Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich grüße Sie sehr
herzlich. Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Rahmenprogramm „Forschung für die zivile Sicherheit 2012-2017“
Bevor ich das Wort für einen einleitenden fünfminütigen Bericht erteile, darf ich darauf hinweisen, dass wir
eine Ein-Minuten-Regelung für Fragen und Antworten
vereinbart haben. Für Kolleginnen und Kollegen, die in
der letzten Woche an der Befragung der Bundesregierung nicht teilgenommen haben, mache ich darauf aufmerksam, dass nun statt des akustischen Signals ein optisches Signal eingesetzt wird. Der Schriftführer hat hier
eine zusätzliche Aufgabe bekommen.
Auf den bisherigen Anzeigen für die Tagesordnungspunkte rechts und links des Adlers sowie oberhalb der
Hammelsprungtüren wird eine Uhr sekundenweise rückwärtslaufen. Begleitet wird dies von einem Lichtsignal
in Gestalt eines Farbfeldes: grün, gelb und rot.
({0})
- Jeder denkt sich sein Teil.
({1})
Eine farbliche Justierung der Farben Grün und Gelb wird
in der kommenden Woche erfolgen. In den ersten 30 Sekunden zeigt das Farbfeld grün, gefolgt von gelb. Nach
Ablauf von 60 Sekunden, also nach Ablauf der Redezeit,
erscheint es dann rot.
({2})
Jetzt hat das Wort für den einleitenden fünfminütigen
Bericht der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Kollege
Thomas Rachel. Bitte schön, Kollege Thomas Rachel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
freue mich, dass - ({0})
Wir schauen einmal, was los ist. - Gehen Sie bitte zu
einem anderen Mikrofon, seien Sie so nett.
({0})
Herr Präsident, ich freue mich, dass ich jetzt auch
akustisch anwesend bin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, Ihnen das neue Rahmenprogramm der Bundesregierung
„Forschung für die zivile Sicherheit 2012-2017“ vorstellen zu können, das heute Morgen im Bundeskabinett behandelt wurde. Dies erfolgt auf der Grundlage einer Vereinbarung der Koalitionsfraktionen vom Oktober 2009.
Das neue Programm orientiert sich an den strukturellen Besonderheiten des ersten nationalen Sicherheitsforschungsprogramms, das von 2007 bis 2011 durchgeführt
wurde, setzt aber gleichzeitig neue Impulse. Ich möchte
drei Dinge besonders hervorheben:
Erstens. Unsere Forschungsförderung konzentriert
sich sowohl auf die Prävention von Schadensereignissen
als auch auf Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Die
Grundidee des zivilen Sicherheitsforschungsprogramms
ist, dass ihm konkrete Krisenszenarien zugrunde liegen,
für die nach verbesserten Lösungswegen gesucht wird.
Zweitens. In die Projekte werden auch künftig die
späteren Endnutzer mit einbezogen, und zwar von Anfang an, also Sicherheitskräfte und Rettungskräfte, zum
Beispiel die Feuerwehren, die Notärzte, das Technische
Hilfswerk oder die Polizei.
Drittens. Von Anfang an werden auch Sozial- und
Geisteswissenschaftler mit eingebunden, damit nur solche Sicherheitslösungen zum Einsatz kommen, die von
den Menschen in unserem Land akzeptiert und angenommen werden können.
({0})
Um es auf den Punkt zu bringen: Wir unterstützen
Forschung für Sicherheit in einer offenen Gesellschaft.
Wir unterstützen Lösungsansätze auf Basis eines breiten
politischen Konsenses. Wir sind dabei in guter Gesellschaft. Ich möchte dabei vor allem das Zukunftsforum
Öffentliche Sicherheit erwähnen - eine Initiative, bei der
alle Fraktionen des Deutschen Bundestages mitwirken -,
das mit den im Paul-Löbe-Haus stattfindenden Gesprächsforen viel Anerkennung gefunden hat. Es zeigt
sich auch hier, dass die Herausforderungen der zivilen
Sicherheitsforschung ein überparteiliches Anliegen sind.
Deutschland ist glücklicherweise - wir wollen dafür
arbeiten, dass es so bleibt - eines der sichersten Länder
der Welt. Wir verfügen über elektrisches Licht, Heizung,
Telefon und Internet, wann immer wir wollen.
({1})
Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, TAB, hat im Frühjahr letzten Jahres
einmal aufgezeigt, wie die Situation aussähe, wenn es
bei uns zu einem länger andauernden, großflächigen
Stromausfall kommen würde: Unsere Telefone wären
nicht mehr nutzbar; wir hätten kein Internet, keine Heizung und keine Beleuchtung; wir würden nicht mehr an
Bargeld kommen, da die Geldautomaten mit Strom betrieben werden; ebenso sind die Pumpen an Tankstellen
auf Strom angewiesen; nur wenige verfügen über eine
Notstromversorgung. Sie sehen schon daran, dass die
Herausforderungen bei der zivilen Sicherheit in einer
globalisierten und weit vernetzten Welt vielfältiger geworden sind. Deswegen war es, glaube ich, richtig, dass
die Bundesregierung das Thema der zivilen Sicherheitsforschung aufgegriffen hat.
Meine Damen und Herren, das neue Rahmenprogramm „Forschung für die zivile Sicherheit 2012-2017“
baut auf den Erfahrungen und Erfolgen des ersten nationalen Sicherheitsforschungsprogramms auf. Wir haben
für das neue Rahmenprogramm, wie bisher, ein Fördervolumen von rund 55 Millionen Euro pro Jahr eingeplant.
Inhaltlich knüpfen wir an die erste Programmphase
an. Wir werden sechs Schwerpunkte setzen: erstens gesellschaftliche Aspekte der zivilen Sicherheit, zweitens
urbane Sicherheit, drittens Sicherheit von Infrastrukturen und Wirtschaft, viertens Schutz und Rettung von
Menschen, fünftens Schutz vor Gefahrstoffen, Epidemien und Pandemien; nicht zuletzt möchten wir mit der
Forschung zur IT-Sicherheit einen Beitrag zur CyberSicherheitsstrategie der Bundesregierung leisten.
Uns geht es insgesamt darum, Lösungen zu erarbeiten, um die individuelle Freiheit der Menschen und die
Rechtsstaatlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland
zu sichern und gleichzeitig das hohe Sicherheitsniveau
für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu erhalten. Deshalb arbeiten wir so, dass nicht zulasten unserer
rechtlich geschützten Freiheit vorgegangen werden soll;
vielmehr spielen in der Sicherheitsforschung gesellschaftliche, rechtliche und ethische Aspekte eine ganz
wichtige Rolle.
Mit dem neuen Programm „Forschung für die zivile
Sicherheit“ stellen wir die Weichen für innovative
Sicherheitslösungen zum Schutz der Menschen in
Deutschland. Wir wollen die Balance zwischen Freiheit
und Sicherheit bewahren.
Herzlichen Dank.
Vielen herzlichen Dank. - Ich bitte, zunächst die Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben
berichtet wurde.
Wir haben versucht, alle Wortmeldungen zu erfassen.
Sie signalisieren mir, ob das alles korrekt ist.
Als Erste Frau Kollegin Krista Sager.
Vielen Dank. - Herr Rachel, der wissenschaftliche
Programmausschuss zum Sicherheitsforschungsprogramm hat darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung
zwischen dem zivilen und dem militärischen Bereich bei
einigen Technologien hauptsächlich erst im Anwendungsbereich und nicht vorher erfolgen kann. Er hat aber
auch gesagt: Man braucht klare Richtlinien und Kriterien, um den zivilen Charakter des BMBF-Programms
zu erhalten und ihm gerecht zu werden. Gibt es Richtlinien und Kriterien, um diesem zivilen Charakter gerecht
zu werden, oder werden sie noch entwickelt?
Frau Kollegin Sager, das Ziel der zivilen Sicherheitsforschung ist es - so ist auch die Praxis in der vergangenen Programmperiode -, dass wir Forschung an zivilen
Anwendungsszenarien unter Einbindung von Wissenschaft, Wirtschaft und Anwendern ausrichten. Wir
machen das interdisziplinär. Wir haben Geistes- und Sozialwissenschaften genauso wie Technik- und Naturwissenschaften beteiligt. Es geht hier also eindeutig nicht
um Wehrforschung. Die Wehrforschung ressortiert beim
Bundesverteidigungsministerium; diese dort bezieht sich
auf alle wehrtechnischen Anwendungen. Damit hat das
zivile Sicherheitsforschungsprogramm nichts zu tun.
Dieses richtet sich darauf, die zivile Sicherheit in
Deutschland zu gewährleisten.
Das ist die bisherige Praxis. Das orientiert sich an den
Prinzipien, die ich gerade beschrieben habe. Das heißt
auch, dass sich Forschungseinrichtungen der Bundeswehr mit ihrem Know-how selbstverständlich bei zivilen
Projekten der Sicherheitsforschung einbringen können.
Sie sind also als Projektpartner willkommen, aber es
werden keine verteidigungs- oder wehrpolitischen Fragestellungen im Rahmen des zivilen Sicherheitsforschungsprogramms bearbeitet.
Als Nächsten habe ich auf meiner Liste den Kollegen
Gerold Reichenbach. Bitte schön, Kollege Gerold
Reichenbach.
Vielen Dank. - Ich habe eine Frage zum europäischen
Sicherheitsprogramm INDECT, das von Ihrem Hause
kogefördert wird. Warum hat das Ministerium das Projekt für förderfähig gehalten, obwohl es in einer Pressemitteilung des Bundeskriminalamts hieß, dass es sich
- ich zitiere - „aufgrund des umfassenden Überwachungsgedankens des Projekts“ nicht beteiligt? Unter
welchen Auflagen haben Sie die Förderung des Projekts
trotzdem zugestanden?
Herr Kollege, Sie unterliegen insofern einer Fehleinschätzung, als es sich bei INDECT um ein von der Europäischen Union gefördertes Projekt handelt. Die Europäische Union hat den Projektantrag beraten und darüber
befunden. Das heißt, für die Begutachtung und die Einhaltung von Auflagen ist die Europäische Kommission
zuständig und nicht etwa die Bundesregierung. Der Projektvorschlag wurde vor Vertragsabschluss seitens der
EU-Kommission einer ethischen Begutachtung unterzogen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle den prinzipiellen Unterschied zwischen dem europäischen Programm und
dem des BMBF bzw. der Bundesregierung deutlich machen. Die Ziele und die Vorgehensweise des Projekts
INDECT unterscheiden sich fundamental von dem
Ansatz des deutschen zivilen Sicherheitsforschungsprogramms, weil wir beispielsweise bei der Videoerkennung die Rechtskonformität durch Einbeziehung
sozialwissenschaftlicher und auch juristischer Expertise
von Wissenschaftlern und im Übrigen auch von Datenschützern von Anfang an mit untersuchen. Das unterscheidet das nationale Programm von der Vorgehensweise der Europäischen Union bei ihrem Programm.
Vielen Dank. - Nächster Fragesteller, unser Kollege
Albert Rupprecht.
Vielen herzlichen Dank. - Sehr geehrter Herr Staatssekretär, mich interessiert, wie die Schwerpunkte identifiziert und festgelegt wurden. Wie ist das Verfahren der
Auswahl im Vorfeld gewesen? Was wird im Rahmen des
Programms zum Schutz von Einsatzkräften bei Feuerwehr und Katastrophenschutz getan?
Herr Kollege Rupprecht, aufbauend auf den Anregungen eines spezifischen Agendaprozesses haben wir die
Fortschreibung des zivilen Sicherheitsforschungsprogramms durchgeführt. Wir haben mit dem ersten nationalen Sicherheitsforschungsprogramm der vorigen
Bundesregierung angestoßen, dass sich eine Forschungslandschaft im Bereich der zivilen Sicherheitsforschung
in Deutschland überhaupt erst richtig etabliert hat. Das
war eine wichtige Voraussetzung. Diese positive Entwicklung wird nun fortgesetzt.
Es wurden drei Agendaworkshops durchgeführt: zu
den Herausforderungen der staatlichen Sicherheitsvorsorge, zu den Herausforderungen für Unternehmen und
Wirtschaft und zu den Herausforderungen für Bürger
und Gemeinwesen. Daran waren alle Akteure im Bereich der zivilen Sicherheitsforschung beteiligt. Sie haben mitdiskutiert und ihre Überlegungen eingebracht.
Darüber hinaus haben Sie gefragt, ob es Aktivitäten
zum Schutz der Feuerwehrleute gibt. Ja, solche Aktivitäten gibt es. Ich will Ihnen beispielhaft berichten, dass wir
das Projekt „Systemintegrierte Schutzbekleidung für
Feuerwehr und Katastrophenschutz“ durchgeführt haben. Warum? Weil die Helfer im Einsatz hohen Belastungen ausgesetzt sind und die Gefahren auch von der
Einsatzleitung schwer abzuschätzen sind. Ziel dieses
Projektes ist es, eine systemintegrierte Arbeits- und
Schutzbekleidung mit Sensoren zu entwickeln, die eine
Ortung der Einsatzkräfte sicherstellt und der Einsatzleitung Informationen über die Umgebungssituation der
Einsatzkräfte mitteilen kann, sodass richtige Entscheidungen getroffen werden können.
Vielen Dank. - Nächste Fragestellung, Kollege Uwe
Schummer.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, welchen Beitrag leisteten bzw. leisten kleine und mittelständische
Unternehmen im Rahmen des ersten und zweiten Forschungsprogramms? Gibt es Initiativen der Bundesregierung, dass KMU verstärkt berücksichtigt werden?
Herr Kollege Schummer, die Beteiligung von KMU
ist uns ein wichtiges Anliegen. Das wird getragen von
der politischen Überzeugung der Koalitionsfraktionen.
Im Rahmen des nationalen Sicherheitsforschungsprogramms haben wir bisher 593 Teilvorhaben in
112 Projekten mit einer Gesamtzuwendung in Höhe von
252 Millionen Euro - mit Unterstützung des Deutschen
Bundestages - gefördert. 43 Prozent aller Projektpartner
sind Unternehmen. 60,8 Prozent aller Unternehmen, die
an Forschungsprojekten im Rahmen des zivilen Sicherheitsforschungsprogramms beteiligt sind, sind KMU.
Das ist ein außerordentlicher, ein bemerkenswert hoher
Anteil.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade junge
und dynamische Unternehmen mit ihrer starken Ausrichtung auf den international stark wachsenden Hightechmarkt von diesem Forschungsprogramm erheblich profitieren. Wir haben dieses Programm in die HightechStrategie eingebettet. Wir werden auch in Zukunft Wert
darauf legen, dass die KMU eine wichtige Rolle im zivilen Sicherheitsforschungsprogramm spielen können.
Vielen Dank. - Jetzt Kollege René Röspel. Bitte
schön.
Vielen Dank. - Das abgelaufene Sicherheitsforschungsprogramm hat etwa 120 Millionen Euro umfasst.
Deswegen meine Frage: Ist das abgelaufene Programm
in irgendeiner Form evaluiert worden? Falls ja: Wie sind
diese Ergebnisse in die Planung des neuen Programms
eingeflossen?
Herr Kollege René Röspel, zum Ende der ersten Förderperiode des Sicherheitsforschungsprogramms ist eine
Programmevaluation vorgesehen. In diesem Rahmen
sollen die Wirkungen und der Erfolg des bisherigen Programms und der bisherigen Fördermaßnahmen bewertet
und Handlungsempfehlungen für die folgende Programmphase entwickelt werden. Man muss sich vor Augen führen, dass das Gesamtprogramm nicht am ersten
Tag gestartet wurde, sondern dass es über vier Jahre hinweg eine Vielzahl von Ausschreibungen gegeben hat. Insofern kann man sich das nur sukzessive und im Einzelnen anschauen. Zweck ist es, die Wirkung und den
Erfolg der Fördermaßnahmen seit Beginn des Programms anhand quantitativer Indikatoren zu erfassen.
Auf dieser Wirkungsanalyse aufbauend, werden geplante programmatische Ausrichtungen überprüft und
aufgenommen.
Die Vorbereitung, die Durchführung und die Auswertung der Befragung in Form einer empirischen Kurzstudie werden derzeit vom BMBF an eine unabhängige, externe, fachlich ausgewiesene Institution vergeben.
({0})
Herr Kollege Röspel, ich bitte um Verständnis, dass
Sie jetzt nicht direkt eine weitere Frage stellen können.
Zunächst sollen die anderen, die sich vorher gemeldet
haben, zum Zuge kommen. Sie stehen aber schon wieder
auf der Liste. Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin
Dr. Petra Sitte.
Danke schön. - Ich habe eine Frage, die an die Anmerkung von Frau Sager anknüpft, dass es sehr schwierig ist, zwischen ziviler und militärischer Forschung abzugrenzen, und dass diese Abgrenzung oftmals erst auf
der Anwendungsebene tatsächlich möglich ist bzw. erst
die Anwendungsebene hierüber Klarheit bringt.
Nun sind die Hochschulen, die sich an diesem Sicherheitsforschungsprogramm beteiligen, auf der Forschungsebene und weniger auf der Anwendungsebene
angesiedelt. Die Angehörigen der Hochschulen haben
aber die Möglichkeit, über die Zivilklausel für sich in
Anspruch zu nehmen, sich nicht an Projekten zu beteiligen, die der Wehr- oder Verteidigungsforschung zugeschrieben werden können. Wie stellen Sie auf der Ebene
der Hochschulen bzw. der Forschungsebene sicher, dass
dieses Recht eingeräumt werden kann? Wie schaffen Sie
Transparenz, insbesondere vor dem Hintergrund von
Auskunftsersuchen der Hochschulangehörigen bzw. Studierenden?
Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Sitte, da es sich bei
dem Programm zur zivilen Sicherheitsforschung eben
nicht um Wehrforschung handelt, können sich alle Hochschulen und selbstverständlich auch die Hochschulen,
die eine sogenannte Zivilklausel haben, am zivilen Sicherheitsforschungsprogramm beteiligen.
Um es noch einmal klar zu sagen: Auch die Hochschulen, die eine solche Zivilklausel haben, können sich
uneingeschränkt an allen Projekten des nationalen Sicherheitsforschungsprogramms beteiligen; denn alle an
den geförderten Projekten beteiligten Partner arbeiten an
der Umsetzung ziviler Projekte für zivile Anwendungen.
Vielen Dank. - Als Nächstes der Kollege Dr. Peter
Röhlinger. Bitte schön, Kollege Peter Röhlinger.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, bekanntermaßen
spielen ja die Sicherheitsfragen auch international eine
Rolle. Deswegen möchte ich Sie fragen: Mit welchen
Ländern kooperiert die Bundesregierung in der zivilen
Sicherheitsforschung?
Lieber Herr Kollege Röhlinger, eine besondere Note
des nationalen Sicherheitsforschungsprogramms ist tatsächlich, dass wir uns nicht nur um eine Stärkung der
Forschungscommunity im Bereich der zivilen Sicherheitsforschung in Deutschland bemüht haben, sondern
dass wir darüber hinaus auch bilaterale Kooperationen
mit anderen Ländern aufgebaut haben. So gibt es Kooperationen mit drei Ländern. Das sind Israel, Frankreich
und die USA. Mit ihnen haben wir bilaterale Kooperationsverträge vereinbart.
Das Ziel dieser Kooperation besteht letztlich darin,
dass wir durch gemeinschaftliche Aktivitäten, durch Hebung des Know-how in den genannten Ländern einen
Beitrag dazu leisten wollen, gemeinsam erfolgreich in
dem Wachstumsmarkt der zivilen Sicherheitsforschung
unterwegs zu sein. Wir haben bis Ende 2011 elf bilaterale Verbundprojekte in diesem Sinne durchgeführt bzw.
angestoßen.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Michael
Kretschmer. Bitte schön. - Ihm folgt die Kollegin Krista
Sager.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, mit welchen Ländern die Bundesrepublik Deutschland bei der
Sicherheitsforschung kooperiert,
({0})
ob es beispielsweise gezielte Projekte zur Trinkwasserüberwachung gibt bzw. was in diesem Bereich geplant
ist?
Herr Kollege Kretschmer, das will ich gerne tun. Die
Kooperationen, die wir mit den Ländern Israel, Frankreich und den USA haben, sind vielfältig. Sie beziehen
sich beispielsweise auf Themen wie „Vermeidung und
Früherkennung der Bedrohung durch Gefahrstoffe“, um
einmal ein Themenfeld zu nennen. Sie beziehen sich auf
den Bereich der IT-Kooperation. Zum Trinkwasser haben wir ein wichtiges Forschungsprojekt im nationalen
Sicherheitsforschungsprogramm. Warum? Die Trinkwasserversorgung ist von großer Bedeutung. Die Bürgerinnen und Bürger legen hier Wert auf eine gute Qualität.
Bei dem Projekt IRLSENS sind wir dabei, ein innovatives Messsystem zu erarbeiten, das ganz speziell
Pestizide, zum Beispiel Insektizide, und chlorierte Kohlenwasserstoffe wie Chloroform sekundenschnell detektieren und - das ist das Wichtige - die Betreiber des Versorgungsnetzes noch schneller warnen kann, als es in der
Vergangenheit möglich gewesen ist. Die Schnelligkeit
der Analyse, um im Gefahrenfall frühzeitig die Bevölkerung informieren zu können, ist das Ziel dieses Vorhabens.
Nächste Fragestellerin, unsere Kollegin Krista Sager.
Herr Rachel, 2007, als das Sicherheitsforschungsprogramm gestartet ist, hatten wir eine durchaus kritische
Diskussion darüber, dass man nicht einen rein technikorientierten Ansatz verfolgen kann, sondern in jedem
Fall auch das Verhalten von Menschen einbeziehen muss
und hier ein interdisziplinärer Ansatz gefordert ist. Jetzt
stellen sich die Fragen: Wie hoch ist in dem neuen Programm der Anteil, der auf marktorientierte technische
Produkte ausgerichtet ist? Ist auch hier inzwischen die
Interdisziplinarität gewährleistet, und haben Sie Lehren
gezogen aus den Erfahrungen bei der Entwicklung des
sogenannten Nacktscanners?
Frau Kollegin Sager, das waren jetzt viele Fragen. Ich
will versuchen, es in der vorgegebenen Zeit zu beantworten.
({0})
Wir haben gute Erfahrungen gemacht. Der Erfolg des
nationalen deutschen Sicherheitsforschungsprogramms
besteht darin, dass wir die gesellschaftlichen Aspekte
frühzeitig einbezogen haben. Wir betreiben keine Beschaffungsforschung, sondern wir beziehen die denkbaren späteren Nutzer bereits frühzeitig mit ein. Insofern
werden auch in dem neuen Programm Forschungsthemen bzw. Konzepte und Methoden zur Risikoanalyse, zu
Fragen der Risikobewertung, zur Frage der Risikopriorisierung und auch zur Frage des Risikobewusstseins in
der Bevölkerung berücksichtigt.
Wir haben Datenschützer, Juristen, Ethiker, Sozialund Geisteswissenschaftler beteiligt, und zwar nicht erst
am Ende, wenn etwas bereits entstanden ist, sondern
frühzeitig bei der Formulierung der Forschungsprojekte;
denn wir wollen, dass die Ergebnisse später genutzt werden können.
Jetzt schaue ich den Präsidenten an, um herauszufinden, ob ich die Frage zu den Nacktscannern noch beantworten soll, auch wenn das rote Licht schon leuchtet.
Angesichts der Tatsache, dass das allgemein von Interesse ist: Machen Sie das.
({0})
Der Großzügigkeit des Präsidenten folge ich. - Frau
Kollegin Sager, Sie werden sich daran erinnern, dass
Bundesforschungsministerin Schavan bereits im Jahr
2008 zusammen mit dem damaligen Innenminister
Schäuble den Einsatz von Nacktscannern an europäischen Flughäfen deutlich kritisiert hat. Sie hat gefordert,
dass die Sicherheitsforschung an besseren Lösungen arbeiten muss und zwar im Dialog zwischen Technik und
Ethik; das Ziel müsse eine Detektion ohne Körperbilder
sein. Dabei hat die Forschungsministerin, Frau Schavan,
klargestellt, dass die Geistes- und Sozialwissenschaften
hier nicht nur als bloße Akzeptanzbeschaffer eingesetzt
werden dürfen, sondern dass die ethische Forschung
- das ist unser gemeinsames Anliegen - von Anfang an
die technischen Lösungen bestimmen muss. Das war
und ist die Richtschnur.
Konkret fördern wir als BMBF im Sicherheitsforschungsprogramm die Erforschung der Terahertz-Technologie für eine nächste Generation Personenscanner, inklusive einer ethischen Begleitung und einer Evaluation
sowie Handlungsempfehlungen für die Technikgestaltung. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen,
dass wir auf die Zusammenarbeit mit dem Datenschutz
sowie mit den Sozial- und Geisteswissenschaftlern gerade in diesem Bereich allergrößten Wert legen.
Als Nächste habe ich die Fragestellerin Frau Kollegin
Ewa Klamt.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
Großveranstaltungen stellen ja hohe Anforderungen an
den Veranstalter, besonders auch im Bereich der Sicherheit. Mich würde interessieren, ob es ein Forschungsprojekt gibt, das die Sicherheit von Großveranstaltungen
untersucht. Ich frage dies besonders im Hinblick auf die
Ereignisse bei der Love Parade in Duisburg.
Vielen Dank, Frau Kollegin Klamt, für diese, wie ich
glaube, sehr wichtige Frage. Wir alle haben noch die
schrecklichen Bilder vor Augen, auf denen zu sehen ist,
wie es bei einer Großveranstaltung im Ruhrgebiet zu einer Katastrophe gekommen ist, bei der es letztlich nicht
gelungen ist, zu verhindern, dass es Opfer gab.
Im Rahmen des Forschungsprogramms für die zivile
Sicherheit geht es auch um Großveranstaltungen. Ganz
konkret wird an einem Projekt zur Erforschung eines
Evakuierungsassistenten für den Krisenfall bei Großveranstaltungen gearbeitet; er nennt sich Hermes. Am Beispiel der Multifunktionsarena in Düsseldorf, die eine
Kapazität von 66 000 Zuschauern hat, wird durch Simulation einer Gefahrenlage untersucht, wie Menschen bei
Großveranstaltungen zielgerichtet aus der Gefahrensituation herausgeführt werden können. Der Evakuierungsassistent soll den Entscheidungsträgern, die die Situation gestalten können und gestalten müssen, durch
frühzeitige Prognosen - auch durch Stauprognosen, an
denen deutlich wird, an welchen Stellen es zu Ansammlungen von Menschenmassen kommen kann, die keinen
Weg sehen, aus der Gefahrensituation herauszukommen Informationen liefern, damit diese die Lage richtig einschätzen können, sodass auch das Sicherheitspersonal
und die Rettungskräfte optimal eingesetzt werden können. Konsequenz all dieser Projekte muss sein, dass die
Notfallpläne insgesamt an deren Ergebnissen ausgerichtet und entsprechend verändert werden.
Nächster Fragesteller ist der Kollege René Röspel.
95 Jahre sind eine sehr lange Programmdauer; aber
Spaß beiseite. - Wir haben gerade gehört, dass das letzte
Programm nicht evaluiert worden ist, obwohl es über
100 Millionen Euro gekostet hat. Sind denn schon Ergebnisse oder Produkte aus dieser Forschung in das tägliche Leben oder die Arbeit zum Beispiel von Polizei,
THW und anderen eingeflossen?
Ja, Herr Kollege Röspel. Es gibt sogar eine Zusammenstellung des BMBF, in der die diversen Projekte, die
durchgeführt werden, zusammengestellt sind und in der
Thema und Sinn des jeweiligen Projekts anschaulich beschrieben werden.
Ich habe vorhin bereits deutlich gemacht: Innerhalb
der Programmphase von 2007 bis 2011 sind zeitversetzt
diverse Projekte auf den Weg gebracht worden. Die ersten dieser Projekte haben jetzt das Ende ihrer Laufzeit
erreicht. Wir haben dafür gesorgt - ich habe es angesprochen -, dass nun Studien zur Evaluation der Projekte, die
das Ende ihrer Laufzeit erreicht haben, durchgeführt
werden. Diese Evaluationsstudien werden zeitversetzt
auch bei weiteren Projekten durchgeführt.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Patrick
Meinhardt.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, meine Frage bezieht sich auf das Volumen, über das wir uns unterhalten.
Also: Welches Volumen hat der Markt für zivile Sicherheitstechnologien und -dienstleistungen? Daran möchte
ich gerne folgende Ergänzungsfrage koppeln: Wie erfolgreich sind deutsche Institutionen im Rahmen des europäischen Sicherheitsforschungsprogramms?
Herr Kollege Meinhardt, Sie haben das Thema Volumen des Marktes angesprochen. Es sieht so aus, dass das
Thema Markt für zivile Sicherheitsforschung vor der
Amtszeit von Frau Bundesforschungsministerin Schavan
überhaupt nicht im öffentlichen Bewusstsein war. Heute
können wir feststellen, dass die damalige Bundesregierung und Bundesforschungsministerin Schavan mit dem
Forschungsprogramm für die zivile Sicherheit eine richtige Entscheidung getroffen haben.
Allein im Jahr 2008 hatte der Markt für zivile Sicherheitsforschung und -dienstleistungen in Deutschland
nach einer Untersuchung des BMWi ein geschätztes Gesamtvolumen von rund 20 Milliarden Euro. Hier besteht
also ein Riesenpotenzial für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für kleine, mittlere und größere Unternehmen, sich einzubringen. Es wird damit gerechnet,
dass bis zum Jahr 2015 eine Steigerung des Marktvolumens auf rund 31 Milliarden Euro zu verzeichnen ist. Es
handelt sich also um einen wachsenden Markt, auf dem
sich unsere Partner einbringen können.
Dies ist nicht nur in Deutschland so, sondern natürlich
auch im europäischen Rahmen. Die EU-Kommission
geht nach einer Studie davon aus, dass der globale Markt
für Sicherheitstechnologien und -dienstleistungen im
Jahr 2008 ein Gesamtvolumen von 100 Milliarden Euro
hatte. Insofern macht es Sinn, dass sich deutsche Unternehmen, Betriebe, die Fraunhofer-Gesellschaft, Fachhochschulen und Universitäten national, aber auch international mit ihrem Know-how einbringen.
Sie haben darüber hinaus die Relevanz der deutschen
Teilnahme am europäischen Sicherheitsforschungsprogramm angesprochen. Ich kann in diesem Zusammenhang die erfreuliche Mitteilung machen, dass sich
Deutschland beim europäischen Sicherheitsforschungsprogramm zum erfolgreichsten Mitgliedstaat entwickelt
hat, und zwar sowohl hinsichtlich der Projektbeteiligung
wie auch bezüglich der Mittelrückflussquote. Das ist
also ein klarer Erfolg dieser Bundesregierung und der
Beteiligten, die dieses Projekt insgesamt mitgetragen haben.
Die Mittelrückflussquote stieg von 10 Prozent auf
mittlerweile 15 Prozent.
Sie sehen: Wenn man so umfangreiche Fragen stellt,
bekommt man auch lange Antworten. - Vielleicht können Sie jetzt zum Schluss einen zusammenfassenden
Satz sagen.
Ja. - Das heißt, die Mittelrückflussquote steigt, und
wir sind sehr froh darüber, dass bei vier von fünf geförderten Projekten ein oder mehrere Partner aus Deutschland kommen.
Prima. - Kollege Dr. Ernst Rossmann ist der nächste
Fragesteller.
Anknüpfend an den Kollegen Röspel frage auch ich
zur Evaluierung nach. Es gibt ja Produkte und Patente.
Können Sie vielleicht ein Beispiel dafür nennen, wie
dieses Programm seit 2007 in Richtung Regulierung
oder Normierung handlungsleitend gewirkt hat? Ansonsten warten wir auf den Evaluierungsbericht. Aber, wie
gesagt: Es geht nicht nur um Hardware, sondern letztlich
auch um die politisch-administrative Verwaltungsberatung.
Herr Kollege Rossmann, ich weiß nicht, ob ich Ihre
Frage richtig verstanden habe. Klar ist, dass wir rechtlich
und politisch die Regelung in Bezug auf ein ziviles Sicherheitsforschungsprogramm getroffen haben. Diese
Norm wird bei allen Projekten eingehalten.
Zur Normierung und Normgebung insgesamt und damit auch zur Standardisierung: Dies ist ein wichtiges
Thema für die Sicherung der internationalen Vorreiterstellung deutscher Anbieter. Wir müssen uns also auch
auf internationaler Ebene um die Normgebung kümmern. Das tun wir mit dem Normungspolitischen Konzept der Bundesregierung. Wir wollen die Rolle der entwicklungsbegleitenden Standardisierung und Normung
im Wachstumsfeld der zivilen Sicherheitsforschung weiter stärken.
Ich darf Ihnen diesbezüglich berichten, dass im
November 2010 am Deutschen Institut für Normung
- DIN - eine Koordinierungsstelle Sicherheitswirtschaft
eingerichtet worden ist, die den nationalen Normungsund Standardisierungsbedarf identifizieren und den Meinungsbildungsprozess in Deutschland voranbringen soll,
um die deutsche Position auf der europäischen und der
internationalen Ebene einzubringen.
Nächste Fragestellerin ist unsere Frau Kollegin Krista
Sager.
Wird es im Rahmen dieses Programms auch Überlegungen und Vorschläge geben, wie die Forschungsergebnisse sowohl in die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten
an den Hochschulen - zum Beispiel für die Sicherheitsingenieure an den Fachhochschulen - als auch zum Beispiel in die berufliche und unternehmerische Aus- und
Weiterbildung integriert werden können?
Frau Kollegin Sager, ich bin mir sicher, dass die
Schaffung eines breiten Netzwerkes in Forschungseinrichtungen, Hochschuleinrichtungen, Ausbildungseinrichtungen und Betrieben mit dazu beigetragen hat und
auch weiterhin dazu beitragen wird, die teilweise hochspeziellen Notwendigkeiten in diesen Fachfirmen oder
auch Einrichtungen im beruflichen und Hochschulsektor
zu artikulieren und dies in die Debatte im Ausbildungssektor und in den Hochschulen mit einzubringen.
Wenn ich es richtig sehe, stellt der Kollege Dr. Martin
Neumann jetzt die letzte Frage.
Vielen Dank. - Ich möchte noch einmal auf das
Thema öffentliche Wahrnehmung zurückkommen, Herr
Staatssekretär. Wir wissen, Sicherheit hat eine sehr
starke emotionale Komponente. Wir wissen auch, dass
in diesem Programm viel Geld steckt. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, damit
das Thema Sicherheitsforschung auch in der öffentlichen
Wahrnehmung stärker als bisher wahrgenommen werden
kann? Das ist wichtig und ein emotionaler Ansatz.
Herr Kollege Professor Neumann, ich habe bereits darauf hingewiesen, dass sich fraktionsübergreifend aus
dem Parlament ein eigenes Gremium gebildet hat, das in
die Debatte der zivilen Sicherheitsforschung auch Aspekte der inneren Sicherheit einbringt. Wir als Bundesrepublik Deutschland haben mittlerweile ein Standing
mit den Forschungseinrichtungen, den Unternehmen und
auch der politischen Prioritätensetzung, die wir vorgenommen haben, die eine große Ausstrahlung hat. Ich
glaube nicht, dass es darum geht, eine große Öffentlichkeitskampagne zu starten.
Es geht darum, dass wir die gute Position, die sich die
Bundesrepublik in diesem Bereich erarbeitet hat, im eigenen Lande, aber auch als der führende Partner innerhalb des europäischen Sicherheitsforschungsprogramms
weiter herausstellen. Bei der Neuformulierung des europäischen Forschungsrahmenprogramms Horizon 2020
wird es darum gehen, diese hervorgehobene Rolle
Deutschlands ein Stück weit zu verteidigen und auch in
der Zukunft zu sichern.
Vielen Dank. - Wir sind am Ende des Themenbereiches. Vielen Dank, Parlamentarischer Staatssekretär
Thomas Rachel.
Nun die Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung. Hier hat sich Kollege Volker Beck zu
Wort gemeldet.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Es ist in den letzten
Tagen bekannt geworden, dass mehrere Mitglieder des
Hohen Hauses vom Verfassungsschutz beobachtet und
vielleicht auch, wenn man den Meldungen aus Niedersachsen Glauben schenken kann, nachrichtendienstlich
überwacht werden. Die Liste steht mittlerweile im Internet.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Bundesregierung, nach welchen Kriterien die Bundesregierung die
Abgeordneten hier im Hohen Hause auswählt, die sie einer Beobachtung und Überwachung durch die deutschen
Geheimdienste zuführt.
Die Antwort der Bundesregierung gibt der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder.
Die Tatsache, dass die Linke vom Verfassungsschutz
beobachtet wird, ist nicht neu.
({0})
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Jahr 2010 entschieden, dass die Beobachtung rechtmäßig ist und dass
das Bundesamt für Verfassungsschutz absolut rechtmäßig gehandelt hat, indem es auch gerade den nichtradikalen Flügel der Linken beobachtet hat, um sich ein Gesamtbild dieser Partei machen zu können.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet nicht
nachrichtendienstlich, sondern es wird das ausgewertet,
was die Abgeordneten öffentlich sagen,
({1})
um sich ein Gesamtbild machen zu können. Genau darum geht es. Zu den Landesämtern kann ich als Mitglied
der Bundesregierung natürlich nichts sagen.
({2})
Ich möchte jetzt der Frau Kollegin Enkelmann das
Wort geben und dann noch einmal dem Kollegen Volker
Beck. Bitte schön, Frau Kollegin Enkelmann.
Vielen Dank, Herr Präsident. - In der Frage ging es
um die Kriterien und um konkrete Abgeordnete dieses
Hohen Hauses, Abgeordnete, die zum Beispiel direkt
und frei gewählt worden sind. Die Frage: Hat sich die
Bundesregierung damit beschäftigt? Welche Kriterien
werden tatsächlich angewendet, um Abgeordnete dieses
Hohen Hauses zu beobachten? Diese Beobachtung erfolgt im Übrigen nachgewiesenermaßen auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln und eben nicht nur auf der
Grundlage öffentlich zugänglicher Quellen. Das belegt
unter anderem mein Bescheid vom Bundesamt für Verfassungsschutz.
Bitte schön, Kollege von Klaeden.
Frau Kollegin Enkelmann, da sich ein Teil Ihrer Frage
darauf richtete, ob dieses Thema in der heutigen Kabinettssitzung eine Rolle gespielt hat, kann ich das mit
Nein beantworten.
({0})
Der andere Teil: Bitte schön, Parlamentarischer
Staatssekretär Ole Schröder.
Das Bundesverwaltungsamt hat bereits darüber entschieden, ob das rechtmäßig war oder nicht.
({0})
- Entschuldigung, ich meinte natürlich nicht das Bundesverwaltungsamt, sondern das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung von 2010. Darin ist genau aufgeführt worden, dass es natürlich rechtmäßig ist, dass
Abgeordnete beobachtet werden, die gerade nicht dem
radikalen Flügel angehören. Es ging damals um den Abgeordneten Ramelow, der eher ein Gemäßigter der Linken ist.
({1})
Das Kriterium ist - um darauf einzugehen -, dass sich
das Bundesamt für Verfassungsschutz ein Gesamtbild
von der jeweiligen Partei machen muss.
({2})
Darum geht es. Deshalb, um sich ein solches Gesamtbild
machen zu können, werden nicht nur besonders radikal
auftretende Exponenten der jeweiligen Partei beobachtet,
({3})
sondern natürlich auch die eher Gemäßigten ihrer Partei.
Es geht um das Gesamtbild.
Kollege Volker Beck.
Darf ich das von Ihnen noch einmal bestätigt haben:
Kriterium ist, dass man gemäßigt ist; dann wird man als
Mitglied der Linksfraktion vom Verfassungsschutz beobachtet?
({0})
Also empfiehlt es sich, zum radikalen Flügel überzutreten, um sicher zu sein, dass man bei seinen Gesprächen
im Abgeordnetenbüro nicht abgehört wird und dass Zettel, die einem gehören, nicht eingesammelt werden.
Ich frage Sie: Nach welchen Kriterien wählen Sie
aus? Bei 27 betroffenen Abgeordneten, also gut einem
Drittel der Fraktion, muss es objektive Kriterien geben,
wen Sie einer solchen Maßnahme zuführen, wenn Sie sie
rechtlich für zulässig halten. Gibt es andere gemäßigte
Abgeordnete in diesem Hohen Hause, die auch die Ehre
haben, dieser Überwachung und Beobachtung zu unterliegen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wenn es in einer Partei verfassungswidrige Tendenzen gibt, dann muss sie selbstverständlich auch vom
Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden.
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es weitere Fragen an die Bundesregierung? - Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 17/8404, 17/8449 Auch hier möchte ich wieder an unsere Minutenregelung erinnern. Für die erste Antwort stehen zwei Minuten zur Verfügung, für die folgenden Fragen und Antworten jeweils eine Minute.
Für die neu hinzugekommenen Kolleginnen und Kollegen wiederhole ich, dass die Signalisierung jetzt optisch erfolgt. Die Uhren rechts und links hier oben sowie
oberhalb der Hammelsprungtüren zeigen jeweils die verbleibenden Sekunden der zur Verfügung stehenden Zeit
an. Zusätzlich gibt es jetzt ein Lichtsignal in Gestalt eines Farbfeldes: grün, gelb und rot. Die Farben lassen
aber nicht auf politische Dinge schließen. Das gelbe und
das grüne Feld werden noch farblich justiert. Es leuchtet
zunächst grün. Die letzten 30 Sekunden werden durch
Gelb verdeutlicht. Nach Ablauf der Redezeit beginnt es,
rot zu blinken.
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10
Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 17/8449 auf.
Wir kommen zur dringlichen Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen:
In welcher Weise konnte die Bundesregierung bei dem
Treffen der Finanzminister der Europäischen Union am
23. Januar 2012 in Brüssel ihre erklärte Absicht umsetzen,
den Fiskalpakt durch einen Rückverweis auch an den ESMVertrag anzuknüpfen, und welche weiteren Forderungen wird
die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel in der Sitzung des
Europäischen Rates am 30. Januar 2012 erheben?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter zur Verfügung. Bitte schön,
Herr Staatssekretär.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Frage der Kollegin Paus beantworte ich wie folgt: Finanzielle Unterstützung zur Stabilisierung des Währungsraums auf der einen Seite und die Einhaltung von Haushaltsdisziplin durch betroffene Länder auf der anderen
Seite sind für die Bundesregierung zwei Seiten derselben
Medaille. Erst mit dem Ansatz Solidarität und Solidität
entstand nach unserer Auffassung ein Ansatz, der den
Markt überzeugt und die Refinanzierung der aktuell in
Schieflage getretenen oder möglicherweise tretenden
Mitgliedstaaten mittelfristig ermöglicht. Daher sieht die
Bundesregierung einen engen fachlichen Zusammenhang zwischen den beiden Regelwerken, die diesen
Zwecken dienen: dem ESM-Vertrag auf der einen Seite
und dem Fiskalvertrag auf der anderen Seite. Beide sind
Bestandteil der rechtlichen Säule für eine neue Stabilität,
mit der die Krise auch zukünftig gemeistert werden
kann. Ohne den Fiskalvertrag entstünden durch den
ESM-Vertrag für sich genommen Fehlanreize zu einer
mangelhaften Haushaltskonsolidierung, die ihrerseits
das Marktvertrauen untergraben könnte und auch die
Möglichkeiten der internationalen Solidarität überfordern würde.
Die Verhandlungen zum ESM-Vertrag sind in fachlicher Hinsicht abgeschlossen. Er ist gestern dem Europaausschuss und dem Haushaltsausschuss in der englischen
Originalfassung und in der deutschen Arbeitsübersetzung
zugegangen. Auch der Fiskalvertrag ist im Ergebnis des
jüngsten Treffens bis auf wenige Fragen konsensfähig. Es
wird möglich sein, beide Vertragswerke zeitlich parallel
zu Ende zu bringen und dem Anliegen der Bundesregierung Rechnung zu tragen, dass beide Elemente des Gesamtvorhabens gemeinsam Wirkung entfalten.
Insbesondere hat die Bundesregierung bei den Verhandlungen in dieser Woche dafür Sorge getragen, dass
der Zusammenhang, den ich politisch beschrieben habe,
auch in den vertraglichen Texten verankert wird. Der
ESM-Vertrag wird eine Klausel enthalten, der zufolge
ein Mitglied den Fiskalvertrag bis zum 1. März 2013 und
dann auch die Schuldenregel rechtlich umsetzen muss,
um Finanzhilfen beantragen zu können. Auch ein juristischer Rückverweis auf den ESM-Vertrag wird im Fiskalvertrag enthalten sein. Unter Betonung der Wichtigkeit
des ESM-Vertrags als ein Element der globalen Strategie
zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion und
der Hervorhebung der Tatsache, dass die Gewährung
von Unterstützung und der Europäische Stabilitätsmechanismus dieses und jenes erfordern, sind wir bereit,
Hilfe zu leisten. Durch den beiderseitigen juristischen
Verweis verbinden wir das.
Die Bundesregierung hat über ihre Forderungen zum
Fiskalpakt wiederholt in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages berichtet. Aus heutiger Sicht besteht
in Vorbereitung auf den Europäischen Rat Ende Januar
kein Anlass, neue Forderungen zu erheben. Unser Ziel
ist, einen möglichst verbindlichen Vertrag zu finalisieren, der Haushaltsdisziplin sicherstellt und die europäischen Institutionen darüber hinaus einbezieht.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin Lisa Paus.
Herr Präsident! Herr Staatssekretär Kampeter, die
Bundesregierung hat sich im letzten Dezember sehr dafür feiern lassen, dass sie sich mit ihrer Forderung nach
einer Schuldenbremse für ganz Europa durchgesetzt hat.
Die Bundeskanzlerin hat gesagt: Das ist der entscheidende Schlüssel zur Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise. - Sie hat das an konkrete Bestandteile geknüpft. So sollte es ein automatisches Defizitverfahren,
Schuldenbremsen in den Verfassungen der einzelnen europäischen Länder und eine Verschränkung mit dem
ESM geben. Nun ist dem nicht so. Es gibt keinen Automatismus und auch keine Schuldenbremsen in den Verfassungen aller europäischen Länder. Die Verschränkung
mit dem ESM befindet sich noch immer in der Verhandlungsphase.
Daher lauten meine Fragen: Erstens. Was trägt der
Pakt zur Lösung der Krise bei, zumal schon bekannt ist,
dass Frankreich den ESM-Vertrag und den Fiskalpakt
nicht zusammen beraten und verabschieden wird? Der
Zeitplan sieht lediglich vor, dass Frankreich den ESMVertrag wahrscheinlich im April verabschieden wird.
Für den Fiskalpakt gibt es bislang kein definitives Datum.
Zweitens. Was schlagen Sie dem Hohen Hause für ein
Beratungs- und Ratifizierungsverfahren vor?
Ihre Äußerungen bestehen in der Summe aus Fragen
und politischen Einschätzungen. Ich will versuchen, ein
paar Ihrer Fragen in der vorgegebenen Zeit zu beantworten.
Erstens. Frau Kollegin Paus, im Bereich der nationalen Schuldenregeln sind wir in den letzten Wochen erheblich vorangekommen. Die deutsche Position findet
sich im Entwurf des Fiskalpakts wieder. Auch die Regelung zu umgekehrt qualifizierten Mehrheiten, also zu automatischen Sanktionen, entspricht im Wesentlichen
dem, was dem deutschen Parlament als deutsche Verhandlungsposition mitgeteilt wurde. Insofern glaube ich,
dass ESM-Vertrag und Fiskalpakt eine sehr solide Basis
bilden, um Solidarität und Solidität zu erreichen.
Zweitens. Die Ratifizierungsverfahren werden wir
nach Abschluss der Verträge einleiten. Geplant ist, nach
den Beratungen des Europäischen Rats am 30. Januar
den ESM-Vertrag im Februar zu finalisieren. Dann wird
dem Deutschen Bundestag ein Ratifikationsgesetz zugeleitet, ein technisches Umsetzungsgesetz, in dem die Regeln für die innerparlamentarische Begleitung dieses
Mechanismus niedergelegt werden.
Drittens. Da wir davon ausgehen, dass wir im Jahr
2013 Finanzmittel für den ESM bereitstellen werden,
werden wir Ihnen einen Nachtragshaushalt vorschlagen.
Was die Umsetzung und Ratifikation des Fiskalpaktes
angeht, wird das analog laufen.
Abschließend: Ich kann Ihnen keine Auskunft darüber geben, wann andere Staaten das beabsichtigen.
Ihre Spekulationen zu Frankreich hängen auch mit
Wahlterminen zusammen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass unabhängig von dem Ausgang von Parlamentswahlen in allen europäischen Staaten die Zusagen,
die die Regierungen am 30. Januar oder in der Folge geben, von den Parlamenten umgesetzt und entsprechende
Vereinbarungen ratifiziert werden. Dies ist eine gute
Übung in Europa, die sich in der Vergangenheit stets bewährt hat.
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin Lisa Paus.
Nichtsdestotrotz wird es definitiv eine zeitliche Lücke
zwischen der Neuausstattung des ESM und den dann
geltenden Schuldenbremsen in den jeweiligen Ländern
geben. Es wäre schon interessant, zu sehen, wie die Bundesregierung das für diese Krisenphase beurteilt.
Vor allen Dingen würde ich aber gerne Folgendes
wissen. Es gab intensive Diskussionen über eine notwendige weitere Aufstockung des ESM. Dieser Aufstockung verweigert sich die Bundesregierung nach wie
vor. Kann die Bundesregierung begründen, warum das in
dem Fall so ist, warum sie aber gleichzeitig in dieser
Woche sehr schnell zusätzlich 400 Milliarden Euro für
die deutschen Banken bereitstellen möchte?
Frau Kollegin Paus, die in dieser Woche beabsichtigte
zweite und dritte Lesung des Zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, auf die Sie abzielen, hat nichts damit
zu tun, dass die Bundesregierung einen dreistelligen
Milliardenbetrag für die Banken bereitstellen möchte;
wir wollen vielmehr damit für die Bürgerinnen und Bürger Finanzmarktstabilität in Deutschland garantieren.
({0})
- Nein, Frau Kollegin, sondern indem man für den Fall
der Fälle vorbereitet ist, stabilisierend einzugreifen. Die
bisherige Stabilität des Finanzmarkts in der Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass die Regierung richtig gehandelt hat.
Folgerichtig muss ich Ihnen sagen, dass wir wenig davon halten, bevor der Vertrag über den Europäischen
Stabilitätsmechanismus ratifiziert ist, schon an eine Änderung, sei es eine Aufstockung oder eine instrumentelle
Änderung, zu denken. Wir sind der Auffassung, dass
zum jetzigen Zeitpunkt das Instrumentarium im ESM inklusive des Volumens ausreicht. Wir lassen uns nicht
von den anonymen Märkten treiben, die mit den Worten,
es müsse die Bazooka ausgepackt werden, von den deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern ein Übermaß
an Vorleistungen erwarten.
In diesem Kontext glauben wir, dass in dem Verbund
von Europäischem Stabilitätsmechanismus, strengeren
Fiskalregeln und marktdisziplinierenden Maßnahmen
- ich will nicht von einem Gesamtkunstwerk sprechen,
sondern von einem politischen Verbund - die Sache sehr
gut aufgehoben ist. Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen, die von Marktteilnehmern über welche Kanäle
auch immer in die deutsche Politik getragen werden.
Eine Nachfrage unserer Kollegin Dr. Barbara
Hendricks.
Herr Kollege Kampeter, können Sie erklären, warum
auf die Forderung der IWF-Direktorin Frau Lagarde,
man möge den ESM auf 750 Milliarden Euro aufstocken, und auf weitergehende Forderungen von anderer
Seite, man möge die EFSF und den ESM zeitweise nebeneinander laufen lassen und damit das Volumen insgesamt auf bis zu 1 Billion Euro aufstocken, die Bundeskanzlerin verlauten lässt, das habe man jetzt nicht vor,
zugleich aber Andeutungen sowohl vom Bundesfinanzminister als auch von der Bundeskanzlerin selber gemacht werden, zum jetzigen Zeitpunkt habe man das
nicht vor? Mit anderen Worten: Später könne man darüber nachdenken.
Können Sie erklären, warum die Bundesregierung
schon wieder denselben Fehler macht, indem sie zögerliche Trippelschritte tut und keine Klarheit schafft? Man
kann sagen: Nein. - Dann heißt das aber nicht, dass das
Nein nur für den jetzigen Zeitpunkt gilt, sondern es heißt
definitiv Nein. Oder man kann sagen: Ja. - Dann heißt es
auch Ja. Man muss sich nicht darüber freuen, dass „die
Märkte“ so reagieren, aber sie reagieren nun einmal auf
solche Unklarheiten. Wann endlich wird die Bundesregierung aufhören, solche Unklarheiten zu produzieren?
Frau Kollegin Hendricks, wir haben, glaube ich, ein
unterschiedliches Verständnis von Klarheit und Unklarheit. Es ist die klare Position der Bundesregierung, das
Notwendige zu tun, um die Finanzmärkte stabil und das
deutsche Bankensystem funktionsfähig zu halten. Der
Mix aus materiellen und rechtlichen Vorschlägen für
Maßnahmen, die wir in den vergangenen Wochen gemeinsam mit unseren europäischen Partnern beschlossen
haben, setzt diese Zielsetzung der Bundesregierung gut
um. Dass andere Marktteilnehmer, dass andere Institutionen weitere Forderungen an die Bundesrepublik
Deutschland stellen, ist aus deren Sicht verständlich;
aber wir teilen die Lageeinschätzungen teilweise nicht.
Was den IWF angeht, haben die europäischen Staatsund Regierungschefs am 9. Dezember 2011 beschlossen,
dass sie einer Ausweitung der Kapazitäten des IWF positiv gegenüberstehen. Dazu hat Frau Lagarde auch in der
Öffentlichkeit die notwendigen Vorschläge gemacht.
Dies werden wir konstruktiv begleiten. In unsere Überlegungen werden wir auch den Deutschen Bundestag einbeziehen.
Die Auffassung, es sei angemessen, Begrifflichkeiten
wie „Bazooka“ zu verwenden und möglichst hohe Beträge in das Schaufenster der Märkte zu stellen, da dies
ein Mehr an Stabilität bedeute, teilt die Bundesregierung
nicht. Ich glaube, dass ein großer Teil der Bevölkerung
der Bundesrepublik Deutschland darauf Wert legt, dass
wir nur das an materiellem Risiko eingehen, was wir
auch für notwendig halten, und dass wir dem Deutschen
Bundestag die Ausgabe zusätzlicher Milliardenbeträge
nicht nur deswegen vorschlagen, weil Marktteilnehmer
zusätzliche Forderungen aufstellen.
Vielen Dank. - Die mündliche Frage 115 der Kollegin
Lisa Paus, die sich mit demselben Themenkreis befasst,
wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt gemäß Nr. 10 der Richtlinien für
die Fragestunde zu den mündlichen Fragen 113 und 114
unseres Kollegen Manuel Sarrazin, Drucksache 17/8404.
Diese Fragen beschäftigen sich mit demselben Themenkreis wie die dringliche Frage.
Zunächst rufe ich die Frage 113 des Kollegen Manuel
Sarrazin auf:
Statuiert Art. 7 des sogenannten Fiskalvertrags eine
Rechtsfolge, die eine Stimmabgabe oder ein Schweigen der
Bundesregierung im Rat der Europäischen Union im Vorhinein erzwingt, und verstößt eine solche völkerrechtliche Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten Deutschlands im
Rat gegen die in Art. 23 des Grundgesetzes vorgesehenen Verfahren?
Ich möchte folgende Antwort geben, Herr Kollege
Sarrazin: Art. 7 des Entwurfs des sogenannten Fiskalvertrags statuiert eine Pflicht der Vertragsparteien, deren
Währung der Euro ist, die Vorschläge oder Empfehlungen der Europäischen Kommission im Rahmen des Defizitverfahrens zu unterstützen. Diese Verpflichtung gilt
nicht, wenn unter den Vertragsstaaten, deren Währung
der Euro ist, also unter den Euro 17, festgestellt wird,
dass eine qualifizierte Mehrheit von ihnen, die analog zu
den einschlägigen Bestimmungen der Verträge der Europäischen Union ohne Berücksichtigung des Standpunktes der betroffenen Vertragsparteien ermittelt wird, die
vorgeschlagene oder empfohlene Entscheidung ablehnt.
Eine solche Verpflichtung, die Verpflichtung also,
Sanktionen tatsächlich durchzusetzen - etwas umgangssprachlich formuliert -, entspricht nicht nur der Erwartung einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger
der Bundesrepublik Deutschland, sondern ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da die im
Grundgesetz vorgesehenen Maßnahmen insbesondere
bei der Ratifizierung des Vertrages beachtet und eingehalten werden. Es ist im Übrigen ein geläufiges allgemeines Merkmal von völkerrechtlichen Verträgen, dass
sich die Vertragsparteien hinsichtlich ihrer souveränen
künftigen Handlungsmöglichkeiten bei einem Vertragsschluss binden. Ansonsten würde eine solche vertragliche Bindung hinsichtlich zukünftigem fiskalischen Verhalten relativ wenig Sinn machen, Herr Kollege.
Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege Sarrazin.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär,
wir haben darauf abgezielt, zu klären, ob die Verfahren,
die vor Entscheidungen, an denen sich Deutschland im
Rat beteiligt, nach Art. 23 GG in der innerstaatlichen
Ordnung vorgesehen sind, durch diese völkerrechtliche
Bindung letztlich entwertet oder umgangen werden.
Dies vorausgeschickt würde ich Sie gerne fragen, inwieweit diese Verpflichtung rechtlich verbindlich ist oder ob
sie mehr als eine politische Willenserklärung bzw. als
eine politische Selbstverpflichtung betrachtet werden
kann. Dieser Unterschied könnte zum Beispiel dadurch
zum Ausdruck kommen, dass einerseits Staaten gegenüber Deutschland und andererseits Deutschland oder die
Europäische Kommission gegenüber anderen Staaten einen rechtlichen Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten
des jeweiligen Partners im Rat geltend machen können.
Herr Kollege Sarrazin, selbstverständlich wird die
Bundesregierung alle Verpflichtungen, auch jene, die
sich aus Art. 23 ergeben, vollumfänglich einhalten und
sich rechtstreu verhalten. Der von Ihnen insinuierte Konflikt wird daher von der Bundesregierung nicht gesehen.
Wir kommen damit zur Frage 114 des Kollegen
Manuel Sarrazin:
Welche der im Treaty on Stability, Coordination and
Governance in the Economic and Monetary Union vorgesehenen Maßnahmen könnten im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren - Sekundärrecht - mit qualifizierter Mehrheit des Rates umgesetzt werden, und welche Maßnahmen bedürfen nach
Ansicht der Bundesregierung aufgrund von Inkompatibilität
einer Änderung der europäischen Verträge?
Wo habe ich denn meine Antwort vergraben?
Wer sucht, der findet, Herr Staatssekretär.
({0})
Ich habe es dabei, aber es ist irgendwo vergraben.
({0})
Ah, hier habe ich es.
Die Frage 114 befasst sich ebenfalls mit Rechtsverfahren im Zusammenhang mit dem Primärrecht und dem
Sekundärrecht der Europäischen Union. Ich möchte sie
wie folgt beantworten, Herr Kollege Sarrazin: Für ganz
wesentliche Bestimmungen des Fiskalvertrags fände
sich in den europäischen Verträgen keine Ermächtigungsgrundlage. Das gilt zum einen für die Pflicht zur
Verankerung von Schuldenbremsen im nationalen Recht
und zum anderen für die Einführung eines diesbezüglichen Klagerechts vor dem Europäischen Gerichtshof,
wie es in Art. 8 der derzeitigen Entwurfsfassung des VerParl. Staatssekretär Steffen Kampeter
trags beschrieben ist. Auch eine Vereinbarung über die
Ausübung des Stimmrechts im Defizitverfahren mit der
Folge einer umgekehrt qualifizierten Mehrheit kann
nach Auffassung der Bundesregierung nicht durch Sekundärrecht geregelt werden.
Einzelheiten zu den Kriterien des Defizits und Schuldenstandes sowie zum mittelfristigen Haushaltsziel des
Stabilitäts- und Wachstumspakts, auf die im Vertragsentwurf in Art. 3 und Art. 4 Bezug genommen wird, sowie
zu den Wirtschaftspartnerschaftsprogrammen müssen
auch eine Entsprechung im Sekundärrecht finden.
Ihre erste Nachfrage, Herr Kollege Sarrazin.
Herr Staatssekretär, würden Sie bestätigen, dass die
nun von Ihnen als im Sekundärrecht nicht möglich dargestellte umgekehrte qualifizierte Mehrheit in den Verhandlungen über das Sixpack im letzten Frühjahr vom
Europäischen Parlament bis zur letzten Minute aufrechterhalten wurde und auch von diesem Hohen Hause dort
die Stellungnahme nach Art. 23 als Forderung gegenüber der Bundesregierung aufrechterhalten wurde?
Herr Kollege Sarrazin, ich vermag Ihnen in der Fragestunde nicht jeden Diskussionsstand von europäischen
Institutionen spontan zu bestätigen oder zu dementieren;
aber ich vermute, da Ihre Sachkenntnis sehr detailliert
ist, dass der Sachverhalt von Ihnen zutreffend beschrieben wurde. An der Rechtseinschätzung der Bundesregierung ändert sich dadurch aber nichts.
Vielen Dank. - Nachdem die dringliche Frage und die
Fragen zu demselben Themenkreis aufgerufen und beantwortet worden sind, rufe ich jetzt die übrigen Fragen
auf unserer entsprechenden Drucksache auf.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Fragen 1 und 2 der
Kollegin Mechthild Rawert sowie die Fragen 3 und 4 der
Kollegin Hilde Mattheis werden schriftlich beantwortet.
Somit komme ich zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann zur Verfügung.
Die Fragen 5 und 6 der Kollegin Hiller-Ohm und die
Fragen 7 und 8 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter werden
schriftlich beantwortet.
Somit komme ich zur Frage 9 unserer Kollegin Birgitt
Bender:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Planung für den
Tiefbahnhof Stuttgart 21 für vier Bahnsteige mit insgesamt
16 000 Quadratmeter Bahnsteigfläche - einschließlich der
Flächen für Aufzüge, Treppenaufgänge, Stützpfeiler usw. - im
Vergleich zum bestehenden Kopfbahnhof mit acht Bahnsteigen mit insgesamt 21 710 Quadratmeter, wobei die Bahnsteigflächen im Tiefbahnhof nicht erweiterbar sind, wohingegen
die Bahnsteigflächen im Kopfbahnhof verlängert und auf
30 000 Quadratmeter erweitert werden können?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Sehr geschätzter Herr Präsident, ich beantworte die
Fragen 9 und 10 gleich gemeinsam, da sie denselben
Sachzusammenhang haben.
Dann rufe ich auch die Frage 10 der Kollegin Birgitt
Bender auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Deutsche Bahn
AG die nach der Fertigstellung des Projekts Stuttgart 21 freiwerdenden Gleisflächen an die Stadt Stuttgart verkauft hat
und diese Flächen bisher nicht durch ein Stilllegungs- und
Freistellungsverfahren nach den §§ 11 und 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes entwidmet worden sind?
Die Fragestellerin fragt nach dem Projekt Stuttgart 21
und den entsprechenden Grundstücksgeschäften. Bei
Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern
um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen
Bahn AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind
Vorhabenträger und Bauherr. Das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart
und die Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich als
Aufgabenträger an der Finanzierung. Der Bund übernimmt mit einem Festbetrag in Höhe von 563,8 Millionen Euro den Anteil für das Projekt Stuttgart 21, der für
die Einbindung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm in
den Knoten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von
Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre.
Grundsätzlich ist bekannt, dass die Deutsche Bahn
AG mit der Stadt Stuttgart einen Vertrag über die Grundstücke geschlossen hat. Für den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur und eventuell erforderliche Verfahren nach
§ 11 und nach § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes
ist die Frage des Eigentums an den Grundstücken nicht
von Belang.
Aufgrund der gemeinsamen Beantwortung Ihrer beiden Fragen können Sie jetzt eine Reihe von Zusatzfragen
stellen. Bitte schön, Ihre erste Frage, Frau Kollegin
Birgitt Bender.
Offenbar ist der Bundesregierung nicht bekannt, dass
das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 7. Dezember 2011 die bundeseigene DB AG zur Erteilung von
Auskünften an das Eisenbahn-Bundesamt verpflichtet
und damit das EBA in die Lage versetzt hat, sich die für
seine Überwachungsaufgabe erforderlichen Informationen durch den Erlass von vollstreckbaren Auskunftsbescheiden zu verschaffen. Deswegen meine Frage: Ist
die Bundesregierung bereit, das EBA anzuweisen, zu
meiner Frage verbindliche Auskünfte von der DB AG
einzufordern, und mir diese mitzuteilen?
Die Frage beantworte ich wie folgt, Kollegin Bender:
Ich glaube, dass die Deutsche Bahn AG in eigener Verantwortung diesen Aufgaben nachkommen wird.
Ihre zweite Nachfrage.
Sind Sie sich darüber im Klaren, dass die anhaltende
Weigerung der Bundesregierung, Fragen zu Stuttgart 21
zu beantworten, dem Bundesverfassungsgericht als Beweismaterial für die von meiner Fraktion im März 2011
beim Bundesverfassungsgericht eingereichte Organklage gegen die Bundesregierung wegen Nichtbeantwortung parlamentarischer Anfragen, unter anderem auch
zum Projekt Stuttgart 21, dienen kann?
Die Bundesregierung ist gerne bereit, alle Fragen zu
Stuttgart 21, die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen,
zu beantworten. Darüber hinausgehende nicht.
Frau Kollegin, Ihre dritte Nachfrage. - Keine. Dann
verzichten Sie auch auf die vierte.
Die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Burkert, die
Fragen 13 und 14 des Abgeordneten Paula, die Fragen 15
und 16 des Abgeordneten Bartol, die Fragen 17 und 18
des Abgeordneten Beckmeyer, die Fragen 19 und 20 des
Abgeordneten Herzog, die Fragen 21 und 22 der Abgeordneten Kumpf, die Fragen 23 und 24 der Abgeordneten Gottschalck, die Frage 25 der Abgeordneten
Herlitzius, die Frage 26 der Abgeordneten Behm, die
Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Hacker und die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Schwarzelühr-Sutter
werden schriftlich beantwortet.
Sie werden es nicht glauben, Herr Staatssekretär, Sie
haben keine mündliche Frage mehr zu beantworten.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Die Fragen 31 und 32 der Abgeordneten
Bulling-Schröter, die Frage 33 des Abgeordneten Fell,
die Frage 34 der Abgeordneten Höhn, die Frage 35 der
Abgeordneten Kotting-Uhl und die Fragen 36 und 37 der
Abgeordneten Vogler werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
Die Fragen 38 und 39 der Abgeordneten Burchardt,
die Fragen 40 und 41 des Abgeordneten Schulz ({0}), die Frage 42 der Abgeordneten Herlitzius und die
Frage 43 des Abgeordneten Hagemann werden schriftlich beantwortet.
Jetzt rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp zur Verfügung.
Als erste Frage zu diesem Geschäftsbereich rufe ich
die Frage 44 unseres Kollegen Volker Beck auf:
Von welchen Kriterien - fachliche Qualifikation, Beschäftigungsdauer, Parteizugehörigkeit - lässt sich der Bundesminister Dirk Niebel in seinen Entscheidungen über Stellenbesetzungen, insbesondere im Leitungsbereich, im
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, BMZ, leiten, und welche Konsequenzen zieht er
aus dem jüngsten Halbjahresbericht des BMZ-Personalrats?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Die Frage beantworte
ich wie folgt: Die Kriterien zur Besetzung sind in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz und § 9 BBG
Eignung, Befähigung und fachliche Leistung. Die Parteizugehörigkeit darf unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 3
Grundgesetz nicht abgefragt werden.
({0})
Bei der Besetzung von Abteilungsleiterstellen ist es
allgemein anerkannte Staatspraxis, dass neben der generellen fachlichen Eignung in Einklang mit Art. 33 Abs. 2
Grundgesetz und § 9 BBG eine Übereinstimmung mit
der politischen Grundausrichtung und den Zielen der
Bundesregierung sowie ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Hausleitung erforderlich sind.
Der Tätigkeitsbericht des BMZ-Personalrates für das
zweite Halbjahr 2011 wird mit dem Personalrat und der
gesamten Belegschaft im Rahmen der nächsten Personalversammlung diskutiert. Diese wird am 10. Februar
sein.
Ihre erste Nachfrage, Kollege Volker Beck.
Eine inhaltliche Aussage zu meiner Frage habe ich
jetzt nicht gehört, nur allgemeine Plattitüden. Ministerien, Frau Kollegin, sind keine Wahlkampfzentralen und
auch keine Endlager für verdiente Parteifunktionäre. Vor
diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, was das
Ministerium auf folgende Passagen des Tätigkeitsberichts des Personalrates für das zweite Halbjahr 2011
entgegnet. Dort heißt es:
Die Schaffung der neuen Abteilung PK und neuer
Koordinierungs- und Steuerungsreferate in der Abteilung 2 saugt zusätzliche Personalressourcen auf.
Vor diesem Hintergrund lehnt der Personalrat die
von der Leitung angestrebte Neuordnung des Hauses ab. Es besteht schlicht kein Spielraum für ein
solches Aufpumpen der Strukturen.
Volker Beck ({0})
Hier soll viel Personal eingesetzt werden, das wir
nicht haben, und hier wurde ein Organigramm geschneidert, das nicht der Stärkung der Fachreferate,
sondern der Schaffung von Steuerungseinheiten
dient, die die schon bestehende Trennung zwischen
operativen Einheiten und Planung/Leitung eher
zementiert als überwindet. Entsteht mit Abteilung
P & K die „Kampa“ für 2013? Wird das BMZ fit
gemacht für den Wahlkampf?
Ich hätte gerne eine konkrete Erwiderung von Ihrer
Seite. Können Sie diese Vorwürfe des Personalrates Ihres Hauses widerlegen?
Herr Kollege Beck, ich verweise ebenfalls auf den
von Ihnen zitierten Tätigkeitsbericht des Personalrates
des BMZ für das zweite Halbjahr 2011, und zwar auf die
Eingangspassage. Bevor der Personalrat zu seinen Kritikpunkten kommt, schreibt er:
Der Personalrat gratuliert der Leitung zur Durchsetzung seit Langem berechtigter Stellenforderungen.
Wir bedanken uns ausdrücklich für das in diesem
Zusammenhang gezeigte Engagement. Keine Leitung der Vergangenheit hat sich derart für Stellenzuwächse eingesetzt, und dazu mit solchem Erfolg.
({0})
Lieber Herr Kollege Beck, ich glaube, Sie übersehen,
dass dieser Stellenaufwuchs dadurch zustande kommt,
dass wir im vergangenen Jahr eine große Reform unserer
Durchführungsorganisationen auf den Weg gebracht haben. Eine Reform in einem solchen Umfang hat es in den
fünf Jahrzehnten des Bestehens des BMZ unter keiner
Vorgängerregierung gegeben. Jetzt ergibt sich aber die
Notwendigkeit, das Ministerium so aufzustellen, dass es
die neu gegründete GIZ politisch steuern kann.
Zum Schluss will ich Ihnen noch folgende Information mitteilen: Wir sparen unter dem Strich noch
300 Stellen ein. Mit unseren Bemühungen befinden wir
uns also auf der Erfolgsspur.
({1})
Ihre zweite Nachfrage, Kollege Volker Beck.
Begeisterung bei der FDP. - Frau Kollegin, könnten
Sie neben meiner zweiten Nachfrage, zu der ich jetzt
komme, noch meine zuvor gestellte Frage beantworten?
Ich wollte nämlich wissen, was Sie zum Punkt „Wahlkampfzentrale“ sagen.
Ich will nun die Causa Uta Böllhoff ansprechen.
Frau Böllhoff ist eine ehemalige McKinsey-Beraterin
mit FDP-Parteibuch. Die geschätzte Kollegin Sibylle
Pfeiffer, Fachpolitikerin und entwicklungspolitische
Sprecherin der Unionsfraktion, bescheinigt in einem
Brief an die Bundeskanzlerin, dass diese Person keinerlei nennenswerte entwicklungspolitische Erfahrungen
hat.
Nun haben Sie sie zur Abteilungsleiterin gemacht.
Nachdem Sie uns gerade das Beamtenrecht erklärt haben
- ich besitze ebenfalls eine Ausgabe des Grundgesetzes,
worauf das Beamtenrecht rekurriert -, will ich Sie fragen: Wie ist diese Berufung mit Blick auf Eignung und
Befähigung zu erklären, wenn doch keinerlei einschlägige fachpolitische Erfahrung vorliegt? Ihr eigener
Minister sagt dazu, es sei eine Berufung für eine Abteilungsleiterstelle erfolgt und diese Abteilungsleiterstelle
sei eine Stelle für einen politischen Beamten, die Eignung und Leistung, aber auch politische Loyalität voraussetze.
Ich berufe mich in puncto Eignung auf die Expertise
der Kollegin von der CDU/CSU, die ich, wie sie weiß,
außerordentlich schätze und die sich da wirklich gut auskennt. Können Sie uns diese Personalbesetzung erläutern? Ist da die Vermutung nicht naheliegend, dass Sie
gerade eine Wahlkampf-Kampa aufbauen?
Herr Kollege Beck, uns ist gemeinsam, dass wir die
Kollegen und Kolleginnen der Union sehr schätzen.
Zur Frage nach Frau Böllhoff will ich Ihnen sagen:
Frau Böllhoff verfügt sehr wohl über eine große Eignung; sie war nämlich bei ihrem bisherigen Arbeitgeber
zuständig für die Beratung von Entwicklungs- und
Schwellenländern rund um die Themen wirtschaftliche
Entwicklung, Wachstum und Effizienzsteigerung im Bereich der EZ. Sie ist also eine ausgewiesene Expertin.
Zu Ihrer vorherigen Frage lassen Sie mich sagen: Ein
Ministerium hat parteipolitisch neutral geführt zu werden.
({0})
Das betrifft jede Partei.
Auf die Frage nach der Kampa erwarten Sie, glaube
ich, nicht wirklich eine Antwort.
({1})
- Herr Kollege Beck, ich finde Ihre Frage nicht nur abwegig, sondern sie impliziert auch Unverständnis. Ich
kann darüber nur mit dem Kopf schütteln.
({2})
Wir haben bewiesen, dass wir mit unserer Arbeit die
Entwicklungspolitik völlig neu aufgestellt haben,
({3})
und zwar sehr erfolgreich, sehr wirksam und international hoch anerkannt. Ich glaube, das sollten auch Sie anerkennen.
Zu dieser Frage gibt es weitere Nachfragen. - Zunächst der Kollege Niema Movassat.
Danke, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, dass
Sie die Kritik des Personalrats hinsichtlich der Kampa
als abwegig bezeichnen, ist bezeichnend für den Umgang mit dem Personalrat. Mich würde daher interessieren: Wurde der Personalrat bei Stellenbesetzungsverfahren überhaupt einbezogen? Wie wurde mit seiner Kritik
an möglichen Stellenbesetzungen umgegangen? Wenn
Sie die erste Frage mit Ja beantworten sollten: Wie erklären Sie sich dann die Kritik des Personalrats an den
Stellenbesetzungen? Es ist ja eine sehr deutliche Kritik.
Eigentlich ist es ungewöhnlich, dass eine so deutliche
Kritik kommt.
Herr Kollege Movassat, ich finde es nicht ungewöhnlich, dass der Personalrat Kritik äußert. Das haben auch
frühere Personalräte bei früheren Regierungen sehr deutlich und immer wieder getan. Übrigens wurde auch zu
Zeiten der Vorgängerregierung der damaligen Ministerin, Frau Wieczorek-Zeul, im Zusammenhang mit Stellenbesetzungen Vetternwirtschaft und Ähnliches vorgeworfen. Solche Vorwürfe gibt es häufig.
Ich schätze den Personalrat sehr. Die gesamte Leitung
schätzt den Personalrat sehr. Wir pflegen den direkten
Austausch über Kritikpunkte. Diese werden nicht unter
den Tisch gekehrt, sondern darüber diskutieren wir sehr
offen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir bei der Besetzung von Stellen, bei der Auswahl geeigneter Personen
- für welche Stelle auch immer - den Personalrat einbeziehen. Im Ministerium handeln wir nach diesem Verfahren, wie es seit mehr als 20 Jahren üblich ist. Dessen
dürfen Sie versichert sein.
Jetzt die Nachfrage unserer Kollegin Ute Koczy.
Vielen Dank. - Frau Staatssekretärin Kopp, ich muss
Ihnen attestieren, dass Sie versuchen, das Ministerium
zu verteidigen. Sie verteidigen es aber auf sehr dünnem
Boden. Die Faktenlage und die Informationen, die die
Öffentlichkeit erreicht haben, sind so massiv, dass Sie es
nicht schaffen werden, darzulegen, dass das, was gerade
im Hause Niebel rund um die Stellenbesetzungen passiert, tatsächlich ein einmaliger und außergewöhnlicher
Fall ist.
Meine Frage: Wie bewertet die Bundesregierung die
Einschätzung des Personalrats im BMZ, dass durch die
Schaffung neuer Strukturen - eine Abteilung und mehrere Referate - lediglich Versorgungsposten für FDPnahe Personen geschaffen werden, die dringend nötige
Stärkung der Fachreferate aber ausbleibt?
Frau Kollegin Koczy, ich bin ganz sicher, dass Sie mit
Ihrer Vermutung unrecht haben. Die öffentliche Wahrnehmung der letzten Tage beruht zu einem Großteil auf
Vermutungen und sogar anonymen Briefe, die in der Öffentlichkeit auftauchen und in denen die Persönlichkeitsrechte der Bewerber und Mitarbeiter im Ministerium
aufs Schärfste attackiert werden. Seien Sie versichert
- das habe ich vorhin auch im Ausschuss gesagt -, dass
wir alles tun werden, um uns in entsprechender Weise
dagegen zu wehren, dass unsere Mitarbeiter und die
Menschen, die sich bei uns bewerben, angeprangert und
ihre Persönlichkeitsrechte geschleift werden; das lassen
wir nicht einfach so stehen.
Was die Organisation betrifft, darf ich Ihnen im Hinblick auf den genannten Stellenaufwuchs - etwa
182 Stellen in diesem Jahr, wahrscheinlich noch einmal
30 Stellen im kommenden Jahr - versichern, dass wir
natürlich die Strukturen anpassen müssen: Wir wollen
die Organisation so vornehmen, dass hier Kohärenz entsteht, dass es zu einer Effizienzsteigerung und dadurch
zu einer Entlastung der Leitung kommt. Die jetzt angegangene Neuorganisation steht im Einklang mit dem,
was auch in anderen Ministerien stattfindet; sie ist völlig
normal. Das heißt, wir passen unsere Strukturen an; hier
werden nicht irgendwelche Luftbuchungen vorgenommen.
Seien Sie versichert: Wir sind darauf angewiesen, mit
Topleuten die beste Entwicklungspolitik zu machen, die
wir uns nur vorstellen können. Ich finde, Schwarz-Gelb
ist ein Garant dafür, auch wenn es Ihnen schwerfällt, uns
hier Anerkennung zu zollen. Ich halte es für nachvollziehbar und ausdrücklich wünschenswert, dass wir jetzt
die Strukturen entsprechend anpassen.
Jetzt haben wir die Nachfrage unseres Kollegen Uwe
Kekeritz. - Bitte schön, Kollege Kekeritz.
Ich kann da gleich anschließen. Der Personalrat
scheint ein sehr ergiebiges Thema zu sein. Sie haben
vorhin aus seinem Tätigkeitsbericht zitiert. Ich hätte mir
gewünscht, dass Sie noch drei oder vier Zeilen weitergelesen hätten. Dann wäre nämlich gekommen, welche
Einschränkungen der Personalrat vornimmt; nach dem
Lob kam nämlich gleich die Einschränkung.
Ich bin jetzt ein bisschen verwirrt. Vorhin haben Sie
gesagt: Es sind 300 Stellen eingespart worden. Jetzt haben Sie gesagt: Es gibt einen Aufwuchs um 182 Stellen.
Dazu passt, glaube ich, die Aussage des Personalrats im
BMZ, dass mit dem Stellenaufwuchs netto nur wenige
wirklich neue Stellen hinzugekommen sind und angesichts dieser Tatsache dieses Jahr nicht die Zeit ist, um
neue Leitungspositionen zu schaffen. Dazu meine Frage:
Wie bewerten Sie diese Aussage?
Herr Kollege Kekeritz, ich nenne Ihnen jetzt sehr gern
ein paar Daten. Ursprünglich wurde im Rahmen der großen Reform, von der ich gesprochen habe, der Reform
von GTZ, DED und InWEnt, eine Einsparung von knapp
700 Stellen erzielt. Bedenken Sie bitte: Es geht um circa
17 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in 130 Ländern
weltweit und um einen Jahresumsatz von 2 Milliarden
Euro. Wir haben die drei genannten Organisationen zusammengeführt und insgesamt eine Einsparung von
knapp 700 Stellen erreicht.
In einem Gutachten wurde uns eigentlich ein Aufwuchs um 276,5 Stellen zugebilligt, um die Steuerungsfähigkeit im Ministerium herzustellen. Wir haben tatsächlich allerdings nur 210 Stellen in Anspruch
genommen; sie sind uns über den Haushaltsauschuss gewährt worden. 65 Stellen wurden im Rahmen der personellen Verstärkung in 2011 verteilt. Die Stellen von ehemaligen Beratungskräften der GTZ sind nach politischer
Schwerpunktsetzung einzusetzen. 46 zu verteilende Stellen gehen in die wichtige Verstärkung der Außenstruktur. Diese werden dort als Schwerpunktkoordinatoren
eingesetzt. Es gibt 36,5 Stellen aus dem Überhangpersonal des BMVg, die möglicherweise erst im Laufe des
Jahres zur Verfügung stehen werden.
Diese Gesamtbilanz beinhaltet - ich sage es noch einmal - eine Einsparung im Umfang von netto 300 Stellen.
Am 10. Februar werden wir uns mit dem Personalrat im
Einzelnen über die Stärkung der Referate im Ministerium, die der Personalrat in seinem Bericht angesprochen hat, austauschen. Wir wissen natürlich, dass die
Stärkung der Referate wichtig ist; davon gehen wir aus.
Nachfrage des Kollegen Dr. Volker Wissing.
Frau Staatssekretärin, Sie haben sich zu den öffentlichen Debatten über die Personalpolitik früherer Regierungen geäußert. Dazu habe ich eine Nachfrage. Im
Tagesspiegel vom 24. August 2000 war unter der Überschrift „Entwicklungshilfeministerium: Verärgerung über
Wieczorek-Zeul - Belegschaft kritisiert Personalentwicklung“ Folgendes zu lesen:
Im Entwicklungshilfeministerium hängt der Haussegen schief. Die Mitarbeiter sind empört … Der
Grund: Es häufen sich die Fälle, wo Ressortchefin
Heidemarie Wieczorek-Zeul ({0}) Parteifreunde
mit attraktiven Posten versorgt, statt qualifizierte,
bewährte Mitarbeiter des Hauses zu befördern. …
({1})
Auch der bisherigen Leiterin des Ministerbüros verhalf Wieczorek-Zeul zu einem Sprung um sechs
Gehaltsstufen auf die Abteilungsleiter-Ebene …
Und die lukrative Position des Exekutiv-Direktors
bei der Weltbank in Washington soll an einen SPDParteifreund aus dem Bezirk Hessen-Süd gehen,
der bei der Deutschen Stiftung für Entwicklung
({2}) in Bonn arbeitet.
Ich frage Sie, Frau Staatssekretärin: Haben Sie sich
auf diese öffentliche Debatte über die damalige rotgrüne Bundesregierung bezogen?
Herr Kollege Wissing, das habe ich gemeint, als ich
vorhin von einer Vielzahl von Presseberichten aus der
Vergangenheit gesprochen habe. Die Diskussion in der
Öffentlichkeit über die Personalpolitik in Verbindung
mit der derzeitigen Leitung des BMZ, wie wir sie derzeit
erleben, bezieht sich auf den glücklichen Umstand, dass
wir eine große Reform zustande gebracht haben und jetzt
eine Neuorganisation vornehmen. Das heißt, die Vorwürfe, die Sie eben zitiert haben - es gibt eine Vielzahl
weiterer, die seinerzeit in der Presse zu lesen waren -,
bezogen sich auf das normale, alltägliche Geschäft. Bei
uns ist es so: Wir haben einen Neuaufbau des Ministeriums zu gestalten. Es wird versucht, das Ganze in der
Öffentlichkeit zu skandalisieren. Ich darf Ihnen aber versichern, dass wir in Ruhe, mit Besonnenheit und mit allem fachlichen Wissen unsere gewohnt qualitativ hochwertige Arbeit weiterführen werden.
({0})
Nächste Nachfrage, Frau Kollegin Dr. Bärbel Kofler.
Frau Staatsekretärin, ich fand Ihre Aufzählung, in
welchen Bereichen neue Stellen geschaffen worden sind,
interessant. Sie sprachen von 46 Stellen im Außenbereich usw.; dagegen haben wir nichts. Sie haben nur einen Posten vergessen, nämlich die 24 Stellen auf der
Leitungsebene. Mich würde schon interessieren, wie Sie
vor dem Hintergrund, dass die Effizienz gesteigert werden muss - das wird durch das Ministerium immer sehr
betont -, begründen wollen, dass Sie die Stellen im Abteilungsleiterbereich von drei auf fünf, im Unterabteilungsleiterbereich von acht auf zwölf und im Referatsleiterbereich von 49 auf 67 erhöhen wollen.
Frau Kollegin Kofler, was Sie sagen, betrifft genau
die Umstrukturierung im Ministerium. Ich hatte eigentlich noch als Nachtrag erwartet, dass Sie fragen, wie die
zu besetzen seien. Ich will diese Frage gleich mit beantworten. Sie werden erstaunt sein, zu hören, dass die allermeisten dieser Stellen in einem - wie ich eben schon
sagte - seit 20 Jahren üblichen Auswahlverfahren besetzt werden. Zur Wahl stehen diejenigen, die sich bereits beworben haben. Viele davon sind Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, die schon seit vielen Jahren im Haus
sind. Ich betone noch einmal: Die Umstrukturierung des
Ministeriums erfordert es, dass wir auch in die Abteilungen hineingehen. Am Ende soll ein hocheffizient arbeitendes Ministerium stehen. Das ist zu unserem Vorteil;
denn dadurch können wir bessere Arbeit machen.
Wir sind immer noch bei der Frage 44 und haben jetzt
noch die Nachfrage des Kollegen Stefan Liebich.
Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, in der Sendung
Report München wurde aus einem Papier der FDP zitiert: Die Besetzung zahlreicher Stellen mit Liberalen
und die Besetzung des Themas Entwicklungszusammenarbeit seien geeignet, dem Image der FDP als sozial kalt
entgegenzuwirken. Ich frage Sie als Vertreterin der Bundesregierung, wie Sie das bewerten, wo es doch Aufgabe
des Ministeriums ist, sich um die ärmsten Länder der
Erde und nicht um die FDP zu kümmern.
({0})
Herr Kollege, Sie haben völlig recht: Es ist nicht Aufgabe des Ministeriums, irgendwelche Papiere von Parteien zu bewerten.
({0})
Vielen Dank. - Jetzt kommen wir zur Frage 45 unserer Kollegin Ute Koczy:
Wie begründet es die Bundesregierung, dass im Personalreferat des BMZ einem ehemaligen Kreisvorsitzenden der
FDP als Referatsleiter Vorrang gegenüber langjährigen BMZMitarbeiterinnen und -Mitarbeitern gegeben wurde, angesichts der Tatsache, dass der Referatsleiter im Personalreferat
die Kolleginnen und Kollegen gut kennen sollte, und muss dadurch nicht der Eindruck entstehen, dass dieser Umstand vor
allem der Besetzung von Stellen anhand von Kriterien außerhalb der Fachlichkeit dient?
Ich beantworte diese Frage wie folgt: In dem angesprochenen Fall handelte es sich nicht um eine externe
Besetzung, sondern um den Wechsel eines Bundesbeamten mit Behinderung mit langjähriger Erfahrung als Referatsleiter innerhalb der Bundesverwaltung von einem
Bundesministerium, nämlich dem BMBF, in ein anderes.
Diese Mobilität zwischen den Ressorts ist von der Bundesregierung ausdrücklich erwünscht. Sie dient dem
Austausch von Know-how innerhalb der Bundesverwaltung sowie einer Verbesserung der Kohärenz. Das BMZ
freut sich, dass mit dem Wechsel auch der Anteil der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Behinderung im
Haus weiter erhöht werden konnte.
Ihre erste Nachfrage, Frau Kollegin.
Danke. - Es geht immer auch darum, auf die Personalstruktur innerhalb eines Hauses zu schauen. Da sehr
viele Stellen an Leute vergeben werden, die den Liberalen nahestehen, frage ich: Gab es innerhalb des BMZ
keine Person, die für diesen Posten geeigneter gewesen
wäre?
Frau Kollegin Koczy, ich wundere mich über Ihre Bewertung, dass die Leitung des Hauses dazu neigt, Stellen
mit Personen mit einer Parteizugehörigkeit - in diesem
Fall geht es um die Liberalen - zu besetzen.
({0})
Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass wir bei Bewerbern
und Bewerberinnen aufgrund der grundgesetzlichen Bestimmungen nicht nach der Parteizugehörigkeit fragen
dürfen.
({1})
Es gibt einige wenige Posten, die eine besondere Vertrauenssituation mit sich bringen. In diesen Fällen muss
man aufgrund der besonderen Situation entscheiden. Es
ist überhaupt nicht so, dass im Ministerium auszumachen ist, wer welcher Partei angehört.
({2})
Sie können sich vorstellen, dass es in einem Ministerium
mit etwa 650 Leuten eine Mischung an politischen
Orientierungen gibt. Vielleicht gibt es sogar Mitarbeiter,
die gar keiner Partei angehören.
({3})
Ihre zweite Nachfrage, Frau Kollegin.
Es wäre schön, wenn es so wäre. Allein, mir fehlt der
Glaube, Frau Staatssekretärin. Trifft es zu, dass diese
Stelle im Personalreferat nicht ausgeschrieben wurde?
Nach welchen Kriterien wurde diese Stelle mit der Person besetzt, mit der Sie sie jetzt besetzt haben?
Ich habe eben gesagt, dass bis auf wenige Stellen, die
in besonderer Weise der Leitung zugeordnet sind, jede
Stelle ausgeschrieben wird. Die Mitarbeiter werden im
Rahmen eines umfänglichen Verfahrens ausgesucht.
({0})
Selbstverständlich sind alle Stellen nach dem ordnungsgemäßen, nach dem üblichen Verfahren besetzt worden.
({1})
Sie haben nach den Kriterien gefragt. Selbstverständlich wurden die Mitarbeiter nach Eignung und Befähigung ausgesucht. Ich wundere mich über solcherlei Fragen.
Jetzt folgen weitere Nachfragen, zunächst unsere Kollegin Karin Roth.
Frau Staatssekretärin, es ist ja üblich, dass man die
Abteilungsleiter hinsichtlich Funktion und Zusammenarbeit anders bewertet als Referatsleiter. Meine Frage ist:
Warum haben Sie - wenn es so ist, dass die Person, die
Sie eingestellt haben, von außerhalb kam - auf eine Person von außerhalb zurückgegriffen? Denn eine Personalreferatsleitung bedarf nicht unbedingt einer besonderen
Qualifikation hinsichtlich der politischen Ausrichtung.
Frau Kollegin, ich habe gerade zu erläutern versucht,
dass es sich bei der - wie Sie sagen - externen Person
um eine Person handelt, die aus einem anderen Ministerium kam, also von einem Ministerium zum anderen gewechselt ist und dass ein solcher Wechsel sehr befruchtend ist, zumal bei einer hohen Qualifikation, von der
wir profitieren können. Wir wünschten uns, dass es viel
mehr solcher Austausche gäbe. Ich sehe überhaupt nicht,
was Sie bei dieser Art der Besetzung als kritisch ansehen.
Eine Nachfrage unseres Kollegen Dr. Sascha Raabe.
Frau Staatssekretärin, als jemand, der sicherlich nicht
auf Ministerebene tätig gewesen ist, der aber sechs Jahre
lang kleiner Bürgermeister war, kann es einem schon
über die Hutschnur gehen, wenn Sie so tun, als sei ausgerechnet die Stelle des Leiters des Personalreferats,
also die Stelle desjenigen, der verantwortlich für Bewerbungen ist, der darüber zu entscheiden hat, wer in dem
Ministerium eine Stelle erhält, eine Stelle wie jede andere. Ich kann Ihnen sagen: Ich hätte damals nie im Leben ausgerechnet auf diese Stelle irgendjemanden mit einem SPD-Parteibuch gesetzt,
({0})
allein schon deshalb, damit nicht auch nur der Anschein
erweckt werden kann, dass es dort eine Bevorzugung
gibt. Stimmen Sie mir zu, dass man auf solch eine Stelle,
bei der es sich - da hat Kollegin Roth ja recht - nicht um
eine politische Beamtenstelle wie beim Staatssekretär
handelt, erst recht jemanden hinsetzen muss, der allem
Anschein nach neutral ist, der kein Parteibuch hat und
der bei den Bewerbungen der Sache nach auswählt und
entscheidet? Es kann doch nicht sein, dass Sie so tun, als
sei es das Normalste der Welt, dass ausgerechnet dort jemand von der FDP hingesetzt wird.
({1})
Herr Kollege Raabe, ich betone noch einmal ausdrücklich, dass wir auch bei der Besetzung dieser sehr
wichtigen Stelle wirklich nach den Kriterien der besonderen Eignung und der Befähigung vorgegangen sind.
Ich sehe nicht, warum Sie nicht verstehen können, dass
die Person, mit der die Stelle besetzt wurde, im Vergleich zu den übrigen Bewerbern, die möglicherweise da
waren, wirklich die am besten geeignete Person war. Es
ist doch vollkommen klar, dass es in einem solchen Verfahren nach Eignung, Befähigung und Erfahrung geht.
Danach haben wir auch entschieden.
({0})
Vielen Dank. - Es gibt eine weitere Nachfrage der
Kollegin Helga Daub.
Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, ob in der
Amtszeit von Frau Wieczorek-Zeul Personen von außen
auf Führungspositionen im BMZ berufen wurden, bei
denen es sich nicht um politische Beamte gehandelt hat?
Es gibt, Frau Kollegin Daub, verschiedene Presseartikel, die das darlegen. Ich habe nicht im Einzelnen geprüft, ob das den Tatsachen entspricht. Aber ich kann Ih18416
nen sagen, dass das, was in der Presse seinerzeit
besprochen wurde, genau in diese Richtung ging, bis hin
zu der Tatsache, dass beim damaligen Staatssekretär ein
Türschild mit der Aufschrift gehangen haben soll: „In
diesem Haus wird SPD gewählt.“
({0})
Jetzt komme ich zur Frage 46 unserer Kollegin Ute
Koczy:
Wie kann die Bejahung der Frage an die neue Leiterin der
Servicestelle „Engagement Global“, Gabriela Büssemaker, in
einem Interview im Boulevard Baden vom 16. Oktober 2011,
für ihre künftige Anstellung sei bereits alles in trockenen Tüchern und sie werde vom Arbeitgeber selbst zum Ende des
Jahres bekannt gegeben, anders verstanden werden, als dass
Gabriela Büssemaker zu diesem Zeitpunkt bereits eine Zusage
für die Leitung der Servicestelle erhalten hatte?
Sie wird beantwortet durch die Frau Staatssekretärin.
Bitte schön.
Meine Antwort lautet ganz klar: Zu den Aussagen
von Frau Büssemaker im genannten Interview liegen
dem BMZ keinerlei Erkenntnisse vor. Es hat ein transparentes Auswahlverfahren stattgefunden, das durch eine
vom BMZ beauftragte Personalagentur durchgeführt
wurde und über dessen Ergebnis die Bewerber nach Abschluss informiert wurden.
Ihre erste Nachfrage.
Sie versuchen, diese Personalpolitik und Vetternwirtschaft im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung so darzustellen, als ob es bei Stellenbesetzungen nur um Eignung und Befähigung gehe.
Nachdem wir von verschiedenen Seiten schriftliche Informationen zugeschickt bekommen haben, die zeigen,
dass es hier Probleme gibt, haben wir natürlich aufmerksam die Personalie recherchiert, um die es in meiner
Frage geht, die sie gerade versucht haben, zu beantworten. Dabei fiel dieses Interview, das man im Internet findet, auf. Das hat natürlich große Fragen aufgeworfen.
Ich frage Sie: Können Sie definitiv ausschließen, dass
Frau Büssemaker, als sie dieses Interview gegeben hat,
diese Stelle im BMZ gemeint hat?
({0})
Frau Kollegin Koczy, was Frau Büssemaker in einem
Interview im Oktober 2011 gemeint hat, kann ich nicht
sagen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Besetzung der Stelle in einem akribischen Verfahren entschieden wurde; dies ist so verlaufen, wie es stattzufinden hat.
Ich kann Ihnen auch gern Details zum Verfahren nennen.
Es gab 133 Bewerber und Bewerberinnen; eine Essenz
daraus wurde zu Gesprächen eingeladen. Der Kreis
wurde immer kleiner. Die beauftragte Agentur hat aus
den dann übrig gebliebenen Bewerbern und Bewerberinnen die fähigsten ausgesucht. Danach erfolgte die Entscheidung. Das, was Ihre Frage impliziert, also ob Frau
Büssemaker im Vorfeld eine Zusage gegeben wurde,
halte ich für abstrus und für eine Zumutung.
Ihre zweite Nachfrage.
Frau Staatssekretärin Kopp, es ist eine sehr relevante
Frage, und sie ist so gemeint, wie sie gestellt worden ist.
Damit soll klargestellt werden - das ist die Bedeutung
dahinter -: Wenn Frau Büssemaker - man kann sie meiner Meinung nach auch fragen - sagen würde, sie habe
damit eine andere Stelle gemeint, dann wären alle weiteren Nachfragen hinfällig. Aber Sie haben das nicht getan. Dadurch entsteht der Verdacht - diesen müssten Sie
hier eigentlich ausräumen -, dass vorab ein Versprechen
gegeben wurde, dass sie diese Stelle bekommt. Dann
wäre das schöne Auswahlverfahren, von dem Sie hier
gerade sprechen - dies ist gut und richtig und trifft auf
unsere Zustimmung -, hinfällig gewesen. Diejenigen,
die in dieses Verfahren gegangen sind, haben sich zum
Teil vorher absichern wollen, dass die Stelle eben nicht
parteipolitisch motiviert besetzt wird. Wenn Sie diese
Frage nicht eindeutig beantworten, dann bleibt dieser
Verdacht bestehen. Ich bitte Sie noch einmal: Beantworten Sie diese Frage!
({0})
Selbstverständlich beantworte ich Ihre Frage sehr
klar. Was Frau Büssemaker im Oktober 2011 gemeint
hat, fragen Sie bitte sie selbst. Ich kann Ihnen sagen,
dass sie, wie alle anderen, in einem ganz normalen Auswahlverfahren war, und dass ihr die Entscheidung für
ihre Person nach Beendigung dieses Auswahlverfahrens
mitgeteilt worden ist.
({0})
- Ich habe es doch so gesagt. - Sie ist in einem stringenten Auswahlverfahren eine Kandidatin von vielen gewesen. Sie ist am Ende dieses Auswahlverfahrens informiert worden. Nichts weiter ist passiert. Noch einmal:
Zu dem Interview müssen Sie sie selbst befragen. Wir
als BMZ sind damit nicht verbunden.
Eine Nachfrage unserer Kollegin Dr. Bärbel Kofler.
Frau Staatssekretärin, auch ich möchte eine Nachfrage stellen, weil ich es genau wie die Kollegin Koczy
für relevant erachte, wie und in welchen Zeitabläufen
dieses Verfahren gelaufen ist. Ich empfinde es nämlich
als Zumutung für die von Ihnen genannten anderen
132 Bewerber, wenn es Absprachen gegeben haben
sollte, bevor die Bewerber von einer Personalserviceagentur eingeladen worden sind, was auch noch mit entsprechenden Kosten für den Steuerzahler und das BMZ
verbunden war.
Vor diesem Hintergrund möchte ich aus dem Interview zitieren, das Frau Büssemaker dem Boulevard
Baden am 16. Oktober letzten Jahres gegeben hat, und
zwar speziell die Passage zu ihren beruflichen Plänen.
Frau Büssemaker sagte auf die Frage: „Wie sehen Ihre
beruflichen Pläne aus?“:
Ich sage nichts über meinen künftigen Job, weil die
Rahmenbedingungen das nicht erlauben. Ich habe
Vertraulichkeit zugesichert und halte das ein. Der
Arbeitgeber wird das selbst bekanntgeben Ende des
Jahres.
Sie werden uns doch hier nicht weismachen wollen, dass
Frau Büssemaker zeitgleich zu dem Bewerbungsverfahren einen anderen Arbeitgeber hatte, der am Ende des
Jahres bekannt geben wird, dass sie dort eingestellt wird!
({0})
Frau Kollegin Kofler, woher wissen Sie das?
({0})
Woher wissen Sie, dass Frau Büssemaker kein anderes
Angebot hatte? Ich weiß das nicht. Ich kann Ihnen nur
sagen, dass mir keinerlei andere Informationen vorliegen. Ich habe mich rückversichert und kann nur sagen:
Das war für alle 133 Bewerber und Bewerberinnen ein
ganz normales Verfahren. Frau Büssemaker ist am Ende
als die am besten Geeignete ausgewählt worden. Ich
kann Ihnen gerne die einzelnen Schritte - ich habe sie
mir notiert - vortragen. Ich nenne Ihnen auch ein Datum:
Frau Büssemaker wurde der Öffentlichkeit am 17. Januar 2012 in einer BMZ-Pressemitteilung als neue Geschäftsführerin vorgestellt, und zum 1. Februar dieses
Jahres soll sie dieses Amt übernehmen.
Jetzt die Nachfrage des Kollegen Volker Beck.
Frau Kollegin Kopp, vielleicht müssen wir einmal die
Grundlagen dieser Veranstaltung klären. Das ist eine
Fragestunde, in der der Bundesregierung Fragen gestellt
werden. Die Kenntnisse, die die Bundesregierung zur
Beantwortung der Fragen erlangen kann, muss sie sich
besorgen, sobald die Fragen vom Bundestagspräsidenten
zugelassen werden.
({0})
Meiner Kollegin Koczy haben Sie freundlicherweise das
Angebot gemacht, Frau Büssemaker selber zu befragen.
Dafür gibt es keine andere Möglichkeit, als dass wir einen Untersuchungsausschuss einrichten, in dem wir Frau
Büssemaker unter Wahrheitspflicht als Zeugin vorladen.
({1})
Wenn Sie andeuten wollten, dies im Bundestag zu beantragen, bin ich bereit, über eine Zustimmung zu Ihrem
Antrag nachzudenken.
({2})
Ich möchte von Ihnen die genauen Umstände der Einstellung von Frau Büssemaker erfahren. Was Sie nicht
wissen, sollten Sie diesem Hohen Hause im Anschluss
an diese Fragestunde nachreichen. Ich frage Sie: Wie ist
dieses Einstellungsverfahren gelaufen? Welche Personalmanagementagentur war einbezogen? Unter welchen
Voraussetzungen? Wie viele Bewerber gab es? Was sagt
Frau Büssemaker auf Nachfrage, was sie mit ihrer Aussage gemeint hat? Ich erwarte eine wahrheitsgemäße und
vollständige Antwort auf diese Fragen; das ist nämlich
unser verfassungsrechtliches Recht. Das hier ist keine
Talkshow.
Herr Kollege Beck, ich weise Ihre Unterstellung,
nicht wahrheitsgemäß zu antworten, zurück.
({0})
Daran, dass dieses Thema viel zu ernst ist, als dass die
Diskussion darüber hier als Talkshow bezeichnet werden
kann, besteht, wie ich glaube, kein Zweifel. Es geht um
Personen, die keine Personen der Öffentlichkeit sind
({1})
- ich sage das noch einmal -, aber seit einigen Tagen
und Wochen durch die Presse geschleift werden. Ich
finde das alles andere als amüsant.
Ich sage Ihnen noch einmal ganz klar, dass ich nicht
weiß, was Frau Büssemaker in ihrem Interview im Oktober letzten Jahres gemeint hat. Das hat auch nichts mit
dem BMZ zu tun. Warum soll ich sie danach fragen?
({2})
Ich beschreibe Ihnen jetzt das Auswahlverfahren:
Beauftragt mit der gesamten Ausschreibung dieser
Stelle war die Firma Dr. Heimeier & Partner. Diese
Agentur hat übrigens auch schon für die derzeitige Regierung in Baden-Württemberg gearbeitet. Es gab ein
Vorgespräch beim BMZ mit den dortigen Abteilungsleitern. Danach wurde ein Entwurf des Ausschreibungstextes unter Berücksichtigung der BMZ-Auswahlkriterien und der Einstellungsvoraussetzungen für den
öffentlichen Dienst erstellt.
Es gab insgesamt 133 Interessenten, wovon nach
Aussage von Dr. Heimeier & Partner 13 gemäß ihrer Bewerbung prinzipiell geeignet waren, die in das weitere
Auswahlverfahren kamen. Danach gab es ein Auswahlverfahren, das am 21. Dezember 2011 stattfand. Fünf
Personen haben die Befragung im Rahmen dieses Auswahlverfahrens vorgenommen. Acht Kandidaten und
Kandidatinnen stellten sich vor. Davon wurden fünf von
der Auswahlkommission als grundsätzlich geeignet erachtet. Drei davon kamen in die Endauswahl, und die
endgültige Entscheidung über die Stellenbesetzung traf
dann die BMZ-Leitung. Danach erfolgte die Pressemitteilung.
Während dieses Verfahrens haben etliche Personen
bzw. Bewerber im BMZ nachgefragt, ob bereits viele
Bewerbungen vorliegen und ob es überhaupt noch Sinn
macht, sich zu bewerben. Wir als BMZ-Leitung haben
diese Personen dann dazu aufgerufen, sich zu bewerben,
sofern sie die geforderten Voraussetzungen für eine Bewerbung erfüllten.
({3})
Ich nehme Sie gerne noch einmal in die Liste auf,
Kollege Volker Beck. Vorher gibt es aber noch vier
Nachfragen aus der Mitte des Hauses, und zwar zunächst
vom Kollegen Manfred Zöllmer. Bitte schön, Kollege
Manfred Zöllmer.
({0})
Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, Sie haben eben ausgeführt, dass Eignung und Befähigung zu den Kriterien der Einstellung gehören. Es
handelt sich hier ja um eine ehemalige Oberbürgermeisterin der Stadt Ettlingen, die Mitglied der FDP ist und
sich auch in mehreren Interviews öffentlich zu bestimmten Fragen geäußert hat.
Ich habe hier einen Artikel in nordbaden.businesson.de vom 12. November 2010. Dort hatte Frau Büssemaker erklärt, dass Sie nicht zur nächsten OB-Wahl antreten wird. Wörtlich sagte sie - ich zitierte -:
Ich bin aus der Wirtschaft in dieses Amt gekommen
- also Oberbürgermeisterin von Ettlingen und möchte nun wieder zurück in die freie Wirtschaft.
({0})
Weiter heißt es hier:
Der Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik sei in
vielen anderen Ländern selbstverständlich …
Am Ende sagt sie noch einmal wörtlich:
Meine Zukunft sehe ich nun wieder in der freien
Wirtschaft und bitte dies als persönliche Entscheidung zu respektieren.
({1})
Warum haben Sie das denn nicht als persönliche Entscheidung respektiert? Gehört zur Übernahme einer solchen Funktion bzw. Stelle neben der Eignung und Befähigung nicht auch das Wollen? Haben Sie in diesem Fall
auch einmal im Internet recherchiert, wie das heutzutage
ja üblich ist, wenn man jemanden einstellen will?
({2})
Geschätzter Herr Kollege Zöllmer, Sie dürfen sicher
sein, dass auch ich im Internet recherchiere, aber nicht
zu jeder Frage und nicht zu jeder Person. Dafür fehlt mir
die Zeit. Ich frage mich aber, was Sie damit jetzt aussagen wollen.
Das BMZ hat Frau Büssemaker nicht gezwungen,
sich zu bewerben, sondern die Interessenten haben sich
in freier Entscheidung, wie das bei den Liberalen und,
ich hoffe, auch bei anderen üblich ist, dazu entschlossen,
sich zu bewerben. Das ist Fakt. Nur davon kann ich berichten. Noch einmal: Dazu, was 2010 gesagt wurde,
kann ich Ihnen keine Auskunft geben.
Wir haben die Bewerbungen bekommen, 133 an der
Zahl. Diese haben wir in dem üblichen Verfahren gesichtet, und wir sind damit umgegangen. Das ist das Ende
der Geschichte. Was Frau Büssemaker bewogen hat, sich
zu bewerben und nicht wieder in die freie Wirtschaft zu
gehen, bitte ich Sie, Frau Büssemaker zu fragen.
Eine Nachfrage des Kollegen Kekeritz.
Im Prinzip hat Kollege Volker Beck meine Frage
schon vorweggenommen. Aber es ist vom Zeitablauf so,
dass die Entscheidung noch nicht getroffen ist. Was hindert Sie daran, zu bestätigen, dass Sie überhaupt nicht in
der Lage gewesen wären, eine Zusage zu machen? Also
könnten Sie die Frage von Frau Ute Koczy doch mit einem klaren Nein beantworten. Sie könnten doch klar sagen, dass Sie keine Versprechungen und keine Zusagen
gemacht haben, bevor das Bewerbungsverfahren, das
Einstellungsverfahren beendet wurde. Was hindert Sie
daran? Ein Nein habe ich definitiv noch nicht gehört.
Herr Kekeritz, noch einmal: Nein, mir sind keinerlei
Zusagen bekannt. Es gab ein ganz normales Bewerbungsverfahren;
({0})
das habe ich eben noch einmal gesagt. Zu der zeitlichen
Koinzidenz, die Sie hier darlegen, kann ich Ihnen nichts
weiter sagen. Aber hier ist rechtlich einwandfrei verfahren worden. Das will ich hier noch einmal ausdrücklich
unterstreichen.
Karin Roth hat eine Nachfrage.
Frau Staatssekretärin Kopp, Sie haben vorher auf die
Frage von Herrn Beck geantwortet, dass die Leiterin der
Servicestelle keine öffentliche Person sei. Das möchte
ich bezweifeln; denn ganz unabhängig von der Besetzung: Diese Person hat eine Aufgabe in der Öffentlichkeit. Sie arbeitet mit NGO und mit den Ländern zusammen. Sie ist also eine Person des öffentlichen Lebens.
Insofern haben wir, das Parlament, aber auch andere, mit
denen sie zukünftig zusammenarbeiten wird, Interesse
an einer Klarstellung hinsichtlich der Aussage, auf die
meine Kollegen schon eingegangen sind - besser: des
frühzeitigen Signals -, dass sie als Oberbürgermeisterin
nicht mehr antritt, weil sie schon etwas Besseres in petto
hat, egal wo.
Ist es Ihnen möglich, mit der Frau Büssemaker - der
Name ist jetzt bekannt - zu klären, ob sie zu dem Zeitpunkt des Interviews noch eine andere Zusage hatte?
Können Sie auch gegenüber uns, dem Parlament, insofern richtigstellen, dass das unzweifelhaft nicht die
Stelle im BMZ war? Das wäre für öffentliche Veranstaltungen in der Zukunft hilfreich.
Sehr geehrte Frau Roth, ich will noch einmal ausdrücklich betonen: Wenn richtig ist, was ich eben gesagt
habe, dass es keine Vorabzusage singulärer Art gegeben
hat, keinerlei Zusage und keinerlei Vereinbarung unter
dem Tisch, dann ist doch völlig klar, dass Frau Büssemaker,
als sie diese Aussage im Interview gemacht hat - das Interview habe ich gelesen; ich selber kenne Frau Büssemaker nicht, ich habe mit ihr noch nie ein Wort gewechselt -, einfach anderes gemeint haben muss.
(Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Wenn Ihre
Aussage aber nicht richtig war?
- Ich gehe davon aus und auch Sie dürfen davon ausgehen, liebe Frau Hendricks, dass meine Aussage richtig
war, ist und auch bleibt.
({0})
Eine Nachfrage der Kollegin Hänsel.
Danke schön, Frau Präsidentin. - Jetzt hat die Kollegin Roth schon die Frage gestellt, die ich stellen wollte.
Aber anknüpfend an Ihre Antwort darauf ergibt sich
schon die nächste Frage, Frau Staatssekretärin.
Eines wundert mich, ehrlich gesagt. Angenommen,
ich wäre Staatssekretärin
({0})
und würde lesen, dass eine Person, mit der das BMZ
eine Führungsposition besetzen will, eine solche Aussage macht, dann würde ich sofort zum Telefonhörer
greifen und mit dieser Person sprechen. Sie aber sagen,
dass Sie die Person nicht kennen und auch noch nie mit
ihr gesprochen haben. Ich finde, da fehlt der Aufklärungswillen.
({1})
Wie können Sie sagen: „Da steht irgendwas in der
Zeitung; ich habe davon keine Ahnung“, wenn es um
eine wichtige und herausragende Stelle geht? Sie wird
für viele engagierte Leute, Schulen und Entwicklungsorganisationen eine Anlaufstelle sein. Deshalb muss die
Person integer sein. Die Stelle muss auch integer und
verantwortungsvoll besetzt worden sein. Ich würde mich
ärgern, wenn ich so etwas in der Zeitung lesen würde.
Ich würde sagen: „Das kann ja wohl nicht wahr sein“,
und würde dem nachgehen. Daran haben Sie aber anscheinend kein Interesse. Wie können Sie mir sonst erklären, dass Sie bis heute nicht mit dieser Frau gesprochen haben?
({2})
Frau Kollegin Hänsel, was Sie an meiner Stelle machen würden, mag Ihnen überlassen sein. Ich kann nur
sagen, was ich für mich selbst verantworten kann.
({0})
Ich sehe keine Veranlassung, Frau Büssemaker anzurufen. Denn ich halte das, was Sie konstruiert haben, für
abwegig.
({1})
Ich habe hier klar geantwortet. Auch wenn Sie mich
noch länger fragen, werden Sie von mir keine andere
Antwort hören. Wenn es Ihnen darum geht, eine Aktuelle Stunde zu beantragen, dann sagen Sie es doch. Seien
Sie doch so transparent und ehrlich.
({2})
- Ja, machen Sie doch keine Umwege.
({3})
Eine Nachfrage des Kollegen Raabe, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie haben den Zeitablauf präzisiert, indem Sie gesagt haben, das Bewerbungsverfahren
sei im November bzw. Dezember und die letzte Endauswahl am 21. Dezember gewesen. Kollege Zöllmer hat
gesagt, dass Frau Büssemaker im Herbst 2010 - also
etwa ein Jahr, bevor sie als Oberbürgermeisterin aufgehört hat - mit dem Gedanken gespielt hat, in die freie
Wirtschaft zu gehen. Daraus scheint nichts geworden zu
sein; denn sie hat am 16. Oktober 2011 gesagt, sie habe
eine neue Stelle, die sie antreten möchte. Es ist in der Tat
sehr ungewöhnlich, und es wäre auch sehr unglaubwürdig, wenn man schon eine neue Stelle in trockenen Tüchern hat, wie Frau Büssemaker sagte, und sich dann
trotzdem noch in ein Bewerbungsverfahren beim BMZ
begibt.
Weil es die Lebenserfahrung nahelegt, gehe ich fest
davon aus, dass Frau Büssemaker diese Stelle gemeint
hat. In diesem Fall kann sie sie nur von jemandem zugesagt bekommen haben, der dort etwas zu sagen hat. Können Sie ausschließen, dass Minister Niebel oder jemand
in seinem Auftrag Frau Büssemaker vor Abschluss des
Bewerbungsverfahrens eine Zusage gegeben hat? Wann
hat Minister Niebel von der Bewerbung erfahren? Denn
er hat gesagt, er habe keine Bewerber gekannt. Können
Sie ausschließen, dass Minister Niebel vor Abschluss
des Bewerbungsverfahrens von der Bewerbung von Frau
Büssemaker gewusst hat?
Ich habe die Frage mehrmals sehr klar beantwortet.
({0})
- Ich komme gleich noch dazu.
Was Ihre Spekulationen über 2010 und irgendwelche
Motivationen angeht, in bestimmter Weise anderweitig
berufstätig zu sein, ist es ist nicht meine Aufgabe, dazu
Stellung zu nehmen. Das weiß ich schlicht nicht, und das
muss ich auch nicht wissen.
({1})
Was Minister Niebel betrifft, kann ich nicht ausschließen, dass er irgendwann die Liste der 133 Bewerber gesehen hat. Davon gehe ich sogar aus. Das ist eine wichtige Stelle. Deshalb wird er sich bestimmt einmal
erkundigt haben, wie viele Personen sich beworben haben und was das für Leute sind. Das kann ich so nicht sagen.
Aber es geht hier um den Vorwurf, dass vor Eintritt in
ein ordnungsgemäßes Verfahren seitens des Ministers
oder von wem auch immer eine Zusage gegeben worden
sein soll.
({2})
Das suggerieren Sie hier. Da gehe ich nicht mit.
({3})
Ich habe ganz klar gesagt: Nein. - Ich spekuliere nicht
mit Ihnen. Im Übrigen sehe ich keinen Grund, an der Integrität von Frau Büssemaker in irgendeiner Weise zu
zweifeln, wie das hier eben unterschwellig der Fall war.
({4})
Genau das ist der Punkt, den ich bei Personalangelegenheiten absolut ablehne: Menschen durch die Öffentlichkeit ziehen und ihre Persönlichkeitsrechte in Gefahr
bringen. Dazu werde ich nicht beitragen.
({5})
Nun hat Herr Lischka eine Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Ausgangspunkt der letzten Nachfragen ist die Frage
der Kollegin Koczy, die Ihnen bereits seit einigen Tagen
- so die Gepflogenheit - schriftlich vorliegt. In dieser
Frage wird ausdrücklich das Interview vom 16. Oktober
2011 angesprochen. Aus der Frage ist der Vorwurf herauszulesen, dass Frau Büssemaker schon zum damaligen Zeitpunkt möglicherweise entsprechende Zusagen
gemacht wurden. Nun haben Sie bei der Beantwortung
verschiedener Nachfragen mehrfach darauf hingewiesen, dass Sie sich rückversichert und recherchiert hätten.
Ich habe mit Überraschung zur Kenntnis genommen,
dass Sie offensichtlich zumindest nicht selbst bei Frau
Büssemaker nachgefragt haben, wie denn dieses Interview zu verstehen ist, ob sich ihre Aussage möglicherweise auf einen anderen Arbeitgeber bezieht. Dann hätten wir uns viele Nachfragen sparen können. Nun wird
weiter spekuliert.
Meine Nachfrage an Sie lautet: Ist denn zumindest in
Vorbereitung auf diese Fragestunde und die Beantwortung einer Frage, die Ihnen seit Tagen vorliegt, auf Ihre
Veranlassung bei Frau Büssemaker, die zu Ihrem Geschäftsbereich gehört, nachgefragt worden, wie dieses
Interview zu verstehen sei, zumindest im Hinblick darauf, dass möglicherweise ein anderer Arbeitgeber gemeint ist?
Herr Kollege, Sie mögen an meiner Antwort erkennen, dass ich keinerlei Veranlassung sah, deswegen bei
Frau Büssemaker nachzufragen; denn das, was Sie vermuten, fällt völlig aus dem Rahmen. Selbstverständlich
haben wir sehr sorgfältig die Beantwortung der Fragen
vorbereitet; das sind wir dem Parlament schuldig.
({0})
Aber bei Frau Büssemaker anzurufen und sie zu fragen,
was sie im Jahr 2010 mit einer Rückkehr in die Privatwirtschaft und in dem besagten Interview gemeint haben
könnte, ist völlig abwegig. Ich sah keinerlei Veranlassung, bei ihr nachzufragen. Sie mögen meinen, dass sie
vielleicht eine andere Stelle in petto hatte. Aber ich kann
Ihnen das nicht sagen. Wie gesagt, ich sah keine Veranlassung, deswegen bei ihr nachzufragen.
Zu einem Antrag zur Geschäftsordnung gebe ich das
Wort der Kollegin Gleicke.
Frau Präsidentin, ich beantrage für die SPD-Fraktion
gemäß Nr. 1 Buchstabe b der Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse,
Anlage 5 unserer Geschäftsordnung, eine Aktuelle
Stunde zu den Antworten der Bundesregierung auf die
Fragen 45 und 46 sowie die vielen Zusatzfragen, die
dazu gestellt wurden, weil wir die Fragen für nicht ordnungsgemäß und vernünftig beantwortet halten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen sehr
deutlich sagen, dass ich Zurufe, wann das ganze Fragen
ein Ende hat, für ziemlich unangemessen halte.
({0})
Die Fraktion der SPD hat zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 45 und 46 eine Aktuelle
Stunde beantragt. Das entspricht Nr. 1 Buchstabe b der
Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem aktuellen Interesse. Diese Aktuelle Stunde findet im
Anschluss an die Fragestunde statt.
Nichtsdestotrotz fahren wir mit der Fragestunde fort.
Ich rufe die Frage 47 des Kollegen Movassat auf:
Wie bewertet es die Bundesregierung, dass die Leiterin der
neuen Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales
Engagement „Engagement Global“ bereits am 16. Oktober
2011 und somit vor dem Auswahlverfahren des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
zur Besetzung der Stelle im November und Dezember 2011 in
einem Interview mit Boulevard Baden erklärte, sie werde wegen ihres neuen Jobs aus Baden wegziehen und mit ihrem
neuen Arbeitgeber sei „schon alles in trockenen Tüchern“?
Herr Kollege Movassat hat die gleiche Frage wie Frau
Koczy gestellt, in der das Zitat, es sei schon „alles in
trockenen Tüchern“ erwähnt wird. Ich kann Ihnen nur
sagen, dass ich zu den Aussagen von Frau Büssemaker
im genannten Interview nichts sagen kann. Dem BMZ
liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Ich betone noch einmal: Es hat ein transparentes Auswahlverfahren durch
eine vom BMZ beauftragte Personalagentur stattgefunden. Über das Ergebnis wurden die Bewerber nach Abschluss des Verfahrens informiert.
Eine Nachfrage? - Bitte schön.
Danke, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin, Sie
haben recht: Die Frage entspricht im Wesentlichen der
Frage 46. Umso mehr hätte dies Anlass gegeben, sich für
diese Fragestunde schlauzumachen; denn gleich zwei
Fragesteller haben eine ähnliche Frage gestellt.
Wenn ich es richtig sehe, gab es 133 Bewerberinnen
und Bewerber. Am Ende hat Frau Büssemaker den Zuschlag erhalten. Wenn ich mir vergegenwärtige, was ich
über Frau Büssemaker weiß, dann sehe ich nicht, wo ihre
entwicklungspolitische Kompetenz liegt. Ich kann mir
nicht vorstellen, dass 132 andere Bewerberinnen und
Bewerber keinerlei entwicklungspolitische Kompetenz
gehabt haben sollen und man sich deshalb für die Bewerberin entschieden hat, die in dem Bereich bisher gar
nicht gearbeitet hat. Deshalb ganz konkret die Frage:
Welche entwicklungspolitischen Kompetenzen und Erfahrungen bringt Frau Büssemaker für ihre neue Funktion mit?
Herr Kollege Movassat, Frau Büssemaker war, wie
Sie wissen, Oberbürgermeisterin, und sie war lange
Jahre Unternehmerin. Sie hat im Organisations- und Veranstaltungsbereich als Unternehmerin gearbeitet. Sie ist
also in den Bereichen Organisation, Menschen- und Personalführung sowie Veranstaltungen sehr versiert. Sie
hat einen breiten Erfahrungsschatz. Ich kann nur sagen:
Dass sie in die Endauswahl gekommen ist, mag Ihnen
zeigen, wie qualifiziert sie ist.
Ich sage noch einmal: Von den 133 Kandidaten wurden 13 in die engere Wahl genommen. Acht Kandidatinnen und Kandidaten stellten sich vor. Davon wurden
fünf durch die Auswahlkommission als grundsätzlich
geeignet erachtet. Drei davon erreichten die Endauswahl. Die endgültige Entscheidung über die Personalbesetzung erfolgte durch die BMZ-Leitung.
Sie haben eine weitere Nachfrage? - Bitte sehr.
Danke schön. - Meine zweite Nachfrage bezieht sich
auf die Personalagentur. Der Name der Personalagentur
ist bereits gefallen. Was mich interessieren würde, ist, ob
auch sonst privatwirtschaftliche Personalagenturen herangezogen werden, ob das eine neue Praxis ist oder ob
eine alte Praxis fortgesetzt wird. Wenn es eine neue Praxis ist, privatwirtschaftliche Personalagenturen einzusetzen: Werden Sie dies auch in Zukunft tun? Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welche Personalagentur
Sie auswählen?
Nicht bei jeder Stellenausschreibung wird eine externe Agentur beauftragt. Das wird besonders in den Fällen gemacht, in denen eine besonders wichtige Stelle
auszuschreiben ist und wir uns externen Rat holen wollen. Hier handelte es sich um eine solche Stelle, hier haben wir das gemacht. Aber das ist nicht die Norm. Es
wurde schon bei der Besetzung der einen oder anderen
Stelle auf das Know-how einer Personalagentur zurückgegriffen, aber das ist nicht bei jeder Stelle, die zu besetzen ist, nötig. Das mag Ihnen umso deutlicher die Unabhängigkeit bei dieser Personalvorauswahl zeigen. Wir
haben sehr gute Erfahrungen mit dieser Agentur gemacht.
Herr Beck.
Frau Kollegin, Sie haben auf die Fragen zahlreicher
Kollegen zu meiner Frage vorhin sehr ausweichend geantwortet. Deshalb wäre ich froh, wenn Sie es ausnahmsweise mit Matthäus halten würden. Das wäre auch
im Sinne der Präsidentin. In Matthäus, Kapitel 5, heißt
es: Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist,
das ist vom Übel.
({0})
Hat Frau Büssemaker im Oktober 2011 von irgendeiner Stelle im Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung einen Hinweis erhalten, dass sie diese Stelle erhalten wird oder nicht? Ich erwarte nur ein Ja oder ein Nein und kein Ausweichen,
bitte.
({1})
Auch ohne Hinweis auf die Bibel, Herr Kollege Beck,
sage ich noch einmal ganz klar: selbstverständlich nein.
({0})
Dann kommen wir zur Frage 48 des Kollegen Raabe:
Wann hat der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, Kenntnis von der
Bewerbung von Gabriela Büssemaker auf die Stelle als Leiterin
der neuen Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales Engagement erlangt, und wurde Gabriela Büssemaker die
Leitungsstelle vom Bundesminister oder einem Dritten in seinem Auftrag vor Abschluss des Bewerbungsverfahrens direkt
oder indirekt in Aussicht gestellt?
Herr Kollege Raabe, nach Erscheinen der Stellenanzeige - es hat ja eine Stellenanzeige gegeben - hat es
verschiedene Nachfragen bei der Leitung, auch beim
Minister, nach Bewerbungsmöglichkeiten gegeben.
Diese Möglichkeiten sind jeweils bejaht worden.
Die Stelle als Leiterin der Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales Engagement „Engagement
Global gGmbH“ wurde Frau Büssemaker von Bundesminister Dirk Niebel oder Dritten in seinem Auftrag zu
keinem Zeitpunkt vor Abschluss des Auswahlverfahrens
zugesichert. Also noch einmal ganz klar: Zu keinem
Zeitpunkt vor Abschluss des Verfahrens sind hier irgendwelche Zusagen gemacht worden.
Sie möchten eine Nachfrage stellen. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, dann entnehme ich Ihren Aussagen, dass sich der Minister jetzt schon gegenüber dem
korrigiert, was er in aller Öffentlichkeit vor den Medienvertretern hier in Berlin in seiner Pressekonferenz gesagt
hat. Da hat er wörtlich gesagt, dass ihm keine Bewerbung der 133 vorher bekannt gewesen ist. Ich nehme zur
Kenntnis, dass Sie den Minister dort korrigieren. Sie sagen: Es ist durchaus möglich, dass - Sie sagten in einer
vorigen Antwort sogar: Es ist sogar wahrscheinlich, dass
der Minister sich diese Bewerbungen angesehen hat. Das
sagten Sie vorhin. Wir können gerne - Sie schütteln den
Kopf - im Protokoll nachlesen, dass Sie das vorhin gesagt haben: dass es wahrscheinlich ist, dass der Minister
vor Januar, vor der Entscheidung, als die 133 Bewerbungen vorlagen, in sie hineingeschaut hat. Das sagten Sie
vorhin. Der Minister hat das auf der Pressekonferenz
verneint.
Also ist davon auszugehen - so viele Oberbürgermeisterinnen hat die FDP nicht -, dass er mit Sicherheit,
wenn sich unter den 133 - das sagt ja auch die Lebenserfahrung - die einzige FDP-Oberbürgermeisterin
Deutschlands bewirbt, zumindest vor Ende des Verfahrens gewusst hat, dass Frau Büssemaker sich ebenfalls
beworben hat. Es gibt also eine Korrektur zu seiner Aussage auf der Pressekonferenz. Sie sind sich sicher - das
haben Sie eben noch einmal gesagt -, dass man noch
nicht einmal eine Formulierung - es geht um die Frage
der Zusicherung, darum, dass Frau Büssemaker auch
nichts in Aussicht gestellt wurde, als sie sich beworben
hat - wie „Mit großer Wahrscheinlichkeit bekommen Sie
die Stelle“ gebraucht hat? Vorhin haben Sie sich nämlich
nur auf die Zusage beschränkt.
Herr Raabe.
Also, Sie sagen: „Auch ein Inaussichtstellen war vom
Minister oder einem Dritten vorher nicht gegeben“?
Herr Raabe, noch einmal und ganz ruhig, ohne dass
jetzt irgendwelche Worte verdreht werden: Vorhin ging
die Frage an mich, ob ich ausschließen könne, dass der
Minister von der Bewerbung gewusst habe, ob er die Bewerbungen und auch die Bewerbung von Frau Büssemaker
gekannt habe; so habe ich das in Erinnerung. Dazu habe
ich gesagt: Ich kann nicht ausschließen, dass er zwischendurch auch die Liste der Bewerbungen gesehen
hat. Das weiß ich nicht; das kann ich Ihnen einfach nicht
sagen. Ich kann nicht ausschließen, dass er diese Liste
gesehen hat.
Ich habe auch davon berichtet, dass Personen nachgefragt haben, ob sie sich noch bewerben könnten, ob die
Bewerbungsfrist schon abgelaufen sei. Ich habe ganz
klar gesagt, dass es zu keinem Zeitpunkt eine Zusage
vom Minister oder von Dritten - möglicherweise von
von ihm beauftragten Personen - gegeben hat, dass keiner oder keine irgendwelche Zusagen gemacht hat. Mehr
als ein klares Nein zu irgendwelchen Spekulationen auf
Vorabzusagen können Sie beim besten Willen nicht von
mir erwarten. Es hat hier ein ordnungsgemäßes, transparentes Verfahren gegeben. Das Ergebnis kennen Sie.
Mehr kann und werde ich Ihnen auch nach zigmaliger
Nachfrage nicht sagen.
({0})
Herr Raabe, Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte
sehr.
Zumindest hinsichtlich des ersten Teils der Frage bin
ich jetzt als Parlamentarier schon verärgert. Denn Sie tun
gerade so, als würde ich Ihnen diese Frage stellen. Ich
habe doch die Frage vorher schriftlich eingereicht. Sie
lautet:
Wann hat der Bundesminister für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel,
Kenntnis von der Bewerbung von Gabriela
Büssemaker auf die Stelle als Leiterin der neuen
Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales Engagement erlangt …
Darauf sagen Sie: Ich kann das nicht ausschließen. Es
geht nicht um Sie. Der Minister hat mir durch Sie meine
Fragen zu beantworten. Warum kann mir der Minister
meine Frage, die ihm schon seit einigen Tagen vorliegt,
nicht beantworten? Er braucht doch nur zu sagen: Ich
habe es erst im Januar gewusst. Er kann auch sagen: Ich
habe es im Dezember gewusst. Oder: Ich habe es im
November gewusst. - Darauf habe ich doch ein Anrecht.
Sie können doch nicht nach dem Motto antworten: Was
fragen Sie mich? Was soll ich Ihnen anderes darauf antworten? - In der Fragestunde kann doch das Parlament
eine Antwort und nicht Ihre Privatmeinung erwarten.
Das ist richtig. Es geht nicht um meine Privatmeinung. Deswegen wiederhole ich, dass es verschiedene
Nachfragen bei der Leitung - auch beim Minister - gegeben hat, ob man sich denn bewerben könne,
({0})
und dass der Minister dies auch bejaht hat. Ich kann Ihnen aber kein Datum nennen und nicht sagen, wer bei
ihm wann in welcher Weise nachgefragt hat. Ich kann
auch nicht sagen, ob er im Nachhinein eine Liste gesehen hat. Ich glaube auch, das ist nicht relevant. Vielmehr
geht es um die Frage, ob Frau Büssemaker irgendwelche
Vorabzusagen gemacht wurden. Das war nicht der Fall.
Insofern sehe ich die Frage als komplett beantwortet an.
Nun stellt die Kollegin Hendricks eine Nachfrage.
Frau Kollegin Kopp, wir stellen aber schon fest, dass
die Fragen, die in der Fragestunde gestellt werden - die
schriftlich eingereicht werden -, an die Bundesregierung
gerichtet sind. Wenn Sie diese Frage als Mitglied der
Bundesregierung nicht beantworten können, dann liegt
es nahe, dass jetzt der Minister kommt und sie beantwortet; denn die Frage lautet: Wann hat Herr Minister Niebel
Kenntnis erhalten? Wenn Ihnen das in Vorbereitung der
Beantwortung nicht klargemacht worden ist, dann muss
der Minister diese Frage selber beantworten.
Wenn er jetzt nicht in der Lage ist, zu kommen - wir
wollen nicht unbedingt einen Hammelsprung veranstalten -, dann erwarten wir, dass die Bundesregierung diese
Frage durch den Minister schriftlich beantwortet; denn
sie ist noch nicht beantwortet.
({0})
Frau Kollegin Hendricks, ich bin der Meinung, diese
Frage beantwortet zu haben. Wenn Sie sagen, Sie wünschen sich noch mehr Präzision bei der Beantwortung
der Frage - im Hinblick darauf, wann was wo gesprochen oder in irgendeiner Weise übermittelt wurde -,
dann muss sie der Minister persönlich beantworten.
({0})
Ich rufe die Frage 49 des Kollegen Raabe auf:
Wann wurden die Ausschreibung und das Auswahlverfahren
für die Leitung der neuen Servicestelle für bürgerschaftliches
und kommunales Engagement durchgeführt, und wie bewertet
der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung in diesem Zusammenhang die Äußerungen von
Gabriela Büssemaker in einem Interview mit Boulevard Baden
vom 16. Oktober 2011, dass ihre neue berufliche Tätigkeit
zwar schon in trockenen Tüchern sei, sie aber dem Arbeitgeber, der die Stellenbesetzung erst Ende des Jahres 2011 selbst
bekannt geben werde, Vertraulichkeit zugesichert habe?
Bitte sehr, Frau Kopp.
Das ist eine sehr „rare“ Frage. Dazu sage ich Ihnen,
Herr Kollege Raabe: Die Ausschreibung erfolgte am
13. Oktober 2011 in der Zeit und am 15. Oktober 2011 in
der FAZ. Nach einer Vorauswahl durch ein Personalberatungsunternehmen wurde das Auswahlverfahren am
21. Dezember 2011 durchgeführt.
Zu den Aussagen von Frau Büssemaker in dem genannten Interview liegen dem BMZ keine Erkenntnisse
vor.
Eine Nachfrage, Herr Raabe.
Frau Staatssekretärin, wenn die Stellenausschreibung
am 13. Oktober in der Zeit stand, dann ist Frau Büssemaker
eine ganz, ganz schnelle Bewerberin. Sie hat dann ja das
„Bewerbungsverfahren light“, wie es vom Personalrat
Ihres Ministeriums angeprangert wird, zu einem
„Bewerbungsverfahren very fast“ gemacht und ein Turbobewerbungsverfahren durchlaufen, sodass sie die Stellenzusage dann anscheinend schon hatte.
Im Zusammenhang mit dem, was Sie vorhin gesagt
haben, würde ich Sie bitten, Ihr Verhältnis zum Parlament zu überdenken. Wenn Sie gesagt haben - so war
das Motto -, diese Fragen seien nicht relevant: Das ist
nicht etwas, was Sie zu entscheiden haben. Vielmehr
handelt es sich um die ganz einfache Frage: Wann hat
der Minister von der Bewerbung gewusst? Diese ist auch
ganz einfach zu beantworten. Ob wir Ihnen dann glauben - auch wir können eins und eins zusammenzählen -,
dass Frau Büssemaker keine Zusage erhalten hat,
({0})
muss gegebenenfalls auf anderen Wegen geklärt werden.
Auch ich möchte wie Frau Hendricks eine schriftliche
Antwort auf diese Frage haben.
Die schriftliche Antwort bekommen Sie gern. Ich betone noch einmal, hier dargelegt zu haben, dass es sich
um ein ordnungsgemäßes Verfahren handelt. Ich kann
die Skepsis hier wirklich nur schwer nachvollziehen.
({0})
Herr Movassat.
Danke. - Frau Staatssekretärin, in der Westfalenpost
vom 17. Januar 2012 hat Herr Minister Niebel erklärt,
dass auch politische Loyalität Voraussetzung sei bei der
Besetzung verantwortlicher Positionen im Ministerium.
Mich würde interessieren,
({0})
woran die Bundesregierung politische Loyalität misst,
insbesondere auch im Hinblick auf die Mitgliedschaft
der Bewerber in einer der beiden regierenden Parteien in
diesem Hause.
Herr Movassat, es ist geläufige Staatspraxis, dass bei
den Positionen, die sehr eng an der Leitung eines Ministeriums angesiedelt sind, ein spezielles Vertrauensverhältnis gewährleistet sein muss für eine gute Zusammenarbeit. Das hat der Minister sicher auch mit seinen
Aussagen in dem Gespräch mit der Redaktion der Westfalenpost gemeint.
Wir kommen zur Frage 50 der Kollegin Kofler:
In welcher Form war VENRO - Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e. V. - an der
Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber für die Leitung
der Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales Engagement beteiligt, und trifft es zu, dass dem Verband ursprünglich ein Mitspracherecht für das Auswahlverfahren zugesichert worden war?
Frau Kollegin Kofler, auf Ihre Frage nach VENRO
({0})
antworte ich Ihnen wie folgt: VENRO wurde kurz vor
offizieller Bekanntgabe der designierten Geschäftsführung der Engagement Global gGmbH telefonisch über
die geplante Besetzung informiert. Ein Mitspracherecht
im Sinne einer Mitentscheidungskompetenz für die Auswahl ist VENRO nicht zugesichert worden.
Sie haben eine Nachfrage, Frau Kofler?
Selbstverständlich.
Bitte schön.
Sie sagen also, dass das, was VENRO in der selbst
herausgegebenen Pressemitteilung deutlich beschreibt,
nämlich dass ihnen als Vertreter der Nichtregierungsorganisationen im Vorfeld vom BMZ eine Beteiligung am
Konsultationsprozess zugebilligt wurde, nicht stattgefunden hat. Erachten Sie es nicht auch für sinnvoll, dass
bei der Besetzung einer Servicestelle, die eigentlich die
Schnittstelle zum bürgerlichen Engagement darstellt, die
Nichtregierungsorganisationen einbeziehen soll, die
Transparenz und auch Vertrauen bei den vielen Bürgern,
die sich engagieren und um Projekte bewerben, herstellen soll, der Dachverband der Nichtregierungsorganisationen zumindest bei der Aufstellung der Kriterien, nach
denen eine solche Stelle vergeben wird, mit einbezogen
wird?
Frau Kollegin Kofler, ich stimme Ihnen ausdrücklich
zu, dass es Anliegen sein muss - das ist auch das Anliegen des BMZ -, in engem Miteinander mit den Vertretern der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten. Diese
Servicestelle soll ja für die Kommunen und für die Vertreter der Zivilgesellschaft als Beratungsinstanz zur Verfügung stehen und ihnen dabei helfen, Förderanträge zu
bearbeiten und vieles mehr. Wir legen allergrößten Wert
darauf, VENRO und weitere an Bord zu haben.
VENRO war der Meinung - das ist eigentlich der
Hintergrund der Kritik; Sie erinnern sich vielleicht noch
an die Anhörung im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung -, dass die Servicestelle
von einer zivilgesellschaftlichen Trägerschaft geprägt
sein sollte. Im Ausschuss habe ich dazu gesagt - ich wiederhole es hier -, dass wir diesem Wunsch aus ordnungspolitischen Gründen - es geht um die Wahrnehmung von
Eigentümerrechten - nicht nachkommen können. Mit
der Vorgabe des Public Corporate Governance Codex
des Bundes wäre dies nicht kompatibel gewesen. Denn
etwa 80 der 118 VENRO-Verbandsmitglieder und auch
VENRO e. V. erhalten regelmäßig Fördermittel aus den
Programmen der Engagement Global gGmbH. Deshalb
ist es besser - so haben wir entschieden; das ist auch
richtig so -, diese Stelle eben nicht mit einem Vertreter
der Zivilgesellschaft zu besetzen. Das ist sicher nachvollziehbar.
Es bleiben sämtliche Beiräte erhalten. Es bleibt auch
dabei, dass VENRO zehn Plätze in den Beratungsgremien hat. Wir legen großen Wert darauf, mit VENRO
und allen anderen Organisationen eng zu kooperieren.
Denn wir wollen, wie ich eben schon sagte, dass diese
Servicestelle zu noch mehr Engagement der Zivilgesellschaft führt. Dafür brauchen wir natürlich alle an Bord.
Frau Kofler, eine weitere Nachfrage?
Gerade weil wir das zivilgesellschaftliche Engagement, wie Sie sagten, an Bord brauchen, ist es natürlich
schon problematisch, dass ein tiefer Vertrauensbruch
- ich zitiere da die Pressemitteilung von VENRO - als
Folge des von Ihnen gewählten Verfahrens entstanden
ist. VENRO sagt ganz deutlich - dem kann ich mich nur
anschließen -, dass man bürgerschaftliches Engagement
nicht von oben verordnen könne und dass es aus der Zivilgesellschaft heraus entstehen müsse.
Kann man in Zukunft im Rahmen eines Konsultationsprozesses Kriterien festlegen, anhand derer diese
Zusammenarbeit erfolgen kann? Es müssen doch zivilgesellschaftliche Kriterien Eingang finden. Ist es im
Sinne der vertrauensbildenden Maßnahmen, die Sie gegenüber der Zivilgesellschaft durchführen wollen, dass
eine Bewerberin diese Stelle erhält, die ausgewiesenermaßen kein entwicklungspolitisches Profil hat?
Jetzt sind Sie wieder bei der Stellenbesetzung.
({0})
Das Anliegen ist, die Zivilgesellschaft entsprechend einzubinden. Ich habe versucht, dies zu erklären. Es geht
nicht, dass ein Vertreter von Organisationen, die über die
Servicestelle vom BMZ Geld für zivilgesellschaftliche
Projekte bekommen, die Leitung dieser Servicestelle innehat und die Anträge bearbeitet. Das wird jeder einsehen.
Was das Miteinander in den einzelnen Gremien betrifft, kann ich sagen: Es liegt im Moment der Entwurf
einer Geschäftsordnung vor. Es wird darüber beraten,
wie die Einbeziehung stattfinden kann. Ich habe gerade
schon gesagt, dass VENRO in den verschiedenen Gremien etliche Plätze zugesagt wurden. Ich habe nach Gesprächen mit VENRO nicht den Eindruck, dass es hier
zu einem Vertrauensverlust gekommen ist; das hoffe ich
auch nicht. Ich will hier ausdrücklich bestätigen: Wir haben ein Interesse an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Eine Nachfrage der Kollegin Koczy.
Danke. - Die Frage von Frau Kollegin Bärbel Kofler
hatte zwei Teile. Im ersten Teil geht es darum, in welcher
Form VENRO beteiligt war. Diese Frage wurde meines
Erachtens nicht beantwortet. Ich füge hinzu, dass aus der
Pressemitteilung des Dachverbandes der Nichtregierungsorganisationen hervorgeht, dass das Haus Niebel
falsche Erwartungen hinsichtlich des Prozesses geweckt
haben muss. Ansonsten kann man sich diese Pressemit18426
teilung, die uns nach zweijährigem Kontakt mit dem
Hause Niebel auf den Tisch geflattert ist, eigentlich nicht
erklären.
Hier steht zum einen, dass VENRO den Auswahlprozess kritisiert und feststellt, dieser sei nach parteipolitischen Kriterien erfolgt - und damit steht VENRO nicht
alleine -, und zum anderen, dass der vom BMZ im Vorfeld zugesagte Konsultationsprozess mit den Nichtregierungsorganisationen über die Geschäftsführung nicht
stattgefunden hat. Meines Erachtens heißt das nicht, dass
VENRO ein Mitspracherecht im klassischen Sinne eingefordert hätte und dass das zugesichert worden wäre,
sondern dass ein Konsultationsprozess hätte stattfinden
müssen. Wie stellen Sie sich zu dieser Kritik von
VENRO?
Frau Kollegin Koczy, es kommt darauf an, was man
unter einem Konsultationsprozess versteht. Staatssekretär Beerfeltz hatte im Vorfeld Kontakt mit VENRO und
hat VENRO informiert; das habe ich bereits gesagt. Der
Aufbau dieser Servicestelle liegt schon einige Monate
zurück; auch in unserem Fachausschuss haben wir darüber gesprochen. Kritikpunkt war immer die Besetzung
der Leitung dieser Servicestelle mit einer Person. Damals stand noch gar nicht fest, wer das sein würde; da
gab es auch noch keinen Ausschreibungsprozess.
VENRO aber war der Meinung - so habe ich das noch in
Erinnerung -, dass ein Vertreter der Zivilgesellschaft mit
der Leitung beauftragt werden müsste und sollte. Das
war der Kritikpunkt.
VENRO wurde beim Aufbau der Servicestelle häufiger einbezogen, und zwar durch Nachfragen oder durch
Beteiligung im Beirat. Es gibt inzwischen schon Beiräte,
wenn auch in anderer Konstellation und unter anderer
Führung. Ich gehe davon aus, dass diese Beiräte alle bestehen bleiben. Ein Konsultationsprozess bedeutet natürlich kein Mitspracherecht. Vorhin habe ich bereits zum
Thema Mitspracherecht geantwortet. Ich kann Ihnen nur
sagen, dass VENRO ein Mitspracherecht nicht eingeräumt wurde.
Wir hätten noch Zeit für eine Nachfrage des Kollegen
Raabe, für den Fall, dass er sich beim Fragen kurzfasst.
Dafür hätten Sie 15 Sekunden, damit die Zeit für die
Antwort eine Minute betragen kann.
Frau Staatssekretärin, wie hoch waren die Kosten für
das Bewerbungsverfahren?
Das ist eine gute Frage; ich hoffe, ich finde das jetzt
so schnell.
({0})
Die für das Bewerbungsverfahren entstandenen Kosten
belaufen sich auf 24 435,46 Euro Inseratskosten sowie
35 000 Euro Beratungskosten, also insgesamt rund
59 435 Euro.
Damit beende ich die Fragestunde. Die restlichen Fra-
gen werden schriftlich beantwortet.1)
Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf.
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b GO-BT
zu den Antworten der Bundesregierung auf
die Fragen 45 und 46 auf Drucksache 17/8404
Ich erteile das Wort als erstem Redner dem Kollegen
Dr. Sascha Raabe.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Wir haben die Aktuelle Stunde beantragt,
weil wir eben in einer Fragestunde zu der Personalpolitik
von Minister Dirk Niebel keine Antwort darauf bekommen haben, nach welchen Kriterien - außer dem FDPParteibuch - dieser Minister einstellt. Wir sagen: Das
Maß ist voll. Es ist längst voll. Das Fass ist übergelaufen. Wir werden nicht mehr länger hinnehmen, dass das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung zum Versorgungswerk für FDP-Funktionäre verkommt.
({0})
Vom ersten Tage seiner Amtszeit an hat Minister
Niebel eine Vetternwirtschaft betrieben, die ohne Beispiel in der Geschichte dieser Bundesrepublik ist.
({1})
Der Personalrat hat bereits im Januar 2010, wenige Wo-
chen nach dem Amtsantritt von Minister Niebel, gesagt,
dass die Bevorzugung von Parteifreunden seitens des
Ministers weit über das übliche Maß hinausgeht. Sie
werden erkennen, dass sich das wie ein roter Faden
durch alle Stellungnahmen des Personalrates zieht.
Der Minister hat damit nicht aufgehört; es wurde im-
mer schlimmer: Nachdem Herr Niebel zunächst das
Ministerium abschaffen wollte, hat er die Zahl der Ab-
teilungen von drei auf fünf erhöht. Er ist ganz kreativ,
leider nicht bei der Lösung der Armutsprobleme, son-
dern bei der Schaffung neuer Organisationen und neuer
1) Frage 116 wurde zurückgezogen.
Leitungsposten, die er dann wiederum mit FDP-Funktionären besetzt. Sein jüngstes Gesellenstück ist die Schaffung der Abteilung „Planung und Kommunikation“; so
etwas hat es vorher noch nie in solch einem Ministerium
gegeben. Dazu sagt der Personalrat: Das ist eine Abteilung für den Wahlkampf 2013. - Wir sagen: Wir lassen
nicht zu, dass Sie mit Steuergeldern, die für die Bekämpfung der Armut in Entwicklungsländern vorgesehen
sind, eine Propagandaabteilung zur Versorgung Ihrer
Parteifreunde aufbauen, Herr Minister.
({2})
Wir haben in der Fragestunde erfahren, dass das Personal im Ministerium, bis hinunter in die Unterabteilungen und hin zu der Stelle, die bei Ihnen die Personalentscheidungen trifft - Leitung des Personalreferats -, mit
FDP-Parteifreunden durchsetzt ist. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat Ihre Personalpolitik als „abstoßend“
kommentiert, und das ist sie auch. Früher waren Sie Arbeitsvermittler in Heidelberg; heute sind Sie Jobvermittler für FDP-Funktionäre im Ministerium.
({3})
Sie hätten lieber Arbeitsminister werden sollen. Dann
hätten wir wenigstens bei den FDP-Mitgliedern in
Deutschland Vollbeschäftigung.
Ich sage Ihnen: Das ist nicht nur abstoßend; Sie schaden damit auch der Glaubwürdigkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in aller Welt. Wenn man, wie
Sie, in anderen Ländern eine gute Regierungsführung
einfordert - das tun wir auch -, ist das nur glaubwürdig,
sofern man nicht im eigenen Hause selbst Vetternwirtschaft nach Autokratenart betreibt. Sie schaden damit
unserem Ruf in der Welt und auch dem deutschen Steuerzahler.
({4})
Wir müssen dem ein Ende setzen.
({5})
Ich komme jetzt zu etwas, das über den politischen
Vorwurf der Vetternwirtschaft hinausgeht. Ich würde Sie
bitten, da einmal ganz genau aufzupassen; denn hier
kommen wir in einen Bereich, der auch juristisch sehr
heikel ist. Wir wissen, dass Gabriela Büssemaker am
16. Oktober in einem Interview gesagt hat, dass sie als
ehemalige Bürgermeisterin von Ettlingen
({6})
- Oberbürgermeisterin - bereits eine Stelle zugesichert
bekommen hat und der Arbeitgeber dies „Ende des Jahres“ bekanntgeben wird. Da geht es um die hochdotierte
Leitung der neuen Servicestelle. Der Minister hat in einer Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Stelle gesagt, er habe von keiner Bewerbung gewusst. Frau
Staatssekretärin hat es heute schon korrigiert und gesagt:
Na ja, er könnte doch etwas von der Bewerbung gewusst
haben.
({7})
Frau Büssemaker ist anscheinend schon am 16. Oktober fest davon ausgegangen, dass sie diese Stelle bekommt. Wir haben heute in der Fragestunde erfahren:
Das Bewerbungsverfahren hat erst im November, Dezember richtig angefangen; die letzten Gespräche fanden
am 21. Dezember statt; das Ergebnis wurde erst danach
bekannt gegeben. Es drängt sich der Anfangsverdacht
auf, dass hier ein Bewerbungsverfahren von einem externen Personalberatungsbüro durchgeführt wurde, nur
um den Anschein eines gesetzeskonformen Auswahlverfahrens zu erwecken.
({8})
Herr Minister, uns ist gerade gesagt worden, dass dabei Kosten in Höhe von knapp 60 000 Euro entstanden
sind. Ich sage Ihnen: Wenn es zutrifft, dass Sie zum
Schein ein Bewerbungsverfahren durchgeführt haben,
über 130 Bewerberinnen und Bewerbern Hoffnung gemacht haben, knapp 60 000 Euro Steuergelder dafür verwendet haben, dann ist das ganz nah am Tatbestand der
Untreue nach dem Strafgesetzbuch.
({9})
Wenn sich das bewahrheitet, dann hätten Sie Steuergelder missbraucht; dann würde Ihnen nur bleiben, vom
Amt zurückzutreten.
({10})
Wir wissen bereits, dass sich der Minister politisch
vom Amt des Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entfernt hat und zum Minister für
Vetternwirtschaft und Abwicklung geworden ist.
({11})
Aber wenn der Vorwurf zutrifft - wir werden das aufklären, weil Frau Staatssekretärin das nicht aufklären wollte
oder konnte -, dann kann ich Ihnen, Herr Minister, nur
raten: Treffen Sie am Ende einmal in Ihrem Leben eine
richtige Personalentscheidung und gehen Sie!
({12})
Danke.
({13})
Sibylle Pfeiffer hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Sascha Raabe,
({0})
das war dermaßen niveaulos, das habe ich überhaupt
noch nicht erlebt,
({1})
und ich hoffe, lieber Sascha, dass dir das nicht einmal
auf die Füße fällt.
({2})
Dieses Glashaus kann auch einmal zur Falle werden, lieber Sascha, also: Ganz vorsichtig!
Was ist denn passiert? Ich hätte nie gedacht, dass die
Entwicklungspolitik über einen so langen Zeitraum in
den Medien präsent ist. Darüber kann man sich eigentlich nur freuen, weil Entwicklungspolitik etwas Gutes
ist. Die Entwicklungspolitik, die das Ministerium unter
Dirk Niebel mit Unterstützung der FDP und der CDU/
CSU macht, ist hervorragend.
({3})
Deshalb wäre es mir lieb und recht, wir würden über das
Gute reden, das wir in der Entwicklungspolitik machen.
({4})
Aber Fachfragen interessieren offensichtlich nicht, sondern Personalpolitik ist das Thema.
Um eines vorwegzunehmen: Die CDU/CSU-Arbeitsgruppe begleitet das BMZ in allen Fragen konstruktiv
und manchmal natürlich auch durchaus kritisch.
({5})
Vor allen Dingen die Entscheidungen, die mit der Umstrukturierung zu tun haben, betrachten wir kritisch. Das
ist unsere Aufgabe und auch unsere Pflicht. Selbstverständlich gibt es Diskussionen über einzelne Entscheidungen. Aber das klären wir intern, nicht über die Medien und auch nicht im Parlament.
({6})
- Liebe Freunde, ihr wart alle schon in Koalitionen, ihr
alle wisst, wie es läuft, ihr wisst, wie das geht. So war es
schon immer, und so wird es dummerweise auch in Zukunft sein. Deshalb meine Warnung, lieber Sascha: Was
hier eben an Äußerungen gemacht wurde, kann einem
vielleicht irgendwann auf die Füße fallen.
({7})
Natürlich hat die Opposition Freude daran, solche
Dinge aufzugreifen. Dafür habe ich sogar Verständnis,
vielleicht würden wir es genauso machen, das weiß ich
nicht.
({8})
Das ist ein weiterer Grund, warum diese Warnung von
mir kam.
Ich finde, wir hängen dieses Thema definitiv zu hoch.
Man könnte auch meinen, wir schießen mit Kanonen auf
Spatzen; denn Entwicklungspolitik auf Personalpolitik
zu reduzieren,
({9})
wird der ganzen Wahrheit nicht gerecht, und das tut auch
der Sache nicht gut.
({10})
Machen wir uns nichts vor: Die Entscheidung über
die Strukturen eines Ministeriums unterliegt der Entscheidungshoheit des zuständigen Ministers. Eine Umstrukturierung des Ministeriums - einige haben sich
wahrlich völlig erfolglos daran versucht; über Details
kann man in diesem Zusammenhang sicherlich diskutieren - ist zwingend notwendig. Das betrifft vor allem die
Fusion GTZ, DED und InWEnt. In diesem Fall muss gehandelt werden. Auch hier ist übrigens die Vorgängerregierung mit ihrer Ministerin kläglich gescheitert.
({11})
Nachdem ich schon ziemlich lange in der Entwicklungspolitik tätig bin, weiß ich, dass wir auch schon damals diese Diskussionen mit der Ministerin geführt haben. Im Übrigen hat damals auch schon der Betriebsrat
diese Diskussion mit der Ministerin geführt.
({12})
Viele Briefe sind geschrieben worden, auch der Personalrat hat Briefe geschrieben. Das ist alles nichts Neues,
das ist ein Déjà-vu, das hatten wir alles schon; nur wechseln wir ab und zu die Köpfe aus.
Es ist immer wieder wichtig - darauf möchte ich zurückkommen -, dass wir zur Realität und zur Sachlichkeit zurückkehren und dass wir uns vor allen Dingen um
das kümmern, was wichtig ist; denn man sollte uns an einer guten Entwicklungspolitik messen und daran, ob wir
unseren Partnerländern in der Hinsicht Partner sind, dass
sie sozial, wirtschaftlich und politisch einen Durchbruch
schaffen. Hier macht Bundesminister Niebel eine hervorragende Arbeit.
({13})
Er gibt die richtigen Impulse, und er ist tatsächlich auch
kreativ, Sascha, und nur weil er so kreativ ist, ist er auch
so gut. Er hat es geschafft, dass das Thema Entwicklungshilfe aus der Gutmenschennische herausgekommen
ist.
({14})
Das wurde allerhöchste Zeit. Das Almosenministerium
ist beendet.
({15})
Wir haben eine Entwicklungsagenda, die unsere Partnerländer mitnimmt, und das zum Wohle der Bevölkerung vor Ort.
({16})
Ich glaube, dass die Menschen in den Partnerländern
überhaupt kein Interesse und auch keine Idee davon haben, was hier zurzeit abgeht. Sie können weder mit einer
Strukturdiskussion noch einer Personaldiskussion etwas
anfangen. Sie wollen, dass man ihnen hilft. Sie brauchen
unsere Unterstützung. Diese ist durch die vielen kompetenten Menschen auf allen Ebenen des BMZ gegeben,
welches Parteibuch sie auch immer haben; und das finde
ich wichtig.
({17})
Heike Hänsel hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Minister Niebel, aus aktuellem Anlass möchte ich
einen Satz zu einem anderen Thema an Sie richten. Seit
zwei Tagen gibt es Meldungen, dass in Pakistan mutmaßliche BND-Agenten festgesetzt wurden, die wahrscheinlich GIZ-Ausweise und ein GIZ-Fahrzeug benutzt
haben. Wir fordern hier Aufklärung, auch von Ihnen,
Herr Niebel. Sollte sich dieser Verdacht bestätigen, dann
wäre das ein Skandal unvorstellbaren Ausmaßes für die
internationale Entwicklungszusammenarbeit. Dadurch
wären sehr viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in dieser Region gefährdet. Herr Niebel, deshalb verlangen
wir auch in dieser Sache Aufklärung von Ihnen.
({0})
Wir befassen uns in dieser Aktuellen Stunde mit Ihrer
Personalpolitik. Das ist ein Thema, über das wir hier im
Parlament eigentlich gar nicht diskutieren sollten.
({1})
Aber es gibt massive Vorwürfe, und zwar nicht nur aus
den Reihen der Opposition, sondern auch aus den eigenen Reihen, vor allem von Ihrem Koalitionspartner, der
CDU.
({2})
Vorwürfe kommen auch vom Personalrat des Ministeriums. Daher haben Sie, Herr Niebel, ein Problem. Sie
können sich nicht einfach wegducken.
({3})
- Ja, aber es wird abgewiegelt. In den letzten Tagen hat
Herr Niebel in den Medien immer abgewiegelt.
Es geht um Ämterpatronage, intransparente Bewerbungsverfahren, darum, dass Stellen zunehmend an
FDP-Mitglieder vergeben werden, und um eine Aufblähung des Ministeriums. Was in meinen Augen das Gravierendste ist: Sie tragen mit dieser Politik zu einem
enormen Vertrauensverlust in der Bevölkerung bei.
Schon jetzt kritisiert die Bevölkerung, dass sich hier
Leute selbst bedienen. Es gibt einen massiven Verlust an
Vertrauen in die Politik. Wenn Sie nicht für Aufklärung
sorgen, dann tragen Sie zu diesem Vertrauensverlust
massiv bei. Deswegen fordern wir von Ihnen Aufklärung.
({4})
Auf die Äußerungen der Kollegin Pfeiffer antworteten Sie flapsig:
({5})
Vielleicht hat die Kollegin die neue Entwicklungspolitik
noch nicht ganz verstanden. - Da frage ich mich, Herr
Niebel: Was hat sie denn nicht verstanden? Vielleicht,
dass eine Beraterin von McKinsey nun Abteilungsleiterin wird? Ich frage mich auch: Seit wann ist denn
McKinsey bekannt für Armutsbekämpfung? Eigentlich
steht dieses Unternehmen für eine knallharte Politik der
Liberalisierung, des Stellenabbaus und der Privatisierung. Deswegen sind diese Nachfragen ganz logisch. Sie
müssen erklären, welche Personalpolitik Sie betreiben.
({6})
Der Verdacht liegt nun einmal nahe - das ist mittlerweile ein handfester Verdacht -, dass Sie bei Ihren Personalentscheidungen die Parteizugehörigkeit als das entscheidende Qualifikationskriterium einstufen. Es gibt
sehr viel neues FDP-Personal, das in entwicklungspolitischer Hinsicht, gelinde gesagt, sehr unerfahren ist. Beispiele wurden genannt. Auch ich möchte die Stellenbesetzung bei „Engagement Global“ - das ist eine neue
Servicestelle - nennen. Es gab viele Bewerber und Bewerberinnen. Wir wissen, dass es in der Entwicklungspolitik viele engagierte Leute gibt. Am Ende des Auswahlverfahrens entschied man sich aber für die
Oberbürgermeisterin von Ettlingen. Das ist ja löblich.
Sie ist entwicklungspolitisch eigentlich völlig unbeleckt;
aber sie ist eben eine FDP-Kollegin aus Baden-Württemberg. Das können Sie dem Parlament hier nicht als seriöse Personalpolitik verkaufen.
({7})
Für uns ist aber auch entscheidend - darauf bezieht
sich unsere Hauptkritik -, welche Konsequenzen es hat,
wenn Sie nicht qualifiziertes Personal und mehr FDPIdeologie ins Ministerium bringen. Wir haben die Folgen
solcher Personalentscheidungen zum Beispiel im Bereich Lateinamerika beobachten können: Mitarbeiter aus
der Friedrich-Naumann-Stiftung entscheiden jetzt über
viele wichtige Projekte in Lateinamerika.
({8})
Was waren nun die Folgen? Eine gute Yasuní-Initiative
für den Umweltschutz in Ecuador wurde trotz internationaler Unterstützung von Ihnen abgelehnt. In Nicaragua,
einem Land, das massiv zur Armutsbekämpfung beigetragen hat, stellen Sie die Entwicklungszusammenarbeit
ein, obwohl es immer noch eines der ärmsten Länder der
Erde ist, mit der Begründung: fehlende gute Regierungsführung. Ich sage Ihnen, Herr Niebel: Wir fordern erst
einmal eine gute Regierungsführung in Ihrem Ministerium, bevor Sie hier über Good Governance sprechen.
({9})
Wir hätten eigentlich auch noch gern Auskunft über
ein Papier, das in der Zeit genannt wurde. In diesem
FDP-Papier sprechen Sie davon, dass es um die liberale
Durchdringung des Ministeriums geht, um dem Image
der FDP als „sozial kalt“ entgegenzuwirken, und dass
das Entwicklungsministerium eventuell ins Auswärtige
Amt integriert werden soll.
Frau Kollegin.
Ich schließe damit, Herr Niebel: Sie müssen Auskunft
darüber geben, ob dieses Papier existiert. Es wäre, gelinde gesagt, ein Skandal, und das würden Ihnen die
Wählerinnen und Wähler 2013 auch nicht durchgehen
lassen.
({0})
Helga Daub hat das Wort für die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe
Kolleginnen! Wie ein Minister sein Haus intern organisiert, ist Teil der Selbstständigkeit des Ressorts,
({0})
so Regierungssprecher Seibert am vergangenen Freitag
zur Haltung der Bundeskanzlerin zur Umstrukturierung
in seinem Haus. Damit wäre eigentlich alles gesagt.
Aber für die Opposition ist es ganz offensichtlich ein
Skandal, dass das Haus nicht mehr wesentlich SPD-dominiert ist. Ich komme gleich noch darauf.
({1})
Es ist zweifellos das gute Recht von Parlamentariern,
Fragen zu stellen und damit die Regierung zu kontrollieren. Was hier stattfindet, hat für mich eher etwas mit
Hexenjagd zu tun.
({2})
Ich frage mich, wo Ihre parlamentarische Kontrolle
- oder sollte ich sagen: Ihre Sensibilität - geblieben ist,
als das Haus noch überwiegend SPD-besetzt war und an
der Tür eines Staatssekretärs das Schild hing: „In diesem
Haus wird SPD gewählt“. So etwas ist skandalös. Es verwundert mich, dass die seinerzeit zuständige Ministerin
nicht dagegen vorgegangen ist.
({3})
Wir sind jedenfalls froh, dass es Minister Niebel durch
die Reform der Durchführungsorganisationen gelungen
ist, die politische Steuerung wieder dahin zu holen, wo
sie hingehört, nämlich ins Ministerium.
Wenn eine Bundesregierung ihre Ziele erreichen
möchte, bedarf es natürlich eines besonderen Vertrauensverhältnisses der politischen Stellen zur Hausleitung.
Die Effektivität und die Effizienz der Entwicklungszusammenarbeit werden so deutlich gestärkt. Das sind wir
auch dem Steuerzahler gegenüber schuldig. Der möchte
nämlich gerne wissen, wie seine Gelder ausgegeben
werden, und er möchte, dass die Gelder effektiv ausgegeben werden.
Durch die politische Steuerung im Hause gibt es dort
in der Tat 180 Stellen mehr. Unter dem Strich fallen aber
durch die Reorganisation der Durchführungsorganisationen 300 Stellen weg, was Sie natürlich immer gern verschweigen, weil es sich so besser skandalisieren lässt.
({4})
Diese 180 Stellen sind auch vom Haushaltsausschuss
und vom Bundestag beschlossen.
Einen ähnlichen Stellenaufwuchs - damit komme ich
jetzt zu Baden-Württemberg -, und zwar ohne dass dem
unter dem Strich ein Wegfall von 300 Stellen gegenübersteht, hat der SPD-Fraktionsvorsitzende im badenwürttembergischen Landtag als normale Demokratiekosten abgetan.
({5})
Es steht mir an dieser Stelle nicht zu - das weiß ich -,
das Handeln einer Landesregierung zu beurteilen. Aber
mit Verlaub: Eine so saloppe Antwort ohne sachliche
Begründung ist, vorsichtig ausgedrückt, doch einigermaßen grenzwertig.
({6})
Minister Niebel ist im Gegensatz zu seiner Vorgängerin allerdings bewusst, dass es auch in anderen Parteien
gute Leute gibt. So ist zum Beispiel sein Büroleiter,
glaube ich, SPD-Mitglied. Der Leiter des neuen Evaluierungsinstituts ist sogar aus den Reihen der Grünen empfohlen worden.
({7})
Das sind nur einige Beispiele. Ich könnte noch andere
aufzählen, dann wäre meine Redezeit aber abgelaufen.
Im Übrigen ist es absolut unangemessen, um nicht zu
sagen beleidigend, Kompetenz von Menschen infrage zu
stellen - dies ist bereits mehrfach geschehen -, nur weil
sie neben ihrer Qualifikation eine Parteizugehörigkeit
haben.
({8})
Wir sind jedenfalls sehr zufrieden, wie der Minister den
Umbau des Ministeriums hin zu mehr Effizienz und
mehr Effektivität vornimmt.
({9})
Hier möchte ich auf den Volksmund zurückkommen: Es
sind nicht die schlechtesten Früchte, an denen die Wespen nagen.
Danke.
({10})
Ute Koczy hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Niebel hat der Opposition diese Diskussion sehr leicht gemacht. All die Fakten, all die Daten,
all die Reaktionen gab es, weil Minister Niebel so reagiert, wie er reagiert. Das ist das Entscheidende. Wir
haben die Situation, dass die Reaktionen des Ministers
und eine unkluge Personalpolitik so viel Wirbel im eigenen Haus, in der eigenen Koalition und in den Zivilorganisationen hervorgerufen haben, dass es zu Widerstand
gekommen ist.
({0})
Die Unterlagen, die uns vorliegen, diese Informationen
sind nicht von der SPD, nicht von den Linken und auch
nicht von den Grünen nach außen getragen worden.
Diese Dokumente, aus denen man unwahrscheinlich gut
zitieren kann, was die Presse natürlich auch tut, haben
dazu beigetragen, dass wir diese Diskussion führen.
„Vetternwirtschaft“, „Jobvermittler“, „maßlos“, „Minister im Kampfmodus“, „Karriere in Gelb“, „Spät-Niebelsche Dekadenz“, „aufgebläht“, „Postenversorgung“,
„BMZ als Außenstelle der FDP-Parteizentrale“ - der
Ruf ist ruiniert, Herr Minister!
({1})
Der Minister wird sagen, das sei so nicht richtig, das alles habe so nicht stattgefunden. Man muss sich diese
Zitate einmal vor Augen führen.
({2})
Ich möchte das gerne verdeutlichen. Im Tätigkeitsbericht des Personalrats vom zweiten Halbjahr 2011 steht
zum Beispiel:
Die Schaffung der neuen Abteilung „Planung und
Kommunikation“ und neuer Koordinierungs- und
Steuerungsreferate in der Abteilung 2 saugt zusätzliche Personalressourcen auf. Vor diesem Hintergrund lehnt der Personalrat die von der Leitung angestrebte Neuordnung des Hauses ab.
Herr Minister, das ist eine Ohrfeige.
Angesichts der in den vielen Bereichen des Hauses
noch immer sehr knappen Ausstattung mit Referentinnen und Referenten ist das eher ein Tropfen auf
einen sehr heißen Stein als ein Durchbruch. Insbesondere machen diese Zahlen aber eines deutlich:
2012 ist nicht der richtige Zeitpunkt, um neue
Häuptlinge zu krönen. 2012 ist nicht der richtige
Zeitpunkt, um eine neue Abteilungsleitung, drei
neue Unterabteilungsleitungen und eine beachtliche
Zahl von neuen Referatsleitungen zu schaffen.
Das ist ein Hilferuf.
({3})
Eine Abspaltung konzeptioneller Arbeit von den
fachlichen Aufgaben und der Verantwortung für
Ressourcen führt zu Qualitäts- und Realitätsverlust
und sicherlich dazu, dass politisch und konzeptionell denkende und arbeitende Kolleginnen und Kollegen zu Umsetzern degradiert werden und ihre
Motivation verlieren.
Das ist eine Absage an die weitere Mitarbeit. Das bedeutet: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen in die
innere Emigration, wenn sie so geführt werden. Das wollen wir nicht.
({4})
Wir wollen, dass das Entwicklungshilfeministerium
seine Aufgaben macht, dass es mit fachlich kompetenten
Personen besetzt ist und dass ein transparentes Auswahlverfahren durchgeführt wird.
Sie behaupten, die FDP stehe hinter dem Minister.
Aber aus einem schönen Brief der Kollegin Pfeiffer wissen wir, welche Kritik in den Koalitionsfraktionen geäu18432
ßert wird, was alles passiert ist und dass Ihnen wirklich
die Hutschnur gerissen ist.
({5})
Frau Pfeiffer, diesen Brief haben Sie nicht im Konjunktiv formuliert,
({6})
sondern Sie haben Fakten beschrieben und Frau Kanzlerin Merkel deutlich gemacht, was Sie davon halten.
({7})
Das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Es dennoch zu versuchen, ist der falsche Weg. Sie müssen anders damit umgehen.
Herr Minister, es ist Ihnen gelungen, den Ruf des
BMZ zu ruinieren.
({8})
- Er hat es in den letzten 14 Tagen geschafft, den Ruf
des BMZ zu ruinieren, und zwar auch deshalb, weil er so
reagiert hat, wie er reagiert hat. Er hat nicht versucht, die
Situation zu beruhigen. Vielmehr hat er verbal auf Frau
Pfeiffer eingeschlagen. Er hat die Union aufgefordert,
Leute mit mehr Kompetenz in den Ausschuss zu schicken, damit es mit der Entwicklungshilfearbeit vorangeht.
({9})
Außerdem mussten Sie sich vom Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden sagen
lassen, dass es eine Personalpolitik, die darauf hinausläuft, dass man versucht, bestimmte Stellen mit Vertretern der eigenen politischen Richtung zu besetzen, zwar
schon immer gegeben hat, allerdings nicht in dem Umfang wie in den letzten ein, zwei Jahren. Diese Aussage
bleibt an Ihnen haften.
({10})
Darauf müssen wir reagieren. Deswegen findet diese
Aktuelle Stunde statt. Aus der Fragestunde und der Aktuellen Stunde haben sich so viele Fragen ergeben, dass
wir erst einmal prüfen müssen, welche Nicht- und Halbwahrheiten uns hier vorgetragen wurden.
({11})
Leider ist dies weiterhin die Aufgabe der Opposition.
Danke.
({12})
Der Kollege Dr. Christian Ruck hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Diese von der SPD angezettelte Aktuelle Stunde ist erstens ein Ablenkungsmanöver und zweitens scheinheilig.
({0})
Ein Ablenkungsmanöver ist sie deshalb, weil Sie für
Kritik an der christlich-liberalen Entwicklungspolitik offensichtlich keine anderen Ansätze sehen, als Haare in
der Suppe zu suchen.
({1})
Das ist verständlich; denn unsere Entwicklungspolitik ist
erfolgreich.
({2})
Wir haben die richtigen Schwerpunkte gesetzt. Wir haben bei der Vorfeldreform den Durchbruch erzielt. Wir
haben einen gigantischen Aufwuchs an finanziellen Mitteln zu verzeichnen. Wir haben auch einen großartigen
Aufwuchs beim Personal, einen Aufwuchs, von dem wir,
als wir das BMZ gemeinsam geleitet haben, nur zu träumen gewagt hätten; das muss ich zugeben.
({3})
Deswegen muss ich sagen: All das, was hier getrieben
wird, ist ein bisschen kleinkariert.
({4})
Ihr Verhalten ist, wie gesagt, auch scheinheilig. Lieber Sascha Raabe, dich erkläre ich hiermit zum Oberscheinheiligen.
({5})
Ich kann mich noch gut erinnern, was passiert ist, als die
damalige rot-grüne BMZ-Führung antrat. Bei den bewährten Unions-Abteilungsleitern von Carl-Dieter
Spranger - alles hochdekorierte Leute - haben Sie erst
einmal einen Kahlschlag gemacht. Was kam dann? Dann
hat man - man höre und staune - zwei Abteilungsleiter
von außerhalb geholt;
({6})
das ist dir vielleicht neu, lässt sich aber leicht nachlesen.
Vor diesem Hintergrund sage ich ganz ehrlich: Ich
finde es richtig, wenn jeder Minister bzw. jede neue Ressortspitze loyale Leute an die Spitze des Ministeriums
holt. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Da mir gelegentlich vorgehalten wurde, auch ich hätte im BMZ
gerne etwas werden wollen - das stimmt auch -, sage
ich: Ich hätte es genauso gemacht.
({7})
Das ist nämlich richtig. Das hat etwas mit der Steuerungsfähigkeit unter einer neuen Regierung zu tun.
Ich halte es auch nicht grundsätzlich für falsch, wenn
man sich in ein Ministerium neuen Sachverstand von außen holt.
({8})
Dadurch fließen neue Ideen ein und entstehen neue Konzeptionen. Das kann einem Ressort nur guttun.
({9})
- Ich verwahre mich dagegen, dass Leute nur deswegen
unqualifiziert sind, weil sie ein Parteibuch haben. Auch
das weise ich zurück.
({10})
Noch etwas: Ich weiß, dass bürgerschaftliches
Engagement ein wesentliches Element der Kommunalpolitik ist und dass viele Kommunen Entwicklungspartner suchen. Man kann also tatsächlich auf die Idee kommen, dass jemand aus der Kommunalpolitik, eine
Oberbürgermeisterin, für dieses Amt infrage kommen
könnte. So abwegig ist das nicht.
({11})
Wir sollten - das gilt für alle Regierungen und Ressortleitungen, also generell - erstens auf Qualität Wert
legen, unabhängig davon, ob jemand ein Parteibuch hat
oder nicht und ob er von außen kommt oder nicht - das
ist klar -,
({12})
und zweitens immer auch auf die Leute hören, die das
Personal in den Ministerien vertreten. Auch das ist
nichts Neues. Wir können uns gerne darüber unterhalten,
ob wir Parlamentarier einen Ehrenkodex für Besetzungen aufstellen sollten, was wir uns darunter vorstellen.
Das, was im BMZ passiert ist, ist den Affenzirkus, den
Sie hier veranstalten, aber nicht wert. Deswegen sagen
wir in aller Ruhe: Wir werden unsere erfolgreiche Sacharbeit - unabhängig von Ihrem Geschrei - fortsetzen.
({13})
Bärbel Kofler hat das Wort für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier nicht um einen Affenzirkus, sondern
um die Frage, wie mit den Mitarbeitern im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung umgegangen wird. Es geht auch nicht darum,
ob sich jemand von außen bewirbt und ausgewählt wird.
Vielmehr geht es um Doppelstandards bei der Auswahl
von Mitarbeitern.
({0})
Bisher war es in allen Regierungskoalitionen der Vergangenheit gängige Praxis,
({1})
dass bestimmte akademische Mindestqualifikationen für
den höheren Dienst gefordert wurden, dass die entwicklungspolitische Motivation abgefragt worden ist und
dass alle Bewerber entsprechende Verfahren und Assessment-Center durchlaufen mussten. Deshalb stellt sich
die Frage, warum all dies bei einer Vielzahl von Einstellungen und bei einer Vielzahl von Bewerbungen in den
letzten zwei Jahren hier nicht geschehen ist und warum
die Leute, die man zum Teil befristet eingestellt hat, um
den Personalrat zu umgehen, über die Hintertür entfristete Verträge erhalten haben. Es geht hier um Doppelstandards bei der Einstellung von Beschäftigten und
nicht um einen Angriff auf die Qualifikation einzelner
Menschen.
({2})
Beantworten Sie doch einmal die Fragen, die wir hier
gestellt haben. Wir haben die Aktuelle Stunde ja auch
deshalb beantragt, weil eine Vielzahl von Fragen nicht
beantwortet werden konnte. Gehen Sie doch einmal darauf ein, was mit den 65 Mitarbeitern aus der GIZ ist, auf
deren Bewerbungsverfahren angeblich massiv Einfluss
genommen worden ist. Man hat dort Leute auf die Liste
gesetzt, die im Bewerbungsverfahren beim BMZ schon
durchgefallen waren. Ich hätte ganz gerne gehört, ob das
stimmt oder nicht. Nehmen Sie dazu Stellung, Herr
Minister!
({3})
Wenn ein Ministerium Vertreter ins Ausland entsendet, spielt es schon eine Rolle, ob es sich um Externe
handelt. Ich würde gerne wissen, warum Sie zum Beispiel Vertreter des BMZ zur Weltbank entsenden, die das
Ministerium noch nie im Leben von innen gesehen haben. Diese Fragen müssen doch einmal beantwortet werden. Hier geht es nicht um einen Angriff auf einzelne
Personen, sondern darum, dass man sich vor die Beschäftigten des BMZ stellt, die die Verfahren - mit allen
Qualifikationen - ordnungsgemäß durchlaufen und all
diese Auswahlkriterien erfüllt haben. Um die Mitarbeiter, die gute fachliche Arbeit leisten und deren Qualifikationen mit Füßen getreten werden, geht es.
({4})
Das hat auch etwas mit dem Vertrauensverhältnis zwischen den Mitarbeitern und der Hausleitung des Ministeriums zu tun.
Wenn wir hier entwicklungspolitische Debatten führen und sagen, dass wir für die Armutsbekämpfung in
den Ländern mehr Geld brauchen, unter anderem für das
Personal, dann kommt vom Minister immer als Erstes
die Antwort: Nein, das brauchen wir nicht; wir brauchen
mehr Effizienz.
({5})
Jetzt frage ich mich schon, wie man mit einem Aufblähen der Leitungsebene des Ministeriums zu genau dieser
Effizienz im Ministerium kommen kann. Das ist mir
schleierhaft. Von drei Abteilungen auf fünf Abteilungen,
von acht Unterabteilungen auf zwölf Unterabteilungen,
von 49 Referaten auf 67 Referate - dass Sie dann noch
Abteilungskoordinatoren brauchen, weil Sie sich in dem
Wirrwarr offensichtlich selber nicht mehr auskennen, ist
selbstverständlich.
({6})
Die Reform im Ministerium wird hier viel gelobt und
als Nachvornebringen der Entwicklungszusammenarbeit
dargestellt. Ich muss Ihnen schon sagen: Was hier an
Personalpolitik betrieben wird, hat auch Auswirkungen
darauf, wie unsere Entwicklungspolitik im Ausland aufgenommen wird. Wenn man in anderen Ländern Good
Governance, also gute Regierungsführung, und Transparenz einfordert und ihnen - zu Recht - vorschreibt, dass
sie bei der Einstellung von Mitarbeitern keine Vetternwirtschaft betreiben sollen, dann muss das auch bei uns
im Lande gelten. Insbesondere ein Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung darf nicht
in den Geruch kommen, hier intransparent zu handeln
und nach eigenem Gutdünken Leute zu beschäftigen.
({7})
Zum Thema Zivilgesellschaft; das hatten wir gerade
in der Fragestunde. Ich finde es schon relevant, dass die
vielen Bürger in diesem Lande, die sich ehrenamtlich
engagieren, und die vielen Nichtregierungsorganisationen, die Projektanträge einreichen, zu der Schnittstelle
im Ministerium Vertrauen haben. In einer Pressemitteilung des Dachverbandes der Nichtregierungsorganisationen, VENRO, wird kritisiert - offensichtlich muss im
Vorfeld etwas anderes vereinbart worden sein -, dass die
Auswahl erneut offensichtlich nach parteipolitischen
Kriterien erfolgte und außerdem - das ist entscheidend der vom BMZ im Vorfeld zugesagte Konsultationsprozess mit den Nichtregierungsorganisationen nicht stattgefunden hat. Er spricht von einem tiefen Vertrauensbruch mit dem BMZ.
Frau Kollegin.
Das muss uns zu denken geben; denn hier muss es darum gehen, die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zu stärken, und nicht darum, das Gegenteil zu tun.
Danke.
({0})
Die Kollegin Dr. Christiane Ratjen-Damerau hat das
Wort für die FDP-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Kollegen und Kolleginnen! Sehr verehrte Damen und
Herren! Lassen Sie mich mit einem Zitat aus einer Personalratsinformation aus dem Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beginnen, auch um Ihnen, Frau Kofler, ein wenig die
Sorge, die Sie geäußert haben, zu nehmen. Da heißt es:
Bei der Besetzung der Abteilung ist deutliche Kritik angebracht. Völlig inakzeptabel ist für uns die Bestellung
der Person Y. Es bedeutet einen Schlag ins Gesicht der
qualifizierten Bewerberinnen und Bewerber aus dem
Bundesministerium, wenn die politische Leitung des
Hauses ihnen auf diese Weise attestiert, sie für weniger
qualifiziert zu halten. - Wo der Personalrat recht hat, hat
er recht. Herr Raabe schmunzelt schon; er wird es wissen. Die Information stammt aus dem Jahr 2007
({0})
- es holt einen alles ein -, aus der Zeit, als das Ministerium von der SPD geführt wurde.
In der Mitteilung von 2008, gegen Ende der Dienstzeit von Frau Wieczorek-Zeul, lese ich: Der Personalrat
hat Frau Ministerin in einem gemeinsamen Gespräch darauf aufmerksam gemacht, dass eine angemessene Tonlage im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen
aus dem Hause unabdingbar ist, um den Mitarbeitern das
Gefühl einer Wertschätzung ihrer Arbeit und ihrer Person zu vermitteln.
({1})
Die Zeitung Die Welt sprach daher 2008 von „Fehlentwicklungen in der Personalpolitik“ und dem „Versuch,
den politischen ‚Freundeskreis‘ unterzubringen“.
({2})
Darauf hieß es im Parlament: Wieczorek-Zeul wies in
ihrer Rede die Vorwürfe des Personalrats weit von sich,
etwa dass es Klientelwirtschaft gebe und Karriere besonders jene Kollegen machten, die der SPD angehörten.
({3})
Doch die Belegschaft ließ sich nicht so rasch überzeugen.
„Ministerium meutert gegen die ‚Rote Heidi‘“, so
brachte es 2008 die Bild-Zeitung auf den Punkt. Ich erinnere auch daran, dass die CDU/CSU bereits 2000 festgestellt hat:
Es ist … ein offenes Geheimnis, dass die BMZ-Belegschaft seit der Amtsübernahme von Ministerin
Wieczorek-Zeul unter Führungschaos, autoritärem
Leitungsstil, Frustration und Demotivierung leidet
… Dem Fass den Boden schlägt aber die immer
schamlosere Genossenversorgung mit lukrativen
BMZ-Posten aus.
({4})
Wenn Sascha Raabe der Leitung des Bundesministeriums Vetternwirtschaft vorwirft,
({5})
dann kann ich nur vermuten, Herr Raabe: Sie kennen
sich aus. Sie sind ein Experte.
({6})
Meine Mutter sagte früher immer so schön: Was ich selber denk und tu, trau ich andern Menschen zu.
({7})
Gestatten Sie mir noch eine weitere Bemerkung. Sie
sprechen immer von Vetternwirtschaft. Wenn wir schon
darüber sprechen, sollten wir in Zeiten der Frauenbewegung lieber von Vettern- und Cousinenwirtschaft reden,
zumal es sich um zwei Bewerberinnen handelt.
({8})
Alles, was ich heute von der Opposition gehört habe,
ist der Versuch, die besagte Vettern- und Cousinenwirtschaft in der eigenen Regierungszeit vergessen zu machen.
Sie werfen dem Bundesministerium vor, dass drei
politische Beamtenstellen politisch besetzt wurden, was
zudem völlig legitim ist und der allgemeinen Staatspraxis entspricht.
({9})
Aber Sie verschweigen, dass Rot-Grün in BadenWürttemberg in allen elf Ministerien genau diese Stellen
neu besetzt haben. Dass Personen ohne Verwaltungserfahrung auf höchstdotierte Posten gehievt wurden, gibt
es nur im rot-grünen Baden-Württemberg.
({10})
Die CDU rügt in Baden-Württemberg: Diese Versorgungsmentalität ist schon sehr verwunderlich.
Das Bundesministerium hat mit der Entstehung der
Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit die größte Reform in der Geschichte der deutschen
Entwicklungspolitik vor Ablauf der Legislaturperiode
durchgeführt.
({11})
Es wurden Doppelstrukturen abgebaut. Aus der Fusionsrendite wird das Bundesministerium die geforderte Steuerungsfähigkeit herstellen und zugleich - das darf man
nicht vergessen, auch wenn es heute selten erwähnt
wurde - mindestens 300 Stellen einsparen.
({12})
Das ist Bürokratieabbau und erhöht die Wirksamkeit.
({13})
Mittlerweile ist die positive Grundstimmung im
Ministerium einer deutlichen Ernüchterung gewichen. Ein ständig wachsender Aufgabenkatalog bei
gleichzeitigem Personalabbau, mangelnder Transparenz von Informationsflüssen und häufigen Entscheidungen im kleinen Kreis ohne die Einbindung
des im Hause vorhandenen Sachverstandes beeinträchtigen die Motivation der Belegschaft.
({14})
… Hier wird die gesamte Problematik deutlich: ein
abgrundtiefes Misstrauen … gegenüber den Mitarbeitern des BMZ. Dies spiegelt sich auch in einer
Fülle von Personalentscheidungen wider.
Das sagte der CDU/CSU-Kollege Klaus-Jürgen Hedrich
laut Protokoll in einer Bundestagsdebatte in der 14. Legislaturperiode im September 2000. So weit das zehn
Jahre alte Zitat.
Aber eigentlich möchte ich lieber mit Ihnen über die
Zukunft sprechen statt über die Vergangenheit.
Dafür haben Sie leider keine Zeit mehr, Frau Kollegin.
Das kommt jetzt.
Nein, Frau Kollegin. Ihre Redezeit ist überschritten.
Wir gestalten neue Politik mit Innovationen und einer
modernen Entwicklungspolitik für die Menschen dieser
Welt. Parteipolitische Auseinandersetzungen haben hier
keinen Platz.
Frau Kollegin!
({0})
Machen Sie einfach mit! Dann muss ich keine alten
Zitate mehr heraussuchen und Sie von der Arbeit abhalten.
Danke schön.
({0})
Barbara Hendricks hat das Wort für die SPD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das eigentlich Bemerkenswerte an dem Vorgang, über
den wir heute debattieren, ist die Dreistigkeit, mit der
Minister Niebel vorgeht.
({0})
Er scheint sich noch nicht einmal Gedanken zu machen,
ob irgendjemand das bemerkt, was er schon seit mehr als
zwei Jahren tut. Es geht nämlich nicht nur um die Besetzung von politischen Leitungsstellen - diese lassen in
der Regel einen politischen Gleichklang mit der Leitung
des Hauses erwarten -, sondern um das Durchsetzen des
ganzen Ministeriums, der GIZ und des nachgeordneten
Bereichs mit FDP-Mitgliedern, und zwar unabhängig
von deren Fähigkeiten.
({1})
Man kann Herrn Minister Niebel zu Recht für einen
schlechten Minister halten. Aber es ist bemerkenswert
unverfroren, was er uns hier bietet.
Die nächsten Wochen werden zeigen, wie die noch
übriggebliebenen potenziellen FDP-Wähler das Verhalten des Ministers vor dem Hintergrund bürgerlicher Tugenden, für die die FDP nach eigenem Bekunden steht,
einordnen werden. Die Öffentlichkeit wird dann auch zu
beurteilen haben, wie es um die angeblich liberalen Tugenden bestellt ist. Habe ich richtig verstanden, dass es
dabei unter anderem um Leistungsbereitschaft geht?
({2})
Was soll zum Beispiel ein junger Beamter in einem
Ministerium von Leistungsbereitschaft halten, wenn er
trotz allen Einsatzes von Parteifreunden des Ministers,
die von außen in das Ministerium eingeschleust werden,
überholt wird? Wie um Himmels willen soll so Leistungsbereitschaft entstehen und wachsen?
({3})
Am 12. Januar ließ Herr Niebel sein Ministerium verlautbaren:
Laut Grundgesetz werden Mitarbeiter nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ausgewählt.
Richtig, so lautet die Vorgabe des Grundgesetzes. Weiter
heißt es:
Das BMZ hält sich an die Vorgaben des Grundgesetzes. Die Parteizugehörigkeit wird nicht abgefragt, kann also keine Rolle spielen.
Natürlich wird sie nicht abgefragt. Aber man kennt sich
nun einmal, sodass sie doch eine gewisse Rolle spielen
mag.
Ich möchte aus gegebenem Anlass auf einen bedeutenden internationalen Völkerrechtsakt zu sprechen
kommen, nämlich auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003.
Wie wir alle wissen, haben wir dieses Übereinkommen
bislang nicht umgesetzt, weil wir unsicher waren, wie
wir mit der Frage der Bestechlichkeit von Abgeordneten
umgehen sollen. Selbstkritisch füge ich hinzu, dass wir
eine Implementierung dieser Konvention schon viel zu
lange vor uns herschieben. Wir, das ganze Haus, sind
hier gefragt und verantwortlich.
({4})
Wir werden in nächster Zeit einen entsprechenden Vorschlag machen. Die Grünen haben schon einen Vorschlag vorgelegt. Ich denke, wir können uns hier verständigen.
Bei allen Problemen betreffend die Umsetzung dieser
Konvention ist ein wesentlicher Punkt des Übereinkommens niemals strittig gewesen, zumal dies in vollständigem Einklang mit dem Grundgesetz steht. Die Konvention fordert in Art. 7 von den Vertragsstaaten unter
anderem, „für die Anwerbung, Einstellung, Beschäftigung, Beförderung und das Ausscheiden von Beamten
und gegebenenfalls anderen nicht gewählten Amtsträgern Regelungen zu beschließen, beizubehalten und in
der Wirkung zu verstärken, die … auf den Grundsätzen
der Effizienz und Transparenz sowie auf objektiven
Kriterien wie Leistung, Gerechtigkeit und Eignung beruhen …“. Eine ähnliche Formulierung lässt sich auch im
Grundgesetz finden, wenn auch nicht so ausführlich, und
ist auf jeden Fall völlig unproblematisch.
Diese von mir zitierte zentrale Forderung wird aber
nicht von diesem deutschen Bundesminister erfüllt. Ausgerechnet sein Ministerium ist zu alledem für die Entsendung deutscher Fachkräfte in Entwicklungsländer zuständig, die den dortigen Behörden bei der Umsetzung
der Konvention in das jeweilige nationale Recht helfen
sollen. Was sollen diese Länder von uns denken? Wie
soll man auf diese Weise glaubwürdig in der Entwicklungsarbeit sein? Wie soll man denn noch Good Governance und Korruptionsbekämpfung von den Partnerländern einfordern? Wir sagen unseren Partnern in Afrika
und anderswo, sie müssten damit aufhören, wichtige
Posten nach Ethnien- oder Stammeszugehörigkeit zu besetzen; denn das mindert die Expertise und öffnet Klientel- und Gefälligkeitspolitik, Tür und Tor.
Vetternwirtschaft, Günstlingswirtschaft, Klüngelei
- nennen Sie es, wie Sie wollen -: Im Ergebnis ist das,
was Herr Minister Niebel hier veranstaltet, nichts anderes als Nepotismus. Es ist unsere Verantwortung gerade
als Entwicklungspolitikerinnen und -politiker der Opposition, ein solches Verhalten öffentlich zu kritisieren;
denn Herr Niebel hat seit seinem Amtsantritt nichts anderes geleistet, als Anschauungsunterricht in Sachen Nepotismus zu geben. Wenn wir so etwas schon bei uns in
einer gefestigten Demokratie, einem sicheren Rechtsstaat durchgehen lassen, müssen wir in Zukunft auf internationaler Bühne zum Thema „gute Regierungsführung“ allesamt schweigen.
Aber das Thema „gute Regierungsführung“ hat in
dieser Koalition sowieso kein echtes Zuhause. Das wissen wir bedauerlicherweise schon seit etwa zwei Jahren.
Auch Bundeskanzlerin Merkel ist dabei nicht ganz unbeteiligt. Alle Stellen ab A 16 werden vom ganzen Kabinett beschlossen. Es ist nicht Herr Niebel allein, sondern
es ist das ganze Kabinett, das diese Stellen beschließt. Es
könnte auch der FDP-Vorsitzende, Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler - man muss diese Aufzählung
schon so machen, damit man glaubt, dass es so ist -, also
Herr Rösler, den Herrn Niebel zurückziehen; denn die
Frau Bundeskanzlerin wird ihn nicht entlassen.
({5})
Frau Kollegin.
Ich komme sofort zum Schluss. - Diese Koalition, die
für sich in Anspruch nimmt, eine bürgerliche Koalition
zu sein, lässt den bürgerlichen Anstand bedauerlicherweise vermissen.
({0})
Frau Kollegin.
Deswegen werden sich die Bürgerinnen und Bürger in
diesem Lande wohl darauf einstellen müssen,
Frau Kollegin.
- dass auch an dieser Stelle ein unzulänglicher Amtsinhaber einfach sitzen bleibt.
({0})
Jürgen Klimke hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Personalpolitik des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung - darum geht es, aber nicht um eine Skandalgeschichte, wie die Opposition zu behaupten versucht. Sie versucht, mit aller Gewalt einen Skandal zu
konstruieren.
Erstens. Personalpolitik in einem Ministerium ist zuallererst Angelegenheit des Ministers. Das war schon
immer so.
({0})
Zweitens. Wir haben mehrfach festgestellt, auch
durch die hervorragenden Antworten von Frau Kopp:
({1})
Niemand wurde an rechtsstaatlichen Verfahren vorbei
eingestellt, wie hier behauptet wird. Es gab keine Vetternwirtschaft, es gab kein bewusstes Herauspicken von
Bewerbern.
({2})
Drittens. Es geht auch nicht um Führungskräfte allein,
sondern es geht um die generelle Frage, wie in einem
Ministerium Mitarbeiter eingestellt werden. Es wird
nicht überall zuallererst nach dem Parteibuch gefragt,
sondern es gibt andere Kriterien, die ausschlaggebend
sind, zum Beispiel die Qualifikation.
({3})
Es ist hier deutlich gemacht worden, dass das ein weiterer Punkt ist.
Viertens. Allermeistens sind die Führungspositionen
im Ministerium nicht von Leuten mit einem entsprechenden Parteibuch besetzt. Die neun Unterabteilungsleiter zum Beispiel sind aus dem Ministerium selbst heraus gekommen. Sie sind langjährige Mitarbeiter des
Hauses. Die meisten Referatsleiter haben kein Parteibuch. Hier werden einfach Behauptungen aufgestellt. Ich
halte das für völlig unangemessen. Es ist Zeitverschwendung, was wir hier machen.
({4})
Wir sollten viel lieber über die wirklich wichtigen
Dinge sprechen, die auch die Menschen draußen interessieren, zum Beispiel Menschenrechtskonzepte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, Vorfeldreformen, die neue Servicestelle, das Evaluierungsinstitut
oder die Frage, wie wir Armen und Benachteiligten helfen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe geben können. Das
sind doch die wichtigen Fragen. Kooperation mit der
Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit, meinetwegen auch die Fragen im Zusammenhang mit dem
Yasuní-Nationalpark in Lateinamerika sollten wir diskutieren.
({5})
Das sind kontroverse Themen, über die wir uns unterhalten können. Das bringt uns voran, aber die jetzige Diskussion hält uns doch nur auf.
({6})
Sie ist purer Populismus und langweilt die Zuhörer, ganz
abgesehen davon, dass der falsche Eindruck entsteht, es
gehe nur um Posten und nicht um Inhalte.
Auch in der Vergangenheit gab es schon Personaldiskussionen. Ich erinnere an die heute zur Schau gestellte
selbstlose Personalpolitik der Vorgängerministerin
Heidemarie Wieczorek-Zeul. Sie hat das Ministerium so
gestaltet, wie es Minister Niebel vorgefunden hat. Man
nennt Frau Wieczorek-Zeul nicht umsonst respektvoll
„die rote Heidi“. Das liegt sicherlich an ihren roten Haaren, aber auch an ihrer linken Position in der Sozialdemokratie. Es ließe sich noch ein anderer Grund hinzufügen: Sie hat es verstanden, das Ministerium nach ihrem
Willen sowohl inhaltlich als auch personell umzugestalten, aber eben auch farblich. Der berühmte Spruch an der
Tür von Herrn Stather „In diesem Ministerium wird SPD
gewählt“ ist schon erwähnt worden.
({7})
Ich glaube nicht, dass Herr Beerfeltz - bezogen auf die
FDP - so ein Schild an seiner Tür hat.
({8})
Das derzeitige Geschrei ist doch nur deswegen so
groß, weil einige verdiente Sozialdemokraten ihre Vormachtstellung im Ministerium gefährdet sehen. Die Opposition muss sich nachsagen lassen, dass ihre Vorwürfe
populistisch sind. Die Opposition wähnt sich nämlich
schon wieder in der Regierung und glaubt, sie müsse sozusagen ihre Pfründe sichern.
({9})
Aus Sicht der SPD ist für die FDP nicht recht, was für
sie selbst billig ist. Das, meine Damen und Herren, darf
nicht sein.
({10})
Lassen Sie uns noch über vernünftige Punkte reden.
Wir können feststellen: Das Ministerium hat eine besondere Bedeutung - es bekommt 182 neue Stellen.
({11})
Damit macht die Bundesregierung deutlich, welchen
Stellenwert Entwicklungspolitik insgesamt hat. Die angestoßenen Reformen bewegen sich in die richtige Richtung - sie haben daher unsere Unterstützung -, ob es die
Schaffung der GIZ ist oder ob es die anderen wichtigen
Maßnahmen sind, die ich eben angesprochen habe. Daraus resultiert natürlich der Personalaufwuchs des Ministeriums.
Lassen Sie mich noch einen anderen Punkt ansprechen. Frischer Wind von außen ist manchmal gar nicht
so schlecht. Das kann man aus jedem Unternehmen hören. Manchmal kann jemand, der aus einem anderen Bereich kommt - ob aus der Wirtschaft oder aus dem Bürgermeisteramt einer kleinen Kommune - viel sinnvoller
Entwicklungspolitik machen, sich viel sinnvoller für
neue Fragen einsetzen als jemand, der an seine Aufgaben sehr vorstrukturiert und ohne Konzept dafür, wie
man etwas Neues auf den Weg bringt, herangeht.
Herr Kollege.
Wenn Sie dem Minister vorwerfen, ehrgeizige Ziele
zu verfolgen, dann kann ich nur sagen: Ehrgeizige Ziele
kann man nur mit gutem Personal verfolgen und nicht
mit Parteisoldaten; das geht nicht.
({0})
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Ja. - Der Minister will Verkrustungen aufbrechen. Er
macht es richtig; er macht es zu Recht.
Ich glaube, wir sollten ihn bei seiner Botschaft, bei
seinen Inhalten, bei seinem Vorgehen unterstützen; denn
das hilft der Entwicklungszusammenarbeit, das hilft den
Menschen auf der Welt,
Herr Kollege Klimke.
- nicht diese komischen Diskussionen hier.
({0})
Das Wort hat der Bundesminister Dirk Niebel.
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte mich nicht mit Presseberichterstattungen über meine Amtsvorgängerin oder das, was die
grün-rote Regierung in Baden-Württemberg macht, aufhalten. Ich möchte aber deutlich machen, dass ich die
Diskussion hier schon für reichlich scheinheilig halte.
Das muss man zur Kenntnis nehmen. Ich halte sie nicht
wegen der Vorgeschichte der anderen für scheinheilig
- das selbstverständlich auch -, sondern allein schon
deshalb, weil hier viele Dinge verkürzt dargestellt werden, weil hier mit den Lebensläufen von Menschen ein
schändliches Spiel getrieben wird
({0})
und weil nicht allumfassend berichtet wird.
Zu der von Ihnen beschriebenen angeblich massiven
Kritik des Personalrats:
Erstens. Der Personalrat befindet sich im Wahlkampf.
({1})
Ich habe ein hohes Maß an Verständnis dafür, dass man
dann etwas prononcierter vorgeht.
Zweitens. Sie könnten, wie es Gudrun Kopp vorhin
gemacht hat und was ich gern wiederholen möchte, weil
noch nicht alle da waren, durchaus die ganze Wahrheit
sagen. Der Personalrat schreibt in seiner Info nämlich
auch - ich zitiere -:
Der Personalrat gratuliert der Leitung zur Durchsetzung seit Langem berechtigter Stellenforderungen.
Wir bedanken uns ausdrücklich für das in diesem Zusammenhang gezeigte Engagement. Keine Leitung
der Vergangenheit hat sich derart für Stellenzuwächse eingesetzt und dazu mit solchem Erfolg …
({2})
Bevor Sie diese Äußerung aber dazu benutzen, zu argumentieren, ich blähte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit auf, möchte ich der Wahrheit hier einmal
Genüge tun: Ich setze den Koalitionsvertrag um. Im Koalitionsvertrag werden mehrere Aufgaben beschrieben,
was Sie auf dreieinhalb Seiten nachlesen können. Wir
befinden uns in der Umsetzung, exakt so, wie es vorgesehen ist. Wir - diejenigen, die vom Volk durch eine
Wahl dazu legitimiert worden sind - gewinnen die politische Steuerung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zurück. Das wurde durch die größte Strukturreform der Entwicklungspolitik in den vergangenen
50 Jahren ermöglicht, eine Strukturreform, an der drei
Vorgängerregierungen kläglich gescheitert sind.
({3})
Um den Aufblähungsvorwurf noch einmal deutlich zu
beleuchten: Diese Reform führt dazu, dass im Haushalt
des Bundes ungefähr 700 Stellen entfallen sind. Trotz
der Einrichtung eines dringend benötigten Evaluierungsinstituts mit 38 Stellen, trotz einer zwingend notwendigen weiteren Strukturreform und der Einrichtung der
Engagement Global gGmbH, der Servicestelle für zivilgesellschaftliches und kommunalpolitisches Engagement, mit 145 Stellen und trotz der Überführung von bis
zu 212 Stellen in das BMZ in diesem und im kommenden Jahr haben wir immer noch den Haushalt des Bundes um 300 Stellen netto entlastet. Das ist eine der größten Entbürokratisierungsmaßnahmen, die es jemals in
Deutschland gegeben hat.
({4})
Ich verstehe es nicht, auch wenn ich als Oppositionspolitiker selbst meine Erfahrungen gesammelt habe, dass
Sie nicht bereit sind zu würdigen, dass das eine Maßnahme ist, mit der das Steuergeld der Bürgerinnen und
Bürger effizienter eingesetzt werden kann und die eine
bessere Wirkung der Zusammenarbeit in der Entwicklungskooperation überhaupt erst möglich macht.
({5})
Wir werden mit den uns in diesem Jahr übrigens vom
Haushaltsausschuss und dem Deutschen Bundestag zugesprochenen 182 Stellen wie folgt vorgehen: 65 Stellen,
die früher mit GIZ-Beratern besetzt gewesen sind und
die uns der Haushaltsausschuss und das Parlament schon
im Vorgriff auf diese 182 Stellen im vergangenen Jahr
zugebilligt haben, werden in den Personalbestand des
BMZ übergehen. 46 Stellen werden, wie es der Koalitionsvertrag fordert, die Außenstruktur der deutschen
Entwicklungspolitik stärken, indem sie nach dem gleichen Verfahren und dem gleichen Vorbild der heute an
den Botschaften tätigen WZ-Referenten in das Auswärtige Amt überführt und mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMZ besetzt werden, die im Einvernehmen
mit dem Auswärtigen Amt ausgewählt werden. Das
führt dazu, dass wir in jedem unserer Partnerländer und
in allen Pilotländern für die neue Ablauf- und Aufbaustruktur vor Ort mit entsprechenden Fachkräften des
BMZ vertreten sind. Dies erhöht die Effizienz, und das
erhöht auch die „Sichtbarkeit“ Deutschlands.
({6})
Die verbliebenen 71 Stellen sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die größte Chance in der Geschichte des Ministeriums, aufzusteigen oder sich in ihrer Funktion zu verändern. Noch nie gab es eine größere
Möglichkeit, eine neue oder eine höherwertige berufli18440
che Aufgabe im gleichen Haus zu bekommen. Deswegen haben wir hier nicht nur die Möglichkeit der Neubesetzung, sondern auch der Veränderung im Haus.
Was die politischen Beamten anbetrifft, so lassen Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen, doch einmal die Kirche
im Dorf. Ich will ja nicht über Herrn Müntefering oder
das BMAS in Zeiten, als er noch Parteivorsitzender gewesen ist, reden. Aber es ist doch vollkommen klar, dass
politische Beamte deshalb politische Beamte sind, weil
zu Eignung, Befähigung und Leistung die politische
Nähe zur Regierung hinzukommt. Das war zu jeder Regierungszeit so, auch bei Ihnen.
({7})
Dadurch, dass wir diese 182 Stellen nicht - was Ihnen
noch weniger gefallen hätte - an der Leitungsebene aufhängen und den Leitungsapparat aufblähen, haben wir
nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung eine
Struktur für das Haus gewählt, die auch andere Bundesministerien haben: Wir richten eine Abteilung „Planung
und Kommunikation“ ein und bringen die Leitungsreferate außer dem Ministerbüro - das behalte ich mir auch
weiterhin vor - in die Linie zurück. Dies ist eine langjährige Forderung des Personalrats.
({8})
Wir haben mit den Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleitern Kompetenz in allen Bereichen unseres Tätigkeitsfeldes. Einer hat die Verwaltungserfahrung aus
anderen Ministerien, einer ist in der Zivilgesellschaft
hoch kompetent tätig gewesen, einer hat die parlamentarische Erfahrung in der Kooperation mit dem Deutschen
Bundestag, einer kommt aus dem Haus und hat die interne Erfahrung über viele Jahre Entwicklungszusammenarbeit.
({9})
Jetzt kommt der nächste Partner aus der Wirtschaft
hinzu: eine hoch kompetente Abteilungsleiterin bei einem der bedeutendsten Beratungsunternehmen und dort
zuständig für die Entwicklungszusammenarbeit. Dass
Sie solchen Leuten,
({10})
die keine Personen des öffentlichen Lebens sind, in der
Öffentlichkeit Inkompetenz, Unfähigkeit und Postenschacherei vorwerfen, ist schändlich. Dafür sollten Sie
sich allemal schämen.
({11})
- Sie werden das jetzt schon ertragen müssen. Wenn Sie
Antworten auf Ihre Fragen einfordern, müssen Sie auch
einmal kurzzeitig still sein, damit die zur Verfügung stehenden zwei Minuten reichen, um Ihr Bedürfnis nach
Antworten zu befriedigen.
({12})
Wir haben in einem transparenten Besetzungsverfahren mit einer Personalberatung, derer sich auch die grünrote Regierung in Baden-Württemberg bedient, eine
Bewerberin für unsere neue Servicestelle für das zivilgesellschaftliche und kommunalpolitische Engagement
ausgesucht, der ich zu keinem Zeitpunkt vor Abschluss
des Verfahrens irgendetwas zugesagt habe oder habe zusagen lassen.
({13})
Nur, damit das einmal deutlich zu Protokoll kommt. Ich
habe zum Schluss unter den letzten drei Bewerberinnen
und Bewerbern die Endauswahl getroffen. Ja, und ich
habe öffentlich gesagt: Ich kannte sie. Sie war die geeignetste. Ich wusste, dass ich mit ihr arbeiten kann. Deswegen habe ich so entschieden. Ich sehe darin nichts Ehrenrühriges.
Im Gegensatz zu Hessen vielleicht - ich kann das
nicht beurteilen, Herr Raabe ({14})
sind Oberbürgermeisterinnen in Baden-Württemberg in
höchstem Maße kompetent.
({15})
Oberbürgermeisterinnen in Baden-Württemberg haben
nicht nur Verwaltungserfahrung. Oberbürgermeisterinnen in Baden-Württemberg arbeiten eng mit der Zivilgesellschaft zusammen.
({16})
Und Oberbürgermeisterinnen in Baden-Württemberg
sind in der Lage, kommunales Engagement für die Entwicklungspolitik nutzbar zu machen.
({17})
Wir arbeiten bisher mit 500 Gemeinden und Kommunen in Deutschland zusammen.
({18})
Das klingt bemerkenswert viel. Aber es gibt 12 000 Gemeinden in Deutschland. 11 500 Gemeinden in Deutschland arbeiten noch nicht mit dem BMZ zusammen. Ich
ahne, dass viele von denen auch Partnerschaften mit Entwicklungs- und Schwellenländern haben. Dieses Potenzial wollen wir uns erschließen. Selbst wenn der eine
oder andere von den hierfür infrage kommenden Personen das Parteibuch der FDP hat,
({19})
ist dennoch festzuhalten, dass ich Kolleginnen und Kollegen quer durch alle Parteien - von vielen weiß ich ja,
dass sie Mitglieder in einer Ihrer Parteien sind - befördert habe. Alle haben übrigens auch Begehrlichkeiten
bei solchen Entscheidungen, um der Wahrheit einmal
Genüge zu tun. Eines sage ich Ihnen jedoch ganz deutlich: Nur weil jemand liberal ist, ist er noch lange nicht
geisteskrank
({20})
und muss von öffentlichen Ämtern ferngehalten werden.
Es geht nach Eignung, Befähigung und Leistung.
Somit werden wir auch weitere Stellen nach dem Verfahren besetzen, das sich seit über zehn Jahren im BMZ
bewährt hat. Das Verfahren haben wir übernommen. Die
Politik haben wir verändert, und das ist auch gut so.
({21})
Für die SPD-Fraktion hat jetzt Lothar Binding das
Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal ist ja auffällige Lautstärke auch ein Indikator für die Ernsthaftigkeit des Arguments. Kollege Niebel hat von Scheinheiligkeit gesprochen; auf den Begriff der Scheinheiligkeit
würde ich gerne nachher noch zurückkommen. Er hat
auch von der größten Reform aller Zeiten gesprochen, an
der seine Vorgänger gescheitert wären. Die Antwort ist:
Diese kleine Reform, die jetzt umgesetzt wurde, hat zuvor überhaupt niemand probiert. Die ganz große Reform
aber, die tatsächlich noch aussteht, zu machen, ist nicht
gelungen. An diese hat sich nämlich auch ein Herr
Niebel nicht herangewagt.
({0})
Ich glaube, das sollte man zur korrekten Geschichtsbetrachtung noch hinzufügen.
Ich habe übrigens nicht verstanden, wie Frau Pfeiffer
ihren Brief an die Kanzlerin und den Redebeitrag, den
sie heute gehalten hat, intellektuell in Übereinstimmung
bringen kann.
({1})
- Sie nicken? Ich frage doch nur.
({2})
Ich möchte allen Vorrednern, die wie die Kollegen
Daub, Kopp, Ruck, Ratjen-Damerau und selbst Minister
Niebel von der Vergangenheit gesprochen haben, mit einem Sprichwort aus Tansania antworten, das Minister
Niebel selbst schon gebraucht hat. Es lautet: Es ist nicht
notwendig, die Laterne eines anderen auszublasen, damit
die eigene heller strahle. - Genau. Insofern kritisiert
auch Minister Niebel all Sie, die mit Blick auf die Vergangenheit versuchen, ihn heute besser dastehen zu lassen.
Vielleicht noch ein Wort zu den Wespen: Diese Assoziation stammt nicht von mir. Es ist aber festzuhalten,
dass die Wespen in der Natur eine Hygienepolizei sind,
die sich im Regelfall um Fallobst und totes Kleingetier
kümmern.
({3})
- Ja, man muss sich das erst einmal klarmachen.
Heute geht es aber nicht darum, sondern uns geht es
um Steuergelder. Es geht darum, dass durch Günstlingswirtschaft, Stellenhebungen, Bewerbungen light für Bewerber mit zweifelhaften Qualifikationen, Verdopplung
von Strukturen und die Schaffung von Stellen mit lebenslanger Versorgung Steuergelder nicht korrekt verwendet werden. Es ist unsere Aufgabe, uns darum zu
kümmern.
({4})
Ich möchte einmal eine mathematische Plausibilitätsüberlegung anstellen - nach mir kommt ja noch ein
Mathematiker -: Angenommen, es gibt zehn Stellenausschreibungen. Wir haben heute gehört, das sei ganz normal. Ich würde ja eher sagen, das ist ganz regulär, aber
was im BMZ normal ist, muss ja nicht unbedingt - ({5})
Nehmen wir einmal an, auf jede dieser zehn Stellenausschreibungen hätten sich zwar nicht 130, aber 100 Menschen beworben. Also gäbe es insgesamt 1 000 Bewerber.
Die Frage ist nun: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit,
dass neun der erfolgreichen Bewerber Mitglied der FDP
sind?
({6})
Das muss man sich einmal überlegen.
Ich will es an einem weiteren Beispiel konkretisieren.
Es gibt heute - durch Aufblähung - fünf Abteilungsleiter. Vier davon sind Mitglied der FDP. Auch dieser Anteil hält meiner Plausibilitätsrechnung nicht stand. Noch
einmal der Blick zurück als Reaktion auf das, was gesagt
wurde: Früher gab es drei Abteilungsleiter. Davon war
einer in der SPD. Dieses kommt gemäß meiner Plausibilitätsüberlegung der Realität sehr viel näher.
Die Kritik des Personalrats an der Kampa - Kampa
bedeutet: Wahlkampfkampagnentruppe für eine Partei wurde hier nicht verstanden. Das wiederum verstehe ich
nicht. Es ist ganz interessant, dass in der Vergangenheit
Kollege Niebel als Arbeitsvermittler im Arbeitsamt Hei18442
Lothar Binding ({7})
delberg in seinem Büro eine FDP-Wahlkampfzentrale
eingerichtet hat. Dirk, ich frage dich, ob du es tatsächlich
so weit getrieben hast, dass du Weisungen des Landesarbeitsamtschefs - wenn ich mich richtig erinnere, hieß
er Schade - erhalten musstest, um dieses FDP-Wahlkampfbüro in deinem Dienstbüro des Arbeitsamtes wieder aufzulösen. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf
den Umgang mit Steuergeldern. Wir sollten diesbezüglich sehr vorsichtig agieren.
({8})
Was heute passiert, ist nichts weiter als die natürliche
Fortsetzung des Denkens, das schon lange vorherrscht.
Dies hätte jeder, der Dirk Niebel kennt - dies soll kein
Vorwurf sein -, wissen können. Ich frage mich aber etwas ganz anderes: Was muss in einem Kabinett los sein,
das ein solches Handeln möglich macht?
({9})
Wie kann es sein, dass ein Kabinett so etwas zulässt?
Geht es dort zu nach dem Motto „Du tust mir nichts, und
ich tue dir nichts; wenn du den einen mit auf Reisen
nimmst, dann sage ich nichts, und umgekehrt“? Ist es so,
dass im Kabinett jeder jeden deckt?
Ich will noch etwas Positives erwähnen. Niebel sagt:
Aber ich kämpfe gern dafür, dass unser Deutschland eine Insel des Wohlstands, der Gerechtigkeit
und der Freiheit auf dieser Erde bleibt.
Bravo! Er sagt weiter:
Das geht vielleicht ohne SPD, ohne Grüne, ohne
CDU und CSU, aber niemals ohne FDP.
Das leuchtet mir wieder ein; das stimmt hundertprozentig. Wenn es nämlich in dem Ministerium nur noch FDPMitglieder gibt, dann sind alle anderen verzichtbar, übrigens auch alle Nichtparteimitglieder. Das erklärt ganz
gut, wie Niebel denkt und auch agiert.
({10})
Die Probleme der Gegenwart können mit den bewährten Prinzipien der Freiheit gelöst werden,
wenn man ihre Grundsätze auf die Herausforderungen der Tagespolitik anwendet. Auch und gerade
die Entwicklungspolitik bietet Liberalen die Möglichkeit, an allen Zukunftsthemen zu arbeiten, die
uns heute bewegen.
Jetzt fragt man sich natürlich, ob das nicht schon auf
den Weg gebracht wurde und ob die FDP nach und nach
alle Aufgaben im Kabinett übernimmt.
Herr Kollege.
In diesem Sinne kann ich nur sagen: So kommt die
spätrömische Dekadenz und Günstlingswirtschaft im
Kabinett an. Das halte ich nicht unbedingt für ein gutes
Omen; denn das sind die Vorzeichen des Untergangs.
({0})
Als Letzter hat der Kollege Johannes Selle für die
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung macht eine gute und anerkannte
Arbeit.
({0})
Die größte Reform seit Bestehen des Ministeriums - die
Vorfeldreform und die Schaffung der GIZ - war entgegen allen Unkenrufen erfolgreich. Die taz hat noch am
Ende der letzten Legislaturperiode das Scheitern der Reform unter damaliger Führung der SPD beklagt.
({1})
- Ja, das scheint bei Ihnen besonders glaubwürdig zu
sein.
({2})
Der Bundestag hat den veränderten Stellenplan beschlossen. Der Vorwurf, dass hier illegal Stellen geschaffen werden, kann überhaupt nicht aufrechterhalten
werden. Bei der Besetzung dieser Stellen wird eine überdurchschnittliche Anzahl von Posteninhabern mit FDPZugehörigkeit ausgemacht. Dafür kann man Erklärungen suchen, und danach kann man Fragen stellen. Dieses
gute Recht haben Sie, und Sie nehmen es mit einer ausufernden Kleinlichkeit in Anspruch. Dabei sind die
Schlagzeilen überhaupt nicht neu: Im Entwicklungshilfeministerium droht ein offener Aufstand. - So
schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Jahr
2000. Bei Ihren Beiträgen lassen Sie auch das geringste
bisschen Selbstkritik vermissen.
Aus der Union hat es einen, wohlgemerkt, internen
Brief gegeben, der die Sorge zum Ausdruck brachte,
dass Schaden für die Arbeit des Ministeriums und der
Koalition entstehen könne. So viel Vorsicht innerhalb
der Koalition halte ich nicht für verwerflich.
In einem FDP-geführten Ministerium ist es kein
Nachteil in der Biografie, wenn man irgendwann eine
FDP-Funktion innehatte. Das darf niemanden wundern,
({3})
und das dürfte potenzielle Bewerber aus liberalen Kreisen auch nicht entmutigen.
({4})
Es muss festgestellt werden, dass das ordnungsgemäße Bewerbungsverfahren von der Opposition nicht
bestritten wird;
({5})
denn dann würden Sie mit dem Widerstand eines Dienstleistungsunternehmens rechnen müssen. Dem gehen Sie
aus dem Wege.
Ein solch mehrstufiges Verfahren zu bestehen, gilt als
Bestätigung der Qualität eines Bewerbers. Die Opposition wagt sich aber, mit dem Brustton der Überzeugung
die Qualität der Bewerber einzuschätzen, und zwar, wie
heute im Ausschuss deutlich wurde, ohne die Bewerber
gesprochen zu haben und ohne Kenntnis der Bewerbungsunterlagen.
({6})
Frau Kollegin Koczy hat im Ausschuss, ebenso wie
Kollege Raabe hier in der Fragestunde und in der
Aktuellen Stunde, gesagt, diese Personalpolitik würde
über das normale Maß hinausgehen.
({7})
Als ob es ein normales Maß für vermutete Korruption
gäbe! Sie vermitteln ein schreckliches Bild des Parlaments und des politischen Betriebes. Das darf nicht das
letzte Wort sein.
({8})
Wir vertrauen dem verantwortlichen rechtsstaatlichen Handeln des Bundesministers und räumen ihm die
notwendige Freiheit der Gestaltung der Verwaltung ein;
dazu gehören auch loyale Mitarbeiter.
({9})
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Die nächte Sitzung berufe ich für morgen, Donnerstag, den 26. Januar 2012, 9 Uhr, ein.
Genießen Sie die gewonnenen Einsichten und den
heutigen Abend!
Die Sitzung ist geschlossen.