Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Nehmen Sie Platz . Erst einmal einen wunderschönen
guten Tag . Die Sitzung ist eröffnet .
Interfraktionell wurde vereinbart, dass die Unterrichtung der Bundesregierung auf der Drucksache 18/11282
über die Stellungnahme des Bundesrates zu dem bereits
überwiesenen Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung
der Fahndung bei besonderen Gefahrenlagen und zum
Schutz von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei
durch den Einsatz von mobiler Videotechnik an den federführenden Innenausschuss sowie zur Mitberatung an
den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz und den
Ausschuss Digitale Agenda überwiesen wird . Sind Sie
mit diesem Vorschlag einverstanden? - Ich sehe keinen
Widerspruch . Dann ist so beschlossen .
Weiterhin gibt es eine interfraktionelle Vereinbarung,
die heutige Tagesordnung um die erste Beratung des von
den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze auf
Drucksache 18/11398 zu erweitern und jetzt gleich im
Anschluss als Zusatzpunkt 1 ohne Aussprache aufzurufen . - Ich sehe, dass Sie damit einverstanden sind . Dann
verfahren wir so .
Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 1 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/
CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Fortentwicklung des Gesetzes zur Suche und
Auswahl eines Standortes für ein Endlager für
Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und
anderer Gesetze
Drucksache 18/11398
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ({0})
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen .
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/11398 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen . Gibt es
dazu von Ihrer Seite aus anderweitige Vorschläge? - Ich
sehe, das ist nicht der Fall . Dann ist die Überweisung so
beschlossen .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht über die Regelungen
zu den Anerkennungsverfahren in Heilberufen des
Bundes.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Gesundheit, Herr Hermann
Gröhe . - Bitte schön, Herr Bundesminister .
({1})
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
Das Bundeskabinett hat heute Morgen den Bericht über
die Regelungen zum Anerkennungsverfahren in Heilberufen des Bundes beschlossen, der jetzt Ihnen, dem
Deutschen Bundestag, und dem Bundesrat zugeleitet
wird . In diesem Zusammenhang sind aber auch weitere
Heilberufsgesetze des Bundes geändert worden . Schließlich sind darüber hinaus auch das Verfahren und einzelne
Anpassungsmaßnahmen in einer Verordnung geregelt
worden .
Insgesamt zeigt der Bericht ein gelungenes Anerkennungssystem . Wir ermöglichen mit unseren Regelungen
den zum Teil dringend benötigten Fachkräften, die ihre
Berufsausbildung im Ausland gemacht haben, den Zugang zu unserem Arbeitsmarkt . Ein Blick auf das Monitoring zu dem Anerkennungsgesetz des Bundesbildungsministeriums insgesamt zeigt, dass 2015 über die
Hälfte der Anträge von Menschen in Gesundheitsberufen
gestellt wurden . Das ermöglicht Zuwanderinnen und Zuwanderern bessere Aussichten auf einen Arbeitsplatz in
Deutschland . Messlatte für die Anerkennung der Berufsabschlüsse ist der Vergleich mit den Berufsabschlüssen in
unserem Land . Das gebietet schon der Patientenschutz .
Verfügen die Anerkennungsbewerberinnen und -bewerber nicht über eine gleichwertige Ausbildung, kann
eine entsprechende Anpassungsmaßnahme ihnen dennoch den Berufszugang ermöglichen . Dabei orientieren
wir uns am europäischen Recht, haben also für die Anerkennung - auch für die sehr anspruchsvollen Fristen
im Anerkennungsverfahren - die gleichen Maßstäbe wie
innerhalb der Europäischen Union .
Wir bewegen uns im europäischen und vor allem bundesgesetzlichen Rechtsrahmen, aber die Umsetzung liegt
in der Verantwortung der Länder . Dabei stellen sich immer wieder die Fragen: Wie können Unterschiede in der
Rechtsanwendung vermieden werden? Wie kann die sehr
anspruchsvolle Arbeit der zuständigen Behörde in der
Bewertung einzelner Ausbildungsabschlüsse erleichtert
werden?
Hier ist von herausragender Bedeutung, dass die Länder nach langer Diskussion im Januar 2016 eine gemeinsame, länderübergreifende Gutachtenstelle eingerichtet
haben . Sie hat ihre Arbeit zum 1 . September 2016 aufgenommen, und sie hat unter anderem die Aufgabe, den
zuständigen Behörden vor Ort mit den entsprechenden
Gleichwertigkeitsprüfungen Informationen an die Hand
zu geben, um entscheiden zu können, ob eine Ausbildung
in einem anderen Land einer Ausbildung in Deutschland
entspricht oder nicht .
Ein solches einheitliches Niveau ist nicht nur im Hinblick auf die Fachausbildung bei den Gesundheitsberufen dringend erforderlich, sondern neben den Berufsausübungsvorgaben geht es natürlich auch um angemessene
Sprachkenntnisse in den diversen Gesundheitsberufen .
Es ist gut, dass sich Mitte Mai 2014 die Gesundheitsministerkonferenz der Länder auf Eckpunkte für ein
einheitliches Überprüfungsverfahren für die sogenannten verkammerten Heilberufe verständigt hat, was die
Kenntnisse der deutschen Sprache angeht, und ein hohes
Niveau in der Fachsprache vorgibt . Die Länder sind derzeit dabei, solche Eckpunkte auch für die Gesundheitsfachberufe, also die nicht verkammerten Berufe, zu entwickeln .
Wir sind mit den Ländern in einem umfassenden Austausch, nicht zuletzt in der Arbeitsgruppe „Berufe des
Gesundheitswesens“ . Einen aktuellen gesetzgeberischen
Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung nicht . Sie
hat Ihnen, wie gesagt, die Vorstellungen zur Straffung
der Zusammenarbeit in den Ländern etc ., die jetzt auf
den Weg gebracht worden sind, in dem Bericht vorgelegt
und zeigt damit einen guten Weg auf, auch und gerade
im Gesundheitsbereich Berufszugang für qualifizierte
Menschen mit einer Berufsausbildung aus einem anderen
Land zu eröffnen .
Vielen Dank .
Vielen Dank . - Ich bitte, jetzt die Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den der Herr Bundesminister
berichtet hat . Ich habe dazu schon einige Wortmeldungen, und zwar von der Kollegin Klein-Schmeink, dem
Kollegen Rudolf Henke, von Frau Vogler und Herrn
Meier . - Bitte schön .
Danke schön für den Bericht, Herr Minister . Ohne
Zweifel ist es ein Fortschritt, dass wir jetzt eine zentrale
Gutachtenstelle für die Gesundheitsberufe haben; denn es
hat im Vorfeld große Unterschiede gegeben . Dabei stellt
sich aber auch die Frage, inwiefern dadurch ein Nadelöhr
entsteht . Inwiefern reichen die Kapazitäten der zentralen
Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe aus, um den Behörden bei der Prüfung und Bewertung der Bewerbungsunterlagen beratend zur Seite zu stehen? Und, sollten die
Kapazitäten nicht ausreichen, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um den Ausbau der Gutachtenstelle für
Gesundheitsberufe zu fördern?
Vielen Dank, Frau Kollegin Klein-Schmeink . Das ist
eine sehr berechtigte Frage, weil wir lange auf diese Stelle
gewartet haben . Ich bitte umgekehrt um Verständnis: Die
zentrale Stelle hat ihre Arbeit am 1 . September des letzten Jahres aufgenommen . Zum gemeinsamen Austausch
mit den Ländern gehört auch die Frage, ob die auch unter
Einbeziehung von Landesfinanzministern und anderen
erörterte Personalzurverfügungstellung durch die Länder
ausreicht . Ich halte es jedenfalls für erforderlich, dass wir
weiter sozusagen mit einem Monitoring begleiten, damit
die gewünschte Arbeit dieser Stelle tatsächlich geleistet
werden kann . Dazu gehört nicht nur die Personalausstattung; ich will ausdrücklich auf das Thema Datenbank
und Zentralregister hinweisen .
Es hat also auch technische und andere Dimensionen .
Es muss sichergestellt werden - wir haben den Behörden
vor Ort ein ziemlich strenges Fristenkorsett mit auf den
Weg gegeben -, dass die Arbeit tatsächlich geleistet wird .
Das müssen wir im Blick behalten .
Vielen Dank . - Dann erteile ich jetzt dem Kollegen
Rudolf Henke das Wort .
Herr Minister, ich habe den Bericht noch nicht lesen
können; er wird uns erst zugeleitet werden . Aber ich
mache die Erfahrung, dass es jedenfalls bis dato Unterschiede in der Anerkennungspraxis der Länder gibt . Von
den Ärztekammern ist zum Teil zu vernehmen, dass Interessenten von einem Bundesland zu einem anderen Bundesland wechseln, weil sie das Gefühl haben, dass in bestimmten Bundesländern die Anerkennung einfacher zu
erhalten ist, und dass damit ein gewisser Anerkennungstourismus entsteht . Das kann bei einem bundeseinheitlich geregelten Berufsanerkennungsprozess sicherlich
nicht das Ziel sein . Meine Frage lautet daher: Welche
Maßnahmen sind notwendig, um diesen Anerkennungstourismus zwischen den Ländern zu unterbinden?
Vielen Dank, Herr Kollege Henke . - Ich unterstelle
zunächst, dass es keinen Wettlauf zwischen den Ländern
um einen möglichst einfachen Berufszugang gibt . Aber
es ist in der Tat eine anspruchsvolle Aufgabe, bei Verfahren, die unter Umständen nur einmal eine Behörde in
einem bestimmten Bundesland betreffen, entsprechend
klug und abwägend eine Vergleichsprüfung vorzunehmen . Deswegen ist es so wichtig, dass die Zentralstelle
entsprechende Maßstäbe bereithält .
Eine weitere Maßnahme, die ich vorhin in meiner Antwort auf die Frage von Frau Klein-Schmeink erwähnt
habe, ist das Zentralregister, das zum Beispiel Doppelanträge vermeiden hilft . Wir spüren in der Zentralstelle,
aber auch im Zusammenhang mit den einheitlichen Eckwerten für deutsche Sprachkenntnisse ein gewisses Interesse der Länder daran, einerseits eigene Kompetenzen
wahrzunehmen und andererseits das Verfahren zu vereinheitlichen . Es kann in der Tat nicht in unserem Interesse
liegen, wenn hier ein Anerkennungstourismus stattfindet.
Insofern geht die Monitoringarbeit vier Monate nach
Einrichtung der betreffenden Stelle weiter .
Vielen Dank . - Frau Kollegin Vogler .
Vielen Dank . - Ich möchte nach den Sprachkenntnissen fragen . Gerade im ärztlichen Bereich, insbesondere
in den fachärztlichen Bereichen im Krankenhaus, ist ein
entscheidender Punkt nicht nur für den Behandlungserfolg, sondern auch für die Patientensicherheit, dass die
Kommunikation zwischen Patientinnen und Patienten
einerseits sowie Ärztinnen und Ärzten andererseits, aber
auch zum Pflegepersonal und zu anderem medizinischem
Personal funktioniert . Es gibt zum Beispiel Berichte über
die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses in
Mecklenburg-Vorpommern, in der mindestens ein Arzt
aus Rumänien arbeitet, der nicht ausreichend deutsch
spricht, um sich mit seinen Patientinnen und Patienten
verständigen zu können .
Erstens . Sehen Sie das Sprachniveau, auf das sich die
Länder nun geeinigt haben, als ausreichend an, um solche Fälle in der Zukunft zu vermeiden? Zweitens . Denkt
die Bundesregierung darüber nach, für die Ärztinnen und
Ärzte, die schon anerkannt sind, aber noch immer kein
ausreichendes Sprachniveau vorweisen können, eine
Nachqualifizierung vorzusehen?
Die Diskussion über das einheitliche Sprachniveau
hat unter den Ländern eine Weile in Anspruch genommen . Aber sie wurde mit dem Ziel geführt, ein sehr hohes
Sprachniveau zu etablieren, sowohl was die allgemeinen
Sprachkenntnisse als auch was die fachsprachlichen
Kenntnisse angeht . Die höchsten Sprachkenntnisse werden übrigens von Psychologischen Psychotherapeuten
sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeuten verlangt .
Gerade dort, wo Sprachkenntnisse eine besondere Rolle
spielen, wurde in der Differenzierung der Berufe darauf
geachtet . Aber Aufgabe derjenigen, die die Führungsverantwortung in den Krankenhäusern innehaben, ist,
sicherzustellen, dass den Maßstäben - diese halte ich
nicht nur für ausreichend, sondern auch für geeignet tatsächlich Rechnung getragen wird . Das muss bei den
Entscheidungen vor Ort berücksichtigt werden . Aufgabe
der Arbeitgeber vor Ort ist gegebenenfalls, sprachlich
nachqualifizierend zu helfen. Dazu gibt es unterschiedliche Maßnahmen, auch der Bundesagentur für Arbeit .
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Meier das Wort .
Herr Minister, ich beziehe mich in meiner Frage auf
den Mangel an qualifizierten Heilberufspraktikern und
möchte gerne von Ihnen wissen, welche Maßnahmen
die Länder im Zusammenhang mit der Anerkennung
ausländischer Berufsqualifikationen ergreifen könnten,
um Fachkräften aus dem Ausland einen schnelleren
Berufseinstieg bei einem gleichzeitig hohen Patientenschutzniveau zu ermöglichen .
Ich bin der Überzeugung, dass auch der Zugang von
Zuwanderern mit entsprechenden Qualifikationen ein
wesentlicher Bestandteil ist, um Fachkräftemangel in bestimmten Berufen, nicht zuletzt in den Gesundheitsberufen, entgegenzuwirken . Wir sind uns, glaube ich, alle
einig, dass das nicht die einzige Maßnahme ist . Es hat
mit Attraktivität von Arbeitsplätzen und vielem anderen
mehr zu tun, dass auch Menschen aus unserem Land gerne diese Berufe ergreifen . Aber ein Element einer klugen
Politik der Fachkräftesicherung muss die Anerkennung
von Qualifikationen sein.
Hier ist, denke ich, das Wichtigste, dass die jeweils
zuständigen Behörden angemessen mit Personal ausgestattet sind, damit fristgerecht entschieden werden kann .
Dies wurde seinerzeit beim sogenannten Asylgipfel zugesagt, weil damals auch die Frage hinsichtlich der Anerkennung von Qualifikationen von Menschen gestellt
wurde, die zu uns geflohen sind. Das kann dann zusammen mit den Dingen, die die Länder übergreifend tun, in
der Zentralstelle mit Datenbanken etc . eine gute Unterstützung erfahren . Die Zusammenarbeit, sicher auch immer wieder die Prüfung, ob die Zentralstelle ausreichend
ausgestattet ist, und vor allen Dingen die Ausstattung der
Behörden vor Ort sind die wichtigen Elemente .
Vielen Dank . - Jetzt hat sich noch einmal die Kollegin
Klein-Schmeink gemeldet .
Danke schön . - Der Bericht weist aus, dass es in
den Ländern sehr unterschiedliche Umgangsweisen mit
denjenigen gibt, die einen Antrag zur Anerkennung ihrer Kompetenzen trotz fehlender oder unvollständiger
Unterlagen stellen möchten . Mindestens in einem Bundesland gibt es Kompetenzfeststellungsverfahren mit
anschließendem Anpassungslehrgang, der eine gewisse
Qualitätskontrolle darstellt . Andere Länder scheinen sich
dazu nicht in der Lage zu sehen . Dadurch haben wir sehr
unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen .
Welche Entwicklung gibt es beim Umgang mit Personen, die trotz fehlender oder unvollständiger Unterlagen einen Antrag auf Berufsanerkennung stellen, und mit
welchen Maßnahmen wird in diesen Fällen der Patientenschutz gewährleistet, auch im Hinblick auf eine bundesweit einheitliche oder angepasste Regelung? Das ist
unter anderem auch wichtig, um viele von denen, die geflüchtet sind und die oft ihre Unterlagen nicht mitnehmen
konnten, einbeziehen und integrieren zu können .
Vielen Dank, Frau Kollegin Klein-Schmeink . - Es ist
zunächst vorgesehen, dass es bei den sogenannten verkammerten Berufen - kurz gesagt betrifft dies auch Ärztinnen und Ärzte - eine Kenntnisprüfung geben muss . Da
gibt es nicht nur einen Anpassungslehrgang, dessen Inhalt nachher geprüft wird, sondern auch die Kenntnisprüfung, die gerade auf den Patientenschutz abzielt . Dann
gibt es im Bereich der Anpassungsmaßnahmen die Prüfung dessen, was in den Anpassungsmaßnahmen gelernt
worden ist . In diesem Zusammenhang ist es ganz wichtig, zu erwähnen, dass wir mit der sehr großen Ausweitung des Programms „Integration durch Qualifizierung“,
IQ, des BMAS einen großen Schritt machen, um selber
ein Angebot zu machen, das nicht nur für diejenigen, die
diese Maßnahme wahrnehmen, sondern auch maßstabbildend für andere Anpassungsmaßnahmen ist . Insofern
ist die erhebliche Ausweitung dieses Programms auch
eine Antwort darauf, dass es hier in der Vergangenheit
unzureichende Angebote gab .
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Kühne das Wort .
Erst einmal herzlichen Dank für die Ausführungen .
Mir geht es in Ergänzung der Fragen, die bisher gestellt
worden sind, um Folgendes: Welche Möglichkeiten sehen Sie denn, dass die Zusammenarbeit zwischen den
Ländern bei den Anerkennungsverfahren so vereinfacht
werden kann, dass die Anerkennungsverfahren schneller
werden? Sehen Sie irgendwelche Maßnahmen, die wir
demnächst durchführen könnten?
Ich sehe keinen umfangreichen gesetzgeberischen
Handlungsbedarf auf Bundesebene . Wir werden mit der
Neufassung der zahnärztlichen Approbationsordnung
noch einen Beitrag leisten, der auch Auswirkungen auf
unseren Themenkomplex hat . Im Kern ist jetzt mit der
Weichenstellung zur Errichtung der Zentralstelle das
Wichtige geschehen . Wenn man ein Zentralregister oder
eine bestimmte Datenbank aufbaut, dann beginnt die
Maßnahme erst . Das ist das Entscheidende, damit Behörden Abschlüsse aus Kirgisistan, aus der Ukraine oder
etwa dem Libanon möglichst schnell bewerten und auf
Daten zugreifen können . Das ist wichtig, um Doppelanträge zu vermeiden .
Diese Maßnahmen haben eher mit der Umsetzung zu
tun . Deswegen ist das Wichtigste, dass wir bei einem
weiteren Monitoring im Bund-Länder-Gespräch darauf
achten, dass die weiteren Schritte gegangen werden . Aus
Gründen der Fachkräftesicherung gibt es ein gemeinsames Interesse daran . Wir müssen auch darauf setzen, dass
die Länder ihrer Verantwortung mit angemessener Personalausstattung oder etwa mit der Einigung über Eckpunkte für deutsche Sprachkenntnisse bei den Gesundheitsfachberufen gerecht werden .
Vielen Dank . - Frau Kollegin Vogler .
Herr Minister, wir haben jetzt viel über die Anerkennung und die Kenntnisprüfung gesprochen . Ich möchte
noch einmal einen Blick auf die Ausgleichsmaßnahmen
werfen, die ja darauf gerichtet sind, vorhandene Kenntnisse, die unzureichend sind, zu vertiefen bzw . zu erweitern . Da kam ja von den Ländern immer wieder auch der
Wunsch, gerade bei den nichtärztlichen Heilberufen und
vor allem bei solchen, die seltener sind und bei denen in
einem Bundesland vielleicht nur mal ein Ergotherapeut
um Anerkennung sucht, eine gemeinsame Ausbildung zu
gewährleisten . Gibt es aus Ihrer Sicht in dieser Richtung
Fortschritte?
Das Entscheidende ist natürlich zunächst, dass im
Rahmen der Länderzuständigkeit die Länder, auch mehrere Länder, gerade bei kleinen Berufsgruppen jederzeit
zusammenarbeiten können . Das werden sie in eigener
Kompetenz tun . Bei der Gesundheitsministerkonferenz,
auf der Beschlüsse gefasst worden sind, war die Bundesebene Gast . Dort treffen die Länder untereinander Verabredungen .
Allerdings habe ich das Programm „Integration durch
Qualifizierung“ genannt. Damit geht der Bund einen
ganz großen Schritt, um etwas zur Verfügung zu stellen,
was sowohl für die Betroffenen Anpassungen ermöglicht
als auch die entsprechenden Maßstäbe setzt .
Im Übrigen geht es bei seltenen Berufen bei den Anpassungsmaßnahmen häufig nicht so sehr um einzelne
Kenntnisse, zum Beispiel der Physiotherapie, vielmehr
geht es zum Beispiel auch darum, sich in unserem Gesundheitssystem mit dieser Fachkenntnis zurechtzufinden und zu wissen, wo bei uns der Ort für die Erbringung
dieser Leistung unter welchen Bedingungen ist . Insofern
können Sie bei diesem Teil von Anpassungsmaßnahmen
durchaus auch mehrere Berufsbilder zusammenführen .
Vielen Dank . - Zu diesem Themenbereich liegen mir
keine weiteren Fragen vor . Ich bitte aber den BundesmiMaria Klein-Schmeink
nister, noch zu bleiben, da zu anderen Themenbereichen
noch Fragen an Sie gerichtet werden .
Ich frage jedoch zunächst einmal: Gibt es andere Themen der heutigen Kabinettssitzung, zu denen jemand fragen möchte? - Ich sehe, das ist nicht der Fall .
Dann kommen wir jetzt zu sonstigen Fragen an die
Bundesregierung . Das Wort hat die Kollegin Kordula
Schulz-Asche . Der Herr Bundesminister ist, glaube ich,
derjenige, der von ihr angesprochen wird .
Genau . Das mache ich auch sehr gerne, vielen Dank .
Vielen Dank auch, Herr Gröhe, dass Sie für Antworten
zur Verfügung stehen .
Die Bundesregierung hat ja zwei Jahre lang im Pharmadialog unter anderem mit der pharmazeutischen Industrie verhandelt, und wir werden morgen hier im Hause
das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz verabschieden, das im Prinzip die Ergebnisse des Pharmadialogs
umsetzen soll . Ziel des Gesetzes ist es, die Arzneimittelversorgung weiterhin auf hohem Niveau sicherzustellen,
die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten und Deutschland als pharmazeutischen Standort zu stärken .
Jetzt fragen sich viele, die an diesem Pharmadialog
teilgenommen haben - wir Bundestagsabgeordnete haben es ja leider nicht -, was überhaupt als Ergebnis des
Pharmadialogs vorliegt . Wir Bundestagsabgeordnete haben heute alle einen Brandbrief von den Betriebsräten der
pharmazeutischen Unternehmen bekommen, die besorgt
über das AMVSG in der jetzigen Form sind . Deswegen
frage ich Sie, welche tatsächlich wirksamen Ergebnisse
aus dem Pharmadialog Sie selbst sehen, um den Standort
Deutschland im Bereich der Arzneimittelherstellung und
der Arbeitsplätze, die damit verbunden sind, zu sichern .
Die Ergebnisse des Pharmadialogs als Dialog dreier
Ministerien mit Wissenschaft, Gewerkschaften und Industrie sind umfassend veröffentlicht . Alle Maßnahmen
haben bei den verschiedenen Betroffenen große Zustimmung gefunden . Es hat dann auch parlamentarische und
öffentliche Debatten gegeben, auf die sich die Sorgen der
Gewerkschaften und der Betriebsräte richten; sie sind ja
weniger auf das Ergebnis des Dialogprozesses gerichtet .
Ich kann und will der morgigen Debatte nicht vorgreifen; aber ich bin überzeugt, dass das, was wir in der
Kombination vieler Maßnahmen erreicht haben, etwa besondere Anreize zur Entwicklung von Maßnahmen zur
Heilung seltener Krankheiten und zur Entwicklung von
Kinderarzneimitteln, zum Beispiel von neuen Antibiotika, genau diesem Ansatzpunkt - Innovationen schnell in
die Patientenversorgung zu bringen - gerecht wird .
Wir haben Maßnahmen zum Thema Lieferengpässe
im Dialogbericht im parlamentarischen Verfahren ergänzt, etwa um das Thema „Verzicht auf Ausschreibungen im Impfstoffbereich“ und anderes mehr . Da verbinden sich durchaus Interessen der Versorgung mit denen
all derjenigen, die auf diesem Markt tätig sind . Ich bin
davon überzeugt: Es ist ein guter Ausgleich zwischen
Versorgungsinteresse, Wissenschafts- und Standortinteresse und Finanzierbarkeit .
Vielen Dank . - Frau Kollegin Klein-Schmeink, gehe
ich recht in der Annahme, dass auch Sie noch eine Frage
an den Bundesminister haben? - Dann sind Sie jetzt an
der Reihe .
Danke schön, Frau Präsidentin . - Ich habe ebenso
eine Frage zum Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz . Wir mussten heute im Ausschuss erfahren, dass die
Umsatzschwelle zur Kostendämpfung für neue Arzneimittel ersatzlos gestrichen wurde . Sie hatten als Minister
einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, da Sie es
durchaus für notwendig gefunden haben, ein Instrument
zur Reglementierung als Schutz gegen Mondpreise vorzusehen . Mittlerweile ist dieses Instrument ersatzlos gestrichen . Welche anderen Maßnahmen wollen Sie ergreifen, damit wir die Versichertengemeinschaft in Zukunft
vor Mondpreisen schützen können?
Vielen Dank für diese Frage . - Das besagte Gesetz es ist das Ergebnis eines Dialoges - ist geprägt von dem
Wunsch nach Zusammenhalt, Innovationsfreundlichkeit
und langfristiger Finanzierbarkeit . Dazu gehört beispielsweise, dass wir das Moratorium verlängern und anderes
mehr . Einige Aspekte zielen sehr klar auf Einsparungen,
andere auf einen schnellen Versorgungszugang .
Es ist richtig, dass wir im Ergebnis - es geht nicht allein um den in meinem Haus verantworteten Gesetzentwurf, sondern um den von drei Ministern unterzeichneten
Abschlussbericht des Pharmadialogs - eine Umsatzschwelle vorgesehen hatten . Diese Maßnahme ist auch
im Sinne eines Ausbalancierens vorgeschlagen worden,
nachdem wir zur nichtöffentlichen Listung der entsprechenden Erstattungspreise zurückkehren wollten . Wir
haben uns im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens
auch aus der Überzeugung der beteiligten Parlamentarierinnen und Parlamentarier entschieden, dass auch davon
eine den Preis in Schach haltende Wirkung ausgeht, dass
es bei der öffentlichen Listung bleibt, und wir verzichten
parallel dazu im ersten Jahr auf andere Maßnahmen . Man
muss das also als Gesamtkunstwerk sehen .
Vielen Dank, Herr Minister Gröhe . - Wir fahren fort
mit den weiteren Fragen an die Bundesregierung . Das
Wort hat der Kollege Jan van Aken .
Vielen Dank . - Das ist eine Frage an das BMVg und
an das Auswärtige Amt . Es geht um einen Angriff der
kurdischen Peschmerga aus dem Nordirak am letzten
Freitag auf eine jesidische Siedlung im Irak . Dazu gibt
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
es mehrere Videos im Internet, in denen man mehrfach
deutsche Waffen sehen kann . Bei mindestens zwei davon
ist gut verifizierbar, dass sie am letzten Freitag in einer
jesidischen Stadt eingesetzt worden sind . Es soll sich um
mindestens zwei deutsche G36-Gewehre handeln .
Nachdem in der gesamten Debatte um die Waffenlieferungen an die Peschmerga immer der Schutz der Jesiden im Zentrum stand - von September 2014 bis heute
ging es um den Schutz der Jesiden -, werden genau diese
aus Deutschland gelieferten Waffen gegen die Jesiden
eingesetzt . Dazu habe ich zwei Fragen .
Erstens . Ist dieser Einsatz durch die KDP-Peschmerga
gegen Jesiden durch die Endverbleibskontrolle eigentlich
gedeckt? Oder untersagt die Endverbleibserklärung, die
die Peschmerga damals unterzeichnet haben, einen Einsatz gegen andere als ausgerechnet gegen den IS?
Zweitens . Wenn in dieser Endverbleibserklärung tatsächlich festgelegt ist, dass diese Waffen ausschließlich
gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ eingesetzt
werden dürfen, heißt das dann nicht, dass die Bundesregierung sofort jede weitere Waffenlieferung an die
Peschmerga und auch die Ausbildung der Peschmerga
einstellen müsste?
Vielen Dank . - Sie hatten eigentlich nur eine Frage; aber ausnahmsweise durften Sie beide stellen . Frau
Staatsministerin Böhmer beantwortet sie gerne . Bitte
schön .
Frau Präsidentin! Ich darf zunächst eine Vorbemerkung machen . - Der Kollege van Aken hat diese Frage,
sinngemäß, zweimal als dringliche Frage eingereicht . Sie
wurde zweimal nicht zugelassen. Die Kollegin Dağdelen
hat ebenfalls eine solche Frage, sinngemäß, eingereicht .
Sie wurde ebenfalls nicht zugelassen . Von daher stellt
sich natürlich die grundsätzliche Frage, ob nicht zugelassene dringliche Fragen im Rahmen der Regierungsbefragung gestellt werden können .
({0})
Ich darf noch die Anmerkung machen, dass wir vom
Auswärtigen Amt im Auswärtigen Ausschuss zu diesem
Komplex soeben Rede und Antwort gestanden haben .
Wir haben uns sehr intensiv mit dieser Frage befasst . Ich
kann selbstverständlich auch hier etwas dazu sagen . Aber
es ist eine grundsätzliche Frage an das Präsidium .
Frau Staatsministerin, wenn das so grundsätzlich
wäre, hätte ich die Frage nicht zugelassen .
({0})
Gut .
Jeder Abgeordnete hat das Recht, hier unter „andere
Fragen“ Fragen zu stellen, auch wenn sie als dringliche
Fragen nicht zugelassen worden sind . Ich bitte Sie als
Bundesregierung einfach, darauf zu antworten .
({0})
Gern . - Wenn das so weit geklärt ist, dass Fragen, die
als dringliche Fragen nicht zugelassen worden sind, in
der Regierungsbefragung gestellt werden können, gebe
ich Ihnen gern eine Antwort - so wie es auch eben im
Auswärtigen Ausschuss erfolgt ist .
({0})
- Es ist überhaupt keine Aufregung notwendig .
({1})
- Es ist überhaupt keine Aufregung notwendig .
Ich will dem Kollegen van Aken sehr deutlich sagen,
dass wir, wenn es um die Endverbleibserklärung geht,
die Regierung der Region Kurdistan-Irak darauf verpflichten, dass aus Deutschland geliefertes Material ausschließlich im Kampf gegen den IS einzusetzen ist . Das
ist für uns eine unabdingbare Kondition . Wir haben auch
immer wieder Wert darauf gelegt und nachgehakt, auch
in diesem Fall, weil es uns natürlich genauso umtreibt
wie Sie; da gibt es überhaupt keinen Zweifel . Ich bin
auch sehr froh, dass Sie diese Frage stellen;
({2})
denn diese Frage ist eine sehr grundsätzliche .
Sie sagen, dass aus dem Video der Einsatz von zwei
Gewehren verifiziert werden konnte. Wir können noch
nicht sagen, dass eine solche Verifikation möglich ist.
Das Video wird noch einer genaueren Auswertung unterzogen .
Ich möchte Ihnen auch noch eine grundsätzliche Antwort geben . Es war gewiss keine einfache Entscheidung
hier im Deutschen Bundestag, sich dieser Frage zu stellen, ob wir vonseiten Deutschlands Material liefern . Wir
haben uns damals so entschieden, weil es um den Schutz
der Jesiden ging . Jeder hier erinnert sich noch, welche
Bedrohung es war, dass es darum ging, die Jesiden vor
dem Genozid zu bewahren, und wie sich der IS dieser
Minderheit gezielt zugewandt hat, um sie systematisch
zu verfolgen und zu ermorden . Ich stehe zu dieser EntJan van Aken
scheidung, und die Bundesregierung steht zu dieser Entscheidung .
Vielen Dank . - Jetzt hat die Kollegin Höger das Wort .
Vielen Dank . - Auch ich habe eine Frage ans Auswärtige Amt .
Ende März beginnen in New York die Verhandlungen
im Rahmen der sogenannten humanitären Initiative zu einem Verbot und zur Ächtung von Atomwaffen . Die Bundesregierung hatte seinerzeit in den UN gegen den Versuch gestimmt, diese Initiative zu starten . Jetzt ist meine
Frage: Werden Sie die Verhandlungen begleiten und bei
den Verhandlungen anwesend sein?
Frau Kollegin, im Detail kann ich Ihnen darauf jetzt
nicht antworten, aber ich weiß, dass wir es hier schon
einmal erörtert haben und dass ich Ihnen dazu auch eine
Begründung gegeben habe . Wir können das gern noch
einmal konkretisieren .
({0})
Sie haben eine Antwort bekommen, Frau Höger . - Jetzt
ist die Kollegin Renner an der Reihe . An wen richten Sie
die Frage? Auch ans Auswärtige Amt, Frau Renner?
Ja, Frau Präsidentin, auch an Frau Staatsministerin Böhmer . - Ich möchte gern noch einmal zu dem in
Rede stehenden Einsatz von deutschen Waffen durch die
Peschmerga zum Schaden der Jesiden zurückkommen
und ganz konkret fragen: Plant die Bundesregierung,
vor Ort selbst zu recherchieren, zum Beispiel indem sie
den Militärattaché aus Bagdad zu den Jesiden entsendet
und dann auch Informationen vor Ort einholt? Wird sie
sich also nicht nur ein Video anschauen oder hier von
KDP-Vertretern berichten lassen, sondern selbst mit den
Betroffenen reden und vor allem auch die Situation vor
Ort in Augenschein nehmen?
Ich glaube, Sie dürfen großes Vertrauen in die Bundesregierung haben, was die Frage angeht, wie wir uns um
dieses Thema kümmern; denn es ist für uns ganz zentral,
dass die Waffen so eingesetzt werden, wie es vereinbart
ist, das heißt im Kampf gegen den IS . Das haben wir auch
gegenüber dem Vertreter der Region Kurdistan-Irak hier
deutlich gemacht . Aber wir haben auch in Erbil nachgehakt . Wir werden uns nicht darauf beschränken, uns ein
Video anzuschauen - das haben wir auch nicht getan -;
denn diese Frage ist eine sehr ernste . Aber jeder hier im
Raum weiß auch, dass, als wir die Entscheidung damals
getroffen haben, wir, ich sage mal, die Dinge nicht mit
101-prozentiger Sicherheit klären konnten . Deshalb haken wir so deutlich nach, auch gegenüber dieser Regionalregierung .
Vielen Dank . - Jetzt hat Uwe Kekeritz das Wort .
Danke schön . - Meine Frage bezieht sich auf Wirtschaftsverträge . Vielleicht erinnern Sie sich, dass wir
über zwei Jahre darüber diskutiert haben, ob die EPAs,
Economic Partnership Agreements, mit den afrikanischen Wirtschaftseinheiten hier im Hause ratifiziert werden müssen oder nicht . Nach über zwei Jahren kamen
wir zu dem Ergebnis: Es muss ratifiziert werden. Jetzt
ist es so, dass die EPAs vorläufig in Kraft gesetzt worden
sind, wenn auch nicht mit allen Regierungen . Wir haben
beim Wissenschaftlichen Dienst und bei anderen Juristen nachgefragt, ob auch ein Interimsabkommen ratifiziert werden muss . Ich habe im November 2016 bei der
Regierung schriftlich nachgefragt . Als Antwort habe ich
erhalten: Es wird geprüft .
Jetzt sind stolze fünf Monate vorbei . Ich will wissen,
inwieweit Sie zu einem Ergebnis gekommen sind und ob
ein solches Interimsabkommen ratifiziert werden muss
oder nicht .
Herr Kollege Kekeritz, ich verstehe gut, dass Sie nach
fünf Monaten nachfragen . Ich bitte umgekehrt um Verständnis, dass ich Ihnen diese Frage nicht aus der Hand
beantworten kann . Selbstverständlich bekommen Sie so
schnell wie möglich eine Antwort .
Vielen Dank . - Jetzt der Kollege Mutlu .
Danke, Frau Präsidentin . - Meine Frage geht auch an
das Auswärtige Amt . In den türkischen Medien wird in
diesen Tagen eine absurde Behauptung aufgestellt; es
sind angeblich Zitate der türkischen Regierung . Dort
werden türkische Regierungsvertreter zitiert mit der absurden Behauptung, die deutsche Auslandsvertretung
hätte den inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten
Deniz Yücel den türkischen Behörden übergeben, weil
er spioniert hätte . Ich würde gerne wissen, was Sie dazu
sagen . Wie wird man mit solch absurden Behauptungen
umgehen, die das deutsch-türkische Verhältnis sehr wohl
trüben, so wie hier, und nachhaltig schädigen könnten?
Frau Kollegin .
Danke . - Herr Kollege Mutlu, Sie haben sicherlich
verfolgt, dass die Bundesregierung diesen Spionageverweis sehr klar zurückgewiesen hat . Sie wissen, wie alle
hier im Raum - das betone ich noch einmal -, dass sich
der Journalist Yücel freiwillig gestellt hat . Es ist also keine Übergabe erfolgt .
Ich habe jetzt noch zwei Fragen . Ich setze niemanden
mehr auf die Redeliste . Eigentlich ist die Zeit schon abgelaufen, aber wir haben heute ein bisschen Spielraum .
Jetzt kommen Herr van Aken und Herr Beck mit ihren
Fragen . Danach beenden wir die Regierungsbefragung . Bitte schön .
Vielen Dank . - Ich möchte noch einmal zu dem Angriff auf die Jesiden möglicherweise mit deutschen Waffen nachfragen . Es geht mir nicht um Geschichte . Es geht
mir nicht darum, was 2014 oder in den letzten zwei Jahren richtig oder falsch war . Sie wissen, ich war gegen
diese Waffenlieferung, andere in der Linken waren dafür .
Das ist jetzt nicht meine Frage .
Meine Frage ist: Wenn Ihre eigene Untersuchung bestätigt, dass bei dem Angriff auf die Jesiden auch deutsche Gewehre aus Bundeswehrbeständen dabei waren Sie sagen ja gleichzeitig: es war immer klar festgelegt,
dass sie nur gegen den IS eingesetzt werden dürfen -,
dann ist das ein klarer Verstoß gegen diese Bedingung .
Was werden Sie dann tun? Werden Sie dann sofort mit
den Waffenlieferungen aufhören? Was werden Sie mit
der Bundeswehr im Irak tun? Werden Sie aufhören, weiter auszubilden? Welchen Wert hat es, wenn Sie eindeutig sagen: „Es gibt die klare Bestimmung: nur gegen den
IS und nichts anderes“? Und wenn dagegen verstoßen
wird, was passiert dann?
Herr van Aken, ich glaube, das Thema hat Sie nicht
nur heute umgetrieben, sondern es ist auch im Ausschuss
erörtert worden . Ich vermute, dass Sie das Thema immer
wieder aufgreifen . Uns treibt es auch um . Deshalb haken
wir so deutlich nach . Wir spüren das nicht nur in den Gesprächen, sondern es wird uns auch sehr deutlich von der
Regionalregierung Kurdistan-Irak gesagt, dass man genau weiß, wie wichtig und wie sensibel dieses Thema und
diese Verpflichtung für die deutsche Seite sind. Das sage
ich als Parlamentarierin und nicht nur als Staatsministerin, weil das für uns ein entscheidender Gesichtspunkt
war . Deshalb ist auch die Regionalregierung gehalten,
dies einzuhalten und zu überprüfen, und deshalb führen
wir die Gespräche und legen größten Wert darauf, dass es
in Zukunft auch weiter eingehalten wird . Das heißt auch,
dass wir den Kampf gegen den IS weiter unterstützen,
aber die Waffen entsprechend verwandt werden müssen .
Vielen Dank . - Jetzt abschließend der Kollege Beck .
Es ist im Wesentlichen eine Frage an das Bundeskanzleramt oder an das Bundesinnenministerium . Sie bezieht
sich auch auf die Vorgänge im Zusammenhang mit der
Türkei . Am 18 . Februar war unter anderem Ministerpräsident Yildirim in Oberhausen . Für die Veranstaltung in
Oberhausen wurde maßgeblich von Herrn Keskin von
der Diyanet mobilisiert, der das Schreiben mit der Aufforderung zur Auslandsspionage an die Generalkonsulate
der Republik Türkei versandt hat .
Ich wollte die Bundesregierung fragen, was sie über
den Aufenthalt von Herrn Keskin, dem Leiter der Abteilung für Auslandsbeziehungen der Diyanet in Ankara,
in Deutschland im Rahmen des Aufenthalts von Herrn
Yildirim weiß und ob sie mit mir die Annahme teilt, dass
Herr Keskin selbstverständlich nicht die Immunität genießt, die womöglich der Ministerpräsident genießen
mag .
Wer antwortet seitens der Bundesregierung? - Herr
Staatssekretär Frings . - Krings!
Klingt besser . Genau .
({0})
Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege, ich kann Ihnen
dazu aktuell nichts sagen . Wir können das gerne recherchieren . Ich kann auch zum Status nichts sagen . Wenn
er nur die von Ihnen beschriebene Funktion hat, würde
ich mich auch sehr wundern, wie man da auf Immunität
kommen sollte . Ich kann aber zu der Person ad hoc hier
nichts sagen . Wir können die Informationen gerne beibringen .
Ich wäre für eine schriftliche Unterrichtung sehr dankbar .
Vielen Dank . - Dann bedanke ich mich bei den Fragern, bei Herrn Bundesminister Gröhe, bei Frau Staatsministerin und Herrn Staatssekretär Krings für die
Beantwortung der Fragen und schließe jetzt die Regierungsbefragung ab .
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
Drucksache 18/11364
Ich rufe die mündlichen Fragen auf der Drucksache
18/11364 in der üblichen Reihenfolge auf .
Zunächst kommen wir zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit .
Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
werden schriftlich beantwortet .
Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen .
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts . Für die Beantwortung ist Herr Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche
hier .
Ich rufe die Frage 3 der Abgeordneten Martina Renner
auf:
Wie bewertet die Bundesregierung, dass der Bundesnachrichtendienst laut Medienberichten über mehrere Jahre hinweg
Journalisten und Redaktionen überwacht haben soll?
Frau Präsidentin, vielen Dank . - Frau Abgeordnete, ich gehe davon aus, dass Ihre Frage sich auf den
Spiegel-Artikel „Neue Dimension“ vom 25 . Februar
2017 bezieht .
Zunächst muss ich festhalten, dass ich dem Artikel
nicht entnehmen kann, dass dem BND der Vorwurf gemacht wird, er habe „über mehrere Jahre hinweg Journalisten und Redaktionen überwacht“, wie Sie das in Ihrer
Frage formulieren .
Ganz allgemein kann ich Folgendes sagen: Der Bundesnachrichtendienst sammelt nach § 1 Absatz 2 des
BND-Gesetzes „zur Gewinnung von Erkenntnissen über
das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer
Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die
erforderlichen Informationen und wertet sie aus .“ Die
Bundesregierung und auch der BND messen dabei der
Pressefreiheit große Bedeutung zu . Nachrichtendienstliche Maßnahmen, die Journalisten betreffen, sind daher
nicht die Regel, sondern die Ausnahme, bei der die Verhältnismäßigkeit im Besonderen zu prüfen ist . Darüber
hinaus gelten im Bundesnachrichtendienst in diesen Fällen weitere besondere Vorgaben .
Dass aber Journalisten nicht generell von staatlichen
Maßnahmen ausgenommen sind - und dies schließt auch
die Überwachung der Telekommunikation ein -, zeigt
sich an verschiedenen Stellen im Gesetz, etwa in § 3b
Absatz 2 des Artikel 10-Gesetzes . Nach diesem Paragrafen sind bestimmte Zeugnisverweigerungsrechte,
zum Beispiel von Journalisten, bei Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 des Artikel 10-Gesetzes im Rahmen
der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu
berücksichtigen . Der Gesetzgeber hat sich folglich ausdrücklich dagegen entschieden, einen absoluten Schutz
der Kommunikation von Journalisten einzuführen; vielmehr hat er sich für eine entsprechende Berücksichtigung
im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ausgesprochen .
Vielen Dank . - Frau Kollegin Renner, Sie haben sicher eine Nachfrage . Bitte schön .
Frau Präsidentin, ja, die habe ich . - Herr Fritsche,
ich würde gerne wissen, inwieweit das Bundeskanzleramt als zuständige Fach-, Dienst- und Rechtsaufsicht im
Nachgang zu der Spiegel-Veröffentlichung geprüft und
insbesondere beim BND nachgefragt hat, ob die in Rede
stehenden Suchbegriffe, die sich wohl auf Redaktionen
im Ausland beziehen, im Rahmen von G-10-Anordnungen gesteuert wurden oder ob es sich hier um eine gezielte Steuerung zu bestimmten Sachverhalten handelt,
die dem Auftragsprofil des Bundesnachrichtendienstes
entsprechen, oder ob es dritte Gründe gab, die zu der
Steuerung dieser Ziele führten . Also: Was haben Sie seit
der Veröffentlichung unternommen, um zu klären, wie es
zu der Überwachung von Journalisten - ich würde es tatsächlich so nennen - gekommen ist?
Tatsächlich haben wir - und das ist für die Fach- und
Dienstaufsicht ganz selbstverständlich - beim BND
nachgefragt, was zu dem, was im Spiegel steht, zu sagen
ist . Wir sind derzeit noch bei der Prüfung . Sie wissen aus
dem 1 . Untersuchungsausschuss dieser Legislaturperiode, dass es um die Selektoren der Nachrichtendienste
geht, und darüber kann nicht in öffentlicher Sitzung gesprochen werden . Ich kann Ihnen aber zweierlei sagen:
Wir werden zum einen die dafür vorhandenen parlamentarischen Gremien unterrichten - das ist selbstverständlich -, und zum anderen bin ich gerne bereit, Ihnen eine
eingestufte Antwort über die Geheimschutzstelle des
Deutschen Bundestages zur Verfügung zu stellen .
Frau Kollegin Renner? - Bitte .
Ich habe noch eine zweite Nachfrage . - Sie sprachen
von besonderen Vorkehrungen, die über die Rechtslage
hinaus getroffen würden . Gibt es im Bundesnachrichtendienst eine schriftlich formulierte Weisungslage zum
Einsatz von Selektoren, die Journalistinnen oder Journalisten oder Presse- und Medienvertreter und -vertreterinnen betreffen? Wenn ja, würde ich darum bitten, dass uns
entsprechende Informationen gegebenenfalls auch über
den Weg der Geheimschutzstelle zugänglich gemacht
werden .
Ich bin gerne bereit, Ihnen das über die Geheimschutzstelle zur Verfügung zu stellen .
Jetzt hat der Kollege Ströbele noch eine Zusatzfrage .
Danke, Frau Präsidentin . - Das hat Herr Fritsche
wahrscheinlich schon erwartet .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Manches kann man voraussehen .
Ja . - Mich interessiert zu den Selektoren, zu den Erkenntnissen, die im Spiegel veröffentlicht worden sind,
ob die Meldung, die der Spiegel herausgegeben hat, sich
auf Sachverhalte bezog, die der Bundesregierung zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung schon bekannt waren .
Wenn ja: Wann war das, und wann fanden diese Abhöraktionen statt?
Ich gehe davon aus, dass Sie meinen, dass die aktuelle Veröffentlichung bzw . ihr Inhalt der Bundesregierung
vorher bekannt waren .
({0})
Das ist nach meiner Kenntnis nicht der Fall . Es ist vielmehr so - das habe ich auch der Abgeordneten Renner
gesagt -, dass wir, nachdem wir das gehört haben, beim
BND nachgefragt haben und die entsprechenden parlamentarischen Gremien darüber unterrichten werden .
Vielen Dank . - Herr van Aken .
Herr Fritsche, mich würde interessieren, ob Sie, jemand im BND oder jemand in der Bundesregierung eigentlich mal auf die Betroffenen zugegangen ist, also sowohl auf die, die direkt überwacht worden sind, aber auch
auf die Redaktionen von Washington Post, von Reuters
und von der BBC, um mit ihnen zu erörtern, wann, warum, wie und mit welchem Ergebnis die Überwachung
stattgefunden hat und wann sie eingestellt worden ist .
Denn auf der Seite der Journalisten gibt es wahrscheinlich eine große Verunsicherung .
Zunächst einmal: Ich habe bereits der Abgeordneten
Renner gesagt, dass wir derzeit noch prüfen, was an dem
Sachverhalt dran ist - da scheint manches historisch
sehr weit zurückzuliegen -, und dass es vor dem Hintergrund - das ist Frau Abgeordneter Renner ja bekannt -,
dass es im Bundesnachrichtendienst aus anderer Tätigkeit gespeichert worden ist, von uns noch aufgeklärt werden muss .
Zum anderen Teil Ihrer Frage . Wenn wir das aufgeklärt
haben, dann werden wir natürlich nur allgemein - so wie
ich es vorhin in der Antwort gesagt habe: dass es nicht
einen generellen Schutz der Kommunikation von Journalisten gibt; nicht einmal im G 10-Gesetz, das der Gesetzgeber hier in diesem Haus verabschiedet hat - dazu
Stellung nehmen können, aber niemals zu Einzelfällen;
dafür gibt es die Berichterstattung gegenüber den dafür
zuständigen Gremien . Das ist notwendig und richtig .
Vielen Dank . - Damit gibt es zu dieser Frage keine
Nachfragen mehr .
Die Kollegin Renner hat aber noch die Frage 4 gestellt:
Wie will die Bundesregierung verhindern, dass dies auch
künftig ständige Praxis des Bundesnachrichtendienstes bleibt?
Bitte schön . - Oder waren Sie mit allem, was geantwortet worden ist, schon zufrieden? - Das ist auch mal
was Neues . Gut .
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes .
Die Frage 5 des Kollegen Movassat wird schriftlich
beantwortet .
Wir kommen zur Frage 6 der Abgeordneten
Dr . Franziska Brantner:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus
dem am 1 . März 2017 veröffentlichten Bericht der UN-Untersuchungskommission über Kriegsverbrechen der syrischen
Konfliktparteien ({0})?
Bitte schön, Frau Staatsministerin Böhmer .
Danke, Frau Präsidentin . - Ich darf Ihnen wie folgt
antworten, Frau Kollegin Brantner: Der jüngste Bericht
der unabhängigen Untersuchungskommission des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen zu Syrien über
die Eroberung von Aleppo im Herbst 2016 ist erschütternd .
Es wird ein weiteres Mal eindeutig dokumentiert, mit
welcher Brutalität und Rücksichtslosigkeit insbesondere
das syrische Regime und seine Verbündeten vorgehen .
Damit wird erneut unterstrichen, wie dringlich die
Beendigung dieser gravierenden Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts ist und
wie wichtig es ist, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen .
Die Bundesregierung wird sich daher weiterhin sowohl in den internationalen Foren und in politischen
Gesprächen als auch in der Zusammenarbeit mit zuständigen Organen der Vereinten Nationen, die Ihnen bekannt sind, und durch die Unterstützung dieser Organe
mit Nachdruck dafür einsetzen, dass diese Ziele erreicht
werden .
Dafür ist es auch wichtig, die Verhandlungen in Genf
fortzusetzen und dabei schnell in Substanzgespräche einzusteigen .
Frau Kollegin Brantner .
http://www.tagesschau.de/ausland/syrien-un-bericht-kriegsverbrechen-101.html
http://www.tagesschau.de/ausland/syrien-un-bericht-kriegsverbrechen-101.html
Danke für die Antwort . - Ich habe noch eine Rückfrage . Es gab ja vor allen Dingen mit Blick auf den Einsatz
der Chemiewaffen auch Sanktionsversuche durch den
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die am Veto von
Russland und China gescheitert sind . Daher meine Nachfrage, inwieweit Sie als Bundesregierung vorhaben, dies
auch im Rahmen der Generalversammlung zu diskutieren und dort mögliche Sanktionen voranzubringen .
Frau Kollegin Brantner, ich war auch sehr erschüttert .
Hier geht es ja um Chlorgas, das nicht unter die zu vernichtenden Chemiewaffen fällt . Man lernt immer noch
dazu . - Aber die Wirkung von Chlorgas ist ebenfalls katastrophal .
Wir haben leider hinnehmen müssen, dass eine entsprechende UN-Resolution durch Russland und China
verhindert worden ist . Aber ich kann Ihnen versichern:
Wir bleiben am Ball .
Auch auf EU-Ebene geht es um die Verschärfung
möglicher Sanktionen . In Bezug darauf, inwieweit das
wirklich etwas ändert, habe ich zwar meine Zweifel, wie
ich gestehen muss . Ich glaube aber, dass wir an dieser
Stelle trotzdem nicht lockerlassen dürfen und das auf allen Ebenen der Politik und in allen Gremien brandmarken müssen .
Vielen Dank . - Frau Kollegin Brantner, sind Sie zufrieden? - Sie haben noch eine Frage .
Sie haben gerade gesagt, dass Sie sich nicht sicher
sind, ob das etwas bringt . Eigentlich gibt es ja ein Chemiewaffenabkommen . Chlorgas fällt allerdings nicht
darunter . Inwieweit arbeiten Sie daran, das zu erweitern
und Chlorgas dort eindeutig mit hinzuzufügen?
Das scheint mir von der rechtlichen Möglichkeit der
Kategorisierung her schwierig zu sein . Deshalb habe ich
in den Diskussionen, die wir auch im Auswärtigen Amt
führen, den Blick noch einmal besonders auf die Frage
gerichtet - darauf bezog sich dann auch meine Anmerkung -, ob eine Verschärfung der Sanktionen möglich
ist und ob andere Sanktionsmöglichkeiten auf EU-Ebene
weitergeführt werden können . Das wird derzeit geprüft .
Meine Zweifel, die ich eben anmerkte, bezogen sich
auf die Sanktionen . Wie Sie wissen, haben wir jetzt
schon sehr zahlreiche und auch verschärfte Sanktionen .
Sie führen nicht zu dem Ergebnis, das Sie sich wünschen,
das wir anstreben und das wir uns alle erhoffen .
Meines Erachtens müssen wir deshalb alles daransetzen - unabhängig von der Frage, ob es gelingt, weitere
Verbote bzw . weitere Verschärfungen herbeizuführen -,
dass dieser so mühselige Prozess, der jetzt in Genf wieder in Gang gekommen ist, fortgesetzt wird und dass substanzielle Fragen dann auch miteinander erörtert werden .
Es geht um die Menschen und deren Schicksal . Und das,
was sich dort abspielt, ist grauenhaft .
Vielen Dank . - Wir haben noch eine Zusatzfrage des
Kollegen van Aken . Bitte schön .
Dieser UN-Bericht ist ja eindeutig: Einige der Chemiewaffeneinsätze in Syrien werden dem sogenannten
IS zugewiesen, andere eindeutig dem Regime . - Jetzt
befindet sich das Regime ja in dem Prozess zum Beitritt
zur Chemiewaffenkonvention . Meine Frage lautet: Welche Auswirkungen hat das eigentlich im Exekutivrat der
OVCW? Was passiert dort? Wird das dort thematisiert?
Wird der Beitritt Syriens bzw. die Ratifizierung der Chemiewaffenkonvention durch Syrien infrage gestellt?
Welche Konsequenzen hat das dort?
Herr Kollege van Aken, das habe ich vor dieser Fragestunde nicht abgeklopft; aber ich teile Ihnen das gerne
mit .
Vielen Dank . - Die Frage 7 des Abgeordneten Omid
Nouripour, die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Özcan
Mutlu sowie die Fragen 10 und 11 der Abgeordneten
Tabea Rößner werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 12 der Abgeordneten Inge Höger
auf:
In welcher Form ({0}) hat die Bundeskanzlerin im Rahmen ihres Besuches in Ägypten die ägyptische Regierung vor dem fortgesetzten Abbau von Menschenrechten durch die vom Machthaber Abdel Fattah el-Sisi zu
unterzeichnende Nichtregierungsorganisationsgesetzgebung
gewarnt, und welche Form von Sicherheitskooperation ({1}) besteht zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und Ägypten?
Bitte schön, Frau Staatsministerin . Sie sind heute sehr
gefragt .
Ja, das sind ja auch politische Fragen, die uns alle derzeit sehr intensiv bewegen . - Frau Kollegin Höger, ich
darf Ihnen wie folgt antworten: Bei ihrem Besuch in Kairo
hat die Bundeskanzlerin Dr . Angela Merkel die Lage der
Menschenrechte und der Zivilgesellschaft in Ägypten als
zentrales Thema angesprochen . Ein Schwerpunkt ihrer
Gespräche lag auf der Situation der deutschen politischen
Stiftungen, die selbst und über ihre lokalen Partner einen
wichtigen Beitrag zur Demokratieförderung, zur politischen Partizipation und zum zivilgesellschaftlichen Engagement leisten . Gespräche mit Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten und Vertreterinnen und Vertretern
der Zivilgesellschaft waren wesentlicher Bestandteil des
Programms .
Über den Entwurf eines neuen NGO-Gesetzes ist die
Bundesregierung besonders besorgt . Das Gesetz schränkt
die Freiheiten der Zivilgesellschaft in Ägypten in empfindlicher Weise ein. Auch die Bundeskanzlerin hat den
Entwurf eines neuen NGO-Gesetzes gegenüber Staatspräsident el-Sisi angesprochen . Sie hat insbesondere
auf die Bedeutung hingewiesen, die wir freien Medien,
Rechtsstaatlichkeit, politischen Mitwirkungsrechten und
einer aktiven Zivilgesellschaft für eine gute Entwicklung
und die Stabilität des Landes beimessen . Sie hat auch
bessere Arbeitsmöglichkeiten für Menschenrechtsorganisationen und NGOs gefordert und dabei auch konkrete
Fälle angesprochen .
Im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit haben
Deutschland und Ägypten am 11 . Juli 2016 ein Sicherheitsabkommen unterzeichnet . Es dient dazu, die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden insbesondere bei
der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität und
des Terrorismus zu verbessern und dadurch die innere Sicherheit beider Staaten zu erhöhen . Das Abkommen ist
bislang noch nicht in Kraft getreten . Darüber hinaus unterstützt Deutschland Ägypten durch Einzelmaßnahmen
im Bereich der polizeilichen Aufbau- und Ausstattungshilfe .
Die militärische Zusammenarbeit mit Ägypten beschränkt sich auf das Angebot von Lehrgangsplätzen
in Deutschland im Rahmen der militärischen Ausbildungshilfe . Für 2017 sind unter anderem ein Erfahrungsaustausch im Bereich der Bekämpfung improvisierter
Sprengfallen, ein Seminar zur inneren Führung sowie
Informationsbesuche beim ägyptischen Sanitätsdienst
vorgesehen .
Frau Kollegin Höger, Sie haben bestimmt eine Nachfrage .
Ja . - Vielen Dank, Frau Staatsministerin . Ich habe eine
Nachfrage zu einer konkreten NGO . Das ägyptische Al
Nadeem Center, ein Menschenrechtszentrum für Folteropfer, das allein für Februar die Tötung oder Ermordung
von 107 Menschen festgestellt hatte, wurde inzwischen
geschlossen . Hat die Bundeskanzlerin nachgefragt, wie
diese NGO weiterarbeiten kann, weil sie eine sehr wichtige menschenrechtspolitische Arbeit leistet?
Ich verstehe, dass Sie danach fragen . Solche Gespräche werden in der Regel vertraulich gehandhabt; aber ich
darf Ihnen sagen, dass die Bundeskanzlerin auch sehr
konkret nachgefragt hat .
Eine weitere Zwischenfrage?
Ich hätte noch eine Nachfrage zu dem Sicherheitsabkommen bzw . der bisherigen Zusammenarbeit mit der
Polizei . Das ägyptische Regime ist ja für Folterungen
im Gefängnis und andere schwere Menschenrechtsverletzungen bekannt . Wie können Sie ausschließen, dass
die Polizei, die Sie mit ausbilden, an solchen Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist?
Das ist eine Frage, die uns im Vorfeld des Abkommens
natürlich schon sehr bewegt hat und die für alle Sicherheitsabkommen gilt . Wir werden ja nachher über Tunesien sprechen . Daher darf ich Ihnen sagen: Wenn Sie diese
Fragen auch bezogen auf Tunesien haben, werde ich sie
in gleicher Weise beantworten .
Das Sicherheitsabkommen mit Ägypten - analog
Tunesien - sieht vor, dass die Zusammenarbeit der Vertragsparteien in allen Bereichen nach den Maßgaben ihres jeweiligen innerstaatlichen Rechts erfolgt . Das heißt,
es enthält eine allgemeine Vorbehaltsklausel zur Ablehnung der Zusammenarbeit, wenn diese in Widerspruch
zum innerstaatlichen Recht einer Vertragspartei steht .
Eine Anwendung des Vertrags ist also bei drohenden
Menschenrechtsverletzungen ausgeschlossen .
Vielen Dank . - Wir kommen dann zur Frage 13 der
Abgeordneten Inge Höger:
Welche Sicherheitskooperationen ({0}) bestehen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Tunesien?
Bitte schön, Frau Staatsministerin .
Danke schön, Frau Präsidentin . - Ich darf Ihnen wie
folgt antworten: Im September 2016 hat die Bundesregierung ein Sicherheitsabkommen mit Tunesien unterzeichnet . Das Abkommen ist bislang noch nicht in Kraft
getreten . Es dient dazu, die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden insbesondere bei der Bekämpfung der
grenzüberschreitenden Kriminalität und des Terrorismus
zu verbessern und dadurch die innere Sicherheit beider
Staaten zu erhöhen .
Zudem ist Tunesien eines von fünf Schwerpunktländern der im Jahr 2016 erstmals aufgelegten Ertüchtigungsinitiative . Im Jahr 2016 wurden Projekte im Wert
von 17,5 Millionen Euro durchgeführt . Für 2017 sind
Projekte im Wert von 30,7 Millionen Euro geplant . Bei
den Projekten geht es unter anderem um die Sicherung
der Grenzen zu Libyen, um die Grenzpolizei und den Polizeiaufbau allgemein . Ich kann Ihnen auch die Beträge
nennen: im ersten Fall 16 Millionen Euro, im zweiten
2,1 Millionen Euro und im dritten 0,5 Millionen Euro .
Tunesien ist auch Schwerpunktland des 2017 anlaufenden vierjährigen Programms zur polizeilichen Ausbildungs- und Ausstattungshilfe . Das Projektvolumen für
Tunesien beträgt allein 2017 circa 2,7 Millionen Euro .
Die Schwerpunkte sind Grenzmanagement, Aus- und
Fortbildung, Führungsmanagement und kriminalpolizeiliche Spurensicherung .
Zudem werden seit 2004 im Rahmen bilateraler Jahresprogramme zahlreiche Kooperationsmaßnahmen
durchgeführt . Das Programm 2017 beinhaltet unter anderem Maßnahmen zum Kampf gegen improvisierte
Sprengfallen, zur allgemeinen Stabsoffiziersausbildung,
zur Seeraum- und Küstenüberwachung sowie ein Seminar zu Streitkräften in der Demokratie .
Tunesien erhält schließlich seit 1972 militärische Ausbildungshilfe . Bisher schlossen 400 tunesische Soldaten
eine Ausbildung in Deutschland erfolgreich ab . Schwerpunkt ist die Technikerausbildung .
In Tunesien wurde ein Polizeiprojektbüro eingerichtet . Inhaltliche Schwerpunkte liegen auf dem Grenzmanagement, der Aus- und Fortbildung, der Dokumentenund Urkundensicherheit, der maritimen Sicherheit, der
Schulpartnerschaften, dem Sachbeweis und der Ausbildung von Führungskräften . Zudem gibt es ergänzende
Ausstattungshilfen .
Vielen Dank . - Frau Kollegin Höger, Ihre Nachfrage .
Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort . - Ich
habe eine Nachfrage zu der sogenannten Ertüchtigungsinitiative . In diesem Rahmen sind der tunesischen Regierung elektronische Grenzüberwachungsanlagen geschenkt worden . Die Firma Airbus, die diese Anlagen
installiert hat bzw . herstellt, bewirbt die Anlagen auf ihrer
Webseite als besonders zur Migrationskontrolle geeignet .
Geht es Ihnen im Rahmen dieser Ertüchtigungs initiative
um Unterstützung der Grenzsicherung, oder geht es Ihnen vorrangig um die Begrenzung von Migrationsbewegungen?
Bei der Ertüchtigungsinitiative - das habe ich Ihnen ja
gesagt - geht es um die Sicherung der Grenze zu Libyen,
die Grenzpolizei und den Polizeiaufbau allgemein .
Eine weitere Nachfrage?
Sie haben im Rahmen der militärischen Grenzüberwachung in Tunesien den Aufbau von Polizeistationen entlang der Grenze zu Libyen gefördert und monetisiert . Inzwischen plant die Europäische Union, an der libyschen
Grenze ein Flüchtlingslager für aus der EU Abgeschobene aufzubauen . Steht das miteinander in Verbindung, und
welche Überlegungen stellt die Bundesregierung zu dem
Bau dieses Flüchtlingslagers an?
Ein solcher Zusammenhang ist mir nicht bekannt .
Da die Kollegin Dağdelen um schriftliche Beantwortung der Frage 14 gebeten hat, Frau Staatsministerin, bedanke ich mich bei Ihnen für die Beantwortung der Fragen . Wir schließen diesen Geschäftsbereich ab .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf . Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Frings - - Krings
zur Verfügung .
({0})
- Das war eine Freud’sche Fehlleistung .
({1})
- Man denkt eben immer ans Fringsen, weil es ja um das
Innere geht .
({2})
Die Frage 15 der Kollegin Britta Haßelmann wird
schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
Warum beantwortet die Bundesregierung den zweiten
Teil meiner schriftlichen Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 18/11220 nicht, der lautete, warum die im Gemeinsamen
Terrorismusabwehrzentrum ({3}) am 2 . November 2016
vereinbarte Prüfung der Erkenntnisse durch das Bundesamt
für Verfassungsschutz ({4}) beim marokkanischen Nachrichtendienst vollständig unterblieb, und wer hat diese Nichterfüllung der im GTAZ am 2 . November 2016 ({5}) übernommenen Aufgabe, die vier
Mitteilungen aus Marokko vom 19 . September, 11 . Oktober,
13 . Oktober, 26 . Oktober 2016 mit Erkenntnissen zu deutschlandfeindlichen Äußerungen Anis Amris, zu einem Projekt,
das er ausführt, und zu IS-Anhängern in Berlin, bei denen er
unterkommt, zu prüfen, veranlasst bzw . zu verantworten?
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Es ist schon richtig:
Das Innenministerium ist ja sowohl das Sicherheits- als
auch das Kirchenministerium . Insofern kann sich bei
„Frings“ der doppelte Vergleich schon anbieten . Auch als
Protestant betrachte ich das als durchaus ehrbaren Versprecher .
Lieber Herr Kollege Ströbele, die Antwort auf Ihre
Frage ist nicht, wie Sie unterstellen, unterblieben . Sie
ist im Kontext der Antwort sehr wohl zu verstehen . Der
Vollständigkeit halber gebe ich diese gern noch einmal
wieder, um Missverständnisse, die Sie angesprochen haben, auszuräumen .
Bei den Meldungen des marokkanischen Nachrichtendienstes handelte es sich um Erkenntnisanfragen . In
der Regel werden mit einer Erkenntnisanfrage natürlich
auch Erkenntnisse übermittelt . So war es auch hier . Nach
Abwägung des Informationsinteresses im GTAZ, also
im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum, wurde
zunächst eine Erkenntnisanfrage an einen anderen Nachrichtendienst gestellt, um die Informationen weiter anzureichern oder bewerten zu können . Dies geschah nicht
zuletzt, weil die Mitteilungen nach einer gemeinsamen
Bewertung der Sicherheitsbehörden keine konkretisierenden Informationen enthielten und für eine weiter gehende Gefährdungsbewertung nicht geeignet waren .
Diese Vorgehensweise ist nicht unüblich, sondern regelmäßige Praxis . Die Überprüfung von Informationen
ausländischer Partner ist nachrichtendienstliches Tagesgeschäft; das wissen Sie als langjähriger Kontrolleur .
Dabei obliegt die Art der Vorgehensweise natürlich dem
Nachrichtendienst, hier dem Bundesamt für Verfassungsschutz . Das BfV hat die Informationen in diesem Fall
vorerst über Dritte bewerten lassen . Diese Vorgehensweise entspricht, wie bereits ausgeführt, zu Recht und mit
guten Gründen der gängigen Praxis . Weitere, vor allem
inhaltliche Angaben zur Arbeit der Nachrichtendienste
kann ich in diesem Rahmen aus den Ihnen bekannten
Gründen natürlich nicht machen .
Vielen Dank . - Herr Kollege Ströbele, ich sehe, Sie
sind nicht zufrieden . Sie haben die Gelegenheit zu zwei
Nachfragen .
Herr Staatssekretär, Sie drücken sich weiter . Ich habe
Ihnen doch vorgehalten - das können Sie auch nachlesen -, dass in der Chronologie unter dem 2 . November
2016 der Satz steht: „Bundesamt für Verfassungsschutz
prüft“, und zwar nicht irgendwo, bei irgendwem, sondern bei marokkanischen Behörden . Dabei geht es um
die Meldungen, die da gekommen sind . Das andere, was
Sie sagen, stimmt ja alles . Aber dieser Prüfauftrag, der
eindeutig und klar ist, wurde nicht ausgeführt . Dazu habe
ich die Frage gestellt: Warum nicht, und wer hat das entschieden?
Lieber Herr Kollege, ich habe doch gerade ausgeführt, dass die Überprüfung - unabhängig davon, was
ursprünglich im GTAZ angedacht worden ist ({0})
natürlich auf eine solche Art und Weise durchgeführt
werden muss, dass sie etwas bringt, dass sie zielführend
ist, dass die Informationen dadurch wirklich werthaltiger
werden . Die Fachleute im entsprechenden Dienst waren
offenbar nicht der Auffassung, dass dies der richtige Weg
ist, und haben einen anderen Weg eingeschlagen, der
erfolgversprechender war . Das war gut so, weil sie das
fachlich natürlich eher bewerten können als eine Gruppe,
die vielleicht nicht so sehr im operativen Geschäft tätig
ist .
Herr Ströbele, die zweite Nachfrage .
Das befriedigt mich überhaupt nicht . - Sie sagen, die
Fachleute haben das gemacht . Aber warum werden im
GTAZ als Adressat dieser Prüfung ganz eindeutig die
marokkanischen Behörden genannt? Es stimmt auch
nicht, dass diese Meldungen oder Erkenntnisse, die der
eigenen Anfrage beigefügt waren, nichts Neues erbracht
hätten . Da war sensationell Neues dabei, zum Beispiel,
dass Amri ein Projekt ausführt . Da müssen doch - es geht
schließlich um einen Höchstgefährder - alle Alarmglocken klingeln: Was ist das für ein Projekt, wo haben die
das her, und was kann das bedeuten? - Vielleicht ging
es bei diesem Projekt um den Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin . Man konnte doch nur bei den marokkanischen Behörden herausbekommen, was das zu
bedeuten hat und woher das stammt . Warum haben Sie
das nicht gemacht?
Herr Kollege, natürlich hat man diese Hinweise ernst
genommen . Gerade deshalb hat man den Weg gewählt,
der die bestmögliche Klärung versprach, und das war
eben der Weg, den man hier aus fachlicher Sicht eingeschlagen hat .
Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Hans-Christian
Ströbele auf:
Welche Angaben macht die Bundesregierung zu Inhalt und
Herkunft der Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden des Bundes, Bundesnachrichtendienst, BfV, Bundeskriminalamt, aus
den beiden libyschen Telefonnummern, die im Februar 2016
bei Anis Amri sichergestellt wurden ({0}), sowie zu dem Zeitpunkt deren jeweiliger Erlangung bis zum Anschlag in Berlin am 19 . Dezember 2016, und
welche Informationen aus Erkenntnissen zu den libyschen Telefonnummern hat sie nicht nur an Tunesien im Februar 2016,
wie ausweislich des Protokolls der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Günter Krings in der Fragestunde vom 15 . Februar
2017 in der Antwort auf meine Frage 22 behauptete, sondern
bis zum 19 . Dezember 2016 auch an andere ausländische Behörden weitergegeben ({1})?
Herr Staatssekretär .
Ja, sehr gerne . - Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege! Meine Damen und Herren! Wie ich der Fragestellung
entnehmen kann, gibt es zu dem Komplex der libyschen
Rufnummern ganz offenbar einen andauernden Informationsbedarf . Ich komme dem gerne nach und will das
noch einmal zusammenhängend in einigen Sätzen darstellen .
Bei Anis Amri wurde im Februar 2016 im Zuge einer Personenkontrolle im Zentralen Omnibusbahnhof
in Berlin ein mitgeführtes Mobiltelefon aufgrund einer
INPOL-Ausschreibung zur Eigentumssicherung sichergestellt und durch das Landeskriminalamt Berlin mit Unterstützung des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen ausgewertet . Die Auswertung des Mobiltelefons
ergab keine Hinweise auf Anschlagsplanungen oder
sonstige Straftaten . Im GTAZ wurden im Februar 2016
die bis dahin vorliegenden Erkenntnisse zu Amri ausgetauscht und die weitere Vorgehensweise abgestimmt .
Die Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr lag beim Landeskriminalamt Berlin . Das Bundeskriminalamt wurde in
Amtshilfe um Sicherung der Inhalte des sichergestellten
Mobilfunkgerätes gebeten .
Durch das Bundeskriminalamt wurden daraufhin im
Rahmen der Auswertung und der Zentralstellenfunktion
im Februar 2016 zwei libysche Kontaktrufnummern des
Amri an Tunesien übermittelt . Die tunesischen Behörden
wurden gebeten, zu prüfen, ob zu Anis Amri, den genutzten Alias-Personalien sowie den genannten libyschen Telefonnummern Erkenntnisse vorliegen . Dabei haben alle
durchgeführten Abklärungen zu den in Rede stehenden
Rufnummern keinen Tatzusammenhang ergeben .
Das sind alle vorliegenden Informationen aus der Befassung der Sicherheitsbehörden zum Fall Amri im Zusammenhang mit den libyschen Rufnummern, die ich
Ihnen hier auf diesem Weg mitteilen kann .
Ich kann inzwischen erkennen, dass Ihre Frage auch
auf die Arbeit und den Umgang der Nachrichtendienste abzielt . Hierzu kann ich Ihnen aber - das wissen Sie
ja bestens - aus Gründen des Staatswohls keine offenen
Angaben machen; denn dies würde die Arbeit der Nachrichtendienste gefährden und gegen die Ihnen bekannte
„Third Party Rule“ verstoßen . Dennoch können Sie gewiss sein, dass alle Informationen hierzu bereits ausführlich - und die Unterlagen im Original - der Task Force
des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Verfügung
gestellt worden sind . Insofern empfehle ich gerade Ihnen eine Einsichtnahme in diese Unterlagen in dem dafür
vorgesehenen Gremium . Sie haben ja als Mitglied die
Möglichkeit, das zu tun .
Herr Kollege Ströbele .
Danke, Frau Präsidentin . - Ich würde ja gerne alle
Akten einsehen, wenn sie da wären . Darum geht es jetzt
aber nicht .
Sie behaupten, dass - die Nachrichtendienste lassen
wir einen Augenblick beiseite - das Bundeskriminalamt
und die LKAs keine anderen Erkenntnisse über den Inhalt der Telefonate und über den sonstigen Informationsaustausch, der mittels der Handys vorgenommen wurde,
haben . Gab es also keine Informationen beim BKA oder
bei den LKAs? Und warum teilen Sie sie hier nicht mit,
wenn es welche gegeben hat?
Ich habe geschildert, wann welche Informationen
he rausgegangen sind, und Sie haben jetzt noch einmal
intensiv nachgefragt; das verstehe ich auch . Ich habe
dargelegt, dass das Bundeskriminalamt erst nach dem
Vorfall Informationen an andere Dienste, die Sie hier angesprochen haben, weitergegeben hat .
Herr Ströbele, noch eine weitere Nachfrage?
Ja . - Gibt es außer den beiden Handys noch andere
Handys, die bei Amri gefunden worden sind und libysche
Telefonnummern enthielten?
Lieber Kollege, das kann ich Ihnen aus dem Stegreif
nicht beantworten . Mir sind darüber keine Kenntnisse
zugetragen worden . Ich kann das gerne noch einmal abklären .
Vielen Dank . - Die Frage 18 des Kollegen Dr . André
Hahn, die Fragen 19 und 20 des Kollegen Andrej Hunko,
die Frage 21 der Kollegin Sevim Dağdelen und die Frage 22 der Kollegin Beate Walter-Rosenheimer werden
schriftlich beantwortet .
Dann kommen wir zu Frage 23 des Abgeordneten
Volker Beck:
In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2016 und 2017 Staatsangehörigen aus
Staaten, in denen die Apostasie ({0}) strafbar ist, trotz ihrer nach der Einreise erfolgten Taufe und der fortbestehenden Mitgliedschaft in
einer christlichen Kirche die Abschiebung angedroht, und in
wie vielen Fällen ist die Abschiebung erfolgt ({1})?
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Kollege Beck,
Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung nicht vor . Derartige Sachverhalte werden
weder im Ausländerzentralregister noch in der Asylgeschäftsstatistik des Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge noch in den Statistiken der Bundespolizei
gesondert erfasst .
Herr Kollege Beck, Sie haben die Möglichkeit, nachzufragen .
Es ist bedauerlich, dass ich offensichtlich mehr weiß
als die Bundesregierung; aber das kann ja mal vorkommen .
Ich bin gespannt, was Sie uns so erzählen können .
Da Sie hier ja schon als Kardinal Frings tituliert wurden, hoffe ich, dass Sie auch ein gewisses Maß an Empathie für verfolgte Christen aus Ländern mitbringen, wo
auf Apostasie die Todesstrafe steht . - Mir sind zwei Fälle
von getauften Iranern aus dem Kirchensprengel Soest
bekannt, die nach ihrer Taufe in der evangelischen Kirche - das ist nicht irgendein obskurer Klub - Abschiebeandrohungen bekommen haben . Ich möchte Sie fragen,
ob Sie mit mir der Auffassung sind, dass man getaufte
Christen, denen man Apostasie vorwerfen kann, nicht in
Länder zurückschicken kann, in denen dies unter Todesstrafe steht .
Frau Präsidentin, vielleicht sollten wir für alle anderen
noch einmal erklären: Apostasie ist - jedenfalls in diesem
konkreten Fall - der Abfall vom Islam .
({0})
Das steht in manchen Ländern unter Strafe, bis hin zur
Androhung von Strafen entsprechend einem Kapitalverbrechen . Es gibt hier aber erfreulicherweise positive Entwicklungen . Dabei denke ich an die neuesten Nachrichten aus Marokko, wo man offenbar von der Ächtung der
Apostasie abrückt . Sie ist allerdings in der Tat in vielen
Ländern ein sehr ernster Vorwurf .
Man muss sich jetzt das ganze Verfahren anschauen:
Den Entscheidern des Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge liegen für die Prüfung der Asylanträge von
zum Christentum konvertierten Antragstellern immer
umfangreiche Informationen auch über die Lage in den
Herkunftsländern vor, also ob dort die freie Ausübung
des Christentums möglich ist oder nicht und welche
Sanktionen drohen . Ist der Antragsteller getauft worden,
hat die Kirche zuvor bereits die Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts geprüft; davon gehen wir jedenfalls aus .
Dies wird nach Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge von ihm auch nicht infrage gestellt
und erneut geprüft . Das Bundesamt prüft im Rahmen des
Asylverfahrens vielmehr, ob christlichen wie auch allen
anderen Antragstellern bei Rückkehr in ihr Herkunftsland wegen ihres Glaubens Verfolgung droht . Dies gilt
gleichermaßen für Antragsteller, die bereits in ihrem
Herkunftsland Christen waren - das gibt es ja auch -,
wie auch für Konvertiten, die in Deutschland zum christlichen Glauben übergetreten sind . Im Rahmen der persönlichen Anhörung - die, glaube ich, sehr wichtig ist prüft das BAMF darüber hinaus im Einzelfall, wie der
Antragsteller seinen Glauben in Deutschland lebt, um
daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können, wie er sich
bei seiner Rückkehr ins Herkunftsland voraussichtlich
verhalten wird und ob daraus konkret eine Verfolgungsgefahr entsteht .
Herr Kollege Beck .
So weit, so bürokratisch . - Mir geht es ganz konkret
um Personen . Wir sind uns sicher einig, dass im Iran
Menschen, die im Christentum aufgewachsen sind, in
der Regel keiner Verfolgung ausgesetzt sind, zumindest,
wenn sie den etablierten orthodoxen oder katholischen
Kirchen angehören . Bei Protestanten sieht das aber schon
anders aus, und gänzlich anders sieht es bei Konvertierten aus . Teilen Sie mit mir die Auffassung, dass wir keine
hier getauften Christen in den Iran zurückschicken können, weil ihnen dort ansonsten die Todesstrafe droht?
In bestimmten Ländern - Sie haben eben eines genannt - ({0})
- Ich will versuchen, darauf zu antworten, und schaue
mir die konkreten Fälle gerne auch noch einmal an .
Bei der Antwort auf Ihre Frage handelte es sich nicht
um Bürokratendeutsch, sondern schon um eine klare Differenzierung . Ich glaube, grundsätzlich - das gilt für viele
Fälle - würde die Taufe dazu führen, dass eine Abschiebung in solche Länder gar nicht möglich ist . Vielleicht
ist sogar Asyl bzw . der Flüchtlingsstatus zu gewähren .
Es gibt aber auch Fälle - die sind dokumentiert, teilweise auch gerichtlich -, wo man sich zum Zeitpunkt der
Taufe zwar hat ernsthaft taufen lassen, diesen Glauben
allerdings überhaupt nicht auslebt . Insofern würde jemandem, der den Glauben in Deutschland nicht auslebt,
auch im Heimatland keine Verfolgung drohen . Jedenfalls
sind solche Konstellationen vorstellbar . Deshalb würde
ich mich in Bezug auf eine ganz generelle Aussage zurückhalten . Ich sage aber: Abgesehen von diesen Fällen
ist es richtig, dass die Taufe natürlich ein sehr starker
Hinweis darauf ist, dass asylrechtlich entsprechend verfahren werden muss .
({1})
Vielen Dank . - Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs . Ich bedanke mich bei Staatssekretär
Krings für die Beantwortung der Fragen .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz auf . Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Lange bereit .
Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Volker Beck
auf:
Inwiefern erwägt die Bundesregierung, das Protokoll Nummer 12 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten über das Diskriminierungsverbot vom 4 . November 2000 zu ratifizieren, und wie rechtfertigt sie, dass
dies bislang nicht geschehen ist, vor dem Hintergrund der am
28 . Februar 2017 veröffentlichten Stellungnahme der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, die
dies bemängelt ({0})?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Deutschland bleibt bei seiner Haltung, das Protokoll Nummer 12 zur Europäischen
Menschenrechtskonvention zum jetzigen Zeitpunkt noch
nicht zu ratifizieren.
Bis heute haben von den 47 Mitgliedstaaten des Europarats 26 das Protokoll nicht ratifiziert; 9 Mitgliedstaaten
der Europäischen Union haben es nicht einmal gezeichnet . Das sind die Staaten Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Litauen, Monaco, Polen, Schweden, die Schweiz
und das Vereinigte Königreich . Deutschland hat das Protokoll am Tag der Auflegung zur Zeichnung zwar unterzeichnet, aber bisher nicht ratifiziert.
Maßgeblich für diese Entscheidung ist, dass bestimmte Unterscheidungen, die das deutsche Recht mit Blick
auf die Nationalität macht, vom EGMR, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, als Verstoß gegen
das generelle Diskriminierungsverbot nach Artikel 1 des
Protokolls Nummer 12 eingestuft werden könnten . Das
Verbot der Diskriminierung in Artikel 1 des Protokolls
Nummer 12 eröffnet sehr weitreichende Auslegungsmöglichkeiten, nicht zuletzt aufgrund des weitgefassten
Kriteriums der Diskriminierung aufgrund eines sogenannten sonstigen Status . Konkrete Auslegungsvorgaben des EGMR liegen dazu bisher nicht vor . Vor diesem
Hintergrund bleibt die Bundesregierung bei ihrer abwartenden Haltung, bis sich eine klare Rechtsprechungslinie
des EGMR zur Auslegung des Artikels 1 des Protokolls
Nummer 12 entwickelt hat .
Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass die
geltende deutsche Rechtsordnung Diskriminierungen bereits umfassend verbietet, insbesondere durch Artikel 3
des Grundgesetzes, an den Gesetzgebung, Verwaltung
und Rechtsprechung unmittelbar gebunden sind . Im Arbeits- und Zivilrecht gewährleistet das am 18 . August
2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz einen weitgehenden Diskriminierungsschutz .
Herr Kollege Beck .
Gerade beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
haben wir aber Diskriminierungsschutz auf zwei Niveaus: zum einen die Regelungen, die wir aufgrund von
Richtlinien umzusetzen gezwungen sind, zum anderen
fehlen uns Regelungen, weil die Bundesregierung die
entsprechende Richtlinie blockiert, etwa für das Zivilrecht . Da haben wir ein Zweiklassenrecht .
Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie den „sonstigen Status“ im Zusatzprotokoll neu für sich entdecken .
Ist Ihnen bekannt, dass Artikel 14 der Europäischen
Menschenrechtskonvention, das allgemeine Diskriminierungsverbot der geltenden Konvention, diesen Begriff
bereits enthält? Was hat das für die Positionierung, die
Sie gerade vorgetragen haben, für Auswirkungen? Von
Anfang an stand das drin . - Ich sehe an Ihrem verdutzten Gesicht, dass Ihnen das nicht bekannt war . Aber dann
war Ihr ganzer Vortrag neben der Sache .
Herr Kollege Beck, an der Position der Bundesregierung hat sich durch Ihre Ausführungen sicher nichts geändert. Ich weise noch einmal darauf hin, dass Defizite
im praktischen Bereich, die durch eine Ratifizierung beseitigt werden könnten, in Deutschland nicht nachgewiesen werden konnten . Das ist ein weiterer Grund für die
Bundesregierung, bei ihrer Haltung zu bleiben .
Herr Beck, noch eine Nachfrage?
Das wäre zumindest ein neues Verhältnis der Bundesregierung gegenüber internationalen Menschenrechtskonventionen . Ist es in Zukunft so, dass wir nur noch
unterzeichnen, wenn wir erheblichen Umsetzungsbedarf
haben? Ich habe es immer so verstanden, dass wir zur
Durchsetzung von Menschenrechten auf internationaler
Ebene gerade dann unterzeichnungsfreudig sind, wenn
dem kein Umsetzungsbedarf oder rechtliche Bedenken
entgegenstehen . Das wäre eine völlig neue Positionierung der Bundesregierung, die Sie hier gerade vorgenommen haben . Ist das abgestimmt?
Herr Kollege Beck, auch diese Äußerungen sind nicht
sensationell . Die Bundesregierung nimmt die Empfehlung internationaler Gremien stets sehr ernst und setzt
sich mit ihnen auseinander, freilich nicht unkritisch . Keines der Gremien, die die Ratifikation des 12. Protokolls
empfehlen, hat auf praktische Defizite in Deutschland
hingewiesen, die durch eine solche Ratifikation beseitigt
werden könnten . Das ist ein weiterer Grund, weshalb wir
bei unserer seitherigen Position bleiben .
Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs angelangt . Herzlichen Dank für die Beantwortung der Frage .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-Country/Germany/DEU-IFU-V-2017-006-ENG.pdf
http://www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/Country-by-Country/Germany/DEU-IFU-V-2017-006-ENG.pdf
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf . Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr . Michael Meister zur
Verfügung .
Die Frage 25 des Abgeordneten Manuel Sarrazin wird
schriftlich beantwortet .
Ich rufe deshalb die Frage 26 des Abgeordneten Uwe
Kekeritz auf:
Inwiefern sind die von Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang
Schäuble in seinem Gastbeitrag in der Zeit angekündigten
Investitionspartnerschaften mit den fünf afrikanischen Ländern - Elfenbeinküste, Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien - im Rahmen des von ihm initiierten „Compact with
Africa“ ({0}) kohärent
mit dem „Marshallplan“ von Bundesentwicklungsminister
Dr . Gerd Müller, und wurden die aktuellen Pläne des Bundesfinanzministers vorab mit der Bundeskanzlerin und dem
Bundesentwicklungsminister abgestimmt, ehe diese in der
neunten Kalenderwoche die Elfenbeinküste und Tunesien besucht haben?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Kekeritz, die G-20-Partnerschaft mit Afrika ist ein zentrales Vorhaben im Rahmen der deutschen
G-20-Präsidentschaft . Die G-20-Initiative im Finanzstrang der G 20 verfolgt das Ziel, Investitionspartnerschaften - das sind die sogenannten Compacts - zwischen einzelnen afrikanischen Ländern, internationalen
Organisationen wie etwa der Weltbank, der Afrikanischen Entwicklungsbank und dem Internationalen Währungsfonds und gegebenenfalls bilateralen Partnern abzuschließen mit dem Ziel, die Rahmenbedingungen für
private Investitionen zu verbessern . Diese Compact-Initiative ist nachfrageorientiert . Das heißt, die Länder müssen ihr Interesse und ihre Bereitschaft signalisieren, die
Rahmenbedingungen für private Investitionen in ihrem
Land zu verbessern . Die Initiative steht grundsätzlich allen afrikanischen Ländern offen .
Fünf Länder haben bisher starkes Interesse an der Initiative bekundet und dieses mit einem Schreiben an den
Bundesminister der Finanzen unterstrichen . Das sind die
Elfenbeinküste, Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien . Diese Länder wurden daraufhin zum G-20-Treffen
der Finanzminister und Notenbankgouverneure in Baden-Baden eingeladen und sollen auch an der G-20-Konferenz zur Afrika-Partnerschaft am 12 . und 13 . Juni 2017
teilnehmen .
Mögliche deutsche Beiträge zu solchen Compacts
werden gemeinsam von dem Bundesministerium der
Finanzen und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung konzipiert und
nach Sachlage mit anderen Ressorts abgestimmt . Hierbei
können die im Papier des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung „Afrika
und Europa - Neue Partnerschaft für Entwicklung, Frieden und Zukunft“ dargestellten Eckpunkte in die Diskussion mit einfließen.
Vielen Dank . - Jetzt hat der Kollege Kekeritz die Möglichkeit, noch zwei Nachfragen zu stellen . Bitte schön .
Herzlichen Dank . - Eines der neuesten Wörter in
der Regierung ist „Kohärenz“ . Das heißt, die einzelnen
Ministerien sollten möglichst weit abgesprochen politische Initiativen ergreifen, und zwar nicht nur in der
Bundesrepublik, sondern auch mit der EU oder darüber
hinaus . Dabei stellt sich die Frage, wie viele solcher Initiativen parallel sinnvoll sind . Es gibt bekanntlich den
Müller’schen Marshallplan, es gibt den Juncker’schen
Plan zur EIB, und jetzt gibt es noch den „Compact with
Africa“ auf G-20-Ebene . Wie korrelieren diese drei Pläne miteinander, wie ist das abgesprochen? Und warum
bestand niemals der Versuch, diese drei Initiativen zu
vereinigen?
Zunächst einmal habe ich den Eindruck, Herr Kollege
Kekeritz, dass das Verhalten und die Handlungsweise der
Bundesregierung kohärent sind, weil die drei Initiativen,
die Sie in Ihrer Frage angesprochen haben, miteinander
korrelieren und miteinander abgestimmt sind, aber jeweils unterschiedliche Zielrichtungen haben .
Bei der G-20-Initiative, die unser Haus vorantreibt,
geht es darum, dass wir auf Ebene der G 20 ein gemeinsames Vorgehen organisieren . Es geht also weniger um
Beiträge, die die Bundesrepublik Deutschland direkt
aus öffentlichen Mitteln leistet, sondern um ein abgestimmtes Vorhaben auf G-20-Ebene . Wir zielen darauf,
Rahmenbedingungen für private Investitionen in Afrika
zu verbessern, und wollen dazu animieren, dass bereits
existierende internationale Organisationen sich in diesem
Sinne an Investitionen privater Natur oder Infrastrukturinvestitionen in Afrika beteiligen .
Wenn die Frage gestellt werden sollte, inwieweit die
Bundesrepublik Deutschland sich aus öffentlichen Mitteln beteiligt: Das könnte im Rahmen dessen erfolgen,
was der Kollege Müller vorgeschlagen hat und Sie in Ihrer Frage als Marshallplan für Afrika bezeichnet haben .
({0})
Das würde sozusagen ergänzend in dieses Konzept passen und wäre dann ein originär deutscher Beitrag in diesem Zusammenhang . Selbstverständlich kann sich im
Geleitzug internationaler Organisationen auch die Europäische Union einbringen . Dort wäre der dritte Teil, den
Sie angesprochen haben, als Initiative möglich .
Insofern passen die Dinge in der Struktur sehr gut zueinander .
Herr Kekeritz .
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Namensbeitrag/2017/03/2017-03-02-zeit-schaeuble.html
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Namensbeitrag/2017/03/2017-03-02-zeit-schaeuble.html
Herzlichen Dank . - Diese Antwort hätte mir auch das
BMZ gegeben, und zwar mit der genau gleichen Begründung . Ich sehe keinen Unterschied zwischen den Plänen
des Herrn Müller, seinem Marshallplan, und den Plänen
des Global Compact .
Aber zur Sache noch einmal: Es gibt einen gemeinsamen Bericht der Afrikanischen Entwicklungsbank, der
Weltbank und des IWF . Dieser Bericht sollte analysieren,
welche Projekte und welche Investitionen sinnvoll sind
und wie sie gefördert werden können . Das ist sicherlich
eine interessante Studie . Aber sie liegt uns nicht vor . Warum liegt sie uns bislang nicht vor, und wann legen Sie
uns diese Studie vor?
Das kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten, Herr Kekeritz .
Dann bekomme ich die Antwort schriftlich . - Danke
schön .
Zu dieser Frage: Ja . Ich möchte aber noch darauf hinweisen, dass ich in der Antwort, die ich gegeben habe,
nicht den Eindruck erweckt habe, dass die beiden Initiativen - Marshallplan mit Afrika vom Kollegen Müller
und „Compact with Africa“ - ein und dasselbe seien .
Vielmehr habe ich ausführlich dargelegt, dass es sich um
unterschiedliche Initiativen handelt, die aber untereinander in vernünftiger Beziehung stehen .
Dann kommen wir zur Frage 27 des Abgeordneten
Uwe Kekeritz:
Welche konkreten Inhalte umfassen die von Bundesfinanzminister Dr . Wolfgang Schäuble angestrebten Investitionsvereinbarungen zwischen den einzelnen afrikanischen Ländern,
internationalen Organisationen und Partnerländern, und welche Rolle nehmen Vertreterinnen und Vertreter des Bundesentwicklungsministeriums bzw . der Bundesentwicklungsminister
beim Treffen der G-20-Finanzminister und -Notenbankgouverneure am 17 . und 18 . März 2017 in Baden-Baden ein?
Bitte schön .
Frau Präsidentin! Herr Kollege Kekeritz, die individuellen Investitionspartnerschaften werden zwischen
den Compact-Ländern, den internationalen Organisationen, wie etwa dem Internationalen Währungsfonds,
der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank,
sowie den interessierten bilateralen Partnern entwickelt,
zu denen unter anderem Deutschland gehören kann . Die
internationalen Organisationen erstellen zurzeit einen
Bericht - diesen haben Sie angesprochen -, der mögliche Elemente zusammenstellt, aus denen sich Compacts
zusammensetzen können und die geeignet sind, die Rahmenbedingungen für private Investitionen zu verbessern .
Der Bericht kann dann, wenn er fertiggestellt ist, als Orientierung für die Erarbeitung konkreter Investitionspartnerschaften in Afrika dienen .
Das Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure am 17 . und 18 . März dieses Jahres in Baden-Baden ist eine Veranstaltung der deutschen G-20-Präsidentschaft . Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind
Finanzminister und Notenbankgouverneure der G 20, der
Gastländer und Vertreter internationaler Organisationen .
Im Hinblick auf Afrika wird im Rahmen dieses Treffens
ausschließlich die „Compact with Africa“-Initiative behandelt, die eine Säule der „Partnership with Africa“-Initiative darstellt und zusammen mit den anderen Dialogsträngen bei der G-20-Afrikakonferenz im Juni adressiert
wird . Eine aktive Teilnahme des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist
dort nicht vorgesehen . Zur Rolle des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei der Entwicklung deutscher Beiträge darf ich auf
das, was ich vorhin gesagt habe, verweisen .
Eine Nachfrage?
Ja, zwei .
Bitte schön .
Das ist hochinteressant . Sie haben gerade erklärt, dass
die einzelnen Konzepte - Marshallplan, EIB und Compact - sich ergänzende Systeme darstellen sollen, die
irgendwie harmonisch zusammenarbeiten werden . Angesichts dessen stelle ich die Frage, warum der Entwicklungsminister hier nicht mitarbeitet . Selbstverständlich
müsste er mitarbeiten, um Doppelungen oder Parallelstrukturen zu verhindern . Es kann doch nicht sein, dass
Sie ein so großes Projekt verfolgen, während Herr Müller
parallel ebenfalls ein riesengroßes Projekt initiiert . Da
kann es eigentlich nicht zu Kohärenz kommen . Welche
Maßstäbe haben Sie eigentlich angelegt, um zu sagen,
dass Herr Müller daran nicht teilnehmen darf, und nach
welchen Kriterien wurden die betreffenden fünf Länder
ausgewählt? Sie haben vorhin gesagt, dass sich diese
Länder beworben haben . Aber soviel ich weiß, ist die
Anzahl der Bewerbungen viel höher als fünf .
Die G 20 ist von ihrer Entstehungsgeschichte her ursprünglich ein Arbeitsgremium der Finanzminister und
der Notenbankgouverneure . Später gab es eine Ausweitung, die dazu geführt hat, dass die Regierungschefs im
Rahmen ihres eigenen Formats auf G-20-Ebene tätig geworden sind . Die Bundesrepublik Deutschland hat nun
dafür gesorgt, dass „Compact with Africa“ als eines der
zentralen Themen der deutschen Präsidentschaft in diesem Jahr in das G-20-Format aufgenommen wird .
Es ist selbstverständlich, dass sich dadurch das Format der G 20, wie es seit Jahrzehnten besteht, nicht verändert; denn es geht, wie ich ausdrücklich gesagt habe,
nicht um eine deutsche Initiative beim „Compact with
Africa“, sondern darum, dass wir als Präsidentschaft das
Thema für alle G-20-Staaten und die internationalen Organisationen aufsetzen . Wenn wir dann als Bundesrepublik Deutschland einen konkreten Beitrag leisten wollen,
dann muss das die Bundesregierung intern abstimmen .
Dann stellt sich auch die Frage der Abstimmung mit
anderen Ressorts, speziell mit dem BMZ . Aber für das
Format in Baden-Baden sind grundsätzlich Notenbankgouverneure und Finanzminister vorgesehen .
Was die Bewerbung der Länder betrifft, so haben wir
einfach beschrieben, worum es geht . Dann haben wir die
Bewerbungen in der zeitlichen Reihenfolge entgegengenommen und diese mit den vorhandenen Zielen abgeglichen; denn es geht um die Frage, wie vernünftige
makroökonomische bzw . wirtschaftliche Rahmenbedingungen entstehen können, um speziell private Investitionen, wie ich es genannt habe, zu aktivieren . Vor diesem
Hintergrund haben wir uns bei den Bewerbungen angesehen, welche Länder am ehesten infrage kommen, um
bei diesen entscheidenden Punkten der Initiative voranzukommen und als Pilotprojektländer dienen zu können .
Herr Kekeritz .
Meine letzte Frage ist: Solche großen Projekte verlangen natürlich eine Finanzierung . Wir wissen, dass beim
Marshallplan zurzeit null Euro zur Verfügung stehen .
Vielleicht ändert sich das noch . Wie viele Mittel wollen
Sie denn in das Projekt „Compact with Africa“ einstellen? Welche Hebel wollen Sie da ansetzen? Wie hoch soll
der Anteil der öffentlichen Gelder sein, wie hoch soll der
private Anteil sein? Sie kennen das Projekt von EIB und
Kommission, den Juncker-Plan . In dem heißt es, dass
die öffentlichen Kassen 3,5 Milliarden Euro geben, und
wie durch einen Zauber entstehen dann Investitionen von
über 88 Milliarden Euro . Wir sind alle gespannt darauf .
Wie schaut das beim „Compact with Africa“ aus? Sind da
auch solche Zaubertricks geplant?
Bei dem „Compact with Africa“ geht es um etwas
ganz anderes .
({0})
Beim „Compact with Africa“, Herr Kollege Kekeritz,
geht es darum, dass die Zielländer für Investoren attraktiv werden . Ich habe eben gesagt, dass wir uns die
makroökonomischen Rahmenbedingungen in den Zielländern anschauen, um zu erkennen, wie die gesamtwirtschaftliche Stabilität und die Schuldentragfähigkeit
aussehen, wie es mit dem Management von öffentlichen
Investitionen in diesen Ländern aussieht, wie es mit der
Staatswirtschaft aussieht, wie es in den Bereichen Regulierung und Institutionen für Regulierung aussieht, wie
es in diesen Ländern mit der Projektvorbereitung aussieht, wenn Projekte realisiert werden sollen, wie es mit
der Standardisierung von Projektverträgen und Finanzierungsverträgen aussieht, wie es mit den Regulierungsrahmen für Langzeitinvestitionen aussieht - denn ein Investor will nicht nur wissen, wie die Situation zum Zeitpunkt
der Investition ist, sondern welchen Erwartungswert er
über die Laufzeit der Investition hat -, wie man Risiken,
die in diesen Ländern vorhanden sind, reduzieren kann,
wie man im Inland Fremdkapitalmärkte aufbauen und
strukturieren kann und wie Finanzinstrumente für Infrastrukturinvestitionen entwickelt werden können .
Was wir wollen, sind nachhaltige Investitionen von
privaten Investoren, die nicht aus ideellem Grund, sondern weil sie glauben, dass sich die Investition für sie
rentiert, dort investieren . Dann ist unser Ziel, ausgehend
von den fünf Pilotländern, das auf andere Länder Afrikas zu erweitern . Wir glauben, dass das ein Ansatz ist,
bei dem es nicht darum geht, ein Budget zur Verfügung
zu stellen und sich dann zu beruhigen, sondern dass es
um eine ganz neue Struktur, einen ganz neuen Ansatz der
nachhaltigen Hilfeleistung geht .
Es liegen keine weiteren Fragen zu diesem Geschäftsbereich vor . Ich bedanke mich bei Ihnen für die Beantwortung der Fragen .
Die Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Oliver
Krischer zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, die Fragen 30 und 31
der Abgeordneten Katrin Werner, die Fragen 32 und 33
der Abgeordneten Corinna Rüffer und die Frage 34 der
Abgeordneten Brigitte Pothmer zum Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die
Fragen 35 und 36 des Abgeordneten Friedrich Ostendorff
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, die Frage 37 der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer zum Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, die Frage 38 des Abgeordneten Dr . André
Hahn, die Fragen 39 und 40 der Abgeordneten Sabine
Zimmermann sowie die Fragen 41 und 42 der Abgeordneten Pia Zimmermann zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit werden schriftlich
beantwortet .
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur auf . Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle zur Verfügung .
Die Fragen 43 und 44 des Abgeordneten Herbert
Behrens werden schriftlich beantwortet .
Ich rufe die Frage 45 des Kollegen Matthias Gastel
auf:
Welche Kriterien legt die Bundesregierung bei der Personalauswahl für ihren Vorschlag gegenüber dem Aufsichtsrat
der Deutschen Bahn AG für die Bestellung des künftigen
Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG zugrunde,
und plant die Bundesregierung eine personelle Neubesetzung
der Position des Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen
Bahn AG innerhalb der nächsten sechs Monate?
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Sehr geehrter Herr
Kollege Gastel, ich gehe einmal davon aus, dass der Kern
Ihrer Fragestellung sich durch Zeitlauf und getroffene
Entscheidungen eigentlich ein Stück weit überholt hat .
Ich will aber hinzufügen, dass sich die Bundesregierung
zu Personalspekulationen, wie Sie sicherlich wissen,
grundsätzlich nicht äußert .
Um aber einer Nachfrage vielleicht zuvorzukommen,
darf ich Ihnen mitteilen, dass die erforderliche Neubesetzung in der vermutlich nächsten Aufsichtsratssitzung der
DB AG am 22 . März 2017 erfolgen soll .
Bitte schön, Herr Kollege Gastel .
Herr Staatssekretär Barthle, ich glaube, ich habe da
irgendetwas nicht mitbekommen . Also, ich habe seitens
der Bundesregierung noch keinen Personalvorschlag für
die Besetzung des Postens des Vorstandsvorsitzenden bei
der Deutschen Bahn gehört . Deswegen ist die Frage natürlich nach wie vor aktuell, und ich bitte Sie um Beantwortung: Welche Kriterien legt die Bundesregierung bei
ihrem Vorschlag, wer das werden soll, wer die Nachfolge
von Herrn Grube antreten soll, zugrunde? Was ist für Sie
wichtig? Wie gewichten Sie das Ganze? Der Hintergrund
der Frage ist klar: Es geht auch darum, welches Verständnis die Bundesregierung als Vertreterin des Eigentümers,
des Bundes, gegenüber dem Bahnkonzern hat, der ja ein
etwas seltsames Konstrukt ist, nämlich als Aktiengesellschaft gewinnorientiert arbeiten soll, aber gleichzeitig
mit Mobilitätsdienstleistungen auch öffentliche Aufgaben zu erfüllen hat . Ich möchte gerne von Ihnen hören,
welche Kriterien Sie ansetzen . Was ist Ihnen bei der Stellenbesetzung wichtig an Voraussetzungen, die diese Person mitbringen soll?
Danke, Herr Kollege Gastel . Ich will nochmals darauf
abheben, dass die Entscheidungen noch nicht getroffen
worden sind; das ist richtig .
({0})
- Die Kriterien, die zugrunde gelegt werden, sind - wie
immer - die notwendige Qualifikation, die die Persönlichkeit mitbringen muss, um einen solchen Konzern zu
führen . Das ist eine Vielzahl von Kriterien, die auch unterschiedlich zu gewichten sind, und diese Kriterien werden zugrunde gelegt .
Eine weitere Nachfrage .
Lieber Herr Staatssekretär, ob das jetzt das Beste für
die Deutsche Bahn erwarten lässt, wenn Sie so genau sagen können, was die Person mitbringen soll, die einen der
größten und schwierigsten Konzerne, die es in Deutschland gibt, führen soll, das wage ich einmal zu bezweifeln .
Da habe ich dann doch wirklich größte Befürchtungen,
wenn Sie nicht einmal wissen, was die Kriterien sind
und was die Qualifikation ausmacht. Das ist ein bisschen
dünne Suppe . Also, jede Stellenausschreibung für einen
Pförtner ist da doch etwas detaillierter als Ihre Kriterien
für die Suche nach dem neuen Bahnchef; das muss ich ja
schon einmal deutlich sagen . Ich bin da sehr verwundert .
Die Frage hat aber noch einen zweiten Frageteil, auf
den Sie ebenfalls nicht eingegangen sind . Ich kann mir
nicht vorstellen, dass das Vertrauen zum Aufsichtsratsvorsitzenden seitens der Bundesregierung noch gegeben
ist, nachdem ihr Vorschlag, den Vertrag mit Herrn Grube
zu verlängern, nicht durchgesetzt werden konnte, offensichtlich auch, weil in der Kommunikation durch den
Aufsichtsratsvorsitzenden vieles schiefgelaufen ist und
die Aufsichtsratsmitglieder nicht ausreichend mitgenommen worden sind . Deswegen bitte auch hier die Frage:
Wie geht es weiter mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats? Halten Sie am jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden
fest, oder haben Sie vor, hier eine Neubesetzung in Angriff zu nehmen?
Herr Kollege Gastel, das sind Angelegenheiten des
Aufsichtsrats der DB AG, die im Aufsichtsrat auch entsprechend behandelt werden . Die Vertreter der Bundesregierung und des Parlaments, die in diesem Aufsichtsrat
zugegen sind, werden sicherlich Sorge dafür tragen, dass
dieser Aufsichtsrat ordentlich arbeiten kann . Aber aus
Sicht der Bundesregierung bin ich nicht befugt, mich zu
diesen Interna öffentlich entsprechend zu äußern .
Vielen Dank .
Dann rufe ich die Frage 46 des Abgeordneten Matthias
Gastel auf:
Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem
drohenden Ausschluss der Tochter des bundeseigenen Bahnkonzerns Deutsche Bahn AG, DB Regio, von laufenden und
bevorstehenden Vergabeverfahren aufgrund anhaltender Unzuverlässigkeit des Bahnunternehmens bei der Erbringung
vereinbarter Leistungen auf Bahnstrecken wie der Frankenbahn, der Rems- und Filstalbahn und der Bodenseegürtelbahn
({0}), und inwiefern
macht die Bundesregierung ihre Einflussmöglichkeiten auf
das im Staatseigentum befindliche Unternehmen dahin gehend
geltend, dass sich die Fahrgäste wieder auf vertragsgemäße
Bahnangebote verlassen können?
Bitte schön, Herr Staatssekretär .
Vielen Dank, Frau Präsidentin . - Zu dieser Frage 46 lautet die Antwort wie folgt: Bei der Deutschen
Vizepräsidentin Ulla Schmidt
Bahn AG, DB AG, und ihren Tochtergesellschaften wie
der DB Regio AG handelt es sich um in privatrechtlicher
Form geführte gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen, welche den Regelungen des Aktiengesetzes unterliegen . Gemäß § 76 Absatz 1 des Aktiengesetzes werden
sie vom Vorstand in eigener Verantwortung geleitet .
Das operative Geschäft fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Gesellschafters . Hierzu gehören die
vertragsgemäße Erbringung von Leistungen im Schienenpersonennahverkehr und die Erfüllung der Voraussetzungen zur Beteiligung an wettbewerblichen Vergabeverfahren .
Herr Gastel, möchten Sie eine Zusatzfrage stellen? Bitte .
Herr Staatssekretär, eine solche Antwort habe ich befürchtet . Sie haben vom operativen Handeln des Unternehmens gesprochen . Das ist zunächst einmal richtig .
Aber es ist erstens Ihr Unternehmen, das Unternehmen
des Bundes; für dieses Unternehmen trägt die Bundesregierung in besonderer Weise Verantwortung . Zweitens
ist es so, dass sich das operative Ergebnis, also das monetäre Ergebnis in der Bilanz, auch auf den Haushalt des
Bundes auswirkt . Wenn nämlich die Deutsche Bahn nicht
mehr die Gewinne erzielt, die der Bund erwartet, dann
kann keine Dividende gezahlt werden, und davon ist der
Bundeshaushalt betroffen . Deswegen können Sie sich
nicht so billig davonstehlen wie hier, indem Sie einfach
sagen: Wir haben damit nichts zu tun . Das soll die Deutsche Bahn entscheiden . - Es wirkt sich auf den Bundeshaushalt aus . Deswegen muss es auch im Interesse des
Bundes sein, dass die Geschäfte laufen .
Darüber hinaus sollte es auch im Interesse des Bundes
sein, die Fahrgastinteressen zu vertreten . Die Fahrgastinteressen werden eben nicht vertreten, wenn die Leistungen Ihres bundeseigenen Konzerns nicht erbracht werden . Ich bitte Sie, dazu Stellung zu nehmen .
Selbstverständlich, Herr Kollege Gastel . Sie haben
vollkommen recht: Es ist ein zentrales verkehrspolitisches Ziel der Bundesregierung, die Qualität der öffentlichen Personennahverkehre weiter zu verbessern und
auch bedarfsgerechte Angebote im Schienenpersonennahverkehr in der Fläche sicherzustellen . Das ist ein Ziel
der Bundesregierung . Aber - das füge ich mit großem
Nachdruck hinzu - das ist eine Aufgabe der Länder;
sie sind hierfür zuständig . In diesem Fall ist es der baden-württembergische Landesverkehrsminister, den wir
alle noch gut kennen: Winfried Hermann .
Wir, die Bundesregierung, stellen den Ländern über
das Regionalisierungsgesetz jährlich 1,2 Milliarden Euro
zur Verfügung, und die Länder haben diese Mittel in
erster Linie zur Finanzierung der Verkehrsleistungen im
Schienenpersonennahverkehr oder für Investitionen zur
Verbesserung des ÖPNV einzusetzen . Insofern liegt die
Verantwortlichkeit eindeutig und klar bei den Ländern .
Herr Kollege Gastel, Ihre zweite Nachfrage .
In der Tat setzen die Länder die Regionalisierungsmittel des Bundes ein, um den Schienenpersonennahverkehr
zu bestellen; so macht das auch Baden-Württemberg . Das
heißt aber umgekehrt auch, dass die Deutsche Bahn bzw .
die Deutsche-Bahn-Tochter DB Regio die Mittel des
Bundes, die über die Länder vergeben werden, nicht vertragsgemäß einsetzen . Insoweit kann mein Appell an die
Bundesregierung nur lauten, die Sache ernst zu nehmen .
Es fließen Bundesmittel über die Länder an die DB Regio, die ihre Verträge nicht erfüllt und die Zugfahrten zu
häufig ausfallen oder Züge zu spät fahren lässt. Damit haben Sie auch über diese Schiene - im wahrsten Sinne des
Wortes - eine Verantwortung dafür, welche Leistungen
die Deutsche-Bahn-Tochter DB Regio erbringt .
Ich möchte hier nicht nur nach der Verwendung der
Regionalisierungsmittel fragen . Sie haben jetzt gesagt:
Die Länder können dann ja handeln . - Das Land Baden-Württemberg verlangt Pönale, also Strafzahlungen,
droht der Deutschen Bahn mit dem Ausschluss, und jetzt
sagen Sie: Die Länder sollen handeln . Was sollen die
Länder aus Ihrer Sicht denn noch machen? Was raten Sie
den Ländern, wenn die Möglichkeiten, die sie haben, offensichtlich nicht fruchten, um die Züge im Interesse der
Fahrgäste regelmäßig und zuverlässig fahren zu lassen?
Herr Kollege Gastel, wie Sie richtigerweise dargestellt
haben, schließen die Länder Verträge mit der DB Regio .
Wenn die DB Regio den Wortlaut dieser Verträge nicht
erfüllt und ihren Leistungen nicht nachkommt, dann ist
es Aufgabe der Länder, für die Einhaltung dieser Verträge zu sorgen, und zwar mit dem entsprechenden Nachdruck, bzw . die Verträge so auszugestalten, dass für die
DB Regio kein Ausweg möglich ist . Noch einmal: Derjenige, der die Verträge mit der Bahn schließt, der muss
auch für die Einhaltung dieser Verträge sorgen . Das ist
nicht Aufgabe des Bundes .
({0})
Herr Gastel, Sie haben schon zwei Zusatzfragen gestellt . - Die Frage 47 des Abgeordneten Stephan Kühn
wird schriftlich beantwortet . Damit sind wir am Ende
dieses Geschäftsbereiches . Ich bedanke mich beim
Staatssekretär Barthle für die Beantwortung .
Wir sind auch am Ende der Fragestunde angelangt .
Ich unterbreche die Sitzung des Deutschen Bundestages bis circa 15 .35 Uhr .
({0})
Die unterbrochene Sitzung eröffne ich jetzt wieder
und rufe den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Ehe für alle
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen das Wort .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist
Internationaler Frauentag .
({0})
Als schwuler Mann möchte ich da einmal Danke sagen: der Frauenbewegung, den Feministinnen für ihren
Kampf für Gleichberechtigung und gegen patriarchale
Rollenbilder. Davon haben wir Schwule heftig profitiert.
({1})
Wir Schwulen sind die Kriegsgewinnler des Geschlechterkampfs . Dass wir heute diese Debatte führen können,
ist auch ein Erfolg der Frauenbewegung .
({2})
Meine Damen und Herren!
Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und
der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller
Orientierung oder politischer Einstellung .
Das sind unsere gemeinsamen Werte . - Das sagte Bundeskanzlerin Merkel am 9 . November 2016, und recht
hat sie .
Aber 2013 hat Frau Merkel gesagt: Ich tue mich
schwer mit der völligen Gleichstellung . - Ich sage: Alles
andere als Gleichberechtigung ist Diskriminierung .
({3})
Lassen Sie uns Deutschland zum 21 . Land machen, das
die Ehe für alle einführt!
({4})
Es ist hohe Zeit, und wir müssen uns langsam daranmachen .
Wir diskutieren seit 1990, damals aufgrund einer Initiative der damaligen Grünenfraktion in diesem Hohen
Hause, also schon 27 Jahre lang, über diese Frage . Wir
haben in dieser Wahlperiode 34 Sitzungswochen lang im
Rechtsausschuss die Vorlagen von Linken und Grünen
sowie vom Bundesrat vertagt . Jetzt sind Entscheidungen
gefragt .
({5})
Für wen machen Sie eigentlich Politik?
({6})
83 Prozent sind für die Ehe für alle . Sie machen eine sektiererische Politik für 17 Prozent im Land, für die AfD,
die nur bei der Bundesversammlung hier saß, und für die
Splittergruppe der CSU aus Bayern .
({7})
63,2 Prozent sind für gleiches Adoptionsrecht für homosexuelle Paare .
Deshalb war es richtig - ich unterstütze da die Sozialdemokraten ausdrücklich -, dass Ihr Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann im Spiegel gesagt hat:
CDU und CSU sollten endlich über ihren Schatten
springen und die „Ehe für alle“ nicht weiter blockieren . . . Derzeit sprechen alle davon, dass es gilt, unsere Werte zu verteidigen . Das darf aber nicht nur
in Sonntagsreden passieren, sondern muss konkrete
Politik sein .
Und das sollten wir jetzt hier machen .
({8})
Was haben denn Ihre Obermohren - es gibt bei Ihnen
auch viele, die für die Öffnung der Ehe für alle sind - dagegen einzuwenden?
({9})
Ich zitiere Ihren Fraktionsvorsitzenden aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:
Für mich ist die Ehe im Sinne des Grundgesetzes die
Verbindung von Mann und Frau . . . . Die sogenannte Homo-Ehe, also die Öffnung der Ehe auch für
gleichgeschlechtliche Verbindungen, lehne ich ab . . .
Grund: keiner . Weil ich es kann, weil ich die Mehrheit
habe, weil ich in der Blockadeposition bin . So geht das
aber nicht im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat .
({10})
Das Grundgesetz überlässt es dem Gesetzgeber und
der gesellschaftlichen Entwicklung, was unter Ehe und
Familie zu verstehen ist . Das haben Sie nie verstehen
wollen . Das Bundesverfassungsgericht hat den Familienbegriff mehrmals geändert . Heute gibt es eheliche,
nichteheliche und lebenspartnerschaftliche Familien .
Das hat das Bundesverfassungsgericht als Wandel des
Begriffs der Familie festgestellt . Früher verstand man darunter immer nur die eheliche Familie . Das Gleiche gilt
für den Ehebegriff . Schon 1993 hat das Gericht gesagt,
dass der Begriff der Ehe einem gesellschaftlichen Wandel unterliegen kann . Der gesellschaftliche Wandel ist
eingetreten . Schauen Sie sich die Meinungsumfragen an,
wie Ihre Wählerinnen und Wähler darüber reden . Wenn
zwei Schwule oder zwei Lesben zum Standesamt gehen,
dann reden sie von Ehe, von heiraten und dergleichen
mehr und nicht von verpartnern, eintragen und wie es bürokratisch alles heißt .
({11})
Das Bundesverfassungsgericht selbst hat die ersten
gleichgeschlechtlichen Ehen mit seiner Entscheidung
zum Transsexuellengesetz geschaffen . Es gibt also bereits gleichgeschlechtliche Ehen in Deutschland, wenn
auch wenige . Die internationale Rechtsentwicklung ist
auch heranzuziehen, wenn man sich den Begriff anschaut: 20 Länder, die die Ehe geöffnet haben . Damit
können Sie nicht mehr behaupten, der Geschlechtsverschiedenheit der Ehe käme eine prägende Bedeutung zu .
({12})
Meine Damen und Herren, zum Schluss will ich den
Abgeordneten Kahrs zitieren, der nach mir reden wird .
Sie haben schon 2016 gesagt:
Es reicht . Ich habe einfach keine Lust mehr . Ich
verspreche Ihnen eines: Wenn das Thema hier im
Deutschen Bundestag noch einmal aufkommt, dann
werden wir in der SPD-Fraktion darüber abstimmen, wie wir hier abstimmen .
Ja, meine Damen und Herren, dann lassen Sie es uns endlich machen .
({13})
Lassen Sie uns vor dem 30 . Juni den Gesetzentwurf des
Bundesrates, der im Rechtsausschuss liegt, hier in dritter
Lesung beraten und ihn mit einer Mehrheit verabschieden . Dann ist die Frage endlich erledigt . Wenn Sie das
nicht tun, muss man den Verdacht haben, Sie wollen ewig
Sklave in der Großen Koalition bleiben . Hüten Sie sich
davor; denn wir wissen nicht, wer die Mehrheit in der
nächsten Wahlperiode hat . Wir hoffen, dass es anders
kommt .
({14})
Aber es könnte auch sein, dass AfD und Union knapp
über 50 Prozent der Sitze haben . Dann hätten wir diese
Mehrheit, die wir heute haben, auf jeden Fall nicht mehr .
({15})
Deshalb haben Sie eine hohe Verantwortung, jetzt zu
handeln, wenn es möglich ist, statt den 199 . Wahlkampf
zum Thema „Öffnung der Ehe für alle und 100 Prozent
Gleichstellung nur mit uns“ zu machen . Machen Sie die
Gleichstellung jetzt, dann wissen die Leute auch, woran
sie sind .
Vielen Dank .
({16})
Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Elisabeth
Winkelmeier-Becker .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die These der heutigen Diskussion lautet offenbar: Wer nicht für die Ehe für alle ist, der ist homophob, der ist diskriminierend .
({0})
Dieser These möchte ich zunächst einmal ganz ausdrücklich widersprechen .
({1})
Für meine Person und für fast alle, die ich kenne, ist dies
zu widerlegen .
Ich weiß nicht, wem Sie mehr Unrecht tun: denen, denen Sie permanent zu Unrecht unterstellen, dass sie homophob sind und diskriminierend,
({2})
oder vielleicht den Betroffenen selber, die sich dadurch
viel mehr gesellschaftlicher Ablehnung ausgesetzt sehen,
als es der Wahrheit entspricht .
({3})
Es gibt andere Gründe dafür, an zwei Begriffen festzuhalten . Der wesentliche Einwand ist, dass die Ehe kein
staatlicher Begriff ist, sondern es ist ein seit langer Zeit
kulturell und religiös vorgeprägter Begriff, der uns in
diesem Sinne überhaupt nicht gehört und über den wir
nicht alleine verfügen können .
({4})
Er wird von der Kirche immer noch so verstanden,
({5})
er wird von der Gesellschaft in weiten Teilen so verstanden . Deshalb können wir dies nicht abschaffen, solange
hier nicht Einigkeit besteht .
Es kommen verfassungsrechtliche Bedenken hinzu .
Ohne Zweifel haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes ganz klar die Gemeinschaft von Mann und Frau
vor Augen gehabt, als sie Artikel 6 formuliert haben .
({6})
Auch das Bundesverfassungsgericht sagt ganz klar, zu
den wesentlichen Merkmalen der Ehe gehört die Verschiedengeschlechtlichkeit und die Anlegung auf Dauer, und das auch in der jüngeren Rechtsprechung . Dass
dem Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle jemand
Homophobie vorgeworfen hätte, habe ich in diesem Jahrtausend jedenfalls noch nicht gehört .
({7})
Ich rate uns im Übrigen, Veränderungen im Recht
nicht im Wege der Begriffsjurisprudenz, im Wege des
Umdefinierens von Begriffen, vorzunehmen. Das geht
schief, wie auch im aktuellen Gesetzentwurf des Familienministeriums zum Mutterschutz .
({8})
Meine Damen und Herren, nach Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 haben wir
viele Änderungen durchgebracht, die wirklich dazu geführt haben, dass eine gleiche rechtliche Situation bei Ehe
und Lebenspartnerschaft besteht: Zwischen den Partnern
bestehen die gleichen Rechte . Es gibt die gleichen Formvorschriften . Das Erbrecht, das Steuerrecht, weitgehend
auch das Adoptionsrecht sind angepasst . Mir persönlich
ist die Diskussion über die steuerliche Gleichstellung
noch sehr gut in Erinnerung, weil ich mich persönlich
sehr stark gegen die damalige echte Diskriminierung eingesetzt habe
({9})
und damit in meiner Partei nicht nur Freude ausgelöst
habe .
Es bleibt die Frage, ob allein die Verwendung unterschiedlicher Begriffe eine Diskriminierung darstellt . Das
Grundgesetz gibt uns da eigentlich schon ein Gegenbeispiel . Da heißt es nämlich in Artikel 3 Absatz 2:
Männer und Frauen sind gleichberechtigt .
Auch hier gibt es also unterschiedliche Begriffe, aber
gleiche Rechte .
({10})
Wenn auch gerade am Weltfrauentag natürlich zu beklagen ist, dass gleiche Rechte noch nicht zu 100 Prozent
erreicht sind, kommt keiner auf die Idee, dass man das im
Wege der Definition ändern kann.
({11})
Dann wird immer argumentiert, es schade doch der
Ehe nicht, wenn wir sie für gleichgeschlechtliche Partnerschaften öffnen . Das ist auch nicht meine Sorge . Aber
es geht auch andersrum: Ich war vor meiner Zeit im Bundestag als Familienrichterin tätig und habe viele Familiensachen behandelt . Von daher kann ich Ihnen glaubhaft
versichern, dass allein der Begriff der Ehe nicht die Garantie für glückliche Partnerschaft und glückliches Zusammensein ist,
({12})
sondern dabei kommt es auf andere Dinge an, auf Gemeinsamkeit, auf die Beziehung, auf die Liebe, auf den
Schatz an Gemeinsamkeiten und die Substanz der Beziehung .
Wir haben hier eine Aktuelle Stunde . Das ist normalerweise eine spontane Debatte über eine Frage, die keinen
Aufschub verträgt . Nun hatten wir Karneval im Rheinland - vielleicht habe ich etwas verpasst . Aber eigentlich
war hier der einzige Anlass - das Einzige, was sich geändert hat - die Äußerung von Fraktionschef Oppermann,
dass er an das Thema noch mal ran will . Eigentlich hätte
es gereicht, wenn Sie sich deshalb mit ihm zum Kaffee
getroffen hätten . Aber okay, wir diskutieren das auch gerne hier in dieser Debatte .
({13})
Es wurde gerade klar, dass Sie die SPD unter Druck
setzen wollen und der Union ein altbackenes Image anhängen wollen .
({14})
Ich will dem ausdrücklich entgegentreten . Wir haben ein
klares Menschenbild, das Würde und Werte eines MenElisabeth Winkelmeier-Becker
schen nicht davon abhängig macht, welcher sexuellen
Orientierung er anhängt .
({15})
Wir wollen die Rehabilitierung der früher nach § 175
verurteilten Männer . Wir haben die LSU in unserer Partei; sie wird sehr geschätzt . Da wird natürlich auch für
die Öffnung der Ehe geworben . Wir haben eine Verteidigungsministerin, die sich als Erste an das Thema herangewagt hat, die Situation von Homosexuellen in der
Bundeswehr aufzuarbeiten .
({16})
Wir haben da, auch was den Zugang zu interessanten
und einflussreichen Positionen in unserer Partei angeht,
wirklich kein Defizit; auch Menschen mit homosexueller
Orientierung kommen in die entsprechenden Ämter,
({17})
und das nicht, weil sie homosexuell sind, auch nicht, weil
sie nicht homosexuell sind oder trotzdem, sondern einfach völlig unabhängig davon, weil sie einfach gut sind .
Das ist unsere Herangehensweise . Ich denke, es muss
so normal und unspektakulär sein, wie es ist . Daher gehe
ich schlicht davon aus, dass wir weiterhin bei den Begriffen „Ehe“ und „Lebenspartnerschaft“ bleiben und dass
sich daran auch der Koalitionspartner bis zum Ende der
Legislaturperiode hält .
Vielen Dank .
({18})
Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Lay, Fraktion
Die Linke .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist jetzt knapp zwei Jahre her, dass ich an dieser Stelle zum gleichen Thema, Ehe für alle, gesprochen
habe, und ich stelle fest: Im Grunde könnte ich die gleiche Rede hier noch einmal halten .
({0})
Denn was ist seitdem passiert? Im Grunde ist nichts passiert . Stattdessen gab es jahrelangen Stillstand in einer
Frage, die doch eigentlich ganz einfach zu beantworten
wäre,
({1})
und diese Frage lautet: Sollen zwei Menschen, die sich
lieben, auch heiraten dürfen? Aber natürlich, und zwar
völlig unabhängig davon, ob es sich dabei um einen
Mann und eine Frau, um zwei Frauen oder um zwei Männer handelt . Das sollte heutzutage doch selbstverständlich sein .
({2})
In sehr vielen europäischen Ländern wurde das inzwischen auch erkannt . Finnland, Großbritannien, Dänemark, Frankreich, Holland, Portugal, aber auch so katholische Länder wie Irland und Spanien haben die Ehe
für alle längst eingeführt, ohne dass der heilige Sankt
Patrick vom Sockel gefallen wäre oder die heilige Jungfrau Maria blutige Tränen geweint hätte . Meine Damen
und Herren, es wird höchste Zeit, dass Deutschland hier
endlich aufholt .
({3})
Zum Schutz der Ehe im Grundgesetz . Es steht doch
nirgendwo, dass damit nur die Heteroehe gemeint ist .
Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wer Lesben und
Schwulen die Ehe verweigert, der verstößt gegen den
Geist des Grundgesetzes, nämlich gegen die Gleichheit
aller Menschen vor dem Gesetz .
({4})
Seit 2013 liegt ein Gesetzentwurf der Linken zum
Thema „Ehe für alle“ vor . Seit 2015 gibt es einen ähnlichen Gesetzentwurf der Grünen ebenfalls zum Thema
„Ehe für alle“ . Inzwischen gibt es auch einen Gesetzentwurf des Bundesrates . Nur von der Koalition liegt nichts
dazu vor . Leider haben Sie zu diesem Thema nichts hinbekommen in dieser Legislatur .
Die SPD hat im letzten Wahlkampf noch stolz verkündet: 100 Prozent Gleichstellung gibt es nur mit uns .
({5})
Ich weiß jetzt, ehrlich gesagt, nicht genau, was Ihre Strategie ist . Thomas Oppermann hat angekündigt, er wolle den Koalitionsausschuss anrufen und die Ehe für alle
noch in dieser Legislatur einführen .
({6})
Vor lauter Schreck ist Horst Seehofer dann aber leider
krank geworden .
({7})
Woanders heißt es, die SPD wolle damit in den Wahlkampf ziehen, das sei Bedingung für einen neuen Koalitionsvertrag . Der SPD-Parteivorstand hat zum Beispiel
getwittert: Es ist Zeit für die Ehe für alle! Es ist Zeit für
Adoption für gleichgeschlechtliche Paare! Es ist Zeit für
Martin!
({8})
Ja, was gilt denn jetzt eigentlich? Will die SPD denn
jetzt alle überfälligen Reformen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben?
({9})
Will sie warten, bis der Heilige Sankt Martin, so eine Art
Messias aus Würselen, herabsteigt und es dann endlich
richten wird? Also ich meine: Die Ehe für alle ist doch
keine Schwungmasse für den Wahlkampf von Martin
Schulz, sondern ein Grundrecht, das wir endlich einführen müssen .
({10})
Sie, Herr Kahrs, kündigen ja immer wieder an, dass
Sie, wenn sich die Union nicht bewegt, Mehrheiten jenseits der Union suchen werden . Dann tun Sie das doch
endlich! Sie können die Ehe für alle sofort haben, noch in
dieser Legislatur . Geben Sie die Abstimmung bitte frei!
({11})
Ich finde es einfach schade, dass Sie es verhindern,
dass unser linker Gesetzentwurf und der der Grünen
zur Abstimmung gestellt werden . Wir haben es jetzt im
Rechtausschuss 24-mal durch, immer das gleiche Ritual:
Sie verhindern, dass die Gesetzentwürfe weiter behandelt
werden . Ich halte das wirklich für ein parlamentarisches
Trauerspiel .
Die Frage ist: Was würde denn eigentlich passieren,
wenn Sie die Abstimmung freigeben und die SPD den
Gesetzentwürfen von Linken und Grünen zustimmen
würden? Erstens . Wir hätten eine Mehrheit . Ja, wir haben
eine rot-rot-grüne Mehrheit hier im Haus . Ja, es gibt eine
Mehrheit für die Ehe für alle . Lassen Sie uns das doch
endlich nutzen!
({12})
Zweitens . Ja, dann würde die Koalition vielleicht platzen
und Frau Merkel zurücktreten, aber ehrlich gesagt: Ich
kann mir Schlimmeres vorstellen, und die meisten Bürgerinnen und Bürger auch .
({13})
Ich weiß, dass die Blockierer auf der rechten Seite
des Parlaments sitzen. Ich finde, dass die Union hier den
Schuss nicht gehört hat .
({14})
In Ihrer eigenen Wählerschaft ist inzwischen eine Mehrheit für die Öffnung der Ehe und für das Appellationsrecht von lesbischen und schwulen Paaren .
Es wundert mich auch selbst ein bisschen, dass ich
jetzt hier stehe und für die Ehe werbe . Das ist persönlich
überhaupt nicht mein Lebensentwurf . Politisch bin ich
für die Gleichstellung aller Lebensweisen .
Sie müssten doch für die Ehe streiten . Sie sollten sich
darüber freuen, dass es Menschen gibt, die heiraten wollen . In meinem persönlichen Bekanntenkreis sind das,
ehrlich gesagt, viel mehr Lesben und Schwule als Heteros .
({15})
Das ist doch eigentlich Ihr Thema . Aber Sie haben es völlig verbockt .
({16})
Ich muss in Richtung der SPD sagen: Augen auf bei
der Partnerwahl! Das gilt nämlich nicht nur bei der Wahl
des Ehepartners, sondern vor allen Dingen auch bei der
Wahl des Koalitionspartners. Ich finde, es ist höchste
Zeit, dass Sie die Scheidung endlich einleiten .
({17})
Zu guter Letzt, meine Damen und Herren: Aus meiner
Sicht sollte auch die katholische Kirche ihre Positionen
überdenken .
({18})
Die römisch-katholischen Bischöfe wollen nämlich
nicht, dass Lesben und Schwule heiraten dürfen . Liebe
Bischöfe, damit zwingen Sie aber Lesben und Schwule
gewissermaßen zum außerehelichen Sex . Das kann doch
eigentlich nicht die Position der katholischen Kirche
sein . Das sollten Sie dringend überdenken .
Vielen Dank .
({19})
Bevor gleich der Kollege Johannes Kahrs für die SPD
spricht, doch ein verfahrensleitender Hinweis: Fünf Minuten Redezeit sind für alle gleich . - Herr Kollege Kahrs,
jetzt haben Sie das Wort .
({0})
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Winkelmeier-Becker, Karneval soll das hier
nicht sein, glaube ich . Ich glaube auch nicht, dass man
das mit einem Kaffee bei Herrn Oppermann erledigen
kann . Ehrlich gesagt, wollen wir Ihnen auch kein altbackenes Image verpassen . Das haben Sie ohnehin .
({0})
In Teilen Ihrer Rede schimmern Dinge durch, die ich
vernünftig finde. Sie haben auch in der Vergangenheit bei
bestimmten Abstimmungen entsprechend mitgestimmt .
Das Problem ist aber der Grundtenor dahinter .
Ich halte das tatsächlich für eine Frage, über die man
in diesem Hohen Haus wirklich ernsthaft streiten kann .
Wenn es keine Gleichstellung gibt, dann ist das Diskriminierung . Insofern können Sie sich jetzt nicht hierhinstellen und sagen, das sei überhaupt keine Diskriminierung .
Wenn Menschen nicht gleichbehandelt werden, dann ist
das nun einmal Diskriminierung .
Ich würde gerne meinen Freund heiraten . Mit ihm bin
ich seit 24 Jahren zusammen .
({1})
Wegen Ihrer Fraktion kann ich das nicht . Ich persönlich
fühle mich diskriminiert . Ehrlich gesagt: Ich will Ihnen
kein altbackenes Image verschaffen, sondern ich würde
gerne heiraten .
({2})
Ich weiß nicht, ob mich das am Ende glücklicher
macht, als ich jetzt bin . Ehrlicherweise gestehe ich Ihnen
das zu . Und ob das nun mit außerehelichem Sex besser
oder schlechter ist, weiß ich auch nicht .
({3})
Das konnte ich noch nicht ausprobieren; denn bisher war
es immer außerehelich .
({4})
Wie gesagt, kann ich das nicht beurteilen . Ich würde es
aber vielleicht gerne einmal beurteilen können .
Das Ganze hat auch deswegen nichts mit Karneval zu
tun, weil es einen wirklich tragischen Hintergrund hat .
Bei den schwulen und lesbischen Jugendlichen liegt die
Selbstmordrate deutlich höher als bei vielen anderen .
Und das am häufigsten gebrauchte Schimpfwort an deutschen Schulen ist nun einmal „du Schwuler“ oder „du
Schwuchtel“ .
Ehrlich gesagt, kriegt man einen gesellschaftlichen
Wandel nur dann hin, wenn man das gemeinsam macht .
({5})
Dafür ist der Deutsche Bundestag auch da . Wenn wir
nach vorne gehen, dann ist das nicht immer populär,
führt aber dazu, dass sich auch gesellschaftliche Positionen verschieben . Ich habe bei der Bundeswehr einmal
gelernt: Führen durch Vorbild .
Wir sind bei bestimmten Gesetzen vielleicht nicht immer auch in der Bevölkerung in der Mehrheit . Aber wir
sind es häufig nach vielen Jahren, weil wir auch eine Vorbildfunktion haben . Diese sollte man wahrnehmen .
Ich habe ja zur Kenntnis genommen, dass man Sie
zu einigen Punkten auch nötigen konnte und dass Sie
durchaus mitgemacht haben - allerdings nie wirklich
freiwillig; entweder hat Rot-Grün es beschlossen, oder
das Bundesverfassungsgericht hat Sie genötigt. Ich finde
aber, dass man das irgendwann einmal - ich mache das
hier seit 1998 - hinbekommen muss; und ich würde das
gerne in dieser Legislaturperiode hinbekommen .
({6})
Es gibt einen Koalitionsvertrag; das Stichwort ist eben
genannt worden . Lesen wir einmal im Koalitionsvertrag .
({7})
Ich bin immer für eine gemeinsame Lektüre . Vielleicht
bildet das weiter . Im Koalitionsvertrag steht:
Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden
wir beseitigen .
({8})
Ehrlicherweise muss ich jetzt sagen: Ich weiß nicht, was
man daran nicht verstehen kann . Die Öffnung der Ehe
gehört dazu .
({9})
Jetzt können Sie natürlich sagen: Wir subsumieren die
Öffnung der Ehe nicht unter diesem Satz . - Dann haben
wir natürlich ein echtes Problem miteinander, weil ich
das deutlich anders verstehe . Ich fände es gut, wenn wir
das gemeinsam hier hinbekommen, weil gemeinsam soll
es sein .
Thomas Oppermann hat gesagt, dass wir den Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe in die nächste Sitzung des
Koalitionsausschusses einbringen werden .
({10})
Deswegen war ich über diese Aktuelle Stunde gar nicht
so unglücklich . Gestern wäre nämlich eigentlich eine Sitzung des Koalitionsausschusses gewesen, und dann hätte
man das hier heute abfeiern können . Leider ist die Sitzung gestern ausgefallen . Ich weiß nicht, ob vor Schreck
oder weswegen sonst .
({11})
Wir Sozialdemokraten jedenfalls wollen in dieser
Legislaturperiode mit allen Parteien, die hier vertreten
sind - CSU, CDU, Grüne, SPD und Linke -, die Öffnung
der Ehe beschließen, weil das einen Vorbildcharakter für
die Menschen in diesem Land hätte .
({12})
Deswegen: Geben Sie sich einen Ruck, und seien Sie
dabei .
({13})
Vielleicht bekommt man es ja, wenn die CDU nicht will,
mit der CSU hin . Es sollen ja noch Wunder passieren .
Vielen Dank .
({14})
Der Kollege Marcus Weinberg spricht jetzt für die
CDU/CSU .
({0})
Vielen Dank . - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lieber Johannes Kahrs, du hast gerade zitiert,
worauf wir uns im Koalitionsvertrag verständigt haben .
Du weißt natürlich, dass das eine klare inhaltliche Ausrichtung hatte: Alle Diskriminierungssachverhalte sollen
abgestellt werden;
({0})
das heißt auch steuerliche Gleichstellung . Über eine
andere Frage diskutieren wir gerade . Und ich erinnere
mich, dass vor zwei Jahren, als wir schon einmal über
dieses Thema diskutierten, eine Rehabilitierung der nach
§ 175 StGB Verurteilten noch in weiter Ferne war . Mittlerweile diskutieren wir darüber, wie wir das machen .
({1})
Das bezieht sich auf das Gebiet der Diskriminierungssachverhalte, auf den Bereich, wo wir Diskriminierung
in der Beziehung zueinander abstellen können . Wie gesagt, beim Dienstrecht und beim Steuerrecht sowie bei
den sich aus § 175 StGB entstandenen Folgen haben wir
das gemacht .
({2})
Zwei Vorbemerkungen sind mir wichtig:
Erstens . Ich weiß, dass das eine hochemotionale Debatte ist, weil man betroffen ist, weil man meint, man
sei betroffen, oder weil man sich betroffen fühlt . Deshalb
ist es umso wichtiger, dass wir bei dieser Debatte einen
kühlen Kopf bewahren, zwar eine hitzige, aber auch eine,
wie ich finde, sachlich gerechtfertigte Debatte führen.
({3})
Der zweite Punkt . Man kann ja Positionen vertreten .
Ich rede gleich über die Positionen innerhalb der Union,
die sehr weit auseinanderliegen .
({4})
Eines muss hier aber, wie ich finde, Gültigkeit haben: der
Respekt vor einer anderen Position .
({5})
Herr Beck, dass Sie uns mit Ihrem Hinweis auf die
83 Prozent indirekt vorwerfen, dass wir hier eine Minderheit verteidigen oder vertreten, finde ich ziemlich skurril.
Ich finde, auch eine Minderheit hat Anspruch darauf, parlamentarisch vertreten zu werden, und das machen wir
als CDU und CSU .
({6})
Deswegen bitte ich um den nötigen Respekt und darum,
in der Debatte zu versuchen, auch die Position der anderen zu verstehen .
Noch einmal zum Koalitionsvertrag . Ich glaube, allen
ist klar, was mit der Formulierung im Koalitionsvertrag
gemeint war .
({7})
Die SPD muss also aufpassen, was sie macht, wenn sie
jetzt das Thema „Ehe für alle“ für den Koalitionsausschuss anmeldet . - Johannes Kahrs ist doch ein seriöser
Hanseat,
({8})
Sozialdemokrat; wenn der Hamburger einem die Hand
gibt, dann zählt sein Wort . Ich glaube, Johannes, du wirst
dafür sorgen, dass das Wort der SPD in dieser Frage
zählt . - Im Koalitionsvertrag haben wir uns damals darauf verständigt, dass die Ehe für alle nicht in dieser Legislaturperiode kommt,
({9})
und dazu stehen wir auch . Dazu solltet ihr auch stehen .
({10})
Jetzt noch einmal zur Diskussion innerhalb der Union . Dass es unterschiedliche Positionen gibt, ist in den
letzten Debatten immer deutlich geworden . Es ist keine
Schwäche von zwei Parteien bzw . einer Fraktion, wenn
sie über verschiedene Positionen debattiert und sie kritisch beleuchtet .
({11})
Es gibt tatsächlich viele in der Union, die unvoreingenommen für die Öffnung der Ehe stehen .
({12})
Es gibt andere in der CDU, auch in der CSU, die die Öffnung der Ehe komplett ablehnen, und es gibt den einen
oder anderen - dazu würde ich mich zählen -, der ernsthaft darüber nachdenkt, welchen Weg man gehen kann,
wie man Stellschrauben verändern kann, damit man beiden Seiten gerecht wird,
({13})
denjenigen, die das kritisch sehen, ebenso wie denjenigen, die das voranbringen wollen . Die Stärke einer
Volkspartei ist, diese Debatte zu führen und auch auszuhalten . Sie müssen schon Geduld aufbringen . Zunächst
einmal führen wir die Debatte bei uns, und dann kommen
wir möglicherweise auf Sie zu .
({14})
Also spiegelt die Union auch die gesellschaftliche Debatte wider .
Noch einmal: Ob es 80, 70 oder 83 Prozent sind, es
gibt viele, die damit ein Problem haben, die sagen: Nein,
Ehe und Familie - jetzt komme ich sozusagen zum Kern
der 49er-Diskussion - stehen unter dem besonderen
Schutz des Staates .
({15})
Damit ist und war von den Verfassungsvätern und den
vier Verfassungsmüttern ganz deutlich gemeint: Ehe als
die Beziehung der Personen zueinander, aber auch die
Möglichkeit, dass aus dieser Beziehung Kinder erwachsen können und eine Familie gegründet wird .
({16})
Deswegen ist es auch in der Verfassung ein Alleinstellungsmerkmal .
({17})
Herr Beck, mit Respekt meine ich auch, dass man in
einer parlamentarischen Debatte Stil haben muss . Momentan vermisse ich bei Ihnen den Stil . Sie müssen auch
einmal zuhören .
({18})
Die Debatte ist weitergeführt worden . Frau
Winkelmeier-Becker hat das Thema Adoptionsrecht
schon angesprochen . Da sage ich persönlich für mich
ganz klar: Ich bin der Meinung, dass auch gleichgeschlechtlichen Paaren die Adoption zugestanden werden
sollte . Das ist gar keine Frage .
Auch da gibt es in der Union eine Diskussion . Am Ende
der Diskussion werden wir auch eine Entscheidung treffen und in den politischen Diskurs bringen .
({19})
- Kollege Bartke, warten Sie es doch ab .
({20})
Noch ein verfassungsrechtlicher Blick auf die Ehe:
Es ist richtig und wichtig, Artikel 6 rechtsgeschichtlich
unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass die Verfassungsväter und -mütter damals gesehen haben, dass es
mit Blick auf die Familiengründung ein Alleinstellungsmerkmal der Beziehungen von Frau und Mann gibt .
({21})
Ob eine Verfassungsänderung irgendwann notwendig
sein wird, lasse ich einmal dahingestellt . Natürlich sehen
auch wir, dass sich Menschen diskriminiert fühlen, wenn
sie „verpartnert“ eintragen müssen . Das ist ein Problem,
aber darüber diskutieren wir ja auch gerade innerhalb der
Union .
({22})
Wir haben deutlich gemacht, dass wir diesen Diskussionsprozess zu Ende führen wollen, weil wir möchten,
dass es einen möglichst großen Konsens gibt .
Ich sage noch einmal: Ich glaube, auch die sogenannte Minderheit - Herr Beck, es ist immer gut, wenn
man sich für Minderheiten einsetzt - sollte in dieser
Frage mitgenommen werden . Da stehen wir als Union
als Ansprechpartner zur Verfügung . Das ist auch unsere
demokratische Pflicht. Und dann werden wir in der Union sicherlich eine mögliche Entscheidung treffen . Noch
einmal, Johannes Kahrs: Das ist in der Koalitionsvereinbarung so geregelt .
({23})
Herr Bartke, auch mit Blick auf die Zukunft rate ich
Ihnen, uns zu ersparen, hier jetzt solch ein Spiel - übMarcus Weinberg ({24})
rigens hat dies Frau Lay gerade richtig dargestellt - zu
treiben .
({25})
Sechs Monate vor der Wahl Wahlkampfmanöver zu fahren, mit der Einberufung des Koalitionsausschusses zu
taktieren und den Bruch der Koalition anzudrohen, das,
glaube ich, sollte nicht der Stil am Ende der Großen Koalition sein .
({26})
Der Kollege Harald Petzold hat das Wort für die Fraktion Die Linke .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Der Kollege Weinberg hat gerade in dieser Debatte, in der Aktuellen Stunde zum Thema „Ehe für alle“, beklagt, dass
hier eine hitzige Debatte geführt werde .
({0})
Der Einzige, der hier hitzig debattiert hat, war, glaube
ich, der Kollege Weinberg selbst,
({1})
weil er jetzt offensichtlich gemerkt hat, dass die Mehrheiten hier in diesem Haus tatsächlich andere sind, die
das, was er inhaltlich vorgetragen hat, nicht teilen .
({2})
Frau Kollegin Winkelmeier-Becker, niemand hier hat
gesagt, dass derjenige oder diejenige, die oder der nicht
für die Homo-Ehe ist, homophob sei . Das hat niemand
gesagt .
({3})
Vielmehr ist gesagt worden: Wer einem anderen die
Gleichstellung verweigert, diskriminiert . - Das ist etwas
anderes .
({4})
Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass man in der
Union im Zuge von Diskussionsprozessen Fortschritte
erzielt hat . Ich bin ja Zeuge solcher Diskussionsprozesse
geworden . Sie haben hier das Beispiel der LSU angesprochen . Ich kann Sie nur einladen: Kommen Sie einmal
mit zum Straßenfest in die Motzstraße hier in Berlin
({5})
im Sommer, und schauen Sie sich den Stand der LSU
an . Die Kolleginnen und Kollegen der LSU stehen ja immer gegenüber von unserem Stand, neben dem Stand der
Grünen und neben dem Stand der SPD . Die Leute kommen immer gerne zum Weißwurstessen dorthin, aber inhaltlich nimmt inzwischen niemand mehr ein Stück Brot
von diesen Kolleginnen und Kollegen .
({6})
Das ist einfach schade, weil sie möglicherweise etwas zur
Diskussion beizutragen haben . Das wäre doch wichtig .
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie möchten,
dass der Kollege Professor Hirte bei der nächsten Podiumsdiskussion zum CSD in Köln - vielleicht wird er
ja wieder angefragt - wieder wie der letzte Depp ausgebuht wird, wenn er verkünden muss, dass es wieder
nicht gelungen ist, die Gleichstellung der eingetragenen
Lebenspartnerschaft mit der Ehe durchzusetzen . Ich kann
mir ebenfalls nicht vorstellen, dass Sie das der Kollegin
Sütterlin-Waack zumuten wollen, dass Sie das dem Kollegen Kaufmann zumuten wollen oder dass Sie das dem
Kollegen Luczak zumuten wollen . Letzterer hat ja schon
getwittert, dass es endlich Zeit wird, hier für Gleichstellung zu sorgen .
({7})
Doch er wird in Berlin-Schöneberg genauso „verprügelt“, weil Sie sich weigern, endlich dafür zu sorgen,
dass es gemäß der Mehrheitsmeinung, die es hier in diesem Hause gibt und die inzwischen auch Teile Ihrer Fraktion mittragen, zu einer gesetzlichen Regelung kommt .
Ich kann Ihnen, wenn Sie hier auf Minderheitenmeinungen rekurrieren, nur sagen: Niemand will von Ihnen, dass Sie ab morgen eine schwule Ehe führen, Herr
Weinberg . Niemand! Sie können hier Ihre Minderheitenmeinung gerne weiter vertreten; dagegen hat doch niemand etwas . Aber die Mehrheitsmeinung, die es hier in
diesem Haus, zumindest rechnerisch, gibt, muss endlich
zum Tragen kommen . Deswegen fordern wir, dass Sie
Ihre Blockadehaltung endlich aufgeben und wenigstens
die Abstimmung freigeben .
({8})
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, eines
kann ich Ihnen natürlich nicht ersparen:
({9})
Sie haben sich heute im Rechtsausschuss
({10})
Marcus Weinberg ({11})
zum 24 . Mal zum Deppen gemacht,
({12})
indem Sie das schmutzige Geschäft der Union in dieser
Frage freiwillig übernommen und zum 24 . Mal verhindert haben, dass die drei vorliegenden Gesetzentwürfe
wenigstens beraten werden . Wenigstens beraten! Nach
der Rede von Frau Winkelmeier-Becker müsste Ihnen
doch endlich aufgegangen sein, dass Sie warten können,
bis Sie schwarz werden,
({13})
bis die Union bei der Gleichstellung von eingetragener
Lebenspartnerschaft und Ehe gemeinsame Sache mit Ihnen macht . Wenn Sie nicht begreifen, dass Sie die rechnerische Mehrheit, die wir im Deutschen Bundestag jetzt
haben, endlich nutzen müssen, dann werden Sie auch
noch dafür sorgen, dass Ihre neue Gallionsfigur, Martin
Schulz, zur Witzfigur verkommt. Das passiert nämlich,
wenn er nur Versprechungen macht und dann die Leute
merken, dass an den Versprechungen nichts dran ist .
({14})
Der Kollege Beck hat den Kollegen Kahrs ja schon
zitiert . Den entscheidenden Satz, Volker, hast du aber
ausgelassen .
({15})
Der Kollege Kahrs hat nämlich versprochen, dass die
Union im Deutschen Bundestag eine Abstimmungsniederlage erleiden werde,
({16})
und die sei auch verdient. Dieser Satz ist, wie ich finde,
wichtig .
({17})
Denn es geht darum, dass es hier Abgeordnete gibt, die
zu ihrem Wort stehen, und Abgeordnete, die nur ankündigen . Aber das Ankündigen muss endlich ein Ende haben,
wenn wir Vertrauen in Politik zurückgewinnen wollen .
({18})
Ich habe in meiner ersten Rede hier gesagt, dass ich
es satt habe, wie ein Bittsteller auftreten und betteln zu
müssen, wenn es darum geht, dass ich dieselben Rechte
in diesem Land haben möchte, wie sie der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU oder der Fraktionsvorsitzende
der SPD ganz selbstverständlich haben . Ich habe auch
gesagt, dass ich es satt habe, dass gute Gesetzentwürfe
wieder einmal dem sogenannten Prinzip des Verfallens
anheimfallen, wenn die Wahlperiode abgelaufen ist .
({19})
Das werden wir nicht zulassen .
Ich kündige schon jetzt an - darauf können Sie sich
verlassen -: Sie haben noch bis zum 26 . April dieses Jahres Zeit . Dann sind die nächsten zehn Wochen abgelaufen . Die Ausschussvorsitzende muss dann Bericht erstatten, was mit den Gesetzentwürfen im Rechtsausschuss
passiert ist . Dann werden wir hier die nächste Debatte
über dieses Thema führen . Dann wird sich zeigen, ob der
Kollege Kahrs nur die Backen aufgeblasen hat oder ob
wir hier tatsächlich zu einer Abstimmung kommen und
endlich für Gleichstellung und Gleichberechtigung sorgen können .
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit .
({20})
Der Kollege Dr . Karl-Heinz Brunner spricht jetzt für
die SPD .
({0})
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Sie auf
den Rängen dort oben werden wahrscheinlich denken:
Was soll die ganze Diskussion heute überhaupt?
({0})
Das, was man hier hört, sind ja keine Argumente, sondern ist eigentlich nur die Wiedergabe von teilweise ganz
persönlichen Empfindungen.
Ich sage aber auch Ihnen, lieber Herr Kollege Petzold,
ganz deutlich: Eigentlich schätze ich Sie . Aber das, was
Sie jetzt gerade gesagt haben, hat Sie in gewisser Hinsicht disqualifiziert. Sie wissen, was im Koalitionsvertrag von SPD und Union steht . Sie wissen auch, dass die
Union, wenn sie die Ehe für alle nicht umsetzt, den Koalitionsvertrag aus meiner Sicht - Kollege Kahrs hat es
ausgesprochen - missachtet und bricht .
({1})
Wir, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten,
haben nicht die Absicht, zuzulassen, dass der Koalitionsvertrag gebrochen wird . Deshalb verhandeln wir mit unserem Koalitionspartner, und ich hoffe, Horst Seehofer
wird schnell so weit gesundet sein, dass er an dem nächsten Koalitionsgipfel teilnehmen kann . Wir verhandeln,
um das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben,
nämlich Ungleichbehandlungen zu vermeiden und abzubauen, auch umzusetzen, also hier in diesem Hause
Harald Petzold ({2})
gemeinsam zu beschließen, dass die Ehe für alle Wirklichkeit wird .
({3})
Es wird vonseiten der Opposition immer gerne argumentiert, dass wir, die SPD, das verhinderten . Dazu muss ich
anmerken: Wir sind zwar in einer Großen Koalition, aber
wir sind noch nicht der größere Partner . Wir müssen noch
bis zum 24 . September 2017 warten, bis wir die Mehrheit
in Deutschland haben .
({4})
Meine Kolleginnen und Kollegen von der Union, wer
will denn in Deutschland die Ehe für alles?
({5})
- Für alle! - 83 Prozent aller Deutschen wollen sie .
({6})
Auch die Mehrheit dieses Hohen Hauses und die Mehrheit des Bundesrates will sie, und wenn Sie ganz ehrlich sind, dann müssen Sie zugeben: Das will auch die
Mehrheit innerhalb der Unionsfraktion . Deshalb frage
ich mich: Warum passiert hier nichts, obwohl wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, Diskriminierung abzubauen?
Ich gebe der Kollegin Künast recht, die in ihrer Presseerklärung gesagt hat, dass Spielchen gespielt werden
und man sich fragen müsse, ob das Taktik, Machtkalkül
oder nur Trotz ist . Es kann ja nicht sein, dass es um religiöse Gefühle geht . Die Mehrheit der Evangelischen Landeskirchen in Deutschland schließt bei Lebenspartnerschaften inzwischen nämlich Ehen, was nur ein bisschen
illegal ist . Die Menschen wollen also die Ehe für alle .
Deshalb kann ich diese parteitaktische Argumentation
politisch nicht akzeptieren . Sie ist unredlich .
({7})
Ich sage aber: Ich akzeptiere es - hier haben Sie mich
voll an Ihrer Seite -, wenn jemand in diesem Hohen
Hause oder in diesem Lande sagt, dass er aus Gewissensgründen, seinem persönlichen Gewissen folgend, eine
bestimmte Entscheidung - zum Beispiel für die Ehe für
alle - nicht mittragen kann . Wenn dies der Fall ist - das
sage ich nicht nur den Kolleginnen und Kollegen der
Union, sondern vorrangig auch unserer Kanzlerin, die
mit ihrem Bauchgefühl ja offensichtlich ihr Gewissen
ausdrückt -, dann bedeutet das, dass die Entscheidung in
diesem Hohen Hause freizugeben ist und hier eine Gewissensentscheidung zu treffen ist .
({8})
Wenn eine Abstimmung im Zuge einer solchen Gewissensentscheidung durchgeführt wird, werte Kolleginnen
und Kollegen aller Fraktionen, dann - da bin ich mir sicher - werden wir hier über die Parteigrenzen hinaus eine
Mehrheit für die Ehe für alle haben .
({9})
Wenn nun der eine oder andere erklärt, dass dies schon
aus formellen Gründen in dieser Legislaturperiode vielleicht nicht mehr klappen könne, halte ich ihm entgegen:
Wenn wir etwas gewollt haben - Hilfe für Menschen,
für Europa, für unsere Freunde in Griechenland -, dann
haben wir in diesem Hohen Haus in weit kürzerer Zeit
Mehrheiten organisieren, Gesetzesentscheidungen treffen und Gesetze beschließen können .
Ich möchte nicht, dass wir bei dieser wichtigen Frage
noch länger zuwarten; denn es geht um Menschen, die
in Liebe verbunden sind, die gegenseitig Verantwortung
übernehmen wollen, die unsere Gesellschaft entlasten
und in diesem Land solche Werte leben, wie wir es uns
wünschen, indem sie füreinander einstehen, miteinander
alt werden und Verantwortung für Kinder übernehmen
wollen . Deshalb glaube ich, dass es gut und richtig ist,
wenn möglichst schnell ein Gesetzentwurf der Bundesregierung in diesem Hohen Hause beraten wird,
({10})
um danach die Ehe für alle hier mit großer Mehrheit zu
beschließen .
Viele Dank für die Aufmerksamkeit .
({11})
Die Kollegin Renate Künast spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen .
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Heute ist ja ein besonderer
Tag . Es ist eigentlich eine gute Sache, dass wir am Internationalen Frauentag, wo es ja auch um Gleichstellung
geht, nicht nur über die Gleichstellung zwischen den Geschlechtern, sondern auch einmal über Liebe und Verantwortung reden .
Seit einem Vierteljahrhundert sind wir an diesem Thema dran . Es ist ja schon gesagt worden: 83 Prozent aller
Deutschen befürworten Gleichstellung auch bei der Ehe .
Das muss man doch endlich einmal realisieren, meine
Damen und Herren .
({0})
Ich meine, bei der Atomkraft haben Sie es ja auch irgendwann gelernt, dass das Volk einfach nachhaltig nicht - ({1})
- Ach, Herr Lengsfeld ist auch noch da! - Also, warum
ist es ein guter Vergleich? Weil es um den Punkt geht,
dass man sich teilweise ewig lange ziert, es aber am Ende
doch, wenn auch ein bisschen spät, tut .
Ich finde, Sie von der CDU/CSU haben hierbei ziemlich komische Pirouetten vorgeführt . Frau WinkelmeierBecker ist hier angekommen und hat gesagt, das Wort
„Ehe“ gehöre uns gar nicht . Auf die Idee wäre ich gar
nicht gekommen, Frau Winkelmeier-Becker . Das war
eine Pirouette am Redepult des Deutschen Bundestages,
bei der ich schon fast den Zwischenruf machen wollte,
ihn aber nicht kurz genug hinbekam: Melden Sie das für
den Eistanz an! Da sucht man auch immer nach neuen Figuren; und wenn Sie Glück haben, kommen Sie am Ende
wieder mit beiden Kufen auf dem Boden an .
Es ist doch eine absurde Debatte, darüber zu sprechen, ob uns das Wort „Ehe“ gehört oder nicht, meine
Damen und Herren . Es geht um den Punkt, dass wir gesellschaftlich mit diesem Begriff etwas ausdrücken wollen . Wir wollen mit ihm ausdrücken, dass wir Liebe und
Verantwortung respektieren und schützen wollen . Es gibt
nach unserem Grundgesetz keinen Grund, Gleiches nicht
gleich zu behandeln . Das ist der Kern .
({2})
Ich finde es bedauerlich, dass wir im Rahmen des
parlamentarischen Verfahrens GO-Eiertänze vollziehen .
Seit Herbst 2015 werden die Anträge der Fraktion Die
Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jedes
Mal wieder vertagt . So auch heute . Herr Brunner hat
leider den Job übernommen, das immer wieder per Geschäftsordnung zu beantragen . Mittlerweile ist aber auch
schon mehrere Male die Behandlung des Bundesratsbeschlusses vertagt worden, meine Damen und Herren . Ich
empfehle Ihnen einen Blick ins Grundgesetz . Das Grundgesetz sagt in Artikel 76 Absatz 3 letzter Satz:
Der Bundestag hat über die Vorlagen
- des Bundesrates in angemessener Frist zu beraten und Beschluss zu
fassen .
Also irgendwann werden Sie im Plenum dieses Bundestages einen Beschluss über den Beschluss des Bundesrates fassen müssen .
({3})
Alles andere, meine Damen und Herren, ist verfassungswidrig, echt verfassungswidrig .
Herr Weinberg hat hier gesagt, wir sollten einen kühlen Kopf behalten . Das tue ich, Herr Weinberg, mein
Kopf wird in dieser Angelegenheit immer kühler und
klarer . Ich kann Ihnen deshalb sagen: Ich habe nicht verstanden, wo jetzt eigentlich Ihr Problem ist und wo Sie
noch Klärungsbedarf haben .
({4})
Sie führen jetzt eine Diskussion, die zum Beispiel um
den Begriff „Reproduktionsgemeinschaft“ kreist . Die
Ehe ist keine Reproduktionsgemeinschaft bzw . Reproduktionsinstitution . Das ist so an keiner Stelle unseres
Grundgesetzes festgelegt worden . Insofern brauchen Sie
sich mit diesem Begriff gar nicht mehr abzumühen . Die
Ehe beinhaltet eine Verantwortungsübernahme, hat aber
verfassungsrechtlich nicht zwingend etwas mit Reproduktion zu tun, meine Damen und Herren .
Warum können Sie als Partei mit dem großen „C“ im
Namen eigentlich nicht einmal der Idee des christlichen
Ehegelübdes folgen? Da heißt es doch: In guten wie in
schlechten Zeiten . - Was hindert Sie eigentlich, wenn
Menschen zueinander sagen: „Wir beide wollen uns in
guten wie in schlechten Zeiten nicht nur lieben, sondern
auch Verantwortung übernehmen . Wir wollen uns bei
Krankheit gegenseitig helfen, unsere Eltern pflegen, Patenkindern beim Aufwachsen helfen oder selber Kinder
adoptieren“, froh darüber zu sein, dass Menschen Verantwortung übernehmen? Ich verstehe es nicht .
({5})
Ich verstehe es schon gar nicht in diesen Tagen, wo an
manchen Stellen so wenig Verantwortung wahrgenommen wird, aber so viel Hass vorhanden ist .
Wir haben vor 15 Jahren mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz den ersten Schritt gemacht . 15 Jahre danach
gibt es meines Erachtens nicht mehr viel zu diskutieren .
Lassen Sie uns einfach das Wort „gleichgeschlechtlich“
in § 1353 BGB hineinschreiben, meine Damen und Herren . Das Bundesverfassungsgericht wird es Ihnen eines
Tages sowieso überhelfen . Es überhilft Ihnen ja alles,
und Sie müssen dann - so auch bei der Adoption - nachher hinterherklappern .
Ich suche manchmal nach eindrucksvollen Lebensweisheiten und Menschen, die mir eine Wegweisung geben .
({6})
Ich habe einen solchen Menschen gefunden: Wilhelm
Busch .
({7})
- Na ja, Wilhelm Busch hat das auch schon diskutiert;
das werden Sie gleich merken . Er hat nämlich festgestellt, dass es keine Liebe zweiter Klasse gibt . Ich habe
allerdings auch festgestellt, dass der Mann neugierig ist .
Ein kurzes Zitat von ihm lautet:
Liebe - sagt man schön und richtig -,
ist ein Ding, was äußerst wichtig .
Nicht nur zieht man in Betracht,
was man selber damit macht,
nein, man ist in solchen Sachen
auch gespannt, was andre machen .
({8})
Das finden Sie nur heraus, wenn Sie die Ehe für alle
zulassen, meine Damen und Herren . Ich bin überzeugt:
Es ist genug Ehe für alle da .
({9})
Die Kollegin Dr . Sabine Sütterlin-Waack spricht jetzt
für die CDU/CSU .
({0})
Warten Sie es ab .
({0})
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Kurz und im Ergebnis wahrscheinlich wenig
überraschend eins vorweg: An der Position der CDU/
CSU-Fraktion hat sich seit unserer letzten Debatte zur
Geschäftsordnung Ende letzten Jahres nichts geändert .
({1})
Vor wenigen Monaten habe ich an gleicher Stelle
schon darauf hingewiesen: Die weit überwiegende Mehrheit in der CDU/CSU-Fraktion ist hinsichtlich des Inhaltes der Gesetzentwürfe der Grünen, der Linken und des
Bundesrates entschieden: Wir sind der Auffassung, dass
die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Wertentscheidung des Verfassungsgesetzgebers vorbehalten ist . Werte Kolleginnen und Kollegen,
mit dieser Auffassung stehen wir übrigens nicht allein .
Verfassungsrechtler stützen unsere Position .
({2})
Die Entscheidung zur Eheöffnung kann also nicht einfach durch Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches
erfolgen, wie Sie sich das vorstellen und wie das auch
im Bundesrat gesehen wird . Unsere Position hierzu wird
sich kurzfristig nicht ändern .
({3})
Genauso wenig wird sich aber, lieber Herr Beck, unsere Einstellung verändern, dass Menschen, die sich lieben
und dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen,
die einander Stabilität und Halt geben wollen, unsere
Anerkennung und Wertschätzung verdienen, unabhängig davon, ob sie gleich- oder verschiedengeschlechtlich
sind .
({4})
Sie verdienen die Unterstützung der Gesellschaft und des
Staates . Wir freuen uns, dass die bürgerlichen Lebensformen nach Jahren der totalen Ablehnung auf ein derart
großes Interesse bei der Opposition stoßen .
({5})
Ausdruck der staatlichen Wertschätzung und Unterstützung war und ist das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft .
({6})
Dessen Rechte und Pflichten haben der Gesetzgeber
und auch das Bundesverfassungsgericht in den letzten
15 Jahren immer weiter konkretisiert . Auch in dieser Legislaturperiode war hier kein Stillstand . Wir haben gleich
zu Beginn der Wahlperiode die Sukzessivadoption für
gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht .
({7})
Überdies haben wir das nationale Recht im Sinne der
Gleichstellung bereinigt .
Wir haben schon so viele Debatten zur Öffnung der
Ehe in dieser Wahlperiode geführt . Deshalb sehen Sie es
mir nach, wenn Sie von mir Bekanntes hören .
({8})
Die Eheöffnung ist eine politische Forderung von vielen .
Sie ist aber eben keine zwingende grundgesetzliche Notwendigkeit .
({9})
Ohne Eheöffnung, aber bei völliger rechtlicher
Gleichstellung könnte ich den Vorwurf nicht verstehen,
dass weiter staatliche Diskriminierung betrieben werde .
Viele in meiner Fraktion, auch ich, treten daher für eine
vollständige rechtliche Gleichstellung ein und versuchen,
eine Konsenslösung herbeizuführen .
({10})
Über die Idee, die eingetragene Lebenspartnerschaft
im Grundgesetz zu verankern und den Artikel 6 des
Grundgesetzes um den Begriff „Lebenspartnerschaft“ zu
erweitern, wird aber leider überhaupt nicht diskutiert .
({11})
Unser Werteverständnis vom Schutz von Familie und
Ehe, verbunden mit der Gleichberechtigung und Toleranz gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens,
würden wir damit festschreiben. Ich finde es äußerst
schade, dass dieser Weg nicht mehr als Alternative und
Kompromiss diskutiert wird . Damit könnte doch die Ehe
als Verbindung zwischen Mann und Frau beibehalten
werden und die eingetragene Lebenspartnerschaft gleichberechtigt danebenstehen . Eine zusätzliche Änderung
des Personenstandsgesetzes wäre denkbar . Dann bliebe
gleichgeschlechtlichen Paaren in administrativen Vorgängen die Offenlegung ihrer sexuellen Identität erspart .
Es hat zwar nichts mit der Frage nach der Öffnung der
Ehe zu tun, aber damit etwas - darüber haben wir schon
gesprochen -, was uns als Fraktion in diesen Debatten
immer unterschwellig entgegenschlägt . Dort schwingt
mit: Die CDU/CSU-Fraktion ist, weil sie sich gegen die
Öffnung der Ehe stellt, irgendwie homophob . Weil sie
sich das öffentlich nicht zu sagen traut, wird das latent
durch die Abwehrhaltung in dieser Frage ersetzt . Ich
möchte diese Aktuelle Stunde dafür nutzen, zu sagen:
Das ist großer Unsinn .
({12})
Sicher waren wir nie die Speerspitze der Bewegung,
({13})
und sicherlich wird es nicht sonderlich schwerfallen, in
alten Plenarprotokollen Aussagen zu finden, die nicht gerade von einer ganz großen Aufgeschlossenheit für dieses Thema zeugen .
({14})
Aber das ist lange her . Das zeigt im Übrigen auch
unsere Herangehensweise an eine Thematik wie die der
Rehabilitierung der Opfer des ehemaligen § 175 Strafgesetzbuch .
({15})
Wir erkennen an, dass die Rehabilitierung der Betroffenen ein wichtiges moralisches, politisches und gesellschaftliches Anliegen ist .
({16})
Der Kabinettsbeschluss fehlt noch - das stimmt -,
aber uns allen ist klar, dass die verurteilten Personen oftmals hochbetagt sind und wir deshalb einen Abschluss
des Gesetzgebungsverfahrens in dieser Legislaturperiode
brauchen . Dafür werden wir uns einsetzen . Wir wollen,
dass die Betroffenen ihre Rehabilitierung noch erleben,
und hoffen, dass sie dadurch mit unserem Rechtssystem
versöhnt werden .
Denen, die mir zugehört haben, danke ich dafür .
({17})
Die Kollegin Mechthild Rawert spricht jetzt für die
SPD .
({0})
Liebe Frauen! Liebe Lesben! Gratulation zum Internationalen Frauentag! - Seit Anfang März können Lesben
und Schwule auch im konservativ-liberal regierten Finnland heiraten . Dort gilt nun die Ehe für alle; dort gibt es
auch für alle das gleiche Adoptionsrecht . Das ist nun in
mehr als 20 Staaten der Welt der Fall, und in allen diesen
Staaten gelten gleiche Rechte für hetero- und homosexuelle Paare . So sieht dort die politische und gelebte Realität aus . Und was machen wir? In Deutschland hinken wir
schmählich hinterher .
Sie alle wissen: Der Widerstand gegen die Ehe für alle
kommt aus der Union . Dieser Widerstand ist mir unverständlich . Denn - die Umfragen wurden schon angesprochen - die in Deutschland lebenden Menschen wollen
die vollständige Gleichstellung . Die vollständige Gleichstellung wollen auch Ihre Wählerinnen und Wähler, nicht
nur die der anderen Parteien .
({0})
Sozialdemokratische Wähler und Wählerinnen in Berlin und anderswo - insbesondere in meinem Wahlkreis
Tempelhof-Schöneberg ({1})
wollen 100 Prozent Gleichstellung . Deswegen hat sich
die Landesgruppe der Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten bereits 2015 an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
und die Bundesregierung gewandt und gefordert: Geben Sie die Abstimmung im Deutschen Bundestag frei!
Schließen Sie sich der Position der Bundesländer und
der SPD an! Setzen Sie sich mit uns gemeinsam für die
Einführung des Rechts auf Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare ein!
Wir alle sind Parlamentarierinnen und Parlamentarier . Meine Bitte ist daher: Hören Sie auf das Votum Ihrer
Wähler und Wählerinnen! Dann können auch der Widerstand und das Bauchgefühl der Kanzlerin überwunden
werden . Ich sage ganz deutlich: Wir werden als SPD einen Gesetzentwurf vorlegen, und wir werden dafür Sorge
tragen - zumindest hoffe und erwarte ich dies auch von
meiner eigenen Fraktion -, dass es tatsächlich noch in
dieser Legislaturperiode zu einer Entscheidung kommen
wird .
({2})
Denn wir haben gesagt und das auch schriftlich niedergelegt: Wir wollen mit jeglicher Form von Diskriminierung Schluss machen . Das heißt, gleiche Rechte für
alle schaffen: Menschenrechte und - weil Frauentag ist Frauenrechte, aber selbstverständlich auch gleiche Rechte für heterosexuelle, homosexuelle, trans- oder auch intersexuelle Menschen .
Frau Winkelmeier-Becker, Sie kennen vielleicht noch
nicht die neueste Studie zum Thema „Geschlecht im
Recht“ .
({3})
Wir werden noch intensiv darüber debattieren . Viele
der Fragen, die Sie jetzt angerissen haben, werden noch
Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen werden,
befürchte ich . Denn das ganze Thema Geschlecht wird
noch große Debatten nach sich ziehen, nicht nur zu den
Fragen, über die wir heute sprechen, sondern auch im
Hinblick auf Transsexualität und Intersexualität . Die Untersuchungen und Studien liegen vor . Auf die Debatten
bis hin zu der über das dazugehörige Familienbild freue
ich mich jetzt schon .
Ich selber stamme gebürtig aus einer konservativen
Familie . Aber niemand aus dem CDU-geprägten ländlichen Umfeld meiner Familie macht sich für Ungleichheit
zwischen Menschen stark . Ich hoffe, dass das alle Parteien eint . Wir wollen gleiche Rechte für alle; denn jeder
Mensch ist, unabhängig von seiner sexuellen Identität,
gleich zu behandeln . Die Menschenwürde ist unteilbar .
({4})
Deswegen sollen gleichgeschlechtliche Paare genauso
viel Unterstützung erhalten wie andere . Lassen Sie uns
endlich die Streitfrage „Soll es die Ehe für alle geben?“
überwinden! Kämpfen wir für die Ehe für alle! Ich füge
hinzu: Kämpfen wir auch für ein gemeinschaftliches
Adop tionsrecht; denn auch die Kinder sind gleich zu behandeln . Ihnen allen gebührt die gleiche Liebe, unabhängig von der sexuellen Identität der Eltern; das beweisen
alle Studien . Das schulden wir sowohl den Erwachsenen
als auch den Kindern, und das nicht nur heute, am Internationalen Frauentag .
({5})
Der Kollege Alexander Hoffmann spricht jetzt für die
CDU/CSU .
({0})
Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen
und Kollegen! Lieber Kollege Brunner, Sie wissen, dass
ich Sie schätze .
({0})
Ich sage Ihnen aber angesichts Ihrer Rede ganz ehrlich:
In dieser Debatte stelle ich nicht mehr unbedingt so hohe
Ansprüche an Inhalt und Qualität . Wenn die Kollegen
Beck und Kahrs sprechen, dann weiß ich, dass Emotionen im Spiel sind und dass das manchmal auf Kosten der
parlamentarischen Fairness geht .
({1})
Wenn die Kollegin Künast spricht - das weiß ich aus dem
Ausschuss -, fehlt manchmal vielleicht die inhaltliche
Tiefe .
({2})
Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich, Kollege Brunner:
Was Sie heute vorgetragen haben, hatte für mich die
Züge einer Büttenrede . Ich will Ihnen auch sagen, warum . Als Sie behauptet haben, dass wir den Koalitionsvertrag brechen, war ich kurz davor, mich kaputtzulachen; denn ich kann mich an von Ihnen gestellte Anträge
zur Geschäftsordnung im Rechtsausschuss erinnern, in
denen Sie selbst auf den Koalitionsvertrag verwiesen haben . Mir ist wichtig, dass wir bei der Wahrheit bleiben .
({3})
Ich möchte noch vier Aspekte ansprechen, die mir
wichtig erscheinen . Auch in dieser Debatte wird der Eindruck erweckt, dass Deutschland in Sachen Gleichstellung das Schlusslicht sei .
({4})
Bisweilen werden Länder - ich höre es schon wieder wie Mexiko, die USA und Brasilien in diesem Zusammenhang genannt . Ich möchte davor warnen, solche
Länder als beispielgebende Vorbilder für Deutschland
in Sachen Gleichstellung zu nennen; denn wenn Sie sich
diese Länder genau anschauen und eine Bestandsaufnahme machen, dann werden Sie feststellen, dass es in
diesen Ländern im Moment tragischerweise nur um ein
Etikett geht . Aber Inhalte wie Diskriminierungsschutz
im Arbeitsrecht und entsprechende Regelungen fehlen
in diesen Ländern noch komplett . Deswegen schlage ich
vor, damit aufzuhören, hier nur über das Etikett zu diskutieren . Vielmehr sollten wir schauen, was Gesellschaft
und Politik in Sachen Gleichstellung tatsächlich geleistet
haben .
({5})
Des Weiteren wird behauptet, das Bundesverfassungsgericht fordere die Ehe für alle . Das ist fast eine Originalaussage des Kollegen Beck . Kollegin Künast hat es
genauso formuliert . Darüber wundere ich mich jedes
Mal . Es gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7 . Mai 2013 . Ich bitte Sie inständig, diese
zu lesen . Dort heißt es nämlich, dass die Ehe ein Institut
ist, das alleine der Verbindung von Mann und Frau vorbehalten ist .
({6})
Dann kommt oft die Aussage - das ist der dritte Aspekt -: Nur die Bezeichnung als Ehe beseitigt jegliche
Diskriminierung . - In der Anhörung am 28 . September
2015 - der Kollege Kahrs war leider verhindert; sonst
würde er die Aussagen kennen - wurde Professor Ipsen
gefragt, ob wir eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft
als Ehe bezeichnen müssen, um jegliche Diskriminierung
zu vermeiden . Die Aussage des Juristen lautete: Nein .
Im Übrigen ist es so - die Kollegin WinkelmeierBecker hat es vorhin schon angesprochen -: Auch bei
Mann und Frau gibt es unterschiedliche Bezeichnungen,
aber gleiche Rechte . Sie selbst, wenn ich Sie erinnern
darf, haben immer von Gleichstellung gesprochen . Wenn
Sie schauen, was der Begriff „Gleichstellung“ bedeutet,
dann sehen Sie, dass es unterschiedliche Dinge sind, die
grundsätzlich gleichzubehandeln sind . Und es sind unterschiedliche Dinge, auch wenn Sie das nicht hören mögen .
({7})
Damit komme ich zu meinen Argumenten . Aus einer
Ehe, der Verbindung zwischen Mann und Frau, können
potenziell Kinder hervorgehen . Deswegen steht sie unter
dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, ob Ihnen das
gefällt oder nicht .
({8})
Dann kommt der Satz: Das gesellschaftliche Verständnis der Ehe hat sich gewandelt . - Auch das kann ich so
nicht mittragen . Die Ehe ist nach wie vor die mit Abstand
häufigste Form menschlichen Zusammenlebens. 70 Prozent aller Kinder werden in der Ehe groß . Ich bin dankbar
für ein ganz wichtiges Zitat - da dürfen die Grünen immer wieder zuhören -, welches lautet:
({9})
So ist und bleibt die klassische Ehe die bevorzugte Lebensform der meisten Menschen - und das ist
auch gut so .
Das wurde gesagt von Winfried Kretschmann am 6 . Oktober 2016 in der Zeit.
({10})
- Herr Beck, ich verstehe Ihre Emotionen . In diesem Fall
tut wahrscheinlich Zuhören weh .
({11})
Sie sehen also, es gibt tatsächlich viele Argumente,
Dinge anders zu sehen .
({12})
Diese andere Meinung werde ich mir nicht nehmen lassen . Ich werde mich auch nicht wegducken . Ich persönlich - das sage ich Ihnen ganz ehrlich - habe keinen Beratungsbedarf . Wir führen diese Debatte nur aus einem
Grund, und zwar weil sich die SPD in diesem Punkt nicht
findet und sagt: Wir würden ja so gerne, aber wir können
nicht wegen denen .
({13})
Ich kann nichts dafür - deswegen scheue ich mich
auch nicht vor dieser Debatte -, dass die SPD an dieser
Stelle so saft- und so kraftlos ist .
({14})
Danke .
({15})
Zum Abschluss der Aktuellen Stunde spricht jetzt die
Kollegin Barbara Woltmann für die CDU/CSU .
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident hat es gesagt: Ich bin die letzte Rednerin in dieser Debatte, die zwölfte Rednerin zu diesem
Thema in der Aktuellen Stunde . Ich wage die Prognose:
Auch wenn noch weitere zehn Redner heute hier reden
würden
({0})
- und Rednerinnen, vielen Dank -, dann würden wir uns
heute hier dennoch nicht annähern;
({1})
denn die Positionen sind miteinander ausgetauscht . In
vielen Sitzungswochen - das ist auch schon von Vorrednern angesprochen worden - ist das Thema immer wieder intensiv im Rechtsausschuss und auch in Debatten
hier im Parlament behandelt worden .
({2})
- Gut, aber es ist immer wieder debattiert worden .
({3})
Ich weiß, dass es hier im Plenum beraten worden ist und
dass Positionen ausgetauscht worden sind .
Eines möchte ich auch einmal sagen: Ich möchte mir
hier nicht mit einem missionarischen Eifer eine Meinung
aufzwingen lassen . Wir sind im politischen Diskurs,
({4})
und da ist es schon erlaubt, dass jemand eine andere Meinung haben kann . Da gibt es unterschiedliche Meinungen, auch bei uns in der Fraktion . Es ist schon angesprochen worden, dass wir da nicht alle einer Meinung sind .
Aber ich finde, auch das gehört zu einer Volkspartei.
({5})
Wir müssen sehen, wie wir da zu einer gemeinsamen Linie kommen .
Für uns ist es so, dass die Öffnung dieses Rechtsinstituts Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften der
Wertentscheidung des Verfassungsgebers vorbehalten ist .
({6})
Das bedeutet nicht, dass die Union den Menschen, die
sich lieben und die dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen und sich Stabilität geben wollen, keine
Anerkennung oder Wertschätzung zuteilwerden lassen
will . Ganz im Gegenteil: Ob verschieden oder gleichgeschlechtlich, der Staat unterstützt alle Lebensformen, die
von Verantwortung füreinander getragen werden .
({7})
Auch wir wollen, dass Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, egal welchem Geschlecht sie angehören . Wir entziehen uns nicht einer Diskussion über eine
vollständige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, im Gegenteil .
({8})
Wir haben in den vergangenen Jahren bei der Anpassung der Rechtsvorschriften des Partnerschaftsgesetzes
eine Fast-Gleichstellung der Ehe erreicht .
({9})
- Gut, vielleicht nicht immer freiwillig, aber wir haben
es gemacht . - Der Gesetzentwurf des Bundesrats vom
11 . November 2015 spricht daher auch von einer symbolischen Diskriminierung . Um Symbolik geht es aber bei
der Verfassung nicht . Der verfassungsmäßige Ehebegriff
hat sich eben nicht verändert .
Was sich durchaus verändert hat, ist die Gesellschaft;
das ist hier ja auch schon angesprochen worden .
({10})
Auch das sehen wir natürlich . Viele wollen gar nicht oder
erst später heiraten . Es gibt Ehen, in denen man sich gegen oder erst später für Kinder entscheidet, weil man sich
vielleicht erst beruflich entfalten möchte. Es gibt also
ganz unterschiedliche Lebensentwürfe . Es ist ja auch gut
so, dass es diese unterschiedlichen Lebensentwürfe gibt .
Es hat sich - das ist auch gut so - auch gesellschaftlich
die Einsicht breitgemacht, dass gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften in keiner Form diffamiert oder
diskriminiert werden dürfen .
({11})
Das bewerten ich und unsere Fraktion sehr positiv . Die
Gleichberechtigung ist - in der Tat: bis auf die Eheschließung - erreicht .
Schauen wir doch einmal ins Grundgesetz . Artikel 6
Absatz 1 des Grundgesetzes schützt die Ehe und die Familie . Mit dem Begriff „Ehe“ ist die auf Dauer angelegte,
auf freiem Entschluss und auf Gleichberechtigung beruhende und förmlich geschlossene Lebensgemeinschaft
zwischen Mann und Frau gemeint . Das ist ja auch durch
Urteile des Bundesverfassungsgerichts mehrfach so bestätigt worden .
Nicht erfasst werden nichteheliche oder eheähnliche
Lebensgemeinschaften . Auch gleichgeschlechtliche Verbindungen wie die eingetragene Lebenspartnerschaft
sind nach dem Grundgesetz und auch nach Meinung des
Bundesverfassungsgerichts keine Ehe, da Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes allein heterosexuelle Lebensgemeinschaften meint . Die Ehe zwischen Mann und Frau
hat also Verfassungsrang . Da hilft es uns auch nicht weiter, wenn Sie auf andere Länder verweisen . Das Grundgesetz gilt hier .
({12})
Nun zu Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz: Gleichheit
vor dem Gesetz . Was ist die Bedeutung dieses Artikels?
Er greift, wenn es eine Ungleichbehandlung gibt, also
eine unterschiedliche Behandlung zweier vergleichbarer
Sachverhalte .
({13})
Die heterosexuelle ist eben nicht mit der gleichgeschlechtlichen Ehe vergleichbar, da zwei Männer oder
zwei Frauen keine Kinder zeugen und gebären können .
({14})
Das heißt, dass es kein gleicher Sachverhalt ist . Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verbietet nicht nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern
auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem .
({15})
- Das können Sie in Kommentaren nachlesen; da finden
Sie das . - Da ist auf der einen Seite eine heterosexuelle und auf der anderen Seite eine gleichgeschlechtliche
Partnerschaft . Das ist eben etwas Unterschiedliches .
Die Ungleichbehandlung aufgrund sexueller Orientierung als ein personengebundenes Merkmal unterliegt allerdings einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung . Bei
dieser Überprüfung hat das Bundesverfassungsgericht in
der Vergangenheit entschieden, dass es Ungleichbehandlungen gab . Diese sind mittlerweile beseitigt worden; das
ist von Vorrednern schon angesprochen worden . Insofern
sehen wir hier keine Verletzung des Artikels 3 oder des
Artikels 6 . Daher muss man, wenn von Benachteiligung
gesprochen wird, sagen: Die Verfassung sieht das so
nicht .
Es bleibt also festzuhalten - der Präsident meldet
sich; ich muss zum Ende kommen -, dass wir zu keinem
Kompromiss kommen werden . Was die Adoption angeht,
glaube ich, wird es Veränderungen geben . Das könnte ich
mir vorstellen, aber nicht bei der Ehe .
({16})
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet, und wir sind
am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 9 . März 2017, 9 Uhr,
ein .
Kommen Sie alle gesund wieder . Die Sitzung ist geschlossen .