vertriebenen
zusagen?
Ich beantworte die Frage wie folgt: Deutschland hat
sich in Vorbereitung des JI-Rats am 11. und 12. April bereit erklärt, 100 Flüchtlinge aus Malta zu übernehmen.
Auch andere EU-Mitgliedstaaten haben seitdem Zusagen für die Übernahme von Flüchtlingen aus Malta gemacht. Die EU-Kommission führt in ihrer Mitteilung zur
Migration vom 4. Mai 2011 aus, dass die Mitgliedstaaten, die von Flüchtlings- und Migrantenströmen am
stärksten betroffen sind, rund 25 Millionen Euro aus
dem Außengrenzfonds und aus dem Europäischen
Flüchtlingsfonds erhalten haben. Erkenntnisse dazu, in
welchem Umfang die südeuropäischen Mitgliedstaaten
finanzielle Unterstützung aus Gemeinschaftsmitteln erhalten, liegen nicht vor.
Die Unterstützung für den Schutz der Außengrenze in
der Region für die am stärksten betroffenen EU-Staaten
erfolgt außerdem nicht nur unmittelbar durch finanzielle
Mittel aus dem Außengrenzfonds, sondern auch durch
Frontex-Einsätze und die damit verbundene personelle
und materielle Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten. Um
diese Einsätze mit Blick auf die aktuelle Lage auch zukünftig gewährleisten zu können, wird geprüft, inwieweit das Budget der Agentur insgesamt aufgestockt werden müsste.
Bei der zurückliegenden Ratstagung bestand bei der
Mehrheit der Mitgliedstaaten mit der EU-Kommission
Einigkeit darüber, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz in
Massenfluchtsituationen nicht vorliegen. Aus Sicht der
Bundesregierung liegen die Voraussetzungen auch gegenwärtig nicht vor.
Eine Nachfrage, Herr Kollege Winkler.
Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, es gibt
den dringenden Appell des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, auch außerhalb der EURichtlinie zum vorübergehenden Schutz zusätzliche
Flüchtlinge aufzunehmen. Andere EU-Mitgliedstaaten
wie Portugal und Schweden haben bereits angekündigt,
dass sie dem Appell folgen wollen. Wie bewertet die
Bundesregierung das?
Deutschland wird seiner humanitären Verantwortung
in besonderer Weise gerecht. Das sieht man allein an der
Zahl der Asylbewerber. Im letzten Jahr betrug sie über
40 000. Damit hat Deutschland in Europa nach Frankreich die meisten Asylbewerber aufgenommen.
Die zweite Nachfrage, bitte.
Das war zwar eine interessante Antwort, aber keine
auf die Frage, die ich gestellt habe. Nichtsdestoweniger
stelle ich jetzt eine andere Frage: Wie bewerten Sie, Herr
Staatssekretär, die Bereitschaft des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, im Alleingang 100 Flüchtlinge aus Malta
aufzunehmen? Werden Sie sich auf der nächsten Innenministerkonferenz dafür einsetzen, dass auch andere diesem Beispiel folgen, und wird die Bundesregierung dies
unterstützen?
Die Initiative, der besonderen Situation Maltas gerecht zu werden, ist von der Bundesregierung ausgegangen. Wir sind dankbar, dass die einzelnen Länder dieser
Initiative gefolgt sind.
Danke schön, Herr Winkler.
Ich rufe die Frage 52 des Abgeordneten Wolfgang
Wieland auf:
Wie bewertet die Bundesregierung insbesondere unter
dem Aspekt des Datenschutzes die Pläne der Europäischen
Kommission zur Einführung eines europäischen Ein- und
Ausreisesystems und eines Registrierungsprogramms für reisende Drittstaatsangehörige?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundesregierung wird einen Rechtsetzungsvorschlag zu dem Vorhaben, das als solches grundsätzlich unterstützt wird, unter
dem Aspekt des Datenschutzes umfassend prüfen, sobald dieser Vorschlag von der Europäischen Kommission vorgelegt wird.
Eine Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, habe ich richtig verstanden, dass
ein Speicherungssystem für sämtliche Einreisen in die
Europäische Union und Ausreisen aus der Europäischen
Union geschaffen werden soll? Wir haben schon jetzt
nur im Schengen-Raum jährlich 650 Millionen Ein- und
Ausreisen. Das heißt, es würden ohne Zweifel Milliarden von Daten zentral gespeichert werden. Halten Sie
das in irgendeiner Weise für verhältnismäßig? Halten Sie
vor allen Dingen die Vorstellung für verhältnismäßig,
dass diese Daten auch noch durchforstet werden und beispielsweise nachgesehen wird, ob jemand die Dauer seiner Aufenthaltszeit, die im Visum angegeben ist, überschreitet?
Wir halten es für notwendig, zu wissen, wer die Regeln verletzt und sich länger als erlaubt in der Union aufhält. Momentan haben wir die Situation, dass wir nicht
wissen, wer sich illegal innerhalb der Europäischen
Union aufhält. Dazu soll dieses neue Instrument dienen.
Das ist meines Wissens schon unter Rot-Grün von dem
damaligen Innenminister Schily gefordert worden. Von
daher bewegen wir uns in der Kontinuität einer vorherigen Bundesregierung.
Eine zweite Nachfrage? - Bitte.
Herr Staatssekretär, hätten Sie die Güte, zuzugestehen, dass nicht alles, was der Kollege Schily in die Welt
hinausposaunt hat, Grundlage der Regierungspolitik von
Rot-Grün war und nur ein Bruchteil davon - ich nenne
das Stichwort „Auffanglager in Nordafrika“ - realisiert
worden ist? Geben Sie zu, dass selbst Otto Schily bei der
Vorstellung, Milliarden von Ein- und Ausreisedaten im
Zeitalter des Massentourismus zu sammeln und mit diesen Daten eine Art Big Brother zu veranstalten - wer
hält sich wie lange wo auf? -, erblasst wäre?
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die rot-grüne
Koalition ihre Bundesregierung entsprechend kontrolliert hat und diese im Einklang mit ihr gehandelt hat. Wir
sehen natürlich datenschutzrechtliche Risiken; die müssen wir am Ende abwägen. Das habe ich ja in meiner
Antwort geschildert. Man muss sich aber auch den
Mehrwert eines solchen Systems genau überlegen und
dann eine Abwägung vornehmen.
Danke schön. - Die Frage 53 des Kollegen HansChristian Ströbele und die Fragen 54 und 55 der Kollegin Heike Hänsel sollen schriftlich beantwortet werden.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Fragen 56 und 57 des
Kollegen Jerzy Montag werden schriftlich beantwortet.
Somit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Fragen 58 und 59 des
Kollegen Manuel Sarrazin sowie die Fragen 60 und 61
der Kollegin Lisa Paus werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur
Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische
Staatssekretär Peter Hintze zur Verfügung. Die Frage 35
des Kollegen Oliver Kaczmarek wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 62 der Kollegin Katja Keul auf:
Wann hat die Bundesregierung die Genehmigung für die
Lieferung von zwei U-Booten der Klasse 214 nach den Richtlinien des Kriegswaffenkontrollgesetzes an Griechenland erteilt, und wann wurde diese Genehmigung beantragt ({0})?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Liebe Kollegin! Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat am 25. Januar
2011, ausgehend vom Antrag vom 22. Juli 2008, eine
Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von
Kriegswaffen erteilt, zwei Unterseeboote der Klasse 214
in Form von Materialpaketen aus Deutschland nach
Griechenland auszuführen.
Nachfrage? - Frau Keul, bitte.
Vielen Dank. - Meine Frage lautet jetzt: Warum
wurde noch im Januar 2011 die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von Millionen Euro aus Deutschland
nach Griechenland genehmigt, obwohl wir im März
2010 ein riesiges Paket verabschiedet hatten, um den
Griechen zur Seite zu springen, deren Staatshaushalt bekanntermaßen desolat ist; schließlich sieht der EU-Waffenkodex vor, dass bei Auslieferung von Rüstungsgütern
auch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes zu achten ist? Wie ist das miteinander vereinbar?
Ich denke, es ist gut vereinbar, Frau Kollegin. Sie haben ja nach den entsprechenden Daten gefragt. Der Antrag ist vom 22. Juli 2008.
Ja, aber er ist ja nun im Januar 2011 genehmigt worden. Das war zu einem Zeitpunkt, an dem klar war, dass
sich die Griechen diese U-Boote nicht leisten können.
Das hätte doch wohl zum Zeitpunkt der Genehmigung
berücksichtigt werden müssen.
Zum einen mache ich mir Ihre Einschätzung nicht zu
eigen, dass sie nicht in der Lage sind, das zu bezahlen.
Aber das kann man vielleicht mal dahingestellt sein lassen.
Wie Sie aus Ihrer eigenen sachkundigen Beschäftigung
mit dem Thema wissen, gibt es zwei unterschiedliche GeParl. Staatssekretär Peter Hintze
nehmigungsverfahren: die Herstellungsgenehmigung und
die Ausfuhrgenehmigung. Die Herstellungsgenehmigung
ist ja viel früher erteilt worden, die entsprechenden Materialpakete sind hergestellt worden, und die Ausfuhrgenehmigung setzt die Endverbleibserklärung der griechischen Regierung voraus; diese ist spät eingereicht
worden. Nachdem die Endverbleibserklärung herausgegeben worden war, hatten sowohl die griechische Regierung als auch die deutsche Lieferfirma den rechtlichen
Anspruch auf die Ausfuhrgenehmigung, da zuvor die
Herstellungsgenehmigung erteilt worden war.
Weitere Nachfrage, Frau Keul? - Nein.
Bitte schön, Zusatzfrage.
Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär Hintze,
Deutschland ist ja in den letzten Jahren zu einem der
größten Waffenexporteure in der Welt aufgestiegen - ich
glaube, drittgrößter Exporteur insgesamt -, und einer der
besten Kunden Deutschlands war in den letzten Jahren
Griechenland. Nun wissen wir alle, wohin das Geld gegangen ist und wohin das Geld geht, das wir da jetzt
noch hinterherwerfen müssen.
Meine Frage an die Bundesregierung: Sind Sie ins
Nachdenken gekommen, was die eigenen Rüstungsexportkriterien betrifft? Können Sie sich vorstellen, dass
die Finanzlage eines Staates bzw. erkennbare Außenhandelsbilanzschwierigkeiten von Staaten in Zukunft auch
eine Rolle spielen werden bei der Entscheidung, ob Rüstungsgüterexporte genehmigt werden oder nicht?
Ich beantworte beide Fragen mit Nein, weil ich die
darin enthaltenen Unterstellungen durch diesen Sachverhalt nicht gedeckt sehe.
Eine weitere Zusatzfrage stellt der Kollege Winkler.
Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, bewertet es die
Bundesregierung als dem Ideal der schwäbischen Hausfrau entsprechend, ein Land, das in wirtschaftlicher Not
ist, mit etlichen Milliarden Euro finanziell zu unterstützen, sich aber zeitgleich darauf einzulassen, dass dieses
Land unnötige Ausgaben, zum Beispiel für U-Boote und
Ähnliches, tätigt, in der Kenntnis, dass dieses Land
- Griechenland - sowieso einen viel zu hohen Rüstungshaushalt hat?
({0})
Herr Kollege, die Höflichkeit und unser freundschaftliches Verhältnis verbieten mir, darauf jetzt im Einzelnen
einzugehen. Ich möchte die Sachverhalte getrennt betrachten.
Erstens. Die Situation des griechischen Staates hat
- anders als in Ihren Ausführungen dargelegt - nicht
dazu geführt, dass wir Milliarden Euro an Unterstützungsleistungen gezahlt haben; es ist kein einziger Cent
geflossen.
({0})
- Trotzdem muss ich das klar sagen. Sie sagen: Ihr gebt
dahin Milliarden Euro. In Wahrheit ist kein einziger Cent
geflossen. Ihre Darstellung war, liebevoll gesprochen,
nicht ganz korrekt.
Zweitens. Leidtragende der von Ihnen hier vorgeschlagenen Maßnahme wären deutsche Unternehmen
und deutsche Arbeitnehmer. Man kann Ihre Forderung
nach einem Stopp der Lieferung für politisch richtig oder
falsch halten. Jedenfalls vermag ich keinen Zusammenhang zwischen den Maßnahmen zur Stabilisierung des
Euro und der Einhaltung der Liefertreue zu sehen.
({1})
Es wäre schön, wenn sich die Schulden Griechenlands auf die Kosten für den Kauf zweier U-Boote begrenzen ließen.
({0})
Wir kommen zur Frage 63 der Kollegin Keul:
Welches politische Zeichen plant die Bundesregierung mit
der Unternehmerreise zum Thema Sicherheitstechnik des
Bundesministers für Wirtschaft und Technologie, Rainer
Brüderle, vom 15. bis 18. Mai 2011 nach Algerien zu setzen,
wo die algerische Regierung im Februar 2011 ihre Sicherheit
vor allem durch Demonstranten gefährdet sah, die nach dem
Vorbild von Tunesien und Ägypten mehr politische Freiheiten
forderten, und wie will die Bundesregierung sicherstellen,
dass bei erfolgreichen Vertragsabschlüssen die von deutschen
Unternehmen gelieferte Sicherheitstechnik nicht zur internen
Repression durch die algerische Regierung oder andere staatliche Stellen missbraucht wird?
Herr Präsident, nach meiner Zählung habe ich eben
die Frage 63 beantwortet. Jetzt müssten wir zur Frage 64
kommen, weil der Aufruf der Frage 35 verschoben
wurde.
Nein, es bleibt bei der Reihenfolge der Fragen; so
steht es jedenfalls ausgedruckt. Es geht jedenfalls um die
Unternehmerreise des Bundesministers Brüderle zum
Thema Sicherheitstechnik nach Algerien.
Erstens. Es war nie eine Unternehmensreise des
Ministers Brüderle geplant; ich habe ebenfalls die entsprechenden Zeitungsartikel gelesen. Geplant war, dass
ein Beamter des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie an einer Unternehmensreise teilnimmt.
Zweitens. Die ursprünglich vom 15. bis 18. Mai 2011
vorgesehene Unternehmensreise ist abgesagt worden.
Frau Keul, eine Nachfrage, bitte.
Meine Frage ist: Warum ist diese Reise abgesagt worden? Ist beabsichtigt, sie zu einem anderen Zeitpunkt
durchzuführen?
Geplant war eine Reise in Kooperation mit dem
Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Ob sie zu einem
späteren Zeitpunkt durchgeführt wird, kann ich heute
nicht sagen. Abgesagt wurde sie wegen des gesamtpolitischen Kontextes.
Eine weitere Nachfrage.
Ich frage mich an dieser Stelle: welcher politische
Kontext? Der innenpolitische Kontext der FDP oder der
Kontext Algerien?
Die eigentliche Frage, die sich mir aufdrängt, ist, wie
die Bundesregierung verhindern will, dass hochtechnologisierte Sicherheitsgüter, die durch deutsche Unternehmen nach Algerien exportiert werden sollen, zum
Einsatz kommen, um die Demonstrationen dort zu unterdrücken und um gegen das eigene Volk zu kämpfen. Hat
die Bundesregierung diesbezüglich Bedenken? Wenn ja,
wie will die Bundesregierung einen solchen Einsatz dieser Güter verhindern?
Diese Frage beantworte ich Ihnen gerne, Frau Kollegin. Für Vertragsabschlüsse, die von deutschen Unternehmen gelieferte Sicherheitstechnik beinhalten, gelten
folgende Regeln:
Soweit es sich bei der Sicherheitstechnik um Rüstungsgüter im Sinne der Ausfuhrliste „Anlage AL zur
Außenwirtschaftsverordnung“ handelt, finden die deutschen exportkontrollrechtlichen Vorschriften sowie die
politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern
aus dem Jahr 2000 und der Gemeinsame Standpunkt
2008/944/GSAP des Rates vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und von Militärgütern Anwendung.
In den politischen Grundsätzen der Bundesregierung
für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 2000 ist bestimmt, dass Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern grundsätzlich nicht erteilt werden,
wenn ein hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur
internen Repression - diese Frage haben Sie aufgeworfen - oder zur sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzung missbraucht werden.
Bei der Entscheidung über die Erteilung von Genehmigungen für die Ausfuhr von derartigen Dual-use-Gütern
wird entsprechend verfahren.
Die Bundesregierung prüft die aktuellen Entwicklungen in Algerien auch im Hinblick auf diese Grundsätze
sehr genau und wird sie sorgfältig beachten.
Die Fragen 64 und 65 der Kollegin Ingrid Nestle und
die Frage 66 der Kollegin Bärbel Höhn sollen schriftlich
beantwortet werden.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Fragen 67 und
68 der Kollegin Sabine Zimmermann werden ebenfalls
schriftlich beantwortet.
Das Gleiche gilt für die Fragen 69 und 70 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 12. Mai 2011,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.