Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet . Nehmen Sie bitte Platz .
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor wir in unsere
Tagesordnung eintreten, habe ich Ihnen eine interfraktionelle Vereinbarung mitzuteilen, nämlich:
Die Unterrichtung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates auf der Drucksache 18/6447
zu dem bereits überwiesenen Entwurf eines Zweiten
Nachtragshaushaltsgesetzes 2015 soll an den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen werden . Ich vermute, das wird Ihnen einleuchten .
Des Weiteren soll die Unterrichtung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates auf der
Drucksache 18/6448 zu dem ebenfalls bereits überwiesenen Gesetzentwurf zur Gründung der Asiatischen
Infrastruktur-Investitionsbank dem federführenden Finanzausschuss und zur Mitberatung dem Auswärtigen
Ausschuss, dem Haushaltsausschuss und dem Ausschuss
für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit
überwiesen werden .
Ich darf Sie zu beiden Vorschlägen fragen, ob es Einwände gibt . - Das ist nicht der Fall . Dann ist das so beschlossen .
Damit rufe ich nun den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Als Thema der heutigen Kabinettssitzung hat die Bundesregierung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zum
Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten
und elektronischen Shishas.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Frau Schwesig .
Soweit schon Wortmeldungen absehbar sind, möchte
ich die Fraktionen bitten, mir das kenntlich zu machen;
dann kann man das etwas vorsortieren .
Bitte schön, Frau Ministerin .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Wir haben heute im Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des Jugendschutzgesetzes und des Jugendarbeitsschutzgesetzes beschlossen, der Ihnen schnell zugeleitet werden soll . Es
geht darum, zukünftig auch den Verkauf von E-Zigaretten und E-Shishas an Kinder und Jugendliche zu verbieten . Sie wissen, dass Tabakwaren eigentlich nicht an Kinder und Jugendliche abgegeben werden dürfen - nicht in
Gaststätten, nicht von Verkaufsstellen und auch nicht am
Arbeitsplatz . Auch dürfen Kinder und Jugendliche in der
Öffentlichkeit nicht rauchen . Das ist ein Grundpfeiler des
Jugendschutzgesetzes und gleichzeitig auch ein Grundpfeiler der Prävention gegen die Nikotinsucht .
Wie wir aus dem aktuellen Tabakatlas, der gestern
mit der Drogenbeauftragten vorgestellt worden ist, wissen, ist es so, dass Verbot und Prävention gemeinsam bei
Kindern und Jugendlichen zum Erfolg führen . Die Nikotinsucht ist zwar zurückgegangen, aber es gibt einen
zunehmenden Konsum von sogenannten E-Zigaretten
und E-Shishas . Das überrascht nicht; denn sie sind frei
zugänglich, und sie sind sehr attraktiv, sie sind elektronisch, sie gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen wie Mango, Erdbeere oder Schokolade . Sie wirken
also sehr harmlos, aber sie sind es nicht . Sie sind genauso
gesundheitsschädigend .
Die Abgabe- und Konsumverbote, die wir für Tabakwaren bereits haben, gelten eben nicht für elektronische
Zigaretten und elektronische Shishas, bei denen sogenannte Liquids verdampfen . Diese Regelungslücke müssen wir dringend schließen; das haben wir heute im Kabinett auch so beschlossen . Nach einer Auswertung der
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben
etwa 20 Prozent der 12- bis 17-Jährigen schon einmal
eine E-Shisha und etwas weniger, und zwar 15 Prozent,
eine E-Zigarette probiert . 11,3 Prozent derjenigen, die
bereits eine E-Shisha oder eine E-Zigarette konsumiert
haben, haben bisher nie eine Tabakzigarette konsumiert .
Daran sehen Sie also: Die E-Zigaretten und E-Shishas
verführen zum Konsum, auch wenn man noch gar keine
Tabakzigaretten probiert hat . Deshalb ist es wichtig, dass
wir zu diesem jugendschutzrechtlichen Verbot kommen .
Wir haben gemeinsam mit dem Bundesministerium
für Ernährung und Landwirtschaft, dem Bundesgesundheitsministerium und der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten Erkenntnisse eingeholt . Die Studien des Bundesinstitutes für Risikobewertung und des Deutschen
Krebsforschungszentrums belegen definitiv, dass der
Konsum nikotinfreier E-Shishas und E-Zigaretten gesundheitsschädlich ist, weil dabei Stoffe entstehen oder
auch schon darin enthalten sind, die im Verdacht stehen,
Krebs auszulösen . Außerdem dringen feine Partikel in
die Lunge ein; sie reizen sie und hindern die Lunge vor
allem am Wachsen . Wie Sie wissen, ist die Lunge bei
Kindern und Jugendlichen noch im Wachsen begriffen .
Deshalb ist es wichtig, die Lunge vor diesen Gefahren
zu schützen .
Mit den neuen Regelungen setzen wir deshalb auch ein
Signal, dass der Konsum von E-Zigaretten und E-Shishas
nicht so harmlos ist, wie man meint, und dass wir Kinder
und Jugendliche besonders schützen müssen . Das Konsum- und Abgabeverbot wird den Zugang einschränken das ist richtig -, aber gleichzeitig ist es auch ein Signal
an die Kinder und Jugendlichen selbst sowie an Eltern,
Lehrerinnen und Lehrer und Ärzte, dass wir auch in diesem Bereich die Prävention ausbauen müssen, weil diese
Dinge nicht harmlos sind, sondern ungesund . Ein Verbot
allein reicht nicht . Nur wenn wir präventiv auf Kinder
und Jugendliche hinwirken, so wie wir es bisher schon
beim Tabakkonsum machen, werden wir erfolgreich sein .
Das ist im Interesse der Kinder und Jugendlichen .
Wir haben Eilbedürftigkeit beantragt, damit dieses
Gesetz so schnell wie möglich in Kraft treten kann . Ich
kann mir vorstellen, dass das auch in Ihrem Interesse ist .
Insofern freue ich mich auf die parlamentarischen Beratungen .
Vielen Dank .
Ich bedanke mich . - Ich rufe jetzt die Fragen auf . Ich
schlage vor, dass wir aus nachvollziehbaren Gründen die
Vorgehensweise so modifizieren, dass die Fragen, wie
üblich, im Stehen gestellt werden und die Antworten ausnahmsweise im Sitzen erfolgen dürfen .
Als erstem Fragesteller gebe ich dem Kollegen Müller
das Wort .
Vielen Dank . - Ich denke, es ist in Ordnung, dass Sie
im Sitzen antworten . Das ist überhaupt keine Frage .
Ich schicke vorweg: Wir sind sicherlich alle vorbildlicherweise Nichtraucher und geben dementsprechend
hinsichtlich Kinder- und Jugendschutz kein schlechtes
Vorbild ab . Nichtsdestotrotz würde mich interessieren,
warum Sie bei der angestrebten Regulierung keinen Unterschied machen hinsichtlich der gesundheitsgefährdenden Wirkung zwischen herkömmlichen Tabakprodukten,
die bereits sanktioniert werden, und E-Shishas bzw . E-Zigaretten, die, wie Sie beschrieben haben, möglicherweise
eine andere oder gar eine geringere gesundheitsschädliche Wirkung haben . Müsste die angestrebte Regulierung
nicht sozusagen noch einmal nachgearbeitet werden und
in Abhängigkeit von der Schädlichkeit eine Unterscheidung vorgenommen werden?
Eine Unterscheidung ist nicht geplant; denn im Endergebnis kommen die Gutachten und die Bewertung der
Kinder- und Jugendärzte dazu, dass es schädlich für
Kinder und Jugendliche ist . Deshalb fallen zukünftig die
E-Zigaretten und E-Shishas genauso und mit den gleichen Konsequenzen unter das Jugendschutzgesetz wie
die bisherigen Tabakprodukte, also Zigaretten und Zigarren zum Beispiel .
Kollege Lehrieder .
Frau Ministerin, E-Shishas und E-Zigaretten werden,
wie Zigaretten ja auch, nicht nur im üblichen Handel
vertrieben, sondern können auch über Onlineangebote
bezogen werden . Wie kann hier der Jugendschutz aus
Sicht des Ministeriums gewährleistet werden? Wie funktioniert der Jugendschutz beim Onlinekauf in der Praxis?
Vielen Dank, Herr Abgeordneter . - Es ist richtig: Wir
müssen auch den Verkauf im Onlinehandel verbieten,
ansonsten würde das Verbot ziemlich ins Leere laufen .
Deshalb unterliegen zukünftig auch E-Shishas und E-Zigaretten dem Verbot, online an Kinder und Jugendliche
verkauft zu werden . Hier gelten zukünftig die gleichen
Regelungen wie bei anderen Sachen, die man nicht online an Kinder und Jugendliche verkaufen darf .
Wie funktioniert das praktisch? Zum einen muss
schon bei der Onlinebestellung eine Altersprüfung vorgenommen werden . Zum anderen darf die Ware, wenn
sie an die Haustür geliefert wird, nur jemandem gegeben
werden, der nachweisen kann, dass er sie bestellt hat, und
vor allem, dass er über 18 Jahre alt ist .
Kollege Terpe .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, ich
habe die Frage, ob die Bundesregierung im Sinne des Jugendschutzes auch eine Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes - das ist ein langes Wort - plant .
Nein, das ist nicht geplant .
Kollege Schwartze .
Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen .
Im Gesetzentwurf wird zwischen nikotinhaltigen und
nichtnikotinhaltigen Liquids nicht unterschieden; beide werden in das Jugendschutzgesetz aufgenommen .
Vielleicht könnten Sie uns erklären - mich würde das
interessieren -, warum das so ist .
Vielen Dank, Herr Abgeordneter . - Es hat damit zu
tun, dass auch die nichtnikotinhaltigen Liquids gesundheitsschädigend sind . Ich würde gerne nachschlagen;
denn ich habe im Vorfeld schon ein paar besondere chemische Begriffe aufgeschrieben . Die Studien, also die
Studie des Bundesinstitutes für Risikobewertung und
die des Deutschen Krebsforschungszentrums aus 2015,
haben gezeigt, dass beim Dampfen der nikotinhaltigen,
aber auch der nikotinfreien E-Zigaretten Verbindungen
entstehen - Carbonylverbindungen einschließlich Formaldehyd, Akrolein und Azetaldehyd -, die alle Krebs auslösen können . Das ist das Problem; denn auch die aromatisierten Liquids besitzen unabhängig vom Nikotingehalt
zellschädigende Eigenschaften . Geschädigt werden vorrangig Stammzellen, die bei Wachstum und Entwicklung
eine wichtige Rolle spielen .
Darüber hinaus enthalten die Aerosole von elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas feine
und ultrafeine Partikel, die aus den Vernebelungsmitteln
entstehen . Diese Partikel können bis in tiefe Regionen
der Lunge vordringen, sich dort ablagern und oxidativen Stress und Entzündungsreaktionen auslösen . Eine
chronische Schädigung durch diese Partikel wirkt sich
insbesondere in der Wachstumsphase aus und beeinträchtigt bei jungen Menschen die Lungenentwicklung .
Das Wachstum der Lunge endet, wie wir wissen, erst im
jungen Erwachsenenalter .
Zudem kann der anfängliche Gebrauch von vermeintlich harmlosen nikotinfreien E-Zigaretten dazu verleiten,
neue Reize zu suchen und dann auf nikotinhaltige E-Zigaretten oder herkömmliche Zigaretten umzusteigen .
Sie sehen also: Die Inhaltsstoffe sind so schädigend,
dass eigentlich auch Erwachsene sie nicht konsumieren
sollten; aber wir beschränken uns bei dem Verbot hier auf
die Kinder und Jugendlichen .
Nur der guten Ordnung halber weise ich darauf hin,
dass die Verlesung dieser eindrucksvollen Liste von problematischen Chemikalien natürlich wesentlich mehr
Zeit in Anspruch genommen hat, als nach den Regularien
unserer Regierungsbefragung eigentlich vorgesehen ist .
Aber da wir an einer möglichst vollständigen Erfassung
des Sachverhalts interessiert sind, sind wir froh, dass es
auf diese Weise im Protokoll steht .
Nun hat der Kollege Wunderlich das Wort .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, plant
die Bundesregierung, in absehbarer Zeit die Tabakrahmenkonvention umzusetzen, mit der sich Deutschland
ja verpflichtet hat, ein generelles Verbot der Werbung
für Tabak zu erlassen? Nach meinem Kenntnisstand war
eine entsprechende Regelung im ursprünglichen Gesetzentwurf enthalten . Ist es richtig, dass das Kanzleramt und
das Wirtschaftsministerium interveniert haben, um entsprechende Werbung weiterhin zu ermöglichen?
Das ist ein Thema, das in den Zuständigkeitsbereich
des Landwirtschaftsministers fällt . Wenn der Präsident
und Sie damit einverstanden wären, könnte vielleicht die
Parlamentarische Staatssekretärin beim Landwirtschaftsminister etwas zum aktuellen Sachstand der Umsetzung
der Richtlinie sagen .
({0})
Dann fragen wir sie doch mal, ob sie das möchte . Bitte schön .
Herr Präsident! Herr Kollege! Wir sind gerade in der
Frühkoordination der entsprechenden Gesetz- und Verordnungsentwürfe, die unser Haus vorbereitet hat, und
werden dann bald zügig in die Ressortabstimmung eintreten .
Kollegin Schulte .
Frau Ministerin, gibt es Erkenntnisse darüber, dass
Jugendliche, die zunächst E-Zigaretten geraucht haben,
häufiger auf nikotinhaltige Zigaretten umsteigen?
Ja, diese Gefahr besteht, weil der Einstieg nur vermeintlich harmlos ist . Man wird dann animiert - wie
wohl jeder aus seiner eigenen Kinder- und Jugendzeit
weiß -, auch etwas anderes auszuprobieren .
Frau Stadler .
Sehr geehrte Frau Ministerin, ich habe noch eine Frage zu den Onlineshops . Was passiert, wenn sich die Onlineshops nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten?
Vielen Dank, Frau Abgeordnete . - In einem solchen
Fall sind Bußgelder vorgesehen . Und zwar ist es so, dass
bei Zuwiderhandlung gegen Verbote des Jugendschutzgesetzes eine Geldbuße in Höhe von bis zu 50 000 Euro
ausgesprochen werden kann .
Frau Vogler .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Ministerin, mancher Zuschauer wird gestaunt haben, warum auf die
Frage des Kollegen Wunderlich die Kollegin aus dem
Landwirtschaftsministerium geantwortet hat . Deswegen
ist es der Sache wert, einmal nachzufragen, warum die
Tabakregulierung nicht wie andere Suchtmittel beim Gesundheitsministerium und damit im Bereich der Drogenbeauftragten angesiedelt ist und ob die Bundesregierung
auch weiterhin daran festhält, die Tabakregulierung beim
Landwirtschaftsministerium zu belassen .
Diese Frage kann ich gerne beantworten, Frau Abgeordnete . Die Bundesregierung hat nicht vor, die Zuständigkeiten zu ändern . Bisher gibt es wegen dieser Zuständigkeitszuordnungen auch keine Probleme, auch nicht
aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger . Denn wie bei dem
Gesetzentwurf, den ich heute vorgestellt habe, arbeiten
Bundesminister Schmidt, Bundesminister Gröhe und ich
eng zusammen . So haben wir auch heute am Rande der
Kabinettssitzung darüber gesprochen, dass Herr Schmidt
die weiteren gesetzlichen Regelungen auf den Weg bringen wird . Wir haben keine Sorge, dass deshalb etwas auf
der Strecke bleibt .
Kollege Wunderlich .
Vielen Dank . - Frau Ministerin Schwesig, Sie haben
im Zusammenhang mit den nikotinfreien Liquids gesagt,
Sie wollten auch vermeiden, neue Reize für Kinder und
Jugendliche zu setzen, damit diese später nicht auf nikotinhaltige Liquids oder gar auf Zigaretten umsteigen .
Im Kontext des Jugendschutzes, um den es ja hier
geht, möchte ich Sie fragen: Gibt es auch Überlegungen,
alkoholfreien Kindersekt zu verbieten? In der letzten Legislatur ist es mir gemeinsam mit Frau Dyckmans, der
damaligen Drogenbeauftragten, gelungen, einen Werbespot für Kindersekt, in dem es hieß „Feiern wie die
Großen“, aus dem Verkehr zu ziehen . Gleichwohl steht
alkoholfreier Kindersekt immer noch in den Regalen
neben dem - in Anführungsstrichen - „normalen“ Sekt .
Dadurch werden Kindern Anreize geboten, möglichweise irgendwann einmal auf alkoholhaltigen Sekt umzusteigen, bzw . sie werden von klein auf an die Riten des gesellschaftlich anerkannten Saufens, für das es eigentlich
überhaupt keinen Grund gibt, herangeführt .
Vielen Dank, Herr Abgeordneter . - Eine solche Überlegung gibt es derzeit nicht . Das hat damit zu tun, dass es,
wie Sie eben richtigerweise dargestellt haben, natürlich
in vielen Bereichen Verleitungen gibt; letztendlich auch
im Bereich Süßigkeiten, wie wir alle wissen . Bei Produkten, die an sich nicht schädlich sind, stellt sich immer
die Frage: Verleiten sie vielleicht zu einem schädlichen
Konsum oder zu einem Konsum, der in der Perspektive
schädlich sein könnte? Die Frage, die Sie stellen, ist berechtigt, aber man muss im Zusammenhang mit klaren
Verboten immer abwägen und dosiert vorgehen .
Frau Vogler .
Ich würde gerne noch ein anderes Thema aufmachen:
Welche wissenschaftlich validen Erkenntnisse hat die
Bundesregierung in Bezug auf die Gefährdung durch den
Passivkonsum von E-Zigaretten und E-Shishas?
Ich kann Ihnen jetzt keine detaillierte Aussage geben
und weiß nicht, ob das Bestandteil der Studien war, aus
denen ich zitiert habe . Unser Fokus lag vor allem darauf, herauszufinden, ob auch die nichtnikotinhaltigen
E-Shi shas so gesundheitsgefährdend sind, dass wir einen
Grund haben, sie für Kinder und Jugendliche zu verbieten .
Ich sage es noch einmal: Ein Verbot bringt immer eine
Einschränkung von Persönlichkeitsrechten mit sich; deshalb ist es wichtig, valide Daten zu haben . Ich kann im
Anschluss an die heutige Regierungsbefragung aber gerne klären, ob es dazu valide Daten gibt, und sie Ihnen,
wenn das so ist, zur Verfügung stellen .
Ich habe keine weiteren Wortmeldungen zu diesem
vorgetragenen Thema der Kabinettssitzung gesehen .
Dann können wir das zunächst abschließen .
Ich frage, ob es sonstige Fragen zur heutigen Kabinettssitzung gibt? - Herr von Notz, dann Frau Vogler .
Herr Präsident, vielen Dank . - Ich habe eine Frage zur
Innenpolitik, zu den schlimmen Straftaten, zu den rechtsextremistischen Übergriffen, die es beklagenswerterweise seit Wochen in unserem Land auf Flüchtlinge, auf
ehrenamtliche Helfer, auf Polizisten, auf Politiker, auf
Journalistinnen und Journalisten gibt . Darunter waren
zahlreiche Mordanschläge . Das sage ich auch mit Blick
auf den Anschlag auf Frau Reker und die Aussage unseres Innenministers, der am 18 . Oktober 2015 im Bericht
aus Berlin im Hinblick auf Pegida gesagt hat: Inzwischen
ist völlig eindeutig . Diejenigen, die das organisieren,
sind harte Rechtsextremisten . - Das fand ich gut, auch
in der Klarheit .
Die Frage ist: Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, dass es sich bei den Anschlägen, die
wir seit Monaten jeden Tag zu verzeichnen haben, um
rechtsterroristische Anschläge handelt?
Herzlichen Dank .
Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, stimmt der
klaren Einschätzung des Innenministers zu, dass es sich
bei den Organisatoren von Pegida um Rechtsextreme
handelt .
Frau Vogler .
Nachdem wir gerade über die Jugendschutzpläne in
Bezug auf die E-Zigaretten und E-Shishas gesprochen
haben, möchte ich eine Frage bezogen auf die Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie insgesamt stellen . Es
verlautet ja, dass der ursprüngliche Entwurf aus dem
Landwirtschaftsministerium von Herrn Schmidt ein vollständiges Tabakwerbeverbot vorgesehen hat . Mich würde interessieren: Welche Intervention welcher Ministerin
bzw . welches Ministers hat dazu geführt, dass dies in der
jetzt geplanten Version nicht mehr enthalten ist? Und
warum hat man hinsichtlich der Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie den Punkt E-Shishas und E-Zigaretten
so stark herausgegriffen, ist aber in Bezug auf die Regulierung von nikotinhaltigen Tabakprodukten sonst nicht
weiter vorangekommen?
Die Frage hätte zwar auch vorhin, im unmittelbaren
Kontext, gestellt werden können, aber gerne auch jetzt . Bitte, Frau Schwesig .
Bei dem, was Sie angesprochen haben, handelt es sich
um zwei Themen . Wir haben uns nicht die E-Shishas und
E-Zigaretten herausgegriffen, während wir in den anderen Punkten nicht weiterkommen . Vielmehr geht es beim
Verbot von E-Zigaretten und E-Shishas ausschließlich
um das Verbot des Verkaufs an Kinder und Jugendliche,
und das ist unter das Jugendschutzgesetz, für das ich zuständig bin, zu fassen . Da gibt es einfach eine Rechtslücke, weil es damals, als das Jugendschutzgesetz in Kraft
trat, diese Produkte noch nicht gab . Ich nehme an, es wird
noch öfter vorkommen, dass im Zuge neuer Entwicklungen Produkte auf den Markt kommen, die es erforderlich
machen, dass wir das Gesetz erneut anpassen . Und parallel dazu arbeitet der Bundeslandwirtschaftsminister an
den anderen Regelungen .
Wir haben nicht das hier jetzt behandelte Thema irgendwie vorgezogen, sondern an beiden Themen wird
intensiv gearbeitet . Und andere Regelungen werden ja
auch auf den Weg gebracht, wie die Staatssekretärin angekündigt hat .
Frau Keul .
Meine Frage knüpft an die Frage des Kollegen von
Notz an . Auch mich treibt um, dass wir jetzt täglich über
Brandanschläge und rechtsextremistische Angriffe in
den Nachrichten lesen müssen . Die Frage ist: In welchen
Fällen hat die Generalbundesanwaltschaft schon wegen
terroristischer Hintergründe die Ermittlungen an sich gezogen? Gibt es inzwischen ein Ermittlungsverfahren bei
der Generalbundesanwaltschaft?
Vielen Dank, Frau Abgeordnete . - Die Einschätzung,
die Sie und auch Ihr Kollege aus Ihrer Fraktion getroffen
haben, dass das dramatisch zugenommen hat und dass
hier Gefahren drohen, teilen wir . Deswegen sind wir in
verschiedenen Bereichen mit den Themen beschäftigt,
einmal im BMJV, aber auch im BMI sowie in meinem
Bereich aus Sicht der Prävention, weil man sich auch
anschauen muss, welche Phasen es gibt, bevor es zu solchen Gewaltexzessen kommt .
Im Fall von Frau Reker hat sich der Generalbundesanwalt der Sache angenommen .
Frau Haßelmann .
Auch ich habe eine Frage zum Thema Rechtsterrorismus, Rechtsextremismus . Wir hatten ja in einer der
zurückliegenden Innenausschusssitzungen die Frage
an das BMI und den Minister gerichtet, der in der Ausschusssitzung anwesend war, welche Erkenntnisse man
grundsätzlich über die Entwicklung und die Strukturen
hat . Wir wurden auf den Verfassungsschutzbericht und
die Diskussion mit Herrn Maaßen verwiesen . Ich sage
einmal: Ich habe die Erwartung, dass das demnächst auch
vom Bundesministerium selbst kommt .
Meine konkrete Frage bezieht sich auch noch einmal auf den Mordanschlag auf Frau Reker . Gibt es Erkenntnisse dazu, und werden diese weiterverfolgt, dass
diese Person Frank S . aus rechtsterroristischem Umfeld
stammt bzw . Bezüge in rechtsterroristische Strukturen
hat? Wird an dieser Frage konsequent gearbeitet?
Vielen Dank, Frau Abgeordnete . - Dazu können wir
als Bundesregierung keine Aussage machen . Das obliegt
dem Generalbundesanwalt .
Gibt es sonstige Fragen an die Bundesregierung?
({0})
- Frau Haßelmann .
Ich habe eine Frage an das Bundesinnenministerium,
das nach meiner Information auch für Sport zuständig ist .
Stimmt das?
({0})
- Okay . Dazu muss man nicht sportlich sein . Hauptsache,
man ist für Sport zuständig .
({1})
Das gilt im Übrigen nicht nur für die Mitglieder der
Bundesregierung . Ähnliche Verteilungen sind in den
Fraktionen auch zu beobachten .
Ja, absolut . Ich stimme Ihnen da zu 100 Prozent zu . Ich
glaube, wir liegen da auf einer Linie . - Jetzt zum konkreten Thema . Es geht mir nicht um die Sportertüchtigung
von uns allen, sondern meine Frage bezieht sich auf den
DFB . Es ist ja ganz aktuell in der Presse zu lesen - mir
liegen diese Unterlagen nicht vor -, dass im Kontext der
Vergabe der WM-Ausrichtung auch das Bundesinnenministerium einbezogen worden ist . Wie werden Sie die
Bundestagsabgeordneten über die entsprechenden Zusammenhänge, die da hergestellt werden, informieren?
Wie gehen Sie jetzt im Ministerium selbst diesen Fragen,
die da aufgeworfen worden sind, nach?
Herr Präsident! Frau Kollegin Haßelmann! Zunächst
einmal: Meines Wissens - auch ich habe in concreto
nur Pressekenntnisse - sind es Vorwürfe gegen einzelne
Funktionsträger beim DFB, nicht gegen den DFB als solchen . Aber das sei einmal dahingestellt .
Ich darf darauf verweisen, dass jetzt in etwa zeitgleich der Sportausschuss des Deutschen Bundestages
tagt . Mein Kollege, der Parlamentarische Staatssekretär
Dr . Schröder, wird dem Sportausschuss berichten . Es ist
mir wichtig, dass der DFB als Organisation selbst - das
wurde auch angekündigt - lückenlos aufklärt . Weitere
Einzelheiten aus unseren Erkenntnis- oder Ermittlungsschritten kann ich Ihnen noch nicht mitteilen . Ich glaube,
es ist wichtig, dass erst einmal der Verband es aufklärt .
Wir nehmen es ernst und beobachten das .
Es gibt eine Reihe von Ersuchen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes, die wir im Rahmen der gesetzlichen Grundlage bearbeiten werden, um auch unseren Teil beizutragen .
Gibt es sonstige Fragen? - Bitte schön .
Die Antwort hat mich nicht zufriedengestellt . Deshalb
frage ich noch einmal . Ich gehe selbstverständlich davon
aus, dass der DFB mit Verve alles dafür tun wird, das aufzuklären . Den Eindruck habe ich zwar im Moment noch
nicht, aber vielleicht ergibt sich das ja aus den aktuellen
Entwicklungen, sodass das Ganze an Fahrt aufnimmt .
In dem Artikel, den ich angesprochen habe, geht es
um die Stern-Berichterstattung . Da ist insbesondere von
der Wahrnehmung der Aufsichtsratsfunktion durch das
Bundesinnenministerium die Rede . Deshalb kann ich
mich mit einer Antwort nach dem Motto „Wir warten ab
und erwarten vom DFB, dass er das aufklärt“ nicht zufriedengeben . Denn das tun wir, glaube ich, gemeinsam,
und das ist selbstverständlich . Aber mich würde interessieren, wie Sie die Wahrnehmung der Aufsichtsratsfunktion durch das Bundesinnenministerium beurteilen und
rekonstruieren, worüber Sie uns dann Bericht erstatten
können .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Haßelmann, sobald es Erkenntnisse geben
sollte, dass damalige Aufsichtsratsmitglieder, die der
Bundesregierung angehörten - ich glaube, Otto Schily
war damals Innenminister -, hier Fehler gemacht haben,
werden wir da selbstverständlich aufklären . Konkrete
Anhaltspunkte liegen uns bis jetzt nicht vor, jedenfalls
nicht in der Form, dass ich sie hier wiedergeben könnte . Ich kann Ihnen zusagen, dass wir das im Hause noch
einmal klären . Sie haben es gemerkt: Der Sport ist nicht
mein Leib-und-Magen-Thema . Aber ich kann Ihnen gern
zusichern, dass wir da noch einmal nachfassen .
Frau Keul .
Ich habe noch eine Frage zum Rechtsextremismus . Ich
begrüße, dass der Generalbundesanwalt im Fall Reker ermittelt . Gibt es weitere Fälle, in denen er jetzt die Ermittlungen an sich gezogen hat? Ich denke zum Beispiel an
Magdeburg, wo ja auch Aufrufe zur Lynchjustiz kursieren und Angriffe auf Landtagsabgeordnete stattgefunden
haben . Gibt es da noch weitere Ermittlungsverfahren?
Kann das Justizministerium vielleicht etwas dazu sagen?
Frau Kollegin, dazu kann ich Ihnen im Augenblick
nichts sagen . Es ist uns nicht bekannt . Falls es dennoch
so sein sollte, würde ich Ihnen das schriftlich nachreichen .
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht . - Doch? Wen
habe ich denn übersehen? - Herr von Notz, Entschuldigung .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Ich möchte in Anbetracht der letzten Antwort noch einmal nachfragen . Es
geht mir nicht um 30-Mann-Trupps, die mit Baseballschlägern herumlaufen, sondern um die Brandanschläge,
die wir schon seit vielen Monaten haben . Viele verlaufen
nach einem sehr ähnlichen Muster: gezielt auf noch nicht
bezogene Einrichtungen . Gibt es da eine Struktur, die die
Bundesregierung erkennt und die man kriminalistisch
einordnen kann? Kann man zum Beispiel sagen: „Hier
können wir Maßnahmen ergreifen, um die Einrichtungen
besser zu schützen“?
Es geht um Dutzende von Unterkünften . Meiner Ansicht nach ist es ein reiner Zufall, dass dies bisher keine
Menschenleben gekostet hat . Insofern frage ich Sie: Was
unternimmt die Bundesregierung konkret, damit sich im
Hinblick auf die Brandanschläge - ein unsäglicher und
untragbarer Zustand - etwas ändert?
Ich wäre dankbar, wenn das BMI darauf antworten
darf .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege von Notz, ich bedanke mich, dass ich die Gelegenheit habe, auch seitens des BMI noch einmal kurz
etwas dazu zu sagen . Ich darf diese Gelegenheit zunächst
nutzen, um deutlich zu machen, dass die Abscheu über
solche Anschläge, die eben formuliert worden ist, auch
seitens unseres Hauses und der gesamten Bundesregierung geteilt wird .
Die Zahl der Anschläge ist dramatisch . Es geht mit
Schmierereien los und reicht bis hin zu Brandanschlägen, Körperverletzung und sogar Mordversuchen, wie
wir zum Beispiel im Fall Reker gesehen haben . Trotzdem bleibt es natürlich richtig, dass hier erst einmal die
Landessicherheitsbehörden, die Landespolizeien, zuständig sind . Der Bund tut aber das Seine . Es gibt eine Clearingstelle beim BKA - sie ist an das Bundeskriminalamt
angegliedert -, die diese Fälle sichtet, schaut, ob es da
Strukturen gibt, und genau diesen Dingen nachgeht .
Weil dafür sicherlich besondere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, gilt für uns noch nicht die Sprachregelung „Terrorismus beobachten“ . Aber wir befassen uns
intensiv damit und werden prüfen, ob diese Klassifizierung nicht vielleicht doch irgendwann einmal die richtige
ist . Zurzeit sehen wir das noch nicht so . Wir beobachten
das, wie gesagt, intensiv und unterstützen auch die Länder, die vor Ort natürlich den größten Teil der Arbeit zu
erledigen haben .
Ich glaube, wir alle sind uns einig darin, dass wir jetzt
sicherlich das falsche Signal aussenden würden, wenn
wir in Deutschland an vielen Orten oder sogar flächendeckend Bundespolizisten neben diese Einrichtungen
stellen würden . Aber wir nehmen das, was dort passiert,
sehr ernst und bieten den Ländern auch Unterstützung an .
({0})
Letzte Wortmeldung in der Regierungsbefragung:
Frau Vogler .
Vielen Dank, Herr Präsident . - In den letzten Tagen ist
von Mitgliedern der Bundesregierung - unter anderem
vom Innenminister und vom Kanzleramtsminister - immer häufiger dargestellt worden, dass Afghanistan zumindest regional betrachtet ein sicheres Herkunftsland
für Flüchtlinge sein könnte . Vor diesem Hintergrund
würde mich sehr interessieren, wie das Außenministerium die Sicherheitslage in Afghanistan insgesamt bewertet und ob Sie es für vertretbar halten, Menschen in dieser
Situation nach Afghanistan zurückzuschicken .
Frau Staatsministerin .
Diese Themen werden uns heute in der Fragestunde ja
noch sehr intensiv beschäftigen . Im Vorgriff darauf darf
ich Ihnen sagen, dass die Situation in Afghanistan regional sehr unterschiedlich ist, sodass dort einige Gebiete in
der Tat als sehr gefährdet anzusehen sind, während dies
für andere Gebiete weniger gilt . In Bezug auf die Rückführung wissen Sie, dass in der letzten Zeit so gut wie
niemand in dieses Land zurückgeführt worden ist .
Auf diese Fragen kommen wir in der Fragestunde
gleich ohnehin zurück . Deswegen würde ich die Regierungsbefragung damit gerne abschließen . - Vielen Dank
insbesondere an die Ministerin .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/6520
Ich rufe die Geschäftsbereiche in der Ihnen angekündigten Reihenfolge auf .
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur . Zur Beantwortung steht der Kollege Norbert Barthle
zur Verfügung .
Die Fragen 1 und 2 des Abgeordneten Stephan Kühn
und die Frage 3 des Abgeordneten Christian Kühn werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Christian Kühn auf:
Welche Bundesbehörde hat seit dem Jahr 2000 Feldüberwachungen bezüglich der Abgaswerte ({0})
von Kfz-Serienfahrzeugen ({1}) durchgeführt, und was waren die Ergebnisse bzw . rechtlichen Konsequenzen?
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Kollege Kühn,
das Umweltbundesamt - UBA - hat seit dem Jahr 2000
insgesamt vier Forschungsvorhaben durchgeführt . Die
Bundesanstalt für Straßenwesen - BASt - hat in diesem
Zeitraum zur Überprüfung der Vorschriftenkonformität
in Betrieb befindlicher Fahrzeuge mehrere Fahrzeugtypen überprüft . Alle geprüften Fahrzeugtypen erzielten
gemäß den Anforderungen ein positives Ergebnis .
Zusatzfrage .
War es also so, dass lediglich das UBA geprüft hat und
dass das Kraftfahrt-Bundesamt an solchen Forschungsvorhaben nicht beteiligt war?
Herr Kollege, Sie haben nach den Forschungsvorhaben gefragt . Diese hat die BASt durchgeführt . Aber auch
das Kraftfahrt-Bundesamt hat Nachprüfungen - über tausend - durchgeführt . Diese bezogen sich ebenfalls auf die
Vorschriftenkonformität . Auch hier gab es keine Auffälligkeiten, also nur positive Ergebnisse .
Weitere Zusatzfrage .
Alle Forschungsvorhaben waren positiv, aber viele
Fahrzeuge, die jetzt auf der Straße sind, haben offenkundig keinen positiven Befund . Wie erklärt sich die Bundesregierung diese Divergenz?
Wenn es einem Fahrzeughersteller bereits bei der
Fahrzeugzulassung gelungen ist, zu täuschen, dann ist es
kein Wunder, dass das auch bei der Kontrolle gelingt .
Kollege Krischer .
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für Ihre Ausführungen . - Sie haben gerade davon gesprochen, dass
es tausend Nachprüfungen des Kraftfahrt-Bundesamtes
gegeben hat . Mich würde interessieren, wie diese tausend
Nachprüfungen ausgesehen haben . Ist da gemessen worden, oder was hat man da konkret im Einzelnen gemacht?
Bei diesen Nachprüfungen - ich habe es eben schon
erwähnt - werden diejenigen Dinge überprüft, die laut
Fahrzeug-Zulassungsverordnung eingehalten werden
müssen, und genau dies ist geschehen .
({0})
- Natürlich wird dabei gemessen .
Die Frage 5 des Kollegen Meiwald wird schriftlich
beantwortet .
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Gastel auf:
Wie viele der 2,4 Millionen VW-Dieselfahrzeuge, für die
das Kraftfahrt-Bundesamt am 15 . Oktober 2015 einen Rückruf
angeordnet hat, sind in Baden-Württemberg zugelassen, und
wie viele Dieselfahrzeuge aus dem VW-Konzern, die mit der
Abwrackprämie bezuschusst wurden, sind in Baden-Württemberg zugelassen?
Herr Kollege Gastel, von den circa 2,4 Millionen in
Deutschland betroffenen Fahrzeugen des VW-Konzerns
sind derzeit circa 350 000 Fahrzeuge in Baden-Württemberg zugelassen . Auf der Basis der Zahlen des Abschlussberichtes des Bundesamtes für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle zur Umweltprämie wurden mit dieser
Fördermaßnahme in Baden-Württemberg 96 113 Neufahrzeuge und Jahreswagen der VW-Gruppe gefördert .
Wie viele dieser Fahrzeuge mit einem Dieselantrieb
versehen waren, kann im Datenbestand des Bundesamtes
für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nicht ermittelt werden, da die Antriebsart, also Benziner oder Diesel, für die
Gewährung der Umweltprämie keine Rolle spielte .
Zusatzfrage?
Die Gelegenheit nutze ich gerne . - Von welchem Stichtag stammen die Zahlen, Herr Staatssekretär Barthle, die
Sie genannt haben? Die Affäre geht ja leider weiter . Liegen auch für die Fahrzeuge, für die es in den letzten Tagen neue Erkenntnisse gegeben hat, Zahlen vor?
Die Zahlen beziehen sich meinem Kenntnisstand nach
auf die Laufzeit der entsprechenden Prämie .
Präsident Dr. Norbert Lammert
Eine weitere Zusatzfrage gibt es im Augenblick nicht .
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Gastel auf:
Weshalb hat der Bund mit der Deutschen Bahn AG eine
Finanzierungsvereinbarung für die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven abgeschlossen ({0}), obwohl dort
noch das Planfeststellungsverfahren läuft, während der Bund
eine solche Vereinbarung für die Elektrifizierung der Südbahn
({1}) ablehnt, solange kein Baurecht für alle
fünf Planfeststellungsabschnitte vorliegt ({2}), und wann ({3}) rechnet die Bundesregierung mit der Unterzeichnung des Finanzierungsvertrages
({4})?
Herr Kollege Gastel, für die Planfeststellungsabschnitte 2, Rastede-Jaderberg, und 3, Jaderberg-Varel,
der Ausbaustrecke Oldenburg-Wilhelmshaven liegen seit
2011 Planfeststellungsbeschlüsse vor . Der zweigleisige
Ausbau ist hier bereits erfolgt . Nunmehr steht die Elektrifizierung an. Für den Abschnitt 4, Varel‑Sande, wird
der Planfeststellungsbeschluss noch 2015 erwartet . Damit wird dann für drei Abschnitte unmittelbares Baurecht
gegeben sein .
Insofern war der Abschluss der Finanzierungsvereinbarung zu diesem Zeitpunkt notwendig, um der Vorhabenträgerin einen kurzfristigen Baubeginn zu ermöglichen . Für die Südbahn wird gegenwärtig mit dem Land
Baden-Württemberg die Finanzierung abgestimmt .
Zusatzfrage?
Damit ist der zweite Teil der Frage aber noch nicht
beantwortet . Ich wollte wissen: Wann - bitte mit Datum - wird dieser Finanzierungsvertrag unterschrieben?
Ich habe auch geschrieben, dass Sie schon vor Monaten
gesagt hatten, der Vertrag würde noch in 2015 unterschrieben . So viel Zeit in 2015 ist gar nicht mehr . Also
müsste das Datum schon konkret feststehen . Ich möchte
gern wissen: Wann wird dieser Vertrag unterschrieben?
Das war Teil der eingereichten Frage .
Herr Kollege Gastel, wir sind in intensiven Verhandlungen mit dem Land Baden-Württemberg . Mein Minister Alexander Dobrindt hat öffentlich immer wieder
klargestellt, dass wir ein hohes Interesse daran haben, die
Elektrifizierung der Südbahn voranzubringen. Das Ganze hängt eben am Zustandekommen einer Vereinbarung
zwischen dem Bund und dem Land Baden-Württemberg .
Deshalb kann ich Ihnen kein Datum nennen .
Weitere Zusatzfrage?
Wie erklären Sie sich, dass das Land Baden-Württemberg, das für die Elektrifizierung dieser Strecke eigentlich gar nicht zuständig ist, freiwillig zugesagt hat, Geld
beizusteuern, und dieses Geld bereits in den Doppelhaushalt 2015/2016 eingestellt hat? Beim Bund aber ist man
noch nicht so weit, weder beim Finanzierungsvertrag
noch bei der Bereitstellung des Geldes . Wie erklären Sie
sich das? Wann soll das Geld in den Haushalt eingestellt
werden?
Ich kann nur für den Bund sprechen, nicht für das
Land Baden-Württemberg . Deren Motive müssen Sie
dort erfragen . Aus unserer Sicht ist es eben so, dass die
Finanzierungsvereinbarung noch nicht getroffen werden
kann, weil noch keine Einigkeit besteht . Deshalb muss
man darauf hinarbeiten, Einigkeit zu erzielen . Zu einer
Finanzierungsvereinbarung gehören immer zwei . Bei
dieser Vereinbarung gibt es offensichtlich noch unterschiedliche Vorstellungen .
Weitere Zusatzfrage?
Können Sie denn sicherstellen, dass die Elektrifizierung der Südbahn abgeschlossen ist, wenn Stuttgart 21
in Betrieb geht? Dann können ja in den Bahnhof keine
Dieselzüge mehr einfahren .
Die Vorhabenträgerin, also die Bahn, geht davon aus,
dass nach Erlangung des Baurechtes der Baubeginn für
die Elektrifizierung der Südbahn 2017 vorgesehen ist.
Herr Kühn, Sie hatten noch eine Frage?
Ja, danke . - Herr Staatssekretär, welche offenen Fragen gibt es denn noch mit dem Land Baden-Württemberg
hinsichtlich der Finanzierung?
Meinem Kenntnisstand nach geht es um die Höhe der
Beteiligung des Landes .
Dann rufe ich die Frage 8 der Kollegin Wilms auf:
Inwiefern ist inzwischen eine Reaktion der Europäischen
Kommission auf die Antwort der Bundesregierung zum ersten
Aufforderungsschreiben im Zuge des Vertragsverletzungsverfahrens wegen der geplanten Einführung einer lnfrastrukturabgabe bzw . Pkw-Maut erfolgt, und welche Konsequenzen
werden gegebenenfalls hieraus gezogen?
Frau Kollegin Wilms, auf die Mitteilung der Bundesregierung an die Europäische Kommission in Antwort
auf das Mahnschreiben der Europäischen Kommission
nach Artikel 258 AEUV ist bisher keine Reaktion der
Kommission erfolgt .
Bitte schön, Frau Wilms .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Herr Staatssekretär,
dann wollen wir doch einmal ein bisschen in die Tiefe
einsteigen .
Immer gerne .
Aber im Rahmen der Zeitvorgabe, Frau Wilms .
Im Rahmen der Zeitvorgabe, Herr Präsident . - Laut
dem Haushalt 2015 sollen insgesamt 76 Stellen in unterschiedlicher Besoldung und in verschiedenen Haushaltstiteln des Einzelplans 12 geschaffen werden, nämlich
3 Stellen direkt im BMVI, 17 Beamte und 33 Angestellte
im Bundesamt für Güterverkehr und 23 Stellen im Kraftfahrt-Bundesamt . Nach mündlicher Auskunft von Minister Dobrindt waren im Sommer 2015 davon 22 Stellen
beim Kraftfahrt-Bundesamt und 2 Stellen beim BMVI
besetzt . Wie viele Stellen sind aktuell besetzt, und welche Kosten sind dadurch bereits entstanden? - Das war
im zeitlichen Rahmen, Herr Präsident .
Absolut, ja . - Bitte schön .
Die exakten Zahlen über die Stellenbesetzungen liegen mir momentan nicht vor . Das kann ich Ihnen gerne
schriftlich nachreichen .
Das, was Sie eruiert haben, ist richtig, nämlich dass
schon verschiedene Vorarbeiten geleistet wurden . Wir
haben Ausschreibungen vorgenommen . Wir haben Beratungsaufträge in verschiedenen Bereichen vergeben: für
wirtschaftliche und juristische Beratung sowie für Projektmanagementberatung . Das alles ist notwendig, um
dann, wenn Rechtssicherheit besteht, möglichst schnell
mit der Implementierung beginnen zu können .
Eine weitere Zusatzfrage?
Ja klar, gerne . - Herr Staatssekretär, Sie haben das,
was die neuen Kolleginnen und Kollegen bei Ihnen an
Aufgaben übernehmen sollen, ein bisschen wolkig umschrieben . Was geschieht denn mit den Neueingestellten, wenn die CSU-gewünschte Maut nicht kommt, und
welche Aufgaben nehmen die Angestellten und Beamten
zurzeit wahr, da es doch unmittelbar eigentlich noch gar
keinen Aufgabenbereich gibt? Ich bitte, das noch ein
bisschen genauer zu präzisieren .
Frau Kollegin Wilms, im Gegensatz zu Ihnen planen
wir nicht, dass die Infrastrukturabgabe nicht kommt, sondern wir gehen davon aus, dass die Infrastrukturabgabe
kommt . Deshalb gehen wir davon aus, dass die Menschen, die auf diesen Stellen sitzen, dann auch entsprechend beschäftigt sein werden .
Herr Krischer .
Herzlichen Dank für die Ausführungen, Herr Staatssekretär . - Sie haben gesagt, es hat Ausschreibungen,
auch für Beratungsleistungen, gegeben; das machen die
Mitarbeiter . Mich würde interessieren: Um welche Beratungsleistungen im Einzelnen handelt es sich? Was
habe ich mir darunter vorzustellen? Was wird da konkret
vorbereitet? Welchen Kostenrahmen hat das Ganze? Wir
reden ja nicht nur über die Personalkosten, sondern wir
reden auch darüber, dass für diese Beratungsleistungen
noch zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt
werden .
Ich habe es in der Antwort auf die Frage der Kollegin
Wilms gerade schon versucht zu beschreiben . Wir haben
einerseits Beratungsleistungen ausgeschrieben für den
technisch-wirtschaftlichen Bereich zur Implementierung
der Infrastrukturabgabe; sie hat ja durchaus technische
Dimensionen . Andererseits haben wir Beratungsleistungen für die juristische Beratung ausgeschrieben . Darüber
hinaus haben wir Beratungsleistungen für das eigentliche Projektmanagement ausgeschrieben . Dies alles muss
sorgfältig vorbereitet sein, damit wir dann, wenn wir
Rechtssicherheit haben und das Vertragsverletzungsverfahren gegebenenfalls eingestellt wird, die Infrastrukturabgabe sehr schnell implementieren können .
({0})
Kollege Behrens .
Präsident Dr. Norbert Lammert
Herr Staatssekretär, Sie haben erwähnt, dass die PkwMaut auf jeden Fall kommt . Die Frage, die das Datum
anbetrifft, ist offen geblieben . Ich habe Frau Wilms so
verstanden, dass sie konkret nach den Aufgaben im
Jahr 2016 gefragt hat,
({0})
in dem ein entsprechender Aufwuchs an Personal vorhanden ist, das sich mit der Einführung der Pkw-Maut
befassen soll .
Wenn das Vertragsverletzungsverfahren der EU zu
dem Ergebnis führt, dass an der Pkw-Maut, an der Ausländermaut, etwas verändert werden muss, verändert
sich auch die Grundlage für die Arbeit der Kolleginnen
und Kollegen, die eingestellt worden sind . Daher wäre
es für mich schon einmal wichtig, von Ihnen zu erfahren: Inwieweit ist es möglich, dass man nach einem alten
Fahrplan verfährt, der die Einführung der Pkw-Maut mit
Scharfstellung zum 1 . Januar 2016 vorgesehen hat, und
quasi so weitermacht wie bisher?
Herr Kollege Behrens, das Vertragsverletzungsverfahren ist auf den Weg gebracht worden . Wir haben Frau
Kommissarin Bulc einen Antwortbrief zugeleitet . Sie
hat nun entsprechend Zeit, ein begründetes Mahnverfahren einzuleiten oder das Verfahren einzustellen . Wenn
Frau Kommissarin Bulc sich uns gegenüber geäußert
hat, haben wir wiederum Zeit, darauf einzugehen . Erst
dann wird sich erweisen, ob das weitere Verfahren vor
dem Europäischen Gerichtshof landet oder ob das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt wird . Wir richten
uns darauf ein, dass das Vertragsverletzungsverfahren
eingestellt werden kann, und gehen davon aus, dass die
Infrastrukturabgabe danach entsprechend implementiert
werden kann .
({0})
Nun kommen wir zur Frage 9 der Kollegin Wilms:
Von welchem Zeitrahmen geht die Bundesregierung zur
Einführung der lnfrastrukturabgabe bzw . Pkw-Maut derzeit
aus, und ab wann plant die Bundesregierung mit Einnahmen
aus der lnfrastrukturabgabe bzw . Pkw-Maut ({0})?
Frau Kollegin Wilms, die Bundesregierung wird erst
nach Beendigung des Vertragsverletzungsverfahrens
und der Bestätigung der EU-Rechtskonformität die technische Einführung der Infrastrukturabgabe umsetzen .
Die Einnahmen und ihre Zusammensetzung sind unter
www .bmvi .de einsehbar . Die Bruttogesamteinnahmen
sind mit 3,9 Milliarden Euro prognostiziert .
Zusatzfrage?
Selbstverständlich, Herr Präsident . Denn das, was
Herr Staatssekretär Barthle eben auf die Frage des Kollegen Behrens geantwortet hat, nämlich dass die Infrastrukturabgabe dann eingeführt werden kann, fordert geradezu heraus, nachzufragen .
Der Bundesrechnungshof hat einen sehr schönen,
plastischen Bericht vorgelegt, in dem er schreibt, dass
die bisherige Zeitplanung in keiner Weise realistisch ist
und frühestens zweieinhalb bis drei Jahre nach Abschluss
des Vertragsverletzungsverfahrens daran gedacht werden
kann, die Maut zu erheben . Demzufolge könnte die Maut
frühestens 2021 kommen . Welche Kosten werden bis zu
diesem Zeitpunkt für den Steuerzahler entstehen, und warum stoppt man die Planung der Maut nicht wenigstens
bis zum Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens?
Frau Kollegin Wilms, wir teilen die Auffassung des
Bundesrechnungshofes nicht in vollem Umfang; denn
der Bundesrechnungshof hat eine sehr skeptische Sichtweise an den Tag gelegt . Ich möchte, ohne dem Bundesrechnungshof zu nahe treten zu wollen, darauf hinweisen,
dass auch er nur begrenzte prognostische Fähigkeiten
hat . Insofern gehen wir davon aus, dass unsere Annahmen richtig sind .
Weitere Zusatzfrage?
Ja . Herzlichen Dank, Herr Präsident . - Immerhin ist
das schon eine kleine Abweichung gegenüber früher: Sie
sagen, dass der Bundesrechnungshof nicht ganz falsch
liegt .
Herr Staatssekretär, im Bundeshaushalt sind im Zusammenhang mit der Pkw-Maut 4 Millionen Euro für
Sachverständige vorgesehen . Laut mündlicher Aussage des Ministers im Sommer sollte bis zum Ende der
Sommerpause der Auftrag für ein Gutachten mit einem
Volumen von 4 Millionen Euro an externe Berater vergeben werden . Erste Teilfrage: Ist das Gutachten in Auftrag gegeben worden, und was ist der Arbeitsauftrag des
Gutachtens? Und die zweite: Wann liegen die Ergebnisse
vor?
Wenn ich Ihre Frage richtig verstanden habe, meinen
Sie ein externes Gutachten, das wir in Auftrag gegeben
haben und das die EU-Rechtskonformität der Infrastrukturabgabe festgestellt hat .
({0})
Das waren schon zwei Zusatzfragen . - Herr Behrens,
haben Sie sich dazu gemeldet? - Bitte schön .
Die Frage hat sich konkret auf den Zeitplan bezogen .
Sie haben gerade zu erkennen gegeben, dass Sie die Ergebnisse der Untersuchung des Bundesrechnungshofes
nicht gänzlich teilen . Sie teilen auf keinen Fall - so habe
ich Ihre Antwort verstanden - die Befürchtung, dass es
erheblich länger dauern könnte . Können Sie mir heute
verlässlich sagen, dass es bei der Zeitplanung bleiben
kann, die das BAG vorgelegt hat? Danach sind fünf Monate für die Vergabe, zwei Monate für die Vorbereitung
von ÖPP, sechs Monate für das Vergabeverfahren und
sechseinhalb Monate für den Aufbau und den Test vorgesehen . Das macht insgesamt knapp 19 Monate . Ist denn
dieser Zeitplan, den das BAG für die ursprüngliche Planung genannt hatte, verbindlich?
Die Vorarbeiten, die ich Ihnen soeben geschildert
habe, was die Vergabe von Gutachten und Expertisen
angeht, zielen darauf ab, den Zeitraum nach Herstellung
der Rechtssicherheit so kurz wie möglich zu gestalten .
Wir werden dann, wenn wir Rechtssicherheit haben, sehr
schnell die Infrastrukturabgabe implementieren können,
weil wir die dazu notwendigen Vorarbeiten bereits geleistet haben .
Herr Krischer .
Herr Staatssekretär, im Haushalt 2015 sind neben den
Personalkosten, über die wir eben geredet haben, 8 Millionen Euro für die Einführung der Pkw-Maut eingestellt .
Nun haben wir gerade gehört - das haben Sie bestätigt,
wenn ich das richtig verstanden habe -, dass für das
Rechtsgutachten bereits 4 Millionen Euro ausgegeben
wurden . Was ist denn mit den restlichen 4 Millionen Euro
geschehen? Sind diese schon ausgegeben? Wenn ja, für
welche Leistungen und für welche konkreten Projekte Sie haben das eben sehr allgemein formuliert - wurde
diese Summe ausgegeben?
Herr Kollege Krischer, ich habe nicht jede Position
unseres großen Haushalts im Kopf . Ich kann Ihnen die
Antwort gerne schriftlich nachreichen . Momentan jedenfalls kann ich Ihnen dazu keine konkrete und detaillierte
Aussage machen . Die entsprechenden Unterlagen liegen
mir nicht vor .
Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Herbert Behrens
werden schriftlich beantwortet . Damit können wir diesen
Geschäftsbereich abschließen .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit . Hier werden die Fragen 12 und 13 der
Kollegin Katrin Kunert sowie die Frage 14 der Kollegin
Sylvia Kotting-Uhl schriftlich beantwortet .
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Hier werden
die Frage 15 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl sowie
die Fragen 16 und 17 der Abgeordneten Tabea Rößner
schriftlich beantwortet .
Wir kommen damit zu Frage 18 der Kollegin Dr . Julia
Verlinden:
Wie werden die Beschlüsse des G-7-Gipfels der Staats- und
Regierungschefs in Elmau von Juni 2015 zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis Ende des Jahrhunderts und zum
Umbau der Energiewirtschaft bis 2050 ({0}) in den
Verhandlungen zu den Handelsabkommen TTIP und CETA
berücksichtigt, und welche Position hat die Bundesregierung
gegenüber der Europäischen Kommission bisher vertreten,
um die Umsetzung dieser Ziele in den Handelsabkommen
zu verankern, vor dem Hintergrund, dass in der elften Verhandlungsrunde zu TTIP vom 19 . bis 23 . Oktober 2015 unter anderem über Erleichterungen beim Handel von fossilen
Energieträgern wie Kohle, Uran, Gas, Erdgas und Erdöl sowie
Technologien, um diese zu nutzen ({1}), verhandelt wurde?
Ich darf die Staatssekretärin Zypries um Beantwortung bitten .
Vielen Dank, Herr Präsident . - Frau Kollegin, Sie haben als Erstes gefragt, wie die Beschlüsse des G-7-Gipfels
der Staats- und Regierungschefs in den Verhandlungen
zu den Handelsabkommen TTIP und CETA berücksichtigt werden . Ich nehme an, dass Sie bei der Formulierung
der Frage wussten, dass dies zwischen der EU und den
Vereinigten Staaten streitig ist . Wir unterstützen die Position der EU und wollen, dass diese Beschlüsse berücksichtigt werden .
Ihre zweite Frage, welche Position die Bundesregierung bisher gegenüber der EU-Kommission vertreten
hat, ist damit quasi beantwortet . Wir haben immer gesagt, dass wir die Kommission unterstützen, wenn sie
dazu ein eigenständiges Kapitel haben will .
Frau Kollegin Verlinden, Ihre erste Nachfrage .
Vielen Dank . - Frau Staatssekretärin, Sie kennen
ebenfalls die Debatte über TTIP und CETA sowie die
Sorge vieler Menschen, die eine kritische Haltung gegenüber den Konzernprivilegien haben, dass möglicherweise
der Klimaschutz und die Energiewende unter die Räder
kommen, wenn TTIP beschlossen wird . Wir alle kennen
das Beispiel Vattenfall . Dieser Konzern klagt gegen den
Atomausstieg . Ähnliche Beispiele kennen wir aus anderen Ländern . So hat Lone Pine gegen das Fracking-Moratorium in Quebec geklagt . Es gibt also verschiedene
Anlässe, warum sich die Menschen Sorgen machen, dass
die energiepolitischen Ziele unter die Räder kommen .
Ich frage Sie, wie die Bundesregierung dazu steht,
dass bei der elften Verhandlungsrunde der Fokus vor
allem auf die fossilen Energieträger gelegt wurde . Was
bedeutet es konkret, dass vom 19 . bis 23 . Oktober über
Erleichterungen beim Handel mit Kohle, Uran, Gas und
Erdöl verhandelt wurde? Alles soll genau geregelt werden . Wie steht die Bundesregierung dazu?
Frau Abgeordnete, wie gesagt, wir unterstützen die EU
dabei, dass es ein eigenständiges Kapitel zu Energie und
Rohstoffen gibt . Ich möchte gerne noch einmal darauf
hinweisen, dass selbstverständlich auch die Vereinigten
Staaten durch den Beschluss von Elmau gebunden sind .
Alle Staaten, die in Elmau teilgenommen haben - nicht
nur die Vereinigten Staaten, sondern auch die Staaten, die
der EU angehören -, haben sich zur Dekarbonisierung
der Weltwirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts und
zu einem Umbau der Energiewirtschaft verpflichtet. Das
war jetzt die elfte Verhandlungsrunde . Dann kommen
die zwölfte und die dreizehnte Verhandlungsrunde usw .
Irgendwann werden die von Ihnen angesprochenen Themen behandelt .
Frau Verlinden, Sie haben sicherlich noch eine zweite
Zusatzfrage .
Ja, das ist richtig .
Bitte schön .
Allein die Tatsache, dass es aus Sicht der Bundesregierung ein eigenständiges Kapitel zur Energiepolitik geben soll, gewährleistet wohl kaum, dass Klimaschutzaspekte ausreichend berücksichtigt werden . Es kann im
schlimmsten Fall auch in die andere Richtung gehen .
Deswegen wüsste ich gerne, mit welchen Intentionen
und mit welchen konkreten inhaltlichen Forderungen die
Bundesregierung die EU dabei unterstützt, in diesem Zusammenhang zu verhandeln .
Ausreichend - da haben Sie völlig recht - ist immer
relativ . Da bin ich sofort bei Ihnen . Unsere Position ist,
dass wir das, was die Staats- und Regierungschefs in Elmau beschlossen haben, die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts und den Umbau der Energiewirtschaft, selbstverständlich in diesen
Kapiteln verhandeln wollen . Unser Ziel ist es, möglichst
viel für das Klima zu erreichen .
Vielen Dank . - Es gibt keine weiteren Nachfragen .
Wir kommen zur Frage 19 der Abgeordneten Dr . Julia
Verlinden:
Was gedenkt die Bundesregierung in Zukunft zu tun, um
dafür zu sorgen, dass TTIP dem Ziel der Dekarbonisierung
nicht zuwiderläuft?
Bitte schön, Frau Kollegin .
Ihre Frage betrifft im Grunde das, was wir eben schon
besprochen haben . Wir haben eben schon gesagt: Wir
wollen ein eigenständiges Kapitel, in das die Klimaziele und die Ziele der nachhaltigen Energieversorgung
aufgenommen werden . Deswegen hat die EU in ihrem
Positionspapier zum Energie- und Rohstoffkapitel auch
entsprechende Regelungen zur nachhaltigen Energieversorgung vorgeschlagen .
Die Bundesregierung unterstützt die Vereinbarung
eines ehrgeizigen Nachhaltigkeitskapitels im TTIP, in
dem beide Seiten sich unter anderem dazu verpflichten,
multilaterale Umweltabkommen, deren Vertragsparteien
sie sind, wirksam umzusetzen und weitere multilaterale Umweltabkommen zu ratifizieren. Außerdem schlägt
die EU eine engere Kooperation beider Seiten in Klimaschutzfragen vor . Wir werden diesen EU-Textvorschlag
um Regelungen zum Klimaschutz ergänzen, wenn die
Pariser Klimaschutzkonferenz, die diesen Monat stattfindet, wenn ich es richtig im Kopf habe, abgeschlossen ist .
Frau Kollegin, bitte schön .
Ich habe eine Nachfrage . Es gibt sehr unterschiedliche
energiepolitische Interessen, sowohl zwischen den Unternehmen als auch möglicherweise zwischen den Umweltverbänden und - Sie hatten es eben angedeutet - den
verschiedenen Verhandlungspartnern . Wenn Sie sagen,
Sie wollten den Klimaschutz voranbringen, gerade auch
in diesem Prozess, in dem Sie über TTIP verhandeln oder
von der EU verhandeln lassen, dann könnten Sie etwas
konkreter werden und erklären, wie Sie sicherstellen
wollen, dass sich womöglich die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen nicht gegenüber demokratischen
Entscheidungen, insbesondere im Zusammenhang mit
der Energiewende, durchsetzen und welche Ziele Sie im
Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz konkret in diese Verhandlungen einbringen .
Frau Staatssekretärin .
Ihre Annahme, dass wir die EU verhandeln lassen
würden, wie Sie eben formuliert haben, möchte ich gerne
zurückweisen . Das ist nicht so . Es gibt 28 gleichberechDr. Julia Verlinden
tigte Staaten in der Europäischen Union, und die Kompetenz zur Verhandlung über solche Handelsabkommen
liegt seit den letzten Vertragsänderungen bei der EU .
Deswegen ist die Unterstellung, die eben anklang, nämlich dass Deutschland im Grunde der Spiritus Rector des
TTIP sei und die EU nur das Werkzeug, ziemlich abwegig . Das entspricht nicht den Tatsachen .
Deswegen ist es nicht so, dass wir sagen können: So
wird das gemacht, bzw . so wird das nicht gemacht . - Es
ist vielmehr so, dass sich alle Staats- und Regierungschefs darauf verständigen müssen, was sie wollen, und
gemeinsam mit der EU-Kommission einen Konsens herstellen müssen . Sonst funktioniert das eben nicht . Daran
arbeiten wir . Das habe ich Ihnen eben schon einmal gesagt . Ich kann das gerne wiederholen, aber ich glaube,
Sie sind intelligent genug, um das beim ersten Mal zu
verstehen . Das kann ich mir also sparen .
Frau Verlinden .
Sie haben aber den Teil meiner Frage nicht beantwortet, bei dem es darum ging, wie Sie sicherstellen wollen,
dass wirtschaftliche Interessen von Unternehmen gerade im Zusammenhang mit der Energiepolitik sich nicht
über demokratische Entscheidungen hinwegsetzen, wenn
TTIP so beschlossen wird . Sie haben auch nicht auf meine Frage geantwortet, inwiefern Sie denn die EU dabei
unterstützen, vielleicht auch beraten oder eigene Ideen
einbringen, damit das Thema der erneuerbaren Energien
und Energieeffizienz in diesem Kontext mitdiskutiert und
mitverhandelt wird .
Sie als Bundesregierung werden in einem regen Austausch mit den EU-Verhandlungspartnern sein und entsprechende Anregungen in den Prozess einspeisen . Wie
wollen Sie sicherstellen, dass Deutschland seine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien und Energieeffizienz fortführen kann, insbesondere vor dem Hintergrund
der Forderung, demokratische Entscheidungen nicht
durch unternehmerische Interessen mittels internationaler Schiedsgerichte wieder aufheben zu lassen?
Bitte schön .
Ich glaube, es ist eine fundamentale Fehleinschätzung,
zu glauben, dass sich wirtschaftliche Interessen und demokratische Entscheidungen in irgendeiner Form widersprechen können .
({0})
Noch ist es bei uns so - und so soll es auch bleiben -,
dass der Gesetzgeber festlegt, in welchem Rahmen die
Wirtschaft agiert . Das können wir vielleicht außerhalb
dieses Raumes klären; aber es scheint mir auf alle Fälle
evident zu sein . Deswegen sehe ich da überhaupt kein
Problem .
Soweit Sie auf die Schiedsgerichte anspielen, wissen Sie ja - das haben wir zuletzt heute Morgen im
Wirtschaftsausschuss ausführlich diskutiert -, dass die
Schiedsgerichte bei TTIP aufgrund der Initiative von
Sigmar Gabriel eine wesentliche Verbesserung erfahren
haben . Ihre Stellung war vonseiten der EU-Kommission schon einmal im Rahmen von CETA verbessert worden, und nun sind sie aufgrund der Initiative von Sigmar
Gabriel und fünf anderen europäischen Sozialdemokraten noch einmal verbessert worden . Vorgesehen sind jetzt
ein europäischer Handelsgerichtshof, volle Transparenz,
die Beteiligung der NGOs und vieles andere mehr, sodass von mangelnder Transparenz oder gar undemokratischen Entscheidungen überhaupt keine Rede sein kann .
Vielen Dank . - Ich sehe keine weiteren Nachfragewünsche .
Die Frage 20 der Abgeordneten Bärbel Höhn und
die Frage 21 des Abgeordneten Oliver Krischer werden
schriftlich beantwortet .
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie . Ich bedanke mich bei der Staatssekretärin Zypries für die Beantwortung der Fragen .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes . Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staatsministerin Professor Dr . Maria Böhmer zur Verfügung .
Die Frage 22 des Abgeordneten Oliver Krischer, die
Frage 23 der Abgeordneten Bärbel Höhn sowie die Fragen 24 und 25 der Abgeordneten Sevim Dağdelen werden schriftlich beantwortet .
Wir kommen zur Frage 26 des Kollegen Volker Beck:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur derzeitigen Menschenrechtssituation von jungen Männern, die
unter anderem von den Taliban zwangsrekrutiert werden, und
besonders gefährdeten Gruppen ({0}) in Afghanistan vor?
Bitte schön, Frau Kollegin .
Herr Beck, ich darf Ihnen die Frage wie folgt beantworten: Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan
unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht . Die
afghanische Verfassung verfügt über einen umfassenden
Grundrechtekatalog, in dem auch der Gleichheitsgrundsatz und die Religionsfreiheit verankert sind . Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung von sozialen
oder religiösen Minderheiten durch den Staat findet nach
Kenntnis der Bundesregierung nicht statt . Dennoch bleibt
die Menschenrechtslage schwierig . Gewalt gegen Frauen
ist weiterhin verbreitet . Die gesellschaftliche Anerkennung ihrer unter anderem im Gesetz zur Beseitigung von
Gewalt gegen Frauen verankerten Rechte fehlt vielfach .
Ein Verbot der Diskriminierung aufgrund sexueller
Orientierung ist in der afghanischen Verfassung nicht
enthalten . Das afghanische Strafgesetzbuch stellt homosexuelle Handlungen unter Strafe . Es wird von gewalttätigen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen von
homosexuellen Männern durch die afghanische Polizei
berichtet . Die Betroffenen haben nur begrenzten Zugang
zum Gesundheitssystem und müssen bei Entdeckung ihrer Homosexualität den Verlust ihres Arbeitsplatzes und
soziale Ausgrenzung fürchten .
Der Bundesregierung liegen unbestätigte Berichte
über die Zwangsrekrutierungen von jungen Männern
durch die Taliban vor .
Herr Kollege Beck, Sie haben das Wort zu einer
Zusatzfrage .
Ich bin ein bisschen erstaunt, welche geringe Rolle die
tatsächlichen Zustände in Afghanistan bei Ihnen spielen .
Wir wissen ja genau, dass in Afghanistan das Problem
besteht, dass dort kodifiziertes Recht in der Lebenssituation der Menschen oftmals keine Rolle spielt .
Der Bundesinnenminister hat gesagt: Wir müssen jetzt
verstärkt nach Afghanistan abschieben . Das heißt, man
wird bei abgelehnten Asylbewerbern in der Regel weitere Schutzgründe nach der EMRK verneinen, oder man
wird behaupten, es gebe innerstaatliche Fluchtalternativen . Kann das Auswärtige Amt benennen, welche Städte
und Regionen in Afghanistan für alle in dieser Frage angesprochenen Gruppen so sicher sind, dass sie als innerstaatliche Fluchtalternative gelten können?
Frau Staatsministerin .
Ich will Ihnen mit zwei Punkten antworten:
Sie haben eben verneint, dass ich auf die konkrete Situation eingegangen bin . Das war natürlich nicht so . Ich
habe zum einen die Verfassungssituation dargestellt, zum
anderen aber sehr bewusst gesagt, dass vieles von dem
nicht eingehalten wird Das bitte ich einfach noch einmal
zur Kenntnis zu nehmen, lieber Herr Beck .
Die Sicherheitslage ist in Afghanistan regional sehr
unterschiedlich; das deuten Sie ja auch schon in Ihrer
Frage an . Es gibt Regionen mit aktiven Kampfhandlungen, etwa Kunduz; es gibt aber auch Regionen, für die
wir sagen können: Trotz punktueller Sicherheitsvorfälle
sind sie vergleichsweise stabil . - Dazu darf ich beispielsweise Kabul, Bamiyan und Masar-i-Sharif nennen . Insofern kann man keine pauschalen Aussagen für einzelne
Landesteile treffen; man muss immer auf den spezifischen Fall und auf die aktuelle Lage abheben .
Ich möchte Ihnen aber auch sagen, dass seit 2002
6 Millionen afghanische Flüchtlinge aus dem Ausland in
ihr Land zurückgekehrt sind . Im laufenden Jahr sind es
56 000 . Auch das deutet sehr stark darauf hin: Es gibt
durchaus Regionen, wo die Menschen leben können und
in die sie zurückkehren . Ich glaube, es ist wichtig für uns,
auch das im Blick zu behalten .
Herr Kollege Beck, die zweite Zusatzfrage . - Ich darf
auch bitten, auf die Zeit zu achten .
Gern!
Bitte schön, Herr Beck .
Ich darf bitten, auf die Frage zu achten . Frau Staatsministerin, Sie haben zwar viele Worte gemacht, aber
nicht mit einem Satz meine Nachfrage beantwortet . Ich
habe Sie gefragt, welche Regionen und welche Städte
in Afghanistan für die in der Frage aufgeführten Gruppen - namentlich von den Taliban zwangsrekrutierte
junge Männer, Frauen, Lesben, Schwule, Transsexuelle, Transgender und religiöse Minderheiten - als sicher gelten können . Da nützt es nichts, dass Sie sagen:
Es ist stabiler . - Die Menschenrechtssituation ist doch
nicht identisch mit der Sicherheitslage . Die Frage ist:
Sind die Leute dort vor staatlicher oder nichtstaatlicher
Verfolgung sicher? Darauf kommt es bei der Frage an:
Können wir sie guten Gewissens dahin abschieben oder
eben nicht, weil sie dort nicht sicher sind? Deshalb bitte
ich Sie, nicht auf die Sicherheitslage abzuheben, die eine
militärische Frage ist, sondern auf die tatsächliche Menschenrechtslage .
Ich will Ihnen nur noch sagen: Ich habe in Belgrad,
auf der Balkanroute, mit einer Gruppe von jungen afghanischen Flüchtlingen gesprochen . Sie haben mir erzählt,
wie sie unmittelbar geflohen sind. Die Taliban sind bei
ihren Eltern vorstellig geworden und haben versucht, sie
zwangszurekrutieren .
Herr Kollege Beck .
Da haben sie ihre Beine in die Hand genommen und
sind durch den Iran über die Türkei bis nach Belgrad geflohen.
Bitte schön, Frau Böhmer .
Ich habe vorhin schon einmal darauf abgehoben, dass
die Situation sehr unterschiedlich ist; ich wiederhole das
gern .
({0})
Ich glaube, es ist ein wichtiges Kriterium, Herr Kollege
Beck, wie stabil eine Region ist . Wir haben dort nicht
umsonst hohen Einsatz gezeigt, und wir werden das weiterhin tun; denn die Stabilität einer Region ist auch eine
entscheidende Voraussetzung dafür, dass jemand dorthin
zurückkehrt .
Was die Menschenrechtsfrage anbetrifft, habe ich
sehr wohl differenziert . Wir sehen zum Beispiel, dass für
Frauen einer bestimmten Region oder einer bestimmten
sozialen Schicht eine ganz andere Situation gegeben ist
als für Frauen anderer Regionen oder Schichten, und da
hatte ich erhebliche Bedenken . Das kann man auch auf
andere Bereiche übertragen .
Vielen Dank .
({0})
- Nein, Herr Nouripour, Sie sind noch nicht dran . Sie
werden jetzt noch nicht aufgerufen .
({1})
Vor Ihnen kommt noch die Frau Kollegin Haßelmann .
Bitte schön, Frau Haßelmann .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Mit dem Herrn
Nouripour klären wir das .
({0})
- Genau .
Frau Staatsministerin, ich möchte an das anknüpfen,
was Herr Beck gesagt hat, und Sie darum bitten, doch
einmal konkret die Orte zu nennen; denn auf die Einschätzung der Lage durch das Auswärtige Amt wird es
erheblich ankommen . Ich glaube, dass Sie in der Lage
sein müssten, für die genannten Personengruppen konkret Orte, Städte oder Regionen zu nennen, in die Rückführungen möglich sind .
Der zweite Teil meiner Frage bezieht sich auf die Beschäftigten, die zum Teil Beschäftigte unserer Bundeswehr waren: Dolmetscher, Fahrer, welche Tätigkeiten
auch immer sie ausgeübt haben . Es gibt immer wieder
eindringliche Berichte darüber, dass für diesen Personenkreis die Frage des Aufenthaltsstatus hier nicht geklärt
ist .
Deshalb meine konkrete Frage: Was unternimmt das
Außenministerium in diesem Kontext, um für eine eindeutige Aufenthaltserlaubnis für diese Menschen zu sorgen?
Frau Kollegin Haßelmann, Sie wissen, dass man nur
eine Zusatzfrage stellen darf, auch wenn man diese in einer Minute stellen und in zwei Fragen kleiden kann .
Vielleicht schafft es aber die Frau Staatsministerin,
diese beiden Fragen in einer Minute zu beantworten . Bitte schön .
Frau Kollegin, ich möchte auf das abheben, was
ich bereits sagte . Es gibt stabile Regionen . Ich habe
drei Regionen genannt, nämlich Kabul, Bamiyan und
Masar-i-Scharif . Ich weiß ebenso wie Sie, dass wir unter
Menschenrechtsgesichtspunkten manchmal noch stärker differenzieren müssen . Ich glaube aber schon, sagen
zu können, dass wir hier von einer vergleichsweisen
Stabilität ausgehen können .
Nun zu dem anderen Punkt, den Sie angesprochen haben . Es liegen noch weitere Fragen vor, die im
Zusammenhang mit einer möglichen Rückführung stehen . Hierbei stehen wir als Außenministerium in engem
Kontakt mit dem Innenministerium .
Vielen Dank . - Dann ist jetzt der Kollege Nouripour
dran . Bitte schön, Herr Nouripour .
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Staatsministerin, Sie haben über die Sicherheitslage gesprochen
und darauf hingewiesen, dass seit 2002 rund 6 Millionen
Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt seien . Das
ist völlig richtig . Die Lage ist, was die Sicherheit betrifft,
deutlich besser als zum Beispiel im Jahr 1999 . Die Lage
ist auch besser als die Lage im Jahr 1812 .
Die Frage ist aber, warum die Leute jetzt kommen .
Deshalb ist meine Frage, wie die Bundesregierung die
Sicherheitslage und die Entwicklung der Sicherheitslage
in den letzten zwölf Monaten bewertet . Ich war letztes
Jahr im Juni da . Damals war die Lage so gut wie noch nie
zuvor . Als ich vor wenigen Wochen da war, war die Lage
so schlecht wie noch nie zuvor . Das ist mir so berichtet worden . Deshalb frage ich, wie die Bundesregierung
die Entwicklung der Sicherheitslage in den letzten zwölf
Monaten bewertet .
Bitte schön .
Herr Kollege, Sie wissen, dass wir dafür eintreten,
dass die Bundeswehr weiterhin in Afghanistan präsent
ist . Das deutet darauf hin, dass wir auch weiterhin alles
dafür tun wollen, dass sich die Lage in Afghanistan stabilisiert .
Ich möchte noch etwas hinzufügen, weil Sie sich vor
Ort wirklich sehr gut auskennen . Es treibt einen schon
um, wenn wir sehen, wie viele junge Menschen aus Afghanistan den Weg hin zu uns einschlagen . Ich weiß auch
von Afghanen, die über den Iran nach Deutschland gekommen sind . Man fragt sich, warum diese Menschen
das tun .
Diese Frage steht sicherlich nicht nur im Zusammenhang mit den Menschenrechten und ist nicht nur eine
Frage der Stabilität, sondern das ist wahrscheinlich auch
eine Frage der Perspektive, die diese jungen Menschen
in ihrem Land für sich sehen . Ich glaube, deshalb müssen
wir uns Gedanken darüber machen, welche Unterstützungsleistungen wir erbringen können, um diesen jungen Menschen insbesondere eine Perspektive im eigenen
Land zu eröffnen .
Je mehr tüchtige junge Menschen dieses Land verlassen, umso schwieriger wird diese Situation zweifellos
werden . Ich räume ein, dass auch mich das sehr umtreibt .
Das treibt auch das Auswärtige Amt und die gesamte
Bundesregierung um . Ich glaube, dass ein enger Kontakt
bei dieser Frage wichtig ist .
Vielen Dank . - Herr Kollege Ströbele, Sie hatten sich
gemeldet .
Danke, Frau Präsidentin . - Ich komme gerade rein und
höre, dass Sie sagen, dass es in Afghanistan sicher sein
soll, insbesondere in Kabul . Frau Staatsministerin, können Sie uns sagen, wann der letzte Anschlag in Kabul
gewesen ist? Hätten Sie vor der Einnahme von Kunduz
im Handstreich auch gesagt, nach Kunduz könnten die
Menschen kommen, da könne man auf der Straße einkaufen gehen und da sei es sicher?
Herr Kollege Ströbele, man kann natürlich immer vermuten: Was wäre wenn?
Ich habe vorhin gesagt, dass die Situation in diesen
drei Regionen vergleichsweise stabil ist . Insofern ist das
momentan begründet . Niemand von uns kann letztendlich abschätzen, ob es morgen nicht zu einer anderen Entwicklung kommt . Weil uns das so sehr bewegt, wollen
wir durch den Verbleib der Bundeswehr zur Stabilisierung beitragen .
Mit Ihrer Frage zielen Sie auf einen Punkt ab, der
anschließend in weiteren Fragen noch erörtert wird,
nämlich auf die Rückführung . Ebenso wichtig ist aber
das, was ich vorhin mit dem Kollegen Nouripour ausgetauscht habe . Was bedeutet das für die Entwicklung dieses Landes, insbesondere mit Blick auf junge Menschen?
Ich glaube, wir müssen alles daransetzen, diesen jungen
Menschen eine Perspektive zu eröffnen . Das haben wir
über Jahre hinweg auch getan .
Vielen Dank . - Ich sehe zu diesem Punkt keine weiteren Zwischenfragen mehr .
Die Frage 27 der Kollegin Hänsel wird schriftlich
beantwortet . Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs . Ich bedanke mich bei der Staatsministerin für die
Beantwortung .
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern . Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Krings zur
Verfügung .
Wir kommen zur Frage 28 des Abgeordneten Volker
Beck:
Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die
Zahlen der Rückführungen bzw . Abschiebungen in den letzten zwölf Monaten im Vergleich zu den zwölf Monaten ({0}) zuvor entwickelt, und in welche Länder fanden diese im Wesentlichen
statt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lieber Herr Kollege Beck! In den Monaten Januar bis September 2015 wurden insgesamt 13 464 Personen abgeschoben und 1 025 zurückgeschoben . Die
meisten Abschiebungen erfolgten in den Kosovo mit
4 358, nach Serbien mit 2 274, nach Albanien mit 1 369,
nach Mazedonien mit 1 016, nach Bosnien-Herzegowina
mit 429 sowie in die Russische Föderation mit 350 . Die
Zahlen für Oktober liegen noch nicht vor .
In den zwölf Monaten Januar bis Dezember 2014 das ist sozusagen der Vergleich zum letzten Jahr, der in
der Frage gewünscht war - wurden insgesamt 10 884
Personen abgeschoben und 2 967 zurückgeschoben . Die
meisten Abschiebungen erfolgten hier nach Serbien mit
2 177, in die Russische Föderation mit 1 326, nach Mazedonien mit 807, in den Kosovo mit 792, nach Albanien
mit 521 und nach Bosnien-Herzegowina mit 445 . Drei
Monate vor Ende dieses Jahres erfolgten damit bereits
2 580 Abschiebungen mehr als im gesamten vergangenen
Jahr .
Herr Kollege Beck .
Das zeigt zumindest, dass es bei dem Thema „Rückführungen und Abschiebungen“ offensichtlich durchaus
ein konsequentes Handeln der Länder gibt .
Ich habe jetzt eine Nachfrage, weil sich der Minister
besonders im Hinblick auf Afghanistan dahin gehend eingelassen hat, dass dorthin verstärkt abgeschoben werden
müsste . Woran lag es, dass Afghanistan bisher in Ihrer
Liste keine große Rolle spielt? Welche rechtlichen und
tatsächlichen Gründe werden dazu von den zuständigen
Behörden vorgetragen?
Zunächst einmal, Herr Abgeordneter Beck: Die Bewertung, dass konsequent gehandelt wird, kann ich nur
bedingt teilen . Natürlich gehen die Zahlen nach oben; das
stimmt . Aber wenn wir sehen, dass wir in Deutschland
193 188 vollziehbar Ausreisepflichtige haben, müssen
wir feststellen, dass die Zahl der tatsächlich Ausreisenden immer noch sehr gering ist . Wir müssen also deutlich besser werden . Die Entwicklung geht in die richtige
Richtung, aber es gibt sozusagen ein hohes Delta, das
hier noch bearbeitet werden muss .
Warum Afghanistan nicht in der Liste auftaucht, kann
ich Ihnen nicht ad hoc beantworten . Es gibt dort rein von
der logistischen Sichtweise her sicherlich größere Probleme als in vielen Staaten des Westbalkans . Aber ich
kann Ihnen hier nicht umfassend sagen, was die einzelnen Gründe waren, zumal die Abschiebungen durch die
Bundesländer durchgeführt werden .
Das finde ich jetzt erstaunlich, weil Sie ja als Staatssekretär dem Bundesminister de Maizière zugeordnet sind,
der sich dazu extra letzte Woche in einem Pressestatement ausgelassen hat . Auf welcher Grundlage bezüglich
der Abschiebungs- und Rückführungspraxis gegenüber
Afghanistan und der Menschenrechtssituation, wo er von
innerstaatlichen Fluchtalternativen sprach, hat er sich
denn da eingelassen? Können Sie bitte einmal sagen,
was die Grundlagen waren und welche innerstaatlichen
Fluchtalternativen der Minister in seinem Statement gemeint hat? Das Auswärtige Amt war ja dazu offensichtlich nicht in der Lage .
Bitte schön .
Das Erstaunen kann ich Ihnen nicht nehmen . Sie dürfen so viel staunen, wie Sie mögen, Herr Abgeordneter .
Ich habe auf die Frage geantwortet, warum denn in der
Vergangenheit Afghanistan nicht unter den Top 6 der
Länder auftauchte . Das mag vielfältige Gründe haben .
Der Minister hat sich dazu geäußert - und das teile ich
natürlich -, dass wir auch bei Afghanistan die Zahlen
der Abschiebungen und hoffentlich auch der freiwilligen
Rückreisen deutlich vergrößern müssen, weil auch aus
diesem Lande immer mehr zu uns kommen und wir eine
Schutzquote von unter 50 Prozent haben . Die asylverfahrensrechtlichen Regeln bilden die rechtliche Grundlage,
hier zurückführen zu können . Nun ist die Frage, ob es
Gegengründe gibt, die das ausschließen . Das ist eben
regional - das haben wir bereits diskutiert; das können
wir gleich zu anderen Fragen weiter tun - unterschiedlich
zu bewerten . Es gibt - die Staatsministerin hat es eben
aufgelistet - Regionen, die als vergleichbar sicher gelten,
bei denen wir aufgrund einer Prognoseentscheidung dazu
kommen, dass hier Rückführungen stattfinden können.
Vielen Dank, Herr Kollege Beck . - Die Kollegin
Haßelmann hat jetzt die Gelegenheit zu einer Nachfrage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Die Antworten lassen im Hinblick auf das Statement von Herrn de Maizière
erstaunte Gesichter und offene Fragen zurück . Ich will
Ihnen noch einmal die Gelegenheit zur Erwiderung geben, weil die Staatsministerin in ihrer Antwort auf Sie
verwiesen hat .
In meiner Frage ging es um Personen, die in irgendeiner Art und Weise für die deutsche Bundeswehr in Afghanistan tätig waren, ob als Dolmetscher, Fahrer, Köche
oder wie auch immer, und die besondere Gefährdungslage, der sie ausgesetzt sind . Das ist bekannt . Immer wieder wird bei uns in den Sonntagszeitungen, wie auch am
letzten Wochenende, sehr eindrücklich geschildert, wie
problematisch und wie schwierig die Klärung des Aufenthaltsstatus für diese betroffene Personengruppe und
damit die Anerkennung ist, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist . Ich möchte gerne wissen, was Sie vonseiten des Innenministeriums tun, damit sich das ändert .
Bitte schön .
Mein Kenntnisstand ist ein anderer . Es gibt ein eingeübtes Verfahren, das im Auswärtigen Amt einen
Schwerpunkt hat . Diejenigen, die sich gefährdet fühlen,
können sich bei unseren Auslandsvertretungen melden .
Sie können auch den Wunsch äußern, ein Visum zu bekommen, was nicht direkt zur Ausreise der Betroffenen
führen muss . Es gibt auch manche, die wollen die Möglichkeit haben, das Visum zu bekommen, wollen davon
aber nicht gleich Gebrauch machen . Es gibt wiederum
andere, denen es genügt, in Kontakt mit deutschen Stellen zu sein, um zu sehen, ob die Gefährdungslage wächst
oder ob sie wirklich gefährdet sind . Wir haben bereits
eine Reihe von Visa erteilt . Eine Reihe dieser Kräfte sind
bereits nach Deutschland gekommen . Es gibt dort ein
Verfahren unter Federführung des Auswärtigen Amtes
und in Abstimmung mit den entsprechenden Behörden
unseres Geschäftsbereichs, sodass diejenigen, bei denen
wir die Gefährdung so einschätzen, dass sie aufgrund der
früheren oder aktuellen Tätigkeit bei deutschen Stellen
gefährdet sind, die Möglichkeit haben, nach Deutschland
zu kommen, und zwar legal und nicht über einen illegalen Einreiseweg, wie bei den Fällen, über die wir gerade
gesprochen haben .
Vielen Dank .
Die Fragen 29 und 30 der Abgeordneten Ulla Jelpke
werden schriftlich beantwortet .
Volker Beck ({0})
Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Omid
Nouripour auf:
Wie erklärt die Bundesregierung die Absicht, Afghanen abzuschieben, obwohl vor kurzem viele deutsche Mitarbeiter der
Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
({1}) GmbH aus Afghanistan aus Sicherheitsgründen abgezogen wurden ({2})?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Sehr geehrte Damen
und Herren! Herr Kollege Nouripour, die Sicherheitslage
in Afghanistan weist - das haben wir eben erörtert - deutliche regionale Unterschiede auf . Regionen mit aktiven
Kampfhandlungen wie beispielsweise in Kunduz stehen
andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller
Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist . Genannt
worden sind beispielsweise Kabul, Bamiyan und Masar-i-Sharif . Dabei können keine pauschalen Aussagen
für einzelne Landesteile getroffen werden, sondern die
Gefährdung muss im Hinblick auf den spezifischen Fall
und die Lage beurteilt werden .
Sowohl die Bundesregierung als auch die afghanische
Regierung weisen die Aussagen, die getätigt worden
sind, auch von Mitgliedern der afghanischen Regierung,
zurück . Es gab einen einzigen Minister, der an die Bundesregierung die Bitte äußerte, man solle etwas großzügiger sein . Das ist inzwischen in Afghanistan korrigiert
worden . Insofern sind wir mit der afghanischen Regierung einig, dass es im Land sichere Bereiche gibt, in die
Rückführungen möglich sind .
Herr Kollege Nouripour .
Danke, Frau Präsidentin . - Herzlichen Dank, Herr
Staatssekretär, für Ihre Antwort . Sie haben gerade drei
Regionen genannt, von denen Sie sagen, dass die Sicherheitslage dort anders sei . Sie haben zum Beispiel Masar-i-Sharif, die Hauptstadt der Provinz Balkh, genannt .
Können Sie uns, wenn Sie sagen, es ist anders, ein einziges Projekt benennen, an dem in dieser Woche eine deutsche Entwicklungshilfeorganisation mit deutschem Personal vor Ort arbeitet und nicht mit Fernbedienung aus
dem Feldlager? Ist es nicht etwa so, dass kein Mensch
mehr hinausgeht wegen der Sicherheitslage, auch in
Balkh?
Bitte .
Ich habe keine präsenten Kenntnisse über einzelne Projekte . Ich bin mir darüber im Klaren, dass beispielsweise
nach dem Anschlag in Kunduz Entwicklungshelfer aus
der Region abgezogen worden sind . Viele haben das
Land allerdings nicht verlassen, sondern sind in anderen
Regionen Afghanistans . Das heißt, sie sind offenbar an
Orten, an denen ihr Verbleib von deutschen NGOs und
auch von deutschen staatlichen Stellen als vernünftig und
sinnvoll erachtet wird . Es sind also nicht alle Entwicklungshelfer außer Landes gebracht worden . Insofern ist
die Lage auch innerhalb der einzelnen Regionen unterschiedlich zu bewerten .
Im Übrigen darf ich darauf hinweisen: Natürlich mag
es Sicherheitslagen geben, in denen ein Europäer stärker
gefährdet ist als ein Einheimischer, weil er vielleicht in
besonderer Weise Ziel von Entführungshandlungen oder
bestimmten Straftaten sein kann . So, wie man bei denjenigen, die aus Afghanistan zu uns kommen, vielleicht
in einzelnen Fällen persönlich differenzieren muss - ich
habe eben darauf hingewiesen -, so muss man auch zwischen Einheimischen und Ausländern differenzieren,
was den Gefährdungsgrad anbelangt .
Herr Nouripour .
Herzlichen Dank . - Ich wüsste im Übrigen kein einziges Projekt . Ich glaube, dass die Leute dort nicht mehr
herausgehen . Man kann sich auch die Zahlen anschauen: In der Hochzeit, vor wenigen Jahren, waren über
2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der damaligen
GTZ in Afghanistan; heute sind dort knapp 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GIZ . Das hat einen Grund .
Der Grund ist, dass die Sicherheitslage schlecht ist .
Ich würde gerne eine zweite Frage stellen . Der Minister hat in einem Interview in der Welt vom 28 . Oktober
nicht nur in einer Art und Weise über die Sicherheitslage
in Afghanistan geredet, die man nicht verstehen kann,
wenn man weiß, dass er mal Verteidigungsminister war
und sich mit dem Land beschäftigt hat, sondern er hat
auch noch einen anderen Satz gesagt . Er lautet:
Afghanistan steht im laufenden Monat und auch im
Verlauf des ganzen Jahres inzwischen auf Platz zwei
der Liste der Herkunftsländer . Das ist inakzeptabel .
Er begründet seine Auffassung damit, dass viele Entwicklungshilfemittel dorthin geflossen seien. Da könne
man erwarten, dass die Afghanen in ihrem Land bleiben .
Wenn ich das nicht als einen Ausbruch von Zynismus
bei einem panischen, getriebenen und überforderten Bundesinnenminister verstehen soll, dann bitte ich Sie, mir
zu erklären, ob die Höhe der Entwicklungshilfemittel, die
geflossen sind, im Hinblick auf die Frage, ob Leute hier
bleiben dürfen oder nicht, maßgeblich sein soll . Meines
Wissens zahlt Deutschland weiterhin Entwicklungshilfe
an China . Müssen jetzt alle Chinesen die Bundesrepublik
Deutschland verlassen?
Herr Krings .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Danke schön . - Ich weise sowohl die böswilligen
Apostrophierungen als auch die damit verbundenen
böswilligen Unterstellungen hinsichtlich der Äußerungen des Ministers zurück . Im Übrigen gibt es nicht nur
in China, sondern auch in vielen anderen Ländern Menschen, die aufgrund verschiedener Tatbestände des Aufenthaltsrechtes bei uns sind .
Wir sehen, dass wir in Afghanistan viel geleistet haben . Ich gehe davon aus - es gibt Anhaltspunkte dafür -,
dass das in manchen Regionen zu einer Verbesserung der
Sicherheitslage geführt hat .
({0})
Das, was wir geleistet haben - nicht nur Deutschland,
sondern die gesamte westliche Staatengemeinschaft -,
hat dazu geführt, dass die Lage in Teilbereichen besser
geworden ist . Sie ist heute vielleicht schlechter als vor
ein paar Jahren; aber sie ist jedenfalls deutlich besser, als
sie es vor Beginn des Engagements der deutschen Entwicklungshilfe war .
Wenn ein Minister darauf hinweist, dass mit deutschen Steuergeldern dort etwas Sinnvolles gemacht
worden ist, finde ich das richtig und gut. Es ist aber kein
hinreichendes Argument für Rückführungen . Nicht das
Geld an sich, aber das, was damit erreicht worden ist, ist
ein Argument dafür, dass die Lage besser ist, als sie oft
dargestellt wird . Aus dem Grunde ist der Hinweis richtig .
Im Übrigen nehmen wir Prüfungen der einzelnen Fälle
vor . Wir haben in diesem Bereich eine Schutzquote von
unter 50 Prozent . Nur bei den Personen, die den Schutz
nicht bekommen, geht es um Rückführungen, nicht bei
denjenigen, die in der Tat einen Asylgrund oder Fluchtgrund haben .
Vielen Dank . - Kollege Beck hat jetzt eine Zusatzfrage . Bitte schön .
Sie haben gerade richtig gesagt, dass es bei der Frage,
ob man ehemals für uns tätiges Personal aufnimmt, auf
den jeweiligen Einzelfall ankommt, nicht auf die Herkunft, auf den Ort, an dem sich jemand aufgehalten hat .
Das scheint mir grundsätzlich richtig zu sein, weil sich
die Situation insgesamt landesweit so darstellt, dass man
nicht sagen kann, dass es irgendwo einen sicheren Hafen
gibt . Aber wie verträgt sich das mit der Behauptung Ihres
Ministers, dass es in Afghanistan solche sicheren Häfen
gebe, es also innerstaatliche Fluchtalternativen gebe, die
man den afghanischen Flüchtlingen im Asylverfahren
entgegenhalten könne? Wo gibt es diese innerstaatlichen
Fluchtalternativen? Bitte nennen Sie Ort und Provinz,
also die Postanschrift, damit die Leute wissen, wohin sie
gehen können .
Vielen Dank . - Ich weiß nicht, ob solche zynischen
Bemerkungen für die Debatte hilfreich sind; aber das
müssen Sie entscheiden, Herr Kollege Beck .
({0})
Ich glaube, man muss zwei Stufen der Prüfung unterscheiden - Sie versuchen, das zu vermischen -: Zunächst
einmal werden Asylanträge in Deutschland nach einem
rechtsstaatlichen Verfahren geprüft . Ich glaube, da sind
wir uns einig . Das führt dazu, dass es eine Reihe von
Antragstellern aus Afghanistan gibt, die hier Asyl oder
einen Flüchtlingsstatus bekommen . Sie bleiben natürlich
hier . Das ist sozusagen der Sinn des ganzen Verfahrens .
Wenn sie den Status nicht bekommen, stellt sich in der
zweiten Stufe die Frage: Gibt es in dem Lande, aus dem
sie kommen, Alternativen in anderen Regionen, in die sie
sicher zurückgeführt werden können . Ich habe Ihnen diese Regionen eben aufgezählt . Das brauche ich nicht noch
einmal zu machen . Ich glaube, Ihr Erinnerungsvermögen
geht über das Kurzzeitgedächtnis hinaus, sodass Sie sich
noch an die Regionen erinnern . Es waren Beispiele für
Regionen, in die eine Rückführung möglich ist . Das bezieht sich aber nur auf diejenigen, bei denen kein Asylgrund festgestellt wird .
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Wunderlich noch
eine Zusatzfrage . Bitte schön .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Die Frage, die ich
jetzt stelle, haben Sie provoziert . Sie haben gesagt: Man
muss die Gefährdung in Bezug auf NGOs, möglicherweise aus Deutschland stammende NGOs, differenziert
betrachten, da in manchen Gebieten die Gefährdung für
einen NGO-Mitarbeiter vielleicht größer ist als für einen
Landsmann aus Afghanistan . Jetzt frage ich Sie allen
Ernstes: Differenzieren Sie nach der Gefährdung, wenn
Sie zurückführen? Wenn das so ist, dann muss ich Sie
fragen: Ab welcher Wahrscheinlichkeit muss ein Afghane, der sich hier in Deutschland aufhält, damit rechnen,
dass er zurückgeführt wird? Ab einer 50-prozentigen Tötungs-, Inhaftierungs- oder Folterwahrscheinlichkeit, ab
30 Prozent oder ab 70 Prozent? Welche Zahlen schweben
Ihnen denn da so vor?
Auf solche zynischen Unterstellungen gehe ich gar
nicht ein . Ihr Vorwurf ist absurd . Ich habe vorhin darauf
hingewiesen - ich muss offenbar etwas langsamer sprechen, damit es alle verstehen -, dass es unterschiedliche
Regionen im Land gibt, dass die Gefährdungssituation
auch davon abhängt, woher jemand stammt, und dass
gerade Europäer Ziel von Angriffen und Entführungen
sind . Das ist so . Das kann man einigen Fällen entnehmen . - Vielen Dank .
Der Kollege Grund hat noch eine Zwischenfrage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Liegen dem Innenministerium Angaben, vielleicht auch Zahlen über international tätige Schlepperorganisationen vor, die von
Afghanistan ausgehend über den Iran und die Türkei
Schlepperrouten bis nach Deutschland gezogen haben?
Gibt es Zahlen, die belegen, dass mit dem Schlepperwesen mehr Geld zu verdienen ist als mit Rauschgiftschmuggel?
Herr Staatssekretär .
Mir liegen hierzu keine konkreten Zahlen vor . Aber
in der Tat: Es gibt solche Schlepperorganisationen . Sie
sind allerdings nicht nur in Afghanistan, sondern in der
gesamten Region tätig .
Danke schön . - Die Frage 32 der Abgeordneten Heike
Hänsel wird schriftlich beantwortet .
Ich rufe Frage 33 des Abgeordneten Hans-Christian
Ströbele auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung des
Bundesministers des Innern, Dr . Thomas de Maizière, Flüchtlinge aus Afghanistan sollten vermehrt abgeschoben werden,
angesichts dessen, dass Deutschland sich seit 13 Jahren am
Krieg im Land beteiligt und dass die Regierung dort keineswegs - wie behauptet - mit der Abschiebung einverstanden
ist, sondern der Minister für Flüchtlingsangelegenheiten,
Alimi Balki, die deutsche Regierung ausdrücklich gebeten
hat, keine afghanischen Asylbewerber abzuschieben, sondern mehr afghanische Flüchtlinge aufzunehmen ({0}), und teilt die Bundesregierung die
Ansichten des Ministers, weil das Land so viel Entwicklungshilfe erhalten habe, erwarte man, dass die Flüchtlinge
dort bleiben, und es gebe auch sichere Gegenden ({1}), trotz der Eroberung von Kunduz
im Handstreich und der steigenden Zahl von Toten und Verwundeten im ganzen Land sowie dem Erstarken des „Islamischen Staats“ im Osten ({2})?
Bei der Frage geht es um den gleichen Themenkomplex . - Bitte schön .
Es ist nicht nur eine Frage zum gleichen Themenkomplex, sie gleicht in der Essenz der Frage 31 des Kollegen
Nouripour . Deshalb wird sich die Antwort auch sehr ähnlich anhören .
Ich wiederhole: Die Sicherheitslage in Afghanistan
weist deutliche regionale Unterschiede auf . Das Problem des Landes ist: Es ist sehr groß und heterogen, auch
von seinen ethnischen Strukturen her, was es schwierig
macht, eine dauerhafte Zentralregierung zu etablieren .
Das zeitigt auch der Unterschied hinsichtlich der Sicherheitslage in den Regionen . Regionen mit aktiven Kampfhandlungen - Kunduz wurde mehrfach genannt - stehen
anderen gegenüber, die trotz punktueller Sicherheitsvorfälle - die es auch dort gibt -, vergleichsweise stabil sind .
Ich habe eben die drei Regionen aufgezählt; das spare
ich mir nun . Dabei können - ich betone es noch einmal keine pauschalen Aussagen über einzelne Landesteile getroffen werden . Vielmehr muss die Gefährdung jeweils
im Hinblick auf den spezifischen Fall und die Lage beurteilt werden .
Herr Kollege Ströbele, haben Sie eine Zusatzfrage?
Danke . - Sie haben recht: Die Frage hätte ich mir selber beantworten können . Ich habe gefragt, ob die Bundesregierung die Ansicht des Innenministers teilt, dass
Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgeführt werden können, weil Deutschland so viel Entwicklungshilfe geleistet
hat . Dass jetzt ausgerechnet jemand vom Innenministerium über seinen Chef sagen soll, ob die Bundesregierung
diese Auffassung teilt, finde ich schon etwas seltsam; das
hätte ich vielleicht besser beantworten können . Aber das
ist jetzt eine Bemerkung, die sich aufdrängt .
Meine Frage lautet: Hat die Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass wir in Afghanistan, in Kunduz,
seit 13 Jahren Krieg führen, nicht eine besondere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Menschen, die gerade aus
der Gegend um Kunduz kommen, hier in Deutschland
bleiben können, weil sie nach 13 Jahren Krieg in Afghanistan offenbar nicht sicher sind?
Bitte schön .
Zunächst einmal teilt die Bundesregierung die Auffassung des Innenministers, dass Rückführungen nach
Afghanistan möglich sind - nicht in jede Region, nicht
in jedem Einzelfall, aber sie sind möglich . Dann hat niemand eine Kausalität aufgemacht,
({0})
auch der Innenminister nicht, nach der, nur weil es Entwicklungshilfe gibt, Rückführungen möglich sind . Vielmehr hat die Entwicklungshilfe dazu geführt - so ist das
offensichtlich gemeint -, dass sich die Lage in einigen
Regionen verbessert hat, und aus dem Grund ist eine
Rückführung möglich . Man muss schon ein wenig mitdenken . Verstehendes Lesen ist immer besser als ein tumbes Lesen . Das zum ersten Teil Ihrer Frage .
Der zweite Teil Ihrer Frage bezog sich auf den Krieg .
Sie haben gesagt, dass die Bundesrepublik an kriegerischen oder ähnlichen Handlungen beteiligt ist, in einer
Region auch an der Befreiung von den Taliban . Das
stimmt . Dazu, dass Personal, das - ich sage das einmal etwas weit gefasst - für Deutschland gearbeitet hat, gefährdet ist, habe ich eben schon etwas gesagt: Es gibt Wege
und Möglichkeiten, diese Menschen nach Deutschland
zu bringen . Aber es gibt - wenn Sie das insinuiert haben
sollten - keine allgemeine völkerrechtliche „Ingerenzpflicht“, aufgrund der Teilnahme an kämpferischen, kriegerischen Handlungen die gesamte Bevölkerung dieses
Landes aufzunehmen . Das sieht das Völkerrecht nicht
vor . Es gibt gar keinen Grund, eine so pauschale Aussage
zu machen .
Herr Kollege Ströbele .
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, dass,
weil Entwicklungshilfe gegeben worden ist, vielleicht
sogar viel Entwicklungshilfe - unabhängig von ihrer Effektivität in Bezug auf die Sicherheit -, Menschen, die
sich in Afghanistan bedroht sehen, schon aus Dankbarkeit gegenüber Deutschland dort bleiben müssen, dass
sie nicht nach Deutschland kommen dürfen?
Das hat niemand gesagt, auch ich nicht .
({0})
Herr Nouripour .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär,
ich will kurz vorlesen, was in der Welt vom 28 . Oktober 2015 steht; Sie müssen wohl sagen, dass Die Welt
etwas völlig Falsches geschrieben hat . Dort steht:
. . . sagte der Minister . Es sei viel Entwicklungshilfe
dorthin geflossen. „Da kann man erwarten, dass die
Afghanen in ihrem Land bleiben .“
Das ist exakt das, was der Kollege Ströbele gerade beschrieben hat .
Bitte schön .
Ich habe es gerade schon einmal dargelegt . Gemeint
ist damit, dass nicht nur Geld geflossen ist, sondern mit
dem Geld auch etwas angefangen worden ist und das
Geld etwas bewirkt hat . Aus dem Grund gibt es Regionen in Afghanistan, wohin zurückgeführt werden kann .
Das ist offensichtlich damit gemeint . Das habe ich hier
öfters erklärt . Ich erkläre das hiermit jetzt noch einmal
und hoffe, dass es damit klargestellt ist .
Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen .
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Ströbele auf:
Wird die Bundesregierung den Beschluss des Europäischen
Parlaments vom 29 . Oktober 2015 mit der Aufforderung an
alle EU-Mitgliedstaaten, Edward Snowden als Whistleblower
und Verteidiger internationaler Menschenrechte Schutz zu
gewähren, umsetzen, und wann wird dem Beschluss entsprechend die Bundesregierung Edward Snowden in Deutschland
Schutz vor jeder Auslieferung oder Verschleppung garantieren, auch um ihm zu ermöglichen, vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages Zeugnis abzulegen und die
Aktivitäten der Geheimdienste in der Europäischen Union und
den USA aufzuzeigen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Vielen Dank . - Die Bewertung der Bundesregierung
hierzu hat sich nicht geändert .
Herr Kollege Ströbele, eine Zusatzfrage? - Bitte .
Hat die Bundesregierung den Beschluss, den das Europäische Parlament mit Mehrheit gefasst hat, zur Kenntnis genommen, mit dem das Europäische Parlament von
allen Mitgliedern der Europäischen Union verlangt, dass
sie Edward Snowden Schutz gewähren und ihm die Möglichkeit geben, auszureisen, zum Beispiel nach Deutschland? Hat die Bundesregierung den Beschluss zur Kenntnis genommen? Nimmt sie den Beschluss ernst, und folgt
sie dieser Aufforderung der Mehrheit des Europäischen
Parlaments, oder ist sie ihr egal?
Bitte schön .
Vielen Dank . - Die Bundesregierung hat diesen Beschluss nicht nur zur Kenntnis genommen; die Bundesregierung hat die Aufnahmemöglichkeiten auch umfassend
geprüft . Zum Ergebnis der Prüfung wird auf den Bericht
der Bundesregierung zur Ausschussdrucksache 58 des
1 . Untersuchungsausschusses der 18 . Wahlperiode vom
2 . Mai 2014, Ausschussdrucksache 104, verwiesen . Ehe
Sie jetzt einwenden: „Das war vor dem Beschluss“, sage
ich: Das stimmt; aber der Beschluss umfasst keine neuen
Tatsachen oder sonstigen Erkenntnisse . Das Dokument
des Europäischen Parlaments ist wichtig, hat aber keinerlei rechtliche Wirkungen .
Herr Kollege Ströbele .
Folgt die Bundesregierung nur Beschlüssen, die das
Europäische Parlament mit Mehrheit fasst, wenn darin
rechtliche Verpflichtungen ausgesprochen werden, oder
nimmt die Bundesregierung dieses immerhin höchste europäische demokratische Organ so ernst, dass sie auch
diesen Beschluss ernst nimmt und ihm folgt oder zumindest erneut prüft, ob sie ihm folgen kann? Oder ist ihr das
völlig egal?
Die Bundesregierung nimmt Stellungnahmen europäischer Organe nicht nur zur Kenntnis, sondern immer
ernst . Das führt aber in diesem Fall zu keiner neuen Bewertung .
Die Kollegin Haßelmann hat jetzt darum gebeten, eine
Zusatzfrage zu stellen .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Staatssekretär,
mich irritiert, dass Sie bei einer so weitgehenden Frage
ohne weitere Prüfung und ohne Berücksichtigung neuer Aspekte in der Lage sind, Ihr Urteil, das Sie bereits
vor dem Beschluss des Europäischen Parlamentes zum
Schutz des Whistleblowers Snowden getroffen haben,
hier weiterhin als Auffassung der gesamten Bundesregierung vorzutragen . Haben Sie sich im Kabinett mit
dieser Frage, die ja für den 1 . Parlamentarischen Untersuchungsausschuss und für die Beweisanträge, die dort
gestellt wurden, wichtig ist, und auch mit den neueren
Entwicklungen und Enthüllungen in Bezug auf die NSA
und den BND, zum Beispiel mit den Veröffentlichungen
über Zugriffe auf Daten, befasst? Haben Sie innerhalb
der Bundesregierung die Absicht, im Kabinett eine Abstimmung darüber herbeizuführen?
Herr Staatssekretär .
Erstens . Soweit Sie das schnelle Handeln oder Bewerten der Bundesregierung irritiert, darf ich sagen, dass Sie
die Bundesregierung niemals unterschätzen sollten, auch
in dieser Hinsicht nicht .
Zweitens . Solche Antworten in parlamentarischen
Fragestunden werden zwischen den Ressorts abgestimmt . Sie stellen also keine alleinige Auffassung meines Hauses dar .
Drittens . Soweit Sie auf mögliche Kabinettsbefassungen abheben, muss ich sagen: Da ist mir nichts bekannt .
Im Übrigen bezieht sich dies auf künftiges Regierungshandeln, über das ich per se keine Auskunft geben könnte .
Danke schön . - Jetzt hat die Kollegin Renner noch
eine Zusatzfrage .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Eine Rückfrage: Sie
sagen, alle anhängigen Fragen zur Prüfung eines möglichen Aufenthaltstitels für Edward Snowden seien von
der Bundesregierung schon beantwortet . Dann können
Sie mir sicherlich sagen, wie die juristische Frage nach
einem möglichen Auslieferungsschutz, weil Edward
Snowden in den USA politische Strafverfolgung drohen
könnte, durch die Bundesregierung beantwortet wird .
Ich bitte um Verständnis, Frau Kollegin, dass ich jetzt
nicht in allen Einzelheiten das wiedergeben kann, was
auch in dieser von mir zitierten Ausschussdrucksache
steht .
Im Übrigen darf ich allgemein sagen, dass wir, da es
sich bei den USA um einen Rechtsstaat handelt, nicht
von politischer Strafjustiz ausgehen, sondern davon,
dass die USA ihre Strafgesetze zur Anwendung bringen
wollen . Das ist per se kein Hindernis für eine mögliche
Auslieferung .
Vielen Dank . - Es gibt keine weiteren Zusatzfragen .
Die Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Kai Gehring
und die Fragen 37 und 38 des Abgeordneten Andrej
Hunko werden schriftlich beantwortet .
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs . Ich
bedanke mich bei Ihnen für die Beantwortung der Fragen .
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz .
Ich rufe als Erstes die Frage 39 der Kollegin Martina
Renner auf:
Hat der Generalbundesanwalt zu den am 21 . Oktober 2015
durchgeführten Durchsuchungen von mehreren Wohnungen
in Bamberg und Nürnberg im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen führende Mitglieder der neonazistischen Partei Die
Rechte und anderen extrem rechten Gruppierungen, bei denen
Waffen und illegal nach Deutschland eingeführte Sprengmittel sichergestellt wurden, um nach Angaben der zuständigen
Staatsanwaltschaft offenbar Anschläge auf eine Flüchtlingsunterkunft sowie auf linke Projekte zu verüben ({0}), ein Prüfungsverfahren zur Übernahme der Ermittlungen angelegt, und, wenn ja, mit welchem
Ergebnis?
Bitte schön, Herr Staatssekretär Christian Lange, der
für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung steht .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Frau Kollegin
Renner, ich beantworte Ihre Frage 39 wie folgt: Das wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung geführte Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bamberg gegen eine in Bamberg und Umgebung
agierende rechtsextremistische Personenvereinigung
ist dem Generalbundesanwalt nach Vorlage der Akten
gemäß Nummer 204 Absatz 2 der Richtlinien für das
Strafverfahren und das Bußgeldverfahren seit Anfang
Juli 2015 bekannt . Der Generalbundesanwalt hat in diesem Zusammenhang einen Prüfvorgang angelegt . Die
Generalstaatsanwaltschaft Bamberg und die ermittlungsführende Kriminalpolizeiinspektion Oberfranken haben
das zuständige Referat des Generalbundesanwalts seither
fortlaufend über die weiteren Ermittlungen und deren
Ergebnisse, insbesondere während der laufenden Exekutivmaßnahmen am 21 . Oktober 2015, informiert . Diese
enge Zusammenarbeit mit den Landesjustiz- und Landespolizeibehörden gewährleistet, dass der Generalbundesanwalt auch beim weiteren Fortgang des Verfahrens
seine Zuständigkeit kontinuierlich anhand des aktuellen
Ermittlungsstandes prüfen kann .
Frau Kollegin Renner .
Herr Staatssekretär Lange, das heißt übersetzt: Derzeit
erwägt der Generalbundesanwalt nicht die Übernahme
der Ermittlungen .
Ich würde gerne eine Nachfrage stellen . Ich hatte mich
schon im Juli dieses Jahres mit einer schriftlichen Frage
an Sie gewandt und gefragt, inwieweit der Generalbundesanwalt in Fällen von Brandanschlägen auf bewohnte,
aber auch unbewohnte Flüchtlingsunterkünfte tätig wird .
In der Antwort wurde damals ausgeführt, dass das bisher in keinem Anschlagsfall so war, dass aber seit August
dieses Jahres eine neue Rechtslage vorliegt, die es dem
Generalbundesanwalt erleichtert, solche Fälle an sich zu
ziehen .
Hier geht es ja auch um die Anschlagsvorbereitung,
zum Beispiel beim Anschlag auf das sogenannte Balkan-Zentrum, also auf eine Flüchtlingsunterkunft, in
der Migrantinnen und Migranten untergebracht waren .
Inwieweit wird denn die neue Rechtslage ab 1 . August
dieses Jahres in die Überlegungen der Generalbundesanwaltschaft einbezogen?
Bitte schön .
Das waren zwei Fragen an mich . Die erste Frage, Frau
Kollegin Renner, ist identisch mit Ihrer zweiten schriftlichen Frage, die Sie gestellt haben, nämlich mit der Frage 40 . Frau Präsidentin, ich würde sie gerne beantworten,
allerdings dann gleich, indem ich die Frage 40 beantworte .
Ich rufe die Frage 40 noch auf . Aber dann können Sie
ja noch einmal das Gleiche sagen .
Genau .
Bitte schön .
Ich möchte die Frage 40, die zugleich gerade Ihre
erste Frage war, wie folgt beantworten: Aus dem bisher
mitgeteilten Sachverhalt - einschließlich der Ergebnisse
der Exekutivmaßnahmen vom 21 . Oktober 2015 - lässt
sich noch kein Anfangsverdacht für von der Gruppierung
geplante oder vorbereitete terroristische Katalogtaten im
Sinne von § 120 Absatz 1 Nummer 6 des Gerichtsverfassungsgesetzes in Verbindung mit § 129 a Absatz 1 und
Absatz 2 des Strafgesetzbuches entnehmen .
Namentlich ein ausländerfeindlich motivierter Einsatz der sichergestellten pyrotechnischen Sprengmittel
gegen Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünfte für ein
Brandstiftungs- oder Sprengstoffverbrechen und/oder
gegen Menschen, um diese zu töten oder schwer zu verletzen, lässt sich derzeit nicht mit der für eine Verfahrensübernahme erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegen .
Das gilt auch für mutmaßlich geplante Anschläge auf
sogenannte linke Projekte, auf die Sie abgestellt haben .
Insofern bleiben die weiteren Ermittlungen abzuwarten, auch im Hinblick auf solche Umstände, anhand derer
die verfahrensgegenständliche Gruppierung möglicherweise als kriminelle Vereinigung von besonderer Bedeutung im Sinne des § 120 Absatz 2 Nummer 1, § 74 a Absatz 1 Nummer 4 GVG in Verbindung mit § 129 Absatz 1
des Strafgesetzbuches angesehen werden kann . - Das ist
die Antwort auf Ihre Frage 40 und auf Ihre erste Nachfrage .
Zu Ihrer zweiten Nachfrage kann ich sagen, dass der
Generalbundesanwalt selbstverständlich die aktuelle
Rechtslage beachtet und entsprechend handelt .
Frau Kollegin Renner, Sie können jetzt noch eine Zusatzfrage stellen .
Herr Staatssekretär, wir können jetzt gerne darüber
diskutieren, ob die Planung eines Sprengstoffanschlags
unter Einbeziehung des Umstands, dass dort Menschen
lebten, nicht auch den Tatbestand des versuchten Totschlags oder der Vorbereitung dazu entspricht . Aber mir
geht es jetzt um eine andere Sache .
Es geht bei der Prüfung durch den Generalbundesanwalt ja auch darum, ob er die besondere Bedeutung des
Falles ausgiebig gewürdigt hat . Ich glaube, in einer Phase
tatsächlich pogromartiger, rassistischer Mobilisierung inklusive ungezählter - mittlerweile Dutzender - Brandanschläge auf Unterkünfte ist auch die Frage zu stellen, ob
es wegen der besonderen Bedeutung dieser Situation die auch ein staatsgefährdendes Element in sich trägt,
weil dadurch die Menschenwürdegarantie für hier lebende Schutzsuchende grundsätzlich infrage gestellt wird nicht angezeigt ist, dass es einer Übernahme durch den
Generalbundesanwalt bedarf .
Herr Staatssekretär .
Frau Kollegin, Sie wissen, dass die Beurteilung, ob
ein Anfangsverdacht vorliegt, wenn es um in die Zuständigkeit der Bundesjustiz fallende Straftaten geht, der
Bundesjustiz und damit dem Generalbundesanwalt obliegt und nicht der Bundesregierung .
Danke . - Ich rufe dann die Frage 40 auf:
Sofern der Generalbundesanwalt nicht beabsichtigt, die Ermittlungen zu übernehmen, welche Gründe liegen hierfür vor?
Frau Kollegin Renner, wenn Sie damit einverstanden
sind, dass der Staatssekretär Ihre Frage schon beantwortet hat, dann dürfen Sie hierzu zwei Zusatzfragen stellen . - Sie haben keine mehr .
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs angelangt . Ich bedanke mich beim Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung .
Ich komme damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales . Die Frage 41 der
Kollegin Beate Walter-Rosenheimer wird schriftlich beantwortet .
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft . Die Frage 42
des Kollegen Harald Ebner und die Frage 43 des Kollegen Harald Ebner werden schriftlich beantwortet .
Damit sind wir am Ende der Fragestunde .
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 .35 Uhr und freue
mich, Sie dann alle gesund und munter hier wiederzusehen . - Danke schön .
({0})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene
Sitzung wird fortgeführt .
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Haltung der Bundesregierung zu neuen Erkenntnissen zur VW-Abgasaffäre
Das Wort hat Oliver Krischer, Bündnis 90/Die Grünen .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, man muss erst noch einmal klarstellen, worum es bei dem Autoabgasskandal eigentlich geht . Es
geht nur vordergründig um Software-Abschaltvorrichtungen, RDE, Aktienkurse oder was auch immer . Der
eigentliche Punkt ist, dass in Deutschland jedes Jahr
7 000 Menschen an den Folgen von Verkehrsemissionen
sterben und Zehntausende krank werden .
Deshalb haben wir Grenzwerte eingeführt, zum Beispiel für die gesundheitsgefährdenden Stickoxide . Ich
sage hier ganz deutlich: Jeder in der Automobilindustrie
und in der Politik, der das Thema schönredet und der Autoindustrie dabei hilft - legal oder illegal -, diese Werte
zu manipulieren, der macht sich mitschuldig an Krankheit und Tod von Menschen, und ich glaube, das gehört
auch in diese Debatte hinein .
({0})
Vertreter der Automobilindustrie, der Bundesregierung und auch des Kraftfahrt-Bundesamtes haben in den
Anhörungen, die wir in dieser Woche durchgeführt haben, erzählt, es sei doch allen bekannt gewesen, dass die
Grenzwerte selbstverständlich nicht eingehalten werden,
sie seien ja auch nur dazu da, damit sich die Automarken
untereinander vergleichen können . Ich sage: Das ist verkommen . Es ist verkommen, dass eine Industrie und die
Politik Grenzwerte nicht ernst nehmen und so tun, als ob
man sie nicht einhalten müsste .
Ich frage Sie: Was würden wir machen, wenn so etwas
im Lebensmittelbereich passieren würde, wenn man einen Fett- oder einen Alkoholgehalt von 5 Prozent draufschreiben würde, während das Doppelte drin ist? Wir
würden die Produkte sofort vom Markt nehmen . Aber
bei der Autoindustrie tun wir das nicht . Dort wird das
nonchalant hingenommen . Mit diesen Praktiken muss
endlich Schluss sein .
({1})
Ich glaube, inzwischen ist klar - das sollte der heutige
Tag endgültig gezeigt haben -, dass es nicht nur um einzelne kriminelle Machenschaften und darum geht, dass
nur einzelne Mitarbeiter von VW irgendwas gemacht
haben, sondern dass es um systematischen Betrug geht .
Es geht um Betrug am Verbraucher und um Greenwashing, und das können wir nicht länger hinnehmen . Diese
Strukturen müssen verändert werden . Wir in Deutschland
können es nicht länger akzeptieren, dass unsere Leitindustrie in einer solch unverantwortlichen Art und Weise
verfährt .
({2})
Meine Damen und Herren, wenn man sich die Enthüllungen der EPA von vorgestern und von VW selber
von heute anguckt, dann fragt man sich: Warum werden
diese Manipulationen in den USA und nicht in Deutschland entdeckt?
({3})
Warum deckt keine einzige deutsche Behörde irgendetwas auf? Ich kann Ihnen sagen, warum nicht - das ist
vom Präsidenten des Kraftfahrt-Bundesamtes am Montag sehr deutlich erläutert worden -: Sie können das gar
nicht aufdecken . Wir haben in Deutschland keine Strukturen und keine Kontrollen, durch die irgendetwas aufgedeckt wird .
Wenn es die EPA nicht gegeben hätte, dann wüssten
wir bis heute noch nicht, dass es diesen Abgasskandal
gibt . Wir würden es nie erfahren . Es muss hier mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Das ist ein Versagen der
Bundesregierung; das ist ein Versagen von Alexander
Dobrindt .
({4})
Dieser Skandal ist inzwischen sechs Wochen alt,
und man fragt sich ja: Was hat der zuständige Minister
in diesen sechs Wochen eigentlich gemacht? Man kann
das recherchieren . Wir haben entsprechende Fragen gestellt . Diese Frage kann man mit einem Wort beantworten: Nichts! Rein gar nichts! Der Aufklärungsbeitrag von
Alexander Dobrindt in dieser Abgasaffäre ist gleich null .
({5})
Und die Kommentierung der heutigen Enthüllungen
durch Herrn Dobrindt war, er sei irritiert . Ja, sapperlot:
Der Verkehrsminister ist irritiert . - Der Verkehrsminister
hat die Aufgabe, aufzuklären und dafür zu sorgen, dass
sich etwas ändert . Und da gibt es überhaupt nichts, meine
Damen und Herren .
({6})
Der größte Witz ist: Er hat eine Kommission einberufen, eine Kommission, die aufklären soll . Wir haben etliche Male nachgefragt . Wir wissen noch nicht einmal, wer
Mitglied dieser Kommission ist . Wir wissen nicht, was
der Auftrag dieser Kommission ist, geschweige denn,
dass es irgendwelche Ergebnisse gibt . So wird deutlich:
Diese Kommission und die Behörden, denen der Verkehrsminister vorsteht, sind ein organisiertes Staatsversagen; das muss an dieser Stelle ganz deutlich gesagt
werden .
({7})
Was wir auch nicht haben, sind irgendwelche Vorschläge, wie sich strukturiert etwas ändern soll, wie wir denn
mit Blick auf die Stickoxide weiterkommen sollen und
wie in Zukunft solche Skandale vermieden werden sollen . All das haben wir nicht . Sechs Wochen nach Beginn
des Skandals ist hier gar nichts . Meine Damen und Herren, ich sage in aller Deutlichkeit: Alexander Dobrindt ist
nicht Teil der Lösung, er ist Teil des Problems .
({8})
Sie kommen jetzt bitte zu Ihrem letzten Satz, Herr
Kollege Krischer, einem allerletzten kurzen Satz .
Mein letzter Satz wird sein: Wir brauchen in Zukunft
eine Automobilindustrie, die die umweltfreundlichste der
Welt sein müsste, und eine Bundesregierung, die verantwortungsvoll handeln würde . Sie würde dann die Strukturen dafür schaffen, diese Industrie vor sich selber zu
schützen, würde kontrollieren, würde ihre Verantwortung
wahrnehmen . Das tut sie aber nicht . Deshalb versagt sie .
Ich danke Ihnen .
({0})
Für die Bundesregierung spricht jetzt der Bundesminister Alexander Dobrindt .
({0})
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Verehrter Herr Krischer, Sie haben in Ihrer Aufzählung der Freundlichkeiten vergessen, dass wir
gerade in der letzten Woche als Ergebnis der Diskussion
der vergangenen Monate eine Entscheidung in Brüssel
getroffen haben - einer Diskussion, die die Bundesregierung aktiv begleitet hat . Es geht darum, den Schritt von
dem Test auf der Rolle hin zum Test auf der Straße zu
gehen,
({0})
damit wir uns mithilfe des RDE-Verfahrens, also des
Tests auf der Straße, dem realen Fahrverhalten der Autofahrer schneller annähern .
Es ist gelungen, hierüber in Europa eine Einigung zu
erreichen, sodass die Entscheidung getroffen wurde, jetzt
das RDE-Verfahren endlich umzusetzen . Das ist eine
Debatte, die wir lange Zeit geführt haben und die durch
uns wieder ganz oben auf die Tagesordnung gekommen
ist .
({1})
Ich selber habe diese Debatte in Brüssel beantragt, die
jetzt zu einer Entscheidung geführt hat . Wir freuen uns,
dass wir diese Entscheidung erreicht haben .
({2})
Ich habe gestern mit Vertretern des Volkswagen-Vorstands und des Aufsichtsrates eine Diskussion gehabt,
({3})
die einen Termin bei mir hatten .
({4})
Sie haben uns in der Tat „mal wieder“ darüber in Kenntnis gesetzt,
({5})
dass die angegebenen Werte von 800 000 Fahrzeugen
von Volkswagen bei Verbrauch und den CO2-Emissionen
nicht den realen Werten entsprechen .
({6})
Wir haben daraufhin sofort die Mitglieder der Untersuchungskommission für heute zu einer Sondersitzung
mit Vertretern von Volkswagen zusammengerufen,
({7})
um weitere und nähere Informationen über die Situation
zu erhalten und um über erste Maßnahmen zu sprechen .
({8})
Heute ist uns mitgeteilt worden, dass 98 000 Benzinfahrzeuge betroffen sind und dass beim Test der CO2-Emissionen und des Verbrauches seitens VW offensichtlich
Maßnahmen ergriffen worden sind, um die Verbrauchswerte nach unten zu verfälschen . Das ist von der Innenrevision von Volkswagen erkannt worden .
({9})
Dieses Ergebnis hat übrigens auch damit zu tun, dass
wir zusammen mit Volkswagen in enger Abstimmung mit
der Untersuchungskommission sind und Wert darauf legen, dass alle Maßnahmen, die möglicherweise zu einer
Verfälschung von Emissionswerten geführt haben, dezidiert nachgeprüft und untersucht werden . Dies ist eines
der Ergebnisse . Dennoch - um auch das klar zu sagen -:
Sowohl das Vorgehen, das zu diesen Ergebnissen geführt
hat, als auch die Ergebnisse selbst sind inakzeptabel .
({10})
Deswegen ist Volkswagen klar in der Verantwortung
und in der Pflicht,
({11})
den Schaden, der daraus gerade auch für die Kunden
entstanden ist, zu beheben . Auch hier gilt wieder: Wenn
man Vertrauen zurückgewinnen will, dann muss man als
Allererstes dafür sorgen, dass der Schaden behoben wird
und nicht die Kunden auf dem Problem sitzen bleiben .
({12})
Wir haben das heute genau so gegenüber Volkswagen
formuliert .
Wir haben heute Entscheidungen getroffen, die Volkswagen bereits mündlich mitgeteilt wurden; schriftlich
wird dies noch geschehen . Es müssen neue Prüfwerte für
die betroffenen Fahrzeuge erstellt werden . Diese Prüfwerte werden als Anordnung des KBA an Volkswagen
ergehen bzw . werden unter Aufsicht des KBA erstellt
werden .
Wir haben heute weiter angeordnet, dass die laufende Serie der aktuellen VW-Pkw nachgeprüft wird . Auch
das ist ein Teil der Aufarbeitung, dass man sich dezidiert
weiter anschaut, ob es an anderer Stelle Probleme geben
kann .
Wir haben Volkswagen heute in unserer Untersuchungskommission aufgefordert, ein Kundenberatungszentrum einzurichten, das die Kundeninteressen
gegenüber Volkswagen vollumfänglich wahrnimmt .
Volkswagen hat zugesagt, dieses Kundenbetreuungszentrum umgehend einzurichten .
Warum ist dies von großer Bedeutung? Bei den
800 000 betroffenen Fahrzeugen, bei denen offensichtlich andere CO2-Werte real zu erwarten sind, als dies bisher angegeben ist, kommt es zu Auswirkungen auf die
Kfz-Steuer . Das bedeutet, dass, falls die Werte nach oben
korrigiert werden müssen - wovon auszugehen ist -,
eine andere Kfz-Steuer fällig wäre . Das gilt auch rückwirkend . Deswegen sind wir schon in Abstimmung mit
dem Finanzministerium und arbeiten an einer Gesetzgebung, die dafür sorgt, dass nicht der Kunde durch diese
Mehrkosten bei der Kfz-Steuer belastet wird, sondern der
Volkswagen-Konzern . Auch da steht Volkswagen in der
Verantwortung, meine Damen und Herren .
({13})
Sie sehen, dass wir auch an dieser Stelle entschlossen
handeln und dafür sorgen, dass zum einen die Aufarbeitung des Falles stattfindet und dass zum anderen die Problemlagen erörtert und auch schon im Vorfeld bereinigt
werden, soweit sie die Kunden betreffen .
({14})
Ich habe schon bei unserer letzten Debatte darauf hingewiesen, dass wir im Nachgang der NOX-Diskussion
bezüglich VW Nachprüfungen angeordnet haben, die
durch das KBA aktuell durchgeführt werden . Die Fahrzeuge werden sowohl auf der Rolle als auch auf der Straße und auch in Crosstests geprüft . Bei diesen Prüfungen
werden auch die CO2-Werte gemessen .
Ich habe darauf hingewiesen, dass es, wenn diese
Fahrzeuge, sowohl inländische auch als ausländische, die
sich im deutschen Markt befinden, geprüft sind, ein Gesamtergebnis geben wird . Dieses Gesamtergebnis wird
veröffentlicht werden . In diesem Gesamtergebnis werden
auch die entsprechenden CO2-Werte ausgewiesen sein .
Wir haben den Rückruf der infragestehenden Dieselfahrzeuge angeordnet, was die NOX-Thematik angeht,
und wir sind damit übrigens deutlich weiter, als es unsere
amerikanischen Kollegen sind .
({15})
Ich habe mit den amerikanischen Kollegen Kontakt aufgenommen . In Amerika ist man heute bei der Abarbeitung der NOX-Thematik noch nicht annähernd bei einem
Rückruf angekommen . Weder hat man einen Fahrplan zur
technischen Aufarbeitung, noch hat man die dezidierten
technischen Lösungen . Es ist auch ein Teil unserer Aufarbeitungskultur, dass wir sehr schnell an den Lösungen arbeiten und den Rückruf schon zum 1 . Januar 2016 - mit
den technischen Lösungen - angeordnet haben .
({16})
Meine Damen und Herren, es gilt, jetzt auch auf Basis
dieser Informationen nicht nur am Thema RDE zu arbeiten, wie ich zu Beginn im Zusammenhang mit unseren
Entscheidungen auch in der letzten Woche erklärt habe,
sondern wir wollen auch ein einheitliches internationales Testverfahren erreichen, den sogenannten WLTP . Ich
gehe davon aus, dass auch die Entscheidungen hierüber
in wenigen Monaten fallen können . Wir haben großes
Interesse daran, dass es diesen internationalen Standard
gibt . Vergleichbarkeit schaffen wir nur durch internationale Standards bei den Abgasmessungen . Das kann durch
ein WLTP-Verfahren entsprechend gewährleistet werden .
Herr Minister .
Auch mögliche irreguläre Einflussnahmen bei den
Testverfahren können damit reduziert werden .
({0})
Herr Minister, ich darf Sie an Ihre Redezeit erinnern .
Danke schön . - Das, was wir hier zurzeit in der Frage
der CO2-Messungen erleben, kann darauf zurückzuführen sein,
Herr Minister .
- dass man während der Testverfahren Manipulationen
beispielsweise am Öl- oder am Reifendruck vorgenommen hat . Dies wollen wir auch für die Zukunft mit unseren internationalen Standards ausschließen und dafür sorgen, dass Manipulationen in dieser Art und Weise nicht
vorkommen . Wenn sie vorkommen, wie geschehen, dann
werden sie von uns nicht geduldet, sondern geahndet und
im Sinne der Kunden reguliert .
Danke schön .
({0})
Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin
Sabine Leidig das Wort .
({0})
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gesagt: „Sie sehen, dass wir entschlossen handeln .“ Ich muss sagen: Wir
können eigentlich gar nichts sehen . Sie haben nicht veröffentlicht, wer der Untersuchungskommission angehört .
In der Fragestunde in der letzten Sitzungswoche konnte
ich Ihnen sozusagen entlocken, dass der Vorsitzende dieBundesminister Alexander Dobrindt
ser Untersuchungskommission Staatssekretär Odenwald
ist . Derselbe Herr Odenwald ist seit 2010 im Verkehrsministerium zentral für Verkehrspolitik verantwortlich .
({0})
- Nicht als Staatssekretär, sondern als Abteilungsleiter
der Grundsatzabteilung .
Seit 2007 redet die Deutsche Umwelthilfe öffentlich
und auch gegenüber dem Ministerium sehr dezidiert
davon, dass die Werte bei den Abgasen, die die Automobile in die Luft blasen, von den Grenzwerten abweichen . Wir haben vom ADAC schon lange nachweislich
Listen darüber bekommen, wie die Automobilindustrie
systematisch dafür sorgt, dass auf dem Prüfstand, unter
Prüfbedingungen, die Werte niedrig sind . Das geht von
abgeklebten Rückspiegeln bis zu einer Prüfachse und
sonst irgendwas . Die Höchstgeschwindigkeit wird auf
130 km/h festgelegt .
Es gibt also jede Menge Hinweise darauf, dass und wie
manipuliert wird . Sie hätten das viel früher in Erfahrung
bringen können, wenn Sie nicht nur 72-mal in Ihrem Ministerium mit Spitzenvertretern der Automobilindustrie
gesprochen hätten, wie wir mit einer Kleinen Anfrage
herausgefunden haben, sondern auch mit der Deutschen
Umwelthilfe, dem ADAC und anderen Experten, die seit
Jahren genau diese Sachverhalte öffentlich thematisieren . Sie haben nichts dergleichen gemacht . Nun sagen
Sie, Sie hätten sich von VW über den Sachverhalt informieren lassen. Das finde ich ärmlich, und es entspricht
genau dem Bild, das Sie immer wieder abgeben .
({1})
Sie bestätigen damit im Grunde, dass Sie mit der Autolobby unter einer Decke stecken und die Interessen der
Bürgerinnen und Bürger, gesundheitliche Aspekte sowie
den Klimaschutz in diesem Land hintanstellen .
({2})
Ich will noch ein bisschen ausführen, wie Sie, Ihr Ministerium und auch Ihr Vorgänger - Herr Ramsauer hat
keineswegs eine andere Linie verfolgt - sehr systematisch der Automobilindustrie den Betrug bzw . - wie das
so freundlich formuliert wird - die Schummelei ermöglicht haben . In der Anhörung am vergangenen Montag
hat Herr Ziegler vom Kraftfahrt-Bundesamt gesagt: Ja,
wir haben Hinweise darauf gehabt . Aber wir dürfen gar
keine anderen Kontrollen durchführen und müssen für
die gleichen Prüfbedingungen sorgen wie bei den Zulassungsverfahren . - Auf meine Frage, was er seit 2011,
als ihm das eklatant aufgefallen ist, getan hat, um seine
Möglichkeiten zu erweitern, herrschte großes Schweigen im Walde . Wenn aber ich als Gesetzgeber und als
Prüfbehörde weiß, dass die Mittel, die mir zur Verfügung
stehen, um zu prüfen, nicht ausreichen, um Betrug und
Abweichungen von gesetzlichen Regelungen aufzudecken, dann muss ich doch dafür sorgen, dass sich meine
Mittel verändern bzw . dass ich bessere Mittel in die Hand
bekomme .
({3})
Das haben Sie nicht getan . Stattdessen unternehmen Sie
auch jetzt wieder alles, um für die Automobilindustrie
ein Schonpaket zu schnüren . Sie haben dafür gesorgt,
dass auf europäischer Ebene verabredet wurde, dass die
Grenzwerte auch in Zukunft um das Doppelte überschritten werden dürfen . Der Faktor zwei beim Einhalten der
Grenzwerte bedeutet: Die dürfen doppelt so viel rausblasen, wie für Gesundheit und Umwelt verträglich ist . Das
halte ich für absolut unverantwortlich .
({4})
Noch eine Kleinigkeit, die zeigt, wie wenig Ihren
Worten zu glauben ist . Sie haben gerade gesagt, dass die
Kunden auf keinen Fall auf dem Schaden sitzen bleiben
sollen; auch das hätten Sie mit VW verabredet . Stephan
Harbarth, Ihr Kollege von der Union und Obmann im
Rechts- und Verbraucherausschuss des Bundestages, ist
zugleich im Vorstand einer Anwaltskanzlei tätig, die nun
von VW mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragt
wurde . Just hat die Union am heutigen Tag zum dritten
Mal dafür gesorgt, dass das Thema „VW-Abgasaffäre
und Verbraucherschutz“ von der Tagesordnung gekickt
wird . Unterstützung der Verbraucherinnen- und Verbraucherinteressen sieht anders aus .
({5})
Danke schön, Frau Kollegin Leidig .
Wir werden mit Sicherheit noch öfter über dieses Thema reden . Die Grünen und wir haben kluge Anträge gestellt .
Frau Kollegin Leidig!
Ihnen wird nicht erspart bleiben, sich weiterhin mit
uns in dieser Frage auseinanderzusetzen .
({0})
Ich mache noch einmal alle darauf aufmerksam, dass
nach unserer Geschäftsordnung in einer Aktuellen Stunde die Redezeit von fünf Minuten nicht überschritten
werden darf . Ich bitte alle, die nun noch reden werden,
darauf zu achten, dass das letzte Wort fällt, wenn sich die
Uhr der Null nähert .
Der Kollege Arno Klare von der SPD-Fraktion darf
uns nun zeigen, wie das geht . - Bitte schön .
({0})
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt angesichts dessen, was hier geschieht, zwei große Aufgabenfelder . Erstens gibt es ein technisch-instrumentelles Aufgabenfeld, bei dem sich die Frage stellt: Wie stellen wir
sicher, dass die Prüfwerte, die bei der Typenzulassung
ermittelt werden, die realen Emissionen und Verbräuche
wiedergeben? Das ist ein ganz entscheidender Punkt; darauf wurde schon mehrfach hingewiesen .
Zweitens gibt es ein perspektivisch-konzeptionelles
und in die Zukunft weisendes Aufgabenfeld, bei dem
sich die Frage stellt: Was müssen wir jetzt tun, dass der
noch schmale Dekarbonisierungsweg, den wir beschritten haben, zum achtstreifigen Highway wird? Das ist ein
weiterer entscheidender Punkt .
({0})
- Das habe ich gar nicht gesagt . Aber wir reden gerade
über Autos . Wir brauchen, glaube ich, ein Fünf-Punkte-Programm . Das, was ich jetzt aufzeige, ist so eine Art
Roadmap .
Erstens . Wir müssen bei den Testverfahren sicherstellen, dass diese aussagekräftig sind, aber dass sie eben
auch die Verbraucher insofern zufriedenstellen, dass die
Werte nicht wieder variieren . Reliabilität nennt man so
etwas . Das ist ein Fachbegriff, den ich erläutern muss .
Es geht darum, dass man RDE nicht zum Allheilmittel
erklären darf; denn RDE muss standardisiert sein, damit
es reproduzierbare Ergebnisse gibt . Alles, was reproduzierbar ist, kann aber eventuell von einer Software als
Testzyklus erkannt werden . Ich will nicht den Wettlauf
erleben, den es im Sport schon gegeben hat, Stichwort
„WADA“ . Ich möchte vielmehr Tests haben, die so valide sind, dass wir nachher wirklich vernünftige Ergebnisse haben . Das heißt, wir brauchen Tests auf der Rolle,
und RDE, standardisiert, damit das vergleichbar wird .
({1})
Zweiter Punkt . Es ist sehr wichtig, dass die Motorsteuerungssoftware eine Open-Source-Software ist . Es
kann nicht sein, dass da jeder machen kann, was er will .
Vielmehr muss der Quellcode offengelegt werden, damit
dort keine Trojaner sitzen, die irgendetwas herunterregeln . Das ist die Bedingung dafür, dass der erste Punkt
überhaupt gelingt .
({2})
Dritter Punkt. Wir müssen das KBA offiziell mandatieren, in stichprobenartigen Nachprüfungen das Ganze
zu überprüfen . Das muss gesetzlich festgelegt sein und
auch strafbewehrt sein und mit Sanktionen versehen werden für den Fall, dass die Werte dem nicht entsprechen .
Vierter Punkt . Wir müssen - das ist etwas ganz Simples, denke ich - die Abgasuntersuchungen aufwerten,
die wir klassischerweise durchführen . Darüber haben wir
vor kurzem mit Vertretern einiger technischer Untersuchungseinrichtungen gesprochen . Die haben uns gesagt:
Allein diese Onboard-Diagnosegeräte auszulesen, reicht
nicht . Man sollte schon wie früher - ich kenne das noch;
ich bin älteren Datums - am Endrohr messen .
({3})
Ich bin relativ sicher, dass analog in diesem Fall digital
schlägt . Manchmal muss man auf die alten Dinge zurückgreifen .
Der fünfte Punkt ist der perspektivische Punkt, ein
ganz wichtiger Punkt . Herr Rimkus und ich, wir reden
uns in dieser Sache den Mund fusselig; weil wir immer
wieder dasselbe sagen müssen . Ich hatte eigentlich von
den Grünen erwartet, dass sie so etwas sagen; ich hoffe
aber, dass Herr Kühn das noch sagen wird, der ein wenig pragmatischer an die Sache herangeht als der Redner
vorher .
({4})
Wir brauchen eine Low-Carbon-Route, die wir ausschildern müssen . Dazu gehören - bitte zuhören - Incentives
wie eine Sonder-AfA, damit die Flotten hochgefahren
werden . Wir brauchen so etwas wie Tilgungszuschüsse
über KfW-Mittel, damit deutlich wird, dass die privaten Kunden diese Fahrzeuge kaufen können . Das ist ein
ganz wichtiger Schritt . Wir brauchen Ladeinfrastruktursysteme, die wir hochfahren müssen; denn sonst werden
wir die Elektromobilität nicht auf die Straße verlagern
können . Wir brauchen aber auch - ein ganz wichtiger
Punkt - die Verlängerung der Steuerbefreiung von Erdund Autogas, um diese Brückentechnologie, die wesentlich sinnvoller ist als das, was wir im Moment haben, erst
einmal auf der Straße zu halten und um Kaufentscheidungen zu beeinflussen, die derzeit anstehen.
Das ist eine Fünf-Punkte-Roadmap, von der ich eigentlich erwartet hatte, dass sie von den Grünen kommt .
({5})
Ich bin sehr dankbar, dass ich das jetzt vortragen konnte .
Herr Kühn kann mir da nur noch zustimmen .
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .
({6})
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten
Oliver Wittke, CDU/CSU-Fraktion, das Wort .
({0})
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Herr Kollege Krischer, Sie haben gerade ein eindrucksvolles Zeugnis dafür abgelegt, dass es Ihnen und Ihrer
Fraktion nicht um Aufklärung geht, sondern ausschließlich um politischen Klamauk und um das Kochen von
politischen Süppchen . Wenn man schon eine Aktuelle
Stunde zu diesem Thema beantragt, dann muss man doch
wenigstens die aktuellen Entwicklungen von diesem Podium aus würdigen . Das haben Sie nicht getan .
({0})
Stattdessen haben Sie hier wieder Ihre Philippika gegen
die deutsche Automobilindustrie gehalten .
({1})
Es war gut, Herr Krischer, dass Minister Dobrindt hier
klargestellt hat,
({2})
dass es am 28 . Oktober im Europäischen Rat eine Verschärfung von Normen gegeben hat, die Sie offenbar
nicht zur Kenntnis genommen haben .
({3})
Es ist gut - auch das muss hier erwähnt werden -, dass der
neueste Skandal bei VW eben nicht durch Dritte öffentlich gemacht wurde, sondern offenbar ein Sinneswandel
im Konzern eingesetzt hat und das Unternehmen Gott sei
Dank endlich den Schritt nach vorne gemacht und selbst
die neuen Unregelmäßigkeiten veröffentlicht hat .
({4})
Das ist ein guter Weg, der eingeschlagen wurde . Ich hätte
mir gewünscht, dass Sie das heute hier würdigen . Dazu
waren Sie offenbar nicht in der Lage .
(Zuruf des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]
Das sieht man im Übrigen, Herr Kollege Hofreiter, auch
daran, dass Ihre Fraktion nicht einmal abgewartet hat,
bis der erste Antrag, den Sie am 23 . September in dieses
Haus eingebracht haben, abschließend beraten wird,
({5})
und schon einen zweiten Antrag eingebracht hat, der in
Teilen mit dem ersten Antrag identisch ist . Hauptsache,
Sie haben ein neues Event geschaffen, um hier wieder
Ihre Philippika gegen die Automobilindustrie starten zu
können . Das ist unseriös, was Sie da machen . Das hat
mit verantwortungsvoller Politik, Herr Kollege, nichts zu
tun .
({6})
Diesen Feldzug gegen das Automobil, Herr Kollege
Hofreiter, werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen . In
diesem Haus wird immer noch seriöse Politik gemacht;
({7})
hier wird nicht Klamauk betrieben, wie wir es heute von
Ihrer Fraktion wieder erlebt haben .
({8})
Wahr ist aber auch: VW hat ein ernstes Problem . Im
großen Stil und - ich traue mich, das heute zu sagen auch mit krimineller Energie sind Abgaswerte gefälscht
worden . Das ist kein Kavaliersdelikt . Darum ist es wichtig, dass die veraltete Unternehmenskultur, die eine solche Verhaltensweise im VW-Konzern möglich gemacht
hat, überwunden wird . Was wir jetzt brauchen, ist eine
umfassende Aufklärung, ist absolute Transparenz . Ich
will es noch einmal ausdrücklich sagen: Ich bin froh,
dass der VW-Konzern mit den neuesten Vorkommnissen
so offen und so transparent umgegangen ist, wie wir es
gestern und heute erlebt haben .
({9})
Ich will auch der Bundesregierung und Minister
Dobrindt ein herzliches Dankeschön sagen . Das Ministerium hat schnell, sachorientiert und umfassend auf diesen
Skandal reagiert .
({10})
Im Übrigen, Herr Krischer, um auch das klar und deutlich zu sagen: Es ist falsch, wenn Sie sagen, die amerikanische Umweltbehörde hätte diesen Skandal aufgedeckt .
Nein .
({11})
Ich zitiere aus dem Focus vom 21 . September:
Die Abgas-Tricksereien bei Volkswagen kamen
2014 durch einen Zufall ans Licht . Das ergaben
Recherchen der Wirtschaftsnachrichtenagentur
Bloomberg .
Es war eben nicht die EPA, die diesen Skandal aufgedeckt hat, sondern eine kleine Non‑Profit‑Organisation,
nämlich ICCT .
({12})
Darum ist es falsch, wenn Sie sagen: Die amerikanischen
Behörden sind besser als die deutschen Behörden . Auch die amerikanischen Behörden haben diesen Skandal nicht aufdecken können .
({13})
Ich sage aber auch ganz deutlich: Wir müssen darüber reden, wie wir die deutschen Behörden in die Lage
versetzen, nicht nur auf Zufallsfunde zu reagieren, sondern systematisch Abgaskontrollen durchzuführen, wie
sichergestellt werden kann, dass Abgasnormen eingehalten werden und die Verbrauchsangaben darauf kontrolliert werden, dass sie den Werten entsprechen, die den
Typenzulassungen zugrunde gelegen haben . Es darf nicht
länger dem Zufall geschuldet sein, ob Schummeleien
oder Tricksereien, ob Rechtsbruch ans Tageslicht kommt
oder nicht . Da muss nachgearbeitet werden . Aber hier so
zu tun, als hätten die Umweltbehörden in anderen Ländern in der Vergangenheit einen besseren Job gemacht,
das will ich mit aller Schärfe zurückweisen . Das ist nicht
der Fall .
Von daher haben wir in den nächsten Monaten noch
viel Arbeit vor der Brust . Die ersten Grundlagen sind
gelegt . Die Reihenfolge ist doch klar: Zuerst muss analysiert werden . Dann muss bewertet werden, und dann
müssen Konsequenzen gezogen werden . Das ist seriöse
Politik . Hier aber die Entscheidungen an den Anfang zu
stellen, hier großen Klamauk zu veranstalten, wie Sie,
Herr Krischer, es heute wieder getan haben, das wird uns
nicht weiterführen; das hilft nicht, die Probleme zu lösen .
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit .
({14})
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten
Jutta Krellmann, Fraktion Die Linke, das Wort .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich persönlich bin schockiert, dass fast jeden
Tag ein neues Problem in Verbindung mit VW auftaucht .
Bei den VW-Beschäftigten im ganzen Land geht mittlerweile die Angst um, und das nicht nur bei den Stammbelegschaften, sondern auch bei den Leiharbeitnehmern,
bei den Werkvertragsbeschäftigten, bei den Beschäftigten der Zulieferbetriebe . Ja, in ganzen Regionen geht die
Angst um .
Als Abgeordnete aus Niedersachsen kenne ich persönlich
viele Kolleginnen und Kollegen, die dort arbeiten . Bis
vor kurzem sind sie noch ganz normal zur Arbeit gegangen . Jetzt sitzt ihnen die blanke Angst im Nacken . Jetzt
beäugt jeder jeden kritisch: Wen wird es treffen? Wer
wird derjenige sein, der möglicherweise Konsequenzen
tragen muss? - Das Arbeitsklima - das können Sie sich
vorstellen - ist unter aller Kanone . Das wurde durch das
Fehlverhalten einzelner Topmanager verursacht, und die
Leidtragenden sind schon jetzt die Beschäftigten . Ihre
Existenzangst nehmen die Kolleginnen und Kollegen mit
nach Hause . Jetzt brauchen die Beschäftigten und ihre
Familien klare Vorstellungen und deutliche Forderungen,
was passieren soll, um die Arbeitsplätze zu erhalten .
({0})
Die notwendige Aufklärung und Aufarbeitung für Kunden und Verbraucher müssen unter der Maßgabe des
Erhalts der Arbeitsplätze laufen . Das gehört verdammt
noch mal zur unternehmerischen Verantwortung, auch
bei VW .
({1})
Das Parlament kann sich davor nicht drücken . Aus
den Betrieben kommt mittlerweile eine ganze Menge
Zuarbeit . Die VW-Betriebsräte und die zuständige Gewerkschaft IG Metall liefern dazu konkrete Konzepte,
verständlich und klar formuliert . Betriebsräte und Gewerkschaft übernehmen somit Verantwortung und handeln nach vorn gerichtet . Es kann niemand ernsthaft
glauben, dass es den gleichen Topmanagern, die die Krise verursacht und den Karren in den Dreck geschoben
haben, gelingt, das alles wieder in Ordnung zu bringen .
({2})
Die Krise ist nur mithilfe der Beschäftigten in den Griff
zu kriegen und zu meistern . Deren betriebliches Knowhow, deren Ideen und Konzepte müssen auf allen Ebenen
genutzt werden . Betriebsräten kommt da eine Schlüsselfunktion zu . VW weiß das eigentlich auch . VW hat das
in der Vergangenheit immer wieder genutzt . Dass es dort
mehr Mitbestimmung gibt als üblich, hat VW im Ergebnis nicht zum Nachteil gereicht, sondern war immer ein
Vorteil für diesen Betrieb . Die Krise zeigt aber, dass auch
das leider nicht genügt . Wir brauchen mehr Mitbestimmung an der Stelle .
({3})
Ich zitiere hierzu aus der gemeinsamen Erklärung der
IG Metall und des VW-Konzernbetriebsrats:
Deshalb stehen wir dafür, dieses Mitbestimmungsmodell nicht nur zu verteidigen, sondern es konsequent weiterzuentwickeln .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe ist
es, diese Forderung aufzugreifen und umzusetzen . Jetzt
bin ich nicht nur bei VW, sondern bei der Mitbestimmung
im ganzen Land . Mitbestimmung zeichnet sich nicht dadurch aus, dass Betriebsräte immer erst konsultiert oder
hinzugezogen werden, wenn der Karren bereits im Dreck
ist . Es geht darum, dass grundlegende Unternehmensentscheidungen nicht mehr länger an den Beschäftigten und
ihren Betriebsräten vorbei getroffen werden . Sie brauchen Mitbestimmungsrechte bei wirtschaftlichen Fragen
und bei der Frage der strategischen Ausrichtung des Unternehmens .
VW will zukünftig Beschäftigte, die Hinweise darauf geben, dass etwas schiefgelaufen ist, schützen . Ich
erwarte von der Bundesregierung einen gesetzlichen
Schutz für Whistleblower, nicht nur bei VW, sondern in
allen Betrieben, in allen Firmen .
({4})
Die Automobilindustrie - nicht nur VW - darf sich dank
der Bundesregierung selber kontrollieren . Was ist das
denn für ein Mist? Hier erwarte ich von der Bundesregierung klare gesetzliche Kontrollregelungen .
Die Belegschaft und die Öffentlichkeit haben ein berechtigtes Interesse daran, dass der Skandal vollständig
aufgedeckt wird . Die Linke steht dabei an der Seite der
Beschäftigten .
Vielen Dank .
({5})
Frau Abgeordnete, ich möchte Ihnen ein Lob aussprechen, weil Sie die Zeit genau eingehalten haben. Ich finde das super . Prima!
Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten
Dr . Birgit Malecha-Nissen, SPD-Fraktion, das Wort .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es begann mit
einem Paukenschlag im September dieses Jahres . Der
VW-Konzern gab erstmals öffentlich zu, bei Abgastests
manipuliert zu haben . Danach haben sich die Ereignisse
überschlagen . Insgesamt waren bisher etwa 11 Millionen
Dieselfahrzeuge von der Manipulation betroffen .
Am vergangenen Montag wurde gemeldet, dass die
amerikanische Umweltbehörde EPA einen weiteren Verdacht auf Manipulation bei Fahrzeugen mit 3-Liter-Dieselmotoren hat . Volkswagen wies diese Vorwürfe zurück
und erklärte, dass keine Software installiert worden sei,
um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu manipulieren .
Gestern Abend folgte der nächste Paukenschlag . Das
Unternehmen selbst hat Unregelmäßigkeiten bei weiteren 800 000 Fahrzeugen eingeräumt . Erstmals sind auch
Benziner betroffen . Ging es bisher um Stickoxide, geht
es nun auch um CO2-Ausstoß und damit auch um den
Spritverbrauch . Das einzig Gute an dieser Nachricht ist,
dass der VW-Konzern mit dieser Meldung zeigt, dass er
tatsächlich an einer Aufklärung interessiert ist .
({0})
Eine rasche, vollständige, vorbehaltlose und transparente
Aufklärung ist dringend notwendig . Mit der Salamitaktik
muss Schluss sein . Das ist zurzeit das Allerwichtigste . Es
muss endlich Butter bei die Fische . Die Fakten müssen
auf den Tisch .
({1})
Es steht tatsächlich viel auf dem Spiel . Die deutsche
Industrie steht seit Jahrzehnten für hohe Qualität, für Sicherheit, für Spitzentechnologie, für Verbraucher- und
auch für Umweltschutz . Diese Vorfälle sind nicht typisch
für die gesamte Automobilindustrie und schon gar nicht
für die hart arbeitenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Wirtschaftsbereich .
({2})
Deshalb gilt unsere besondere Sorge dem Produktionsstandort Deutschland mit den vielen Zulieferbetrieben und seinen Mitarbeitern . Sie sind verunsichert und
wissen nicht, wie es für sie weitergeht; sie bangen um
ihren Arbeitsplatz . Wichtig ist jetzt, die Affäre schnell
aufzuklären, um das Vertrauen in das Unternehmen und
seine Produkte wiederherzustellen . Dazu ist es wichtig,
dass der Bericht der Untersuchungskommission, der im
September in Auftrag gegeben wurde, möglichst bald auf
den Tisch kommt .
Was ist zu tun? Als Verkehrspolitiker müssen wir natürlich nach vorne schauen und die Rahmenbedingungen
dafür schaffen, dass derartige Manipulationen nicht mehr
notwendig sind . Mein Kollege Arno Klare hat dies in
Form einer Roadmap schon grob vorstrukturiert . Es geht
darum, dass wir die erforderlichen neuen Prüfverfahren
möglichst schnell umsetzen und jetzt zur Tat schreiten .
Das erste neue Testverfahren, das WLTP, das die weltweit strengsten Prüfstandards aufweist, muss vor 2017
eingeführt werden . Dieses Verfahren wird das alte europäische Messverfahren von 1996 ablösen .
Lassen Sie mich nur einen Aspekt des alten Prüfverfahrens erwähnen: Als Durchschnittstempo werden immer noch 34 Kilometer pro Stunde angenommen . Insofern kann man sich durchaus vorstellen, dass ein solches
Verfahren wahrhaftig nicht mehr der Realität entspricht .
Was wird nun mit dem neuen Testverfahren besser
gemacht? Es ist ein standardisiertes Verfahren, das weltweit zur Anwendung kommt . Mein Kollege hat es bereits
gesagt: Wir müssen Standards schaffen, um Vergleiche
ziehen zu können . Es wird eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit angesetzt, und auch Sonderausstattungen
werden beim Verbrauch besser abgebildet . Leider wird
der Einsatz von Klimaanlagen hierbei nicht berücksichtigt . Es besteht also immer noch eine große Lücke
zwischen den Verbrauchsangaben durch standardisierte
Verfahren und dem tatsächlichen Verbrauch . Deswegen
brauchen wir dringend ein zweites Kontrollverfahren,
das die Schadstoffemissionen im realen Fahrbetrieb auf
der Straße abbildet . Auch in diesem Fall setzen wir uns
für eine schnelle Einführung des neuen Verfahrens auf
EU-Ebene ein, das die realen Emissionen berücksichtigt .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Verkehrspolitiker gestalten wir die Rahmenbedingungen . Wir müssen
aber auf das rasante Tempo der technologischen Entwicklung ein Auge haben . Es ist unverständlich, dass
man knapp 20 Jahre Stillstand bei den Prüfverfahren in
Kauf genommen hat . Dieser Umstand hat natürlich zu
Raum für Manipulationen geführt .
Lassen Sie mich zum Schluss ganz klar sagen: Bewusste Manipulationen und Verstöße gegen Umweltauflagen sind kein Kavaliersdelikt. Sie gefährden die Gesundheit der Menschen insbesondere in Ballungsräumen
und insbesondere der Kinder, die sich aufgrund ihrer
Größe auf Höhe der höchsten Emissionen bewegen .
Sehr geehrte Damen und Herren, die beste fossile
Energie ist immer noch die, die nicht verbraucht wird .
Deswegen lautet mein letzter Satz: Der Elektromobilität
gehört die Zukunft .
Vielen herzlichen Dank .
({3})
Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten
Stephan Kühn, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Oliver Wittke, auf Ihre
Vorhaltungen möchte ich gerne mit Kurt Tucholsky antworten:
In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz
hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den
Schmutz macht .
({0})
So weit zu Ihnen .
Meine Damen und Herren, vor anderthalb Wochen
hieß es:
Der VW-Konzern schließt eine mögliche Ausweitung des Abgas-Skandals auf Teile seiner jüngeren
Dieselmotoren-Generation . . . aus .
Jetzt wirft aber die amerikanische Umweltbehörde EPA
dem Konzern auch bei 3-Liter-Dieselmotoren von aktuellen Modellen von VW, Porsche und Audi Manipulation vor, weil sie eine bis zu neunfache Abweichung der
Stickoxidwerte zwischen den Labortests und den Straßentests festgestellt hat .
Gestern hat VW zudem einräumen müssen, auch bei
Benzinmotoren falsche Werte für den CO2-Ausstoß angegeben zu haben . Die behauptete CO2‑Reduktion findet
offensichtlich nur auf dem Papier statt .
Wir lagen leider richtig mit unserer Einschätzung in
der letzten Aktuellen Stunde, dass das nur die Spitze des
Eisbergs ist . Dass es nur einige wenige Manager waren,
die am Betrug am Klima und an den Verbrauchern beteiligt waren, ist ein Märchen . Das Ganze hatte bei VW
offensichtlich System .
({1})
Das wäre nicht möglich gewesen, hätte es in Teilen
der Politik nicht eine Kultur des Wegschauens gegeben .
Bei der Typgenehmigung, wofür das Kraftfahrt-Bundesamt in Deutschland zuständig ist, hat niemand die Manipulationen bei den CO2-Werten bemerkt . Wie auch? Eine
Überprüfung der Fahrzeugsoftware ist im Typgenehmigungsverfahren nicht gefordert . Das KBA verstand unter
Nachprüfung nur die Prüfung der Unterlagen, die von
den Herstellern kamen, auf Vollständigkeit und Plausibilität . Überprüfungen von Typzulassungen in Form von
erweiterten Nachmessungen der Abgaswerte haben nicht
stattgefunden . Das Kraftfahrt-Bundesamt hat nicht einmal die technischen Voraussetzungen dafür, selbst wenn
es das tun wollte .
Das Kraftfahrt-Bundesamt ist vollständig auf technische Dienstleister angewiesen . Diese wiederum werden
für die Zulassung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen direkt von der Automobilindustrie bezahlt . Auch das Kraftfahrt-Bundesamt selbst wird für die Typgenehmigungen
von den Autoherstellern bezahlt . Eine Prüfbehörde, die
ihren Namen wirklich verdient, muss wirtschaftsunabhängig sein . Deshalb brauchen wir eine unabhängige europäische Typgenehmigungsbehörde .
({2})
Verkehrsminister Dobrindt hat das Kraftfahrt-Bundesamt vor etwa vier Wochen mit Nachuntersuchungen beauftragt . Nicht aber das KBA hat die neuen Auffälligkeiten von Stickoxiden und CO2 aufgedeckt, sondern eine
amerikanische Behörde . Wie auch beim BER-Skandal
wurde eilig eine Taskforce unter Leitung von Staatssekretär Odenwald eingerichtet . Das Ergebnis der Taskforce BER ist Ihnen allen hinlänglich bekannt . Meine
Damen und Herren, was hier gemacht wird, ist Pseudoaufklärung .
({3})
Wir wollen jetzt Zwischenergebnisse sehen . Vor allen
Dingen wollen wir wissen, welche Schlussfolgerungen
für die Verbesserung von behördlichen Kontrollen von
Schadstoffgrenzwerten in Deutschland gezogen werden .
Dieser Skandal muss Konsequenzen haben . Hier muss
der Minister endlich liefern .
({4})
Was wir brauchen, ist eine Kultur des Hinschauens .
Ich bezweifle allerdings, dass diese Bundesregierung den
Willen dazu hat . Die Bundesregierung hat nicht die strengen Werte für Abgastests unter realen Fahrbedingungen,
RDE, unterstützt, die von der Bundesumweltministerin
und der EU-Kommission vorgeschlagen wurden . In den
nächsten fünf Jahren dürfen deshalb die Grenzwerte,
die im Labor gemessen werden, auf der Straße um über
100 Prozent überschritten werden . Wer sich darunter
nichts vorstellen kann, dem will ich das am Beispiel der
Redezeit erläutern: Ich hätte dann nicht nur 5 Minuten,
sondern 10 Minuten Redezeit und könnte intensiver auf
das Thema „Förderung von Elektromobilität“ eingehen .
({5})
Klar muss sein: Grenzwerte müssen nicht nur im Labor, sondern vor allen Dingen auf der Straße eingehalten
werden . Das darf nicht nur für neue Fahrzeuge gelten,
sondern muss auch für die 44 Millionen bestehenden
Fahrzeuge gelten . Hier muss endlich gehandelt werden .
Das vermisse ich bei dieser Bundesregierung . Verkehrsminister Dobrindt will nicht handeln; er will alles so belassen, wie es bisher war . Eine Aufklärung, die diesen
Namen auch verdient, ist nicht zu erkennen .
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .
({6})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Steffen Bilger, CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ganz eindeutig: Die Betrügereien von VW sind absolut
inakzeptabel . So etwas ist eine Schande für den Industrie- und Automobilstandort Deutschland, eine Schande,
die nicht nur VW Probleme bereitet, sondern unserer
gesamten deutschen Industrie . Insofern sage auch ich:
Wir müssen sehr deutlich einfordern, dass dieser Skandal
vollumfänglich aufgearbeitet wird, damit sich so etwas
nie mehr wiederholt und Verantwortung übernommen
wird .
Deutsche Unternehmen haben Gesetze einzuhalten .
Das gilt ohne Wenn und Aber, ungeachtet technischer
oder finanzieller Herausforderungen - oder was auch immer -, die die Verantwortlichen zu den Manipulationen
bewogen haben könnten, und auch ungeachtet nationaler
Interessen des jeweiligen Gesetzgebers, die vielleicht in
den USA auch eine Rolle gespielt haben mögen .
Nun diskutieren wir angesichts neuer Entwicklungen
erneut über den VW-Skandal, und es entsteht ein bisschen der Eindruck, dass Sie sich darüber freuen, meine
Damen und Herren von den Grünen .
({0})
Das finde ich sehr bedauerlich; denn das Automobil
hat eine so große Bedeutung für den Industriestandort
Deutschland
({1})
und vor allem - das wurde heute schon mehrfach angesprochen - für viele Arbeitsplätze, dass Häme und Schadenfreude nun wirklich völlig unangemessen sind .
({2})
Schadenfreude ist das eine, das mich verwundert . Das
andere ist die neue und ungewohnte Begeisterung der
Opposition für amerikanische Behörden und deren Grenzwerte . Bei den Diskussionen mit Ihnen über TTIP hatte
ich bisher nicht den Eindruck, dass nach Ihrer Ansicht
alle Grenzwerte in den USA besser sind als in Europa .
({3})
Sie haben eher den Eindruck vermittelt, als ob durch
amerikanische Grenzwerte große Gefahren für den deutschen Verbraucher entstünden. Ihren Sinneswandel finde
ich durchaus bemerkenswert, meine Damen und Herren .
({4})
Wir haben am Montag im Zusammenhang mit der
Ausschussanhörung und in den vergangenen Wochen
schon vielfach über den VW-Skandal und seine Folgen
diskutiert .
({5})
- Jetzt reicht es aber langsam, Herr Kollege . ({6})
Sie versuchen ganz billig, daraus politisches Kapital zu
schlagen . Betrügereien sind aber ein Fall für den Staatsanwalt und die zuständigen Behörden . Sie sollten nicht
Grundlage des billigen Versuchs einer Schuldzuweisung
in Richtung Bundesregierung sein . Zudem hat das Bundesverkehrsministerium schnell reagiert . Der Minister
hat die Maßnahmen benannt . Er ist letzte Woche richtigerweise in die USA gereist, um Gespräche mit Politikern zu führen und um bei den Behörden um neues Vertrauen zu werben .
({7})
Ich will nun aber den Blick in Richtung Zukunft
wenden . Was ist zu tun, um das Vertrauen wiederherzustellen und die Anforderungen an durchaus komfortable, leistungsstarke, aber eben auch umweltfreundliche
Autos made in Germany zu erfüllen? Zunächst geht es
ganz klar um eine umfassende Aufklärung durch VW . Im
Sinne des Verbrauchers sollten Verbrauchs- und Emissionsmessungen transparenter und glaubwürdiger werden .
Auch ich kann nur begrüßen, dass die Europäische Union
den Handlungsbedarf erkannt hat und mit deutscher Unterstützung entsprechende Maßnahmen wie die Einführung eines Messverfahrens zur Emissionsprüfung unter
Stephan Kühn ({8})
normalen Fahrbedingungen und die Festlegung neuer
Anforderungen an die Umsetzung eines Verbots von Abschalteinrichtungen eingeleitet hat .
Es muss aber auch um die weitere Reduzierung des
Kraftstoffverbrauchs und der Emissionen gehen . Dabei
ist klar: Wir brauchen den sauberen Diesel noch lange;
denn - auch das ist am Montag in der Anhörung deutlich
geworden - ohne Diesel werden wir die Klimaziele nicht
erreichen . Am besten wäre es natürlich, wenn Dieselmotoren mit der Plug-in-Technologie ausgestattet würden;
denn dann könnten Dieselfahrzeuge auf Innenstadtstrecken rein elektrisch fahren . So könnte man das Beste aus
zwei Welten kombinieren: auf kurzen Wegen und in verdichteten Stadtlagen ohne Abgase, auf langen Strecken
mit Diesel .
Eines will ich noch ansprechen - das war so ein Gespenst, das vorgestern in der Anhörung im Verkehrsausschuss umherging -: Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in
Innenstädten . Ich will klar sagen, dass so etwas mit uns
nicht zu machen ist . Das wäre eine kalte Enteignung . Das
können wir von der Union auf keinen Fall unterstützen .
({9})
Ich bin sehr froh, dass wir die Verlängerung des Steuerprivilegs für den Bereich der Gasmobilität bereits auf
den Weg gebracht haben . Wir haben die Fortsetzung des
Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und
Brennstoffzellentechnologie sichergestellt . Nicht zuletzt
gibt es viele Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität .
In einer Krise kann man häufig auch eine Chance sehen . VW und die anderen Automobilhersteller müssen
noch viel stärker auf die Elektromobilität setzen . Die
ersten Ankündigungen, die dazu in den vergangenen
Wochen von VW gemacht worden sind, empfinde ich
als sehr positiv . Wir als Politik sollten diesen Weg weiter
konstruktiv begleiten . Es braucht gerade jetzt Signale,
die belegen, dass Deutschland auch in der Zukunft auf
ehrlichem Wege umweltfreundliche Autos produzieren
wird . Kollege Klare hat schon genannt, welche Signale
das sein könnten: Sonderabschreibung, KfW-Programme
und öffentliche Beschaffungsprogramme . Der politische
Wille ist vorhanden, die Finanzierung steht noch aus .
Wenn der VW-Skandal dabei hilft, sowohl bei uns als
auch bei den Herstellern die nötigen Entscheidungen zu
beschleunigen, dann hat diese Misere doch noch etwas
Gutes . Ich freue mich über jeden, der uns auf diesem Weg
unterstützt .
({10})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Johann Saathoff, SPD-Fraktion .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor
drei Wochen waren sich alle Beteiligten in der Debatte
hier einig, dass die Situation hinsichtlich der Emissionswerte rückhaltlos aufgeklärt werden soll . Diese Aufklärung erfolgt nun . Aufklärung bedeutet aber auch, dass
gründlich in allen Ecken nachgeschaut wird . Die neuen
Enthüllungen sind Folge der bedingungslosen Aufklärung, also Folge eines Großreinemachens .
Die neuen Enthüllungen machen deutlich: Es ist notwendig, dass wir mindestens mithelfen, für VW neue
Perspektiven zu entwickeln . Das sind wir den Menschen
schuldig: schuldig den Menschen, die täglich bei VW
am Band und im Werk ihre Arbeit tun und denen man
keinen Vorwurf machen kann . Ganz im Gegenteil: Sie
haben dieses Werk und diese Marke mit ihrer Hände Arbeit geschaffen . Besonders im Blick habe ich dabei die
vielen Tausend Menschen, die über die Leiharbeitsfirmen
in und um VW beschäftigt werden . Sie werden die negativen Auswirkungen auf die Geschäftsergebnisse zuerst
zu spüren bekommen . Wir dürfen diese Menschen, die
ihre Arbeit stets tadellos getan haben, in dieser existenzbedrohenden Situation nicht alleinlassen .
({0})
Die Entwicklung einer Perspektive sind wir auch den
Menschen schuldig, die an den Werken bei den Zulieferern quer durch Deutschland und darüber hinaus ihre
Arbeit tun und sich nun Sorgen machen . Eine Perspektive sind wir auch den Menschen in den Standortkommunen schuldig, deren finanzielle Grundlage derzeit einfach wegbricht, in einer für Kommunen ohnehin schon
schwierigen Situation .
Wir werden VW und vor allen Dingen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen, die Krisensituation
durchzustehen, keine Frage . Aber wenn ich von Perspektiven rede, dann meine ich auch, dass die grundlegende Strategie bei VW überdacht werden sollte . Setzt VW
zukünftig auf neue Antriebstechnologien, zum Beispiel
auf Elektromobilität? Was müssen wir, der VW-Konzern,
aber auch wir im Bund, tun, damit Elektromobilität möglich wird? Ich höre immer wieder: Die Elektromobilität
kann nicht vorangebracht werden, weil noch Ladeeinrichtungen fehlen . - Wir haben uns im Koalitionsvertrag
klar zur Förderung der Elektromobilität bekannt . Wir
müssen das Manko in diesem Bereich beseitigen, indem
wir Ladeeinrichtungen schaffen .
({1})
Aber selbst wenn wir das nicht könnten, wäre das kein
Grund, nicht in die Elektromobilität zu investieren . Früher gab es Benzin auch nur in der Apotheke .
({2})
Wir brauchen noch mehr Forschung und Entwicklung
im Bereich Stromspeicher . Wir müssen aus bundespolitischer Sicht darüber nachdenken, ob neben der Forschung
an Speichern künftig nicht auch Batterieproduktion möglich sein sollte, zum Beispiel in Gegenden, wo das mit
sauberer regenerativer Energie möglich ist; denn eine
energieaufwändige Batterieproduktion mit Kohlestrom
oder Atomstrom macht keinen Sinn . Aber mit sauberen regenerativen Energien, die in einigen Regionen im
Überfluss vorhanden sind, könnte man das machen. Mir
persönlich jedenfalls würde eine solche Region einfallen .
({3})
Wir haben uns nicht nur im Mobilitätssektor zu wenig um Speicher gekümmert . Es wird jetzt Zeit, das zu
ändern . Der Gesetzentwurf zum Strommarktdesign ist
heute im Kabinett beraten worden . Es wäre konform im
Sinne dieses Gesetzentwurfs, wenn wir zügig viele kleine Speicher auf und an den Straßen hätten .
Auch Bewährtes wollen wir erhalten . Bei aller Diskussion über die Schadstoffe der Autos: Wir müssen
auch die Schadstoffe der Werke selber beachten . Das
Blue-Factory-Konzept von VW ist weltweit beispielgebend . Das Werk in Emden ist hier ganz weit vorn . Danach fragt im Moment niemand; das sollte man aber tun,
wenn man sich um Umweltbelange kümmern möchte .
({4})
Auch die Mitbestimmung bei Volkswagen hat sich bewährt . Sie ist beispielgebend und wird dazu beitragen,
dass die Sozialpartner miteinander die notwendigen Entscheidungen vorbereiten und treffen können . Man weiß
in der Wirtschaft: „‘t regent neet alltied Botter un Bree .“
Das heißt: Es regnet nicht dauernd Butter und Brei . Spätestens wenn die Situation, wie in diesem Fall bei VW,
schwierig wird, weiß man den Wert einer funktionierenden Sozialpartnerschaft mit starken Betriebsräten und
starken Gewerkschaften zu schätzen .
Wir werden helfen, wo wir können, die Stärken des
VW-Konzerns zu stärken, und werden, wenn notwendig, unterstützen, wenn es um neue Perspektiven für VW
geht - für die vielen Menschen, die sich unseren Einsatz
mit ihrer Arbeit verdient haben .
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .
({5})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Ulrich Lange, CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,
natürlich stellt man heute die Frage: Was kommt noch?
Und natürlich sage auch ich von meiner und unserer Seite
ganz klar: Wir verurteilen diese Manipulationen bei VW
nachdrücklich . Da wurde vorsätzlich getäuscht, nicht nur
beim Stickoxid, sondern auch beim CO2-Ausstoß . Was
das alles am Ende bedeutet, das ist noch unklar; aber eines muss gelten, und das muss sich VW - ich sage das so
deutlich - ins Stammbuch schreiben: Hier ist ein Schaden entstanden, und wer einen Schaden verursacht, hat
dafür zu sorgen, dass beim Kunden kein weiterer Schaden entsteht .
({0})
Deshalb darf es in der Folge, wenn die erste Empörung
abebbt, nicht zu juristischen Winkelzügen kommen . Eines ist klar: Dieser Schaden des Verbrauchers und des
Staates, des Fiskus, ist zu ersetzen .
Gleichzeitig geht es jetzt darum, mit aller Sachlichkeit
und Gründlichkeit aufzuklären . - Liebe Kolleginnen und
Kollegen von den Grünen, lieber Fraktionsvorsitzender
der Grünen, diese Debatte scheint Sie ja nur noch am
Rande zu interessieren .
({1})
- Es wird gleich noch einmal ganz spannend werden .
Sie können davon ausgehen, lieber Kollege, dass es ganz
spannend wird, wenn ich hier vorne stehe .
({2})
Es ist mit aller Gründlichkeit aufzuklären und entsprechend zu handeln . Der Minister des Handelns, lieber
Kollege Krischer, war und ist Alexander Dobrindt .
({3})
Er handelt und sorgt für Aufklärung . Er sorgt dafür, dass
das Qualitätssiegel „made in Germany“ weiter Bestand
haben kann .
({4})
Für die Aufarbeitung des Skandals ist doch Volkswagen
zuständig und nicht der Minister . Sie drehen die Sache
um . Nur so wird aber ein Schuh daraus .
({5})
Deshalb ist es richtig gewesen, sofort eine Untersuchungskommission einzusetzen . Deswegen ist es richtig
gewesen, das KBA aufzufordern, Vorlagen zu machen .
Ich würde VW gerne Folgendes ins Stammbuch schreiben, getreu der alten Werbung: Aufarbeitung aus Liebe
zum Automobil!
({6})
Nun, lieber Kollege Krischer, zu Ihrer Rede, die Sie an
die falsche Adresse gerichtet haben . Sie können scheinbar nicht raus aus Ihrer Haut des Antiautohetzers, aus
Ihrer ideologischen grünen Falle . Sie können hier in Berlin sehr wohl den starken Max machen . Das zeugt aber
von doppelter Moral; denn - das sage ich Ihnen in aller
Deutlichkeit - in Baden-Württemberg handelt ein grüner
Ministerpräsident völlig anders .
({7})
- Lieber Kollege Gastel, regen Sie sich doch nicht so auf .
Gehen Sie doch zu Ihrem Ministerpräsidenten!
({8})
Scheinbar haben Sie auch vergessen, welche unmittelbare, welche tatsächliche Verantwortung Sie in der Landesregierung von Niedersachsen tragen . Habe ich irgendetwas verpasst, oder sitzen die Grünen in Niedersachsen
mit in der Landesregierung?
({9})
Da sind Sie doch Miteigentümer von VW . Das ist eine
doppelte Moral . Das ist doch alles nur ein Schein fürs
Publikum und völlig unehrlich .
({10})
Natürlich, lieber Toni Hofreiter, du kannst dich jetzt darüber aufregen, aber es ist einfach eine Tatsache, an der
du nicht vorbeikommst,
({11})
dass ihr hier wesentlich Mitverantwortung tragt .
({12})
Es geht darum, aufzuklären und gleichzeitig dafür zu
sorgen, dass Deutschland Automobilland Nummer eins
ist
({13})
und Automobilland Nummer eins bleibt - für die Beschäftigten und für uns, die wir das Auto für die Mobilität
gerne haben und lieben .
Herzlichen Dank .
({14})
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr . Matthias Heider, CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind ja
inzwischen schon fast eine vertraute Runde . Sie werden
immer weniger hier vorne .
({0})
Für die erste Aktuelle Stunde, die Sie beantragt hatten,
hatte ich noch ein gewisses Verständnis .
({1})
Auch Ihre Anträge waren zu erwarten . Aber dass Sie jetzt
mit jeder neuen Meldung zum Bundestagspräsidenten
laufen und eine Aktuelle Stunde beantragen, zeigt Ihr
Ziel: Ihnen geht es eigentlich gar nicht um Beiträge zur
Aufklärung, Ihnen geht es um politisches Kalkül .
({2})
Das werden Ihnen die Hunderttausende Mitarbeiter in
deutschen Unternehmen der Automobilwirtschaft und
der Zulieferwirtschaft nicht durchgehen lassen . Dafür
werden wir schon sorgen .
({3})
Zurzeit ermitteln allein in Deutschland die Staatsanwaltschaft in Braunschweig, die BaFin, die vom Minister
eingesetzte Untersuchungskommission und das Kraftfahrt-Bundesamt; auch in zahlreichen anderen Ländern
strengen sich die Zulassungsbehörden an . Der Schaden,
der für die deutsche Automobilwirtschaft entsteht, ist
enorm . Welche Dimensionen diese Erkenntnisse haben,
muss sorgfältig geprüft werden . Dann muss es beurteilt
werden .
Mit den von Ihnen ständig angezettelten Debatten in
dieser Ermittlungsphase zeigen Sie nicht Interesse an
Aufklärung, sondern Sie reden den Standort Deutschland
schlecht . Für Sie geht es aus ideologischen Gründen um
einen Kampf gegen die Automobilindustrie . Ich kann es
ja verstehen: Das Thema Freihandelsabkommen ist Ihnen jetzt von der Fahne gegangen .
({4})
Sie suchen jetzt etwas Neues . Das ist im Wesentlichen
Ihr Interesse .
({5})
Da brauchen Sie auch gar nicht so laut zu rufen: „Wo
ist der Minister?“ oder: „Alle sind schuld!“ oder: „Haltet den Dieb!“ Jede Untersuchungskommission, Herr
Krischer, würde über Ihr Verhalten hier heute den Kopf
schütteln . Bitte bewerben Sie sich nie in einer Compliance-Abteilung eines Unternehmens . Das hat überhaupt
keinen Zweck, so wie Sie sich gerade darstellen .
({6})
Lassen Sie uns einmal sachlich darüber sprechen, welche neuen Erkenntnisse heute überhaupt auf dem Tisch
liegen . Am Montagabend hat die EPA neue Vorwürfe
veröffentlicht, laut denen jetzt auch 3-Liter-Motoren bei
Volkswagen betroffen und mit dieser Schadsoftware ausgestattet sind .
({7})
Das könnten einige Tausend Fahrzeuge sein . Wie viele,
ist bis heute unklar . VW hat sich am gleichen Abend eindeutig davon distanziert und im Übrigen vollumfängliche
Kooperation bei diesem Punkt zugesagt . Gestern Abend
hat VW in einer Ad-hoc-Meldung bekannt gegeben, dass
auf der Basis eigener Untersuchungen nun auch Unregelmäßigkeiten beim CO2-Ausstoß ermittelt worden sind .
Es muss unverzüglich klargestellt werden, dass die
neuen Vorwürfe der EPA haltlos sind . VW muss dies
belegen . Die gestern Abend eingestandenen Manipulationen müssen dazu führen, dass Transparenz gegenüber
den Kunden, den Aktionären, der Öffentlichkeit, ja, auch
den Mitarbeitern von VW hergestellt wird und dass entsprechende Kompensationen angeboten werden .
Die Bremsspur von VW wird lang und länger . Wenn
Sie einmal einen Blick in den Geschäftsbericht werfen,
der etwa 400 Seiten umfasst, sehen Sie, dass der Risiko- und Chancenbericht als Teil des Konzernlageberichts
14 Seiten ausmacht . Etwa zwei Seiten davon beschäftigen sich mit umweltschutzrechtlichen Auflagen. Leider
findet sich kein Wort dazu, ob konkrete Risiken für bestimmte Produkte im letzten Jahr aufgetreten sind . Das
muss geändert werden .
Es geht nicht nur um Vertrauen in VW, sondern es
geht dabei auch um Vertrauen in den automobilen Markt .
VW ist in der Pflicht. Es kommt jetzt nicht darauf an,
Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, einfach mal
die Zielscheibe umzuhängen . Es kommt darauf an, klarzumachen, was weiter aufgeklärt werden muss . Dabei
sind die Schritte, die auch die Regierung hier unternommen hat, in einem solchen Schadensfall nicht nur sehr
angemessen, sondern sie bieten auch das erforderliche
Augenmaß, um im Hinblick auf die gesamte deutsche
Wirtschaft nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten .
({8})
Herr Krischer, ich muss Ihnen sagen: Aktionismus und
Krawallrhetorik gehören sich zu diesem Zeitpunkt nicht .
Weil es so schön ist, habe ich Ihnen noch ein Zitat Ihres
Parteifreundes Joschka Fischer mitgebracht:
Die Opposition scheint manchmal zu vergessen,
dass wir hier Politik machen und keine Theatervorstellung geben .
({9})
Dem, meine Damen und Herren, ist nichts hinzuzufügen .
Vielen Dank .
({10})
Als letzter Rednerin in dieser Aktuellen Stunde erteile ich das Wort der Abgeordneten Veronika Bellmann,
CDU/CSU-Fraktion .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Jawohl, VW hat bei den Abgaswerten manipuliert und offenbar die ganze Klaviatur bedient: von geschönten Abgaswerten in der Fahrzeugwerbung und den
Zulassungsbescheinigungen über geschönte Fahrzeugtests bis hin zum Einbau von manipulierter Software .
Das kann man getrost als Betrug bezeichnen . Wer, was,
welche Umstände dazu motiviert haben, werden die Ermittlungen zeigen, sowohl die konzerneigenen als auch
die staatlichen und gegebenenfalls auch die staatsanwaltschaftlichen .
Wie so häufig in solchen Situationen kommt die
Wahrheit nur scheibchenweise ans Licht . Dafür haben
wir als Politiker, dafür haben aber auch die Kunden und
vor allen Dingen die Mitarbeiter des Konzerns keinerlei Verständnis . Dennoch sollten wir uns vor voreiligen
Schlüssen hüten und nicht eine gesamte Branche unter
Generalverdacht stellen . Denn das führt genauso in die
Irre wie die ständigen Versuche der Grünen, in diesem
Zusammenhang den Bundesverkehrsminister in die Mitverantwortung für Manipulation und Betrug zu ziehen .
({0})
Sie werfen der deutschen Regierung, insbesondere
Bundesminister Dobrindt, mangelnde Kontrolle vor .
({1})
Wenn Sie Ihre notorische Krawallmacherei einmal aufgeben und sich sachlich und nüchtern dem Problem nähern würden, dann würden Sie feststellen,
({2})
dass genau dieser Bereich, nämlich Typengenehmigung
und Verbrauchswertkontrolle, schon seit langem europaweit harmonisiert ist . Infolge der entsprechenden
EU-Verordnung vom 13 . November 1999 - ich kann
mich erinnern, dass Sie zu der Zeit an der Regierung waren -, die 2007 und 2009 geändert wurde, hat das Kraftfahrt‑Bundesamt umfangreiche Prüfungspflichten, die es
auch wahrgenommen hat .
({3})
Sie mögen noch nicht ausreichend sein
({4})
und in der Kontrolle noch nicht tief genug .
({5})
Nur, es sind alle Mitgliedstaaten dafür verantwortlich nicht nur die deutsche Bundesregierung -, dass die Regelungen über die Jahre hinweg nicht eher evaluiert und
verschärft worden sind .
({6})
Wenn also die Kontrolle aufgrund der bestehenden
Rechtslage - aufgrund der bestehenden Rechtslage! korrekt war, in Deutschland sogar fakultative Prüfungen
verpflichtend vorgenommen wurden und offenbar dennoch Raum für Manipulation bestand, dann kann man
das als kriminelle Energie, betrügerische Absicht oder
wie immer man das bezeichnen möchte, deklarieren .
Man kann es auch strafrechtlich verfolgen .
({7})
Man kann den Rechtsrahmen so belassen, wie er ist, oder
man kann den Rechtsrahmen enger und bestimmter fassen, nämlich im Sinne von erweiterten Prüfpflichten und
intensiveren Sanktionsmöglichkeiten . Genau das tun wir .
Verkehrsminister Dobrindt hat für die Bundesregierung und für Deutschland im Verkehrsministerrat dazu
regelmäßig vorgetragen; denn auf die europäische Ebene gehört das . Die Ratsdokumente weisen aus, dass sich
unser Verkehrsminister energisch für die schnelle Einführung der Realemissionstests einsetzt, genauso wie für
die Neuorganisation der Typengenehmigungsverfahren
Wir gehen noch darüber hinaus, indem wir als Koalitionsfraktionen in einem Antrag fordern, realitätsnahe Verbrauchszyklustests - Straßentests - bis spätestens 2017
EU-weit anzuwenden, standardisierte Tests transparent
auch in der Öffentlichkeit darzustellen, Abgasnormen
stufenweise zu verschärfen und neben den zweifelsfrei
hochentwickelten konventionellen auch alternative Antriebs-, Verbrauchs- und Kraftstofftechnologien und die
Elektromobilität stärker zu fördern .
({8})
Mit unseren Vorschlägen und Forderungen, Herr
Krischer, befinden wir uns in seltener Einheit - das gebe
ich zu - mit dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission .
({9})
Das Europäische Parlament hat in der vergangenen
Woche in einer Entschließung gefordert, dass die Manipulationen der Ergebnisse der Fahrzeugtests umfassend
untersucht und gegen die Verantwortlichen angemessene Sanktionen verhängt werden sollen . Das Europäische
Parlament verlangte darüber hinaus eine weitere Verschärfung des Emissionskontrollrechts, damit die in der
EU geltenden Grenzwerte eingehalten und nichtkonforme Fahrzeuge schnell identifiziert werden können.
Was ist nun das Fazit - auch aus unserem Antrag?
Deutschland kann und muss die Vorreiterrolle bei ökologisch verbesserten Antrieben behalten . Da wir vorhin
schon Werbesprüche zitiert haben, füge ich einen von
Audi hinzu: „Vorsprung durch Technik“ . Dieser Vorsprung durch Technik muss aber eben rechtskonform
erfolgen . Hier in Deutschland werden auch künftig die
besten und sichersten Autos gebaut - auch von VW . Unsere Ingenieure können das .
Die Aufgabe der Politik ist es, diesen Weg durch richtige Rahmenbedingungen für die Sicherung der Mobilität,
für saubere Umwelt und für hochqualifizierte und zukunftssichere Arbeitsplätze in einer unserer Leitindustrien,
nämlich der deutschen Automobilindustrie, zu begleiten .
Herzlichen Dank .
({10})
Die Aktuelle Stunde ist beendet .
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 5 . November 2015,
9 Uhr, ein .
Die Sitzung ist geschlossen .