Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich bitte, die Verspätung zu entschuldigen. Die Frak-
tionen von SPD und Grünen hatten noch Fraktionssit-
zungen. Jetzt können wir aber umso schneller in die Ta-
gesordnung eintreten.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 46 a bis d sowie
Zusatzpunkt 5 auf:
46 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ({0})
- Drucksache 17/9852 Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({1})-
Rechtsausschuss-
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz-
Ausschuss für Gesundheit
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 44 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen
Die 8. GWB-Novelle aus wettbewerbsrechtlicher Sicht
- Drucksache 17/8541 Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({2})-
Rechtsausschuss-
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz-
Ausschuss für Gesundheit-
Ausschuss für Tourismus-
Ausschuss für Kultur und Medien
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({3}) zu dem Antrag der Ab-
geordneten Elvira Drobinski-Weiß, Gabriele
Hiller-Ohm, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Für faire Lebensmittelpreise und transparente
Produktionsbedingungen - Gegen den Miss-
brauch von Marktmacht
- Drucksachen 17/4874, 17/5824 -
Berichterstattung:-
Abgeordneter Dr. Georg Nüßlein
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie ({4}) zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Presse-Grosso gesetzlich verankern
- Drucksachen 17/8923, 17/9989 Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Georg Nüßlein
ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Dr. Tobias Lindner, Nicole Maisch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit im
Wettbewerbsrecht verankern
- Drucksache 17/9956 Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({5})RechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
VerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Kultur und Medien
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es
Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall.
Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Bundesminister Dr. Philipp
Rösler.
({6})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
ist seit mehr als 50 Jahren gleichsam das Grundgesetz
unserer Wirtschaftsordnung. Ludwig Erhard hat das
Wettbewerbs- und Kartellrecht als einen wesentlichen
Baustein in das Fundament der sozialen Marktwirtschaft
eingefügt. Die Bedeutung des Wettbewerbs galt damals,
sie gilt allerdings natürlich auch noch heute, und zwar
gerade deshalb, weil sich die Märkte verändert haben
und sich weiter verändern werden. Es ist unser Ziel, dieses Grundgesetz der Wirtschaftsordnung den neuen Gegebenheiten anzupassen und es weiter zu modernisieren.
Die Märkte haben sich, wie gesagt, verändert. Also müssen wir auch unseren Kartellbehörden neue Instrumente
an die Hand geben. Sie brauchen schärfere Instrumente
bis hin zur Ultima Ratio der Entflechtung.
Wir brauchen auf und in diesen neuen Märkten mehr
Transparenz; auch dafür sorgt diese Novelle. Schließlich
wollen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher besser
schützen. Am Ende nützt ein gutes Wettbewerbs- und
Kartellrecht nämlich vor allem den Menschen in unserem Land. Mit der Vorlage der 8. Novelle zum Gesetz
gegen Wettbewerbsbeschränkungen bekennt sich diese
Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP klar zur
Bedeutung des Wettbewerbs. Denn wir wissen: Den
Wohlstand in unserem Lande verdanken wir dem Wachstum. Wachstum wird durch Wettbewerbsfähigkeit möglich. Und zur Wettbewerbsfähigkeit gehört eben auch ein
gutes Wettbewerbs- und Kartellrecht. Es wird durch
diese Novelle eindeutig verbessert.
({0})
Es geht um drei Bereiche:
Erstens haben sich die Strukturen verändert. Es gibt
heutzutage große Konzerne, und hier wollen wir einen
besseren Einblick bekommen. Wir brauchen mehr Transparenz, gerade für unsere Kartellbehörden, zum Beispiel
in den Bereichen Energie, also Strom und Gas, aber auch
im Hinblick auf die Tankstellen. Mit dem Markttransparenzstellen-Gesetz schaffen wir eine gute Grundlage für
eine noch einzurichtende Markttransparenzstelle. Wir
wollen, dass die Kartellbehörden auch einen Einblick in
die vertikalen Strukturen im Bereich der Energieversorgung bekommen, um dann im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher handeln zu können. Künftig
haben auch die Verbraucherschutzverbände die Möglichkeit, gegen Kartellrechtsverstöße selber aktiv vorzugehen. Die Kartellbehörden wiederum haben die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung. Das nützt den Kundinnen
und Kunden und zeigt, wie sehr das Wettbewerbsrecht
auch dem Verbraucherschutz in Deutschland hilft und
dient.
({1})
Der zweite Bereich, in dem sich die Märkte aus unserer Sicht dramatisch geändert haben und sich noch weiter ändern werden, sind die Verlage und die Medien. Wir
stellen fest, dass die klassischen Verlage mehr und mehr
das Ziel verfolgen, sich zu Medienhäusern umzubauen,
weil sie den Gegebenheiten auf den Märkten - bedingt
durch das Internet und die Globalisierung - gerecht werden wollen. Das Wettbewerbsgeschehen spielt sich künftig nicht mehr primär innerhalb von Kreisgrenzen, beispielsweise zwischen zwei Kreiszeitungen, und auch
nicht zwischen zwei Landkreisen ab, sondern mindestens national, eher aber noch europäisch oder global.
Es stellt sich so die Frage: Wie sehen die Märkte der
Zukunft aus? Wir wollen, dass auf diesen Märkten der
Zukunft künftig auch deutsche Verlage eine starke Rolle
spielen können. Dafür müssen sie die Möglichkeit bekommen, selber zu wachsen und sich den neuen Strukturen anzupassen. Deswegen ist es richtig, dass wir die
Aufgreifschwellen auch bei Pressefusionen weiter erhöhen, damit unsere Unternehmen die Chance haben, zu
wachsen und damit auf den globalen Märkten weiter aktiv und erfolgreich zu sein.
Auch das zeigt: Wir haben erkannt, dass es neue
Marktstrukturen gibt. Wir handeln, um unseren deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten auch künftig
eine Chance geben zu können.
({2})
Der dritte Bereich ist das Gesundheitswesen. Eine
gute Versorgung fängt schon bei den Krankenkassen an:
flexible Angebote, wenig Bürokratie, gute Leistungen.
Wie in allen anderen Bereichen auch, ist die beste Garantie dafür eben der Wettbewerb.
({3})
Deswegen müssen wir auch bei den Krankenkassen
für mehr Wettbewerb sorgen. Die Krankenkassen werden sich künftig auch dem Kartellrecht unterwerfen
müssen. Es kann nicht sein, dass sich Krankenkassen
zum Beispiel bei Zusatzbeiträgen oder anderen Dingen
absprechen. Wenn sie im Sinne der Versicherten zusammenarbeiten wollen, dann ist das gut. Wenn sie sich aber
absprechen, dann schadet das den Patientinnen und Patienten.
({4})
Gleichzeitig wollen wir auch Krankenkassenfusionen
wieder der Aufsicht des Kartellamts unterstellen. Wir
wollen Vielfalt bei den Krankenhäusern und bei den
Krankenversicherungen; denn dieser Wettbewerb durch
Wahlfreiheit nützt den Patientinnen und Patienten. Das
zeigt ganz konkret, wie ein gutes Kartellrecht den Menschen im Alltagsleben nützt.
({5})
All diese Beispiele zeigen, dass wir erkannt haben,
dass sich die Märkte verändert haben. Also muss man
auch das Wettbewerbs- und Kartellrecht entsprechend
anpassen. Wir kommen zu Verbesserungen und zu einem
modernen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen,
das für mehr Transparenz sorgt, schärfere Instrumente
für die Kartellrechtsbehörden bereitstellt und am Ende
mehr Leistungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Kundinnen und Kunden, ermöglicht.
Das beweist: Wettbewerb nützt zuallererst den Menschen, und das ist das Ziel eines gutes Wettbewerbsrechts.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
({6})
Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Barthel von der
SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach jedem Lebensmittelskandal, bei jeder Preiswelle bei Strom
und Gas und bei jeder neuen Benzinpreisabzockerei kündigen die schwarz-gelben Minister und Abgeordnete der
Koalition verschärfte Maßnahmen an und drohen mit
dem Kartellamt und dem Wettbewerbsrecht.
({0})
Geschehen ist bis heute nichts, lieber Kollege Hinsken.
Die Bundesregierung lässt nämlich die Unternehmen,
die sich fair verhalten, die Verbraucherinnen und Verbraucher und die jeweils betroffenen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer im Regen stehen.
({1})
Für einen Bundeswirtschaftsminister, der die Worte
„Wettbewerb“ und „Wachstum“ wie ein Papagei - gefühlt dreimal pro Satz - vor sich hin redet,
({2})
muss es nach den Ankündigungen im Koalitionsvertrag,
nach den vollmundigen Reden seines Amtsvorgängers,
nach all den wüsten Drohungen, als es um Tankstellen
und Steckdosen ging, anlässlich der Lebensmittelskandale und anlässlich der Verarmung der Presselandschaft
doch eher peinlich sein, hier zur besten Sendezeit eine
solche Vorlage wie diese GWB-Novelle zu präsentieren.
({3})
An dieser Stelle muss man einmal ein paar grundlegende Gedanken in Erinnerung bringen - Herr Rösler
hat es schon angesprochen -: Das Wettbewerbsrecht besteht in dieser Form seit den 50er-Jahren und stammt aus
der Denkrichtung des Ordoliberalismus,
({4})
also einer Schule, mit der die heutige vom Neoliberalismus geprägte FDP und weite Teile der Union eigentlich
nichts mehr zu tun haben wollen.
({5})
Diesem Wettbewerbsrecht lag doch die historische
Erfahrung zugrunde, dass ungezügelte Märkte, also Kapitalismus pur, dazu neigen, den Wettbewerb als Grundlage der Marktwirtschaft aus sich heraus selbst abzuschaffen.
({6})
Das war die Erfahrung aus Kaiserreich und Weimarer
Republik.
({7})
Nach dem Faschismus und der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs ging es darum, die Wirtschaft zu entflechten und wirtschaftliche Übermacht zu verhindern. Dank
erfolgreicher kleinerer und mittlerer Unternehmen, dank
gesetzlicher Regelungen, dank Kartellämtern und anderer Behörden stimmen wir sicher darin überein, Herr
Rösler, dass sich unser Wettbewerbsrecht bewährt hat.
Aber der Punkt ist eben: Es hat sich in der Tat viel verändert.
Ich fange einmal bei den Rohstoffen an. Unsere Versorgung hängt von ganz wenigen Lieferanten auf der
Welt und von Spekulationen ab, egal ob es dabei um Metalle, Öl oder Lebensmittel geht. Es geht um weltweite
Marktmacht und um tatsächliche stoffliche Knappheiten.
Da fällt der Bundesregierung nichts Besseres ein, als
Hand in Hand mit den globalen Konzernen sogenannte
Rohstoffpartnerschaften einzugehen und dabei die Dominanz dieser Konzerne zu zementieren.
Beim letzten Glied in der Kette, zum Beispiel bei den
Tankstellen, kommen Sie dann und kontrollieren dieses
letzte Glied. Ich behaupte ja nicht, dass es dort nicht verdächtige Vorgänge gibt. Aber wer allen Ernstes glaubt,
dass der Benzinpreis an der Tankstelle gemacht wird, der
glaubt auch, dass der Strom aus der Steckdose kommt.
({8})
Wer dann noch glaubt, dass man dem Problem mit einer
neuen Behörde namens Markttransparenzstelle beikommt, der kommt aus derselben Denkschule wie die,
die glauben, dass Betreuung von Betreuungsgeld
kommt.
({9})
Auch die Untersagung von Preis-Kosten-Scheren in
diesem Bereich klärt doch die entscheidende Frage
nicht, woher eigentlich der Preis kommt, den ein Ölkonzern verlangt. Die Bundesregierung macht sich nicht
einmal die Mühe, die sogenannten dynamischen Preismechanismen, wie das wissenschaftlich heißt, aufzudecken, die seltsamerweise besonders immer dann viel
Geld in die Kassen der Konzerne spülen, wenn die Ware
knapp ist und der Markt eigentlich dafür sprechen
würde, dass sich dann die Margen und Gewinne verringern.
Das Problem bei dieser Art von Tankstellenaktionismus ist doch, dass sich Staat und Politik lächerlich machen - darüber müssen Sie sich wirklich im Klaren
sein -, wenn Sie immer so tun, als würden Sie jetzt den
großen Hammer herausholen, aber Sie in Wirklichkeit
nur mit den Fingerpuppen des Herrn Dr. Rösler spielen.
({10})
Völlig außen vor in der ganzen Debatte, in dieser
Wettbewerbsperspektive bleibt der globale Finanzsektor,
die Banken und Schattenbanken. In diesem Bereich ist
die Konzentration besonders hoch, mit Folgen nicht nur
im Bereich des Bankensektors selber, sondern auch in
der Realwirtschaft. Schon jetzt, drei Jahre nach der
Krise, ist der weltweite Finanzkapitalumschlag wieder
mehr als 70-mal so hoch wie der Austausch von Waren
und Dienstleistungen. Sie müssen uns einmal erklären,
warum es in diesem hochkonzentrierten Bereich - von
einem Markt kann man hier gar nicht reden - nicht endlich einmal zu einer Entflechtung kommt. Da wäre Entflechtung gefragt. Das wäre doch mal was für einen liberalen Wirtschaftsminister, der überall von Mittelstand,
Wachstum und Eigenverantwortung redet.
({11})
Beim Pressefusionsrecht - das haben Sie angesprochen - kommt die neoliberale Handschrift noch deutlicher heraus. Die Anhebung der Aufgreifschwellen soll
Fusionen im Verlagsbereich erleichtern, um mehr Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu ermöglichen. Das ist ein Anliegen der Verlegerverbände, deren
Unterstützung die Bundesregierung natürlich an anderer
Stelle gut gebrauchen kann. Dieses Anliegen kam plötzlich bei einem Ihrer zahllosen Koalitions- und Versöhnungsgipfel Mitte März auf den Tisch, wie aus dem
Nichts.
Auch wir erkennen an, dass die bisherige Rechtslage
die Pressevielfalt nicht hinreichend sichern kann. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen in immer mehr Regionen
- inzwischen sind es 60 Prozent der Landkreise - haben
nur eine Monopolregionalzeitung „zur Auswahl“. Ende
der 60er-Jahre war das erst ein Viertel und Anfang der
90er-Jahre aber immerhin schon die Hälfte der Landkreise. „Die Axt tobt durch den Blätterwald“, schreibt einer, der es wissen muss, der die Ökonomisierung und die
Konzentration in der Presselandschaft analysiert.
Der Zeitungsjournalist Tom Schimmeck zitiert den
damaligen Hoffnungsträger des Hauses Bertelsmann, einen gewissen Herrn Middelhoff, mit den Worten: „Wir
brauchen den Druck der Finanzmärkte“. Er beschreibt in
seinem Buch Am besten nichts Neues die Bedrohung des
Qualitätsjournalismus und der Meinungsvielfalt, die Dominanz des Anzeigengeschäfts und den gesteuerten
Kampagnenjournalismus. Wenn wir ehrlich sind, liebe
Kolleginnen und Kollegen auch von der Koalition, dann
wird uns zur Entkräftung dieser alarmierenden Zustandsbeschreibung relativ wenig einfallen.
Die Ursachen dieser Entwicklungen sind sicherlich
vielfältig, und die bekommen wir auch nicht allein mit
dem GWB in den Griff. Aber schlicht davor zu kapitulieren und Zusammenschlüsse weiter zu erleichtern,
ohne eine Gegenstrategie zu haben oder zu wollen, das
ist doch erbärmlich.
({12})
Sie verzichten sogar darauf, diese Entwicklung einmal
wissenschaftlich fundiert untersuchen zu lassen, wie wir
es in einem Antrag der Grünen und der SPD seit langem
fordern.
({13})
Das nährt unseren Verdacht, dass Ihnen ein Schnellschuss zugunsten der Großverlage aus dem Gebüsch
wichtiger ist als tatsächliche Medien- und Meinungsvielfalt in Deutschland.
({14})
Während also durch Erleichterungen im Pressefusionsrecht die Meinungs- und Medienvielfalt möglicherweise
weiter gefährdet wird, enthält der Gesetzentwurf der
Bundesregierung keinen Vorschlag zur gesetzlichen Absicherung des Presse-Grosso. Das Presse-Grosso sichert
in seiner bisherigen Konstruktion eine flächendeckende
und diskriminierungsfreie Vertriebsstruktur für Presseerzeugnisse
({15})
und schafft damit faire Wettbewerbsbedingungen zwischen kleinen und großen Verlagen. Es verhindert, dass
größere Verlage einen besseren Zugang zu den Verkaufsstellen haben und aufgrund ihrer Macht günstigere Konditionen durchsetzen können.
Dieses seit Jahren erfolgreiche System wird jetzt auf
Druck und Klagen eines einzelnen Verlags durch Gerichtsurteile infrage gestellt. Deswegen fordern die Fraktionen von SPD und Grünen - die künftige Koalition ({16})
in einem gemeinsamen Antrag, den wir heute beraten,
eine gesetzliche Verankerung des Presse-Grosso. Dies
könnte zum Beispiel durch eine Ergänzung im GWB erfolgen, die dem Bundesverband Presse-Grosso die Möglichkeit gäbe, wie bisher für alle Grossisten gemeinsam
Konditionen auszuhandeln. Unser Appell an die Bundesregierung und alle Fraktionen lautet: Lassen Sie uns mit
der GWB-Novelle eine rechtlich saubere und europarechtskonforme gesetzliche Neuregelung des PresseGrosso im Sinne unseres Antrags auf den Weg bringen!
({17})
Es gäbe jetzt noch viel zu sagen. Bei der Wasserwirtschaft und bei den Krankenkassen lässt die Bundesregierung erkennen, wohin die Reise gehen soll: Schrittweise
sollen immer mehr Bereiche der Daseinsvorsorge und
des Sozialstaats dem Wettbewerb und der Privatisierung
unterworfen werden. Sie machen das zugegebenermaßen
sehr geschickt: nach und nach. Beim Wassersektor sind
Sie jetzt einen Schritt zurückgegangen. Dafür schlagen
Sie bei den Krankenkassen voll zu. Aber dazu wird
nachher mein Kollege Lauterbach noch etwas sagen.
Im Lebensmittelbereich treibt die Billigkultur täglich
neue Blüten. Ich kann das jetzt nicht ausführen. Die Kollegin Drobinski-Weiß wird nachher darauf eingehen.
Aber eines ist schon jetzt erkennbar: Die GWB-Novelle
wird auch im Lebensmittelbereich den Problemen nicht
gerecht.
Letzten Endes sind wir sehr gespannt, was die Koalition zum Thema Entflechtung zu sagen hat und wie Sie
begründen, dass von Ihren großen Ankündigungen
nichts übrig bleibt. Denn wir haben in der Tat das Problem, dass wir in den privatisierten und liberalisierten
Netzinfrastrukturbereichen eben nicht einen blühenden
Wettbewerb, sinkende Preise und Investitionen vorfinden, wie es uns in den Modellen immer angekündigt
worden ist. Stattdessen erleben wir Preistreiberei bei
Strom und Gas, schlechten Service bei der Telekom,
Lohndumpingwettbewerb bei der Post
({18})
und vor allem eine erhebliche Investitionsblockade in allen diesen Bereichen.
Dem ist mit den Methoden, die Sie bisher vorzuweisen haben, nicht beizukommen. Die Frage ist doch, warum zum Beispiel im Energiesektor eine Rendite von
9,25 Prozent brutto für Netze nicht ausreichen soll, um
Investitionen anzuziehen, sodass jetzt nach dem Staat
oder nach riesigen Milliardenbeiträgen der Verbraucherinnen und Verbraucher gerufen wird, um die Energiekonzerne und Netzbetreiber zu Investitionen zu bewegen.
Es gibt viele Fragen; vieles bleibt offen in diesem Bereich. Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir das alles
nicht mit dem Wettbewerbsrecht allein regeln können.
Wir sind uns auch darüber im Klaren, dass wir mit dieser
Regierung keinen großen Wurf beim Wettbewerbsrecht
hinbekommen können.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich glaube - ich bin bei meinem letzten Satz, Herr
Präsident -, wir sollten die Anhörungen und die Ausschussberatungen in den nächsten Wochen wenigstens
dazu nutzen, um bei den Punkten, bei denen es möglich
ist, Änderungen zu erzielen und dem Gesetzentwurf die
Giftzähne zu ziehen. Wir sollten an der einen oder anderen Stelle nachbessern und flankierende Regelungen
schaffen, wo immer es möglich ist. Wir bitten Sie herzlich, dass Sie sich auf diese Diskussion einlassen; denn
das, was bisher vorliegt, ist völlig unbefriedigend.
({0})
Für die CDU/CSU-Fraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Dr. Georg Nüßlein das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nach
dieser linken Fundamentalkritik,
({0})
bei der das Wenigste, was Sie gesagt haben, tatsächlich
das GWB betraf - es waren vielmehr allgemeine politische Themen -, wieder zur Sache zurückzukehren, ist
eine schwierige, aber notwendige Aufgabe.
({1})
Ich möchte vorab betonen, dass wir sicher nicht von
der linken Seite dieses Hauses Nachhilfe bei den Themen Wettbewerb und Bedeutung des Wettbewerbs brauchen.
({2})
Wettbewerb ist die Grundlage und der Motor unserer
Marktwirtschaft.
({3})
Das müssen Sie uns doch nicht beibringen.
({4})
- Dazu werde ich noch etwas sagen. Warten Sie doch
einmal ab! Vielleicht sind Sie überrascht. Zuhören ist
manchmal erkenntnisreicher, als dazwischenzubrüllen.
({5})
Ich möchte vorab deutlich sagen, um welche Dimension es hier geht. Man muss auch der Öffentlichkeit einmal darlegen, welchen volkswirtschaftlichen Schaden
Hardcorekartelle, also Kartelle, die durch Absprachen
Märkte aufteilen und Absatzquoten durchsetzen, anrich22200
ten. Die EU schätzt den Schaden durch solche Kartelle
auf 12 bis 24 Milliarden Euro pro Jahr.
({6})
Man kann davon ausgehen, dass durchschnittlich 20 Prozent der Umsatzerlöse durch kartellbedingte Preiserhöhungen zustande kommen.
({7})
- Die Antwort darauf ist, dass wir uns darüber Gedanken
machen müssen, wie man mit Bußen, aber auch mit
Schadensersatzforderungen diese Schäden minimiert
und Zusatzgewinne, die erzielt werden, abschöpft.
({8})
Darüber werden wir im parlamentarischen Verfahren
noch reden.
({9})
- Na ja!
({10})
- Zu solchen saudummen Zwischenrufen fällt einem
wirklich nichts mehr ein. Ganz ehrlich.
({11})
Jedenfalls ist dieses Gesetz schon in der jetzigen
Form geeignet, entsprechende Rahmenbedingungen zu
schaffen, die Fusionskontrolle voranzubringen,
({12})
europäischen Vorgaben besser gerecht zu werden und
das Kartellrecht noch effizienter durchzusetzen. Ich lade
Sie gerne ein, im parlamentarischen Verfahren mit uns
zusammenzuarbeiten. Konstruktiv mitzuwirken ist besser, als hier Zwischenrufe zu machen. Dann werden wir
sehen, was wir noch tun müssen.
({13})
Bei den Medien haben wir die größten Marktveränderungen zu verzeichnen. Über diese Veränderungen hat
auch der Minister gesprochen. Es gibt dramatische Auflagenrückgänge. Natürlich muss sich das Kartellrecht an
der wirtschaftlichen Realität orientieren. Man muss sich
fragen, was sich auf dem Markt tut. Herbeibeten kann
man die Medienvielfalt nicht. Das, was sich auf dem
Markt abspielt, resultiert aus einer anderen medialen
Nutzung. Das Verbraucherverhalten hat sich nun einmal
geändert. Das moderne Kartellrecht, das wir schaffen,
wird sich dem anpassen müssen.
Beim Pressefusionsrecht muss es darum gehen, Fusionen zuzulassen, wo sie unumgänglich sind. Das tun
wir dadurch, dass wir die Aufgreifschwellen bei beabsichtigten Fusionen im Bereich der Presse anheben, das
also im unteren Bereich etwas leichter machen.
({14})
Wir tun das dadurch, dass wir die Bagatellmarktklausel
so einführen, dass wir eine Zusammenschlusskontrolle
bei kleinen Verlagshäusern unnötig machen, weil wir sehen, dass es einen riesigen Druck gibt, sich zusammenzuschließen. Das haben wir nicht gern, aber das ist eben
so. Wir werden auch noch einmal über die Frage diskutieren müssen, ob wir eine Sanierungsfusion brauchen.
Was tut man, wenn absehbar ist, dass ein Verlag im
Markt nicht existieren kann?
Das Nämliche gilt beim Presse-Grosso. Herr Kollege
Barthel, Sie haben recht; ich unterstreiche Ihre Ausführungen dazu vollständig. Ich kann auch keinen großen
Dissens in diesem Hause erkennen. Wir wollen dafür
Sorge tragen, dass Medien, Journale und Zeitungen flächendeckend verteilt werden und dass kleine Verlage die
Chance haben, in den Markt zu kommen. Dazu ist das
Presse-Grosso, wie wir es organisiert haben, ein gutes
Instrument, das wir erhalten, aber auch so gestalten wollen, dass es auf der einen Seite weder gerichtlich noch
europarechtlich angegriffen werden kann,
({15})
dass auf der anderen Seite aber so viel Flexibilität im
System bleibt,
({16})
dass beim Presse-Grosso den Tatsachen Rechnung getragen werden kann, dass die Auflagen zurückgehen und
dass man Vertriebsstrukturen an eine solche Situation
sinnvoll anpassen muss.
({17})
Die Union ist an dieser Stelle ganz klar positioniert.
({18})
Wir wollen das auch im Rahmen dieser GWB-Novelle
entsprechend regeln. Glauben Sie uns: Das wird uns gelingen.
({19})
Lassen Sie mich etwas zu den Ausführungen von
Kollege Barthel zum Benzinmarkt anmerken. Ich gehöre
zu denen, die sagen: Lasst uns keine falschen Erwartungen wecken. Ich glaube nicht, dass das, was wir als Gesetzgeber an dieser Stelle tun können, einen Beitrag dazu
leisten wird, dass die Benzinpreise sinken.
({20})
Aber wir können doch etwas dafür tun, dass die Transparenz wächst und man genauer weiß, welche Tankstelle
zu welchem Zeitpunkt mit welchem Benzinpreis auf
dem Markt ist. Das wird uns, wenn man die vom Minister vorgeschlagene Markttransparenzstelle richtig ausgestaltet, insbesondere dadurch gelingen, dass man die
Endpreise über das Internet publiziert.
({21})
Ansonsten müssen wir alles tun, meine Damen und
Herren, dass die freien Tankstellen, die eigentlichen
Wettbewerber zu den großen Ketten, die Möglichkeit haben, weiter zu existieren.
({22})
Das machen wir über die Preis-Kosten-Schere sowie
über die Frage, wer wie beliefert wird. Dass sie von den
großen Lieferanten nicht schlechter behandelt werden
dürfen als eigene Tankstellen, ist ganz klar. Das wird
auch im GWB verankert bleiben. Zudem müssen wir darauf achten, dass wir im Wege der Fusionskontrolle sicherstellen, dass es nicht zu einer weiteren Konzentration in diesem Bereich kommt. Das halte ich für sehr
entscheidend.
Wir werden auch die Missbrauchsaufsicht für Strom
und Gas weiter in der verschärften Art und Weise aufrechterhalten; denn auch hierbei bin ich der Auffassung,
dass der Wettbewerb noch nicht so ist, wie wir ihn uns
alle miteinander wünschen. Deshalb macht es Sinn, dies
aufrechtzuerhalten.
Ich gebe ganz offen zu, Herr Minister, dass die CSU
beim Thema Krankenkassen ausgesprochen kritisch ist.
Bei den Krankenkassen handelt es sich nämlich nicht um
ganz normale Unternehmen. Die Krankenkassen unterliegen unserem Sozialrecht und sind vielfach sogar zur
Zusammenarbeit verpflichtet.
({23})
Das heißt, wenn man hier Eingriffe vornimmt, um den
Wettbewerb zu sichern - unstrittig ist, dass wir den Wettbewerb erhalten wollen -, muss man gleichzeitig genau
diese Zusammenarbeitsmöglichkeiten einschränken,
weil dieses Thema im Interesse der Patientinnen und Patienten liegt. Man kann das nicht einfach grob über den
Kamm des Wettbewerbsrechts scheren. Vielmehr muss
man ganz klar sagen: Bei einer Menge Dinge dient die
Zusammenarbeit der Gesundheit der Patientinnen und
Patienten. Deshalb werden wir auch an dieser Stelle
noch einmal über die Frage reden müssen, wie man es
schafft, das eine zu sichern, nämlich den Wettbewerb,
und das andere nicht zu verhindern, nämlich die gesundheitspolitisch sinnvolle Zusammenarbeit der Kassen.
({24})
Ein anderer Markt, der mir Sorgen macht, ist der Lebensmittelmarkt. Da gibt es ein hohes Maß an Konzentration. Aber ich muss ganz ehrlich zugeben, dass das
Kind da schon in den Brunnen gefallen ist. Wir hätten
früher darüber nachdenken müssen, welche zusätzlichen
Fusionen man hier und da, etwa im Wege der Ministererlaubnis, zulässt. Ganz offen gesagt, macht es mir
schon Sorgen, wenn ich sehe, dass nur noch vier oder
fünf Leute in dieser Republik, nämlich die Einkäufer der
großen Lebensmittelkonzerne, über die Frage entscheiden, was ich mittags auf den Teller bekomme. Deshalb
werbe ich immer dafür, das Verbot des Verkaufs unter
Einstandspreis zu erhalten. Ich freue mich, dass es uns
gelungen ist, dies in diesem Gesetz zu sichern.
({25})
Denn jenseits der Frage, wie scharf dieses Schwert ist,
ist es ein deutliches Signal, dass wir uns bestimmte Vorgehensweisen - insbesondere solche mit einer ethischen
Dimension wie etwa der Umgang mit Lebensmitteln nicht gefallen lassen.
({26})
Insgesamt ist diese Novelle in ihren Grundlagen, die
der Regierungsentwurf bietet, gut. Im parlamentarischen
Verfahren wollen wir noch an der einen oder anderen
Stelle nachbessern.
({27})
Da, wo es Konsens gibt, beispielsweise beim Thema
Presse-Grosso, lade ich Sie gerne zum Mitmachen ein.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich dann der Kritik
enthielten und uns gelegentlich einmal lobten. Das wäre
einmal etwas Neues.
Vielen herzlichen Dank.
({28})
Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin
Ulla Lötzer.
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Rösler und Kollege Nüßlein, von Ihren großen Ankündigungen, Sie hätten etwas vorgelegt, das eine Anpassung an die Entwicklung des Wettbewerbs bedeutet und der Konzentration
tatsächlich entgegenwirkt, ist in dem Entwurf überhaupt
nichts zu spüren. Allenfalls erfüllt der Entwurf einige
wenige minimale Anforderungen: die Anpassung des
deutschen Rechts an die Definition von Marktmacht in
europäischen Bestimmungen, die Formulierung von
Prüfkriterien, juristische Vereinfachungen, Klarstellungen und bessere Systematisierungen. Auch die Erweiterungen im Hinblick auf das Kartellrechtsverfahren werden von uns begrüßt.
Angesichts der realen Probleme mit der Marktmacht
von Konzernen in vielen Bereichen gibt es aber eine
massive Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Letztlich wiederholen Sie hier das übliche Schauspiel Ih22202
rer Regierungskoalition: Die Kernprobleme und Konfliktfelder werden ausgeblendet; der Rest wird mit viel
heißer Luft zur Reform aufgeblasen. Das haben Sie hier
heute Morgen sehr deutlich gemacht, Herr Rösler.
({0})
Diese Auffassung finden Sie auch in zahlreichen Stellungnahmen von Verbänden, Sachverständigen und sogar konservativen Juristen. Lassen Sie mich einige zentrale Punkte herausgreifen.
Unternehmen erzielen, oft jahrelang, Erlöse und Gewinne durch Absprachen mit Konkurrenten und zu hohe
Preise. Festzustellen ist: Von den bisherigen Kartellstrafen und Bußgeldern geht keine abschreckende Wirkung
aus. Die Strafen sind zu gering. Es lohnt sich, gegen das
GWB und andere Vorschriften zu verstoßen, bis man
auffliegt. Das wird nach Ihrem Entwurf leider so bleiben.
Das gilt insbesondere für die Benzinpreise; Herr
Nüßlein hat eben etwas dazu gesagt. Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die Mineralölkonzerne den
Benzinpreis künstlich in die Höhe treiben, ohne zu formalen Preisabsprachen zu greifen. Natürlich ist ein Teil
dieser Preiserhöhungen durch steigende Nachfrage und
durch Spekulation entstanden oder dadurch, dass die Erschließung neuer Ölfelder immer teurer wird. Dass in
dieser Situation die Mineralölkonzerne weiter ihre Extragewinne aufgrund ihrer Oligopolstellung draufschlagen können, ist umso weniger hinzunehmen - genauso
wenig wie Ihre Untätigkeit gegenüber der Spekulation.
({1})
Nach unzähligen Rettungsschirmen haben wir es
heute mit Finanzmarktakteuren zu tun, die noch größer
und damit noch systemrelevanter sind als 2007. Das Problem des „too big to fail“ ist mithilfe der zugunsten der
Banken mobilisierten Steuermittel und Garantien bei uns
und in Europa noch drängender geworden statt kleiner.
Darauf geben Sie keine Antwort. Der Entwurf ist diesbezüglich ein Totalausfall.
Ähnliches gilt für die viel diskutierte Frage der Pressefusionen. Knapp 60 Prozent aller Zeitungen werden
von zehn großen Verlagen angeboten. Die Konzentration
steigt von Jahr zu Jahr. Sie ist nicht das Ergebnis des
Wettbewerbs um die besten Presseprodukte, sondern
schlicht das Ergebnis eines Verdrängungswettbewerbs,
in dem die finanzstärksten Verlage dominieren.
Natürlich wissen auch wir, dass weniger Konzentration im Medienbereich nicht Garant ist für differenzierte
Berichterstattung, Meinungsvielfalt und demokratische
Streitkultur. Aber ohne die Sicherung einer Vielzahl unabhängiger Medien ist der Anspruch darauf überhaupt
nicht zu erfüllen. Ohne Maßnahmen gegen die Konzentration finden viele engagierte Verlage und Journalisten,
insbesondere bei kleineren Regionalzeitungen, erst recht
keinen Platz mehr. Stattdessen - das haben Sie beide
deutlich gemacht - wollen Sie die Global Player im Mediengeschäft auf europäischer Ebene fördern. Das ist unerträglich angesichts der Bedeutung der Medien in der
Demokratie.
({2})
Während Sie in dem einen Bereich zu wenig regeln,
überregulieren Sie in dem anderen, bei den Krankenkassen. Diese sollen in das Kartell- und Wettbewerbsrecht
eingebunden und damit in Zukunft wie privatwirtschaftliche Unternehmen behandelt werden. Über diesen Umweg wollen Sie dem gerade von der FDP lang gehegten
Ziel einer schrittweisen Privatisierung des Gesundheitswesens näher kommen.
({3})
Das Bundesministerium für Wirtschaft soll Kontrollbefugnisse im öffentlich-rechtlichen Gesundheitswesen erhalten. Krankenkassen sind nach unserer Auffassung
keine Unternehmen. Deshalb müssen sie aus der Novelle
herausgenommen und von Herrn Röslers Kontrollbefugnissen ausgenommen werden.
({4})
Kolleginnen und Kollegen, die skizzierten Problemfelder sind uns allen längst bekannt. Letztlich versagt die
Politik seit Jahrzehnten, wenn es darum geht, die Marktmacht von Unternehmen konkret zu begrenzen. Herr
Rösler, trotz GWB und Fusionskontrolle auf deutscher
und europäischer Ebene steigt die Konzentration. Absprachen und Preiskartelle werden immer wieder aufs
Neue aufgedeckt. Oft werden Verfahren nur durch Aussagen von Kronzeugen und Mitbewerbern möglich; Verbote werden dann ausgesprochen und Kartellrechtsstrafen verhängt. Weiter bestimmen auf vielen Märkten nur
wenige große Unternehmen über Angebotsmengen und
Preise. Der in Ihren Reden immer wieder beschworene
freie Wettbewerb findet nicht oder nur eingeschränkt
statt.
Das Problem ist: Sie gehen nicht an den Kern des Problems heran. Marktbeherrschende Unternehmen unterliegen der Missbrauchsaufsicht. Sie gehen aber nicht das
Grundproblem der Vermachtung der Märkte mit all ihren
sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen an.
Seit langem verweisen Bundeskartellamt und Monopolkommission darauf, dass sich der Machtmissbrauch in
diesen Bereichen oft nicht nachweisen lässt. Deshalb
müsste eine Entflechtung an eine marktbeherrschende
Stellung gebunden werden - sie darf nicht erst Instrument der Missbrauchsaufsicht sein -, und genau das tun
Sie nicht.
({5})
Die Umsetzung Ihrer vollmundigen Ankündigung,
Herr Rösler, ein wirkungsvolles Entflechtungsgesetz in
diesem Sinne zu formulieren, ist schlicht ausgeblieben.
Jetzt bleibt uns bis zur Verabschiedung des vorliegenden
Gesetzentwurfs tatsächlich nur noch der Wettbewerb um
einen besseren Entwurf, damit Sie, Herr Nüßlein, in den
Debatten, in den Anhörungen und im weiteren Verfahren
von der Linken lernen können, was Wettbewerb und
Wettbewerbsförderung in einer sozialen Marktwirtschaft
tatsächlich sind.
Danke für die Aufmerksamkeit.
({6})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Andreae für
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine erstaunliche Fusion von Frau Lötzer und Herrn
Brüderle bei der Frage eines möglichen Entflechtungsinstruments! Ich komme noch dazu.
Vorab vielleicht eines: Ich finde, es ist wirklich eine
sehr intensive und sehr fachliche Debatte, in der wir uns
mit dieser GWB-Novelle auseinandersetzen. Ich glaube,
dass wir im Verfahren auch noch Verbesserungen erreichen, weil wir alle eine unternehmerische Landschaft
wollen, in der es Kreativität und Flexibilität gibt, weil
wir vermachteten Strukturen entgegenwirken wollen,
weil wir wollen, dass nicht der Stärkere, sondern der
Bessere die Nase vorn hat und die Verbraucher profitieren.
Herr Rösler, ich fände es wirklich passend, wenn Sie
dieser Debatte aufmerksamer folgten, als Sie es tun.
({0})
- Doch! Da brauchen Sie nicht „Oh!“ zu sagen. - Herr
Rösler, Sie haben sehr viele Kollegen im Kabinett, die
immer dann, wenn es um Debatten zu ihrem Bereich
geht, sehr aufmerksam dabei sind, das Parlament ernst
nehmen und im Hinblick auf die Frage: „Welche Verbesserungsmöglichkeiten und Ideen gibt es noch?“ die Debatte wirklich aufmerksam verfolgen. Das nehme ich bei
Ihnen leider gerade nicht wahr. Ich hatte die letzten
40 Minuten die Möglichkeit, Sie zu beobachten. Ich
muss sagen: Ich würde mir mehr Aufmerksamkeit von
Ihnen wünschen.
({1})
Der Gesetzentwurf, den die Regierung hier vorgelegt
hat, erfüllt noch nicht die Voraussetzungen, die wir brauchen, um den Wettbewerb als Herz der Marktwirtschaft
zu schützen, um wirklich faire Spielregeln aufzustellen.
({2})
Das Entflechtungsinstrument ist derzeit noch ein zahnloser Tiger. Ich habe es gesagt: Der damalige Wirtschaftsminister Brüderle hat den sinnvollen Vorschlag
gemacht, wonach nicht der Nachweis des Missbrauchs
durch die marktbeherrschenden Unternehmen entscheidend sein sollte; vielmehr sollte allein die Tatsache, dass
es ein marktbeherrschendes Unternehmen gibt, Anlass
dazu geben, das Entflechtungsinstrument anzuwenden.
Die Monopolkommission und das Kartellamt haben diesen Vorschlag bekräftigt. Wider besseres Wissen verschimmelt dieser Vorschlag nun in der Schublade. Es
wäre doch wirklich gut, wenn Sie ihn noch einmal hervorholten. Was Sie jetzt praktizieren, ist ein Einknicken
und dient weder dem Wettbewerb noch dem Markt.
({3})
Bei der Anwendung des Entflechtungsinstruments haben
Sie nicht den entscheidenden Schritt getan.
Vielleicht gibt es noch Bewegung. Wir werden Ihnen
diesen Vorschlag noch einmal unterbreiten. Wir hoffen,
dass wir dann zumindest auf die Stimmen der FDP zählen können.
({4})
- Ich finde schon, dass Sie sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie Sie dieses Entflechtungsinstrument - Sie führen immer wieder an, dass Sie wollen,
dass es wie ein scharfes Schwert wirkt; der Minister hat
es als Ultima Ratio bezeichnet - so anwenden, dass es
greifen kann. Unter den jetzigen Voraussetzungen kann
es nicht greifen; das wissen Sie im Übrigen so gut wie
ich. Für Sie stellt sich natürlich die Frage, ob Sie hier
nicht noch nachbessern sollten.
Entscheidend ist, dass die verhängten Bußgelder auch
gezahlt werden. Bisher funktioniert das ganz gut: Rund
80 Prozent der Bußgelder, die verhängt werden, werden
gezahlt. 2011 wurden Bußgelder in Höhe von ungefähr
190 Millionen Euro verhängt; davon sind 162 Millionen
Euro gezahlt worden. Nun ist Folgendes passiert: Der
BGH hat im Jahr 2011 zwei Grundsatzentscheidungen
gefällt. Er hat dadurch potenziellen Kartellsündern aufgezeigt, wie man durch Umstrukturierungen in einem
Unternehmen in der Lage ist, solchen Bußgeldern zu
entgehen. Jetzt muss die entstandene gesetzliche Lücke
geschlossen werden. Es geht zum einen um das Geld,
das dem Bundeshaushalt nicht zufließt, zum anderen um
die Glaubwürdigkeit des gesamten Verfahrens. Wir müssen alle Lücken schließen, die sich bei der Frage ergeben, wie man Bußgelder und Kartellbescheide umgehen
kann, damit wir als Staat deutlich machen: Uns ist es
ernst mit Wettbewerb. Uns ist es ernst damit, vermachtete Strukturen und Kartelle zu bekämpfen. Wir werden
uns hier für den Mittelstand, für die kleinen Unternehmerinnen und Unternehmer einsetzen.
({5})
Der Schutz des Wettbewerbs ist auch Verbraucherschutz. Das ist bereits erwähnt worden; wir teilen diese
Auffassung. Der Verbraucherschutz muss daher als
Schutzzweck in das Gesetz aufgenommen werden. Es
wäre ganz wichtig, dass Sie sich hinstellen und sagen:
Ja, Verbraucherschutz ist Zweck des Gesetzes.
({6})
Die Verbraucherverbände sagen uns: Die Hürden für die
Möglichkeiten, dem Verbraucherschutz tatsächlich nachzukommen, sind nach wie vor zu hoch. Es muss nachgewiesen werden, dass Absprachen getroffen worden sind.
Ein solcher Nachweis ist nicht zu leisten. Die Gewinnabschöpfungsmöglichkeit ist nach wie vor nicht gegeben.
Wir müssen die Vorteilsabschöpfung, die man durch
Kartellbildung hat - oft liegen die Kartellrenditen zweibis dreimal höher als die zu zahlenden Bußgelder -,
wirklich ernst nehmen. Die Verbraucherverbände sollten
gestärkt werden. Hier müssen wir nachbessern; sonst
bleibt das Ganze eine Fata Morgana.
({7})
Jetzt noch ein Wort zur Frage der Ministererlaubnis
und der Rolle des Parlaments. Es ist angesprochen worden, dass wir in der Vergangenheit mehrere Ministererlaubnisse hatten. Jede zweite Ministererlaubnis ist
übrigens gegen das Votum der Monopolkommission ausgesprochen worden.
({8})
Ein Mal war es unter Beteiligung der Grünen, übrigens
drei Mal unter Beteiligung der FDP. Jeder von uns hat
also ein Päckchen zu tragen. Die Ministererlaubnis als
Instrument muss bei der Frage nach einem überragenden
Interesse eine Rolle spielen. Das, was wir wollen, haben
wir in unseren Antrag geschrieben: Stärken Sie die Rolle
des Parlaments! Die Ministererlaubnis muss erst einmal
durch den Bundestag. Es geht nicht, dass der Wirtschaftsminister allein entscheidet. Wenn Sie sich nicht
dazu durchringen können, dass der Bundestag entscheidet, so sollte das ganze Kabinett über eine Ministererlaubnis beschließen. Die Ministererlaubnis darf nicht allein in der Hand des Wirtschaftsministers bleiben.
({9})
Also: Den Gesetzentwurf werden wir im parlamentarischen Verfahren sehr ernsthaft mit Ihnen diskutieren.
Wir werden Ihnen Vorschläge machen. Wir haben schon
Vorschläge in einem Antrag festgehalten. Wir finden es
wichtig, dass hier nachgebessert wird zum Schutz des
Wettbewerbs, den wir alle wollen, aber auch zum Schutz
der Verbraucherinnen und Verbraucher, denen der Wettbewerb nutzt.
Herzlichen Dank.
({10})
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Martin Lindner
von der FDP-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Kollegin Andreae, das Thema, das wir hier behandeln, berührt den Kernbereich liberalen Denkens. Natürlich geht
es - Kollege Barthel, Sie haben recht - um Ordoliberalismus. Sie konstruieren hier allerdings einen Gegensatz
zum Neoliberalismus, der einer historischen Analyse
überhaupt nicht standhält. Der Neoliberalismus, auch
Ordoliberalismus genannt, war in der Nachkriegszeit die
Antwort der klassischen Lehre auf den Laisser-faireLiberalismus des davorliegenden Jahrhunderts. Dieser
wurde noch vertreten von von Mises. Die Vertreter des
Ordoliberalismus - Müller-Armack, Eucken und
andere - setzten dem ein Modell - jeder kann machen,
was er will - entgegen, bei dem der Staat ein starker
Schiedsrichter, ein starker Regelgeber ist, aber kein Mitspieler. Das ist der Unterschied zu Ihrer Denklehre. Sie
vertreten eine Denkschule, in der der Staat durch öffentliche Unternehmen selbst eine starke Rolle spielt. Diese
vertreten wir nicht. Wir bekennen uns aber zu einem
starken Staat als Regulierer und Aufsichtsführenden
über die wirtschaftlichen Prozesse in diesem Lande.
({0})
Dies ist in der Tat die Grundvoraussetzung, dass sich
Wettbewerb zugunsten des Verbrauchers entwickelt. Darin stimme ich mit Ihnen vollständig überein. Der Liberalismus und hier speziell das Wettbewerbsrecht hat die
zentrale Rolle, dem Verbraucher zu nutzen, indem er ihm
ein möglichst breites Angebot zur Verfügung stellt und
nicht den Markt auf Oligopole oder gar Monopole beschränkt, seien sie staatlich oder privat. Hier muss ich
sagen, dass mir das öffentliche Monopol lieber ist als das
private Monopol. Auch dies gehört zur Wahrheit.
Wir haben in Deutschland - das muss man klar bekennen; deswegen danke ich dem Minister für die Vorlage dieses Gesetzes - Entwicklungen, die durchaus
schwierig sind und einer besonderen Beobachtung bedürfen, so zum Beispiel im Einzelhandel. Man muss
ganz klar sehen, dass es dort eine unerfreuliche Tendenz
zu weniger dominierenden Unternehmen und herstellenden Unternehmen gibt, die in ihrem Bereich durchaus
eine Marktpotenz haben. Sie geraten dann in Schwierigkeiten, wenn in den Regalen nur noch ein Miniaturanteil
angeboten wird. Dies bringt die Lebensmittelhandelsbetriebe in eine sehr starke Stellung. Deswegen ist es richtig, dass wir hier vorgehen und ein starkes Gesetz behandeln.
({1})
Der zweite Aspekt, den ich hier aufgreifen möchte, ist
die Entwicklung der Mineralölpreise. Dies ist ein
schwieriges Feld. Heute liegt der Preis für 1 Liter Rohöl
Dr. Martin Lindner ({2})
bei 49 Cent. Wenn Sie jetzt den staatlichen Anteil hinzunehmen - also die Steuern: Mineralölsteuer, Ökosteuer,
Umsatzsteuer, Steuer auf die Steuer -, kommen Sie auf
etwa 90 Cent. Wenn Sie das addieren, kommt man auf
den Bereich, der in Deutschland überhaupt einer Regulierung zugänglich ist; der liegt bei etwa 20 Cent. Das
betrifft die Raffinierung des Öls, den Vertrieb und die
Tankstellen. Wenn Sie von dieser Summe jetzt noch die
Positions- und Herstellungskosten abziehen, erkennen
Sie, über welchen Bereich wir hier tatsächlich diskutieren.
Wenn Ihnen der Vorschlag des Ministers nicht weit
genug geht und Sie sagen: „Das reicht uns nicht“, dann
machen Sie Vorschläge.
({3})
Es gibt ja internationale Ideen, zum Beispiel das sogenannte westaustralische Modell, das sich bemerkenswerterweise schon im restlichen Australien nicht durchgesetzt hat, weil es nichts taugt.
({4})
Es gibt das sogenannte österreichische Modell, ebenfalls
ein Regulierungsmodell, das aber eher zur Erhöhung der
Preise geführt hat.
({5})
Wenn Sie jetzt fordern, dass wir in diesem Bereich zu
Entflechtungen kommen sollen, Kollege Barthel und
Kollegin Andreae, dann müssen Sie schon sagen, was
Sie entflechten wollen und was Sie entflechten können.
({6})
Entflechten können Sie ja nur die Kette zwischen Raffinierung, Vertrieb und Tankstelle. Ich garantiere Ihnen:
Das wird nicht zu sinkenden, sondern zu steigenden
Preisen führen.
({7})
Deswegen ist es richtig, dass wir uns auf eine Marktbeobachtung konzentrieren. Deswegen ist das von der
Koalition gewählte Mittel das einzig vernünftige.
({8})
Sie aber haben keine Vorschläge, wie immer in den Debatten, die wir hier gemeinsam führen.
({9})
Im Medienbereich haben wir eine besondere Situation, die ebenfalls unsere Aufmerksamkeit verdient.
({10})
Eine Medienkonzentration gibt es nur noch teilweise. In
den meisten Regionen Deutschlands ist der Medienmarkt im Grunde intakt. Kein Mensch kann doch behaupten, dass es zu wenig Verlagsprodukte gibt. Allerdings gibt es tatsächlich - Herr Barthel, spitzen Sie Ihre
Ohren - in einigen Bereichen der Printmedien eine Konzentration; zum Beispiel dort, wo der SPD-eigene Medienverlag ddvg unterwegs ist,
({11})
der regelmäßig im Kommissionsbericht der KEK, der
Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich, erwähnt wird.
({12})
Deswegen mein Rat: Fangen Sie einfach einmal bei
sich an!
({13})
Machen Sie das Ganze doch transparent. Schreiben Sie
auf jede Ihrer Publikationen oben drauf, dass sie der
SPD gehört. Dann wissen die Leser wenigstens, was darin steht oder warum es darin steht.
({14})
Ich würde an Ihrer Stelle erst einmal bei mir selbst anfangen, bevor ich mit dem Finger auf andere zeige.
({15})
- Ich will Sie doch nicht enteignen. Ich will nur, dass die
Leser wissen, wer der Urheber des ganzen Unsinns ist,
der teilweise darin steht. Nur darum geht es mir.
({16})
Lassen Sie mich zum Schluss noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum Wettbewerb in der Daseinsvorsorge machen.
({17})
Der Wettbewerb in der Daseinsvorsorge ist auch eine
zentrale Forderung und die Grundvoraussetzung für sinkende Preise. In diesem Zusammenhang mache ich Ihnen klar: Das, was wir fordern, ist kein Etikettenschwindel in dem Sinne, dass ein öffentliches Unternehmen
jetzt in eine private Rechtsform gegossen wird und das
Ganze dann als Privatisierung läuft. Vielmehr interessiert uns auch hier der Wettbewerb, weil auch hier nur
der Wettbewerb zu günstigen Preisen führt.
Ihre Vorgehensweise - vor allem in den Ländern unter
SPD-Verantwortung -, bei den Wasserbetrieben Minder22206
Dr. Martin Lindner ({18})
heitsbeteiligungen an Unternehmen der Daseinsvorsorge
in private Hand zu geben, ohne Wettbewerb zu schaffen,
ist ein sozialdemokratisches Modell des Wettbewerbs;
das ist nicht unseres.
({19})
Dieses Modell würde überhaupt nur Sinn machen, wenn
hier durch eine Vergabe dafür gesorgt würde, dass die öffentlichen Ansprüche gedeckt werden.
Das gilt übrigens auch bei den Krankenkassen. Die
Qualität des Produkts wird durch Aufsicht und die Regulierung erreicht, aber nicht durch die Tatsache, dass das
Ganze durch öffentlich Bedienstete ausgeführt wird. Das
bringt überhaupt nichts. Man merkt es aber: Jedes Mal,
wenn es um Ihre heiligen Kühe, die öffentlichen Unternehmen, geht - das war auch bei der Kollegin Lötzer so -,
dann kreischen Sie auf und nennen das Ganze „Überregulierung“.
({20})
- Herr Heil, das hat mit dem Sozialen doch gar nichts zu
tun. Das Soziale kommt dann ins Spiel, wenn im Rahmen des Wettbewerbs vernünftige Leistungen zu günstigen Preisen angeboten werden.
({21})
Schauen Sie sich einmal Ihren Sozialstaat hier in Berlin an, wo Ihre Partei dafür sorgt, dass beispielsweise im
Bereich der S-Bahn ein Monopol quasi zementiert wird!
Anstatt hier Leistungen zu vergeben und öffentlich auszuschreiben, sorgen Sie dafür, dass immer wieder derselbe Anbieter die Leistungen anbietet, und wundern
sich, dass diese Leistungen dann eben nicht mehr adäquat sind.
Herr Lindner, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ganz zum Schluss mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, ein Satz zum Thema Ministererlaubnis. Sie versuchen immer wieder, die Belange der Exekutive und die
der Legislative zu mischen.
Herr Lindner, nein, Sie müssen jetzt zum Schluss
kommen, bitte.
Das sind klassische Einzelfallentscheidungen, und
das werden sie auch bleiben.
Ich freue mich auf die Beratungen und wünsche Ihnen
ein schönes Wochenende.
Herzlichen Dank.
({0})
Das Wort hat jetzt die Kollegin Elvira DrobinskiWeiß von der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Aus Verbrauchersicht enthält dieser Regierungsentwurf, Herr
Minister, nur Placebos. Wirksame Mittel für den Verbraucher sind im Vorschlag dieser Bundesregierung
nicht enthalten; Sie täuschen das nur vor.
So wollen Sie zum Beispiel den Verbraucherverbänden ein Klagerecht einräumen, wie es das für Unternehmensverbände schon seit der 7. GWB-Novelle gibt. Das
ist gut; denn damit greifen Sie einen Vorschlag der rotgrünen Bundesregierung aus dem Jahr 2005 wieder auf.
({0})
Damals hatten Sie das Verbandsklagerecht für Verbraucherverbände im Vermittlungsverfahren wieder herausgeworfen. Ich hoffe nun, dass das nicht wieder passiert.
({1})
Dennoch ist das Klagerecht ein Placebo; denn wir alle
wissen inzwischen, dass die Klagebefugnis allein nicht
reicht. Der Vergleich mit dem Klagerecht der Unternehmensverbände und den ähnlich gestalteten Regelungen
im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zeigt: Das
Klagerecht allein ist noch kein wirksames Mittel.
Stattdessen müssen wir erstens Anreize schaffen, sodass die Verbraucherverbände das Klageinstrument auch
nutzen. Wenn der Vorstand einer Verbraucherzentrale
auf der Grundlage des Regierungsentwurfs versuchen
würde, die zulasten der Verbraucher erlangten Vorteile
bei einem Unternehmen abzuschöpfen, bringt es ihn in
die Nähe einer Untreuehandlung; denn das Prozessrisiko
trägt allein seine Verbraucherzentrale. Das kann für die
Verbraucherzentrale sehr schnell zu Kosten im fünfstelligen Bereich führen. Gewinnt die Verbraucherzentrale,
muss sie die abgeschöpften Unrechtsgewinne an die
Bundeskasse abführen. Warum also sollte sie klagen?
Der Bundesrat schlägt deshalb vor, ein Sondervermögen zu bilden, in das die abgeschöpften Vorteile fließen
sollen. Damit könnten die Arbeit der Verbraucherzentralen und die Prozessrisiken finanziert werden. Wir haben
bereits vor zwei Jahren gefordert, die abgeschöpften Unrechtsgewinne mit demselben Ziel der Deutschen Stiftung Verbraucherschutz zur Verfügung zu stellen. Klar
ist: Auf gar keinen Fall dürfen die Unrechtsgewinne
beim Unternehmen verbleiben; denn Wettbewerbsverstöße dürfen sich nicht lohnen.
({2})
Das Kaffeerösterkartell, das im Jahr 2009 vom Kartellamt aufgedeckt wurde, hat bei den Verbrauchern nach
Schätzungen der Verbraucherverbände einen Schaden
von rund 4,8 Milliarden Euro verursacht. Die verhängten
Kartellbußen betrugen dagegen nur 159,5 Millionen
Euro. Also haben sich die Preisabsprachen selbst nach
Abzug der Bußgelder doch für die Kaffeeröster gelohnt.
Zweitens müssen im parlamentarischen Verfahren die
Voraussetzungen für eine Vorteilsabschöpfung reformiert werden. Bisher muss den Kartellsündern Vorsatz
oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Das ist eine
so hohe rechtliche Hürde, dass es weder die Verbände
noch das Kartellamt bisher gewagt haben; Kollegin
Andreae hat bereits darauf hingewiesen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das Bundeskartellamt macht gute Arbeit. Gerade im Konsumgüterbereich hat es in letzter Zeit eine Reihe von Kartellen
aufgedeckt. Auf die Ergebnisse beispielsweise der Sektoruntersuchung im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels sind wir schon sehr gespannt. Ich glaube, dass sich
öffentliche Rechtsdurchsetzung durch das Kartellamt
und private Rechtsdurchsetzung durch die Verbraucherverbände sinnvoll ergänzen können. Hinweise, die bei
den Verbraucherzentralen eingehen, sollten vom Kartellamt stärker genutzt werden, und dessen Arbeit kann von
den Verbraucherverbänden sinnvoll für Klagen auf Unrechtsgewinnabschöpfung genutzt werden.
Im Dezember 2009 hat die Bundesministerin Aigner,
die für den Verbraucherschutz zuständig ist, einen guten
Vorschlag gemacht. Ein Teil der Kartellbußgelder soll
den Verbraucherverbänden zur Finanzierung ihrer Arbeit
zufließen. Dieser Ankündigung der Ministerin sind leider - wie so oft - keine Taten gefolgt. Unsere Anträge
dazu in den Haushaltsberatungen vergangener Jahre
wurden von der Koalition regelmäßig abgelehnt, obwohl
das Kartellamt gerade bei den Konsumgütern besonders
aktiv war. Der Bundesrat hat unsere Forderung in seiner
Stellungnahme aufgegriffen und gefordert, dass 20 Prozent der Bußgelder zur Finanzierung der Verbraucherarbeit verwendet werden. Ich fordere die Koalition auf,
sich diesem Vorschlag anzuschließen. Wenn Sie das tun,
Herr Nüßlein, können wir Sie dafür loben.
({3})
Wirtschaftspolitik sorgt für fairen Wettbewerb und
verhindert den Missbrauch von Marktmacht; das ist sogar schon einmal bei der FDP angeklungen. Unter einem
solchen Missbrauch leiden die Verbraucher, die Produzenten, die Zulieferer, die Beschäftigten und die Umwelt. Gute Wirtschaftspolitik richtet sich gegen unfaire
Produktionsbedingungen und intransparente Märkte.
Gerade im Lebensmittelbereich - sogar die FDP hat das
schon festgestellt - beobachten wir, welche Folgen die
Nachfragemacht weniger Lebensmittelhandelsketten
hat. Im Gesetzentwurf vermissen wir dazu Vorschläge.
So wollen wir eine Ombudsstelle einrichten, die zwischen Herstellern und Handel schlichten soll. In einer
Anhörung des Verbraucherausschusses haben sich alle
Experten für eine solche Ombudsstelle ausgesprochen.
Ich bin gespannt, sehr verehrter Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ob Sie unseren
diesbezüglichen Vorschlag aufgreifen werden.
Vielen Dank.
({4})
Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Matthias Heider
von der CDU/CSU.
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! So wie die Debatte heute
morgen verläuft, scheint es nicht zu schaden, wenn wir
uns noch einmal das Grundanliegen des GWB vor Augen führen. Gerade kam die Bemerkung, dass die bayerische Sichtweise hier nicht richtig sei. „Wohlstand durch
Wettbewerb“, schreibt Ludwig Erhard
({0})
in seinem Buch Wohlstand für alle im Jahr 1957, genau
in dem Jahr, in dem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von diesem Hause beschlossen worden
ist.
({1})
Erhards Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft auf Basis der Wettbewerbswirtschaft gilt auch heute noch.
Aufgabe der Wettbewerbspolitik ist es, im Interesse
aller Unternehmen, unabhängig von Größe und Rechtsform, einen möglichst uneingeschränkt funktionierenden
Wettbewerb zu gewährleisten. Davon profitieren auch
die Verbraucher. Funktionierender Wettbewerb ist eine
wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung. Wettbewerb fördert Innovation, optimale Ressourcenverteilung und begrenzt wirtschaftliche Macht. Dass
wir nunmehr im Bundestag bereits über die achte Novelle zum GWB beraten, zeigt, dass das Prinzip, das vor
55 Jahren Geltung erlangt hat, nach wie vor Maßstab unseres wirtschaftlichen Handelns ist und dass auch wettbewerbliche Rahmenbedingungen von Zeit zu Zeit angepasst werden müssen. Das tun wir, indem wir mit dieser
Novelle Fusionskontrolle, Missbrauchsaufsicht, Bußgeldvorschriften und Kartellverfahren auf den neuesten
Stand der Rechtspraxis bringen und europakonform ausgestalten.
({2})
Die achte Novelle, Herr Kollege Barthel, bringt zum
einen deutliche Verbesserungen mit sich und behält zum
anderen bewährte Instrumente und Vorschriften bei. Ich
will mich auf einige konzentrieren und durchaus am Anfang einen technischen Aspekt nennen, nämlich den
Übergang vom Marktbeherrschungstest zum sogenannten SIEC-Test im Fusionskontrollverfahren. Hiernach
wird künftig maßgeblich sein, ob ein Zusammenschluss
bereits eine „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ darstellt. Das bislang geltende Kriterium der
Marktbeherrschung wird beibehalten. Dass die Einzelmarktbeherrschungsschwelle auf 40 Prozent angehoben
wird, entspricht mittlerweile der wirtschaftlichen Realität. Ich halte eine Anhebung der Schwelle für die kollektive Marktbeherrschung für diskussionswürdig. Das
sollte in unseren Ausschussberatungen Berücksichtigung
finden.
Neben der Ausgestaltung der Untersagungskriterien
sind auch die Abwägungstatbestände zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang halte ich es für sinnvoll,
weiterhin an den praxisbewährten Instrumenten der Abwägungs- und Bagatellklausel sowie der Ministererlaubnis festzuhalten. Frau Kollegin Andreae, Ministererlaubnis ist exekutives Handeln. Ich glaube nicht, dass unser
Haus eine solche Entscheidung an sich ziehen sollte.
({3})
Lassen Sie uns einen Blick auf den Antrag der Grünen zum Thema missbrauchsunabhängiges Entflechtungsinstrument werfen. Sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen von den Grünen, in Ihrem Antrag zur GWBNovelle fordern Sie die Bundesregierung auf, als Ultima
Ratio ein Entflechtungsinstrument einzuführen, selbst
wenn überhaupt kein Missbrauch vorliegt. Sie verweisen
auf das entsprechende Sondergutachten der Monopolkommission, allerdings nur lückenhaft.
Dazu einige Bemerkungen. Erstens sieht die Monopolkommission die Implementierung einer sogenannten
objektiven Entflechtungsregel ausdrücklich nicht als
vordringliche Maßnahme an. Zweitens macht die Monopolkommission hinreichend deutlich, dass mit einer objektiven Entflechtung auch immer die Gefahr verbunden
ist, dass Unternehmen alleine wegen der Existenz eines
solchen Instruments Investitionen und Innovationen unterlassen werden, um dem Risiko einer Entflechtung zu
entgehen.
({4})
Ich frage Sie: Wollen Sie in der jetzigen wirtschaftlichen
Lage wirklich, dass die Investitions- und Innovationsbereitschaft deutscher Unternehmen dadurch gehemmt
wird?
({5})
Das fördert bzw. schützt den Wettbewerb wohl kaum.
Drittens verweist die Monopolkommission darauf, dass
Rationalisierungsvorteile zunichtegemacht und Größenund Verbundvorteile gefährdet werden. Diesen Nachteilen, so die Monopolkommission - man höre! -, könne
durch Kompensationszahlungen aus öffentlichen Mitteln
begegnet werden. Auch das scheint mir wenig marktkonform zu sein, und unsere Haushalte sind eh schon belastet genug.
Meiner Ansicht nach birgt eine nicht austarierte und
vorschnelle Ausgestaltung eines missbrauchsunabhängigen Entflechtungsinstruments die Gefahr,
({6})
dass wir gegen die eingangs genannten ordnungspolitischen Leitbilder unserer Wirtschaft verstoßen; denn der
Anknüpfungspunkt ist gerade nicht wettbewerbsschädliches Fehlverhalten. Mit den in Ihrem Antrag genannten
Maßnahmen werden auch Fälle erfasst, in denen sich erfolgreiches Unternehmenswachstum widerspiegelt. Ich
begrüße es daher sehr, dass das Instrument der objektiven Entflechtung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in den
Regelungskatalog des GWB aufgenommen wird. Die
Abhilfemaßnahmen struktureller Art hingegen sind im
vorliegenden Gesetzentwurf enthalten.
Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu Unter-Einstandspreis-Verkäufen und dem Verbot der Preis-KostenSchere sagen. Eines muss klar sein: Die wenigen kartellrechtlichen Mittel, die wir der Preistreiberei mancher
Oligopolisten entgegenhalten können, dürfen zum Jahresende nicht achtlos auslaufen. Ein alle Autofahrer belastender Nachahmungswettbewerb ist an den Tankstellen zu beobachten. Ein afrikanisches Sprichwort sagt:
„Willst du den Preis wissen, musst du über den Markt
gehen.“ Millionen von Autofahrern fahren täglich über
diesen Markt und können die Preise sehen. Beim Blick
in den Rückspiegel sehen sie meist, dass sich die Preise
schon wieder geändert haben.
({7})
Insofern begrüße ich es sehr, dass die Bundesregierung
an diesen wichtigen Verbotsmöglichkeiten festhält.
Dass die vorhandenen Instrumente auch konsequent
umgesetzt werden, Frau Lötzer, zeigt sich darin, dass das
Kartellamt vor wenigen Wochen gegen die fünf großen
Mineralölkonzerne ein Verfahren wegen des Verdachts
des Preismissbrauchs eingeleitet hat.
({8})
Nun wird geprüft, ob der Treibstoff unter Einstandspreis
verkauft worden ist und ob für die Belieferungen freier
Tankstellen höhere Preise verlangt worden sind als bei
den eigenen Kunden. In dem einen oder anderen Antrag
wird behauptet, dass es an einer effizienten Kartellverfolgung fehle. Angesichts dieser Vorgänge ist mir eine
solche Aussage unverständlich.
({9})
Das heißt nicht, dass es in den Missbrauchs- und Untersagensverfahren keine Verbesserungsmöglichkeiten
gibt. Im eben genannten Verfahren, Frau Kollegin
Andreae, war das Kartellamt zunächst gezwungen, den
betroffenen Unternehmen förmliche Auskunftsersuchen
zuzustellen, um überhaupt belastbare Daten zu erhalten.
In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass marktkonforme Maßnahmen und Instrumente tatsächlich weiterentwickelt werden müssen, um effektiv vorgehen zu
können. Dazu zählt auch die Einrichtung der Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt, die den Handel mit
Kraftstoffen durchgängig beobachten muss, um schnelDr. Matthias Heider
ler reagieren zu können. Ein entsprechender Regierungsentwurf wird bereits heute im Bundesrat beraten.
Es ist richtig: Die Preise für Kraftstoffe steigen auf
lange Sicht an. Das ist ein Ärgernis für uns Verbraucher
und eine ernste Kostenbelastung für unsere Unternehmen. Die Bundesregierung kann die Preise aber nicht per
Verordnung einfach ändern. Das wäre Planwirtschaft.
Das ist nicht unser Modell. Unsere Aufgabe muss es
sein, strukturelle Voraussetzungen für funktionierenden
Wettbewerb zu schaffen. Das werden wir mit dieser Novelle angehen. Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs
droht immer. Deshalb ist es Aufgabe des Staates, den
Ordnungsrahmen für den Wettbewerb von Zeit zu Zeit
neu zu schaffen.
Zum Schluss:
Wenn ein Unternehmen auf Dauer bestehen und
fortschrittlich bleiben will, gibt es nichts Schlimmeres, als keine Wettbewerber zu haben.
Das sagte Robert Bosch, ein deutscher Unternehmer und
Erfinder. Ihm ist zuzustimmen, auch dem Entwurf dieser
Novelle.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
({10})
Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin
Caren Lay.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! In einem sind wir uns hoffentlich einig: Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen im Wettbewerbsrecht endlich gestärkt werden;
({0})
denn die Bürgerinnen und Bürger sind die Leidtragenden
von Monopolen und Preisabsprachen. Ob bei Kaffee-,
Benzin- oder Strompreisen, die Schäden für die Verbraucherinnen und Verbraucher sind enorm. Die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen nach Berechnungen des
Umweltbundesamts allein 10 bis 15 Milliarden Euro im
Jahr zu viel an die Stromkonzerne. Ich finde, das kann
man so nicht hinnehmen. Das ist wertvolles Geld, das
den Bürgerinnen und Bürgern im Portemonnaie fehlt.
Das müssen wir endlich angehen.
({1})
Mit dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, wird
das leider nicht geändert. Dieser Gesetzentwurf ist reine
Symbolpolitik. Dieser Gesetzentwurf ist einfach nur Augenwischerei. Ich will Ihnen das an einigen Beispielen
erläutern:
Erstens: die angebliche Stärkung der Verbraucherverbände im Kartellrecht. Die Verbraucherverbände selbst
sagen, dass durch diesen Gesetzentwurf kein messbarer
Fortschritt zu erwarten ist. Das sollte Ihnen zu denken
geben. Die Möglichkeiten, die Sie den Verbraucherverbänden einräumen, werden nicht greifen. Wir wissen
doch, dass das in der Realität so nicht funktioniert. Die
Beweislast soll bei den Verbraucherverbänden liegen.
Die Schäden sollen sie selbst ermitteln. Das ist doch völlig unrealistisch. Das ist unpraktikabel. So funktioniert
das einfach nicht.
({2})
Eines ist für uns als Linke völlig klar: Wenn es Preisabsprachen und Kartellverstöße gibt, zahlen die Verbraucherinnen und Verbraucher Milliarden Euro zu viel.
Dieses Geld aus Unrechtsgewinnen müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher in vollem Umfang zurückerhalten.
({3})
Bisher stehen die Bußgelder - dieses Beispiel ist
schon genannt worden - in keinem Verhältnis zu den
Unrechtsgewinnen der Unternehmen. Beispiel Kaffee:
Geschätzt 4,8 Milliarden Euro haben die Unternehmen
aufgrund des Kaffeerösterkartells zu viel verdient. Die
Bußgelder betrugen gerade einmal 160 Millionen Euro.
Das steht in keinem Verhältnis. An diese Regelungen
müssen wir endlich heran. Wir als Linke sagen gemeinsam mit dem vzbv: Wir wollen dieses Geld in vollem
Umfang zurückfordern.
({4})
Ich finde, dass dieses Geld nicht einfach in das Staatssäckel wandern sollte. Es sollte, wann immer es geht,
den Verbraucherinnen und Verbrauchern individuell zugutekommen. Für die Fälle, in denen das nicht möglich
ist, hat Ministerin Aigner einen durchaus interessanten
Vorschlag gemacht. Sie hat gesagt: Dieses Geld aus den
Kartellstrafen soll der Verbraucherarbeit zugutekommen. Das wären trotz der gerade skizzierten laschen Regelung in den letzten zehn Jahren immerhin 1 Milliarde
Euro gewesen. Das sind für uns Verbraucherschützer
ganz utopische Summen. Die Verbraucherministerin ist
leider ihrem Ruf als Ankündigungsministerin wieder gerecht geworden. Ich hätte mich gefreut, wenn sie zumindest an der heutigen Debatte, in der es ja um die Verbraucherrechte geht, teilgenommen hätte.
({5})
Ein letztes Beispiel: die Strompreise. Sie schlagen
vor, bestehende Regelungen zu verlängern. Ich sage:
Das wird es nicht bringen; denn es hat auch schon in den
letzten Jahren nicht funktioniert. In den letzten Jahren
hat die Missbrauchsaufsicht den enormen Anstieg der
Strompreise nicht eindämmen können. In den letzten
zehn Jahren haben sich die Strompreise verdoppelt. Im
gleichen Zeitraum haben die vier Energieriesen über
100 Milliarden Euro Gewinne eingestrichen. Deswegen
sage ich hier ganz klar: Das Problem ist nicht der Missbrauch, sondern das Problem sind die vier großen Energieriesen, die den gesamten Markt beherrschen, die den
Verbraucherinnen und Verbrauchern das Geld aus der
Tasche ziehen und das eigene Säckel damit füllen. Das
ist der Regelfall auf dem Strommarkt. Dieses Problem
müssen wir endlich angehen.
Wir als Linke sagen: Wir brauchen eine staatliche
Preisaufsicht. Wir wollen diese Konzerne auch entflechten. Mit diesem Gesetzentwurf kommen wir bei der Entflechtung keinen Schritt voran. Dieser Gesetzentwurf
dient nicht dem Verbraucherschutz, er dient bestenfalls
der Verbrauchertäuschung.
Vielen Dank.
({6})
Jetzt hat das Wort die Kollegin Birgitt Bender von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem
vorliegenden Entwurf soll das Kartellrecht auf das Verhältnis der Krankenkassen untereinander ausgedehnt
werden. Da stellt sich die Frage: Passen Kartellrecht und
das Sozialgesetzbuch V eigentlich zusammen? Die Antwort heißt Ja, wenn es um die Vergabe öffentlicher Aufträge geht, etwa bei Rabattverträgen. Die Antwort heißt
auch Ja, wenn es um das Verhältnis von Krankenkassen
und Leistungserbringern geht, auch wenn Handwerk und
Krankenhäuser da noch Nachbesserungsbedarf sehen.
Die Antwort heißt vielleicht Ja, wenn es um das Verhältnis der Krankenkassen zu ihren Versicherten geht und
wir über Verbraucherschutz reden. Auch Krankenkassen
sind keine Heiligen. Wir hören von den Verbraucherschutzverbänden, dass Kassen zunehmend in der
Akquise zu Cold Calls greifen, nicht auf die Rechte der
Versicherten bei der Einführung von Zusatzbeiträgen
hinweisen oder gar versuchen - wir alle wissen, dass
dies geschieht -, unliebsame Versicherte abzuschrecken.
Die Antwort lautet aber klar Nein, wenn das Kartellrecht auf die Beziehungen zwischen den Krankenkassen
ausgeweitet werden soll. Was steht denn im SGB V?
Krankenkassen sind zur Zusammenarbeit verpflichtet.
Gleichzeitig soll ihnen das durch das Kartellrecht nun
wieder verboten werden. So etwas nennt man politische
Schizophrenie.
({0})
Man kann es auch anders ausdrücken: Die Regierung
fordert von den Kassen die Quadratur des Kreises. Normenklarheit, Herr Minister Rösler, sieht anders aus. Die
FDP redet ja gerne von Bürokratieabbau, aber hier führen Sie sowohl bei der Aufsicht als auch bei den Rechtswegen Doppelzuständigkeiten ein. Die Folgen werden
ständige Abgrenzungsprobleme und ständige Rechtsunsicherheit sein.
Das Ergebnis lautet dann: mehr Staat statt mehr Wettbewerb. Denn dann muss man wieder vorschreiben, dass
die Kassen etwa bei regionalen Versorgungskonzepten
zusammenarbeiten dürfen oder gar müssen. Das sieht
auch Herr Singhammer so. Leider reden Sie heute nicht.
Das ist schade, Herr Singhammer, Sie hätten von uns
wahrscheinlich viel Beifall erhalten.
({1})
Warum nun diese Nacht-und-Nebel-Aktion zweier
FDP-Minister? Es scheint ja so, dass dem Bundeskartellamt die Arbeit ausgeht, weil immer mehr Zuständigkeiten von der EU wahrgenommen werden. Soll das jetzt
also eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zulasten der
Krankenkassen sein, oder will das Wirtschaftsministerium Kontrollbefugnisse über das Gesundheitswesen erlangen, um die Privatisierung des Gesundheitswesens
voranzutreiben, für die Sie ja nicht einmal in Ihrer Koalition eine Mehrheit haben? Solch eine Politik durch die
Hintertür ist überhaupt nicht akzeptabel.
Wir brauchen spezifische Wettbewerbsregeln im Sozialrecht. Man muss einmal über das Verhältnis zwischen Kollektiv- und Selektivverträgen reden und über
die unterschiedlichen Aufsichten in Bund und Ländern.
Dort besteht Reformbedarf, aber die Regierung traut sich
nicht, dies anzugehen. Stattdessen agieren Sie hier aus
rein ideologischen Gründen an der völlig falschen Stelle.
({2})
Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Karl Lauterbach
von der SPD-Fraktion.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Anwendung des Kartellrechts auf die Krankenkassen
({0})
ist ein großer Schritt in die falsche Richtung.
({1})
Ich versuche, das, bevor ich es kritisiere, zunächst einmal zu erläutern, sodass wir überhaupt wissen, worüber
wir reden.
Erstens bedeutet dies, wie eben schon von Frau
Bender dargestellt, dass viele Initiativen der Krankenkassen, die derzeit gemeinsam durchgeführt werden,
dann nicht mehr möglich sind. Die Krankenkassen sind
dann nämlich Teilnehmer im Wettbewerb und nicht
mehr Agenten der Versicherten. Das hat zum Beispiel
zur Folge, dass Zusammenschlüsse von Krankenkassen,
in deren Rahmen sie gemeinsam Kliniken bewerten, Register zur Qualität bestimmter Eingriffe erstellen oder
die Vorbeugung organisieren, zum Beispiel die Krebsvorsorge durch Mammografie- und Darmkrebs-Screenings, dann nicht mehr möglich sein werden, wenn nur
eine Krankenkasse nicht mitmacht. Diese kann dann
nämlich auf der Grundlage des Wettbewerbsrechts gegen
den Verbund der anderen klagen. Auch die privaten
Krankenversicherungen, die nicht mitmachen dürfen,
zum Teil qua Gesetz, könnten dann klagen, weil sie einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den gesetzlichen
Kassen haben. Das muss man zu Ende denken.
Herr Rösler - es würde sich vielleicht lohnen, eine
Sekunde zuzuhören -, Sie höhlen damit einen großen
Teil des Qualitätswettbewerbs zugunsten der Versicherten aus, ohne dass irgendjemand etwas davon hat.
({2})
Wozu brauchen wir ein Recht, das die Qualitätskontrollen in unserem Gesundheitssystem und die Initiativen
der Kassen zur Vorbeugung zurückfährt und schwächt,
statt sie, was sich der Verbraucher eigentlich wünscht, zu
stärken?
({3})
Zweitens wird die Anwendung des Kartellrechts auf
die Krankenkassen darauf hinauslaufen, dass unser Gesundheitssystem teurer wird. Denn das eine oder andere,
was derzeit zur Preissenkung beiträgt, wird dann schwerer oder nicht mehr möglich sein. Ich denke hier zum
Beispiel an die Festbetragsregelungen für Arzneimittel.
Festbeträge sind Regelungen zugunsten der gesetzlichen
Krankenkassen. Für die privaten Krankenversicherungen gelten diese Festbeträge aber nicht. Sie hätten dann
ein Klagerecht. Wenn sich eine einzelne Kasse nicht an
der Festbetragsregelung beteiligen will, dann bestünde
plötzlich die Möglichkeit, die Festbetragsregelung komplett auszuhöhlen. Das hätte erhebliche Zusatzkosten zur
Folge, ohne dass der Verbraucher in irgendeiner Weise
davon profitiert.
Das Gleiche gilt übrigens auch für die Hilfsmittelvorgaben. Preisvorgaben für Hilfs- und Heilmittel, die derzeit eingehalten werden, sind freiwillige Absprachen der
Krankenkassen. Sie senken derzeit das Preisniveau unserer Versorgung und sichern die Qualität, weil sie immer
mit Qualitätsvorgaben einhergehen. Auch das wäre dann
nicht mehr möglich. Somit würde das System teurer.
Auch Rabattverträge für Kassengruppen wären dann
nicht mehr möglich. Die AOK als Einzelkasse könnte
zwar noch einen Rabattvertrag abschließen, weil sie ein
Unternehmen ist. Würden sich mehrere kleine Kassen
zusammenschließen, dürften sie das aber nicht; dies
würde dann nämlich einen Verstoß gegen das Wettbewerbsgesetz darstellen. Man muss sich fragen: Wer hat
daran ein Interesse? Ich meine, dass das wahrscheinlich
nicht zu Ende gedacht ist; denn dadurch wird der Wettbewerb, den wir gemeinsam stärken wollen, geschwächt.
Drittens. Auch das EU-Kartellrecht kommt hier sofort
zum Tragen. Wo in Deutschland das deutsche Kartellrecht gilt, gilt sozusagen im überregionalen Bereich das
EU-Kartellrecht. Das bedeutet, dass wir einen Teil unserer Gesundheitspolitik nach Europa verlagern. Wer kann
daran ein Interesse haben? Wer kann zum Beispiel ein
Interesse daran haben, dass Europa eine Handhabe hat,
den Leistungskatalog, den wir den gesetzlichen Krankenkassen vorgeben, auszuhöhlen?
({4})
Er ist die Grundlage unseres Solidarsystems. Ist das
wirklich zu Ende gedacht? Wo ist an dieser Stelle die
CSU, die sich immer wehrt, wenn es um die Verlagerung
von Kompetenzen nach Europa geht?
({5})
Hierdurch würden doch die zentralen Bausteine unseres
Solidarsystems nach Europa verlagert, ohne dass wir irgendetwas davon hätten.
({6})
Wo ist der Widerstand der Union? Ich sehe hier nicht einen einzigen Gesundheitspolitiker von der Union. Ist
den Kollegen nicht klar, worum es hier geht? Ist ihnen
die Tragweite dieses Gesetzentwurfs nicht bewusst? Ich
kann daher nur davor warnen.
Wer profitiert überhaupt von diesem rein ideologisch
bestimmten Vorhaben? Es profitiert zum einen natürlich
wie immer die private Assekuranz, weil viele Wettbewerbsvorteile der gesetzlichen Krankenversicherung damit zunichtegemacht werden.
({7})
Zum anderen profitieren auch die Pharmaindustrie und
die Medikalprodukteindustrie.
Lassen wir uns aber nicht täuschen: Das ist ein ganz
klarer Gesetzentwurf gegen die Versicherten und gegen
die Patienten. Herr Rösler, einen solchen Gesetzentwurf
brauchen wir nicht, selbst wenn Sie ihn jetzt in Ihrer
neuen Funktion einbringen. Das haben wir nicht verdient; das hat niemand verdient.
({8})
Ich komme zum Schluss. Sie haben eben relativ
schlicht, wenn mir diese Bemerkung gestattet ist, über
Ludwig Erhard und die soziale Marktwirtschaft gesprochen. Soziale Marktwirtschaft bedeutet: Es gibt einen
Bereich des Sozialen, in dem das Sozialrecht gilt, und es
gibt einen Bereich des Markts, in dem im Prinzip das
Kartellrecht gilt.
({9})
Sie vermengen das hier in einer unzulässigen Art und
Weise. Das ist nicht die Art und Weise, in der Ludwig
Erhard darüber gedacht hat.
Man kann sich Gedanken darüber machen, ob Sie ahnungslos sind oder ob Sie versuchen, uns etwas vorzumachen. Ich persönlich bin mir nicht sicher, was schlimmer wäre.
({10})
Ich kann nur alle, die hier sind, einschließlich der Kollegen und Kolleginnen von der CSU, darum bitten: Machen Sie sich klar, was das bedeuten würde, und helfen
Sie uns, diesen Unsinn, diesen Murks gemeinsam zu verhindern; denn das wäre ein Schritt, den wir nur schwer
zurückgehen könnten.
Vielen Dank.
({11})
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Ernst
Hinsken das Wort.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und
der FDP - ({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Als ich mich auf diese Debatte vorbereitete, habe ich mir gedacht: Sie eignet sich eigentlich
nicht für Polemik, sie sollte nicht ideologiebehaftet sein.
Ich habe auch nicht gedacht, dass sich verschiedene
Redner nur auf einzelne Bereiche beziehen und das
große Gemeinsame, das sich hier in dieser Novelle befindet, vergessen.
({0})
Es wäre deshalb angebracht, dass man sich, bevor
man sich hier ans Rednerpult begibt, genau darüber informiert, was Inhalt des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist.
({1})
Verehrter Herr Kollege Barthel, ich schätze Sie persönlich sehr, nur: Heute haben Sie mich enttäuscht, weil das,
was Sie hier ausgeführt haben, ein bisschen daneben
war.
({2})
Herr Minister Rösler, das, was Sie gesagt haben, war
dagegen wohltuend.
({3})
Sie haben kurz und prägnant auf den Punkt gebracht,
was Inhalt dieser Novelle ist und was das insgesamt gesehen bedeutet.
({4})
Es ist doch erfreulich und unbestritten: Das GWB hat
sich bewährt.
({5})
Es hat international anerkannte Maßstäbe gesetzt und
den Mittelstand unserer Republik einmal großgemacht.
({6})
Nach sieben Jahren steht wieder einmal eine GWB-Novelle auf der Tagesordnung bei uns im Deutschen Bundestag. Ich möchte darauf verweisen - das darf ich mit
besonderer Genugtuung tun -: Bislang hatten wir bei den
Änderungen immer einen Konsens. Diese wurden immer
mit größter Sorgfalt, ohne Zeitdruck und unter Berücksichtigung des Rats Sachverständiger vorgenommen.
({7})
Auch dieses Mal wollen wir die Sachverständigen hören.
Wir haben eine Anhörung anberaumt, die in der übernächsten Woche stattfinden wird, bevor wir in die zweite
und dritte Lesung hier im Deutschen Bundestag gehen
werden.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, vergessen wir doch eines nicht: Das GWB ist das Grundgesetz
der sozialen Marktwirtschaft unserer Republik.
({8})
Kapieren Sie das doch auch einmal und richten Sie sich
danach! Wettbewerb ist das Herzblut einer funktionierenden Marktwirtschaft. Unsere Wirtschaft und gerade
der Mittelstand brauchen ein klares Bekenntnis zur
Marktwirtschaft und zu freiem und fairem Leistungswettbewerb.
({9})
Wettbewerb reguliert sich doch nicht ganz von selbst.
({10})
Es gilt, zu verhindern, dass große Unternehmen ihre
Marktmacht schrankenlos ausspielen.
({11})
Deshalb ist auch von mir heute ein klares Bekenntnis zur
Aufgabenstellung des Kartellamts zu hören, des Gralshüters des Wettbewerbs.
({12})
Warum braucht man überhaupt das GWB? Erstens,
um die Freiheit des Wettbewerbs zu schützen, zweitens,
um den Erhalt eines marktwirtschaftlichen und wettbewerblichen Wirtschaftssystems für alle Teilnehmer zu
sichern, und drittens, um die individuelle Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer zu gewährleisten und wirtschaftliche Macht zu begrenzen.
({13})
Die drei Säulen des Gesetzes sind erstens die Kartellbekämpfung, zweitens die Fusionskontrolle und drittens
die Missbrauchsaufsicht.
({14})
Ich sage das, verehrte Kolleginnen und Kollegen,
weil viele Leute - auch diese Debatte wird über Phoenix
übertragen - uns zuhören, doch Verschiedene nicht wissen, wie sie den Inhalt der Reden deuten sollen, weil sie
uns vielfach nicht mehr verstehen.
({15})
Wir müssen deshalb schon auf den Kern der Sache kommen und darauf verweisen, was überhaupt Inhalt des Gesetzes ist.
({16})
Das Kartellverbot und die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen
({17})
dienen dazu, wettbewerbliche Marktstrukturen zu erhalten und der Entstehung von Marktmacht entgegenzuwirken,
({18})
und - ganz wichtig! - im Rahmen der Missbrauchsaufsicht wird überwacht, dass sich schon bestehende marktmächtige Unternehmen gegenüber anderen Marktteilnehmern fair verhalten.
Ich meine schon, hier besonders unterstreichen zu
können: Mit dieser Novelle bringen wir ein wichtiges
Vorhaben des Koalitionsvertrages auf den Weg. Wir halten Wort, wie das auch auf anderen Gebieten erkennbar
ist.
({19})
Damit verbessern wir den Wettbewerbsrahmen in
Deutschland noch weiter. Schließlich ist die Reform des
GWB ein klares ordnungspolitisches Signal, um die
Wachstumskräfte am Standort Deutschland nachhaltig
zu stärken.
({20})
- Weil Sie es vorhin anscheinend nicht kapiert haben,
hole ich so umfangreich aus,
({21})
damit Sie den Zusammenhang erkennen und wissen, was
im Gesetzentwurf steht. Das soll allen, auch den Bürgerinnen und Bürgern, klar werden.
({22})
Die Verbraucher sollen und werden davon profitieren.
Auch das wollen wir. Das wollen schließlich doch auch
Sie; das habe ich zumindest bis vor einer Stunde gemeint.
({23})
Aber Sie haben völlig danebengelangt, Herr Kollege
Barthel. Ich hätte mir gerade von Ihnen als Arbeiterfürer
der SPD
({24})
Richtungsweisenderes erwartet.
({25})
Was ist denn überhaupt das Ziel? Mit der 8. GWBNovelle sollen die Unterschiede zwischen deutscher und
europäischer Fusionskontrolle verringert und der Handlungsspielraum kleiner und mittlerer Presseunternehmen
angemessen erweitert sowie die Durchsetzungsmöglichkeiten des Kartellrechts durch die Verbraucherverbände
gestärkt werden.
Es ist deshalb richtig, wenn die Bundesregierung aus
wettbewerbs- und mittelstandspolitischen Gründen daran festhält, nicht nur marktbeherrschende, sondern auch
marktstarke Unternehmen mit sogenannter relativer
Marktmacht einer Aufsicht zu unterwerfen und die entsprechenden Regelungen einfacher und verständlicher
zu gestalten. Das wollen wir, und das werden wir auch
bei den Beratungen und der Beschlussfassung im Ausschuss und im Plenum nachhaltig vertreten.
({26})
Des Weiteren erhalten Verbraucherverbände, die von
den Vorrednern mehrmals angesprochen wurden, die
Möglichkeit, Unternehmen wegen eines Kartellrechtsverstoßes auf Unterlassung und auf Vorteilsabschöpfung
zugunsten der Bundeskasse für Schäden in Anspruch zu
nehmen, die eine Vielzahl von Verbrauchern betreffen.
Sammelklagen wollen wir aber nicht einführen. Auch
das sollte klar sein.
({27})
Zugleich erhalten die Kartellbehörden die Möglichkeit, die Rückerstattung zu Unrecht erhaltener Zahlungen, zum Beispiel bei überhöhten Preisen im Strombereich, an die Verbraucher anzuordnen. Das ist gerade
jetzt ein Gebot der Stunde. Wir schalten, walten und handeln im Interesse des Bürgers. Das ist unser Anliegen.
Ich bin Ihnen deshalb, verehrte Frau Kollegin Andreae,
für das, was Sie hierzu sach- und fachgerecht ausgeführt
haben, dankbar.
({28})
Zudem sind Fusionen vom Bundeskartellamt zukünftig zu untersagen, wenn sie wirksamen Wettbewerb erheblich behindern. Die deutsche Fusionskontrolle legt
damit den gleichen Prüfmaßstab an wie die europäische.
Auf diese Weise wird erreicht, dass das Bundeskartellamt und die Europäische Kommission Fusionsvorhaben
weitgehend gleichlautend beurteilen. Wir wollen einen
gemeinsamen Weg gehen und sind uns bewusst: Ohne
die EU wird nichts laufen, und in der EU wird ohne
Deutschland nichts laufen. Wir wollen das Gemeinsame
in den Vordergrund stellen.
Wir werden gleichzeitig auch dafür sorgen, dass Bewährtes wie zum Beispiel die Ministererlaubnis beibehalten wird. Bewährt hat sich auch die Überprüfbarkeit
von Minderheitsbeteiligungen durch das Bundeskartellamt, das heißt Beteiligungen, die keine vollständige
Kontrolle ermöglichen, aber einen für den Wettbewerb
relevanten Einfluss verschaffen. Dies ist der Europäischen Kommission nicht möglich. Aber bei uns kann das
Bundeskartellamt damit vor allem im Bereich der Energieversorgung den Wettbewerb wirksamer schützen.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass die Sicherung der Presse- und Meinungsvielfalt in Deutschland für uns alle unverzichtbar ist. Die Erhöhung der
Aufgreifschwelle für die Fusion von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen weitet die Erlaubnis für kleine und
mittlere Verlage aus, sich ohne Anmeldung beim Bundeskartellamt zusammenzuschließen. Dies fördert die
Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Verlage in
einem geänderten Medienumfeld und gewährleistet auch
eine vielfältige Presselandschaft in der Bundesrepublik
Deutschland, die wir sicherlich alle zusammen wollen.
({29})
Dagegen unterliegt die Übernahme kleiner Verlage
durch Großverlage weiterhin der Kontrolle durch das
Bundeskartellamt. Somit ist sichergestellt: Auch in Zukunft findet im Pressebereich eine effektive Fusionskontrolle statt, die dessen Besonderheiten Rechnung trägt
und im Interesse der Pressevielfalt keine wettbewerbsschädliche Konzentration zulässt.
Das sind die Leitgedanken, die unser Handeln bestimmen. Dafür werden wir eintreten. Um diese umzusetzen,
werden wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Wir
werden damit Sorge tragen, dass gerade das Wettbewerbsrecht für unsere Marktwirtschaft weiterhin von
großer Bedeutung bleibt und die Möglichkeit gibt,
Deutschland weiter nach vorne zu bringen. Genau das
haben wir uns ja insgesamt gesehen als großes Ziel gesetzt.
Herzlichen Dank.
({30})
Nun hat der Kollege Wolfgang Börnsen für die
Unionsfraktion das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Lieber Ernst Hinsken, deine letzten
Ausführungen sind gut geeignet, um daran anzuschließen. Als der dritte amerikanische Präsident, Thomas
Jefferson, gewählt wurde, sagte er in seiner Einführungsrede:
Wenn ich zu wählen hätte zwischen einem Land mit
Regierung, aber ohne Zeitungen, und einem Land
mit Zeitungen, aber ohne Regierung, dann würde
ich das Land ohne Regierung wählen.
Für ihn würde es also kein Land ohne Zeitungen geben.
Beides ist für uns jedoch unvorstellbar: ein Land ohne
Regierung und ein Land ohne Zeitungen. Wir wollen alle
gemeinsam, dass Deutschland weiter ein Zeitungszukunftsland bleibt.
({0})
Deshalb ist die Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht nur ein wirtschaftspolitisches Thema; sie hat auch eine enorme medienpolitische
Bedeutung.
Zu den medienpolitischen Zielen der Union zählen
die Sicherung der Medien- und Meinungsvielfalt und die
Schaffung der geeigneten Rahmenbedingungen. Wir alle
sind nicht weit weg von diesem Ziel. Die Rahmenbedingungen sollen den Wettbewerb auf den nationalen
Medienmärkten ermöglichen und zur internationalen
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Medienanbieter
beitragen. Zwei Themen stehen aktuell im Blickpunkt
der Medienmärkte: die Pressefusionskontrolle und das
Presse-Grosso.
Es wird in den nächsten Tagen entschieden, ob wir
beim Grosso etwas gesetzlich regeln müssen. Es hat in
seiner Funktion und Form seit Jahrzehnten maßgeblich
zur Medienvielfalt in Deutschland beigetragen. Es garantiert Neutralität und Überallerhältlichkeit, Presseund Medienvielfalt überall in Deutschland und faire
Marktchancen für neue Titel. Das Grosso hat sich bewährt.
({1})
Zwar hat es einen monopolartigen Charakter - den darf
man nicht verschweigen -, jedoch haben seine Vorzüge
für alle Beteiligten, Leser, Zeitungs- und Zeitschriftenkäufer und kleine Verlage, stets überwogen.
Grundlage dafür war die „Gemeinsame Erklärung“
von 2004.
({2})
Verdienstvolle Vermittlerin dieser Regelung war die damalige Kulturstaatsministerin Christina Weiss. Fortgeführt wurde dies durch kluge Verhandlungen am runden
Tisch von Bernd Neumann, und wieder aufgenommen
wurde diese Idee der „Gemeinsamen Erklärung“ jetzt
durch Hans-Joachim Otto.
({3})
Wolfgang Börnsen ({4})
Wenn es doch noch irgendeinen Weg zurück zu dieser
„Gemeinsamen Erklärung“ gibt, sollten wir ihn gehen,
und zwar alle gemeinsam. Eine gesetzliche Regelung
des zentralen Verhandlungsmandats kann nur die letzte
aller Lösungen sein.
({5})
Abgesehen davon ist eine gesetzliche Regelung voller
Risiken; denn eine europarechtliche Prüfung wird erfolgen. Wenn spezielle Verantwortliche eines bedeutenden
Verlags nicht noch zur Einsicht finden, wird der Gesetzgeber handeln.
Trotzdem halte ich es für zeitlich unpassend, dass
Rot-Grün heute hierzu ihren Antrag auf die Tagesordnung gesetzt hat; denn Ende April fand im Bundeswirtschaftsministerium ein runder Tisch zum Thema PresseGrosso statt.
({6})
Alle Streitpartner waren dabei, auch die Opposition. Damals wurde einhellig vereinbart, sich vor der Sommerpause ein zweites Mal zu treffen, um eine gütliche Lösung zu finden. Als Termin wurde von allen Beteiligten
auf Vorschlag von Hans-Joachim Otto der 28. Juni akzeptiert und für gut befunden. Vor Abschluss der GWBNovelle sollte Klarheit geschaffen werden.
Warum also setzen SPD und Grüne heute ihren Antrag gegen diese Absprache auf die Tagesordnung?
({7})
Ich glaube nicht - ich sage euch jetzt etwas Nettes -,
dass man so kleinkariert denkt und es darum geht, einen
möglichen Erfolg von Hans-Joachim Otto zu verhindern,
ihm die Show zu stehlen.
({8})
Ich glaube auch nicht, dass man das Thema PresseGrosso einseitig parteipolitisch ausschlachten und als
Pluspunkt für sich verbuchen möchte. Nein, es geht den
beiden Oppositionsfraktionen um ihre Reputation und
darum, öffentlich deutlich zu machen, wie flexibel man
ist. 2004 verdammte Rot-Grün bei fast gleichem Sachverhalt ein Gesetz und pries die Verhandlungslösung.
Man wollte die „Gemeinsame Erklärung“. 2012, nur
acht Jahre später, verdammt man die Freiwilligkeit und
fordert nach dem Motto: „Unser Grundsatz ist, keinen
Grundsatz zu haben“, das Fallbeil des Gesetzgebers.
Auch beim Pressefusionsrecht - nimmt man die Länderauffassung dazu ({9})
huldigt die Opposition dem Zeitgeist und beschwört,
was eigentlich unnötig ist, alte Feindbilder.
Um die Verlage in unserer Republik zu stützen und zu
stärken, muss die Politik handeln.
({10})
Die Verlage in unserer Republik - Sie kennen doch die
Wirklichkeit - fühlen sich durch die Googles und Apples
dieser Welt bedrängt. Nach ihrer Auffassung würden
diese international operierenden Multimediakonzerne
bei uns - das ist auch der Fall - weit weniger reguliert
als die deutschen Verlagshäuser. So weit die Kritik, und
sie trifft zu.
Die untersagte Übernahme von ProSiebenSat.1 durch
das Haus Springer war damals beispielhaft und hat diese
Situation gekennzeichnet. Deshalb ist der Reformansatz
der Bundesregierung beim Pressefusionsrecht richtig. Er
greift zwei medienpolitische Erfordernisse auf: Die für
Presseunternehmen bislang geltende Aufgreifschwelle
wird von 25 Millionen Euro auf 62,5 Millionen Euro heraufgesetzt.
({11})
Die Schwelle für den Bagatellmarkt wird entsprechend
von 750 000 Euro auf rund 1,9 Millionen Euro angehoben. Verlagsbündnisse werden möglich. Die Wettbewerbsfähigkeit wird verbessert, aber marktbeherrschende Positionen werden durch das Bundeskartellamt
weiter verhindert.
Die neue Rechtsetzung wurde erleichtert, weil sich
der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der
Verband Deutscher Lokalzeitungen im Vorfeld abgestimmt und sich auf eine Lösung geeinigt haben. Dafür
gebührt ihnen Dank und Anerkennung.
Stark unterschiedliche Interessen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen - das wissen wir aus unserem
eigenen Alltag -, ist nicht immer einfach. Die Verleger
haben im vergangenen Herbst noch weitergehende Vorschläge vorgelegt. Diese betreffen zum Beispiel die
Nachbarschafts- und die Sanierungsfusion. Auch sie verdienen es, von uns ernsthaft geprüft zu werden.
Die von der Bundesregierung jetzt geplanten Änderungen sichern den Markt der Marken und die Medienvielfalt. Die Aufgreifschwelle ist seit 1976, also seit
36 Jahren, nicht mehr angepasst worden. Die geplante
Erhöhung wird nun zu einem Kaufkraftausgleich führen.
Die Verlage haben seit Jahren steigende Kosten. Es wird
aufwendig produziert. Die Inhalte sind im Internet nur
schwer refinanzierbar. Deshalb sind höhere Erträge notwendig. Das hilft der Medienvielfalt; denn kleine und regionale Zeitungshäuser sollen nach unserer Auffassung
überleben und stark sein, und sie sollen die Meinungsvielfalt sichern.
Was nützt es uns, wenn Redaktionen zusammengestrichen werden und wenn ganze Zeitungen eingestellt
werden? Dann wird das Medienangebot für uns alle geringer. Die Vielfalt sinkt, die Konzentration steigt. Klugheit ist gefragt, nicht die reine Lehre!
Wolfgang Börnsen ({12})
({13})
Noch ein Punkt ist uns wichtig: Wenn wir keine Reform betreiben, sitzen die Nutznießer in Kalifornien.
Wollen wir, dass sie den Reibach machen? Haben wir
nicht eine Verantwortung für die Pressesituation und die
Lage der Verlage in unserem Land? Bei uns müssen wir
für Reformen sorgen, damit unsere Verlage gestärkt werden und die notwendige Freiheit bekommen. Ihnen wird
damit auch mit Blick auf die internationalen Wettbewerber geholfen.
({14})
Der Kulturstaatsminister hat auf Veranlassung des
Deutschen Bundestages eine Studie zur Medienmeinungsvielfalt in Deutschland in Auftrag gegeben. Die
Resultate liegen nun vor. Sie zeigen unter anderem, dass
Google.de zur Meinungsbildung bei politischen Themen
bereits die am zweithäufigsten genutzte Einzelmarke ist.
Den Versuch, dieser Entwicklung entgegenzusteuern,
sollten wir unternehmen. Wir wollen damit die Verlage
stärken. Wir wollen den Journalismus in Deutschland
stärken. Wir wollen die Medienvielfalt garantieren, die
die Stellung unseres Landes als demokratisches Land sichert. Damit wollen wir einen Punkt für die Zukunft des
Zeitungsmarktes in Deutschland setzen.
Danke schön.
({15})
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 17/9852, 17/8541 und 17/9956 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind sie damit einverstanden? - Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel
„Für faire Lebensmittelpreise und transparente Produktionsbedingungen - Gegen den Missbrauch von Marktmacht“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/5824, den Antrag der
Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4874 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer
stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Unionsfraktion
und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und der SPD-Fraktion bei Enthaltung der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag
der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Presse-Grosso gesetzlich verankern“.
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 17/9989, den Antrag der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache
17/8923 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält
sich? Es tut mir leid; das Präsidium ist sich im Moment nicht einig bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses.
({0})
Wir können noch die Gegenprobe machen.
({1})
Ich möchte noch einmal wissen: Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen?
({2})
- Es gibt keine Einigkeit im Präsidium. Damit bitte ich
Sie alle, den Saal zu verlassen. Nach § 51 Abs. 2 unserer
Geschäftsordnung stellen wir nun das Abstimmungsergebnis per Hammelsprung fest.
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Unionsfraktion und aus der FDP-Fraktion, ich weiß, es gibt am
Freitagmittag unheimlich viel zu besprechen. Trotzdem
bitte ich Sie, sich auf den Weg vor den Saal zu machen,
damit wir dann den Hammelsprung durchführen können.
Während die letzten Kolleginnen und Kollegen den
Weg aus dem Saal suchen, bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Soweit ich das von hier erkennen kann, sind
noch nicht alle drei Abstimmungstüren ordnungsgemäß
besetzt.
Ich bitte um ein Zeichen, ob die Türen geschlossen
werden können oder ob noch Kollegen den Weg aus dem
Saal suchen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte
Sie, den Saal durch die Tür Ihrer Wahl wieder zu betreten, damit wir das Abstimmungsergebnis feststellen können. Die Abstimmung ist damit eröffnet.
Ich darf die Kolleginnen und Kollegen, welche noch
vor den Abstimmungstüren verharren, bitten, nun den
Saal zu betreten, damit wir das Abstimmungsergebnis
feststellen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde in
drei Minuten die Abstimmung beenden. Ich bitte die
Kolleginnen und Kollegen, die schon im Saal sind, mir
den Blick auf die Türen freizumachen. Es könnte ja sein,
dass noch eine Kollegin oder ein Kollege daran gehindert wird, durch diese Türen zu gehen. Dann muss ich
ihr bzw. ihm natürlich zu ihrem bzw. seinem Recht verhelfen.
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mir das Ergebnis mitzuteilen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schriftführerinnen und Schriftführer haben mir das Ergebnis der Abstimmung mitgeteilt: 204 Kolleginnen und Kollegen haben mit Ja gestimmt, 7 haben mit Nein gestimmt, kein
Kollege und keine Kollegin hat sich enthalten.
Vizepräsidentin Petra Pau
Das heißt, es haben 211 Kolleginnen und Kollegen an
der Abstimmung teilgenommen. Damit ist gleichzeitig
die Beschlussunfähigkeit des Deutschen Bundestages
festgestellt worden. Entsprechend § 45 Abs. 3 GO-BT
bin ich verpflichtet, nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit die Sitzung sofort aufzuheben.
Das tue ich hiermit: Die Sitzung ist aufgehoben.
Ich bitte die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen
und Geschäftsführer aller Fraktionen zu mir zur Besprechung des weiteren Verfahrens.